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Ist Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch? Davon handelt der heutige Vortrag. Und ich möchte mir für diese Frage Zeit nehmen. Es gibt genug Menschen, die mit dieser Frage sehr schnell fertig sind. Die sagen, nee natürlich nicht, so ein Blödsinn, sowas gibt es doch gar nicht. Für sowas gehe ich ins Kino, da lasse ich mir das gefallen. Thor finde ich super, Captain Marvel den Starlord oder so, also ich finde das schon schön. Aber ich kann unterscheiden zwischen Marvel und Realität. So, ganz klar. Es gibt andere, die sind mit dem Thema genauso schnell fertig, die sagen, ja natürlich ist er das. Ist doch das Bekenntnis der Kirche, steht doch so in der Bibel, weiß ich doch alles. Gott ist drei einig, ein Gott, drei Personen, der Sohn Gottes, wahrer Mensch, wahrer Gott, zack. Keine Probleme. Stimme ich sofort zu, ich würde auch sonst alles unterschreiben,

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was mir hier so klar gezeigt wird. Manche Menschen sind schnell mit so Sachen fertig. Dass sie zu schnell damit fertig sind, merkt man spätestens dann, wenn man sie fragt, was sie damit meinen. Sowohl kritisch wie positiv. Die, die damit negativ schnell fertig sind und die damit positiv schnell fertig sind, sind manchmal doch nicht so schnell, wenn sie erklären sollen, gegen was genau sie sind und warum sie dagegen sind. Denn das ist doch gar nicht so einfach. Es gibt genug Menschen, für die solche Formeln im Grunde funktionieren wie Abzeichen von Gangs oder Vereinen oder wie so ein Label. So, man ist dafür, weil das ist unsere Marke. Man stimmt zu, weil, das machen wir halt so. Das ist so unser Spruch, das ist unsere Formel, das ist unser Code. Und das muss man gar

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nicht verstehen, darum geht es gar nicht. Wichtig ist, dass man da zustimmt, dass man sich dazu bekennt. Dann ist man gläubig, dann ist man Christ. Oder wenn man das ablehnt, wenn man das durchstreicht, dann ist man modern, dann ist man aufgeklärt. Schluss, aus, fertig. Ich werde es jetzt viel langsamer entwickeln und ich werde es so entwickeln, dass ich mir jetzt einen Gesprächspartner vorstelle. Ich stelle mir jetzt mal einen wohlmeinenden Agnostiker vor, der einen Schritt weiter gekommen ist und sagt, nicht, dass ich glaube, das ist nicht der Fall, ich glaube nicht so einfach, aber ich beschäftige mich mit dem Christentum. Ich habe da ein gewisses Interesse entwickelt. Ich habe mich beschäftigt mit der Geschichte des Christentums, Bibel. Ich habe sogar reingeschaut, ich habe auch darin gelesen und ich bin so ein bisschen an der Kante, dass ich mir denke, na ja, irgendwas am Christentum gut finden schafft jeder. Spätestens so ein paar Kirchen findet

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jeder irgendwie ganz gut. Für den Jesus haben auch viele was übrig, ein bisschen paar Werte finden auch viele gut. Na, ich bin jetzt an so einer schwierigen Kante. Ich frage mich, ob man Christ sein könnte. Ich frage mich, ob das eine Option wäre. Ich frage mich das nur, nicht, dass ich das möchte, aber ich möchte es für mich mal durchrechnen und ich habe so das Gefühl entwickelt, es hängt halt sehr viel an der Jesusfrage. Bei sehr vielen Dingen kann man dafür und dagegen sein, das sind alle verschiedener Meinungen, die ganzen Christen und so. Aber ich habe so ein bisschen das Gefühl, es entscheidet sich an dieser Christusfrage, wie man den jetzt einschätzt. Und ich habe so ein bisschen das Gefühl, so paar historische Formeln, so was wie dreieiniger Gott, wahrer Gott und wahrer Mensch, es hängt so ein bisschen daran. Kann man dazu ein Ja kriegen, irgendeins? Oder ist das einfach ausgeschlossen, einfach undenkbar? Ja, dann halt nicht,

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aber an der Kante stehe ich. So, den stelle ich mir jetzt vor. Ich werde in die Richtung sprechen, denn wenn man sich das vorstellt, hat man ja auch lauter Zweit- und Drittgedanken. Es ist nicht unbedingt so, dass das sozial völlig risikolos ist, irgendwann in seinem Kollegen oder Freundeskreis oder so aufzuschlagen und zu sagen, ihr Lieben, ich möchte euch was sagen, also jetzt nichts Schlimmes oder sonst wie. Aber ich habe mir in letzter Zeit ein bisschen nachgedacht und so, also das ganze Christentum, ja ihr wisst Bescheid, Christentum, ja. Aber ich habe mich so damit beschäftigt, also jetzt nicht, ich muss euch jetzt nicht irgendwie fertig machen, aber ich würde mich inzwischen als Christen bezeichnen, so, aber nur, dass ihr es wisst oder so. Es ist ja nicht so, dass man in jedem Kollegen, bekannten Freundes- oder Familienkreis dann erlebt, dass die Leute sagen, hey, super, toll, klasse, setz dich, nimm dir einen Keks, erzähl mehr davon. So und alle sagen,

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oh wie süß, ein Christen im Freundeskreis, haben schon immer von geträumt oder so, das hat uns gefehlt zum Glück. Das ist nicht immer so. Es kann einem passieren, dass die Leute fragen, bist du bekloppt geworden oder was hast du denn geraucht oder wenn du Probleme hast, du kannst mit uns sprechen. Was brauchst du denn jetzt da unsichtbare Freunde irgendwie, das, jetzt bin ich fertig irgendwie. So, insofern, das ist, man muss ja eine gewisse Schwelle überschreiten, so in vielen Gegenden, sozialen Bezügen muss man eine gewisse Schwelle überschreiten, in irgendeiner Weise zu sagen, ich identifiziere mich als Christen. Das kommt vor. So und ich glaube, an dieser Schwelle nachzudenken, braucht man, naja, inneren und äußeren Freiraum, um das überhaupt irgendwie halbwegs geordnet tun zu können. Ich möchte das fast mal so ein bisschen als Phantasiereise

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darstellen. Wie muss die eigene Situation beschaffen sein in so einem Grenzgebiet zwischen, ich frage mich, ob ich wirklich Christ sein könnte, dem gut nachgehen zu können. Ich stelle es mir so vor, es ist dann ideal, wenn man wie auf eine Kreuzung trifft, wo auf der einen Seite eine große öffentliche Straße entlang läuft, die große Straße der christlichen Tradition, der christlichen Bekenntnisse und Glaubensweisen und eine Kreuzung, wo meine persönliche Lebensstraße, das trifft meine Lebensfragen, das was mich umtreibt, das was mir auf dem Herzen brennt. Also an so einer Kreuzung kann man über die Fragen nachdenken. Ideal ist auch, stell dir vor, dass du damit nicht allein stehst, sondern in einer Gemeinschaft bist, die offene Fragen,

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solche Suchbewegungen wirklich schätzt. Wirklich wertschätzt mehr als schnelle Antworten. Stell dir vor, dass du auf Leute triffst, denen das wirklich wichtig ist, was du dazu denkst. Viel wichtiger als dass du ihnen zustimmst. Stell dir vor, dass du Menschen mit deinem Suchen und Fragen und deinem Antwortversuchen wichtiger bist, als das Zustimmen zu dem, was sie wollen und dass sie deinen entschiedenen Widerspruch wertvoller fänden als blinde Zustimmung. Stell dir weiter zu, dass diese Menschen, die dir wichtig sind, dir verbunden bleiben, dir zugewandt sind, egal wie lang dein Weg dauert, egal welche Zwischenschritte du dabei einlegst. Stell dir vor, dass diese Menschen lieber mit dir und deinen Fragen unterwegs sein wollen, als ohne dich bei ihren Antworten zu bleiben.

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Und stell dir vor, dass du in einem solchen Geist an diese Frage herangehen kannst. Das heißt, dass du, wenn du aus diesem ganzen sozialen Druck und all das auch einfach mal auf sich beruhigen lässt und einfach fragen kannst, könnte man Christ sein. Kann man zu solchen Christusbekenntnissen wie wahrer Gott und wahrer Mensch, kann man da ein einwilligendes Verhältnis aufbauen? Ganz egal, was andere sagen. Das ist nicht überall so. Übrigens auch nicht unter Christen. Würde jetzt meinem imaginierten Gesprächspartner sagen, und weißt du, ich habe das jetzt so beschrieben, weil unter Christen habe ich es eigentlich nur so erlebt. Da ist das immer so. Da geht es nicht darum, dass du da alles abnickst und zustimmst und hauptsächlich bist du dabei oder so. Da zählt wirklich der Einzelne und da hat man Respekt vor Such- und Fragebewegungen. Da erträgt man dich auch in allen möglichen Übergangsformen. Da wirst du auch nicht ausgeschlossen von irgendwelchen

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Mitarbeitern, wenn du gerade dich im Stimmbuch befindest und so weiter. Unter Christen, da kann ich dir versprechen, da musst du dir keine Sorgen machen. Die sagen bei allen Fragen, Zweifeln, Suchbewegungen sofort super toll, dass du uns ansprichst, setz dich, nimm dir einen Keks, erzähl oder so. Das ist nicht der Fall. Also nicht, dass du da nicht zweifeln darfst, aber die werden sagen, wer hat dich verwirrt? Und welche Frage soll ich dir zuerst beantworten, dass du wieder klar siehst. Aber wir haben uns ja, wir stellen uns ja jemand vor, der hier wirklich nach reiflichen Vorüberlegungen diese Frage sich gestellt hat. Also jemand, der gut unterscheiden kann zwischen Christentum, christlichen Glauben und einzelnen empirischen Vertretern, Angehörigen des Christentums. Damit kann man irgendwann klarkommen, dass man sagt, das Christentum zu identifizieren mit bestimmten schlechten oder schwierigen Erfahrungen, die man mal machten kann, muss nicht sein. Man kann

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unterscheiden zwischen bestimmten Gruppen und empirischem Christentum und der Glaubensfrage als solcher. So und so möchte ich mich jetzt auf die Reise machen. Ich werde Maß nehmen an dieser Formel wahrer Gott und wahrer Mensch. Es ist eine kirchengeschichtliche Formel, ein Bekenntnis, ein christologisches Bekenntnis, was vor grob 1500 Jahren so formuliert wurde. Das möchte ich ein bisschen vorstellen. Und dann, naja, wir haben jemand, der auf der Kippe steht. Ich möchte zunächst mal die vielen kritischen, schwierigen Anfragen, die man an diese Formel haben kann, der Reihe nach benennen. So, das wollen wir uns schon auch alles mal zu Gemüte führen. Und dann, um das gleich vorweg zu nehmen, möchte ich im Grunde zeigen, wie man mit so einer Formel umgehen kann in kritischer Treue, in kreativem Anschluss an die Tradition. Also ich möchte schlicht zeigen,

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wie es gehen könnte. Aber wir machen es uns dabei nicht leicht. So, Zeitsprung. Wo kommt die Formel her? Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch. Steht so nicht wörtlich in der Bibel. Ist entstanden aus vielen Diskussionen über die Bibel, eine riesengroße, weite Vorgeschichte. Wir springen jetzt aber mal ins fünfte Jahrhundert, genauer gesagt nach Calzedon, in Asien, 451, ein Bekenntnis. Ich lese zunächst mal hier die wichtigsten Dinge vor. Worum geht es da eigentlich? Was hat das klassische Christentum hier mal formuliert? So, man sagt hier so, wir folgen den heiligen Vätern und lehren alle einmütig ein und denselben Sohn, den Herrn Jesus Christus. Und sie bekennen

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sich jetzt zu ihm, dass er vollkommen ist in der Gottheit und vollkommen in der Menschheit. Und sie sagen, er ist dem Vater wesensgleich nach der Gottheit und uns wesensgleich nach der Menschheit. Im Hintergrund dieser Überlegung befindet sich das dreieinige Bekenntnis, das Bekenntnis zur Trinität. Das ist im vierten Jahrhundert entwickelt worden. Dazu gibt es eine Reihe von Worthausvorträgen. Da kann man viel lernen. Das kann und will ich jetzt nicht alles wiederholen. Ich möchte nur auf eine Raffinesse dieses Bekenntnisses hinweisen. Was hat man damals bekannt? Man hat sich zu Vater, Sohn und Heiliger Geist bekannt. Im vierten Jahrhundert hat man nach langen Diskussionen versucht zu klären, wie steht denn jetzt der Sohn zum Vater? Das war eine riesenlange Diskussion. Die Position, dass Jesus reiner, bloßer Mensch und nicht sonst ist, die ist extrem früh eigentlich verschwunden aus dem Christentum. Die spielte lange keine Rolle mehr.

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Es war für alle, die sich im ersten, zweiten, dritten Jahrhundert damit beschäftigt haben, immer schon klar, Jesus ist Mensch und mehr. Aber wie viel mehr? Er ist mehr als Jona, er ist mehr als Salomo, er ist mehr als David, er ist mehr als Mose. Man hat das alles durchprobiert. Und dann hat man versucht, was passt denn jetzt? Welches Wort, welcher Titel, welche Bezeichnung wird Jesus gerecht? Und sehr früh war immer auch im Spiel zu sagen, naja, er ist Gott. So im Johannesevangelium Thomas, mein Herr und mein Gott. Nicht sehr oft, aber an einigen Stellen wird Jesus im Neuen Testament Gott genannt. Großzügig betrachtet fünf Stellen, meisten im johaneschen Umfeld. Ist jetzt nicht so viel, aber es gibt Bekenntnis-Aussagen, die eine viel schmalere Grundlage haben. Und das war in der frühen Christenheit von Anfang an den

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allermeisten Anliegen zu sagen, Jesus ist mehr als ein Mensch, er ist Gott. Naja, aber was man nicht wollte, waren zwei Götter. Denn das wollte man nun wirklich nicht, das kannte man genüge. Die ganze Umwelt war voller Götter und man wollte an den einen Gott glauben. Und die spannende, schwierige Frage war, wie kriegt man denn jetzt das zusammen, den Glauben an den einen Gott und Jesus irgendwie auch Gott nennen? Und der Punkt im vierten Jahrhundert war, es gab Menschen, die Jesus bezeichnet haben als einen zweiten Gott, als einen, der vor seinem irdischen Leben schon da war. Und denen war es aber wichtig zu sagen, es ist ein zweiter Gott, es ist ein abgestufter Gott, es ist ein göttliches Wesen, es ist eine geschaffene Gottheit, eine zweite Gottheit, durch die der Vater, der der allein wahre Gott ist, sich auf Erden gezeigt hat. Das war die eine

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Denkmöglichkeit zu sagen, Jesus ist ein zweiter Gott, aber rang niedriger als der Vater. Ja, dafür kann man Bibelstellen zusammensuchen, nicht? Die haben verwiesen auf Bibelstellen, wie der reiche Jüngling kommt zu Jesus und sagt, guter Meister, ich habe da mal eine Frage. Und Jesus sagt, was nennst du mich gut? Gut ist nur einer, Gott. So, und das war für die ein ganz klarer Beleg. Jesus unterscheidet sich von Gott so und stellt sich nicht mit ihm auf eine Ebene. Da haben ganz viele andere Stellen, andere haben weiter überlegt und dies und das und wieder andere haben überlegt, vielleicht ist es so, es gibt einen Gott, einen. Und wie wär's, wenn wir uns vorstellen, dass dieser eine Gott sich in verschiedenen Gestalten zeigt. Es sind Erscheinungsformen, Gestalten, Vater, Sohn, Heiliger Geist. Es ist immer der eine Gott. Es ist eins. Und diese Erscheinungsweisen sind verschiedene Seiten des einen Gottes. Haben viele überlegt und gesagt,

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nee, mit wem spricht dieser Jesus da? Da passt was nicht. Ist das Theater, dass er da so tut, als würde er da Gespräche führen und heimlich grinst er in sich hinein und sagt sich, was macht man nicht alles, um die Leute irgendwie in der Illusion zu halten, dass ich Mensch bin oder so? Nein, das ist unmöglich. Also der kann da nicht Selbstgespräche simulieren. Also ist es auch keine Lösung. So, dann hat man überlegt und überlegt und überlegt und irgendwann gesagt, wir wollen, wir wollen den Kuchen essen und ihn behalten. Wir wollen irgendwas, was gar nicht geht. Wir wollen an einen Gott glauben und wir wollen sagen, Jesus ist ein anderer und es ist derselbe. Und wir, wir kriegen es aber nicht klar mit allen Begriffen, die wir im Kopf haben, mit allen Titeln, mit allen Bildern nichts, nichts genügt, um dieses komische Verhältnis auszusagen, dieses Eins und

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Drei. So, und dann war man irgendwann dabei zu sagen, wir brauchen, wir brauchen irgendwie ein Wort, was dieses Problem übertüncht. Und dann hat man verschiedene Worte probiert, die so ähnlich waren, Homois und Homoisius und Homousius. Diese Worte hatten fast keine oder eine nicht verständliche Bedeutung. Und irgendwann hat man dieses Wort Homousius genommen, man übersetzt als Wesensgleich, Wesens eins, schwierig. So und gesagt, damit bezeichnen wir das Verhältnis von Jesus und Gott. Und wir müssen hier im Grunde ein Wort erfinden, um uns damit vor der Einzigartigkeit dieser Konstellation zu verneigen. So, und damit war man im vierten Jahrhundert irgendwann durch, was Jahrzehnte gedauert hat, Jahrzehnte, das Wort hatte man früh. Und dann hat man 70 Jahre versucht zu verstehen, was man mit diesem Wort hatte und hat sich am Ende darauf geeinigt, dieses Wort ist

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im Grunde eine sprachliche Verneigung, Verbeugung vor einem Geheimnis, was wir nicht auflösen können. Aber wir bekennen uns zu diesem Wunder des einen Gottes in diesen drei Erscheinungsformen. Und das hat Größe, das hat Stil. Denn um dahin zu kommen, muss man einen Lernschritt gegangen sein. Man hat bis dahin viele Brillen probiert, viele Deutungsschemata, viele mitgebrachte Kategorien, die es gab, und hat sie probiert und hat versucht, damit zu erklären, zu sagen, wer Jesus ist. Und man ist an den Punkt gekommen, zu sagen, nichts, was wir kennen, nichts, was wir zur Verfügung haben, keine Denkmöglichkeit, reicht aus, um das zu packen, was uns da in diesem Jesus entgegenkommt. Also setzen wir eine neue Sprachform, eine neue Denkweise. Wir sprengen im Grunde alles das,

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was wir bisher zur Verfügung hatten, an Metaphysik, an Gottesdenken, an Bilder und reden in einer Sprache von diesem Verhältnis von Gott und Jesus, die in sich deutlich macht, dass es ein Versuch ist, der im Grunde nie reicht. Und so hat man gesagt, das Verhältnis von Vater und Sohn ist so, dass der Vater den Sohn nicht geschaffen hat, sondern gezeugt und zwar in einer ewigen Zeugung. Ich merke, einige versuchen sich ewige Zeugung vorzustellen. Das ist falsch, hört auf. Nein, also ewige Zeugung. So, man merkt doch bei diesem Wort, hier werden Worte verwendet, die sich gleichzeitig durchstreichen und aufheben. Und das ist ein wesentlicher Effekt, da einfach

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zu sagen, ewige Zeugung, so ein Blödsinn. Da hat man es nicht verstanden, dass der Sinn solcher Formeln, gezeugt, nicht geschaffen, war ein Versuch, Unsagbares nicht zu sagen, sondern eine Bildersprache zu entwickeln, die in eine Richtung verweist, weit über das hinaus, was sagbar ist. So, und das war ein Stand, das war ein Ausgangspunkt. Und jetzt hatte man das und man hatte in irgendeiner Weise Jesus und Gott und den Heiligen Geist, so zusammen. Und jetzt bekam man Folgefragen. Denn man war sich in der ganzen Zeit vorher immer einig, naja, Mensch ist er sowieso. Aber wie kann man Mensch sein, wenn man Gott ist? Wie kann das sein? So, und es haben dann Leute versucht, das zu erklären und zu beschreiben und so. Und dann eine Idee war, ja, Mensch, reicht es nicht, so zu sagen, also in

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Wahrheit war er Gott. Da sind wir uns jetzt alle einig. Und was er halt schlicht gemacht hat, er hat auf dieser Erde einen menschlichen Körper angenommen, einen menschlichen Leib und er hat so die Basisfunktion des Menschseins quasi angenommen, aber so, dass es in gewisser Hinsicht eine menschliche Hülle war ohne Geist, ohne Seele und der ewige Logos, das ewige Wort. Das ist im Grunde die göttliche Seele in einem menschlichen Körper. So, und viele sagten, super, toll. So, also es war so eine Art Avatar. Wer den Film kennt, Avatar, genau so. So ist Gott hineingekommen in einem Körper. Das funktioniert auch, aber die Seele, der Geist, die höheren Funktionen, die sind göttlich. Und für manche war das super und andere sagten, ja, aber Moment, das heißt, der spielt einen Menschen, der ist kein Mensch. Nein, nein, nein, nein, das ist nicht, was wir, also das liest sich anders

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in der Bibel, sodass dann viele gesagt haben, na, das können wir nicht machen, das ist falsch, hier haben wir im Grunde ja am Ende dann doch zwei bis drei Götter und einer davon spielt Mensch. Aber das ist nicht richtig. Das passt mit den biblischen Texten nicht so zusammen. Nur dann ging die Tense entzweiter, dass sie gesagt haben, wir wollen sagen, dass dieser Jesus mit Gott Homo usus ist, in einer nicht zu präzisierenden Art und Weise eins. Und diese Formel, die ich gerade gelesen habe, hält fest, er ist dem Vater wesensgleich und er ist uns wesensgleich. Aber wie kriegt man das jetzt zusammen? So, und das war die Herausforderung, die man damals hatte. Ich lese mal vor, was dann weiter herausgekommen ist. Sie sagen, wir bekennen ein und denselben Christus, den Sohn, den Herrn,

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den einzig Geborenen, der in zwei Naturen unvermischt und umgewandelt, ungetrennt und ungesondert offenbart ist. Keineswegs wird der Unterschied der Natur durch die Einigung aufgehoben, vielmehr wird die Eigenart jeder Natur bewahrt. Beide vereinigen sich zu einer Person und einer Hypostase. Das war die Lösung. Wo war die Lösung? Sehr, sehr interessant. Also die die entscheidenden Worte sind ja im Grunde Abweisungen in entscheidenden Stelle. Wir bekennen den einen Christus, Sohn, Herrn, einzig Geborenen, zwei Naturen. Jetzt müsst ihr liefern. Wie? Und was kommt jetzt? Es kommen vier Adjektive, die jeweils mit einem Un im Deutschen beginnen, im Griechischen jeweils mit einem A. Es wird viermal gesagt, was da nicht ist. Unvermischt und unverwandelt, ungetrennt und ungesondert. Und das war's. Dann geht's weiter.

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So, also es wird im Grunde viermal je zweimal in eine bestimmte Richtung abgewährt, was es nicht ist. Und dann sagen sie wieder, wir bekennen nicht einen in zwei Personen gespalten oder getrennten, sondern einen denselben. Also wieder völlig klar, was sie nicht wollen. Und dann ist das Bekenntnis vorbei. Das ist ein sehr interessantes Bekenntnis, ein sehr komisches Bekenntnis, ein irgendwie verstörend faszinierendes Bekenntnis. Und wir werden dem jetzt so ein bisschen entlang gehen und zunächst uns mal aber auch die Sache nicht leicht machen. Wir werden das jetzt hier nicht auf Goldgrund uns gezeichnet anschauen und sagen, oh, waren die heiligen Väter klug, oh, waren sie großartig. Wir glauben das sofort so, sondern wir werden viel Fragen und Probleme uns erst mal vor Augen führen, die da mitschwingen. Wenn man sich die Geschichte anschaut, muss man zunächst auch mal sehen, es hat damals sehr gemenschelt. Es hat extrem gemenschelt. Es gab

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einen großen Machtkampf zwischen rivalisierenden Bistümern. Und damals, Rom klar war wichtig, Rom. Da gab es auch schon Leute, die sich Päpste nannten und auch irgendwie mit einem Ehrenvorsitz vor allen anderen respektiert worden sind. Jetzt ist das Ding so. Rom war aber damals nicht das geistige politische intellektuelle Zentrum der Welt. Die Westchristen hatten an diesem ganzen Streit verhältnismäßig wenig Anteil. Es war ihnen im Detail manchmal nicht so wichtig, sagen wir mal. Es war im Osten da, da kochten die Dinge hoch. Es gab einen großen Schwerpunkt in Alexandria, in Nordegypten. Es gab einen weiteren Schwerpunkt im Antiochia, heute Syrien. Und da strahlte dann so quer durch die heutige Türkei, damals Kleinasien, hoch bis Konstantinopel. Da ist

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heute Istanbul. Das hat alles bis dahin, bis heute eine große städtische Kontinuität. Das sind die Zentren Konstantinopel, Ephesus, Antiochia und Alexandria. So inzwischen denen gab es theologische Streitigkeiten. Aber diese theologischen Streitigkeiten waren schon immer auch Stellvertreterkriege für Macht und Einfluss. Und das sind Dinge, die im Umfeld dieses Konzils eine große Rolle spielen. Um nur eine Sache aufzugreifen. Zwei Jahre vor dieser Einigung fand ein Konzil in Ephesus statt. 449. Es ist ein berüchtigtes Konzil. Darüber wird in Kirchengeschichts Vorlesungen immer gerne ausführlich und gründlich erzählt, weil das so schön skandalös ist alles. Es ist ein Konzil, was später als Räuber-Synode in die Geschichte einging. Da gab es eine Gruppe, die sehr laut und intensiv dafür gekämpft hat, wir müssen jetzt endlich mal klarkommen mit Jesus und wir müssen festhalten am Bekenntnis, dass Jesus Gott ist, dass er wahrer Gott ist und dass

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er eine einzige Natur hat, nämlich die göttliche. Und da gab es Widerstand aus manchen Richtungen, aus Antiochia und Konstantinopel und so, die gesagt haben, ja, aber er ist doch auch Mensch. So und da haben sie gesagt, ja, es ist Gott, der als Mensch erscheint. Aber was ist er im Wesen? Im Wesen ist er Gott. Punkt Schluss aus. So und da haben die nicht gesessen und diskutiert und geredet und so, sondern die Historiker sagen, da sind prügelnde Mönchsorden aufeinander losgegangen, die mit Stöcken und Steinen einander geschlagen haben. Und der Bischof von Konstantinopel, der wurde zusammengeschlagen. Den hat man fast tot geprügelt auf dieser Synode. Man hat die Armee damit zu Hilfe genommen. Die eine Partei aus Ägypten vor allem hatte die Mehrheit, die hat die Armee mobilisiert und die Gegner wurden geprügelt, wenn sie was gesagt haben. Man hat den Menschen geschnappt. Man hat ihn erniedrigt. Man hat ihn seines Amtes erhoben. Man hat ihm

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verbannt. Er ist im selben Jahr noch gestorben an den Folgen des Zusammengeschlagenwerdens auf dieser Synode. So der Bischof von Konstantinopel. Und dann hat man unter Tränen, Jubel, Gebeten und Gottesdienstlichen Feiern die Wahrheit zelebriert, dass man sich durchgesetzt hat, der Herr Jesus ist göttlicher Natur. Halleluja, preiset den Herrn. Das hat denen, die da nicht gewonnen hatten, aber nicht sehr viel Überzeugung eingeflößt. Also auch in Rom dachte man, ja, das geht so nicht. In Rom sagte man, das war eine Räuber-Synode. Also so kann man es jetzt wirklich nicht machen. Das geht gar nicht. Und im Grunde war zwei Jahre später Kalzadon das Rückspiel. So, das war die Revanche. Man wollte jetzt im Grunde die ganze Sache noch mal umdrehen, aber ihr ahnt ein Rückspiel, wo im Hinspiel Leute zu Tode gekommen sind. Und so, da ist auch viel Gift in der Luft. So, und es war dann viel Strategie und dies und das. Und es gab Formeln und

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dann kam aus Rom ein Vorschlag und dann war auf einmal jemand für diesen römischen Vorschlag, obwohl er sein Leben lang was anderes gesagt hat, weil er das Gefühl hatte, wenn ich den römischen Vorschlag mit unterstütze, dann hilft mir das im Ränkespiel zwischen Konstantinopel, Antioch, Alexandria und so weiter. All das spielt da mit rein. Das sollte man wissen oder man sollte es nicht verheimlichen. Es gibt Leute, die sind nach solchen Geschichten fertig mit dem Ganzen und sagen, was kann dabei rausgekommen sein, ich will nichts mit denen zu tun haben. Naja, das Leben ist oft so. So, also nicht so schlimm zum Glück, aber die Reformatoren, naja, auch unsere Reformatoren haben sich teilweise dafür eingesetzt, dass ihre Gegner zu Tode kommen. So, es wurden auch in Genf Menschen auf dem Marktplatz verbrannt. Auch Luther hat zugestimmt, radikale Reformatoren zu Tode zu

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foltern. So, das Christentum ist tief beschmutzt und tief getrübt durch solche Macht- und Ränkespiele, die bis in grausamste körperliche Gewalt hinein gingen. Es gibt kein Christentum ohne solche schmerzhafte Schuld- und Versagungsgeschichten. Weiter muss man wissen, in Calcedon, die Stimmung war jetzt nicht brillant. Da war irgendwie eine Reihe von Mischstimmigkeiten, eine Reihe von Verdächtigungen unterwegs. Viele wollten auch nicht unbedingt eine Entscheidung treffen. Es war einzelnen Theologen seit dem vierten Jahrhundert klar, wir haben die Büchse der Pandora geöffnet, die Idee, dass wir jetzt eine Formel kriegen, die das löst, das kann man nicht jedes Mal machen. Wir haben im vierten Jahrhundert irgendwann so das gehabt, ein Wort, keiner versteht es, am Ende einigt man sich darauf, dass dieses Wort im Grunde das bezeichnet, was sich nicht fassen lässt. Und

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gut, wir können das jetzt nicht jedes Jahrhundert probieren. Es gab viele, die gesagt haben, bloß kein neues Dogma, bloß keine neue Formel, lass uns doch in irgendeiner Weise einen Schritt zurück machen, lass uns doch anbeten, was man nicht begreifen und begrifflich entfalten kann. Es war schon so eine Grundstimmung. Es gab aber auch einen gewissen politischen Druck zu sagen, nix da, wir wollen wieder eine Formel, wir wollen es geklärt, wir wollen eine Lösung und das muss dann jeder unterschreiben und wer das nicht unterschreibt, raus, immer diese ganze Schreibereien und so, wir brauchen hier Ruhe, Frieden, klare Bekenntnisgrundlage, dann kommen wir klar. Das Christentum insgesamt durchläuft im fünften Jahrhundert eine nicht überaus rühmliche Entwicklung. Es wird immer unfähiger, Abweichungen vom eigenen Recht haben auszuhalten. Und das trifft

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viele, das trifft Juden zum Beispiel. Ganz am Anfang, das Christentum, was als verfolgte Religion auf einmal eine erlaubte Religion war, Jubel, Trubel, Glückseligkeit, Freudentränen und so. Und dann braucht man nicht sehr viele Jahrzehnte, um zu sagen, warum sollten wir nicht mal andere verfolgen. Man sagt nicht, warum sollten wir nicht mal andere verfolgen. Nein, so sagt man nie. So selbst durchsichtig ist man sich nicht. Man sagt, wir können doch nicht den Widerspruch gegen die Wahrheit dulden. Wenn wir den Widerspruch gegen die Wahrheit dulden, wie viele werden dadurch verführt. Wir retten zukünftige Seelen, indem wir den Widerspruch gegen die Wahrheit gründlich ausmerzen. Und dann verfolgt man andere, aber man sagt, es tut mir ja auch leid, dass man hier jetzt die Juden irgendwie die Synagoge verbrennt und ein paar Totschläge. Also irgendwie menschlich,

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tut es mir leid, aber kann ja nicht sein, dass die ihre Irrtümer und so hier immer weiter in die Luft pusten. Und somit heiden und mit solchen, die man für Ketzer gehalten hat und solche, die nicht auf drei das richtige Wort hatten und die richtige Formel. Man wurde immer mehr bereit, andere Menschen auszugrenzen, zu unterdrücken, mit Gewalt zu bedrohen, mit Androhung der Todesstrafe zu zwingen, das zu bekennen und zu unterschreiben, was als die Wahrheit galt. Im Grunde findet ein Prozess statt, wo eine zunehmende Konstantinisierung des Jesus-Bildes stattfindet. Mit Konstantinisierung möchte ich nicht den Kaiser Konstantin anschwärzen. Das ist der erste, der das Christentum als erlaubt dargestellt hat. Der ist sehr differenziert zu beurteilen und da kann man sehr viel Positives und Kritisches und Ambivalentisches und Gemischtes sagen. Nein, ich meine die Tendenz, die Tendenz, dass das Christentum innerhalb eines Jahrhunderts Staatsreligion wird, einen ungeheuren Rollenwechsel

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durchläuft, vom Glauben der Armen, der Kleinen, Geringen, der Schwachen, der Unterdrückten hin zu den Stützen der Gesellschaft, zu einer kaiserlichen Religion, zu einer hoheitlichen Religion, zur Religion, die auf der Seite der Mächtigen, der Säulen der Gesellschaft steht. Und das findet innerhalb eines Jahrhunderts ziemlich vollständig statt und diese Konstantinisierung des Jesus- Verständnisses ist ein sehr schmerzhafter und aus heutiger Sicht auch sehr trübe stimmender Prozess. All das spielt mit rein. Und es gibt eine starke Tendenz, den Jesus der kleinen Leute, den Jesus der Prostituierten und der Zöllner und der Sünder und der Zaccheus-Menschen immer mehr aus dem Blick zu verlieren. All das spielt rein. Man hat diese Formel gefunden, war dann Frieden?

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Naja, eine ganze Reihe von Kirchen haben sich aus der Christenheit damals verabschiedet. Die ägyptischen Christen hatten nach dieser Formel das Gefühl, das war's, wir sind raus. Die koptischen Christen sind diesen Weg nicht mitgegangen. Die koptischen Christen, hört man manchmal Leute im Radio, Fernsehen und so, sind die Nachfahren der ägyptischen Christenheit. Die haben das nie akzeptiert, die haben diese Lösung immer für falsch gehalten. So die syrischen Christen, die armenischen Christen, die ädiopischen Christen. Es gibt eine ganze Reihe von Christen, die damals gesagt haben, das war's, wir sind nicht mehr dabei. Es gab eine Einigung zwischen Ost und West, zwischen Rom und Konstantinopel. Man hat die Mehrheit mit Karlsdorern gewonnen, aber man hat erhebliche Abbrüche gehabt im Südosten und die waren massiv. Denn das alles gehörte zum römischen

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Reich. Das politische Machtzentrum des römischen Reichs war überwiegend Konstantinopel und diese Christen, die nicht mehr auf Linie waren, waren innere Abweichler. Die hatten manches von ihren lieben christlichen Geschwistern zu erdulden. Und manchmal, wenn man sich fragt, wie kommt es eigentlich, dass sich im siebten Jahrhundert der Islam so schnell, so rasant ausbreitet? Wie kommt das, dass die da aus der arabischen Wüste auf einmal zack fährt sich die Landkarte grün nach Westen und nach Norden und so? Naja, die Landkarte fährt sich grün, vor allem auch in diesen Gebieten der orientalischen Christen, weil gar nicht wenige orientalische Christen irgendwann auch sagten, naja, dann lieber unter islamischer Herrschaft als unter reichskristlicher Herrschaft. Es gab Christen, die unter dem Islam mehr Toleranz und mehr Freiheit erlebt haben als unter der Reichskirche. Kann man manchmal kurz drüber nachdenken und überhaupt. So, all das sind

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Folgeerscheinungen dieser, dieses Dogmas von Calzedon. Man muss auch sagen, die Fragen gingen immer weiter. Jetzt hatte man es also gesagt, Jesus ist irgendwie wesensgleich mit Gott und wesensgleich mit uns Menschen, wahrer Mensch und wahrer Gott. Gut, er ist einer und zwei. Schön. Was heißt das jetzt eigentlich? Also eine ganz schlichte Frage. Er ist einer und zwei. Hat er jetzt zwei Willen oder hat er einen Willen? Können ja mal eine kleine Umfrage machen. Vor mir sitzen 600 Menschen, das ist ja fast repräsentativ. Ich stelle drei Optionen zur Verfügung. Hat dieser Jesus jetzt einen Willen oder hat er zwei Willen oder dritte Optionen, weiß ich gerade auch nicht.

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Fangen wir mal an. Wer wird sagen, weiß ich gerade auch nicht. Ja, das sind relativ viele. Das war jetzt die Hälfte. Wer wird sagen, er hat einen Willen? Das sind genauso viele. Wer würde sagen, er hatte zwei Willen? Das ist sehr lustig. Also es war jetzt eine sehr kleine Minderheit. Von den 600 Leuten waren das höchstens 20. Herzlichen Glückwunsch. Ihr seid die einzig Rechtgläubigen, die anderen sind Theoretiker. Sehr schön. Genau, das war jetzt schön. Gut. Ja, das war die Fortsetzung nämlich des ganzen Streits. Große Diskussion. Monotheletischer Streit und monenergistischer Streit. Eine andere Variante der Frage war, hat er eine Energea oder hat er zwei? So eine Energie, das gibt es heute gar nicht mehr so richtig. So, weil man jetzt ganz schlicht fragen wollte, was heißt das denn auf der Ebene des Menschseins? Wird das jetzt verdoppelt alles oder ist es einmal da? So, und man hat diese kalzodonensische Formel dann ernst genommen,

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gesagt, nee, wenn wir sagen, eins, dann sind wir wieder da, wo Apollinaris von Laodicea im vierten Jahrhundert gewesen ist. Dann sind wir wieder beim Avatar-Modell. Da wollen wir aber nicht hin. Also müssen wir, wenn wir zwei Naturlehre sagen, auch sagen zwei Energien, zwei Villen. Ja, aber man merkt so ein bisschen, das ist alles so, es dreht sich im Kopf, man kriegt wieder Spannungskopfschmerzen oder so und das haben viele gekriegt und das sind so Entscheidungen, die im Osten konnten da nicht genug kriegen. Im Westen hat man irgendwann gesagt, lass die mal machen, die Leute da im Osten, da hängt auch mit dem Klima zusammen, da ist es noch heißer oder so. Das ist alles sehr schwierig. Das sind offizielle ökumenisch anerkannte Konzilsentscheidungen. 681 wird das festgelegt. In vielen Kliniken ist es verbindlich, dass er zwei Villen hat, aber so eine gewisse Großzügigkeit. Die kleine Umfrage hier hat ja gezeigt, die allermeisten sind gar nicht so orthodox, wie sie vielleicht noch gedacht haben, als sie hier am Anfang reingekommen sind oder so.

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Ja, so, jetzt habe ich uns erst mal Probleme gemacht. Ist doch immer schön. Nehmen wir das mal ernst. Es ist alles komplex und schwierig und so. Und jetzt möchte ich aber einen zweiten Weg beginnen und noch mal würdigend fragen, ist denn da irgendwas rausgekommen, womit man noch was anfangen kann? Ist das alles irgendwie, war das alles ein totales Desaster und hätte man im Grunde bei denen bleiben sollen, die alle beschworen haben, hört auf mit diesen Formeln. Wir kriegen das nie mehr eingefangen. Das hört nie wieder auf. Oder ist da irgendwas geklärt worden? Ich möchte noch mal zurück an den Punkt, wo wir etwas erstaunend zur Kenntnis genommen haben, ein komisches Bekenntnis an der Stelle, wo man jetzt erwartet, die hauen wieder ein Wort raus. Da machen die einen anderen Move. Da machen die keine positive Setzung, wie es ist, sondern sie

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machen vier Abgrenzungen, zweimal zwei Abgrenzungen in zwei Richtungen. Und an der Stelle machen wir uns noch mal ein bisschen klar. Es geht an dieser zentralen Stelle darum zu sagen, es ist ein Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, eine Person in zwei Naturen und das Verhältnis ist unvermischt und unverwandelt, ungetrennt und ungesondert. Was hier stattfindet, ist im Grunde, dass man sich in zwei Richtungen abgrenzt. Gucken wir uns die noch mal näher an. Die eine Abgrenzung, man grenzt sich gegen die ab, die sagen, Jesus ist der Gott Mensch, so dass er das Menschsein, die menschliche Natur in irgendeiner Weise in sich hinein saugt, in sich hinein absorbiert und dass er eine göttliche Person ist, die das Menschliche im Grunde in sich aufgelöst

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hat wie Milch in Kaffee. So und es ist aber eben der Gott als Mensch. Das wird abgelehnt. Das nannte man damals Monophysitismus, das heißt, na so was nennt die Forschung Monophysitismus, die Forschung und das war in Alexandria ein sehr starker Trend. In Alexandria konnte man die Gottheit Christi nicht hoch genug hängen. Da gab es eine lange Tradition, Athanasius, Kyrill, die haben immer dafür gefochten, an der Gottheit Christi 0,0 abzuschneiden. Und dieser Monophysitismus, er hat eine Natur, er ist Gott als Mensch, der wird in Calzedon verworfen. Das wird abgelehnt. Ich glaube, dass heutzutage in der christlichen Volksfrömmigkeit recht viele liebe Christen monophysitisch unterwegs sind. So Menschen, für die das ganz wichtig ist, Jesus ist Gott und für

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die das ganz klar ist und ganz spannungsfrei und die sagen, er ist Gott und er ist mein Herr und ich verehre ihn als Gott und ich bete ihn als Gott an und für die das sehr glatt und einfach ist. Das ist im strengen Sinne Heresie. Wenn man das so einfach hinstellt, das ist nicht das traditionelle orthodoxe Christentum, zumindest wie sich in der Mehrheit durchgesetzt hat. Das wird ausdrücklich abgelehnt, unvermischt und unverwandelt. Man lehnt es ab, dass im Grunde die Menschheit aufgeht in der Gottheit und von ihr übernommen wird. Insofern sagt man zwei Natur Mensch. Er ist absolut Mensch und wir wollen an der Menschheit genauso wenig abbrechen wie an der Gottheit. Das setzt sich hier wirklich durch gegen die, die vor allem immer das Gottsein hochhalten. So und in die andere Richtung macht man dann aber eine weitere Abgrenzung. Man

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sagt ungetrennt und ungesondert. Die alexandrinische Angst war immer im Blick auf Antiochia. In Antiochia hat man immer gesagt, er ist Gott und er ist Mensch und ihr Lieben vergesst das Menschsein nicht. Wenn wir das Menschsein verlieren, ja dann kommen wir mit den biblischen Texten nicht mehr zurecht. Er ist Mensch. Das unterscheidet ihn doch von allen Halbgöttern. Die Welt ist voller Halbgötter. Herkules. Die Welt ist voller Götter, die als Mensch erscheinen. Das macht Zeus ständig. Ständig erscheint irgendein Gott als Mensch. Das ist ja Alltag. Und das ist nicht Jesus. Das ist er nicht. Er ist Mensch. Mensch wie die ganzen Götter der Heiden, der Griechen, der Römer und wer weiß wo alles her ist, nie waren. Die konnten ständig als Mensch erscheinen. Aber dass Jesus Mensch ist, das ist das Besondere. Und sie haben dann gesagt, er ist Gott und Mensch beides, so dass man dann aber in Alexandrin dachte, ja Moment, wird das jetzt hier so eine Patekstheologie? Wird das jetzt so,

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sind das so zwei Bretter, die aneinander geleimt sind? Ist das einfach so Gott und Mensch und das ist irgendwie so in eins gezwungen? Das kommt uns gespalten vor. Das kommt uns schizophren vor. Mit so einem Doppelkopf können wir nichts anfangen. Wir wollen doch da nicht irgendeinen Doppelkopf anbeten, sondern den einen Herrn. So und diese Trennung, diese Spaltung wird in Calzedon auch abgelehnt. Machen wir uns das noch mal ein bisschen plastisch vor Augen. Was hat das für Konsequenzen beim Bibel lesen? Ihr alle kennt die Geschichte von Gethsemane. An der Geschichte kann man sich da schön deutlich machen, wo Jesus mit Petrus, Jakobus und Johannes sich in diesen Garten zurückzieht. Und dann heißt es, er fing an zu zittern und zu zagen. Lukas beschreibt es so, dass Jesus ringt und dass ihm Schweißtropfen wie Blut auf den Boden fallen. Also im Grunde ist das

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Erscheinung einer Panikattacke. Jesus hat hier eine Panikattacke. Es geht ihm richtig, richtig mies. So und dann betet er dreimal. Er sagt erst, meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Und er wirft sich vor Gott nieder und sagt, aber Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir. Um dann zu sagen, doch nicht, was ich will, sondern was du willst. So, wie liest man diese Geschichte je nach Brille? Die einen, also die aus Antiochia, Nestorius war hier der wichtigste Sprecher, die lasen das so und sagt, naja, Jesus ist Gott und Mensch und jetzt müssen wir genau aufpassen. Der Menschheit nach hat er Angst. Der Gottheit nach ist er im himmlischen Frieden. Der Menschheit nach sagt er, meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Das spricht die menschliche Natur in Christus.

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Und dann wirft er sich vor Gott seinem Vater nieder und die menschliche Natur in ihm spricht, nimm diesen Kelch von mir. Und dann wird die göttliche Natur in ihm regeln und sagt, doch nicht, was ich will, sondern was du willst. So, und da sagt Ndin Alexandria, das könnt ihr nicht machen. Das macht uns wahnsinnig. Das geht nicht. Wollen wir ständig in der Predigt das so machen? Da hängt er am Kreuz und sagt, mich dürstet, Klammer auf, spricht die menschliche Natur. Dann sagt er, es ist vollbracht, Klammer auf, spricht die göttliche Natur. Das macht uns wahnsinnig. Nein, das könnt ihr nicht machen. Ihr haut diese ganzen Geschichten kaputt. Ihr haut da ständig einen Keil rein und bei jeder Geschichte sind wir raus. Wir kommen da nicht mehr rein. Es muss der eine Herr sein. So, die Antiochener fragen die Alexandriner, was ist euer Angebot? Wie lest ihr diese Geschichte? Ihr, die mit eurer göttlichen Natur Jesus versteht. Die sagen ja, es war nicht

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die Lieblingsgeschichte der Alexandriner. Die mochten das Johannesevangelium sowieso viel lieber als die Synoptiker. Und sie sagen ja, er fing an zu zittern und zu zagen. Jetzt, es ist Gott, es ist Gott. Und Gott verhält sich so an dieser Stelle, wie sich ein Mensch verhalten würde. Er tut das, was hier einem, was ein Mensch tun würde. Das tut er halt. Er ist nicht wirklich in Panik. Gott kriegt doch keine Panikattacke. So und er bittet nicht wirklich, Vater, lass diesen Kelch an mir vorüberziehen. Er ist der ewige Sohn. Er ist der ewige Sohn vom Vater gezeugt, in Ewigkeit Mensch geworden, um für uns sein Leben hinzu. Was soll es denn sein, dass er da auf einmal Panikattacke bekommt und sagt, lass diesen Kelch an mir vorüberziehen? Nein, er tut, was man als Mensch tun würde. Die Antiochener sagten, das meinte er nicht im Ernst. Meint ihr,

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dass das war ja alles irgendwie eine Performance? Sollen wir das gesamte Neue Testament so lesen, dass Jesus sagt, ah ja, ich sollte mal wieder so tun, als hätte ich Durst. Mich dürstet und so. Nein, das ist doch keine Performance. Das ist doch keine Geschichte mehr. Wenn ich ständig hier einen Gott betrachten soll, der ständig darauf aufpassen muss, dass sein Tarnumhang nicht verrutscht und er sich so verhält, wie sich ein Mensch verhalten würde, dass da nicht alle nervös werden und nicht anfangen, die Falschen aus opportunistischen Gründen ihn anzubeten, weil sie auf einmal merken, hey, das ist ja ein Gott und so. Und deswegen muss er sich tarnen als Mensch. Nein, nein, nein. So das waren die Deutungen, die ihm im Raum standen. Man kann es an dieser Geschichte sich besonders plastisch vor Augen führen. Und die in Calzadon haben das hin und her geguckt und irgendwann gesagt, wir kommen nicht mehr raus, wir brauchen eine Lösung, wir müssen das irgendwie abschließen. Was machen wir? Diese beiden Lösungen streichen wir durch.

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Wir streichen die Trennungskristologie durch und wir streichen die radikale Vereinigungskristologie durch. Und damit streichen wir zwei Lösungen durch, die sich irgendwie denken lassen. Denn na ja, das kann man denken. Man kann zwei Natur zusammengeleimt, irgendwas sieht doof aus, aber man kann es sich denken. Natürlich kann man sich auch denken, ein Gott, der sich die Menschheit einverleibt, wie der Kaffee, die Milch. Irgendwie gibt man sich Mühe. Diese logischen Auswege streichen wir durch. Und was setzen wir an die Stelle dessen? Einfach nichts. Wir lassen das, was ist, die unanschauliche Mitte sein. Das unsagbare Geheimnis, das Licht, was niemand direkt ansehen kann. Den Namen Gottes, der unaussprechlich ist. Wir machen es im Grunde wie

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in Nicea Constantinopel. Damals haben wir ein Wort gefunden, um uns vor dem unsagbaren Geheimnis zu verbeugen. Jetzt machen wir es durch lauter Abgrenzung, Ähnlich und Lassen. Das, was wir glauben, unsagbar. So, dass wir uns von zwei einfachen Lösungen abgrenzen und damit gleichzeitig zwei Anliegen retten. Wir retten das Anliegen, dass Jesus Mensch ist. 100 Prozent, 99 Prozent ist zu wenig. 100 Prozent. Wir wollen, dass Jesus Mensch ist. Festhalten, dass dann nicht ein Gott so tut, als wäre er Mensch. So dieses Geheimnis, dass er Mensch ist und dass wir diese Texte lesen und vom Menschen Jesus von Nazareth reden, das muss festgehalten werden. Und wir wollen das andere

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Bekenntnis festhalten, dass uns hier Gott gegenüber tritt. Dieses Bekenntnis des Thomas, mein Herr und mein Gott, das wollen wir festhalten. Wir retten diese beiden Anliegen und wir streichen die einfachen logischen Zusammensetzungen dieser beiden Hälften durch. Und jetzt mache ich einfach mal den Vorschlag zu sagen Respekt. Also es gibt tausend schlechtere Möglichkeiten, mit großen Problemen umzugehen, als sich hier tatsächlich darauf zu einigen, dass man es nicht weiter aufhellen und aufklären kann. Denn was macht man hier? Man entscheidet sich lieber für eine stammelnde Theologie, die in ihrer Mitte vor einem Fragezeichen steht, als dass man eine klare, fließende,

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klappernde Richtigkeitstheologie hat. Lieber eine stammelnde, stotternde, lispellende Theologie voller Ehrfurcht und Bescheidenheit als ein großes Pochen auf endgültige Lösung und Wahrheit. Das hat Stil. Das hat Größe. Denn hier wird auch etwas deutlich. Christentum ist nie Formeln Glauben. Christentum geht nie darin auf, Bekenntnissätze, Dogmen als solche für wahr zu halten und darin den Kern seiner Religion zu sehen. Christentum ist immer ein Glaube an Gott, an Gottvater, an Jesus, an den Geist und damit immer Glaube an jemanden, der größer und höher und unfassbarer ist als die Worte reichen und von dem doch gesprochen werden muss, erzählt werden muss,

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bezeugt werden muss. Und das wird hier so formuliert, dass dieses Dogma gar kein Glaubengegenstand sein kann, sondern dass dieses Dogma eine Verneigung des Denkens ist vor einem Geheimnis, was größer ist als alles, was gedacht werden kann. So, das ist eine sehr stilvolle Deutung, es so zu machen. Alles gut. Naja, von wegen alles gut. Von wegen. Das war ein Lösungsstand des fünften Jahrhunderts. Und jetzt gehen wir wieder in einem kleinen, etwas kürzeren Problemmodus. Jetzt könnte man ja sagen, ach du, das ist ja doch ganz schön. Das hat mich jetzt ein bisschen an Quantenphysik erinnert und so Sachen kommen ja manchmal vor und so und irgendwie. So, alles super. Also jetzt habe ich gar keine Probleme mehr. Jetzt bin ich wieder glücklich.

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Muss ich ein bisschen Essig in den Wein kippen? Es gibt viele schwerwiegende Gründe, selbst diese großartige Lösung jetzt nicht einfach zu sagen, ja, jetzt unterschreibe ich es doch, jetzt bin ich überzeugt oder so. Weil man hat damals mit Denkmitteln, mit Begriffen operiert, hinter denen wahnsinnig viel steht an Weltanschauung, an Philosophie. So, da steckt sehr, sehr viel hinter. Und das hat man heute einfach nicht mehr so. Ich mache es mal an einem Beispiel klar, dem Naturbegriff. Das ist ja hier wesentlich. Man sagt ein Christus, eine Person in zwei Naturen. Oder ich verdoppel gleich das Problem, das mit dem Personenbegriff ist auch sehr schwierig. Machen wir zunächst mal das ganze Personending uns nochmal klar. Man sagt, Gott ist dreieinig, ein Gott in drei Personen. Wenn man das mit einer heutigen Brille so hört, ein Gott in drei Personen,

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das musst du glauben, sonst bist du nicht dabei. Und dann sagt, ja, mache ich. Dann hat man automatisch eine Ressie im Kopf. Die hat man sich einfach so eingefangen. Warum? Weil, wer hier schnell sagt, ja, mache ich, fällt mir auch nicht schwer. Ich glaube sehr gern, alles, was wirklich wichtig ist. Naja, Person, was heißt Person? Der heutige Personenbegriff ist ein völlig anderer als damals. Damals Persona, das hieß Maske. Das war ein Begriff aus der Theaterwelt. Persona war im Grunde eine Art, eine Art Vergegenwärtigung, eine Darstellungsweise, eine Seinsweise. Es gibt kein gutes Wort dafür. Eine Hypostase, sagen wir mal. Ist alles schlecht, alles, was man sagen kann. Was ist heute Person? Das ist leichter. Naja, heute Person ist Persönlichkeit, ist ein Individuum. Ein Individuum klar abgegrenzt mit Grenzen. Ein Individuum ist immer anders als ein anderes.

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Das heißt, wer mit einem heutigen Personenbegriff der Formel ein Gott in drei Personen zustimmt, der denkt im Grunde drei Götter und will es nicht zugeben. Der heutige Personenbegriff führt notwendig zu drei Göttern. Das haben die aber dezidiert damals abgelehnt. Das heißt, diese ganze Formel ein Gott in drei Personen ist Heresi mit unserem Personenbegriff. Man muss sich im Grunde von dem verabschieden. Man muss im Grunde im Aussprechen der Formel immer mit sagen, es ist nicht das, was ich unter einer Person verstehe. Das Wort ist Platzhalter für das, was ich nicht meine, wenn ich das Wort im Alltag verwende. So, das machen sich nicht alle bewusst, die mit der Trinität auf du und du sind. Dasselbe oder ein anderes ähnliches Problem gibt es beim Naturbegriff. Was haben die Väter damals bekannt? Sie haben gesagt, Gott ist ins Fleisch gekommen,

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er ist Mensch geworden. Und dann haben sie gesagt, er hat die menschliche Natur angenommen. Und das war ihnen sehr wichtig. Sie wollten dezidiert nicht sagen, er hat einen Menschen angenommen. Das war nicht ihr Ding. Er hat die menschliche Natur als solche angenommen. Das war das Bekenntnis. Und dafür hat man extrem gekämpft. Und darum durfte an der menschlichen Natur auch nichts abgebrochen werden. Eine wichtige Formel war immer, was nicht angenommen ist, ist nicht erlöst. Darum kann man nicht die menschliche Natur reduzieren und sagen, damit meinen wir den Körper, die Gefühle und so weiter. Die Geistseel, das ist der ewige Logos. Dann sind wir nicht erlöst. Die menschliche Natur wurde angenommen, ein für alle Mal. Und jetzt nicht für 30 Jahre. Nicht so wie bei Avatar. 30 Jahre war er da, dann Kreuzigung und dann lässt er die menschliche Natur hier zurück. Wie soll

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man aufgetragenes Kleid? Nein, die menschliche Natur kehrt ein in Gott. Das ist die orthodoxe Lehre, dass Gott jetzt Vater, Sohn und heiliger Geist, die Einheit von göttlicher und menschlicher Natur ist, jetzt und ewig. Und das war denen extrem wichtig. Darum war das Hochfest des Jahres Weihnachten. Und Weihnachten war das ganz Entscheidende, das Wesentliche, das Zentrale. Es ging hier wirklich um die Menschwerdung Gottes, um die Annahme der menschlichen Natur. Und jetzt gibt es da ein Problem, um das denken zu können, was ich gerade gesagt habe. Muss man im Grunde Folgendes machen. Man muss die menschliche Natur nicht nur als Wortausdruck nehmen, also man muss sehr realistisch setzen, dass dieser Allgemeinbegriff menschliche Natur real ist, dass er realer ist als jedes einzige Exemplar von Mensch. Das ist ein Hintergrund und das war für

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die damals war das selbstverständlich. Das Allgemeine hat Vorrang vor dem Individuellen. Alles Individuelle ist insofern es Anteil hat am jeweils Allgemeinen. Das Allgemeine ist das Ewige und das Individuelle ist das Zeitliche, das Kontingente, das Zufällige und so hat einen minderen Seinsrang. In den letzten fünf, 600 Jahren ist in unser aller Geist und Gehirn, was passiert? Wir haben diese Voraussetzung aufgegeben. Es mag jemand sagen, ich nicht, ich wurde gar nicht gefragt oder so. Ja, aber doch, du auch. Du auch. Das ist ein sehr großer Prozess, dass dieser Vorrang des Allgemeinen vor dem Individuellen auf dem Weg zur neuzeitlichen Welt völlig umgekehrt wird, sodass in der Neuzeit das Individuelle das Reale ist und die Allgemeinbegriffe

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gelten als Abstraktionen, die wir bilden. Die gibt es gar nicht. Wir bilden sie auf Grundlage von individuellen Entitäten, Individualitäten, die da sind. Und so denken die Reformatoren bereits. So und alle, alle neuzeitlichen Denker von Rang denken so und so denken ganz viele. Und das ist zum Beispiel ein Grund, warum im neuzeitlichen Christentum viele mit den Sakramenten gar nicht mehr so richtig warm werden. So sie, sie haben große Probleme zu verstehen, warum die Taufe eines Säuglings verwandelnde Kraft haben soll, warum Brot und Wein, in denen Christus präsent ist, heilende, erlösende, vergebende Gewalt hat, warum Weihnachten etwas ist, was mich, mein Sein, meine Realität verändert. In der Neuzeit ist immer dies. Verändern tut sich meine Situation doch, wenn ich zum Glauben komme. Solange ich mich nicht bekehre, solange ich nicht glaube, solange nicht

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in meinem Bewusstsein etwas passiert, ist in mir nichts passiert. Das hat mit dieser großen Umstellung zu tun. So, das heißt aber auch, das Bekenntnis von damals, dass die menschliche Natur als solche angenommen ist, hat Denkvoraussetzungen, hat einen Denk-Hintergrund, der so gar nicht mehr vorhanden ist, der gar nicht mehr verfügbar ist. Wer das so hört und liest und nachspricht und sagt, glaube ich, macht sich was vor. Man kann da nicht einfach irgendwie sagen, da werde ich jetzt mal wieder Realist, ansonsten bin ich Nominalist. So heißen nicht die beiden Denkweisen. Das ist in der Regel Indiz für Denkfaulheit, dass man diesen Dingern nie wirklich nachgedacht hat. Die damalige Denk- und Redeweise von Natur und Person und Erscheinung und Gottheit und Menschheit hat einen großen metaphysischen, philosophischen Hintergrund, der heute vollständig gewandelt ist.

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Insofern kann es nicht darum gehen zu sagen, Calcedon, glauben wir das fröhlich weiter. Die Frage ist, können wir das, was da gesagt und gemeint ist, können wir in irgendeiner Art kritischen Treue und Loyalität es weiterdenken? Können wir in diese Richtung die Spur fortsetzen? Finden wir heute andere Wege und Möglichkeiten, wo wir sehen, wir denken heute anders als die, wir reden heute anders, wir haben andere Sprachen, wir haben andere weltanschauliche Hintergründe, wir haben andere Brillen auf und wir tragen wirklich andere Brillen und können uns darauf nicht betrügen, aber lässt sich mit unserer Brille vielleicht etwas sehen, was dazu in einem Verhältnis der Kontinuität steht. Das ist die heutige Herausforderung. So, alles andere ist im Grunde eine Art Opfer des Verstandes, der versucht, Dingen zuzustimmen, so dass es einem im Grunde nur

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um die eigene Zustimmung geht, nicht zur Sache, sondern um blinden Gehorsam, um blinde Konformität zu formeln, die man gar nicht ernst meint, die man gar nicht zu denken versucht, die man auch gar nicht zu verstehen versucht, wo man im Grunde aus bloßem Konfirmismus Dinge hochhält, ohne sie auch nur ansatzweise zu verstehen oder auch nur im Ernst zu denken zu versuchen. Das ist der letzte Gang, den ich jetzt gehen möchte. Wie machen es denn heutige Theologen? Und das werde ich jetzt so machen, dass ich verschiedene neuere theologische Ansätze sehr grob ein bisschen zusammenfasse, also Leute wie Karl Barth und Wolfhard Pannenberg und Michael Welker und Jürgen Moldmann und so weiter. Keiner von denen würde sich in dem wiedererkennen, was ich jetzt mache, weil ich es im Grunde grob vermische und so, dass man es jetzt wirklich in einer Viertelstunde noch sagen kann,

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aber man könnte da nachlesen, eine ganze Reihe von Theologen stellen sich dieser Herausforderung, wie können wir heute trinitarisch denken und glauben im Anschluss an dem, was da war. So, und ich möchte es in drei Schritten tun und die ersten Schritte machen wir zügig. Wir nehmen heute wahr, wir fangen nicht da an, wo die Väter angefangen haben. Wir können heute nicht sagen, das erste, was schon mal feststeht, ist der war Gott, sondern als Menschen heute sagen wir, das erste, was schon mal feststeht, war der war Mensch. Da fangen wir an und davon wollen wir in Übereinstimmung mit den alten Vätern 0,0 abstreichen und wir werden unter heutigen Gedingungen das gewissenhafter und gründlicher und härter tun als die. Und wir wollen ernst nehmen, dass Jesus von Nazareth wirklich Mensch war, der wirklich in eine Panikattacke geriet und wirklich gerungen hat

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mit Gott und es wirklich spitz auf Knopf stand und er wirklich in namenloser Angst und Verzweiflung um seinen Weg gerungen hat. Und dass es wirklich auf dem Spiel stand, ob er Gott die Treue hält und ob er diesen Glauben durchhalten kann, dass Gott sein Vater ist, trotz allem Versagen und trotz allem Bösen und trotz aller Schuld und trotz aller Ungerechtigkeit, die sich da auftürmen. Und ich mache das an dieser Stelle kurz. An dieser Stelle wird 0,0 abgestrichen. Man muss die Evangelien lesen können als Berichte von Jesus von Nazareth. Punkt. So, und wir machen einen zweiten Weg. Was hat dieser Jesus gemacht? Er hat sein Leben radikal auf Gott gesetzt, ganz und gar. Und er hat es sich alles kosten lassen, sein Leben, seine Ehre, seine Würde,

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restlos alles. Wie verhält sich Gott dazu? Denn im Grunde gemeint war es ja als definitive Wiederlegung dieses Jesus. Kreuzigung ist ja nicht einfach ein Menschen beseitigen. So man kann ja Menschen auf sehr unterschiedliche Weise tot machen. Und die Römer wussten schon auch, Kopf abschlagen ist eine ziemlich humane Kiste. So, das wussten die, das Richtschwert, ein Kopf abtrennen, so das hätten sich im Zweifelsfall immer gewünscht oder so. Das ist eine saubere Sache. Und sie wussten natürlich, dass Kreuzigung extrem eklig und grauenhaft ist. Warum so etwas? Naja, man will einen Menschen brechen. Man will ihn kaputt machen. Man will ihn dahin kriegen, dass er winselt wie ein Kind, dass er weint und schreit und

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um sein Leben bettelt und um seinen Tod bettelt. Man will ihn kaputt machen, man will ihn brechen. Und man will nicht nur diesen Menschen brechen, man will auch die brechen, die mit diesen Menschen etwas verbindet. Man will jede Anziehungskraft, jedes Charisma vollständig auslöschen und seine Anhänger dahin kriegen, dass sie nie wieder seinen Namen nennen können, ohne sein Schreien und Winseln und sein Gebrochensein im Ohr zu haben. Dass aus diesem Namen und aus diesem Bild nie mehr irgendeine Kraft oder irgendein Antrieb hervorsteigt, irgendwie sich querzustellen. Und man will damit natürlich diesen Menschen und wofür er stand und alles, was er vertreten und geglaubt hat, endgültig auslöschen. Und es hat die Jünger soweit

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man sieht, gebrochen. Die allermeisten haben es nicht ausgehalten, an seinem Kreuz zu stehen. Da standen einige wenige Frauen. So, sie sind verschwunden, sie sind gegangen, sie haben nicht mal mehr einander ausgehalten. So, wie stellt sich Gott zudem? Was, das ist er gebrochen? Der ganze Auferstehungsglaube ist vor allem dies, das Bekenntnis der Jünger dazu, Gott hat diese Brechung aufgehoben, durchgestrichen. Gott hat sich zu diesem Jesus von Nazareth bekannt. Er hat von seiner Seite aus Ja gesagt zu diesem Sohn, so wie Jesus Gott ganz und gar als seinen Vater verkündet hat, so hat Gott diesen Jesus von Nazareth ganz und gar

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als seinen Sohn hingestellt und aufgerichtet und auferweckt und sich zu ihm bekannt. Man könnte es jetzt so drehen, damit hat Gott die Botschaft dieses Jesus von Nazareth ins Recht gesetzt, bestätigt, bekräftigt, bewahrheitet, beglaubigt. Und so könnte man sagen, Jesus von Nazareth war wirklich der von Gott Gesamte, der Beauftragte, Messias, Prophet, Menschensohn, alles oder auch nichts. Nichts ist groß genug dafür. Er war der letzte Zeuge. Er war der Sohn, das Gegenüber zu Gott und in ihm finden wir Gott. Und er hat Gott gezeigt, wie er ist. Und so wie Jesus Gott erzählt hat, in seinen Gleichnissen, so ist Gott. So machen es heute viele. In vielen Theologien, in vielerlei christlicher Verkündigung ist das eine heutige

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Gestalt im christlichen Glauben. Auferweckung Jesu heißt, Jesus hat Recht behalten, egal wie die Auferweckung im Detail war, aber er ist ins Recht gesetzt und wir finden Gott in Jesus und Gott hat sich in Jesus gezeigt. Und man liebt dann solche Formulierungen. Gott hat sich in Christus offenbart oder Gott hat in Christus sein Gesicht gezeigt oder Gott hat in Jesus von Nazareth sich zugänglich gemacht. Oder wenn wir auf Jesus schauen, dann finden wir Gott. Ich würde sagen, das ist das heutige Mehrheitschristentum. Und viele würden sagen, das ist die Art und Weise, wie wir im Grunde heute in Tradition stehen des alten Christentums, so dass Gott sich in Jesus von Nazareth offenbart hat. Ich möchte einen dritten Schritt machen. Es gibt schon auch noch eine Reihe von Theologen, die heute

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sagen, das war alles nicht falsch und wir wollen das jetzt auch nicht irgendwie als Heresie diffamieren oder sonst wie. Da müssen sich erstmal alle so weit Gedanken machen, dass sie verstehen, warum man das so sagt und nicht einfach Formeln nachspricht, die man nicht wirklich begreift. Aber vielleicht muss man doch einen Schritt weiter gehen. Ja, erstens, Gott hat sich ganz und gar, Jesus hat sich ganz und gar zu Gott bekannt und Gott hat sich ganz und gar zu Jesus bekannt. Was heißt das denn für Gottes Gottsein? Was heißt das denn für unser Gottesverständnis? Das bisherige Plateau nenne ich es jetzt mal. Das bisherige Plateau war eine Lösung. Gott hat sich in Jesus offenbart, so dass man sagt, Gott ist in diesem Menschen in irgendeiner Weise sichtbar geworden. So aber, dass wir Gott und Mensch ziemlich deutlich unterscheiden und wir sagen es nicht mehr so wie die in

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Calzedon, weil wir so viele Probleme haben mit der Natur und der Gottheit und der Person und dosier und Hypostase und alles irgendwie ausverkauft, diese ganzen Begriffe und so. Der dritte Schritt sagt nun, wenn es denn so ist, wir akzeptieren das als Plateau, dass Gott sich in Jesus offenbart. Was macht das mit den Worten Gott und Mensch? Kann man vielleicht noch einen Schritt weiter gehen und sagen, was meinen wir eigentlich, wenn wir Gott sagen? Wenn das so ist, dass Gott sich ganz und gar zu diesem Jesus von Nazareth bekennt, müssten wir dann nicht sagen, dass Gott schon immer, schon immer Vater ist im Blick auf diesen seinen Sohn. Also nicht so, dass da mal ein Mensch war und der war richtig super und Gott war selbst zu Tränen gerührt und hat gesagt, der ist es, besser wird es nicht mehr, zu

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dem bekenne ich mich jetzt, so, sondern dass dies, was ja so geschieht, dann aber doch von uns gedacht werden muss. Und das war schon immer Gottes Sein und Gottes Wesen und Gottes Wirklichkeit, dass Gott schon immer unterwegs war, dahin sich als Vater zu zeigen, so als Vater, dass dieses Vater sein nur von diesem Sohn her zu begreifen ist. Gott war schon immer der Vater Jesu Christi. Er wird nicht etwas Neues oder Anderes, weil da auf einmal ein Mensch ist, wo er sagt, Donnerwetter hätte ich nicht gedacht, dass man so weit kommen kann als Mensch. Nein, immer schon war er Vater. Und dann aber auch war er immer schon in sich dieses Gegenüber, immer schon diese Beziehung von Vater und Sohn. Und diese Gedanken, die fangen im Neuen Testament an. Es gibt manchmal Menschen, die so die Vorstellung

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haben, Jesus war am Anfang Jesus von Nazareth und damit waren auch alle glücklich und zufrieden und da waren auch alle und die ersten Christen waren ganz normale Leute. Und paar hundert Jahre später kamen böse, komische römische Kaiser auf die Idee zu sagen, lass uns den doch zu Gott machen. Dann ist er mir als Kaiser ein bisschen näher. Und wenn wir den zu Gott gemacht haben, haben wir diese komische kleine Leutebewegung Christentum gerettet als Stütze der Gesellschaft. Also Vergottung Christi, ein imperiales Projekt. So was kann man hier und da lesen. Das ist dezidiert und definitiv völlig falsch. So, bevor auch nur eine einzige Schrift des Neuen Testaments verfasst ist, sind frühe Christen diesen Weg gegangen, zu sagen Jesus war Mensch. Natürlich war er Mensch, er war mehr. Eins der ältesten Texte des Neuen Testaments finden wir im Philippabrief. Die ältesten Texte im Neuen Testament sind ja die Paulusbriefe, nicht die Evangelien. Die Evangelien sind später. Sie fangen frühestens

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Ende der 60er Jahre an, sagt auch die altkägelliche Überlieferung, nach dem Tode des Petrus und Paulus. Also Mitte, Ende der 60er frühestens 70er, 80er, 90er Jahre. Da erscheinen die Evangelien. Die Paulusbriefe bei vielen höchstwahrscheinlich um 50 herum geht's los. 49 vielleicht erster Thessalonicher Brief, also 20 Jahre danach. Philippabrief, schon später Mitte der 50er Jahre, hat eine sehr spannende Passage. Philippabrief Kapitel 2. Da heißt es von Jesus, man nennt diesen Text manchmal Philippa Hymnus. Manche sagen, es war gar kein Hymnus, es war ein Bekenntnis oder es war ein Lehrtext, muss uns jetzt gar nicht stören. Aber da heißt es er, Jesus, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub Gott gleich zu sein. Komische Formulierungen, manche dynamische moderne Übersetzungen sagen, er

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hielt es nicht für ein gefundenes Fressen Gott gleich zu sein. Also er klammerte sich nicht daran. Er hielt nicht daran fest, in göttlicher Morphee, göttlicher Gestalt zu sein, sondern er entäußerte sich selbst, nahm Knechtsgestalt an, er entniedrigte sich selbst und ward Mensch der Erscheinung nach als ein Mensch erkannt. Dieser Text ist höchstwahrscheinlich nicht von Paulus gemacht, sondern Paulus findet diesen Text vor. Es hat so eine gehobene Sprache, es sind viele Wörter in diesem Text, die Paulus sonst nie benutzt. Es ist auffällig anders, auffällig geprägt, auffällig fremd. Die meisten gehen davon aus, dass es ein Text, den Paulus bereits vorgefunden hat, ein Bekenntnis, ein Lied, ein Gesang. Und Paulus greift diesen Text auf, um sich in seinem Brief darauf zu beziehen, Jesus als Vorbild zu beschreiben. Dieser Text zeigt aber, Paulus allein greift auf eine Denkweise zurück, in der Jesus der

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Mensch geworden ist. Das Johannesevangelium macht es dann im ganz großen Stil weiter. Das ganze Johannesevangelium ist aus diesem Gesichtswinkel entwickelt, gedacht, geschrieben, zugespitzt. Im Anfang war das Wort, das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Das ist eines der fünf Stellen, wo der Logos, Jesus, direkt als Gott bezeichnet wird. So, und das heißt, im Neuen Testament ist es ein Gedankengang. Die spannende Frage ist jetzt, kann man sich dem irgendwie anschließen oder wie kann man ihm zustimmen? Man muss an der Stelle sagen, diese Texte, da kann man nicht einfach sagen, ja, die haben zu viel griechische Philosophie gelesen, da war zu viel Platon in der Birne oder so, das ist ganz komisch. Nein, das sind Gedanken, die auch jüdisch ableitbar sind. Auch im Judentum gab es eine Reihe von Spuren, Gott nicht restlos allein zu denken. Es gibt so eine jüdische Spur, Gott zu denken und

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die Weisheit bei ihm, die Weisheit immer schon, die vor ihm war, vor ihm gespielt hat. Oder Menschensohn, eine andere Figur, irgendwie nicht Gott, aber auch bei Gott. Es gibt manche Engelsfiguren, die im Frühjudentum auch fast Gott-gottnah in der Nähe. Es gab jüdisch vorbereitete Denkmuster dafür. Was können wir machen? Ich habe es gerade versucht, so einzuleiten. Im Grunde ist es ja hier der Versuch, ernst zu nehmen. Wenn das so ist, dass Jesus sich ganz und gar auf Gott hin verstanden hat und dass Gott sich ganz und gar zu diesem Jesus bekennt, ist es dann nicht konsequent, Gott schon immer so zu denken in dieser Beziehung von Vater und Sohn. Kann man dann nicht sagen, Gott ist in sich beziehungsreich,

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ist in sich Begegnung, ist in sich Geschichte, ist in sich eine Gemeinschaft der Liebe. Und in diese Richtung versuchen es heutige Theologen. Und sie sagen, die altkirchliche Theologie ist ehrfurchtsgebietend, sie ist ein großes Kampffeld, aber sie ist auch voller Licht und manchmal auch viel Rauch. Und wir können, wir können es nicht mehr eins zu eins so denken, wie die es getan haben, weil unsere Denkwelt, unser Denkhorizont ist völlig anders verschoben. Aber wir können versuchen, mit unseren heutigen Denkmitteln so was Ähnliches zu machen. Ich möchte mal ein Wort von Karl Barth zitieren, der sagt, immer aufgeben ist leicht, kann man schnell sagen, geht alles nicht mehr weg damit. Und dann sagt er, wer Gott und was göttlich ist, das müssten wir doch eigentlich da lernen, wo Gott sich selbst und damit das, was andere seine Natur, seine Wesenseigentümlichkeiten genannt haben, offenbart hat. Und wenn bestimmte Vorstellungen von Gott mit seinem Sein in Christus nicht in

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Übereinstimmung zu bringen sind, so müssen wir an Christus lernen über die Grenzen eines falschen Gottesbegriffs hinauszudenken. Und so geht man verschiedene Wege, Gott zu denken als Gemeinschaft, als Beziehung, als Geschichte, als in sich beziehungsreich, als in sich gegenüber. So dieses Gegenüber von Gott und Jesus nicht nur einmal vor 2000 Jahren, sondern schon immer und für immer. Ich komme zum Ende. Diese Formeln wollen nicht in dem Sinne Friss, Vogel oder Stirb runtergewürgt oder ausgespien werden. Das ist ein großes Missverständnis, was Radikale der Kritik oder der Hyperzustimmung verbindet. Auf den radikalen Seiten ist alles

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immer ganz klar. Calzedon war viel tiefgründiger. Diese Formel wahrer Gott und wahrer Mensch hatte viel mehr Ehrfurcht und Bescheidenheit vor dem Geheimnis, was immer unsagbar bleibt. Darum ist so eine Formel wahrer Gott und wahrer Mensch kein Prügelstock, den du küssen musst. Nichts, wo du vor Niederknien musst und deinen Verstand und dein Denken aufgibst und opfst, sondern es ist ein Wegweiser. Es ist eine Richtungsanzeige. Es war damals eine Richtungsanzeige. Lasst uns doch Gott denken in diese Richtung. Lasst uns doch Jesus und Gott und was Mensch und was Gott denken in dieses große, weite, offene hinein, was ein ewiges Geheimnis ist. So genau wie die damals werden wir es nicht hinkriegen, aber wir können diesen Weg weitergehen

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in einer Haltung der kritischen Treue und in einem Zugang der kreativen Kontinuität. In Tradition stehen heißt wahrhaft immer kreativ bleiben müssen. Denn wenn sich die Welt weiterdreht, muss man Tradition weiterentwickeln. Das nennt man Leben. Leben funktioniert immer so, dass wenn du dich weiterentwickelst, wenn du dich hart und steif machst, dann bist du sehr schnell tot. Und auch ein Glaube kann sterben und leider auch in Zombieform einfach weitermachen und gar nicht merken, dass er längst gestorben ist und nur noch mit toten Formeln um sich schlägt. Eine solche kreative Kontinuität ist möglich. Und ich glaube, man kann mit ihr zwei Gefahren entgehen. Es gibt so die eine Gefahr, möchte ich mal nennen, die Gefahr des Erstickens. Dass du irgendwo bist und dir selbst Druck machst und Druck bekommst,

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so musst du denken, so musst du sagen. Das ist die Formel, das ist das Bekenntnis und keine Abweichung. So Menschen machen extrem viel mit, weil sie andere Menschen brauchen. Wenn es aus der Familie kommt, aus der Gemeinde, aus dem Freundeskreis, machen Menschen extrem viel mit. Ich hörte mal von einer Familie, da sagte der Junge zum Papa, Papa, ich habe so Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass wirklich der der Jona von einem Wal verschluckt wurde. Und der Vater sagt, ja, du musst glauben, mein Junge, wenn in der Bibel stünde, dass Jona den Wal verschluckt hat, würde ich das auch glauben. Menschen machen bis zum völligen Wahnsinn extrem viel mit, wenn sie das Gefühl haben, sonst nicht dazu zu gehören. Wenn sie das Gefühl haben, sonst verlieren sie den Boden unter den Füßen und sind raus. Aber Menschen kriegen manchmal, wenn sie ehrlich und redlich bleiben wollen, in der Nähe

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solchen Glaubenserstickungsanfälle. Sie können das nicht mehr. Und es gibt umgekehrt die Erfahrung, dass Menschen geistlich erfrieren, dass sie in eine Gemeinschaft oder eine Gesellschaft oder eine Stimmung kommen, die auf keinen Fall irgendwas festlegen will. Bloß nichts festlegen, alles immer auflösen, alles freigeben, alles lose, alles irgendwie gasförmig. So, und für Menschen, die aus großem Druck kommen, ist eine solche unendliche Freiheit sicher viele Jahre lang wahnsinnig heilsam. Und man kann erfrieren in einer solchen Form und Gestaltlosigkeit, wo du kein Wort und keine Geschichte und keinen Begriff und nichts mehr hast, was Reibung erzeugt. Darum kritische Treue. Um diese alten Formeln wurde zu viel gerungen und es wurde

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mit ihnen zu viel gebetet und es steckt viel zu viel Substanz drin, um sie einfach über Bord zu werfen. Und sie sind selbst viel zu offen und geheimnisorientiert gemeint, um sie einfach sinnlos nachzubeten. Es ist ein Weg, der weiter und weiter und weiter und weiter und weiter gehen kann und darf.

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Der Sohn – Wer ist und wer war Jesus Christus | 9.2.3

Worthaus 9 – Tübingen: 8. Juni 2019 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Ist Jesus wahrer Gott oder wahrer Mensch?
»Gott? Blödsinn!« Sagen manche.
»Gott? Na klar, Dreieinigkeit und so!« Sagen andere.
Und mal wieder ist die Lösung nicht einfach. Im Gegenteil – die Frage, wer Jesus Christus ist und war, ist neben der Theodizee-Frage wahrscheinlich die schwerste der christlichen Lehre. Im Kampf um die Antwort auf diese Fragen haben sich Gläubige gezofft, beleidigt, geschlagen, sogar ermordet. Und sie spaltete die Kirche. Es ist also kein leichter Stoff, mit dem sich Thorsten Dietz hier beschäftigt. Er bewegt sich in seinem Vortrag durch die Kirchengeschichte, spielt die verschiedenen Möglichkeiten durch, über die Kirchenväter und Gelehrte in den vergangenen Jahrhunderten stritten: Ist Jesus nur eine Seite des einen Gottes? Ist er ein zweiter Gott? Eine Art Halbgott wie die zahlreichen Nachkommen des Zeus? Oder war er einfach nur ein Mensch? Oder ein Mensch mit zwei „Naturen“? Dietz erklärt, welcher große Gedankenschritt schließlich eine Lösung brachte. Und erläutert natürlich auch eine Möglichkeit, wie wir heute mit dieser schweren Frage nach Jesus Christus umgehen können.