Die Macht | 8.4.3
Kaum etwas ist dem modernen Menschen wichtiger als seine Freiheit. Sicherheit vielleicht, aber darüber streitet man sich ja. Was zur Freiheit überhaupt nicht passt, ist der Gedanke daran, dass jemand Macht über einen hat. Und dann gar Allmacht. Gott, der Liebe ist, wie Theologe Thorsten Dietz in einem anderen Vortrag erklärt, ist auch Macht. Das klingt gefährlicher und bedrohlicher als ein Gott, der Liebe verkörpert. Um zu verstehen, was Gott mit Macht zu tun hat, wagt sich Dietz an die Theodizee-Frage, jener großen Frage, auf die es nie eine wirklich befriedigende Antwort gibt, nämlich: Warum lässt Gott Leid zu? Für eine Antwort bemüht Dietz den russischen Schriftsteller Fjodor Dostojewski und „Die Brüder Karamasow“, Immanuel Kant und einen hypothetischen Agnostiker, der kritische Fragen stellt. Es ist eine lange Antwort, durchzogen von nachdenklichen Geschichten, vielen Denkanstößen und dem Versuch, jenen allmächtigen Gott des Alten Testaments und der blutigen Kirchengeschichte mit Liebe in Einklang zu bringen.
Søren Kierkegaard – Angst und Glaube | 10.1.3
Die Reihe über große Theologen geht weiter: Dieses Mal erzählt Thorsten Dietz von einem Theologen, der unser Verständnis davon, was Menschsein bedeutet, wie kaum ein anderer geprägt hat. Søren Kierkegaard beeinflusste das Denken seiner Zeit weit über Christentum und Kirche hinaus und hinterließ ein Werk, das noch heute Theologen, Philosophen und Gelehrte auf der ganzen Welt beschäftigt.
Søren Kierkegaard wurde in einer spannenden Zeit geboren, nach den großen Revolutionen des 18. Jahrhunderts, als sich Gesellschaften neu orientierten und der Glaube an Gott einen neuen Platz zwischen Vernunft und Zweifel finden musste. Doch Kierkegaards Lehre – und Dietz‘ Vortrag – geht weit über Glaubensfragen hinaus. Dietz erklärt, wie wir lernen, uns selbst zu akzeptieren. Wie wir mit der ständigen Angst, falsche Entscheidungen zu treffen, umgehen können. Und warum Gottvertrauen allein die Angst in unserem Leben nicht auflösen kann.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.
Jonathan Edwards – Der amerikanische Theologe | 9.8.1
Jonathan Edwards ist der bedeutendste evangelikale Theologe der Kirchengeschichte.
Evangelikal? Wenn Sie dieses Wort hören, werden Sie dann nervös? Genervt? Aggressiv? Kann passieren. Thorsten Dietz erklärt deswegen erst einmal, was »evangelikal« bedeutet, wo der Begriff herkommt und warum er manchmal so einen schlechten Ruf hat. Genauso erklärt Dietz, was Theologie eigentlich bedeutet und was sie tatsächlich mit dem Glauben an Gott zu tun hat.
Über Jonathan Edwards, diesen bedeutenden evangelikalen Theologen, spricht Dietz aber auch noch. Und dann ist auch bald klar, warum er in der Kirchengeschichte so wichtig ist, wie Gefühle und Glaube zusammen passen und was das alles eigentlich mit Star Wars zu tun hat.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.
Anfänge der historisch-kritischen Bibelauslegung – Martin Luther | 10.7.1
Hier lohnt es sich, zuerst den Vortrag über Erasmus von Rotterdam (siehe 10.6.1) zu hören. Beide Vorträge gehören zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«. Für manche gilt Martin Luther als der Begründer der historisch-kritischen Bibelauslegung, für andere passen Bibelkritik und Luther zusammen wie Feuer und Wasser. Thorsten Dietz klärt über beide Positionen auf und bezieht dann Stellung: Mittendrin. Um zu verstehen, wie Luther zur Bibelkritik stand, zieht Dietz vor allem ein Werk Luthers heran: »Vom unfreien Willen«. Es ist eine Antwort auf ein Buch von Erasmus, Teil einer Auseinandersetzung zweier Gelehrter, die in Europa aufgeregt verfolgt wurde. Erasmus und Luther – unterschiedlicher können Biografien kaum aussehen: Der uneheliche Priestersohn und der Junge aus gutem Hause. Der Mönch, der zum Gelehrten wurde, und der Student, der Mönch wurde. Der eine, der sich alles selbst erarbeitet hat. Der andere, dem die Möglichkeit zum Studium von Zuhause vorgegeben wurde. Und vor allem: Der eine, der sich an den Glauben an einen freien Willen klammert. Und der andere, der Trost aus dem Glauben an den Willen Gottes zieht. Dietz erklärt, warum beide so unterschiedlich denken, was das für uns heute bedeutet und warum Theologie immer noch mehr ist als reine Wissenschaft.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«.
Homosexualität und die evangelische Kirche | 12.1.1
Die Kirche hat sich im Laufe ihrer Geschichte schwer getan mit der Homosexualität. Die Kirche? Im Gegensatz zur katholischen Kirche scheint zumindest die evangelische Kirche das Thema inzwischen entspannt zu sehen. Da gibt es homosexuelle Pfarrerinnen, homosexuelle Paare werden gesegnet, Regenbogenfahnen hängen vor Kirchengebäuden. Alles Friede, Freude also? In seinem ersten Vortrag über Homosexualität erklärt Thorsten Dietz, wie beschwerlich der Weg der evangelischen Kirche zum heutigen Umgang mit Homosexuellen war. Es ist ein rascher Ritt durch sieben Jahrzehnte, angefangen bei den Jahren, in denen sich die Kirche überhaupt bewusst wurde, dass es Homosexualität als Neigung gibt. Über die Zeit, in der Homosexualität als böse galt, später als krank, schließlich als heilbar. Dietz erzählt von den Versuchen, Mensch und Tat voneinander zu trennen, spricht vom Leid des Versteckens und der Erkenntnis: Auch die evangelische Kirche hat eine große Schuld auf sich geladen. Die Einstellung, dass Ehe von Liebe geprägt sein soll, ist ein völlig neues Phänomen in der Menschheitsgeschichte. Sollten sich nur Mann und Frau lieben dürfen? Wer hat darüber zu urteilen? Dietz jedenfalls kommt zu einem eindeutigen Urteil. Aber kommt die Kirche damit klar?
Rudolf Bultmann – Entmythologisierung | 11.14.3
Es ist ein Name, den nicht viele kennen. Aber ein Name, an dem sich die Geister derer scheiden, die schon einmal von ihm gehört haben: Rudolf Bultmann. Der »dunkle Lord der Theologie«, wie Thorsten Dietz ihn nennt. Die einen nehmen seinen Namen kaum in den Mund, für die anderen ist es eine Gewissenssache, sich zu ihm zu bekennen. Dietz war selber Atheist, als er sein Theologiestudium begann. Er hatte also keine Angst vor Rudolf Bultmann. Dann bekehrte er sich und stieß auf Bultmanns Lehren, die »Abrissbirne des Glaubens«. Nicht ohne Grund schickt Dietz seinem Vortrag über Bultmann eine seelsorgerliche Einleitung voraus. »Wir müssen alle stark sein«, sagt er, und legt los: Von den Schockwellen, die Deutschland zu Bultmanns Lebzeiten erschütterten, von zerschmettertem Glauben, theologischen Erneuerungen und einem Theologen, dem die FDP zu links gewesen wären, der nicht an die Wunder der Bibel glaubte, aber dennoch zurück wollte zum Wort der Bibel, um die existenziellen Fragen des Lebens zu beantworten.
Spiritualität – Verzauberung des Lebens | 12.10.1
Auch das ist wieder ein Begriff, den alle kennen, den aber niemand so richtig in wenige Worte fassen kann. Thorsten Dietz tut es trotzdem und erklärt, was Spiritualität bedeutet, als Begriff und für unseren Glauben. Denn in unserer wissenschaftsorientierten Welt, halten sich auch Christen eher an das mehr oder weniger Beweisbare, an die Theologie, die »Lehre von Gott«. Das Geistliche dagegen schieben wir von uns, verorten es irgendwo in anderen Kulturen und Religionen. Dabei ist Spiritualität auch im Christentum wichtiger als Theologie, »sie ist die Grundsubstanz, die Glaube und Religion ausmacht«, sagt Dietz. Wie aber holen wir Spiritualität in unser Leben? Wie lassen wir uns »vom Heiligen Geist gestalten«, wie werden wir Mitgestalter unseres spirituellen Lebens? Und wie kommen wir dabei mit anderen Menschen in Kontakt, mit dem Heiligen Geist und mit uns selbst? Dietz gibt uns Werkzeuge an die Hand, um Spiritualität im Alltag zu leben. Und er erklärt, wie wir mit diesen Werkzeugen vernünftig und geistlich umgehen, ohne uns und andere zu verletzen.
Ein Gott zum Fürchten? Ein Lebensthema Luthers | 6.3.2
Mit Begeisterung und einigen Lachern aus dem Publikum steigt der Marburger Theologe Thorsten Dietz ein in ein Thema, das eigentlich gar nicht lustig ist: die Angst. Ein fieses Gefühl, das wir nicht zugeben wollen, wenn es uns doch mal packt. Und gerade Menschen, die bewundert werden, die großen Vorbilder der Geschichte verbindet man kaum mit Angst und Furcht. Dabei fürchten selbst die Mutigsten zumindest den Tod – die Ungewissheit und Unendlichkeit, die dahinter lauert. Für Martin Luther war die Angst vor dem Tod sogar lebensbestimmend. Todesangst war es, die ihn ins Kloster trieb, Todesangst quälte ihn selbst dort, obwohl das Dasein als Mönch im damaligen Glauben die größtmögliche Sicherheit bot, nach dem Tod in den Himmel zu kommen. Doch überall wurde die Todesangst geschürt. Folterszenen aus der Hölle und Bildnisse qualvoller Märtyrertode schmückten die Kirchen. Diese Angst vor dem Tod ging zu Luthers Zeiten einher mit der Angst vor der Hölle. Dabei heißt es in der Bibel an verschiedenen Stellen: „Fürchtet euch nicht.“ Doch Furcht und Angst sind nicht das gleiche. Wie wir unnötige Angst verlieren, aber die gute, die „reine“ Furcht bewahren, erklärt Thorsten Dietz anschaulich und alltagsnah. So dass zum Ende des Vortrags selbst diese Aussage Luthers einleuchtet: Er werde Gott auch dann noch lieben und loben, wenn er in der Hölle landen sollte.
Die christliche Gemeinde – der Mann als Gottes Repräsentant, die Frau als schweigende Zuhörerin? | 6.7.2
Darf die Frau in der Gemeinde sprechen? Gar lehren? Mitbestimmen? Über den Mann? Kaum einer würde das noch infrage stellen. Doch dann kommt Lettland und schließt Frauen auf einmal vom Pfarramt aus. Logisch, denken sich wahrscheinlich konservative Christen, in der Bibel steht es doch, dass Frauen in der Gemeinde den Mund halten sollen. Thorsten Dietz wagt es und nimmt tatsächlich erst einmal diese Haltung ein. Er verteidigt die konservative Auslegung der Paulusbriefe: Dass Frauen in der Gemeinde keine Leitungsämter übernehmen dürfen, sei eben eine natürlich Ordnung. Dass Frauen heutzutage als Pfarrerinnen arbeiten dürfen, sei nur auf Druck der nicht-christlichen Gesellschaft hin möglich geworden. Doch dann nimmt Thorsten Dietz die Position ein, die er wirklich vertritt. Er erklärt, was Paulus‘ Gebote in der damaligen Zeit bedeuteten. Er erzählt von frühen Feministinnen. Und erläutert, was die vermeintlich frauenfeindlichen Briefe des Paulus wirklich zu sagen haben.
Ethische Normen in der Bibel und ihre Übertragung auf heutige Herausforderungen – eine Fallstudie zu 1. Korinther 6 | 7.10.2
Es gibt unzählige Christen, die sich für ihren Glauben schämen. Andere sind wütend auf diese antichristliche Stimmung im Land, die den Glauben an Gott belächelt oder gar verspottet. Und sie alle wissen oft nichts zu antworten, wenn wieder jemand sagt: »Was in der Bibel steht, ist mehrere tausend Jahre alt – das kann uns heute doch völlig egal sein. Lass mich bloß mit dem alten Zeug in Ruhe.«
Wie wir auch heute noch von dem lernen können, was in der Bibel steht, erklärt Thorsten Dietz anhand eines Bibeltextes, der auf den ersten Blick kaum auf die Gegenwart übertragen werden kann. Als Paulus nämlich an die Gemeinde in Korinth schrieb, forderte er, dass die sich nicht dem geltenden Recht unterwerfen. Dietz nimmt den Text auseinander, macht deutlich, was Paulus eigentlich sagen wollte, und gibt all jenen Christen damit ein Werkzeug an die Hand, die sich gegen den Vorwurf wehren wollen, die biblischen Texte seien doch längst überholt.
Die Liebe | 8.3.3
„Ich glaube an Gott, den Vater…“ Unzählige Firmlings- und Konfirmandengenerationen haben das Glaubensbekenntnis auswendig gelernt: Vater, Jesus, Jungfrau, Auferstehung, Heiliger Geist und christliche/katholische Kirche. Aber wer ist dieser Gott, an den sie alle angeblich glauben? Was wissen wir eigentlich über ihn? „Gott ist Liebe“, sagt Thorsten Dietz, und das klingt furchtbar abgedroschen, etwas kitschig, lässt unwillkürlich die Augen rollen – klar, Liebe, was heißt das schon in unserer Zeit, wo man ständig irgendetwas liebt, Pommes oder Bali oder den HSV? Was das heißt, erläutert Dietz natürlich auch. Es war einmal ein Satz, der revolutionärer kaum sein konnte, der die frühen Christen von allen ihren Zeitgenossen abgehoben hat, die damals an Zeus und Co. glaubten. Er analysiert, was dieser Satz für uns heute bedeuten kann. Und er erklärt, was diese Liebe mit absoluter Freiheit zu tun hat.
Die Nachfolge – Wie kann man heute an Jesus Christus glauben? | 9.1.1
»Jesus? Der schon wieder! Hat der nicht genug Aufmerksamkeit bekommen 2000 Jahre lang? Der ist doch langweilig.« So gähnte nicht nur Thorsten Dietz als Schüler. Andere dagegen treibt die Frage nach diesem Jesus ein Leben lang um. Und auch Dietz hat angefangen, sich damit zu beschäftigen, schließlich ist er Professor für Systematische Theologie. Kompliziert und akademisch ist sein Auftaktvortrag zur neuen Worthaus-Reihe trotzdem nicht. Im Gegenteil, wie immer wortgewandt und witzig reißt er seine Zuhörer mit, erklärt diese Frage und die Menschen, die sie stellen. Und dann setzt er sich auch noch eine alte Festival-Brille auf und rückt damit unsere Weltsicht zurecht.
Der Sohn – Wer ist und wer war Jesus Christus | 9.2.3
Ist Jesus wahrer Gott oder wahrer Mensch?
»Gott? Blödsinn!« Sagen manche.
»Gott? Na klar, Dreieinigkeit und so!« Sagen andere.
Und mal wieder ist die Lösung nicht einfach. Im Gegenteil – die Frage, wer Jesus Christus ist und war, ist neben der Theodizee-Frage wahrscheinlich die schwerste der christlichen Lehre. Im Kampf um die Antwort auf diese Fragen haben sich Gläubige gezofft, beleidigt, geschlagen, sogar ermordet. Und sie spaltete die Kirche. Es ist also kein leichter Stoff, mit dem sich Thorsten Dietz hier beschäftigt. Er bewegt sich in seinem Vortrag durch die Kirchengeschichte, spielt die verschiedenen Möglichkeiten durch, über die Kirchenväter und Gelehrte in den vergangenen Jahrhunderten stritten: Ist Jesus nur eine Seite des einen Gottes? Ist er ein zweiter Gott? Eine Art Halbgott wie die zahlreichen Nachkommen des Zeus? Oder war er einfach nur ein Mensch? Oder ein Mensch mit zwei „Naturen“? Dietz erklärt, welcher große Gedankenschritt schließlich eine Lösung brachte. Und erläutert natürlich auch eine Möglichkeit, wie wir heute mit dieser schweren Frage nach Jesus Christus umgehen können.
Der Prozess – Warum ist Jesus gestorben? | 9.4.3
Vor allem im Süden Deutschlands hängt er in Klassenzimmern und Amtsstuben: Der gemarterte Leichnam, diese ständige Erinnerung an einen Menschen, der zu Tode gefoltert wurde. Muss das sein? Warum war dieser qualvolle Tod überhaupt nötig und warum müssen wir heute noch immer daran erinnert werden? Die Antwort ist nicht leicht. Thorsten Dietz erzählt von Anselm von Canterbury, einem der ersten Theologen, der vor rund 1000 Jahren eine Lösung suchte, um den Kreuzestod zu verstehen. Dietz erzählt, warum die Darstellung der Qual und Verzweiflung Jesu im Mittelalter noch drastischer wurde – und die Menschen darin Trost fanden. Er liefert den Hintergrund, der nötig ist, um die Predigten von Hölle, Strafe und Versöhnung zu verstehen. Denn das zu verstehen, war für frühere Christen unheimlich befreiend. Und vielleicht auch für Gläubige im 21. Jahrhundert.
Geschichte, Gnosis, Gottes Wort: Die Bibel bei den frühen Christen | 9.6.1
Schon mal die Bibel gelesen?
„Was? Nein danke! Was soll ich mit einem Buch, dass seit 2000 Jahren kein Update bekommen hat? Ist doch sowieso nur eine Mischung aus Geschichts- und Märchenbuch!“ – sagen die einen.
„Was? Natürlich! Das ganze Buch ist schließlich eine Liebeserklärung Gottes an die Menschheit und gleichzeitig eine Gebrauchsanleitung für mein Leben!“ – sagen andere.
Beide Einstellungen hält Thorsten Dietz für fatal. Die Bibel ist mehr als eine Aufzählung von historischer Ereignisse. Ihre Geschichten sind aber auch immer eingebettet in eine historische Situation.
Wie kann man nun lernen, die Bibel zu verstehen? Wie kann man erkennen, was absolut ist und was relativ, was in eine historische Situation hineingewoben ist und was noch heute gültig ist? Und was unser Bibelverständnis mit unserer Position im Meer der Menschheitsgeschichte zu tun?
Um das zu verstehen, nimmt Dietz seine Zuhörer in diesem Vortrag mit in eine Zeit, an die man eher selten denkt: Ins zweite Jahrhundert nach Christus. Es ist – abgesehen von Jesu Lebenszeit – sicher die spannendste Epoche der christlichen Geschichte. Eine Zeit, in der diese junge Religion leicht ihr Ende hätte finden können. Wären da nicht nicht unzählige Unbekannte gewesen, die trotz allem am Glauben festhielten. Und ein paar Menschen, deren Namen wir heute noch kennen, die sich schon damals mit solchen Fragen beschäftigten: Was sagt uns die Heilige Schrift? Und wie gehen wir damit am besten um?
Die erste Hermeneutik der Bibelauslegung | 9.7.1
Nach fast drei Jahrhunderten der Verfolgung hat sich das junge Christentum durchgesetzt. Die Zahl der Gläubigen wächst, erste Herrscher nehmen den Glauben an, aber noch immer sind die Christen ein bunt gemischter Haufen, wie es ihn seither nicht mehr gab. Und sie waren noch immer in der Selbstfindungphase. Wer Zeit und Bildung hatte, dachte darüber nach, wie die Heilige Schrift zu deuten ist und was Christen da eigentlich glauben. Einer dieser Denker war Origines, ein Mann, von dem Thorsten Dietz erzählt: Es gibt Menschen, die ihn seit Jahrzehnten erforschen und ihn noch immer nicht vollständig verstehen. Ein komplexer Theologe also. Einer, der schon als Jugendlicher unbedingt den Märtyrertod sterben wollte, der mit 18 Jahren schon andere im Glauben unterrichtet und sich selbst irgendwann kastriert hat. Ein schräger Typ. Gleichzeitig aber auch einer der Vordenker im Christentum, der den noch jungen, aber immerhin schon dreihundert Jahre alten Glauben in das Denken seiner Zeit gehoben und die theologischen Grundlagen für Antworten auf so große Fragen wie die nach der Dreieinigkeit gelegt hat. Man muss sich nicht jahrzehntelang mit Origines beschäftigen. Fürs Erste reichen auch anderthalb Stunden mit Thorsten Dietz.
Entstehung und Autorität des neutestamentlichen Kanons | 9.11.2
Wer in einem christlichen Land aufgewachsen ist, weiß, was die Bibel ist. Dieses Buch aus Altem und Neuen Testament, das von Gott und Jesus erzählt. Doch wer hat entschieden, was genau von Gott und Jesus darin erzählt wird, welche Texte in der Bibel gesammelt werden? Thorsten Dietz erklärt, wie die Bibel entstand, wer bestimmt hat, welche Bücher dazugehören. Warum manche Schriften von Anfang an ins Neue Testament aufgenommen wurden, kritische Texte oder Schriften von und über Frauen aber an den Rand gedrängt wurden. Und er beschäftigt sich mit einer der wichtigsten Fragen: Hat Gott nun höchstpersönlich die Bibel zusammengestellt oder war es doch nur die Entscheidung der Menschen? Dietz ist von den gängigen Erklärungen für die Entstehung der Bibel nicht überzeugt. Und erklärt, was es stattdessen bedeuten kann, dass die Bibel von Gott »inspiriert« ist – und warum Gläubige trotzdem daran zweifeln dürfen.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«.
Augustinus und sein Weg zur Bibel | 9.12.1
Rund 400 Jahre sind seit Jesu Auferstehung vergangen, die ersten Christen haben sich über drei Kontinente ausgebreitet, selbst Kaiser glauben inzwischen an den Mann am Kreuz. Das 5. Jahrhundert ist geprägt von ungeheuren Umbrüchen, großen Völkerwanderungen und dem Untergang des Römischen Reichs. Inmitten dieser Tumulte lebte Augustinus von Hippo im heutigen Algerien, Sohn einer Christin und eines Heiden, erst Lebemann, dann Mönch, eine der bedeutendsten Figuren in der 2000-jährigen Geschichte des Christentums. Dabei hat das Christentum anfangs wenig Eindruck auf ihn gemacht. Er war fasziniert von der Philosophie, fand Cicero schlauer als Petrus. Zumal das Christentum eine entscheidende Frage nicht beantworten konnte: Warum hat Gott die Welt nicht im Griff? Hätte er die Kontrolle, gäbe es doch nicht so viel Böses. Oder? Es ist die Frage, die so alt ist wie der Glaube an einen liebenden Gott. Thorsten Dietz nimmt Augustinus Leben und Lehre auseinander, erklärt, wie aus dem jungen Vater mit unehelichem Sohn ein Gläubiger ohne Zweifel werden konnte und wie er den Glauben an Gott mit dem Wissen um das Böse in Einklang bringt. Dietz bleibt aber nicht unkritisch und verschweigt nicht, welche – nicht immer positiven – Auswirkungen Augustinus‘ Lehre für das Christentum hatte.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«.
Jürgen Moltmann – Glaube und Hoffnung | 10.5.1
Im Frühjahr 1945 sitzt ein junger Mann in einem Gefangenenlager in Belgien. Das »1000-jährige Reich« ist nach zwölf Jahren zusammengebrochen, die Deutschen haben sich vor der Schmach der Niederlage und dem Entsetzen über den Völkermord in ihrer Mitte verkrochen, Städte liegen in Trümmern, Eltern, Kinder, Freunde sind nicht mehr. Der junge Mann kennt Gott noch nicht, als er eine Bibel in die Hand gedrückt bekommt. So beginnt eine klassische Bekehrungsgeschichte. Jürgen Moltmann war verzweifelt und fand Trost im verzweifelten Schrei des Gekreuzigten: »Warum hast du mich verlassen?« Der Kriegsgefangene wird zum Studenten der Theologie. Und die Theologie, wie jede anständige Wissenschaft, sollte sich solch persönliche Geschichten doch eigentlich verkneifen, oder? Nicht unbedingt, weiß Thorsten Dietz. Es ist schließlich ein großer Unterschied auch für die eigene wissenschaftliche Arbeit, ob man mit dem Glauben aufgewachsen ist oder ihn erst später in sein Leben aufnimmt. Moltmann zieht aus seinem Glauben in tiefer Verzweiflung erste Hoffnung darauf, dass aus den Trümmern etwas erwachsen kann. Thorsten Dietz, selbst ohne den christlichen Glauben aufgewachsen, erklärt Moltmanns Verständnis von Glaube und Hoffnung, beschreibt warum der Glaube an die Erlösung uns eigentlich an die Seite all jener stellen müsste, die heute leiden. Und er hilft verstehen, warum die Kreuzigung so viel mehr ist als ein stellvertretender Tod.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.
Homosexualität und die Bibel | 12.4.1
Für manche Christen steht es fest: Homosexualität ist Sünde. Darf nicht sein. Wer so fühlt, sollte den Drang unterdrücken, kann eben keine Partnerschaft leben, schade, aber ist so. Wer so denkt, kann hier wegklicken. Denn in diesem zweiten Vortrag zur Homosexualität richtet sich Thorsten Dietz an jene Menschen, die sich zerrissen fühlen zwischen Toleranz und dem, was vermeintlich in der Bibel steht, zwischen moderner Weltanschauung und uralten Schriften. Die andere nicht für etwas ausgrenzen wollen, wofür sie nichts können, aber gleichzeitig christlichen Lehren treu sein wollen. Um dieses Spannungsfeld auflösen zu können, muss man verstehen, was in der Antike damit gemeint war, wenn „ein Mann bei einem Manne liegt“ oder wenn die Männer Sodoms zwei männliche Gäste vergewaltigen wollen. Und welche Vorstellung von Sexualität die Menschen der Antike teilten, wer mit wem Sex haben durfte. Und wer nicht.
Aber lassen sich die Vorstellungen der Antike auf die Gegenwart übertragen? Sollen wir Homosexuelle verurteilen, wo doch unsere Vorstellung von Partnerschaft, Liebe und Sexualität nur wenig mit dem zu tun hat, was unsere Vorfahren in der Antike dachten?
Dietz gibt eine klare Antwort. Und die führt aus dem Spannungsfeld und manchen sogar hin zu einem neuen Verständnis der Bibel.
Der Heilige Geist - der geheimnisvolle Gott | 12.7.2
Christen werden getauft in seinem Namen, sie bekennen sich in fast jedem kirchlichen Gottesdienst zu ihm, und doch weiß kaum jemand mit ihm etwas anzufangen: dem Heiligen Geist. In Liturgie und christlichen Formeln wirkt er oft wie ein Anhängsel. Und das Fest, das allein der Ausgießung des Heiligen Geistes gewidmet ist, ist für die meisten doch nur ein Grund, an einem Montag ausschlafen zu können. Wer also ist der Heilige Geist? Ist er Gott? Eine Person? Und was hat es nochmal mit der Dreieinigkeit auf sich? Thorsten Dietz gibt in diesem Vortrag einen Überblick über das Thema und blickt dabei weit zurück in die Anfänge des Christentums, als im 4. Jahrhundert die Christen nicht mehr in Todesangst ihren Glauben lebten, sondern endlich vom römischen Kaiser anerkannt wurden. Der verlangte aber im Gegenzug, dass sie sich mal einig werden über das, was sie da glauben. Darum erzählt Dietz hier vor allem von Basilius von Caesarea und geht dabei den Weg ab, den die ersten Christen im Ringen um ein gemeinsames Bekenntnis zum Glauben zurückgelegt haben.
Hoffnung | 13.4.1
Wieviel Zukunft, Krisenresilienz und Chaosresistenz stecken im christlichen Glauben? Wie viel Hoffnung? Hört man auf die althergebrachte Theologie mit ihrem pessimistischen Menschenbild, dann wirkt es, als drehe sich der christliche Glauben vor allem um menschliches Versagen und die Entscheidung für die richtige Lehre. Kein Gefühl, keine Stimmung, kein Bauchgefühl, und Körperlichkeit schon gar nicht, kritisiert Thorsten Dietz. Und spricht dann – im Kontrast dazu – von einer neuen Theologie und einem Gott der Hoffnung.
Dietz will die Bibel als Teil einer Hoffnungsgeschichte sehen und stellt in dem Zusammenhang die entscheidenden Fragen: Was ist gute Theologie? Wie bringt man den Gott der Hoffnung mit dem Leben im Diesseits in Verbindung? Und wer ist dieser Gott der Hoffnung eigentlich?
Worthaus 11 will die theologischen Gedanken aus der Comfortzone zwingen, aus der nerdigen Ecke holen, in der sich nur Theologen wohlfühlen. Und in Praxis und Alltag holen. Mit Hoffnung fängt es an.
Glaube und Sinnlichkeit | 13.9.1
Wir Menschen sind sinnliche Wesen: Wir riechen, schmecken, sehen, hören, fühlen. Ausgerechnet eine der größten Weltreligionen aber gilt als absolut unsinnlich. Das Körperliche scheint im Christentum keinen Platz zu haben. Wir sollen uns kein Bild von Gott machen, sollen der Welt entsagen, Leiden und Feinde lieben statt Freuen und Spaß haben.
»Stimmt alles nicht«, sagt Thorsten Dietz. Die Bibel erzählt von Menschen, die spüren, sehen, erleben. Das Wort wurde Fleisch, wir sollen schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist. Die Sinne sind entscheiden, nur mit dem Kopf glaubt es sich nicht gut. Wie intensiv wir glauben können, hängt auch davon ab, was wir fühlen, was wir im Glauben und mit Gott erlebt haben. Was passiert also in der sinnlichen Erfahrung? Wahnsinnig viel, sagt Dietz und führt durch eine kurze Geschichte der Ästhetik. Und damit hin zu der Frage, wie Kunst, Ästhetik und Sinnlichkeit helfen können, die Fremdheit Gottes zu entdecken.
Glaube mit Leib und Seele | 13.11.1
David tanzte und sang, Salomo hatte Hunderte Frauen, selbst Jesus feierte noch – mit Alkohol! In der Bibel kommen körperliche Freuden immer wieder vor. Dann entwickelte sich das Christentum weiter und der Körper ging verloren. Körper und Seele wurden getrennt, der Körper verfiel vom Tempel Gottes zum schlichten Werkzeug, das zu funktionieren hatte – vor allem, wenn es der Körper anderer Menschen war. Erst mit der Reformation bekamen Körper und körperliche Arbeit ihre Würde zurück. Und heute, so sagt es Thorsten Dietz, wird das Leibliche wiederentdeckt.
Dieser Vortrag ist der dritte in der Reihe, eine Art Zusammenfassung, ein Überblick, in dem Dietz einen Bogen von der Bibel bis heute schlägt. Und feststellt, dass die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Nachdem der Körper in der Theologie und im Glauben neue Bedeutung erlangt hat, brauche es endlich eine Theologie des ganzen Menschen. Eine Theologie gegen rassistische Denkmuster. Und eine befreiende Theologie gegen Sexismus.
Die dunkle Seite des Reformators: Luther und die Juden | 6.3.3
Es ist die dunkelste Seite Martin Luthers – unangenehm, beschämend, geradezu schmerzhaft ist es, seine späteren Schriften über die Juden zu lesen. Sie strotzen nur so von Vorurteilen und Gerüchten, die man vierhundert Jahre später so ähnlich wieder in Deutschland hören würde. Der junge Luther allerdings dachte noch ganz anders. Er hatte noch betont, dass „Jesus Christus ein geborener Jude sei“, hatte gefordert, Juden in die Zünfte zu lassen und mit ihnen über den Glauben zu diskutieren. Wie kam es zu diesem Wandel? Wie wurde der junge Mönch, der gefordert hatte, Juden besser in die Gesellschaft zu integrieren, zu dem einflussreichen Reformator, der die Juden aus der Gesellschaft auslöschen wollte? Ganz ungeschönt erzählt der Marburger Theologe Thorsten Dietz von den judenverachtenden Schriften Luthers, erklärt die überraschende Wandlung Luthers vom Paulus zum Saulus und erläutert, ob Luther dennoch ein Vorbild für Christen bleiben kann.
Der Mann des Weibes Haupt – Gottes Bild eines Ehebundes im 21. Jahrhundert? | 6.8.2
Die Vorstellung, dass die Frau dem Mann zu gehorchen und der Mann das Sagen hat, die kennen wir eher aus einer anderen Zeit oder aus anderen Kulturen. Wir in der aufgeklärten westlichen Gesellschaft sind natürlich alle völlig gleichberechtigt. Wenn man dann doch versehentlich mal die Bibel aufschlägt, die Heilige Schrift des Christentums, auf dem unsere moderne westliche Gesellschaft unter anderem gründet, dann wird es schwierig. Dann steht da im Epheserbrief: „Die Frau sei dem Mann untertan.“ Da lässt sich schnell sagen: Die Bibel passt eben nicht mehr in unsere Zeit. Tatsächlich sind viele Weisungen in der Bibel für die Menschen der Antike geschrieben, erläutert Thorsten Dietz. Dass die Frau dem Mann, der Sklave seinem Herrn und Kinder ihren Eltern gehorchen sollen, hätte damals niemand infrage gestellt. Doch nach diesen ersten Worten formuliert Paulus Ideen , die in der Antike eigentlich unvorstellbar waren. Geradezu revolutionär. Ideen, die uns heute zum Teil selbstverständlich scheinen. Aber bei diesen Anweisungen, die sich nur an Männer richten, sollte mancher Ehegatte auch heutzutage nochmal ganz genau hinhören. Aber Achtung: Das könnte nämlich ungemütlicher werden, als Paulus Worte vom Mann als Haupt der Frau im ersten Moment klingen!
Genderwahn & Gendergaga – Rebellion gegen Gottes gute Schöpfungsordnung? | 6.6.2
Bis vor kurzem noch war es legal, einer Frau in den Schritt zu greifen. Logisch, Frauen durften ja auch Männer ungefragt anfassen. Wenn die Frau dann aber mit einer Ohrfeige reagierte, war das eine strafbare Körperverletzung. Erst seit den sexuellen Übergriffen in Köln ist diese absurde Regelung bekannt geworden. So gesehen müsste man den übergriffigen Männern der Silvesternacht fast dankbar sein. Und allen, die sich mit Genderfragen beschäftigen. Gender? Da bekommen viele – vom Ultrareligiösen über den Erzkonservativen bis zur harten Feministin – gleich Aggressionen, sehen Familie, Sitte und Anstand in Gefahr oder fühlen sich gar ähnlich heftig bedroht wie durch den islamistischen Terrorismus. Dabei behandeln Genderthemen einfach nur die Fragen danach, was für Frauen – und Männer – in der Arbeitswelt, in den Gesetzen oder in der Medizin verbessert werden kann. Der Theologe Thorsten Dietz, Direktor des Marburger Instituts für Religion und Psychotherapie, erklärt, warum wir, Christen und Nicht-Christen, Genderthemen ernst nehmen sollten, ob Männer wirklich stillen können und wer nun eigentlich besser einparken kann.
Böse von Jugend auf? Das christliche Menschenbild des Kindes | 7.4.1
Kinder – sie waren schon in der Antike Geschenk Gottes und ein Segen, aber auch Altersvorsorge und billige Arbeitskraft. Und dann kam Jesus, stellte ein Kind vor sich und sagte den Erwachsenen: So sollt ihr werden, denn den Kindern gehört das Reich Gottes. Damit ändert sich allmählich und radikal das Bild, das Menschen einst von ihrem Nachwuchs hatten. Und auch heute, da Kinder nicht mehr Altersvorsorge und billige Arbeitskraft sein müssen, können Eltern noch einiges vom christlichen Menschenbild des Kindes lernen. Der Theologieprofessor Thorsten Dietz gibt Tipps, wie Eltern ihre Kinder ganz neu wahrnehmen. Er erklärt, warum Blicke töten können, jedenfalls dann, wenn man nicht genau hinschaut. Und er stellt etwas fest, das unheimlich entlastend sein kann: Nämlich, wem Kinder »gehören« und worauf es wirklich ankommt bei der Kindererziehung.
Wer sein Kind liebt, der züchtigt es? Warum christliche Eltern heute mit gutem Gewissen auf Gewalt in der Erziehung verzichten | 7.4.3
Es ist noch gar nicht so lange her, da sah eine Kindheitsidylle so aus: Bauernhof, Tiere, Geschwister, Freiheit und gelegentlich ein wütender Vater, vor dem sich der kleine Michel in den Schuppen flüchten musste. Oder auch: ein hochherrschaftliches Haus, Spielzeug, Kindermädchen, und die kleine Madita, die in der Schule die Misshandlung ihrer Freundin beobachten musste.
Der Theologe Thorsten Dietz erzählt diese und andere Geschichten und stellt schließlich die Frage: Wenn das alles einmal normal war und selbst in der Bibel steht: »Wer die Rute schont, verdirbt den Knaben«, wie kann man da als bibeltreuer Christ auf Gewalt in der Erziehung verzichten? Eine provokante Frage, denn natürlich ist es heute selbstverständlich, seine Kinder respektvoll und ohne Angst zu erziehen. Umso wichtiger ist es, sich mit den Bibelversen auseinanderzusetzen, die Gewalt gegen Kinder zu propagieren scheinen. Und zu verstehen, was Gewalt durch die Eltern zu biblischen Zeiten mit einer Kindheitsidylle zu tun hatte.
Was ist Ethik? – Anleitung zu selbstverantworteter Urteilsfähigkeit | 7.8.2
Die frühen und nicht mehr ganz so frühen Christen haben sich die Schädel eingeschlagen über Fragen wie: In welchem Alter darf ein Mensch getauft werden? Oder: Wird beim Abendmahl die Hostie wirklich zum Leib Christi? Bei solchen Problemen kocht heute selten die Stimmung hoch. In unserer modernen Gesellschaft darf jeder glauben, was er will, an Himmel und Hölle, die Wiedergeburt oder gar nichts. Zur Sache geht es dagegen bei anderen Fragen: Ab wann beginnt das Leben und darf man es vor der Geburt beenden? Oder: Darf eine Frau mit einer Frau und ein Mann mit einem Mann…? Bei solchen Fragen wird die Diskussion schnell laut, Gläubige wechseln zu anderen Kirchen und sprechen anderen Christen gar den Glauben ab. Das ist völlig normal. Je unübersichtlicher die Welt wird, desto mehr sehnen wir uns nach Orientierung im Chaos, nach klaren Antworten und einem deutlichen Richtig und Falsch. Ethische Fragen sind daher auch oft Identitätsfragen, sagt Thorsten Dietz. Deine Antwort auf ethische Fragen zeigt, in welche Ecke der Gesellschaft du gehörst, mit wem du dich abgibst, wen du wählst und sogar, was du konsumierst. Und er erklärt, warum die Bibel die Antwort auf ethische Fragen nicht für sich gepachtet hat, wie man mit dem Dilemma umgeht, wenn jemand etwas Verbotenes tut, das aber erlaubt ist, und wie eine Frau, die von ihrem Ehemann kein Kind bekommen kann, doch noch schwanger wird.
Aus der Bibel ethische Maßstäbe gewinnen: Die Bedeutung des kulturellen Wandels | 7.9.2
Wenn das Gesetz Gottes für immer gültig ist, darf man dann seine Tochter in die Sklaverei verkaufen? Im Garten einen Stier opfern? Den Nachbarn steinigen, wenn der am Samstag zur Arbeit geht? Solche Überlegungen klingen natürlich so absurd, dass auch Christen darüber lachen. Oder sich ärgern. Oder beides. Thorsten Dietz klärt auf, wie diese alten Gebote zu verstehen sind, wie Christen die Gebote der Bibel befolgen können und wie Regeln, deren Befolgung einen heute ins Gefängnis bringen würde, noch immer aktuell sein können. Denn für den, der sie richtig versteht, sind die biblischen Texte trotz mancher düsteren Geschichte heute noch ein Licht in der Dunkelheit, ein Halt, wenn alles ins Schwanken gerät, und ein Wegweiser durchs Leben.
Das Geheimnis | 8.1.1
Vor Jahrtausenden bekriegten sich Menschen mit Keulen, Schwertern und Äxten, vor Jahrhunderten und Jahrzehnten dann mit Gewehren, Kanonen, Autobomben. Jedes Mal ging es um die Frage: Welcher Gott ist der mächtigste, der einzig wahre, der richtige? Ob Babylonier und Israeliten, Katholiken und Protestanten, Atheisten, Christen und Muslime – verschiedenste Kulturen und Glaubensrichtungen versuchten, den wahren Gott zu verkünden und Nicht-Gläubige zu Feinden zu erklären oder – heutzutage – zumindest für ein bisschen irre zu halten. Dabei ist ein Gott, den Menschen definieren können, ein Gott, der als Erklärung für das Leben, den Ursprung des Menschen und den Sinn des Lebens herhalten kann, kein Gott. Sondern ein Hilfsmittel zur Welterklärung. Theologe Thorsten Dietz versucht, das Geheimnis um Gott zu lüften, ohne Gott zu definieren. Er beschreibt theologisches Basiswissen, das sich zu wissen lohnt. Und zeigt, dass gerade in der Bibel die stärkste Religionskritik geschrieben steht und was wir davon lernen können.
Die Schöpfung | 8.5.1
Durchdringt man Erdschichten und analysiert Baumstämme, dann wird recht schnell klar: Eine Überschwemmung, die die gesamte Erde erfasste und alles Landleben bis auf ein paar Menschen und einige Tierpaare dahinraffte – die hat es nicht gegeben. Trotzdem berichtet nicht nur die Bibel, sondern auch Babylonier, Sumerer oder Mesopotamier von einer gewaltigen Flut und einem Mann, der mit seinem Boot Tiere rettete. All diese Erzählungen sind älter als das Alte Testament. Haben die Verfasser der Bibel also nur abgeschrieben? Und was wollten sie mit dieser Geschichte sagen? Die Unterschiede zwischen der biblischen Sintflutgeschichte und den älteren Überlieferungen erklärt Thorsten Dietz. Und macht daran deutlich, was die Geschichte der Zerstörung der Welt mit unserem heutigen Leben zu tun hat. Denn Paläoanthropologen und Physiker mögen belegen können, dass es keine weltweite Sintflut gab und dass die Erde älter ist als ein paar Tausend Jahre. Was sie nicht können, ist diese eine große Frage beantworten: Warum leben wir eigentlich hier?
Karl Barth – Die Theologie und das Wort Gottes | 8.8.1
Als die Welt im Chaos versank, stand er mittendrin – und sah doch von außen zu. Gleich zweimal. Der Schweizer Theologe Karl Barth lebte, lernte und lehrte in Deutschland als der Erste Weltkrieg ausbrach und als 1933 deutsche Theologen neben vielen anderen dem nächsten Kriegswahn erlagen. Er schrieb Bestseller, war Mitgründer der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Nazis stellte, und entwickelte eine neue Theologie. Wer verstehen will, was die protestantische Kirche in den vergangenen 100 Jahren prägte, kommt an Barth und seinem Bibelverständnis nicht vorbei. Ende 2018 jährte sich sein Todestag zum 50. Mal, viele protestantische Kirchen feiern in diesem Jahr ein Karl-Barth-Jahr. Thorsten Dietz führt durch das Leben des streitbaren Theologen – und spart auch die Stimmen seiner Kritiker nicht aus.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.
Friedrich Gogarten – Die Theologie und der Zeitgeist | 8.9.1
Wahrscheinlich hat kaum ein Nicht-Theologe von ihm gehört, dabei hat Friedrich Gogarten die Theologie des 20. Jahrhunderts ähnlich stark geprägt wie Karl Barth. Er stellte sich der Frage: Wie stark muss die Theologie in den Zeitgeist ihrer Epoche eingebettet sein? Gogarten selber folgte dem Zeitgeist so sehr, dass es den Zuhörern dieses Vortrags fast schon weh tun muss. Denn wie konnte aus einem suchenden Liberalen, den sein Lehrer mal einen „Erlebnisromantiker“ nannte, ein pro-faschistischer Mitläufer werden? Thorsten Dietz versucht, die vielen Wandel im Leben des Friedrich Gogarten zu erklären und zeigt, wie sehr die theologische Lehre dem Zeitgeist folgen sollte – oder eben nicht.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.
Der Lebendige – Die Begegnung mit dem Auferstandenen | 9.5.1
Wenn es damals schon Kameras gegeben hätte, hätte Maria dann am Grab ein Selfie mit dem auferstandenen Jesus machen können? Anders gefragt: War die Auferstehung so real wie das Wetter vor der Tür? Und selbst wenn man eine klare Antwort auf diese Fragen findet – was würde diese Antwort für unser Leben bedeuten? Thorsten Dietz nimmt die Argumente auseinander – vom Scheintod bis zum gigantischen Betrug – die Menschen gegen die Auferstehung vorbringen. Er nimmt die Zuhörer mit zu den Emmaus-Jüngern, die stundenlang mit dem Auferstandenen sprachen. Und er zeigt an dieser Geschichte, was es bedeutet, wenn man alles verliert, was bisher wahr war, und das eigene Weltbild neu kalibrieren muss. Und wenn Jesus dann noch die wichtigsten 15 Minuten Ruhm im eigenen Leben platzen lässt. Und zum Schluss kann vielleicht jeder für sich selbst beantworten: Muss ich das mit der Auferstehung jetzt glauben? Oder ist das vielleicht die falsche Frage?
Paul Tillich – Glaube und Zweifel | 10.4.1
»Ich glaube; hilf meinem Unglauben« ist die Jahreslosung für 2020. Sie könnte kaum besser passen in dieses chaotische Jahr, in dem sich Glaube und Zweifel zu einem unentwirrbaren Chaos verknotet haben. Menschen glauben an einen Gott und zweifeln an Ihm, glauben an eine Pandemie und zweifeln an ihrer Existenz, glauben an die Fähigkeit des Staates, die Bevölkerung zu schützen, und zweifeln daran. Und manchmal verzweifeln Menschen auch an der Ungewissheit, was sie denn nun glauben können. In noch deutlich turbulenteren Zeiten hat sich ein Theologe immer wieder Gedanken darum gemacht, wie sich Glaube und Zweifel in Einklang bringen lassen: Paul Tillich wuchs in einem konservativen Pfarrhaus auf, durchlitt den ersten Weltkrieg, floh vor dem zweiten, und musste sich schließlich in den USA neu erfinden, nicht nur die Sprache, sondern auch das Denken seiner neuen Heimat verstehen lernen. Thorsten Dietz erklärt Tillichs Theologie in ihrer rasanten Entwicklung, die so geprägt ist vom Rausch der Ereignisse vor rund 100 Jahren. Bis heute wirkt Tillichs Lehre fort. Und auch wir scheinen wieder am Beginn eines Zeitalters zu stehen, in das wir wehrlos hineinstürzen, in dem wir herumgewirbelt werden und zweifeln müssen. Aber im Glauben Halt finden können.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.
Anfänge der historisch-kritischen Bibelauslegung – Erasmus von Rotterdam | 10.6.1
An jeder Uni hat man schon mal vom Erasmus-Programm gehört, bei dem Stipendien für Auslandssemester in Europa und weltweit vergeben werden. Jackpot für jeden Studierenden, dankbar ist man da der EU. Aber was hat dieser Erasmus damit zu tun? Kurz gesagt, war Erasmus einer der wohl ersten Europäer. In keinem Land Europas so richtig, dafür in sehr vielen ein Stück weit Zuhause. Geboren in den Niederlanden, studiert und gelebt in Paris, England und Italien, Schweiz und Belgien, auch nach Freiburg zog es ihn. Er hatte Brieffreunde auf dem ganzen Kontinent, schrieb mit dem Humanisten Thomas Morus und mit dem König von England. Erasmus war ein Influencer seiner Zeit, wer ihm schrieb – und Antwort bekam – ging in die Geschichte ein. So wie der Disput zwischen ihm und Martin Luther, der schließlich in Buchform ausgetragen wurde. Thorsten Dietz führt in diesem Beitrag der Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung« mit Erasmus von Rotterdam in die Anfänge der historisch-kritischen Bibelauslegung ein. Er erzählt von diesem großen Gelehrten, dem unehelichen Sohn eines Priesters und seiner Haushälterin, einem der ersten Pazifisten – und einem Antisemiten. Er war einer der ersten, der Bibeltexte von unkritischen dogmatischen Zuschreibungen befreite und ihren Hintergrund verstehen wollte. Und der sich schließlich mit einer der entscheidendsten Fragen des Glaubens beschäftigte, die sicher jeden Gläubigen irgendwann einmal umtreibt.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«.
Baruch de Spinoza – Bibelkritik in der Neuzeit | 11.12.1
Seit Jahrhunderten wird die Bibel ausgelegt, interpretiert und erklärt. Aber kritisiert? Das wird sie noch nicht lange. Und die Bibelkritik wird ihrerseits kritisiert.
Ihr stellt Menschenwort über Gotteswort! rufen die Kritiker der Bibelkritik.
Ihr seid antimoderne Fundamentalisten! kritisieren die Bibelkritiker.
Thorsten Dietz lässt beide Positionen aufeinanderprallen. In diesem siebten Vortrag der Worthaus-Serie »Geschichte der Bibelauslegung« legt er die Grundlage für das Verständnis der historisch-kritischen Methode. Er erklärt, wie im Humanismus erste kritische Arbeiten entstanden, wie die Reformation die historisch-kritische Methode vorantrieb und nun auch die Katholiken der Heiligen Schrift auf den Grund gehen wollten. Und er erzählt, wie ausgerechnet ein jüdischer Brillenglasschleifer quasi als Hobby die Grundlage für die historisch-kritische Methode legte und die Botschaft der Bibel auf drei Punkte zusammenfasste.
Gotthold Ephraim Lessing – Bibelkritik in der Aufklärung | 11.13.1
Stell dir vor, du lebst in einem Land, in dem du nicht frei sagen kannst, was du denkst. Im schlimmsten Fall kommst du für unerwünschte Aussagen ins Gefängnis, oder du verlierst nur deine Arbeitserlaubnis, wirst gemieden und ausgelacht. Nicht schön. Gotthold Ephraim Lessing lebte im falschen Land zur falschen Zeit, um geradeheraus zu schreiben, was er dachte. Also schrieb er verschlüsselt, schrieb Nathan der Weise und Emilia Galotti. Er war clever, versteckte, was er wirklich dachte, in Theaterstücken. „So raffiniert, dass er manchmal wahrscheinlich selber nicht wusste, was er dachte“, sagt Thorsten Dietz. In seinem Schlüsselvortrag über die Bibelkritik in der Aufklärung, erklärt er zentrale Weichenstellungen im 18. Jahrhundert, die uns bis heute betreffen. Anschaulich, aber anspruchsvoll beschreibt er das Leben Lessings, seine Lehren und den großen Streit unter Gelehrten, in dem Lessing die Hauptrolle spielte. Denn er war nicht nur Theaterautor. Er war auch Bibliothekar. Und eines Tages, irgendwann um das Jahr 1777 herum, fand Lessing Texte von Hermann Samuel Reimarus. Echtes Dynamit, das merkte Lessing schnell. Texte, die den gesamten christlichen Glauben infrage stellten. Echtes Plutonium in einer Zeit, in der ohnehin noch Glaubenskriege tobten. Lessing veröffentlichte die Texte. Und entfesselte damit einen Streit, der unser Verständnis von Glaube und Geschichte bis heute prägt.
David Friedrich Strauß – Geschichte der Leben-Jesu-Forschung | 11.14.1
Es war einiges los in den deutschen Städten des 19. Jahrhunderts. Darwin rüttelte an den Grundfesten des Glaubens, Hieroglyphen wurden entziffert, Sintflutgeschichten außerhalb der Bibel gefunden, frühjüdische Texte tauchten auf, Bücherberge über die Religionsgeschichte wuchsen. Genies sprossen geradezu aus dem Boden, Goethe, Schiller, Schubert, Beethoven, Kant. Und mittendrin ein junger Theologe. David Friedrich Strauß pilgerte 1830 nach Berlin, hörte Hegel – und war begeistert. Alles schien ihm plötzlich durchschaubar. Er kehrte nach Tübingen zurück und schrieb ein Werk über das Leben Jesu. Darin lässt er zwei Pole, zwei verfeindete Lager der damaligen Theologie, aufeinanderprallen. Nur um dann zu sagen: Ihr habt doch alle recht. Was Strauß dann ausführt, ist so skandalös, dass auch ohne Internet und Social Media bald die ganze Gelehrtenwelt Europas Bescheid wusste. Mit dem Holzhammer ist er durch das Neue Testament gefegt und hat den einst gläubigen Nietzsche vom Glauben abgebracht. Strauß musste Deutschland verlassen, wurde nach Zürich berufen – und direkt, mit gerade einmal 30 Jahren, pensioniert. Zu gewagt wäre es gewesen, ihn lehren zu lassen.
Thorsten Dietz erzählt das Leben dieses »berühmtesten, strittigsten und spektakulärsten Theologietreibenden« seiner Zeit, berichtet auch von anderen wichtigen Persönlichkeiten und tragischen Geschichten. Er verspricht „ein bisschen Kopfschmerzen“ und nimmt die Zuhörenden mit auf eine Reise in das vorletzte Jahrhundert und zu der Frage: Wie sollen aufgeklärte, gebildete Menschen noch glauben können?
Die Wiederkehr der Mystik | 12.9.2
Wir sind doch alle ganz vernünftige Menschen, nicht wahr? Auch die unter uns, die an Übersinnliches glauben, an Gott und die Auferstehung nach dem Tod. Wir betreiben Theologie als Wissenschaft, studieren die Bibel, beten unser Gebet vor dem Essen und dem Schlafengehen. Religion als Ritual. Glaube mit Verstand. Wer kennt schon die sinnliche Erfahrung des Übersinnlichen? Wer hat jemals das Mystische in der völligen Hingabe an Gott erlebt? Seine Nähe erfahren? Und wer sehnt sich nicht manchmal danach, ganz insgeheim wenigstens? Thorsten Dietz hat seine Leidenschaft für die Mystik vor Jahrzehnten entdeckt, sie wurde Teil seiner Frömmigkeit. In diesem Vortrag erzählt er, ganz vernünftig und doch voller Hingabe, von der Mystik im Glauben, von drei Mystikern der Kirchengeschichte, davon, was Mystik und Intellekt miteinander zu tun haben. Und was wir heute, in unserer vernunftgeplagten Gesellschaft, von Mystik und Sinnlichkeit lernen können.
Trost | 13.5.2
Wie tröstet man einen Menschen? Wir alle erleben manchmal Krisen, sind untröstlich, verloren, gottverlassen. Nicht immer gelingt es dann anderen Menschen, uns Hoffnung zu geben, wirklich zu trösten. Trotzdem ist es ein zutiefst menschliches Bedürfnis, einen anderen, der leidet, trösten zu wollen. Und selbst in der Not Zuspruch zu erfahren.
Trost war auch ein großes Thema in der Antike. Thorsten Dietz erklärt, wie die damaligen Philosophen, allen voran die Stoiker, auf Leid reagieren wollten, wie im Gegensatz dazu die Bibel über Trost spricht, warum manche Denker der Moderne gerade den christlichen Trost ablehnten. Und wie echter Trost aussehen kann, der über ein »thoughts and prayers« hinausgeht.
Dankbarkeit | 13.6.2
Haben Sie schon einmal ein Dankbarkeitstagebuch geführt? Jeden Abend fünf Dinge aufgezählt, für die Sie danke sagen? Auch dafür gibt es natürlich eine App mit Dankbarkeitsübungen für jeden Tag. Oder auch mehrere. Dankbarkeit liegt im Trend. Sie soll glücklicher und gelassener machen. Und tatsächlich helfen Dankbarkeitsübungen bei psychischen Problemen. Kann Dankbarkeit also die Lösung sein für persönliche Probleme und die Krisen dieser Welt?
Thorsten Dietz führt in diesem Vortrag aus, was Dankbarkeit überhaupt ausmacht, welche Bedingungen für echte Dankbarkeit zutreffen müssen und warum Dankbarkeit je nach Kultur und Epoche unterschiedlich funktioniert. Und er beschäftigt sich schließlich auch mit den großen Fragen: Kann man es auch übertreiben mit der Dankbarkeit? Was schulden wir Gott? Und müssen wir Gott überhaupt Dankbarkeit zeigen?
Gelassenheit | 13.7.1
In einer Zeit, in der die meisten Menschen durchs Leben hetzen, sich ständig erschöpft, unter Druck und überfordert fühlen, hat das Thema Gelassenheit allerhand Fans. Es gibt Ratgeber, Podcasts, Apps über innere Ausgeglichenheit, innere Ruhe, inneren Frieden und natürlich über Achtsamkeit. Der Trend zur plan- und lernbaren Gelassenheit scheint aus Asien zu kommen, doch auch in der Kirchengeschichte gab es Experten für Gelassenheit, allen voran der Dominikanermönch Meister Eckhart. Er predigte, das Müssen zu lassen, den Drang nach Besitz und Ansehen, den Druck, Gott und den Menschen gefallen zu wollen, sich sogar selbst ganz zu lassen.
Es ist eine Gelassenheit, die verlockend scheint, aber zur Realitätsflucht werden kann. »Man kann nicht alles wegatmen«, kritisiert daher Thorsten Dietz angesichts der Krisen dieser Welt und erklärt in seinem Vortrag auch, welche Art der Gelassenheit wir in der Gegenwart unserer Welt brauchen.
Glaube und Gefühl | 13.10.1
Es scheint eher ein Phänomen aus anderen Kulturen zu sein: Menschen, die sich völlig im Gebet verlieren, voller Euphorie loben und preisen, die glauben, weil sie fühlen, dass da Jemand ist. Dort scheint es eine Selbstverständlichkeit zu geben, den eigenen Glauben zu fühlen.
Nicht aber in der westlichen Kultur, nicht im Hier und Jetzt. Man glaubt mit dem Kopf und betet mit halbem Herzen. Mit Ausnahme mancher frommer Gemeinschaften, in denen Gefühle aber bitte in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt stattzufinden haben: tiefe Freude bei Lobliedern, Tränen bei der Passionsgeschichte. So jedenfalls hat es Friedrich Schleiermacher erlebt, von dem Thorsten Dietz erzählt. Schleiermacher lebte im vielleicht spannendsten intellektuellen geistlichen Jahrhundert der Menschheitsgeschichte und hat selbst einen turbulenten geistlichen Lebenslauf hingelegt: Vom angehenden Prediger zum Religionskritiker zurück zur Religion. Und immer begleitet von der Frage, wie entscheidend Gefühle für den Glauben sind, wie sich die Religion retten lässt in einer Zeit, die immer ungläubiger wurde. Schleiermacher verband Intellektualität mit Gefühl. Und ist damit wohl heute so aktuell wie damals im 18. Jahrhundert.
Dietrich Bonhoeffer: Ethische Verantwortung | 7.12.1
Stellen Sie sich vor, Sie lebten in einem Land, in dem Ungerechtigkeit zum Alltag gehört. In dem Menschen willkürlich verhaftet und ermordet werden, in dem Recht gesprochen wird, das eigentlich Unrecht ist. Es könnte auch Sie treffen, aber Sie könnten in ein anderes Land fliehen. Was würden Sie tun? Dietrich Bonhoeffer stellte sich diese Frage kurz vor Kriegsbeginn, da war er gerade in den USA. In Deutschland wurden Menschen willkürlich verhaftet und ermordet, vor Gericht wurde Recht gesprochen, das Unrecht war, und Bonhoeffer hätte im Exil den Krieg und die Diktatur aussitzen können. Wie er sich entschied, ist bekannt. Damit könnten wir das Geschichtsbuch zuschlagen. Doch worüber sich Bonhoeffer im Gefängnis Gedanken machte, betrifft auch uns: Wie sollten sich Christen und andere ethisch und moralische denkende Menschen in solchen Zeiten verhalten? Sollten sie bedingungslos ihrem Gewissen folgen? Wie soll das gehen in einem Land, in dem Falsches plötzlich richtig ist, das Böse gut, ein schlechtes Gewissen plötzlich ein gutes Zeichen ist? Und wie verhalten wir uns eigentlich heute christlich und ethisch verantwortungsvoll? In einer Zeit, in der für jeden Menschen in Deutschland dutzende Sklaven arbeiten – wenn sie auch weit weg leben. Geht das überhaupt, verantwortungsvoll zu leben?
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.
Dietrich Bonhoeffer: Eine Theologie für eine mündige Welt | 7.12.2
Am 20. Juli 1944 überlebt Adolf Hitler ein Attentat mit leichten Verletzungen. Am selben Abend sprach er wieder aus den Volksempfängern. Er dankte der schützenden Fürsorge Gottes und bezeichnete sein Überleben als Beweis dafür, dass die Vorsehung mit ihm noch viel vor habe. Millionen Christen dankten Gott für diese Rettung. Einige Christen waren an dem Attentat beteiligt und wurden kurz vor Kriegsende dafür hingerichtet. Unter ihnen auch Dietrich Bonhoeffer. Im Gefängnis machte er sich Gedanken über das, was da gerade in der Welt – auch in der christlichen Welt – geschieht, und hinterließ einige Aufzeichnungen. Wie nämlich vermittelt man den Glauben an Gott in einer Welt, in der Diktatoren Gott für ihre Rettung danken? Wie vermittelt man diesen Glauben an Menschen, die Religion immer mehr für unwichtig halten? Deren große Fragen an das Leben – Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? – zunehmend von der Wissenschaft beantwortet werden? Wenn Menschen mündig werden und nicht mehr der Kirche hörig sind, können sie dann noch an Gott glauben? Sie können, glaubte Bonhoeffer. Doch dafür müssen Gott, Glaube und Christentum völlig neu gedacht und die biblische Botschaft wieder ernst genommen werden.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.