Thema des heutigen Vortrags ist Glaube und Gefühl. Und ich sag's gleich dazu, ich mach das sehr speziell, aber irgendwie auch naheliegend. Das ist ein Vortrag über Schleiermacher Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und jetzt kein Gesamtüberblick, sondern vor allem konzentriert auf seine Reden über die Religion von 1799. Ich hatte schon lange große Lust über Schleiermacher was zu machen, habe nicht viel mit ihm beschäftigt. Er ist jetzt schon einer, den man in die Reihe stellen muss von Leuten wie Calvin und Luther, Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer, Tillich und da ist er schon wirklich von dieser Bedeutung der Genannten absolut. Er ist gleichzeitig ein bisschen
weniger leicht zugänglich, weil er sehr intensiv im Gespräch mit seiner Zeit steht. Das ist was sehr schönes und das ist super, dass man das tut. Aber wenn die Zeit paar hundert Jahre her ist, muss man manchmal gucken, dass man da irgendwie wieder weiß, was er getrieben hat. Von Schleiermacher stammt ein theologischer Ansatz, der sagt, Gefühle sind nicht nur so ein Epiphenomen oder irgendwas, was wir mit uns rumtragen, irgendwas am besten ignorieren oder beherrschen, sondern er konnte sagen, ja Gefühle sind wesentlich für den Glauben. Frömmigkeit ist letztlich eine Bestimmtheit des Gefühls. So, Gefühle stehen im Zentrum des Glaubens und nicht irgendwo am Rand. Sie sind nicht gefährlich oder problematisch, sondern sie sind absolut grundlegend. Und damit werden wir uns
heute beschäftigen. Wir werden auch am Rande sehen, wie eng Gefühle verknüpft sind mit Sinnlichkeit und Wahrnehmung. Das betont er ausdrücklich, so dass das im Grunde immer miteinander verzahnt ist. Gefühle entstehen nicht einfach so. Sie ploppen nicht einfach irgendwie auf. Man sitzt am Tisch und sagt, ich bin gerade restlos begeistert. Man sieht was, man hört was, es berührt einen etwas. Gefühle sind immer wahrnehmungsbasiert getragen und ohne Körper fühlt man sich nicht. Man hat ja manchmal so diese künstliche Intelligenz. Man kann ja mal einen Schrecken kriegen, ist mein Job sicher? So, also Quatscher bei Worthaus, wie lange brauchst noch Menschen? Wann wird es einfach günstiger und praktischer zu sagen, komm lass irgendeine
Kaida labern, was brauchst dich noch, Alteisen oder so? Ja, und der letzte Widerstand der Menschheit, so ist ja im Moment schon ein bisschen zu sagen, also dass wir einen Körper haben und Gefühle unterscheidet uns von der KI. Wir wissen teilweise auch nachteilig, man schläft ein und so, ist nicht 24-7 abrufbar, aber auch positiv. Unsere leibhafte, gefühlige, wahrnehmungsbasierte Existenz entdeckt mehr Aspekte des Lebens, auch der Wahrheit und auch Gottes, als reine, informationsbetriebene Intelligenz es je können wird. So, jetzt haben wir es ein bisschen eingeordnet ins große, ganze Gefühl und jetzt steigen wir aber ein Schleiermacher, der ist interessant, unspannt genug, wartet es nur ab. Ihr habt ungefähr einen Zeithorizont, er wird 1768
geboren, stirbt 1834, war ja vielleicht auch die geilste Zeit, um auf der Welt zu sein, wenn man so ein bisschen überlegt und so, man ist Kind, man hört erst einmal von Goethe, man lernt lesen, Schiller ist im Theater, man muss sich nicht später in der Schule künstlich quälen, wo man die Sprache nicht mehr versteht, man ist live dabei, man kann sie sehen, man kann sie anfassen, in Frankreich wird Weltgeschichte geschrieben, Demokratie wird erfunden, Könige werden geköpft, Hoppla, es ist Action. Napoleon, schlimmer Finger, aber irgendwie auch spannender Typ, wirklich alles reizvoll. So, und jetzt will ich gar nicht bis zum Ende erzählen, irgendwann sind wir dann bei den Brüder Grimm und Brüder Humboldt und dann ist Zeit zum Sterben, 1834, also im Grunde schon wieder eine neue Epoche, beginnt vor März, war für ihn genug, war auch viel passiert, er hatte viel erlebt. Zoomen wir ein bisschen ran, ein spannendes Lebenswerk, Lebenslauf. Sein Vater war,
ja, Pfarrer, so jemand, der durchaus eine spannende, bunte Familie hatte, reformiert, ja, so, das war ja durch Konversion des Königtums Preußen zu den Reformierten im 17. Jahrhundert auch angelegt, durchaus auch so in Deutschland im Norden, in der Mitte war Minderheit, aber gab es auch, es gab in der Familie durchaus sogenannte Schwärmer, Pietisten, Radikale, aber ja auch ganz normal, kirchliches Spektrum, aufgeklärt oder orthodox. So, und nun war es in der Familie so, der Vater erlebte dann als Pfarrer eine Pietistische Bekehrung im Herrnhuter Umfeld. Graf Zinzendorf ist eine sehr, sehr spannende Figur, vielleicht hat man mal gehört, die Herrnhuter Losungen oder der Herrnhuter Stern, das ist so das, worauf man so ungefähr noch setzen kann,
so, dass Leute sagen, Zinzendorf, ich lese ihn jeden Abend, ist selten geworden und so, ein paar Lieder gibt es vielleicht, wo man was weiß, aber das ist natürlich eine sehr, sehr spannende Erweckungs- und Reformbewegung des 18. Jahrhunderts, Zinzendorf stirbt 1760, aber Bischof Spangenberg, eine tolle Figur, also hat Substanz, ist, sage ich mal, substanzieller, charmanter Pietismus, immer aber auch so mit einer kleinen Neigung ab und zu durchzudrehen. So, und es gibt aber eine Tendenz, dass sie so ihre erweckliche Offenheit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mehr und mehr Richtung einer frommen Abschließung gegenüber der Welt verschieben. Also ich sage mal, der Vater bekehrt sich zum Herrnhuter Pietismus, als der vielleicht seine allerschönsten Jahre auch ein bisschen hinter sich hatte, aber es war schon auch noch viel Kraft und Wärme und ähnliches da. Ja,
und dann geht man all in, wenn man sich bekehrt hat zu Jesus und zu Bibel, dann denkt man, gibt doch für die Familie auch nichts Besseres und so. Der kleine Friedrich wird auf eine Herrnhuter-Schule gebracht, das Pädagogium Nieski, so und erlebt da eine Herrnhuter-Pietistische Schule mit sehr viel Gebet, mit sehr viel Singen, die sangen sehr gern, dichteten, reimten so und lernten sich ein bisschen vor der Welt gruseln. Da war was ausgebrochen, Aufklärung sagten manche, man wusste es nicht so, man sagte, die Eliten drehen alle durch und so, die wollen uns alle hier woke machen, so na da halten wir Abstand, das brauchen wir nicht, wir bleiben beim Herrn und so. Das war die Schule, in der er war und es fand auch wirklich Anklang bei ihm, so er singt mit, er betet mit, er liebt Jesus, so dass er sich dann als Jüngling entscheidet, ein Studium aufzunehmen an der
Brüderunität in Barbie, Richtung Magdeburg, alles keine großen Städte, die waren gerne abseits, so Berlin, oh Gott, oh Gott und so, der Graf durfte da mal predigen oder so, aber man halte sich fern, ist nicht gut in Berlin, war gar nicht gut, so viel komisches und so. So und er wollte ja Prediger werden für die Herrnhuter Gemeinden, das war so sein Ziel, also stellt euch heute eine Karriere vor, fromme Familie und so die frisch Bekehrten, meinst du ja auch so super ernst und auch wirklich für den Nachwuchs und man kommt dann eben auf irgendeine Georg-Müller-Schule oder irgendeine August-Hermann-Franke-Schule und das ist nett genug, dass man begeistert ist danach zu studieren, Bibelseminar Bonn oder Brake oder irgendwie, wo man so unter sich bleibt und das so weitergeht, wie man das aus der Schule kennt, das war Schleiermacher Weg, bisschen zurück übersetzt,
so von 250 Jahren und mit der Zeit spätestens in Barbie im Studium gerät der junge Schleiermacher in Schwierigkeiten, sind unterschiedliche Schwierigkeiten, zum einen ist es so, in frommen Gemeinschaften muss man sich immer irgendwie auch fühlen, ist wichtig und er konnte sich irgendwie auch fühlen und er war da sehr bei, so, aber es gab immer so, man muss sich schon richtig fühlen, so man muss bei bestimmten Liedern auch tiefe Freude spüren, wenn die nicht da ist, hat man vielleicht gesündigt oder so, müsste man mal sprechen in der Seelsorge, weil alle freuen sich sehr tief, auch am Tisch des Herrn, sehr tief freut man sich und man weint auch, wenn die Leiden des Herrn beschrieben werden, da weint man und ansonsten hat man den Ernst der Sünde vielleicht nicht ganz oder so, man hat den Scherzgeist statt Heiligengeist, muss man aufpassen,
geht viel um, man fängt sich was ein und Schleiermacher wollte sich richtig fühlen, er kannte auch diese Gefühle, aber manchmal merkte er war so kurz raus oder so und sah die alle begeistert oder ergriffen und so, ist nicht so einfach, ja dann, man soll Glaubens lehren und dann wurde das alles besprochen, dass Christus also ganz wirklich auch Gott ist, von Ewigkeit wahrer Gott, auch wahrer Mensch, das passt zusammen, Glaube ist fest, du hast Zweifel, bete mehr und für uns gestorben, stellvertretend, stellvertretend erlitten den Zorn über die Sünde, stellvertretendes Strafleiden, darum das Blut als Süne für unsere Sünden, das ist die Wahrheit, die höchste Wahrheit, die tiefste Wahrheit und Schleiermacher sagte, ich glaube und es rührt mich auch manchmal und ich komme mit den
Formeln nicht klar, ich komme da irgendwie nicht rein, ich habe Fragen, er stellte seinen Lehrern die Fragen und so, die sagten, ja, es sind Geheimnisse des Glaubens, die halten wir für wahr, wir zergrübeln sie nicht, denn verstehen kann man sie nur im Heiligen Geist, so ohne den Geist Gottes kannst du es nicht verstehen, so du musst im Gehorsam diese Wahrheiten annehmen, dich dafür öffnen und sie werden durch Beten und Weinen tiefer ergriffen als durch Lesen und Spekulieren. Es kam ihm ein bisschen unbefriedigend vor und so, er schrieb seinem Vater, er sagte, ja, Vater, danke, dass ich hier studieren darf und du hast mich dem Heiland vertraut gemacht und ich bin auch dankbar und bin glücklich und bin auf dem Weg, du bist ein reifer Mann, du weißt es selbst, kein Weg des Glaubens ist ohne Anfechtung und auch ich in meiner Jugend spüre manchmal auch Fragen und befehle
mich auch deinem väterlichen Gebet an und so, schrieb erstmal ganz nett, der Vater schreibt nur halb so nett zurück und sagt, ja, aber gefährliche Sache, drehen gerade viele durch und so, pass auf, nichts Falsches lesen, nichts Falsches hören, nicht irgendwie bekloppt machen lassen, vertrau dich deinen Lehrern an, halte dich am Kreuz fest, ja, wir kennen alle Stürme und so, aber da gehen wir auch nicht leichtfertig mit um, dein Tonfall war, so und Schleiermacher kriegt den Brief, ja, mach dich Sorgen, ein bisschen zu spät ist es bereits, er hatte so eine Gang irgendwie, so ein paar Jungstern, die so heimlich geflüstert haben, sag mal, ist das ein bisschen eng hier vielleicht, darf man das so sagen, also gibt auch vielleicht was anderes und das Unausdenkliche geschah, Bücher wurden reingeschmuggelt in die Brüderunität, aufgeklärte Bücher, religionskritische Bücher, die las man, erstmal sagte man, ja, wir müssen auch offen glauben können, wir widerlegen das,
aber verdammt, das war klug, man bekam Fragen und so, jetzt war man gerüstet, man fragte die Lehrer, die waren erschrocken, sie merkten, da ist was eingebrochen, was Schlimmes, so und damals war tatsächlich noch so Prinzip Giftschrank, also die Schlimmbücher, gab es im Lehrerzimmer abgeschlossen, nur die Lehrpersonen durften daran und es war die Standardempfehlung, nichts Fremdes lesen, nichts was verwirrt, nichts was Zweifel sät, es ist Gift, es ist gefährlich, tut es nicht, diese Aufklärung, das was da draußen grassiert, das führt weg vom Herrn, so und ihr werdet es ewig bereuen, einmal falsche Buch gelesen, falscher Podcast gehört, ah ne, gab es nicht, man kennt das, so, Vorsicht, Vorsicht, so und aber es war zu spät, Schleiermacher hatte aus Versehen zu viel gelesen und zu viele Gedanken inzwischen, er schrieb seinem Vater und er merkte, das ist jetzt eine heikle Mission
und er sagte, Vater, ich glaube und ich bin für den Weg dankbar und habe viel Gutes mitgenommen, aber ich komme hier nicht mehr klar, weil ich habe Fragen, die mir nicht beantwortet werden können hier, ich habe mir viele Gedanken gemacht, ich habe gelesen und so und ich merke einfach, ich komme hier nicht weiter und es sind bestimmte Lehren, Gottheit Christi und stellvertretende Strafleiden, ich verstehe es nicht, ich merke im Grunde, es ist nicht etwas, was ich durchdringe und begreife und innerlich bejahen kann, so und ich müsste diese Sachen in Freiheit durchdenken, um sie verstehen zu können, aber nicht unter diesem ständigen Druck, ich weiß, Vater, es wird dich schmerzhaft und ich möchte dich daher bitten, mich hier vom Seminar wegnehmen, du siehst ja ein, ich schade vielleicht auch anderen, so ist es vielleicht für andere auch gefährlich oder so und sicher möchtest du nicht, dass ich in meinem jetzigen Zustand Prediger werde für die Herrnhuter, das wäre ja auch schade
und würde dich bitten, also Halle hat eine Universität, ich weiß, ist aufgeklärt, ich kenne deine Gedanken dazu, aber unser Onkel, über den wir früher immer als Liberalen gelästert haben, Onkel Stubenrauch und so, da geht vielleicht was, der wird mich begleiten, ich würd auch nicht ins geistliche Amt, hab keine Angst, ich möchte ja keinem schaden oder so, aber vielleicht für einen Lehrberuf oder sonst wie und Vater, fällt mir nicht leicht zu schreiben, aber bitte, bitte, entzieh mir nicht deinen Segen, auch die finanzielle Unterstützung nicht und so, ja, man ist natürlich nach so einem Brief ein bisschen gespannt oder so, wenn drei Wochen nichts kommt, ja, macht das das Leben nicht leichter, er fragt nochmal, ah, irgendwann kommt was, oh, kein schöner Brief, kein schöner Brief, also der Vater ist not amused, so und sagt, wenn du nicht mehr mit mir zusammen dem himmlischen Vater anbetest,
wie soll ich dann dein Vater auf Erden sein können, du hast dich abgewandt von Jesus, du hast dein Blut mit Füßen getreten, du hast alles verraten, was wir dir weitergegeben haben, du bist eine Schande, du bist abgefallen, das ist eine Katastrophe und ich will das eigentlich überhaupt null unterstützen, also ein harscher, umschöner Brief, alles viel vornehmer, ich hab das jetzt so ein bisschen übersetzt in die gefühlte inhaltliche Richtung, wie man es heute so sagen würde, aber es ist ein Bruch, so ein geistlicher Bruch, ein menschlicher Bruch, ein persönlicher Bruch, die auch nie wieder zusammenkommen, sehen sich nie wieder, Schleiermacher konnte für sich sagen, dass er sich dem Vater trotzdem immer verbunden wusste, weil er als Kind seine väterliche Liebe erfahren hatte und immer geglaubt hatte, dass sie ihm bis zum Ende umfingen, aber man kam auch nicht mehr zusammen, weil das für den Vater zu schlimm war, dass der Sohn ein Gottloser geworden war, ein Heide, so wirklich abgefallen.
Ja, aber am Ende der Onkel sagt auch ein Wort, der ist der Professor in Halle sogar und viele fallen vom Glauben ab, was willst du machen und so, man findet ein Agreement, er zieht nach Halle und startet durch und liest das ganze Zeug, er liest die ganze Aufklärung, er liest Kant, er verarbeitet das, binnen Monate ist er komplett durchdacht auf einem Standpunkt der Aufklärung, er liest die ganz heißen, verbotenen Sachen und das ist bis heute manchmal spannend, also Menschen, die auf das Extrem rauskommen und in Bewegung raten, machen selten Stopp an der übernächsten Haltestelle, oder pendeln sich selten ein so auf konservative Mitte oder so, also wenn du richtig Schwung hast, dann ziehst du es durch, dann gibt es keine Grenze mehr. Damals war Spinoza so das ganz verbotene Zeug, das wo selbst die, die Giftschränke hatten, Angst vor hatten, weil da sagte man, Jude 17. Jahrhundert, der hat gar nichts mehr geglaubt, gibt ja einen Bordhausvortrag Spinoza und so,
da hat er sich reingestürzt und das war damals, er wurde wiederentdeckt, so Goethezeit, viele sagen, das Allergeilste ist eigentlich Spinoza, Lessing ließ das heimlich, ist da völlig begeistert worden, Schleiermacher auch, in der Tat, er marschiert wirklich durch zu, ja ohne Gott, Leben ohne Gott, Aufklärung, wirklich bis ihm alles verschwindet, so, da ist er da. Und es ist dann, jetzt haben wir 90er Jahre, 1790er Jahre, es ist glaube ich das spannendste intellektuelle, geistliche Jahrzehnt, vielleicht der Menschheitsgeschichte, ich weiß es nicht, es ist ja schon grandios, weil wir mehrere riesige Gipfel nebeneinander sich auftürmen sehen, also Mozart macht irgendwo Sie, Goethe und Schiller sind auf dem Höhepunkt, die jungen Wilden, romantische Schule entsteht.
Kant schreibt immer noch, die ersten verstehen jetzt, was er mit seinen Kritiken wollte, Fichte, Schelling, Hegel, alle geben Gas, gleichzeitig Französische Revolution, Voltaire Russoviet es geht, Amerikanische Revolution, es ist ein Feuerwerk, also es war eine Lust zu leben auch für Schleiermacher und jetzt hatte er das besonders spezielle Vergnügen, dass er diese Romantiker nicht jetzt so in irgendeiner Monographie las und sagt, das sind ja interessante Typen, schade, kann man nicht mehr kennenlernen. Er lernt sie nicht nur kennen, er gründet mit Friedrich Schlegel eine WG. Friedrich Schlegel ist einer der heißesten und interessantesten Typen, die die deutsche Geistesgeschichte je gesehen haben. Frühromantik als Philosoph, als Schriftsteller herausragende Figur, erfindet nebenbei auch sowas wie die romantische Liebesidee.
Es gibt viele Bücher, wenn ihr guckt romantische Schule Schlegel gibt es tolle Sachen über Jena, über Berlin, über diese ganzen Dinge und Schleiermacher lernt sie auch alle ausführlich kennen, ist da mit bei. Und so ein romantisches Leben, man wird ein bisschen neidisch, man steht halt irgendwie mittags auf, weil die Nacht war lang, dann studiert man so ein bisschen, man muss ein bisschen was machen, Nachmittag irgendwie lesen und so weiter und abends kommt man im Salon zusammen und dann Party bis in den frühen Morgen. Aber Party war nicht irgendwie Bass an der... schon geilere Party. Also irgendjemand trägt seinen neuesten Roman vor, dann Musik, dann wird miteinander getanzt, bisschen geschmust vielleicht, aber nicht übertreiben, es ist 1794. Dann wieder Zeit für Lyrik, Menschen haben Gedichte geschrieben, oh ein neuer Brief von Goethe ist öffentlich, liest vor, dann wird das gemacht, dann Zeit Literaturkritik, Atheneum, man unterhält sich, diskutiert, dann wieder Musik.
Bisschen tanzen, bisschen chillen, der Wein fließt, irgendwann wird's hell, ab ins Bett, bis morgen Nachmittag. Schon ganz schön so, da könnte man sich dran gewöhnen. Man ahnt, das ist kein Lebensstil, es sind im Grunde wenige Jahre, wo man so existiert, aber Schleiermacher ist mittendrin. Ja, zweite Hälfte seiner 20er Jahre. Dann witziges Ding, alle haben fantastische Sachen am Laufen, hauen Dinge raus und sie wissen aus vielen Gesprächen, Schleiermacher, dieser verschlagene Fritz, der hat's drauf, der hat was hinter den Ohren, der lebt da drin. Und die sagen ihm irgendwann, hier Schleier, wo ist dein erstes Buch, warum schreibst du nicht, du redest fantastisch, ist toll mit dir, du gehörst irgendwie auch zu uns, schon gut, aber du musst jetzt mal ein Buch machen. Und dann zwingen sie ihm und sagen, du bist 29, wenn du 30 bist, hast du dein erstes Buch in der Hand und du liest hier vor. Ansonsten, wir wissen, sofort vertrieben, aber der Respekt würde schmilzen.
Ja, und Schleiermacher denkt auch, ich bin 29, man könnte mal was wuppen irgendwie, irgendwie könnte man langsam anfangen, 29 war damals was, heute 38 ist, man denkt, man müsste jetzt eine Spur finden, irgendwas müsste man mal vielleicht seriös und so. Er setzt sich hin und schreibt über die Religion, denn das Interessante ist nun, ein paar Jahre vorher, Schleiermacher war im Grunde an dem Punkt, wo er alles losgelassen hat. Dekonstruktion, finished, vollendet, Haken dran, hatte eine fromme Jugend, shit happens, aber Leben geht weiter und Leben ist fantastisch. Und jetzt war er mittendrin und vom Nullpunkt her kamen ihm immer wieder Sachen, bisschen geil war, glaube ich schon, es war was dran und es fehlt vielleicht auch.
Und das Leben komplett oben ohne, das Leben ohne Transzendenz und ohne Tiefe hat hier vielleicht und da und so, er wird frömer, er wird religiöser, er beschreibt das so, dass es im Grunde wieder kam, im Rückblick sagt er, es gab eine Phase, da war ich ohne Gott. Und trotzdem, ich war nicht ohne Religion, ich war nicht ohne Religion, ich hatte mich von allem losgelassen, aber es hat mich wieder eingeholt, es hat mich wieder ergriffen, ich wurde wieder reingezogen in das Ganze und 98 bis 99 schreibt er sein Buch Reden über die Religion. Er wird damals, ja schlägt ein, berühmt in den Kreisen, alle lesen es, inklusive Goethe, Goethe war immer der Hausgott, der war immer nochmal seine ganz eigene Liga, das fanden alle zu spannend, Goethe ließ sich auch gerne feiern von den ganzen jungen, interessanten Menschen und so, zu Hause war es ja auch manchmal anstrengend und so, ach blöde Arbeit, Ministerium ist ja alles Mist und so, er ließ sich gern in Jena feiern so und selbst Goethe las das, alle beschäftigen sich damit.
Alle fanden es irgendwie wichtig, manchen war es dann zu religiös oder gerade richtig, Novalis zum Beispiel fand es ganz fantastisch, die waren auch da, very close, Novalis starb dann auch sofort, schade und so, aber so. Das weitere Leben Schleiermachers machen wir jetzt in 60 Sekunden, jetzt kommen diese ganzen napoleonischen Kriege, das ist ja auch alles sehr anstrengend, man muss irgendwie gucken und so, sich ein bisschen verstecken, man wird in Halle Professor, ach sofort alles Preußen kollabiert, man muss sich da irgendwie verstecken, Ostpreußen, man kommt zurück, so Neugründung Preußens Gründung der Berliner Universität, Schleiermacher ist anerkannt als einer der allergrößten und wichtigsten.
Ist da neben Fichte von Anfang an in der Universität dabei, ist dann die nächsten 20, 25 Jahre Professor in Berlin, da auch führender Repräsentant der Reformierten oder der Evangelischen, wird zunehmend fremd seiner Zeit, die ja immer reaktionärer und konservativer wird. So, das ist ja Zeit der Restauration, so schreibt große Werke, die Glaubenslehre vor allem Dingen, ich könnte jetzt viele weitere Werke aufzählen, aber die Glaubenslehre am 18.22.1830 ist die bedeutendste christliche Dogmatik, jetzt sagen wir mal zwischen Calwins Institutium und Karl Batskechlicher Dogmatik. Es gibt davor und danach keine Konkurrenz, ist so. So und dann ist er tot. Wir gucken jetzt näher rein und werden uns die Reden 1799 ein bisschen anschauen, ich gebe erstmal einen Gesamtüberblick, dass man so den Aufbau daran hat und dann werde ich Gefühle wieder näher in den Fokus nehmen.
Reden, die ganzen Leute, die gehen alle nicht zur Kirche, also es ist hier dieser romantische, wilde Kreis für den er das macht und er sagt von Anfang an, meine Sprache soll mich nicht verraten, ich rede über Religion, aber in einer Sprache, die ihr so noch nicht gehört habt, ich werde keinen Kirchenslavisch verwenden und nicht die Sprache Karnans brauchen, es wird nicht irgendwie liturgisch klingen, nicht so Triggerwörter, die einen so mitten in den Kopf bringen. Ich werde nicht müde werden lassen und so, nein, ich werde mit heutigen Worten darüber sprechen. Das ist von Anfang an das Versprechen, das als jemand, der Theologie aber kennt durch und durch und der später das alles auch durcharbeiten wird. Darum macht er Reden, diese Reden, naja, basierend auf dieser schlichten Idee erstmal vorzulesen. Es ist wirklich so als fünf Reden eben auch darin, nicht dogmatische Formen, keine Abhandlung, sondern Gespräch. Untertitel reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern.
So, er setzt im Grunde voraus, viele Menschen verachten heute Religion. 1799, wenn man über Berlin Zeitgenössisches hört, sagen, gibt es Quellen, die sagen, die Kirchen waren leer und zu Recht, die Theater waren voll und auch zu Recht, das war die Situation. Es gab damals so ein Grundgefühl, die Religion stirbt. Das dauert nicht mehr lange, das bricht alles zusammen und so. Es gab damals ja übrigens auch noch gar keine Mitgliedszahlen, weil es gehörten einfach alle mehr oder weniger dazu irgendwie, aber es wurde gar nicht gezählt. Man sah einfach nur, wer kommt. Das war fast keiner. Und das war so der allgemeine Eindruck, geht zu Ende. So, und in gebildeten Kreisen war es üblich, darauf herabzublicken und Schleiermacher möchte aber die Gebildeten nicht als Problem anvisieren, sondern sagen, gerade ihr, die gebildet seid, es ist eine kleine Schande, dass ihr über Religion noch einfach nicht viel Ahnung habt.
Und er sagt das nicht so frech, aber er lässt das so durchblicken nach und nach und sagt, ich glaube, ihr habt gar nicht so richtig vor Augen, was ihr verachtet. Die Reden sind ihrer fünft. Erste Rede hat die Überschrift Apologie. Apologie wäre damals, wie heute ehrlich gesagt, auch wenn nicht, so ein Trägerwort, dass dir da jemand was beiwägen will, aber mit ganz schlechten Argumenten. Und das war üblich damals. Apologie hieß Verteidigung des christlichen Glaubens. Und da sahen sich viele berufen gegen Aufklärung und Anfänge des Idealismus, sonst wie das klassische Christentum zu verteidigen. Und Schleiermacher sagt von Anfang an, wenn ihr jetzt eine Aufklärung in alter Apologie, in alter Art befürchtet, habt keine Angst, die kommt gar nicht.
Ich stehe genau wie ihr auf dem Boden dieser modernen Umwälzung. So das, was wir gegenwärtig erleben, Freisetzung der Wissenschaften, Freiheit der Kunst, freies Nachdenken. Mensch wird in seinem Wert und seiner Würde entdeckt. Politik regt sich, lauter freiere Gedanken sind alles da. Das teile ich. Ich stehe auf eurer Seite. Ich bin nicht gegen die Aufklärung. Ich glaube, dass diese Aufklärung, das Streben nach Befreiung des Denkens, des Handelns, des Menschen, der Kunst und so weiter, dass das notwendig ist. Und vor allem befürchtet jetzt nicht, dass ich euch die Religion schmackhaft machen möchte, indem ich ihre Nützlichkeit erweise. Ich werde nicht anfangen, euch zu erklären, ja, aber ohne Religion macht ja jeder, was er will. Ohne Religion ist der Staat ja im Grunde gar nicht mehr abgesichert in der Autorität Gottes.
Ohne Religion, ja, die Ehen werden alle zusammenbrechen. Warum soll man sich überhaupt noch irgendwie treu sein, wenn kein Gott einen straft? Ohne die Religion, Chaos. Ihr müsst schon religiös bleiben, ansonsten wird euer Leben nichts. Schleiermacher sagt, das ist peinlich, das geht gar nicht so. Wenn wir die Religion nur halten und pflegen, weil sie halt irgendwie nützlich ist, dass die Kinder in der Schule noch gehorchen und so, also dann ist es Quatsch. Nein, im Gegenteil, wir haben eine Zeit erlebt, wo immer mehr geistige Strömungen selbstständig werden. So, dass die Wissenschaft, die Kunst, die Politik und es geht im Grunde darum, dass auch die Religion anerkannt wird als eine eigene Provinz im Gemüt, ein eigenes, selbstständiges Gebilde, das man nicht hat oder sich gönnt, weil es nützlich ist für die anderen, sondern es ist um seiner Selbstwillen interessant, faszinierend und auch etwas, was zum Leben gehört.
Erste Rede Apologie. Zweite Rede über das Wesen der Religion, das ist mit Abstand die längste, da werde ich gleich am längsten auch verbleiben. Ich nenne einfach nur mal ein paar Hauptpunkte, dass man sie jetzt schon so gehört hat als roten Faden. Zentrale These ist, was ist Religion? Religion ist weder Moral noch Metaphysik. So, er sieht in seiner Zeit viele, die Religion entweder zu einer Weltanschauung machen, nehmen wir ein heutiges Wort, eine Weltanschauung, so wo Gott am Anfang und die Entstehung des Universums und wenn du das nicht denkst, kannst du das nicht begreifen und so ist eine Weltanschauung, ist eine Metaphysik, ist ein Denksystem. Schleiermacher sagt nein. Religion ist nicht Metaphysik und alle Versuche, Religion, Gott, Glaube im Sinne einer vernünftigen Weltanschauung zu begründen, herzuleiten, abzusichern, scheitern,
und das Weite, Religion ist auch nicht Moral. Religion ist nicht der Inbegriff von Dies, Tu, Dies, Lass, so lebt man richtig, das sagt man nicht, das ist ganz schlimm, das vielleicht und so. Religion ist das nicht. Religion ist was Eigenes. Religion sind weder Benimmregeln noch Denkgesetze. Was ist es dann? Religion ist weder Denken noch Handeln, sondern Anschauen und Gefühl, Sinn und Geschmack für das Unendliche. Anschauen und Gefühl, Sinn und Geschmack für das Unendliche, wir kommen darauf zurück. Die dritte Rede funktioniert so, über die Bildung zur Religion. Schleiermacher sagt, ich habe bis jetzt so getan, als sei Religion eine menschliche Anlage, etwas, was zu Menschen gehört, etwas, was jeder hat.
Das ist der Sache auch nach auch so. Das heißt aber nicht, dass alle religiös sind. Guckt euch um. Es ist etwas, ja, wir können es als Anlage nehmen. Die spannende Frage ist, wird sie entfaltet? Wird sie wachgeküsst? Findet sie solche Anregungen, dass sie auch tatsächlich entsteht? Schleiermacher sagt, es ist wie mit der Kunst. Menschen werden geboren mit einer Anlage zur künstlerischen Beschäftigung, genauso wie zur religiösen Bildung. Aber die Frage ist natürlich, trifft dieses Offensein für auf solche Anregungen, die das Ganze auch zustande bringen? Schleiermacher selbst sagt für seine Zeit, bei immer mehr Menschen verkümmert diese Anlage. Sie wird nie wachgeküsst, sie entsteht nicht. Es wird immer irgendwie weggebügelt, man ist abgelenkt, man ist zerstreut, es wird alles zergrübelt.
So und Bildung ist notwendig. Es gibt keine Religion ohne religiöse Bildung. Vierte Rede heißt über das Gesellige in der Religion. So, wo er sagt, Religion ist persönlich, individuell. Die ersten drei Reden liefen immer darauf hinaus. Aber Religion ist nicht individualistisch, im Sinne, dass man eine Privatreligion für sich hat. Niemand hat Religion ohne Anregung durch andere Menschen. Niemand würde irgendetwas in sich selbst als religiös identifizieren können, ohne eine religiöse Sprache, die von anderen gesprochen wird, die geteilt wird, die es überhaupt ermöglicht, religiöse Worte wie Gott und Erlösung und Glaube und all dies Wiedergeburt auf eigene Erfahrungszustände zu beziehen. Geselligkeit ist für ihn Grundbedingung des Religiösen. Und nebenbei sagt er, und es ist bei uns ein furchtbares Problem,
dass gerade im Protestantismus der König der oberste Religionschef ist, sodass der König so eine Art Sum Episcopos ist, so ein oberster Bischof. Ist eigentlich ein Skandal. Das ist ein furchtbarer Geburtsfehler des Protestantismus, dass er die Religion zu einer staatlichen, obrigkeitlichen Angelegenheit gemacht hat, wo wir staatlich verordnet religiös unterwiesen werden. Schleiermacher sagt, das muss getrennt werden. Es muss völlig getrennt werden. Wir müssen Religion und Staat, Kirche und Staat ganz klar voneinander trennen. Religion funktioniert nicht unter Zwang, unter Druck. Naja, funktioniert schon, aber wie? So, dass es eine Karikatur wird. Sehr viel Heuchelei, sehr viel Verdrehung. Religion lebt eigentlich von freier, wechselseitiger, geselliger Anregung.
Dass Menschen in freier Versammlung einander das Innerste offenbaren und sich wechselseitig in Schwingung versetzen, sich wechselseitig begeistern und anregen, das ist eigentlich das, was religiöse Gemeinschaft und Erfahrung ausmacht. Das witzige dabei ist, er kombiniert hier eigentlich zwei Lebenserfahrungen. Bei den Herrnhutern ist es ganz schlicht so. So eine Religion ist da immer wieder, auch du sitzt im Kreis und erzählst, was du mit Jesus erlebt hast. So und du regst dich an. Und das ist bei denen ja schon interessant, dass eben nicht immer nur der mit dem schwarzen Kleid auf alle anderen einredet, sondern die Menschen einander ihre Glaubenserfahrungen erzählen und einander so auch zum Glauben helfen. So und ja, der romantische Kreis funktionierte so. Die romantische Salonkultur betrieb das letztlich mit lauter künstlerischen Anregungen,
mit Musik, mit Gedichten, mit Romanen, auch mit Kritiken, auch mit Reflexionen. Und Schleiermacher nimmt diese beiden Erfahrungen zusammen und sagt, so müsste eigentlich Glaube funktionieren. Ohne Zwang, ohne Druck, ohne Noten, ohne Vorschrift, ohne drinnen und draußen, sondern ein offener Kreis, wo wir einander anregen. Fünfte Rede über die Religionen. Kommt ein Plot twist, wenn man so möchte. Bis dahin war sehr allgemein philosophisch, anthropologisch von Religion die Rede. So und Schleiermacher sagt, vielleicht hatte der eine oder andere das Gefühl, ich würde dem Stil der Aufklärung so etwas empfehlen wie die natürliche Religion. Also eine abstrakte allgemeine Religion, die vor allem eins ist, nicht kirchlich, nicht Kirche und auch nicht christlich. Und Schleiermacher sagt, ja, ich kenne euch. Ihr hättet maximal Bock auf religiöse Schwingungen und Resonanzen, solange das nicht konkret wird,
solange das nicht mit Jesus und Abendmahl und Christentum und Kirche, da kriegt ihr so gleich Beklemmungsgefühle und sagt, es wird zu eng und so. Also dieses kirchliche Christentum ist wie ein Fisch im Aquarium. Ich schwimme im unendlichen Ozean des Deins und ich kann das nicht. So ein Aquarium ist mir zu klein. Ich habe zu viel gelesen. Ich kam zu weit rum. Das Christentum ist mir zu eng geworden. So ein Schleiermachersthese ist, du täuscht dich. Es gibt keine allgemeine Religion. Religion ist immer konkret, hat immer einen Fixpunkt, hat immer eine zentrale Idee. So und am Ende erzählt er auf wenigen Seiten, was ist das Christentum und warum ist das Christentum die Religion der Religion, worin sich in Christus das spiegelt, was überall als Anlage da ist, warum wird es hier am tiefsten und umfassesten gebündelt.
Das war so der Punkt, wo Goethe und so gesagt haben, ah nee, jetzt wird er doch am Ende zum Priester, ich hatte Ahnung und so. Aber das war so der Stein des Anstoßes, das am Ende Rede 5, Christus und das Kreuz. Da wird alles noch mal gebündelt. So, ich möchte noch einmal ein wenig durchgehen und jetzt ab jetzt Gefühle. Warum Gefühle? Warum weder Denken und Handeln, sondern Anschauen und Gefühl? Warum ist das wichtig? Was ist daran besonders? Was macht diese zentrale Stellung der Gefühle bei Schleiermacher nötig? Gehen wir ruhig noch mal in Rede 1, dies ist dafür wichtig. Schleiermacher distanziert sich hier von den konservativen Abschottungs- und Rückzugsgefechten der unterschiedlichen orthodoxen pietistischen Schulen, auch eigene familiäre Prägung.
Man muss für die damalige Zeit übrigens auch wissen, Friedrich der Große ist tot, der alte Fritz 1788, wir haben jetzt Friedrich Wilhelm dem Zweiten, dem ist das alles viel zu weit gegangen. Wölnersches Religionsedikt, Skandale Skandale, also es war Backlash, ganze Aufklärung war too much und so, zu viel Wokeness, das war schlimm und so. Man sieht ja wo es hinführt bei den Franzosen, oh mein Gott, bei den Franzosen und so. Und in Preußen wird jetzt endlich mal wieder durchgegriffen. Es wird verboten, Religionskritik, Zottern gegen das Christentum, all das, also es ist im Grunde eine repressive Grundstimmung. Das hat für die jungen Wilden das Frechsein natürlich noch spannender gemacht, aber auch gefährlicher. Zum Beispiel Fichte, so ein bisschen so der intellektuelle Sonderling der ganzen Kiste, wurde wegen Archäismus des Amtes enttoben.
Er hat sich geweigert irgendwie Kompromisse, irgendwas mal zu sagen, was man selbst scheiße findet, aber mein Gott, man muss Geld verdienen und so. War Fichte zu doof? Zack, fache Arbeitslos. Musste man zusehen. Das ist die Hintergrundstimmung. Das heißt, Schleiermacher spricht hier nicht auf einer Woge der aufgeklärten, mainstreamigen, was weiß ich, Welle der modernen. Das ist ja immer auch Quatsch, ehrlich gesagt. Das waren ja damals, ja, Avantgarde. Das waren Leute, die voran gingen. Das waren Leute, die weit außerhalb dessen standen, was die Kirche ihrer Zeit und die Medien und der Staat und so weiter irgendwie verträglich empfangen. Also Rückblick wird so getan, ab 1770 waren alle aufgeklärt. Oh, wie komisch oder so. Das ist sehr weitgehend nicht der Fall. Und gerade in Deutschland wird die Stimmung ja immer feindseliger auch gegen die Aufklärung in den nächsten Jahrzehnten.
Insofern ist das Anti-Mainstream für seiner Zeit, das Schleiermacher sich sehr deutlich zur Aufklärung, zur Freiheit der Wissenschaft, der Forschung bekennt. So, und in diesem Zusammenhang sagt er, viele versuchen die Religion zu verteidigen durch Herabsetzung der modernen Bildung, durch Herabsetzung der Wissenschaft oder der Aufklärung. Sie versuchen die Religion notwendig dadurch zu erklären, dass sie sagen, ohne sie nur Chaos in der Politik überall. So, wenn wir nicht uns der Religion unterwerfen, geht alles quasi unter. Schleiermacher sagt dazu, wer die Religion so empfehlen will, muss nur die Verachtung vergrößern, der sie schon unterliegt. Und er nimmt Maß an den Kreisen, wo er sagt, die sind im Grunde, die machen Entdeckung, dass wir Zukunft haben.
Das ist jetzt nicht die Masse, das ist nicht die Mehrheit in seiner Zeit, überhaupt nicht. Aber Schleiermacher ist sich sicher, das was in diesen Kreisen hier gedacht wird, das wird sich auf Dauer durchsetzen, weil es im Grunde umfassender ist und nüchterner und mehr wahrnimmt und mehr integrieren kann. Wenn wir uns das in der damaligen Zeit anschauen, gab es ja unterschiedliche Versuche, das Christentum noch so oder anders zu retten. Der alte Versuch, der tatsächlich immer größere Probleme kam, war Apologie des Christentums im Sinne einer unfassenden Welt anschauen. Und damals, man muss überlegen, 70 Jahre vor Darwin, die Erde, woher soll man wissen, wie alt die ist? Keine Ahnung. Warum nicht 6000? Manche sagten, ja, ich finde, die sieht aus wie 60.000. Sagte man, das ist so Gründe.
Irgendwie, nö, ich hab nur so das Gefühl, 6000 scheint mir wenig. Ja, gottloser Zweifel. Wir leben heute in einer anderen Zeit. Heute ist es ja ein extrem hohes Maß an Selbstideologisierung und Verblendung, was man sich in die Birne pfeifen muss. Wenn man ernsthaft versuchen möchte, eine christliche Welt anzuschauen wie 1500 oder 1200 oder so mit einer jungen Erde vor 6000 Jahren, alles gleichzeitig, war damals noch anders. Und trotzdem gab es auch damals schon ganz viele historische Entdeckungen, zumal, wo man merkte, das, was wir herausfinden über das alte Ägypten, das, was wir nach und nach entdecken, Entstehungen der Sprache. Indien taucht so ganz langsam am Horizont auf und so. Man macht hier und da Entdeckungen. Man kriegt das Gefühl, das, was wir an Quellen sammeln, auch naturkundliche Quellen, geologische Quellen und so weiter, es wächst so ein Gefühl, dass die Bibel kein Lehrbuch für alle Fragen ist, nicht für alle biologischen, physikalischen, geologischen Fragen, historischen Fragen immer richtig ist.
Das ist im 18. Jahrhundert da. Und Schleiermacher sagt demgegenüber, es ist fatal, es ist katastrophal, wenn wir Religion retten wollen, als Summe lauter Wahrheitsbehauptungen, die wir eins zu eins aus der Bibel ziehen. Und wir dabei keinen Unterschied machen, ob es Aussagen sind über das Alter der Erde, über die Größe der Erde, über Entstehung der Menschheit, über Verlauf der Weltgeschichte, über was weiß ich. Wenn das Christentum daraus besteht, dass alles, was in der Bibel steht, zu einer Weltanschauung verarbeitet werden muss und jeder daran zweifelt, dem muss man auch zwingen, nicht mehr zum Gottesdienst zu kommen und auch nicht mehr zu beten, weil er nicht mehr würdig ist,
weil er bricht mit der christlichen Weltanschauung. Wenn du da eine Sache rausnimmst, alles wird zusammenstürzen, es gehört hier alles zusammen, das war aus Schleiersmacher Sicht eine Katastrophe. Und er sagte, nein, das Christentum ist keine Metaphysik, es ist keine Weltanschauung, es ist nicht das Für-Wahr-Halten von Richtigkeiten über diese Erde. So, und das ist der entscheidende Punkt. Wenn es kein Wissen ist, wenn es kein richtiges Denken ist, was ist es dann? Gefühl, wir werden gleich vertiefen, was es ist, es ist eine andere Weise der Ergriffenheit, es ist ein anderer Weltzugang, es ist ein anderes mit dieser Welt in einem Kontakt zu stehen, umfassenden Kontakt, aber es hängt nicht an Richtigkeiten, an Sätzen, an Wissensbestand. So, gleichzeitig gab es im 18. Jahrhundert zur Zeit Schleiermacher eine große Gegenbewegung, für die war das klar. Und denen hat Schleiermacher erst mal Recht gegeben, man könnte jetzt grob sagen Kantianer und vielen anderen.
So, und die haben, ja das ist ganz genauso gesagt wie Schleiermacher, und auch so das Gefühl gehabt, die Wissenschaften schreiten voran, der Versuch das Forschen und Denken zu verbieten, das wird sicher scheitern. So, man war aber trotzdem an die christliche Religion gewöhnt und fragte sich, was ist die denn dann noch? So, und dann sagte man gar nicht Dumm übrigens ja auch. Christentum ist den Nächstenlieben, Christentum ist Gutestum, Christentum ist Zusammenhalt, Christentum ist Gemeinschaft, füreinander einstehen, verantwortlich sein, so, das ist das Christentum. So, und manche haben es dann richtig ausgebaut und gesagt, Religion ist die Einhaltung göttlicher moralischer Lebensregeln, wir glauben, dass diese grundlegenden moralischen Prinzipien von Gott gegeben sind, dieser Glaube ist das Christentum.
Christentum ist, ja in dem Sinne nach dem Gutemstreben. Christentum ist eine Reichgottesorientierung, Reichgottes fand man damals, so ist inbegriff einer sittlichen Grundhaltung für den Nächsten sozialverantwortlich, ehrlich, redlich, zugewandt, Hilfsbereich, edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Man sagte, so war ja auch der Heiland, wenn er einen krank gesehen hat, ging er nicht achtlos dran vorbei, er hat ihm geholfen, die Überlieferung spricht davon Wundern, keiner weiß was genau ist, aber dass er geholfen hat, fein, das ist unser anderer Ding. Und wenn er einen verachtet sah und traurig und auf den Baum und so ging er hin und hat ihn getröstet und hat ihn akzeptiert, so, und wenn Frauen geweint haben und ihm da die Füße vollgespuckt und so, er hat sie aufgerichtet, er hat sie getröstet, er hat sie ernst genommen, er hat mit ihm gesprochen, so hat er gelebt.
Ja, und schlechte Menschen haben ihn dafür getötet, da gibt es wieder Wunderberichte noch und noch, aber was wir im Grunde sehen, frühe Christenheit beginnt mit einer Gemeinschaft, sie teilen das Essen, sie teilen ihre Güter, sie helfen einander, sie sind ein Herz und eine Seele, sie leben eine Gemeinschaft des gemeinsamen Vertrauens auf Gott, so ein inbegriff dieses Vertrauens ist das gute Leben, das richtige Handeln, ein Leben in Liebe und Gerechtigkeit, das das Christen tun. Das war gar nicht unerfolgreich, war ziemlich erfolgreich sogar, so eine, ich sag mal, soziale Idee des Christentums, so eine moralische Version, das ist verbreitet heute, das gibt's, das war durchaus eine sehr erfolgreiche Idee zu sagen, Christentum ist einfach eine ganz bestimmte, besondere Moral. So, sehr unbedingt und sehr grundsätzlich und sehr bereit, im Zweifelsfall immer auf den Nächsten zu schauen, eigene Interessen zurückzustellen, Statusverzicht, alle auf eine Ebene, alle als Geschwister, nicht so dies von oben nach unten.
So ein Schleiermacher gehörte zu denen, die sagten, ich finde das alles super, aber ganz ehrlich, das ist Moral, das ist Moral und wer sein Kant gelesen hat, weiß, das für gut zu finden und so zu leben, dafür braucht man keine Bibel, dafür braucht man auch kein Jesus. Viele Menschen leben so und die kennen Jesus nicht, nicht oder halten nichts von ihm. Menschen leben so, es gibt so viele fürsorgliche Menschen, so viele Menschen, die sich für andere zurücknehmen, die Platz machen, die sehen, wenn einer in Not ist, viele tun's. Und wenn du sie ansprichst und fragst, oh, lebst du so, weil du das als göttliches Gebot empfindest und Gott gehorchen möchtest, gucken die dich völlig verstört mit glasigen Augen an und sagen, ich helfe doch meiner kranken Nachbarin nicht, weil ich auf einmal die Idee hatte, dass Gott das unbedingt will.
Ich helfe ihr, weil sie Hilfe braucht. Ich helfe ihr, weil sie Hilfe braucht. Ich helfe ihr, weil ich ihr helfen möchte. Ich fühle mich ihr verbunden. Sie liegt mir am Herzen. Ich bin doch versucht, meinen Kindern zu helfen, sie auf das Leben vorzubereiten, sie zu unterstützen, sie wachsen zu lassen, ich lebe in Großzügigkeit, doch nicht vor, weil ich denke, Gott will es, weil Gott es will. Sie liegen mir am Herzen. Ich liebe sie, es sind meine Kinder. Ich bin manchmal genervt, aber immer wieder fange ich mich ein, es sind meine Kinder. Ich finde es gut. Ich lebe so, weil ich es richtig finde, moralisch richtig. Das ist das gute Leben, dass wir uns umeinander kümmern. So, und Schleiermacher sagt, die haben recht. Es ist schlimm, wenn du einem Menschen nur dienst, um damit Gott einen Gefallen zu tun.
Du sollst einem Menschen dienen, weil er es braucht und weil du anständig bist und ein Mensch, der sozial ist und weil du in Verbundenheit mit Menschen liebst. Schleiermacher sagt, tu moralische Dinge aus moralischen Gründen. Tu das Gute, weil es gut ist. Wenn du das Gute tust, weil du glaubst, damit in den Himmel zu kommen, lass es den nicht wissen, dem du das Gute tust. Wenn jemand sagt, ich danke dir, dass du mir so oft hilfst und dass du so freundlich bist und mich unterstützt und du so freundlich bist und mich unterstützt und du so freundlich bist und ich so freundlich bin, dann ist das ein Schleiermacher. Und du sagst, da nicht für, meine Krone im Himmel wird entsprechend größer sein als deine. Die Dankbarkeit wird abkühlen. Das ist komisch. Also, tu das Gute, weil es gut ist. Tu das Moralische aus moralischen Gründen. Wenn du das Moralische tust, um in den Himmel zu kommen oder Gott zu gefallen, ist es komisch. Leute werden das komisch finden. Ist es auch.
Und tu alles mit Religion, aber niemals aus Religion. Du bist nicht aus Religion, weil das ist nicht der Sinn. Das kann nicht sein, dass du alles immer über Bande spielen musst. Wenn du ein barmherziger Samariter bist, hilfst du dem unter die Räuber gefallenen, weil er dir Leid tut und nicht, weil du denkst, oh, der barmherzige Samariter hat ihm geholfen, muss ich wohl auch. Falsch, falscher Umweg, nicht gut. Er sollte dir Leid tun. Das ist eigentlich das Ding. Und du solltest nicht irgendwie deine theologische Bibliothek im Gehirn befragen müssen, bevor du hilfst. Darum, weder Metaphysik noch Moral. Das eine bringt die Religion in eine Situation, die nicht tragbar ist.
Wenn du versuchst, Christentum zur Weltanschauung zu machen, du wirst immer mehr abblenden müssen, immer mehr verdrängen, die Augen vor immer mehr Wissenschaftsbereichen verschließen. Du wirst immer ideologischer werden müssen. Du musst dicht machen. Nicht hingucken, nicht hinsehen, nicht lesen. Nur noch Sondermedien, nur noch Sonderwelten. Du wirst warnen, wirst vor immer mehr Dingen warnen müssen. Das ist ganz schlecht. Die moralische Lösung ist in gewisser Hinsicht besser. Sie ist auch sozial verträglicher. Aber Schleiermacher's Punkt ist, am Ende des Tages ist das auch ein Exit. Denn wenn man das mal durchdenkt, Religion ist kein Motivationsgrund für moralisches Handeln. Dafür bräuchte es das nicht. Das ist einfach irgendwo zu wenig. Die These Religion ist selbstständig. Eigene Provinz im Gemüt. Das ist das Entscheidende. Darum geht es. Und dafür werden wir jetzt in die zweite Rede schauen müssen.
So, die zweite Rede ist ganz fantastisch, ganz wunderbar. Man kann das übrigens auch alles komplett googeln und lesen. Ich muss übrigens da ein bisschen warnen. Es gibt ja viele großartige TheologInnen und wenn man da reinschaut, merkt man es auch sofort, dass man denkt, hey, das ist wirklich super. Bei Schleiermacher ist so ein bisschen meine Erfahrung. Ich habe es teilweise versucht auch zu unterrichten. Aber es bringt Menschen auch ein bisschen zum Weinen, weil man einfach nichts versteht. Schleiermacher versteht man ein paar heiße Sätze und man kann da so ein bisschen für die mündliche Prüfung, kriegt man da was raus. Aber ich glaube, die Ehrlichen merken nach dem ersten Lesen, war irgendwie geil, aber verstanden habe ich es nicht. Und das ist die Realität. Nach dem fünften Lesen wird es besser. Das tröstet Studierende nicht sehr. Es ist aber wahr. Es war ganz schlicht. Und ehrlich gesagt muss man viel anderes auch noch drum herum lesen, damit es so richtig einschlägt. Also es ist nerdig, gebe ich zu.
Darum versuche ich gar nicht so einfach, ich erzähle jetzt mal die zweite Rede nach, das ist ein bisschen schwierig. Wir brauchen ja einen Shortcut. Und einfach wie sie verläuft. Es ist damals eine Zeit, wo alle, die was weiß ich, an der Spitze dessen waren, wo die frischen Gedanken sich so rauskreuzelten aus den Gehirnen, gab es damals die Idee, kriegen wir alles erklärt aus einem Ursprung, kriegen wir alles, das Ganze aus einem Prinzip abgeleitet. Und jetzt gehört man über Schwinoser und Kant und Fichte und Schelling und Hegel und so weiter. Und immer war es der Versuch, die reine Vernunft, so lass uns zurückgehen auf die reine Vernunft, die theoretische Vernunft, ihre Prinzipien, so dann die praktische Vernunft. Was sind Prinzipien der Moral? Wo kommt das alles her? Und dann gab es lange den Versuch, kann man das vereinen? Kann man das miteinander?
Und dann geht alles aus dem Ich, da kann man aus dem Geist, aus der Natur und alles sucht danach. Und Schleiermacher auch. Und es war typisch und es war normal, dass du den absoluten Einstieg suchtest, den Punkt, wo du das alles so herleiten kannst. Und das ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Wir leben in einer heutigen Zeit, wo wir intuitiv das Gefühl haben, das ist eine Schnaps-Serie, das klappt nie, das wird nichts. Und da wir jetzt gegen anquatschen, ist mir zu mühsam. Darum drehe ich einfach die Rede 2 um und fange kurz an ihrem Ende an. Also da, wo wir uns ein bisschen heimischer fühlen und versuche vom Ende her, dann nochmal ein paar Prinzipien zu sammeln. Also fürs Theologie-Studium hilft das jetzt bedingt, da muss man sich schon durchquälen. Aber ich möchte einen realistischen Eindruck trotzdem vermitteln und mache das so. Am Ende der Rede 2, und nicht Ende irgendwo, also letztes Drittel, kommt Schleiermacher zu sprechen auf Gefühle.
Meistens spricht er vom Gefühl im Singular, am Ende spricht er von Gefühlen, von einzelnen Gefühlen. Ja, und er unterstellt, eigentlich wissen wir es ja auch. Eigentlich wissen wir es, dass Religion nicht nur so eine Grübelkiste ist in der Birne, sondern es ist etwas Gelebtes. Es ist eine Praxis und Menschen haben schon ein Gefühl dafür, hat jemand jetzt nur viele Gedanken im Kopf oder ist er selbst auch, ja, fromm. So ist er ja davon irgendwie durchdrungen. So, und er stellt sich die Frage, was sind denn religiöse Gefühle? So, das ist eine andere Ebene, was ist das Konkrete, das ist Praxis. Und dann nennt er einige Gefühle und sagt, es sind Gefühle wie Ehrfurcht und Demut, Zuneigung und Dankbarkeit, Mitleid und Reue, in dem wir so etwas wie Religion erkennen können.
So gehen wir es kurz durch, die sind paarweise geordnet, ist alles immer mit einer tiefen Dimension verknüpft. Ehrfurcht und Demut sind zwei Gefühle, die gegenüber der Welt entstehen. Wenn man in die Welt schaut, wir leben in einer Zeit, wo glaube ich viele sagen würden, das passiert mir am besten, wenn Terra X Folge das Weltall und wir irgendwie in schwarze Loch einsteigen und da wird da was gefunden und so und dann wird da irgendwas gezeigt und es ist tausendmal, tausendmal, tausend größer als die Erde und dann lernst du, es ist aber tausendmal, tausendmal, tausend kleiner als das nächste schwarze Loch und das selbst ist wieder nur ein Staubkorn an den Galaxien, die da kommen. Oder irgendeinen Film von Nolan oder irgendwie so Sachen, wo du sagst wow und so. Du hast eine Anschauung, du siehst was, gut und es gibt bis heute Menschen, da reicht auch ein Flusskrebs, wenn man den sieben Jahre betrachtet von innen und außen, ist alles möglich oder Fruchtfliege oder so.
Aber ist egal, es kann auch, es gibt ja auch so Ornithologen und so und wenn sie nach 17 Jahren den einen Vogel, der eigentlich ausgestorben war, aber sie haben ihn gesehen, sie haben ihn gesehen, es war so teuer, aber sie haben ihn gesehen. So und es geht theoretisch in allem, denkt an Weltraum, denkt an die Fruchtfliege, was euch anspricht. So und was kann dabei passieren? Es ist eine Anschauung, man sieht was, sinnliche Wahrnehmung und jetzt entsteht objektinduzierter Gefühlsreflex, kann man das einfacher sagen, vielleicht, weiß ich nicht. Also so kommt raus aus dieser Anschauung, es entsteht ein Gefühl der Ehrfurcht. Und wir hatten gestern einen Vortrag, das Erhaben, das Erhaben ist jetzt eine schöne Brücke. Du kriegst so einen Reflex der Größe, der Unbegreiflichkeit, wie umfassend das ist und das ist so das Erste, dass du denkst, wow, ist ein wow-Moment.
Du staunst, bist davon ergriffen, du bist davon gepackt. Das Interessante ist, das ist jetzt nicht das, was du als Forscher über die Fruchtfliege schreibst. Und es ist auch nicht die Formel, die jetzt irgendwas an diesem schwarzen Loch da irgendwie einfängt oder so. Es sind auch nicht die Maße, es ist auch nicht das 10 hoch 37, nicht 34, 37. Alles irgendwie auch, kann einen auch berauschen. Aber es ist nicht diese Ebene so, sondern es packt dich eben nicht zählbar, messbar, formulierbar, sondern es ist der Totaleindruck im Gefühl, eben dieses wow. Und dieses wow, Ehrfurcht hast du gegenüber dem Leben, der Natur, der Farbenpracht, der Schönheit und das. So und Schleiermacher sagt, und da kann dann aber auch eine Rückkopplung stattfinden, dass du für dich selbst eine andere Haltung gewinnst.
Ehrfurcht gegenüber dem, was da passiert. Und dann ist diese Ehrfurcht, wenn du sie auf dich zurückwirfst und spiegelst, kann dich das mit einer Demut empfüllen. Dass du auf einmal dich selbst siehst als ganz kleines Menschenkind, was du mit seinen 1000 Gramm wabbeliger, grauer, schleimiger Masse im Gehirn an irgendetwas rührt, was es gar nicht fassen kann. Und Geräte bedient, die Millionen mal höher sind als der Materialwert aus den 80 Prozent Wasser, aus die du zusammengekocht bist. Und du kannst das Gefühl kriegen, was sind wir für kleine Wesen und wie wenig ist meine Lebenszeit und wie wenig weiß ich, dass ein Schmetterling oder irgendein ausgestorbenes vögelchen Himalaya mich so anrührt. Und wie viele gibt es davon und wie viele Planeten und wie viele Galaxien und wie viele. So, und um dieses Gefühl angesichts des Erhabenen sich in würdevoller Weise klein zu fühlen.
Schleiermacher sagt, viele würden das religiös nennen, weil sie in dieser Haltung nichts wissen und nichts tun, aber in einer besonderen Ergriffenheit stehen, wo sie das Gefühl haben, das ist was Eigenes. Religion ist ein Wort dafür. Klammer auf, das was Schleiermacher damals Religion nennt. Wenn man ihm sagen würde hier zwischen Meldungen es ist 2023, wäre Spiritualität okay und er kurz Google scannen und so. Ich glaube, er würde sagen, ja, für euch ist Spiritualität okay. Klammer zu. Aber es ist hier Wort ist noch nicht so. Also Religion. So, wir gehen weitere Gefühle durch. Bisschen kürzer. Gefühle, die nimmt er nun an einer Lust-Unlust Polarität, Zuneigung und Dankbarkeit. So, und er sagt, ja, es gibt die normale Zuneigung. Man mag das Nachbarskind.
Man mag die Mutter sehr. Man mag die Schwester manchmal oder oft. Je nachdem, ob man Glück oder Pech hat. All das gibt's. So, aber es gibt auch das Gefühl der Verbundenheit mit Menschen. Dass man in einer großen Menge ist, man fühlt sich verbunden. Man kennt kaum die Namen, man weiß es gar nicht. Aber man fühlt sich gemeinsam auf dem Weg. Es gibt so ein Menschheitsverbundenheit. Man hat es manchmal in Gruppen Erfahrungen. Ja, Herrnuth beim Abendmahl. Weiß da gar nicht wer da kommt. Irgendwelche Gäste. Hey, hallo, ha. Du bist verbunden. Du siehst sie und du siehst die Menschen und fühlst Zuneigung. Und kannst es gar nicht ganz übersetzen. So, aber es ist einfach da als eine Grundverbundenheit. Oder Dankbarkeit. Ja, man ist dem Lehrer dankbar, dass er es noch für eine Vier hat reichen lassen. So oder die richtige Nachhilfe empfohlen. Den Eltern ist man dankbar. Wahrscheinlich nicht so viel, wie man Grund hat. Aber mehr als dem Lehrer.
Vielleicht sogar doch noch, wenn man drüber nachdenkt und nicht sehr viel Pech hatte im Leben. So und man, es gibt solche Dankbarkeiten. Und manchmal ist man dankbar dafür, dass ein Mensch einen geholfen hat. Und man weiß auf einmal, der konnte mir helfen, weil seine Eltern Weichen gestellt haben. Und weil seine Lehrerinnen ihm beigestanden haben. Und weil überhaupt viele Umstände dazu beigetragen haben, dass die Krankenschwester sowieso mir in der Lage helfen konnte. Verdanke ich ihrer Ausbildung und dem Chefarzt und ihren Freundinnen und ihrem Elternhaus und ihrer ganzen Prägung. Und diese ganze Generation auf einmal merke ich, ich kann die Dankbarkeit gar nicht mehr adressieren. Ich bin dankbar für das Leben, für das Drinstehen in dieser Erfahrung. Dass das Gute immer so weitergegeben wird, dass ich es empfangen darf. Und ich kann dahin kommen, dankbar zu sein für die Dankbarkeit. Und Dankbarkeit wird so ein umfassendes Grundgefühl. Dass ich es fast als neuen, wunderschönen Sport entdecke, mich zu fragen, wofür kann ich denn noch dankbar sein?
Weil gerade so viel Dankbarkeit da ist. So, das waren lustvolle Gefühle. Es gibt auch unlustvolle Gefühle, Mitleid und Treue. So, ich sehe ein Video auf YouTube, ein Fußballspieler wird gefault. Und oh mein Gott, man kann nicht mehr hingucken. Es war auch eine Warnung. Es ist nicht sehen sollen, das Bein ist es ab. Man kann nicht hingucken. Es ist gebrochen. Ah, so, und es tut einem leid. Es ist schlimm, es ist furchtbar und so. Menschen meiner Generation haben vielleicht noch so Ewald-Linen-Albträume. Manchmal guckt es nicht nach, schaut es nicht auf YouTube. Es war schlimm, es war nicht schön. So, es tut einem leid. Und man kann hineingenommen werden, dass man ein Grundgefühl der Barmherzigkeit entwickelt. Es gibt Menschen, die gehen für so was ins Kloster, durchaus. Dass man irgendwie merkt, ich bin echt irgendwie wie Stock und Stein oder so.
Ich habe die Kanäle verschlossen, ich bin irgendwie Empathie geschädigt oder so. Ich müsste meine Spiegelneuronen mal ins Trainingslager schicken. Ich müsste umfassendes Mitleiden lernen. Viele Religionen haben da Angebote, auch christliche, auch andere und so. Und es gibt diese umfassende Öffnung des Mitfühls oder der Barmherzigkeit im Judentum. So, wo ich auch merke, das ist auf einmal etwas, was mich bestimmt, was mich trägt, über den Anlass hinaus. So, anderes negatives Gefühl Reue. Das ist jetzt auf mich selbst bezogen, dass ich ein bestimmtes Handeln bereue. Sagen, das hätte ich nicht tun sollen. Habe ich unangemessen reagiert. So, das kann man so punktuell machen und das ist eigentlich Moral. Hast du es falsch gemacht. Es sollte dir leid tun. So, es tut mir leid. Es sollte mit einem inneren Schmerz verbunden sein, was deinen moralischen Prinzipien widerspricht.
Du entschuldigst dich. Wenn du Glück hast, ist gut. So, und du kannst aber auch reinkommen, dass du merkst, es war nicht dieses falsche Handeln. Ich bin irgendwie auch insgesamt immer wieder in der Situation, dass ich mir Dinge leid tun lassen muss. So, ich bereue meine Lebenseinstellung. Ich bereue meinen Lebensstil, meine Art und Weise, mit Menschen umzugehen. So, in gewisser Hinsicht tut es mir leid, dass ich so bin, wie ich bin. Noch das kann ein umfassendes Gefühl werden. So, wir haben verschiedene Punkte, verschiedene Beispiele jetzt besprochen. Jetzt möchte ich anhand derer zeigen, warum kann man die religiös nennen? Was verbindet sie? Was ist das gemeinsame? Wie können wir jetzt so diesen groben Eindruck, das könnte man religiös nennen.
Denn es ist kein Handeln und es ist kein Wissen. Aber warum? So, gehen wir einzelne Punkte durch. Zum einen, es sind Sachen, die entstehen und sie könnten theoretisch entstehen aus irgendeiner christlichen Erziehung oder so. Aber sie können auch einfach so entstehen. Sie werden in der Regel nicht die Folge sein von Richtigkeiten, die man für wahr hält. Sie entstehen in einer Situation, sie sind etwas Eigenes. Sie sind nicht abgeleitet, sondern eine eigene Realität, die zustande kommt. Also Autonomie als erster Punkt. Zweiter Punkt, es sind Erfahrungen. Man kann es nicht machen. Wenn einem Menschen etwas nicht leid tut, wo man denkt, es sollte ihm leid tun, ist man in einer bisschen blöden Lage. Dann kannst du ihn anbölken und sagen, es sollte dir aber leid tun. Es gibt die Wahrscheinlichkeit, dass er dann ein bisschen trotzig wird.
Dann kannst du sagen, ich bin traurig, dass es dir nicht leid tut. Hilft das? Es ist ganz selten, dass jemand sagt, danke, dass du mich zehn Minuten beschimpft hast, jetzt tut es mir leid. Nein, es wird sein, du hast mich zehn Minuten beschimpft, ich bin jetzt sauer auf dich. Ich würde es gar nicht mehr merken, wenn ich mir leid täte, weil ich jetzt so sauer auf dich bin, auf dein ganzes Geböck. Es bringt mir nichts. Du kannst es mir nicht reinquatschen. Ich sehe es auch nicht ein. Alle diese Gefühle kann man Menschen nicht einquatschen. Wenn du erst mal Menschen sagen musst, sei doch mal dankbar. Schlecht, nein, irgendwie schlecht. Du kannst sie dahin kriegen zum Dankesagen. Dass Kinder danke sagen, das geht immer, nächste Geschenkgelegenheit wird kommen. Wenn sie mitdenken, sagen sie einfach danke oder so. Aber Dankbarkeit, es gibt Apps dafür, man kann es lernen, es ist nicht völlig aussichtslos. Aber in der akuten Situation hat man da irgendwie nicht so das Steuerbord in der Hand, wo du sagst, ja, Dankbarkeit, das funktioniert so nicht.
Es sind Erfahrungen der Ergriffenheit. Es packt dich, es ergreift dich, es entsteht, aber es ist unverfügbar. Schleiermacher formuliert das so, alles Anschauen geht aus von einem Einfluss des Angeschauten auf den Anschauenden. Ich habe euch gewarnt. Ich bringe gar nicht viele Zitate, die hauen einen immer nur raus. Aber man versteht es hoffentlich. Alles Anschauen geht aus von einem Einfluss des Angeschauten auf den Anschauenden. Du kannst es nicht machen. Es trifft dich, es packt dich, du wirst davon ergriffen. So, und da gibt es keinen anderen Weg. So, also Erfahrungen, gehen wir näher in die Erfahrung rein. Es ist auch eine Form der Rezeptivität. Wir hatten jetzt viel verhandelt. Religion ist weder Denken noch Handeln, sondern Gefühl. So, die andere Grundformel war, Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche.
Dem geben wir entlang. Sinn und Geschmack, ja, Sinnlichkeit. Also darum geht es. Es ist Wahrnehmung. Es kann visueller Eindruck sein, ein akustischer Eindruck sein. Es kann was zu tun haben, was du spürst, was du berührst. Es ist aber auch Geschmack. So, und das ist jetzt schon ein uraltes Ding, dass wir dieses sinnliche Vokabular immer schon übersetzen in eine Gefühlsebene. Das ist mit dem Gefühl ja witzigerweise selbst so. Also Gefühl ist in der ursprünglichen Bedeutung des 18. Jahrhunderts der Tastsinn. So, das ist Fühlen. Ist die Narbe noch da? Ja, tut es noch weh? Ich fühle mal. Ja, das ist Fühlen. So, fühlst du das? Fühlst du die Nadel? Oder ist schon alles tot?
Nein, ich fühle die Nadel, hör auf, ich fühle es. Das ist Fühlen, Tastsinn. Und witzigerweise, ist das dann irgendwann gekippt, so diese Sprache für die Rezeptivität des Tastsinns hat man verinnerlicht und man nimmt es quasi als inneres Fühlen. Gefühle ist ein inneres Fühlen, das heißt, die Rezeptivität des Tastsinns wird metaphorisch gebraucht für diese innere Ebene des Affiziertseins. Wir leben in einer Zeit, jetzt müsste man hier über das Gehirn, nur neurologisch, aber es wird ja auch im Herz warm und man müsste das Nervensystem, das machen andere. Aber das ist der Zusammenhang, klar, ist völlig klar. So, aber wir reden darüber, so dass wir metaphorisch Sinneserfahrungen verinnerlichen. So, wenn es heißt, schmecket und seht, wie freundlich der Herr ist, da kannst du in der letzten Reihe auch nicht sagen, ja, wenn sich mal alle setzen würden vor mich, würde ich es auch sehen vielleicht. Also, metaphorisch, schmecket und seht, wie freundlich der Herr ist,
wenn du sagst, ich sehe es einfach nicht, hast du es nicht verstanden? Aber wir verstehen es ja in der Regel, so dumm ist ja keiner. Wir verstehen es, wir verstehen diesen metaphorischen Gebrauch. Das Witzige aber ist, wie Wahrnehmungssprache und Gefühlssprache miteinander verzahnt ist. Und das ist für Religion wesentlich, sie beginnt mit Wasser, sie lebt auch von Wein, von Brot, von berührt werden, von Segen, von allen diesen Dingen. So, Sinn und Geschmack fürs Unendliche, und das ist natürlich jetzt schon zentral, dazu muss man Folgendes sagen, Anschauen des Universums oder Sinn und Geschmack für das Unendliche, sagt Schleiermacher. Typische Frage ist immer, meint er vielleicht Gott? So, die Antwort ist jetzt folgende, ab zweiter Auflage sagt Schleiermacher viel Gott, weil er auch bisschen Presse, schlechte Presse hatte und er möchte in der Kirche auch noch was werden,
nein, aber auch aus Einsicht. In der ersten Auflage vermeidet Schleiermacher das Wort Gott so gut wie möglich, weil er sicher ist, wenn er Gott sagt, denken die Leute sicher nicht das, was er meint, höchstwahrscheinlich was ganz Falsches, Absurdes oder Abwegiges. Zum späteres Worten, Gott sei Dank gibt es das, was die meisten Menschen sich unter Gott vorstellen, nicht. Das ist ein tröstlicher Satz, diesen Trost für sich selbst in Anspruch zu nehmen, ist manchmal ein harter Weg. So, die Gottesidee, die Gottesvorstellung und Gott ist immer zweierlei. So gerade der metaphysische Gott oder der moralische Gott oder wie auch immer, ist eigentlich eine Verstellung. Und Schleiermacher hat das Buch so geschrieben, dass er im Grunde sagt, ich möchte versuchen, dass ihr es nachvollziehen könnt, ich rede nicht von Gott, ich rede vom Universum, ich rede vom Unendlichen und versucht es zu verstehen
und lasst euch nicht bekloppt machen durch die Gottesideen, die man euch da irgendwann mal eingetrichtert hat, da könnten Probleme drin stecken. So tut die alle mal weg, vergisst mal Gott, versucht mal zu verstehen, was Religion, was Frömmigkeit ist. So im guten Sinne wird man mit der Zeit eine religiöse Bildungsgeschichte durchlaufen haben, dass man hier Gott sagen kann und mit Gott aber eben auch meint, was er hier mit Universum und dem Unendlichen ausdrücken wird. So, ich mach's jetzt knapp. All diese Gefühle sind ja wesentlich religiös, dadurch, dass sie in diesem Unbedingtheitszusammenhang stehen, dass sie vor Gott oder im Absoluten oder angesichts des Unendlichen in diesem letztlich universalen Bezug stehen. Theistisch wird er das dann später formulieren, in diese Richtung zielt es aber. So, ich möchte kurz auf die fünfte Rede noch zu sprechen kommen. Ich hatte die Pointe ja am Anfang gesagt.
Über 100 Seiten hat man das Gefühl, Schleiermacher ist der Begründer der freien Spiritualität. Und dann sagt er am Ende, und diese freie Spiritualität ist ein Irrtum. Die freie Spiritualität fühlt sich ja weiter als die enge kechliche Religion, weil sie sagt, die kechliche Religion ist gebunden, an einen Kanon, an bestimmte Geschichten, an bestimmte Namen, Vater, Sohn, Heiliger Geist, so eine Engführung. Und wir? Freiheit. Schleiermacher sagt, es ist halt illusionär, weil naja, wer von uns durchschwimmt den ganzen Ozean? In diesem Bild gesprochen. Also wer? Wer sieht das Ganze? Wer hat das Ganze? Alles, was Menschen als freie Spiritualität oder rein Religion bezeichnen, ist doch am Ende immer auch
die zufällige Ansammlung und Zusammenstellung von Erinnerungsspuren ihrer Biografie. Du kommst doch da nie raus. Das, was du für die große Weite hältst, ist das, was sich dir in deinen 30, 40, 50 Jahren bisher irgendwie erschlossen hat. Es ist die Summe deiner Lektüren und was du gehört hast und was du begegnet hast. Du bist ein Mensch, es gibt bald zehn Milliarden, du hast gar nicht so viel mitgekriegt, wie du denkst. Es sind immer noch nur 1000 Gramm Gehirn, viele Synapsen, wunderschön, aber jeder hier hat genauso viele. Synapsen weniger vielleicht, man weiß es nicht, aber unterm Strich ist nicht so doll. Es ist nicht so doll, es ist Unsinn. Es ist Unsinn, so zu tun, dass du einen absoluten Standpunkt haben könntest. Dein Standpunkt ist dein Hier und Da und deine Biografie und deine Lebensheit und daraus rührst du dir da was. Das kannst du nicht absolut setzen.
Und weil du ein Individuum bist, ist es doch nachvollziehbar, dass Religion auch eine individualisierte Gestalt haben muss. Etwas Konkretes, etwas Bestimmtes. So ein Schleiermacher geht davon aus, also wenn man so will, Gott in allen Religionen, klar. Und jetzt gibt es religiöse Gestaltungen, die aber echt auch nicht gut tun und die verengt sind und schlecht und unzureichend und dann gibt es so Mittelprächtige und dann gibt es ganz Großartige. Jetzt war es so ein bisschen 18. Jahrhundert. Christentum als höchste Religion ging den Leuten damals leichter von den Lippen als uns. Er wird das so sagen, hat aber auch ein Bewusstsein dafür, Selbstzurücknahme, Bescheidenheit könnte wichtig sein. Wir finden es heute noch ein bisschen wichtiger. So und er legt dann aber eine Spur und sagt, das Christentum ist doch eine Religion, in der alles miteinander verknüpft ist. Was ist das Besondere im Christentum? Das ist im Grunde die großen Pole abdeckt, das absolute Erhabene und das menschliche Leben, Gott in menschlicher Gestalt, menschliche Größe und Schönheit, aber auch Schuld und Verderben.
Gerade am Kreuz werden die äußersten Pole des menschlichen Lebens verbunden. Menschliche Schuld, menschliche Entfremdung, Bosheit und Gewalt, aber auch Liebe, Verzeihung, Vergebung. Es gibt für Schleiermacher ein Grundgefühl des christlichen Glaubens, und er sagt, angesichts des Gekreuzigten ist das Grundgefühl des christlichen Glaubens heilige Wehmut. Wehmut war damals ein Modewort. Wenn man Wehmut aufschlüsselt, Wehmut ist traurige Liebe oder liebendes Traurigsein. Geht ein bisschen durch. In Wehmut vermischen sich dieser negative Pol des Schmerzes, der Traurigkeit, des Verlusts mit Liebe, mit Liebe, mit Zuneigung, mit Hingaben.
Dieses traurige Lieben oder diese liebende Traurigkeit ist beim Christentum in die große Geschichte des Universums gestellt, darum heilige Wehmut. So Wehmut haben Menschen, die auswandern nach Südamerika und es war alles so schön, und dann ist Heiligabend und sie stehen da vor ihrer Juckerpalme und denken an zu Hause und an stille Nacht und haben Wehmut, haben liebendes Traurigsein. Sie haben auch immer Liebe zu ihrer Familie und sie waren nicht immer ein Herz und ein Ohr. Und heilige Wehmut bringt das in die große und ganze Geschichte hinein. Und seiner Überzeugung nach ist die christliche Grundhaltung konkret auf dieses Individuum Christus auch zugespitzt, geschichtlich.
Aber es ist so verfasst, dass es alles sehen kann, wahrnehmen, würdigen, schätzen, integrieren. Es ist die konkreteste und zugleich universalste Religion. Das ist seine Überzeugung. So und damit schließt er. Ich schließe auch Schleiermacher hat seine Religion verfasst als seine reden über die Religion, als ein Traum Christentum für freie Menschen. Christentum auf dem Boden der Aufklärung. Man kann das natürlich wie nie eins zu eins übernehmen. Alles, was 100 Jahre alt ist, was 50 Jahre alt ist, kannst du nie eins zu eins übernehmen. Trotzdem finde ich die Grundlinien wesentlich und hilfreich bis heute. Manchmal gibt es bis heute so Stimmen, die sagen Gefühl, das ist ja anti intellektuell. Gefühl ist doch subjektivistisch. Das Gegenteil ist richtig. Die Betonung des Gefühls betont die Bedeutung unverfügbarer Ergriffenheit.
Glaube kannst du nicht machen. Glaube ist Gnade. Glaube ist erfahrungsbasiert. Glaube ist eine Ergriffenheit, die du nie erzwingen kannst. Darum keine ideologische Vorgaben, kein staatlicher Zwang. Freiheit des Menschen zeigt sich in der Religion als unverfügbare Ergriffenheit. Der Gefühlscharakter steht gerade auch für die intellektuelle Offenheit. Denn wenn das Christentum keine Sammlung von ewigen Lehrsätzen ist, dann bist du frei und offen, dem Fortschritt des Wissens, des Denkens, der Aufklärung zu folgen. Du darfst alles lesen. Du darfst auch Bücher wegschmeißen, weil du sie schlecht findest. Du darfst sie lieben und feiern. Du darfst Wissenschaft vertiefen. Du darfst in alles Mögliche einsteigen, weil es dich bildet. Christlicher Glaube kann mit jedem Wissensbestand der Zeit klarkommen, weil er selbst kein Wissensbestand ist.
Drittens. Christentum ist als Gefühl sozialer Einbetten. Immer eine Gemeinschaftssache, immer eine soziale Sache, immer ein Anregen und Angeregtwerden. Dass Christus die Mitte ist, macht den christlichen Glauben nicht eng, sondern ermöglicht eine perspektivierte Weite, wo du in einer langen Geschichte stehst, mit dem Judentum eine Geschichte über 3.000, 4.000 Jahre. Und von dieser Geschichte aus hast du Ausblick auf die ganze Welt, kannst dich einbringen und eingebettet sein in dieser Geschichte. Vielen herzlichen Dank.
Glaube und Gefühl | 13.10.1
Es scheint eher ein Phänomen aus anderen Kulturen zu sein: Menschen, die sich völlig im Gebet verlieren, voller Euphorie loben und preisen, die glauben, weil sie fühlen, dass da Jemand ist. Dort scheint es eine Selbstverständlichkeit zu geben, den eigenen Glauben zu fühlen.
Nicht aber in der westlichen Kultur, nicht im Hier und Jetzt. Man glaubt mit dem Kopf und betet mit halbem Herzen. Mit Ausnahme mancher frommer Gemeinschaften, in denen Gefühle aber bitte in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt stattzufinden haben: tiefe Freude bei Lobliedern, Tränen bei der Passionsgeschichte. So jedenfalls hat es Friedrich Schleiermacher erlebt, von dem Thorsten Dietz erzählt. Schleiermacher lebte im vielleicht spannendsten intellektuellen geistlichen Jahrhundert der Menschheitsgeschichte und hat selbst einen turbulenten geistlichen Lebenslauf hingelegt: Vom angehenden Prediger zum Religionskritiker zurück zur Religion. Und immer begleitet von der Frage, wie entscheidend Gefühle für den Glauben sind, wie sich die Religion retten lässt in einer Zeit, die immer ungläubiger wurde. Schleiermacher verband Intellektualität mit Gefühl. Und ist damit wohl heute so aktuell wie damals im 18. Jahrhundert.