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UNTERTITEL UNTERTITEL ! Wir steigen gleich ein. Musik und Theologie, das gehört ja bekanntlich auch irgendwie zusammen. Das sind zwei Bereiche, die sich durchdringen und die von jeher miteinander zu tun haben. Man kann sich einen Gottesdienst oder eine Gottesdienstanbetung ja eigentlich nicht

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so richtig ohne Musik vorstellen. Und wenn die Kirche versucht hat, sich der Musik zu entledigen, dann ist es zumindest dauerhaft nicht wirklich gut gegangen. Also Musik gehört zur Kirche, gehört auch zum Menschen. Es ist expliziter Ausdruck von uns Menschen, auch wenn man weiß, dass manche Tiere so was ähnliches tun wie musizieren. Vögel singen ja zum Beispiel. Also eine Mozart-Sinfonie kommt da in der Regel nicht so richtig bei raus. Das gehört doch eher zu Menschen. Und auch Gott, so scheint es, liebt Musik. Das wissen wir zumindest aus der Vision des Johannes der Offenbarung, dass da wo Gott ist, da wird offensichtlich auch gesungen. Ich finde, eine ganz besonders schöne Sache am christlichen Glauben, dass Musik einen ganz großen Stellenwert

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hat und das christliche Glaube auch einfach immer irgendwie mit Singen zu tun hat. Und Martin Luther bezeichnet die Musik auch als La Musica, also als eine Person, ein Gegenüber, mit der wir in Beziehung treten. Und ich freue mich jetzt mit euch, ich erlaube mir das du, ich habe gehört, das ist okay hier bei Wurthaus. Ich freue mich jetzt mit euch, ein paar Gedanken zu teilen über Musik und was das auch mit unserem Körper zu tun hat, wie wir unseren Körper dabei einsetzen, wie sie auf unseren Körper wirkt und eben auch auf unsere Seele. Und Musik, so viel vorneweg, ist meine Leidenschaft und auch mein Beruf. Ich habe Musik studiert und für mich gehört Musik und Glaube unweigerlich zusammen und ich unterscheide da auch nicht so sehr, ob das in einem kirchlichen Setting passiert oder sonst wo. Ich liebe es, mich durch Musik auszudrücken und es sozusagen dem, der mich geschaffen hat, dem Schöpfer auch wieder mit Freude und Dankbarkeit zurückzugeben.

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Und ich bin sehr fasziniert und das werden Sie merken innerhalb der nächsten Stunde, ich bin sehr fasziniert von der menschlichen Stimme. Ich finde die menschliche Stimme etwas ganz Besonderes, auch als Instrument. Und ich freue mich, dass Musik auch immer wieder neu in den Fokus von Theologie kommt. Und mit dieser Verbindung von Theologie und Musik beschäftige ich mich auch und viel in meiner gegenwärtigen Aufgabe am Theologischen Seminar. St. Chrissona in Basel, das ist also in der Schweiz. Ich habe mich sehr gefreut, schon einige Schweizer hier auch zu hören. Als jemand, der in Musik zu Hause ist und an einem Theologischen Seminar arbeitet, viel mit Menschen zu tun hat, merke ich auch immer wieder, wenn wir über Musik sprechen, dann kommen wir in den Bereich von ganz vielen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen.

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Die sind sehr miteinander verwoben. Also es wird heute ein bisschen gehen um das therapeutische Potenzial von Musik. Also wir kommen da in den Bereich der Psychologie, bekommen mit Sicherheit auch in den Bereich der Pädagogik. Die Musik selber ist ja auch eine Wissenschaft, aber sie ist gleichzeitig auch wieder Kunst. Und wenn wir das in Verbindung bringen mit Glauben, dann sind wir auch ganz in unterschiedlichen Unterbereichen der Theologie. Und das Ganze ist verschachtelt und lässt sich nicht so ganz trennen. Deswegen streifen wir alles so ein bisschen. Und eben, da ich unglaublich gerne Musik selber mache und auch höre, möchten wir euch heute zumuten, dass wir auch immer mal wieder ein bisschen Musik spielen. Also das auch erleben, worüber ich jetzt sprechen werde. Und dazu habe ich meinen Musikerkollegen Andreas Wäldele mitgebracht, der Violine und Mandoline spielt. Ihr habt ihn eben schon gehört. Wir spielen seit vielen Jahren zusammen und ich bin sehr, sehr froh, dass er mitgekommen ist. Dankeschön Andreas!

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Mein Vortrag hat zwei Teile, das ist ganz einfach zu merken. In dem ersten geht es um die Wirkung von Musik im Allgemeinen, was es mit unserem Körper zu tun hat. Und im zweiten Teil geht es ums Singen, weil es liegt nahe. Im Singen werden wir selbst zum Instrument. Also das Singen nochmal als zweiter Teil dann, das wir genauer beleuchten. Und ganz am Ende, und das passt äußerst gut auf dieses Sommercamp, will es auch nochmal um Chor gehen. So viel verrate ich vorne weg. Also im ersten Teil geht es um die Musik und ihre Wirkung im Allgemeinen. Wir können Musik auf zwei Arten wahrnehmen und empfinden. Das liegt nahe, passiv und aktiv. Passiv, das habt ihr gerade erlebt, ihr habt zugehört, ihr habt Musik wahrgenommen, ihr habt auch etwas empfunden dabei. Und aktiv, das waren Andreas und ich, wir haben uns motorisch bewegt, damit Klänge entstehen. Und was Musik und jetzt von der Seite der Musikierenden so besonders macht, ist, dass

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wenn wir Musik aktiv ausüben, dann kommt sie gleichzeitig auch wieder passiv zu uns zurück. Das heißt, wir machen Musik sowohl aktiv als auch passiv. Ich habe mal hier eine Stimmgabel mitgebracht, die das so ein bisschen verdeutlicht. Also wenn wir eine Stimmgabel anschwingen, dann schwingt diese und wenn ich die jetzt auf den Flügel halte, dann schwingt der mit. Man hört es jetzt nicht hier, aber es ist so. Das heißt, es ist sowohl ein aktives als auch ein passives Geschehen. Das heißt, wir nehmen, auch wenn wir Musik aktiv machen, nehmen wir sie passiv wieder wahr. Und das ist was ganz Besonderes, was Musik sozusagen in ihrer Wirkung auch auszeichnet. Also Musik hat mit Wahrnehmung zu tun, mit unserem Körper, mit unseren Sinnen auf motorischer und eben auch auf sinnlicher Ebene. Und so entfaltet Musik auf drei Ebenen ihre Wirkung an uns. Zum

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einen physikalisch, das heißt in Form von Schallwellen und Frequenzen, eben wie an dieser Stimmgabel. Dann physiologisch, das heißt in Form von Bewegungen. Wir müssen also Bewegungen ausführen, damit Musik passiert. Und psychologisch in Form von Empfindungen. Und wir wissen, dass Musik dann ihre gute Wirkung entfaltet, wenn es um positive Empfindungen geht, also um Lustempfindungen, positive Regungen. Und auf diese drei Wirkebenen möchte ich jetzt im ersten Teil eingehen. Physikalische Bewegung von Musik. Musik bewegt Materie. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wer sich mit Psymatik oder Cymatics, wie das auf Englisch heißt, schon mal beschäftigt hat, der weiß, dass es eine Wissenschaft ist, die sich damit beschäftigt, wie Schallwellen visualisiert werden. Und was dabei entsteht, ist nicht einfach Chaos, sondern das sind in sich symmetrische Formen, schöne Formen. Wer das noch nie gesehen hat, muss sich unbedingt mal damit beschäftigen.

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Das sind in sich wie Kunstwerke, die dann entstehen. Symmetrische Formen, die Klänge visualisieren und ihre eigene Schönheit entfalten. Also Musik bewegt Materie, bewegt die Elemente. Musik ist also auch eine Energie. Also sie wird physikalisch betrachtet oder ist physikalisch betrachtet ein dynamisches Geschehen. Und was hat das mit unserem Körper zu tun? Wir wissen, dass Musik auch in uns Bewegung auslöst. Das heißt, sie löst Tanz aus zum Beispiel. Also Tanz ist visualisierte, schöne Musik. Sie bewegt uns zur Bewegung. Also es ist nicht einfach nur ein geistiges Geschehen, sondern sie bewegt Materie und sie bewegt uns auch zur Bewegung. Und wem das kulturell so ein bisschen fremd ist mit dem Tanzen, sie bewegt uns auch zur Gänsehaut, sie bewegt uns zu Tränen. Sie macht etwas mit unserem Körper. Physiologisch betrachtet ist

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Musikieren und jetzt spreche ich vor allen Dingen von der Seite von Musikierenden, also von künstlerischen Musikieren, ist Musik auch immer Bewegung und zwar vergleichbar mit Höchstleistung. Also unser Körper und unser Gehirn wird höchstleistend beansprucht. Also es sind komplexe Bewegungsabläufe, es sind Automatismen, es sind Reflexe, hochvirtuose Reflexe, die wir eintrainieren, damit dann am Ende so was rauskommt, wie wir gerade zum Beispiel auf der Mandoline gehört haben. Der amerikanische Autor Galway beschreibt in seinem Buch The Inner Game of Mozart, lohnt sich für alle, die Musik machen, beschreibt die Analogie des Musikierens zum Tennisspielen. Es ist also vergleichbar mit einem Sport. Ein Handwerk und eine Fähigkeit, die trainiert werden muss. Also es geht um Bewegungsgedächtnis, es geht um komplexe Abläufe in

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Höchstgeschwindigkeit, die unser neurologisches und muskuläres System aufs höchste beanspruchen. Und wir Musiker können sehr ein Lied davon singen, wenn wir in den Bereich der Musikerkrankheiten gehen. Also es gibt diverse Schädigungen, körperliche Schädigungen auf Musikerseite, die haben nur Musiker, also Sehenscheidenentzündung oder wer mit Stimme zu tun hat, die ganzen Long-COVID- Geschichten, die mit Stimme zu tun haben, die haben uns sehr beschäftigt in den letzten Jahren. Also wir strapazieren unseren Körper und unsere Muskeln im höchsten Maße, wenn wir auf professioneller Ebene Musik machen. Und darüber hinaus fordert Musik auch unser Sinne. Musik machen ist ein sinnliches Ereignis, Musik hören übrigens auch. Und zwar längst nicht nur den Hörsinn, das würde ja auf der Hand liegen, dass wir Musik hören, aber wenn wir musizieren, brauchen wir eigentlich, ich würde es mal so zusammenfassen, alle Sinne außer unserem Geruchssinn, den vielleicht

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am wenigsten. Das war auch ein Vorteil in der Corona-Zeit übrigens. Also wenn wir Musik machen, dann brauchen wir die Augen für Griffbilder, wir brauchen die Augen für das Miteinandermusizieren, wir brauchen einen Tastsinn, also eine Klaviertastatur ist ja sozusagen eine Blindenschrift. Ja, das sind schwarz und weiße Tasten, die nicht auf einer Höhe sind. Also wir können uns blind bewegen auf der Tastatur. Ich brauche meinen Tastsinn, ich brauche ein Bewegungsgedächtnis, ich brauche all diese Motorik und meine Sinne, um Musik machen zu können. Wir brauchen auch Kognition für Analyse. Ich muss wissen, in welcher Tonart ich mich bewege, das ist auch immer sehr wichtig und vergisst man ab und zu. Für theoretische Zusammenhänge in der Musik, fürs Notenbild, für Interpretationsweisen, für Stilkunde Wissen um Epochen und so weiter. Also

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wir brauchen auch unsere Analysefähigkeit, unsere Kognition zum Musizieren. Bedeutet also, Musik schafft in uns Verbindung, Verbundenheit mit uns selbst, mit unserem Körper, mit unseren Sinnen, mit unserem Verstand und nicht zuletzt, und darüber wird es gleich gehen, mit unserem Gefühlsleben, mit unseren Emotionen. Aber zuerst noch mal ein bisschen Musik. Es sind immer nur verkürzte Stücke gerade, heute Abend gibt es die dann in voller Länge. Die Psychologie des Musizierens ist der nächste Punkt. Musik entfaltet ihre positive Wirkung

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eben gerade auch auf der psychischen Ebene und zwar, weil sie sich eignet, um innere Prozesse zu verdeutlichen. Und die Philosophin Susanne Langer beschreibt es so, dass unser Gefühlsleben

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musikalischen Formen sehr stark entspricht. Das heißt, wir erleben Musik in Bewegung, in Spannung, Entspannung, Rhythmus, Harmonie, Dissonanz, Vorbereitung, Erfüllung, unerwartete Wechsel, Ruhe, Pause, Fermate, das ist auf Italienisch Corona, Innehalten. Ja, interessant. Musikalische Prozesse ähneln also unseren Gemütszuständen, unserem inneren Seelenzustand, und zwar auch den Unbewussten und den Verdrängten. Und das macht die Musik zu einem so spannenden Medium in der Psychologie. Und deshalb kommt sie auch in der Musiktherapie zum Einsatz. Musikalische Parameter, zum Beispiel Form, Klang, Rhythmus, Melodie, Dynamik, all das wird eingesetzt in der Musiktherapie auf heilsame Weise, um dran zu kommen an unsere psychische Gesundheit oder

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eben das, was auch schräg liegt sozusagen. Also Musik wird hier als eine Sprache verwendet oder ein Sprachersatz, der eingesetzt wird als Beziehungs- und Kommunikationsmedium, durch welches man in Form von Improvisationsübungen den Zustand der Seele ermittet und auch das Bedürfnis. Und das dann musikalisch ausdrückt. Also es kommt im Therapieprozess zu einem Beziehungsgeschehen, zu einem Dreiklang zwischen Therapeut, Patient und einer dritten Person. Das ist die Musik. Wir kennen es auch aus der Demenzforschung, dass Musik eine ganz besondere Bedeutung hat. Das habt ihr wahrscheinlich schon mal gehört auch, weil Musik sozusagen Erinnerungen weckt und auch ein affektbeladenes und affektauslösendes Medium ist. Affekt bedeutet ja Gemütszustand. Also weil es das

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in uns auslöst und auch selbst ausdrückt, werden Gefühle und Erinnerungen geweckt, die mit musikalischen Ereignissen verketet sind, oft mit Liedern. Und das holt Demenzkranke sozusagen zurück in die Wirklichkeit, ins Hier und Jetzt und auch ins reale Beziehungsgeschehen. Und das ist ganz arg wichtig. Musik mag uns also in Verbindung zu bringen mit unseren Emotionen, mit unserem Gefühlsleben und mit unserem Gegenüber. Wobei die Musik selbst gegenüber ist. Und dieses Gegenüber ist in der Lage, uns in eine Stimmung zu versetzen. Also Musik ist sozusagen ein mehrdimensionales Beziehungsgeschehen oder holt uns da hinein in ein mehrdimensionales Beziehungsgeschehen. Und damit nähern wir uns langsam dem Bereich von Musikbedeutung, von Musik und Sprache und Musik in Verbindung mit Wort und dazu noch ein Musikstück.

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Musik und ihre Bedeutung. Musik weckt Erinnerungen in uns. Und Musik hat auch zu tun mit Hörgewohnheiten. Und Musik erfordert Bildung und Ausbildung. Unser Gehör, das wird vor allem in der Kindheit ausgebildet. Und wir wissen auch, je stärker das Gefühl, welches wir erleben oder erlebt haben mit Musik, umso stärker die Erinnerung und die Assoziation. Ich weiß nicht, welche Erinnerungen ihr habt, wenn ihr dieses Stück hört. Ich hoffe, es haben alle erkannt. Es ist die israelische

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Nationalhymne. Vielleicht hat es manche auch assoziiert mit diesem Lied, Zünde an ein Feuer. Genau, auch bekannt. Musik eignet sich als Kommunikationsmittel, ist aber nicht eindeutig in der Bedeutung. Es liegt sozusagen an eurer Imaginationskraft, welche Bedeutung Musik zuteil wird. Musik hat also Symbolkraft, aber die Deutung, die wird uns selbst überlassen. Wiederum, die Philosophin Susanne Langer beschreibt es so, die wahre Macht der Musik besteht darin, dass sie, was das Gefühlsleben anlangt, auf eine Weise lebenswar ist, wie die Sprache es niemals zu sein vermag. Denn was ihre

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sinnhaltigen Formen im Gegensatz zu den Worten der Sprache auszeichnet, ist gerade die Ambivalenz des Inhalts. Also Musik kann keine eindeutige Bedeutung zugeschrieben werden. Und eben, Susanne Langer bezeichnet es auch als Vorteil, nicht als Nachteil. Sinnzuschreibung passiert sozusagen durch den, der es hört. Also Musik trifft auf Subjekt. Akustische Symbole werden von uns gedeutet. Und wir erleben das eben zum Beispiel beim Hören von Nationalhymnen, dass damit auch gewisse Gefühle aufkommen. Oder auch bei Commercials, bei Werbe-Jingles, bei Musik, die bestimmte Gefühle hervorrufen sollen. Da wird natürlich schon fast in Richtung manipuliert. Also Werbe-Jingles sollen gewisse Gefühle ausdrücken und in uns wecken. Und deswegen werden sie auch eingesetzt. Ganz extremes Beispiel hierfür ist zum Beispiel auch die Situation in einem Fußballstadion oder bei einem Wettkampf. Hier wird Musik ganz gezielt eingesetzt, um

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Wettkampfgeist zu stärken, um Emotionen zu wecken, um aufzuheizen. Und wir haben jetzt auch noch mal ein eher extremeres Beispiel mitgebracht. Sie haben diese Melodie sicherlich erkannt und es hat Erinnerungen geweckt. Schindlers Liste Holocaust. Ich will gleich dazu sagen, dieses Stück spielen wir heute Abend nicht im Konzert. Das machen wir nämlich ganz bewusst nicht, weil es eine ganz starke Deutung hat, diese Musik. Also es weckt sofort starke Erinnerungen, mit denen man als Musiker auch nicht spielt. Und das ist auch für uns ein Tabu als Konzertstück. Musik kann nämlich auch manipulieren auf eine ganz gewisse Art und Weise. Unweigerlich. Und diese Musik, so schön sie auch ist von John Williams, auch in der Interpretation von Isaac Perlman, die steht für etwas. Und da gibt es sozusagen nur diese eine

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Bedeutung. Musik und Spiritualität. Wenn wir mal in der Musik der Zeit gehen, dann ist es auch eine Bedeutung. Musik und Spiritualität. Wenn wir Musik mit unserem Glauben verbinden, dann passieren noch mal ganz besondere Dinge. Und Musik eignet sich auch als Medium für Religiöses. Schubert hat es

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schon ausgedrückt in einem Lied über die Musik, die holte Kunst, die uns in eine bessere Welt entrückt. Musik hat sozusagen transzendierende Kraft. Sie hebt uns in eine höhere Welt, sie transformiert uns, sie verändert uns. Sie kann unseren Bewusstseinszustand verändern, unsere Wirklichkeitswahrnehmung, sogar unsere Persönlichkeit. Ich weiß nicht, ob Sie es schon mal ganz bewusst eine Sinfonie von Gustav Mahler angehört haben. Das ist wirklich rauschhafte Musik. In meinem Studium unser Musiktheorielehrer, der hat immer gesagt, das wirkt wie Marijuana. Das versetzt uns in einen rauschhaften Zustand, der mit der Realität dann nicht mehr so viel zu tun hat. Diese Wirkung kann Musik haben, wenn man sich auf sie einlässt. Ist auch was Individuelles, also Musik wirkt nicht auf jeden in gleicher Weise, aber sie hat diese Kraft. Und vielleicht hat Musik auch deshalb so einen

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transzendenten Charakter, weil sie ein ganz spezielles Verhältnis zur Zeit hat. Musik wird ja geformt und ganz stark durchstrukturiert durch Zeit. Also wir haben Takt, wir haben Rhythmus, wir haben Argogik, das ist das Spiel mit der Zeit. Das heißt, ich kann schneller werden, ich kann langsamer werden. Wir haben eine gewisse Zeiteinteilung. Sie verdichtet, sie verlangsamt sich, sie kann stillstehen und gleichzeitig, und das ist was sehr Besonderes an der Kunstform auch, existiert sie nur in diesem Moment, in dem Moment, in dem sie erklingt. Das heißt, sie ist nur im Jetzt da. Selbst wenn wir sie konservieren und konserviert anhören, dann erklingt sie trotzdem nur in diesem Moment. Und das gibt ihr sozusagen eine Sonderstellung jetzt im Vergleich zur Literatur oder zu bildenden Kunst, die ja abrufbarer sind. Vielleicht noch vergleichbar mit allem, was mit Aufführung zu tun hat im Theater, aber im Grunde genommen existiert sie nur im Hier und Jetzt und sie holt uns auch ins Hier und Jetzt. Und für uns als Musikierende, uns gibt es auch diesen besonderen Kick. Das heißt,

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als Musiker, wir versuchen einen Moment zu gestalten. Wir versuchen zu bezaubern mit der Musik, zu berühren. Und wir müssen auch immer wieder beweisen, dass wir in dem Moment, in dem es gefordert ist, abliefern können. Wir können es nicht konservieren. Also sie gestaltet den Moment und sie holt uns ins Hier und Jetzt. Und was mit der Musik passiert, also wie das auf das Subjekt trifft, auf euch zum Beispiel, wie ihr das wahrnehmt, das haben wir als Musikierende gar nicht in der Hand. Also ob ein Ereignis passiert, etwas Übernatürliches, etwas Besonderes in euch, dass es sozusagen ist und bleibt unverfügbar. Das ist auch nochmal eine Analogie zum Heiligen Geist, der ist unverfügbar. So ist Musik auch. Sie ist unverfügbar. Aber wir erleben das immer wieder, dass wir in besonderen Konzertsituationen sind, Konzerte zu ganz besonderen, transzendenten Ereignissen werden. Eben auch, weil in diesem Moment etwas Besonderes passiert.

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Musik in Verbindung mit Wort ist Trägerin von Botschaften, von Weltsichten, von Ideologien, auch von Religion. Und das ist auch so ein Beispiel, das einfach nicht immer nur zum Guten passiert. Ich habe hier mal ein Beispiel mitgebracht von einem Kirchenlied, ungefähr aus der Zeit vom ersten Weltkrieg, das in Deutschland gesungen wurde. Ich lese mal den ersten Teil einer Schrofe vor. Wie auch die Hölle braust, Gott deine starke Faust stürzt das Gebäude der Lüge. Das Lied heißt Gebet vor der Schlacht. Und wenn ich Ihnen das jetzt oder euch das jetzt vorsingen würde, es ist auf die Melodie von O du fröhliche. Ich singe es nicht. Wir haben das in einem Musiktheaterstück mal verarbeitet und haben es dort tatsächlich gesungen. Es hat eine ganz drastische Wirkung auf uns in unserer heutigen Zeit, dass Musik einfach auch so missbraucht wird

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von politischen Ideologien. Und das ist auch immer die Gefahr, wenn wir von der Verbindung von Wort und Musik sprechen. Nichtsdestotrotz ist es etwas unglaublich Schönes, Gewinnbringendes und Wunderbares, wenn Musik und Wort so zusammenkommen, dass sie in unserem Herzen nochmal eine ganz andere Wirkung entfalten und zwar beides auf ihre Weise. Und für Martin Luther ist ja dieser Begriff Singen und Sagen auch ein starker Begriff, den er geprägt hat. Evangelium ist immer ein klingendes Evangelium. Die frohe Botschaft kann nicht einfach nur verkündigt werden. Sie muss für ihn musikalisch erklingen. Und das ist natürlich auch in der Musikgeschichte immer wieder auf eine ganz wunderbare Art und Weise passiert. Und einer der Meister war Johann Sebastian Bach. Und ein Beispiel dafür können wir leider nicht vorspielen. Da fehlt das Orchester und der Chor und überhaupt. Aber ich möchte es einfach beschreiben. Und zwar ist es ein Beispiel für Wort-Ton-Verhältnis. Also Johann Sebastian Bach war sehr dafür bekannt, dass er Wort-Ton-Verhältnis

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gemeistert hat, eigentlich wie kein zweiter Komponist, und Worte auskomponiert hat auf musikalische Art und Weise. Und da gibt es zum Beispiel, das ist ein Beispiel von vielen, aber ich finde sehr stark, aus der Johannis-Passion diese Stelle, wo der Evangelist quasi beschreibt, der Vorhang im Tempel zerreißt. Und an der Stelle hört man einen 64. Lauf abwärts unisono im Orchester. Also das heißt ganz schnelle Noten. Alle im Orchester spielen dieselben Noten, was ein sehr starker Effekt ist, abwärts. Und es ist quasi ein visualisierter Tempelvorhang-Zerriss. Und dann passiert ein Tremolo im ganzen Orchester wiederum mit vielen Bässen auf einem doppelt verminderten Akkord. Das ist für die Barockzeit ein unglaublich dissonanter, starker, spannungsaufgeladen Akkord. Und ein Tremolo, das ist wie ein Erzittern. Und dann heißt es, die Erde bebte und die Gräber

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tun sich auf. Das ist ja auch der Bibeltext aus dem Johannisevangelium. Und wenn man das hört, es fährt wirklich in den Frequenzen durch Mark und Bein. Und wir erleben diese Passion, diese Bibelstelle durch die musikalische Auskomponierung nochmal auf eine viel intensivere und stärkere Art und Weise, als wenn uns dieser Text einfach nur vorgelesen werden würde. Und das ist, was Johann Sebastian Bach, wie ich finde, wie kein Zweiter, beherrscht hat und wo Musik und Wort in Kombination eine unglaubliche Kraft entwickelt und eine Wirkung in unserem Herzen auch. Als Fazit für diesen ersten Teil. Musik schafft also Verbundenheit mit uns selbst, mit unserem Körper, mit unserem Geist, mit unserem Verstand und mit unseren Emotionen. Musik ist dynamisch, das heißt, sie bewegt Materie, sie bewegt unseren Körper, sie bewegt unsere Seele. Sie integriert Emotionen und drückt auch Emotionen aus, deswegen hat sie

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therapeutische Wirkung. Sie trifft auf ein Subjekt, das heißt, sie muss gedeutet werden. Sie ist auf jeden Fall ein nonverbales Kommunikationsmittel und sie verbindet uns mit anderen. Also Musik ist ein Beziehungsgeschehen per se. Musik hat transformierende Kraft, ist ein transcendentes Medium. Und sie lebt sozusagen nur im Hier und Jetzt, in dem Moment, in dem sie passiert. Musik eignet sich als Trägerin von Botschaften. Und damit kommen wir zum Singen, dem zweiten Teil, aber vorher nochmal ein kurzes Musikstück mit dem Titel. Wir finden ein sehr leibliches Musikstück, ein nonverbales, Make-A-Noopy, kenne ich von Ray Charles. Ja, was das bedeutet, hört selbst. Ja,

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wir kommen zum zweiten Teil und jetzt wird es ums Singen gehen und da seid ihr ja bestens vorbereitet durch den Camp Choir. Ich habe gestern mal reingehört, das klingt ganz wunderbar und ich hoffe, ihr könnt ein bisschen auch durch diese Erfahrung anknüpfen, an das, was ich jetzt sagen werde. Es geht um die Bedeutung des Singens und seine positiven Auswirkungen auf den Einzelnen. Also es lohnt sich für uns als Einzelne zu singen und aber wirklich nochmal für mich als extra Punkt, es lohnt sich auch in Gemeinschaft zu singen, vor allem auch das. Singen ist ja auch sozusagen Ausdruck eines Instrumentes unserer Stimme, also die Stimme ist unser Instrument und sie unterscheidet sich vor allem auch dadurch, also im Vergleich zu einem Flügel zum Beispiel, wie wir ihn hier sehen,

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dass wir nicht so viel Distanz haben zu ihr. Also Singen ist, wir sind das Instrument. Singen ist einzigartig, also unsere Stimme ist einzigartig, so wie auch ein Fingerabdruck von uns. Es gibt nur deine Stimme und die gibt es nicht ein zweites Mal auf diesem Planeten. Singen hat ganz viel mit unserer Identität zu tun. Singen ist individuell und man merkt es vor allem daran und das ist wahrscheinlich auch das Schmerzhafte daran, dass wenn wir als Sänger oder Sängerin kritisiert werden, dann tut es unglaublich viel mehr weh, als wenn mir jemand sagt, du hast falsche Töne gespielt, von denen ich meistens auch noch weiß, dass ich sie im Zweifel vielleicht auch richtig spielen könnte. Es ist nicht so sehr persönlich, diese Kritik. Als Sänger mit unserer Stimme, das ist schon richtig persönlich. Was benötigen wir zum Singen? Wir haben zwei Stimmbänder oder Stimmlippen, wie die Profis sagen, in unserem Kehlkopf, die die Fähigkeit haben, so zu schwingen,

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dass Töne erklingen. Ich kann euch sagen, die Stimmbänder sind unglaublich klein, also wir haben kleine Stimmbänder. Es ist wirklich erstaunlich, was aus diesen zwei kleinen Stimmlippen herauskommen kann. Eine Stimme, die über 40 bis 60 Orchester Musiker klingen kann, ohne Verstärkung. Das ist schon wirklich erstaunlich. Wir haben Luft, Atem, Odem, haben wir schon gehört, der unsere Stimme unterhalb der Glottis, ich rede jetzt mal in Fachbegriffen, unsere Stimmlippen so zum Schwingen bringt, dass Klang entsteht, dass Töne entstehen, dass Melodien entstehen, dass Musik entsteht. Und dann haben wir natürlich den Resonanzraum unseren Körper. Und hier stützen wir muskulär die Ausatembewegung auf eine Weise, dass wir möglichst lange ausatmen, um dann eine Melodie zu singen. Das heißt, wir atmen lange aus und wir atmen kurz ein. Und das allein ist übrigens schon eine Sofortmaßnahme gegen Panikattacken.

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Ausatmung verlängern, dreimal so lang wie einatmen und wir tun schon etwas, dass unseren Organismus entstresst, wieder erdet. Bei sich ankommen, bei sich ankommen, ist das, was Singen macht. Singen ist die niederschwelligste Art und Weise, Musik zu machen. Jeder kann das im Grunde genommen machen, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die das vielleicht anatomisch, die anatomisch dazu nicht in der Lage sind, aber das kommt wirklich selten vor. Im Grunde genommen kann jeder singen, so wie auch jeder überhaupt seine Stimme zum Sprechen benutzen kann. Jeder kann sich also durch Singen aktiv am musikalischen Geschehen beteiligen. Auch wenn er jetzt nicht so Geige spielt wie Andreas Wäldele, kann man durch Singen an einem musikalischen Geschehen teilnehmen. Und warum sich das sehr lohnt und warum wir alles daran setzen sollten, dass wir in unserem Leben mehr singen, aber auch wieder in unseren Kirchen und Gemeinden so singen, dass viele daran teilnehmen können, darüber möchte ich jetzt noch sprechen. Ein paar Facts zum

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Singen im Allgemeinen. Das Singen ist gesellschaftlich auf dem Rückzug. Also wir wissen, das ist erforscht worden, dass in öffentlichen Leben oder in unserem Leben immer weniger gesungen wird. Vor allem Kinder singen immer weniger und das ist ein wichtiger Teil der menschlichen Entwicklung. Also Singen, wir verlernen sozusagen in unserer Gesellschaft das Singen. Auch an unseren Bildungsinstitutionen, weil eben die Anleitenden nicht mehr wissen, wie man singt. Und Singen wird eben von Person zu Person vermittelt. Und gleichzeitig, und das ist ein bisschen ein modernes Phänomen, wächst das faszinosum Gesang in unserer Gesellschaft. Also wir erkennen das an so populären Shows wie Deutschland sucht den Superstar, Sing my song, The Voice. Das sind Shows, die unglaubliche Einschaltquoten erreicht haben. Das Singen fasziniert, dass Menschen gerne zuschauen, wenn gesungen wird. Dass wir gerne beobachten, wenn Menschen besonders gut oder eben auch besonders

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schlecht öffentlich singen. Das bedeutet also, viele Menschen, und das ist auch wiederum erforscht worden, singen zwar sehr gerne, aber nicht sehr gut. Und Singen findet nur noch in organisierten Formen statt. Wie zum Beispiel Konzerte und auch Gottesdienste gehören zu diesen organisierten Formen. Also wir überlassen das Singen aber auch dort zunehmend denen, die es wirklich können und entwickeln so was wie ein Star-Kult. Das heißt, wir stellen weniger auf die Bühne und schauen lieber zu. Und davon ist auch unsere gegenwärtige christliche Musikszene sehr voll. Also wir überlassen es wenigen am Mikrofon und würden zwar gerne, aber trauen es nicht so richtig. Und das ist wirklich schade und dem sollten wir entgegenwirken. Denn wir wissen, Singen hat wirklich positive Effekte auf unseren Körper und auf unsere Seele. Physiologisch betrachtet hat es Einfluss auf unseren Hormonhaushalt. Es schüttet Hormone aus. Zum Beispiel das Bindungshormon

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Oxytocin. Das ist ein Sozialhormon. Singen stärkt also unser Sozialverhalten, bringt uns in Verbindung mit anderen. Es vermindert Stresshormon nicht zuletzt durch auch diese verlängerte Ausatembewegung, wird also Stress abgebaut. Es stärkt unser Immunsystem, auch das ist erwiesen worden, reguliert Blutdruck, beeinflusst unser Herz-Kreislaufsystem auf positive Weise. Also Singen ist in jeder Hinsicht gut für unseren Körper. Auf psychologischer Ebene, das ist ähnlich wie bei der Musik, ist Singen auch emotionsintegrierend, drückt Emotionen aus und integriert Emotionen. Das heißt, Singen ist ganz arg wichtig auch dort für unsere psychische Gesundheit und für unsere Identitätsentwicklung. Indem wir unsere Stimme hören, erfahren wir uns selbst. Also wir stärken unsere Individualität und wir erleben unsere Einzigartigkeit. Wir erleben die Einzigartigkeit unserer Stimme. Wir erleben auch hier, wie beim Musizieren, Verbundenheit mit

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uns selbst. Also im gemeinsamen Singen erleben wir Verbundenheit mit uns selbst und eben auch mit Gemeinschaft. Und das alles sind wichtige Grundbedürfnisse des Menschen. Singen hat auch in pädagogischer Hinsicht positive Effekte auf uns, steigert bis hin zu unserer also unsere emotionale Intelligenz. Aber eben auch, ja wie Musikieren im Allgemeinen wird es fördernd auf die Entwicklung unseres IQs. Das hat man auch herausgefunden. Dazu muss man allerdings, muss ich dazu sagen, sehr lange Musik machen. Also bei Kindern ist es ungefähr nach sechs Jahren, konnte man da unter, also nach sechs Jahren musikalischer Erziehung sozusagen, konnte man dann da auch Unterschiede im IQ feststellen. Also man kann mit Fug und Recht behaupten, Singen ist gesund für uns, wirkt stressregulierend, ist wichtig für unser Sozialverhalten, stärkt unsere Verbundenheit mit uns selbst und mit der Gemeinschaft und geht also auf wichtige

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Grundbedürfnisse des Menschen ein. Singen ist ganzheitliche Selbst- und Gemeinschaftserfahrung, weil es Affekt, also Gemüszustand, Kognition, Seele, Leib und Geist optimal miteinander verbindet. Es lässt uns, wie Musik auch, im Allgemeinen in der Gegenwart ankommen. Singen ist also auch ein ganzheitliches, hörbares Beziehungsgeschehen. Und wenn wir das mit unserer Spiritualität, mit unserem Glauben verbinden, dann wird es eben zur ganzheitlichen Glaubenserfahrung, zum geistlichen Gemeinschaftserlebnis. Und damit kommen wir zum nächsten Punkt. Singen dient eben nicht nur mir als Individuum, sondern es dient der Gemeinschaft. Es wird gehen um den Klangkörper, Klangkörpergemeinde. Und dazu machen wir, auch weil es Mittag ist und wir ein bisschen was tun dürfen jetzt, eine Stimmübung zusammen. Das heißt, ihr dürft alle aufstehen. Keine Sorge, es wird nicht peinlich. Wir machen jetzt eine Übung, die Gesangspädagogen unter uns,

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die kennen die sicher. Jeder von euch singt einen Ton und wir wollen jetzt mal herausfinden, wie gemeinschaftstauglich ihr seid sozusagen. Das heißt, jeder singt seinen individuellen Ton, den er für richtig hält und wir versuchen mal in einer nicht allzu langen Zeit möglichst einen Ton miteinander zu finden. Einen Ton, unisono nennen wir das. Mal schauen, ob wir das schaffen. Ich zähle auf drei, dann singt jeder seinen Ton und wir versuchen, einen gemeinschaftlichen Ton zu finden. Okay, eins, zwei, drei. Immer weiter, immer weiter. Noch ein bisschen, noch mindestens. Atmen und weiter. Wir sind immer noch bei einem Dreiklang, aber einem schönen. Ihr seid die zweite Gruppe, mit der ich das mache, die einen Mollakkord singt. Sehr erstaunlich. Wir probieren es noch

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mal, versuchen mal wirklich einen Ton zu finden. Wenn es nicht ganz klappt, ist es nicht schlimm. Also noch mal eins, zwei, drei. Mal weiter. Sehr schön, es war immerhin schon ein Durakkord, die musikalisch gebildeten, aber immer noch mindestens drei Töne. Dankeschön, gebt euch selbst mal einen Applaus. Was wir jetzt gerade gemacht haben, ist unabhängig davon, dass wir es nicht geschafft

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haben, einen Ton zu finden. Es ist okay, seid ihr nicht die Einzigen. Es ist normal, unter Theologen gibt es einfach sehr viel Alpha-Tierchen. Habt ihr euch selbst wahrgenommen? Ihr habt euch selbst ausgedrückt, ihr habt euren Körper wahrgenommen, eure eigene Stimme, ihr habt euch selbst bestätigt, ihr habt Verbundenheit mit euch selbst gespürt und Verbundenheit mit den anderen gespürt. Also ihr habt, ihr wurdet selbst angestimmt, also ihr habt

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selbst eure Stimme zum Klingen gebracht und wurdet auch angestimmt von den Menschen um euch herum, von der Gemeinschaft. Mit dem Atem, mit dem Odem habt ihr eure Stimme angestimmt. Mit dem Instrument, die Kehle, die auf Hebräisch, das haben wir heute auch schon gehört, Nefesh, die Seele, wurde eure Stimme sozusagen zu einem Ton angeregt und euer Leib, der Körper ist zum Resonanzraum geworden für diese Klänge. Singen stärkt also die Leiblichkeit unseres Glaubens. Sie verbindet Kognition mit Emotion und mit unserem Körper und aus den einzelnen Klangkörpern der Individuen hier im Raum ist jetzt ein gesamter Resonanzkörper entstanden. Also aus der singenden Gemeinschaft ist ein Chor entstanden und ich möchte es nochmal gesangspädagogischer ausdrücken, weil es auch zeigt, dass Individualität in diesem Geschehen ganz arg wichtig ist. Es gibt

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unter euch verschiedene Register. Es gibt, das habt ihr vielleicht schon mal gehört, in einem Chor Soprane, die hohen Stimmen, es gibt die tiefen Stimmen, Tenöre, Bässe, also wir unterscheiden auch zwischen Männer- und Frauenstimmen hier. Dann gibt es viele Mischregister. Es gibt dramatische Stimmen, leichte Stimmen, bewegliche Stimmen, die nennt man Coloraturstimmen. Es gibt Charakterstimmen und diese ganz verschiedenen Klangfarben, blecherne samtweiche Stimmen, schrille Stimmen gibt es auch, aber im Grunde genommen verschiedene Charakterfarben, die zusammen ergeben einen Chorklang und jeder Chor, der lebt auch von der Vielfalt dieser einzelnen Stimmcharaktere. Also es braucht das Profil eurer eigenen Stimme, damit ein interessanter Chorklang entsteht und der wird ja gerade auch sehr professionell gefeilt hier in den Chor Sessions. Und aus der Summe dieser einzelnen Individuen entsteht also ein Klangkörper. Aus der Viel- und Mehrstimmigkeit wird eine neue Einheit und der

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Resonanzsoziologe, den ihr sicher auch schon mal gehört habt, Hartmut Rosa, schreibt über diesen Chorklang, wer sich daran beteiligt, erfährt in den gelingenden Momenten eine tiefen Resonanz zwischen seinem Körper und seiner mentalen Befindlichkeit zum Ersten, zwischen sich und den Mitsingenden zum Zweiten, sowie die Ausbildung eines kollektiv geteilten physischen Resonanzraumes in der Kirche oder im Konzertsaal zum Dritten. Und dieser ganz wesentlich leiblich-physische Resonanzzusammenhang wird es ihm schwer machen, sich wenigstens vorübergehend nicht im Einklang mit sich und der Welt zu fühlen. Es ist im Grunde genommen, wie Paulus in 1. Korinther 12 schreibt, ein Leib und viele Glieder. Singen wird im Gottesdienstlichen Geschehen gemeinschaftliches Singen zur Verkörperung des Leibes Christi. Aus dem Klangkörper eurer Individuen wird ein neuer Klangkörper, ein Medium des Heiligen Geistes und ein Gefäß göttlicher Gegenwart, so schreibt es

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der Theologe Adolf Brunner. Und ich komme so langsam auf die Schlusskurve mit ein paar theologischen Gedanken noch dazu. Singen ist Dialog mit Gott. Also es kommt im Gottesdienstlichen Singen zu einer Wechselwirkung. Gottes Schöpfergeist wirkt im affektauslösenden Medium Musik an uns und wir treten auf künstlerisch kreative Weise mit dem Schöpfer in Dialog. Oder wie Peter Bubmann es sagt, als Hörende, und das haben wir gerade gemacht, wahrnehmende und kreativ verkündigende, zugleich stimmen wir im Lobpreis, also im Gottesdienstlichen Singen, mit ein in den ewigen Dialog des dreieinigen Gottes mit seinen Kreaturen. Und das durch Musik als affektauslösendes und affektbeladenes Medium auf eine Art und Weise, das unsere Gemütszustände in ihrer ganzen Bandbreite abholt. Es geht eben auch um die Zwischentöne. Musik ist nie nur Mainstream, Musik ist nie nur

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Einheit. Es gibt auch nicht nur die eine Gottesdienstmusik, sondern Musik ist dazu da, unseren Lob und Dank auszudrücken, aber auch das Flehen und das Klagen. Es gibt eine Stilvielfalt, da gibt es wirklich was zu entdecken. Und auf diese Art und Weise dürfen wir Musik verwenden, um sozusagen mit diesem Klangkörper der Gemeinschaft uns auszudrücken, im Singen. Und wenn das passiert, dann ist Musik sozusagen Heimat, seelischer Anker, Glaubensidentifizierung. Und in dieser Vielfalt der Kirchenmusik steckt auch ein unglaublicher Reichtum, den wir wie neu entdecken sollten, auch für unser gemeinsames Singen. Singen ist eben nicht nur Glaubensausdruck, sondern wir singen uns in den Glauben hinein. Es passiert etwas mit uns, wir vergewissern uns. Also Lieder, es ist nicht nur so, dass wir ein

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Lied singen, weil wir davon überzeugt sind, dass der Text stimmt, sondern es ist wie Gott nähert sich uns auch durch das Lied und auch durch den Gesang der Anderen. Also Gott kommt zu uns durch das Singen und durch das Lied. Ich möchte fast enden, bin noch nicht ganz am Ende, fast enden mit dem Zitane von Bernd Wannweth, auch ein Kollege sozusagen, der bei uns unterrichtet, der eben schreibt, im Singen geht es nicht einfach nur um Glaubensausdruck, es drückt nicht einfach aus, so schreibt er, was an Glauben da ist, der Hall, das komplexe Ineinanderschallen, der an den Kirchenwänden gebrochenen, mit verschiedenen langen Zeitverzögerungen an unser Ohr dringenden Stimmen der Gemeinde macht einen Raum auf, in den sich unsere je eigene Erfahrung hinein tasten kann. Wir singen uns gewissermaßen in den Glauben der Kirche hinein. Und damit möchte ich zum Schluss Plädoyer kommen und das muss so sein für mich,

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ein Plädoyer für Chorsingen. Ich weiß nicht, wie ihr groß geworden seid, als ich groß geworden bin, war Chor eher so ein bisschen nicht hip, viele Chöre wurden beendet und das hatte im Einzelfall vielleicht auch Berechtigung. Stattdessen kam dann in den 90er Jahren sozusagen die Band auf die Bühne eben mit diesen paar Frontsängern und das war im Prinzip ja wie die neue Kultur. Ich möchte wirklich ein Plädoyer noch mal halten für Chorsingen. Es lohnt sich mit einzustimmen in diesen Gesang, in diesen mehrdimensionalen Gesang auch, weil jeder mitmachen kann. Es geht um Partizipation, also es geht darum, dass jeder wirklich sich singend beteiligen kann und es ist glaube ich gerade wichtig für unsere Gottesdienste, weil wir uns dabei mit uns selbst verbinden, mit unserem Körper, auf allen Ebenen mit unseren Sinnen, mit der Gemeinschaft, in der wir sind, sozusagen mit der Welt, weil wir nicht nur Glauben ausdrücken, sondern auch etwas passiert mit

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unserem Glauben durch das Singen. Also wir werden verändert, weil Singen Beziehungsgeschehen ist. Wir stimmen ein in den Lobreis des drei Einigen Gottes und weil wir dabei auch zum Gefäß werden für den Heiligen Geist und von ihm angestimmt werden. Und ja, so ein bisschen mein spezielle Vorliebe dabei ist wirklich auch noch mal deutlich zu machen. Ich glaube, es liegt eine ganz große Kraft speziell in dem, was Gospelchörer uns vormachen. Zum einen inhaltlich, weil die Wurzeln des Gospels sind einfach Themen, die in unserer modernen christlichen Musikszene nicht mehr so vorkommen. Es geht hier um soziale Ungerechtigkeit, um Leid, um Unterdrückung. Das sind alles vernachlässigte Themen in der modernen Musik. Das sind die Wurzeln vom Gospel. Gospel lebt ganz stark vom improvisierenden Element, musikalisch gesprochen. Also es ist ein spontanes Reagieren

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auf das, was geschieht, zum Beispiel in einem Gottesdienst. Es geht um Call and Response. Das ist ein wichtiges Element im Gospel. Also die Gemeinde singt sozusagen antwortend auf das sich offenbarende Wort. Und es geht ganz stark um Körperlichkeit. Also Gospel ist Dynamik. Es geht nicht ohne Bewegung. Es ist Rhythm, es ist Group, es ist Rhythmus, es ist Energie. Es geht um Tanz und Bewegung und Spontaneität. Und das sind alles Elemente, die ich oft vermisse in unseren Gottesdiensten. Was hat es mit mir zu tun, mit uns? Wenn ihr jetzt, wenn du jetzt denkst, das hat mit meiner Realität nicht so viel zu tun, wo soll ich anfangen? Dann würde ich sagen, fang doch einfach an zu singen. Und überlass es nicht den Profis, überlass es nicht denen, die es gut können, sondern trau dich und fang an zu singen. Es tut dir gut und es tut der Gemeinschaft gut. Wie wir das gestern schon gehört haben, entfalte dich. Entfaltung kommt vor der Beschneidung. Also bevor du dich selbst kritisiert und sagst, es klingt nicht gut, entfalte dich erstmal. Es braucht viel

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Übung, bis Musik gut klingt, aber es lohnt sich. Und wenn es schwierig ist in den Gottesdiensten und du Verantwortung hast, dann setz dich dafür ein, dass Menschen ausgebildet werden und dort an die richtige Stelle kommen. Es braucht theologische Reflexion zusammen mit musikalischem Können. Und Jochen Arnold fasst es so zusammen. Eine Gesellschaft ohne hauptamtliche Musikerinnen und Musiker ist kulturgeschichtlich eine Unmöglichkeit. Also auch hier kann man was tun und Menschen an die richtige Stelle holen, damit wir wirklich herangeführt werden an die Art und Weise, wieder so zu singen, dass viele daran teilhaben können, gerade in unseren Kirchen und Gottesdiensten. In diesem Sinne, bring den Klangkörper deiner Gemeinde neu zum Klingen. Es lohnt sich. An der Stelle wird ein Chorlied gut passen, aber ich habe so ein Gospel mitgebracht. Den spielen wir noch zum Schluss, einfach weil es Freude macht, uns zumindest. While turning through this world of hope, if there's no sickness, toil or danger in that bright land to which I go.

59:58
I'm going there to see my father. I'm going there no more to roam. I'm only going over Jordan. I'm only going over home. I know dark clouds will gather on me. And oh my way, my way is rough and steep.

60:41
Yeah, beautiful fields lie just before me. And God's redeemed their vigil scheme. I'm going there to see my father. I'm going there no more to roam. I'm only going over Jordan.

61:16
I'm only going over home. I'm going there to see my savior. I'm going there no more to roam. I'm only going over Jordan. I'm only going over home. I'm only going over home.

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Körper, Musik und Seele | 13.11.2

Worthaus Sommercamp 2023 – Volkenroda: 7. August 2023 von Susanne Hagen

Musik ist Bewegung und Energie, Wissenschaft und Hobby, Entspannung und Anstrengung, Musik zu machen, ob mit Instrument oder Stimmbändern, ist ein komplettes Workout. Für Seele und Körper. Musik ist alles mögliche und vor allem das, was man selbst will.
Was Musik alles ist, was sie im Körper bewirkt und in der Seele entfacht, das erklärt Susanne Hagen, Pianistin und Sängerin. Und zeigt es auch gleich am Klavier, begleitet von Andreas Wäldele an Violine und Mandoline. Auf eine besondere Form der Musik geht Hagen im zweiten Teil des Vortrags ein: das Singen. Denn wir alle tragen bereits ein Instrument in uns. Singen, ob man nun glaubt, es zu können, oder nicht, macht glücklicher, schlauer und gesünder. Umso schlimmer, dass immer weniger gesungen wird, findet Hagen und ermutigt nicht nur ihr Publikum, die eigene Stimme einzusetzen.