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Das Herz, geheimnisvolle Mitte des Menschen. Ich habe diesen Vortrag in zwei Hälften aufgeteilt. In der ersten Hälfte sage ich einiges Allgemeinwissenswerte, Interessante über das Herz. All das ist uns allen egal woher sie kommen, welche Weltanschauung oder welche Religion, spielt keine Rolle. In der ersten Hälfte geht es um allgemeine, geschichtliche, empirische Daten, die für uns alle wichtig und interessant sind.

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In der zweiten Hälfte wechsle ich dann über in die biblische Offenbarung. Die biblische Offenbarung führt über das Weit hinaus, was wir in eigener Erkenntnis uns aneignen können. Aber die biblische Offenbarung widerspricht den geschichtlichen und empirischen Fakten nicht, die wir wissenschaftlich uns aneignen können. Sie steht dazu nicht im Widerspruch. Sie steht aber auch nicht beziehungslos daneben, sondern die biblische Offenbarung, das werden Sie dann merken, passt ausgezeichnet zu diesen historischen und wissenschaftlichen Fakten, gibt aber diesen Fakten ihren angemessenen Hintergrund, ihren angemessenen Rahmen. Also jetzt zur ersten Hälfte allgemeine Hinweise zur Bedeutung des Herzens.

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Die Menschen haben von jeher gespürt, dass das Herz des Menschen etwas Besonderes ist. In der ältesten Dichtung, die es überhaupt gibt, das ist ein sumerisches Epos aus dem dritten Jahrtausend. Es ist das Epos von Ischka und Ereshkigal. In dieser Liebesgeschichte, die beiden sind ein Liebespaar, dreht es sich unter anderem auch sofort sehr stark um die Regungen des Herzens. Und der älteste medizinische Text, den es überhaupt gibt, das ist der ägyptische Papyrus Ebers aus dem zweiten Jahrtausend.

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Da wird schon betont, dass der Arzt insbesondere eine Kenntnis über das menschliche Herz haben muss. Bleiben wir noch ein Weilchen bei Ägypten, denn Ägypten ist die große Kulturmacht, die enormen Einfluss genommen hat auf das Mittelmeergebiet und das Abendland. In Ägypten heißt es, dass der Mensch nicht in das Jenseits gelangen kann, ohne dass sein Herz auf eine Waage gelegt wird. Das ist die sogenannte Herzwaage. Wenn ein Mensch stirbt, dann wird sein Herz gewogen, ob es angefüllt ist mit ausreichend vielen guten Taten. Und erst wenn das festgestellt wird, empfangen die Götter der toten Welt diesen Gestorbenen.

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Die Pharaonen wurden ja einbalsamiert und ab einer gewissen Zeit ist es den Ägyptern gelungen, auch das Herz einzubalsamieren. Das ist sehr schwierig, aber ab einer gewissen Zeit hat es geklappt. Dann hat man alles Innere aus dem Leichnam, alles herausgenommen. Also das Innere ist völlig hohl und leer und nur das einbalsamierte Herz hat man an die Stelle so angeheftet, an der das Herz eben liegt. So war sichergestellt, dass der Pharao mit seinem Herzen in das Totenreich hinüber wechseln kann. Also das Leben im Jenseits, das für die Ägypter äußerst wichtig war, sie haben sehr stark darauf zugelebt, ist ohne Herz undenkbar.

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Diese Betonung des Herzens gilt eigentlich auf der ganzen Welt, in allen Kulturen und in allen Religionen. Wir können anfangen in China und Indien bis hin zu den indianischen Hochkulturen, Inkas, Mayas, Azteken. Überall gilt diese herausragende Bedeutung des Herzens. In vielen Hochkulturen, zum Beispiel in Ägypten oder auch bei den Azteken, wird das Herz in eine enge Verbindung gebracht mit der Sonne. Sie kennen vielleicht den Herz Scarabeus in Ägypten. Scarabeus ist ein Käfer, den gibt es natürlich heute noch. Der krabbelt aus dem Wüstensand raus, beim ersten Sonnenstrahl geht der raus.

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Also man sagt, der steht in einer besonderen Beziehung zur Sonne, der Herz Scarabeus. Der wurde übrigens früher bei den Pharaonen auch am Herz angeheftet. Also bei vielen Kulturen wird das Herz mit der Sonne eng verbunden. Warum? Das lebensspendende Organ in der Außenwelt ist die Sonne. Das lebensspendende Organ in der Innenwelt ist das Herz. Das Herz ist die innere Sonne. Also man kann sagen, es gibt wohl kaum einen anderen Tatbestand in der Kulturgeschichte der Menschheit, der so breit belegt ist wie die herausragende Rolle des Herzens.

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Eigentlich mit einer Ausnahme, auf die ich dann nachher komme, in allen Kulturen und Religionen. Also was für ein breiter Konsens, was für eine breite Erfahrung über die Jahrtausende überall. Man kann die herausragende Bedeutung des Herzens noch ein bisschen profilierter herausstellen, wenn wir sprachgeschichtlich an die Sache herangehen. Denn man hat festgestellt, also zumindest in Europa, in den anderen Sprachen, da kenne ich mich nicht aus, aber von den europäischen Sprachen, da ist es sehr gut erforscht, man hat also festgestellt, dass es in keiner der großen europäischen Sprachen, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, in keiner dieser Sprachen ein Wort gibt,

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das dermaßen vielfältig sprachlich vernetzt ist wie das Wort Herz. Also das Wort Herz ist die Nummer eins in der sprachlichen Vernetzung in allen europäischen Sprachen, und zwar mit einem großen Abstand. Ich will mal versuchen, das in kurzer Zeit euch ein bisschen deutlich zu machen, und ich habe Martin Hühnerhoff eine Liste gegeben, die ist natürlich nicht vollständig, aber dass Sie so ein Gespür kriegen, wie stark dieser sprachliche Befund wirkt, wenn wir ihn mal konzentriert hören. Es gibt viele Substantive, ich bleibe jetzt bei der deutschen Sprache, aber es ist in den anderen Sprachen analog. Es gibt in der deutschen Sprache viele Substantive, die mit dem Begriff Herz gebildet werden.

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Bitte schön, Martin. Herzenswunsch, Herzensgrund, Herzenssache, Herzensbildung, Herzensfrömmigkeit, Herzeleid, Herzlichkeit, Herzlosigkeit, Herzenslust, Herzblatt, Herzklopfen, Herzschmerz, das Herzstück einer Sache mit viel Herzblut. Ein Brief zum Beispiel ist mit viel Herzblut geschrieben, könnte man sagen. Dann gibt es auch viele Adjektive, in denen das Wort Herz vorkommt. Bitte schön. Herzlich, barmherzig, engherzig, weithärzig, großherzig, halbherzig, herzig, herzhaft, herzensgut,

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herzerweichend, herzergreifend, herzerquickend, herzerfrischend, herzallerliebst, herzlos, kaltherzig, warmherzig. Jetzt gibt es aber auch Adjektive, die das Wort Herz zwar nicht enthalten, aber mit dem Herz in einer ganz engen Verbindung stehen. Ja, bitte. Das Herz ist kalt, das Herz ist warm, das Herz ist heiß, das Herz ist weid, das Herz ist eng, das Herz ist groß, das Herz ist klein, das Herz ist stolz, das Herz ist treu, das Herz ist treulos, das Herz ist traurig, das Herz ist fröhlich, das Herz ist gütig, das Herz ist weich, das Herz ist hart, das Herz ist steinhart. Jetzt gibt es aber auch zahllose Verben, die aussagen, was das Herz tut.

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Das Herz kann schlagen. Das Herz kann pochen. Das Herz kann hämmern. Das Herz kann rasen. Das Herz kann flattern. Das Herz kann stehen bleiben. Das Herz kann stillstehen. Das Herz kann erstarren. Das Herz kann versagen. Das Herz kann brechen. Das Herz kann zerspringen. Das Herz kann zerreißen. Das Herz kann schmachten. Das Herz kann bluten. Das Herz kann entflammen. Das Herz kann sich verstricken. Das Herz kann jubeln. Das Herz kann lachen. Das Herz kann höher schlagen. Das Herz kann hüpfen und springen. Jetzt aber kommt der Höhepunkt. Es ist unglaublich, wie zahlreich es metaphorische, also bildhafte Redewendungen sich entwickelt haben in allen europäischen Sprachen, die also vom Herz in bildhaften Redewendungen sprechen. Man kann das Herz ausschütten. Das Herz kann in die Hose rutschen. Es kann mir etwas am

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Herzen liegen. Es kann mir jemand ans Herz wachsen. Man kann sein Herz für etwas entdecken. Sein Herz an etwas hängen, an sein Herz drücken, in sein Herz schließen, sein Herz auf der Zunge tragen, das Herz am rechten Fleck haben, seinem Herzen Luft machen, seinem Herzen einen Stoß geben, seinem Herzen einen Ruck geben, etwas zu Herzen nehmen, etwas auf dem Herz haben, jemand im Herzen tragen, ein Kind unter dem Herzen tragen, jemand ins Herz sehen, etwas nicht übers Herz bringen, Zwietracht in die Herzen sehen, ein Stein fällt mir vom Herzen, etwas mit halbem Herzen tun, etwas mit ganzem Herzen tun, mit allen Fasern des Herzens, jemand etwas ans Herz legen, jemand das Herz schwer machen, jemand aus dem Herzen

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reißen, jemand kann mir aus dem Herzen sprechen, zu Herzen gehen, sein Herz in beide Hände nehmen. Man kann sich ein Herz fassen, etwas im Herzen bewegen, etwas im Herzen bewahren. Man kann viel Herz haben. Ja, also vielleicht haben Sie jetzt doch irgendwie das Staunen gelernt über diese wahnsinnige Fülle. Übrigens, Martin, mir ist gerade ein Wort noch eingefallen. Ich glaube, das kommt da gar nicht. Wir gehen mal zu den Adjektiven, die das Wort Herz haben. Da ist mir beim Hören eingefallen das Adjektiv beherzt. Kommt es da vor? Ich glaube nicht. Mir rutscht jetzt das Herz in die Hose, aber nein, es kommt nicht vor. Nein, Adjektiv, bei den Adjektiven. Es kommt nicht vor. Beherzt, nein.

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Ja, ich schreibe es noch auf. Ich schreibe es noch auf. Wahrscheinlich fallen Ihnen auch noch weitere. Ich habe daran schon ein paar Monate gesammelt, bis ich auf die Zahl kam, aber ich habe gemerkt, es ist keineswegs abgeschlossen. Gut, also überlegt mal, was alles haben Menschen erlebt, damit sie auf solche Wendungen kommen. Also hinter der Entwicklung dieser Sprachbilder oder sprachlichen Formulierungen, da stecken ja Erfahrungen, die die Menschen dazu gebracht haben, diese Worte zu schaffen. Also was für eine bunte Welt der Erfahrung. Also das bestätigt den bisherigen Eindruck, es gibt wahrscheinlich in der menschlichen Kultur- und Religionsgeschichte keinen anderen

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Tatbestand, der so breiten Konsens hat wie die Betonung des Herzens. Jetzt gibt es aber eine Ausnahme, die einzige, die ich kenne, da spielt das Herz nicht die herausragende Rolle, sondern nur die zweite Geige. Und das ist die griechische Philosophie. Vor allem, weil griechische Philosophie ist auch ein Riesenbegriff mit tausend Spielarten, aber vor allem bei Platon. Platon lehrt, der vornehmste, edelste Körperteil ist der Kopf. Und im Kopf regiert die Vernunft. Und die Vernunft soll den Menschen steuern. Die Vernunft ist die höchste Tätigkeit, die der Mensch hat, unterscheidet ihn vom Tier. Und die Vernunft gibt dem Herzen Befehle, Steuerungshinweise, die das Herz dann an den Körper weiterzugeben hat. Das

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ist also die Sicht Platons, sehr auf den Kopf hinweisend und auf die Vernunft. Platon ist natürlich ein Genie und es ist sehr verständlich, dass Platon bis heute enorme Wirkungen hat. Ich habe auch einen Riesenrespekt vor diesem Mann. Und diese Sicht, der Kopf ist der vornehmste Teil, im Kopf regiert die Vernunft, sie soll den Menschen steuern, die hat sich auch durchgehalten bis heute, vor allem dann, als es zur modernen Aufklärung kam, zum modernen Wissenschaftsbegriff mit der großen Betonung der Ratio hat Platon also bis heute zahlreiche Schüler. Also das ist die einzige Ausnahme in diesem breiten sonstigen Konsens. Jetzt nach diesem ersten

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Schritt, das waren alles historische Hinweise, auch sprachgeschichtliche Hinweise. Jetzt will ich zu einem nächsten Kapitel kommen, zu einem zweiten Kapitel, nämlich die Sicht des Herzens in der heutigen Medizin. Ich habe mit vielen Kardiologen extra gesprochen, mich mit manchen öfters getroffen und sie möglichst genau interviewt. Ich habe auch von ihnen viel Fachliteratur bekommen und ich habe sie so gut ich eben konnte sorgfältig ausgewertet. Stellen wir uns folgende Frage. Kann die heutige Medizin die herausragende Rolle des Herzens bestätigen, die die Kultur und Religionsgeschichte zeigt? Antwort, ja, kann sie. Jetzt muss ich

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zwei Vorbemerkungen machen und dann geht es los und ich mute ihnen dann einiges zu an medizinischen Hinweisen. Aber eine erste Vorbemerkung. Die Frage, ob die heutige Medizin die herausragende Rolle des Herzens bestätigen kann, ist für die Theologie nicht unwichtig, sie ist sogar sehr wichtig. Denn in der Theologie gehört der Begriff Herz zu den wichtigsten Symbolen überhaupt und in der Theologie sind Symbole von großer Bedeutung, denn Symbole haben eine ganz eigene Beziehung zur Realität. Ja, also und bei den Symbolen ist es so, es gibt

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keine Symbole ohne dass das Symbol einen materiellen handfesten Hintergrund hat. Also es gibt kein Symbol Baum, wenn es keine Bäume gäbe, die man umarmen kann, raufklettern kann und so weiter und anfassen kann. Es gäbe kein Symbol Hand ohne die greifbare Hand, die man sehen kann, mit der man arbeiten kann. Also alle Symbole brauchen einen materiellen, äußerlich sichtbaren Haftpunkt, sonst können sie ihre symbolische Wirkung nicht entfalten. Das Symbol Herz gilt nicht nur in der Theologie, sondern weit darüber hinaus als eines der beiden wichtigsten Symbole überhaupt, nämlich es gibt noch das Symbol Licht. Das sind die beiden grundlegendsten Symbole, die es gibt. Man kann die große Bedeutung des Symbols Herz

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nur vergleichen mit dem Symbol Licht oder auch Sonne, wie wir ja schon gehört haben. Zweite Vorbemerkung. In der heutigen Medizin wird die Identität des Menschen stärker mit dem Gehirn verbunden. Das Herz kann man ja seit 1967 transplantieren und heute ist eine Herztransplantation eine Routinesache. Da kann man auch mal das Gehirn transplantieren. Also ich habe mich erkundigt, in absehbarer Zeit unmöglich. Also eine Transplantation des Gehirns ist hundertmal schwieriger als die des Herzens. Ob wir so etwas jemals erleben werden, weiß kein Mensch, ist sehr fraglich. Wenn man ein Gehirn transplantieren könnte,

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dann würde sich die Frage nach der Identität wahrscheinlich radikaler stellen, denn die vielen tausend Menschen, die heute mit einem anderen Herz, entweder von einem anderen oder auch einem Kunstherz herumlaufen, fühlen sich deswegen nicht als ein anderer. Aber, jetzt kommt's, es ist nicht so, wie manche auch schreiben zum Teil, dass bei der überragenden Bedeutung des Gehirns heute, der Gehirnforschung, die Bedeutung des Herzens nachgelassen hätte. Nein, das ist nicht der Fall. Es gibt nach wie vor in mehrfacher Hinsicht eine einzigartige Bedeutung des Herzens, die das Gehirn nicht hat. Und das will ich jetzt mal ausbreiten,

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ohne dass sich die Bedeutung des Gehirns, die man in den letzten 20, 40, 50 Jahren ja auf überragende Weise festgestellt hat, ich will die Bedeutung des Gehirns nicht runtertransportieren. Das ist alles okay. Aber ich kann mich auf die heutige Medizin berufen, das Herz hat in mehrfacher Hinsicht auch eine einzigartige Bedeutung gegenüber dem Gehirn. Das ist viel weniger bekannt. Jetzt will ich mal diese einzigartige Bedeutung des Herzens in fünferlei Hinsicht ausbreiten, also darlegen. Erstens, die erste Einzigartigkeit des Herzens. Das Herz versorgt alle Organe, die wir haben, mit dem lebensnotwendigen Blut, auch sich selbst und auch

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das Gehirn. Das Herz kann ohne Gehirn arbeiten, im Koma, monatelang, aber das Gehirn kann keine drei oder vier Minuten ohne das Herz arbeiten. Also das Herz und niemand anders versorgt alle Organe von uns mit dem lebensnotwendigen Blut. Darüber hinaus will ich noch so ein paar interessante Hinweise geben. Wenn das Herz das Blut in den Körper pulsieren lässt, dauert es eine Minute, bis das Blut wieder in den Venen, sauerstoffarm, zurückkehrt. Also innerhalb einer Minute, relativ genau, wird unser Blut ausgetauscht. Und diese Venen, die immer dünner werden und dann zum Schluss winzige Blutbahnen, viel, viel dünner als ein Haar. Wenn man diese Blutbahnen nebeneinander

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legen würde, dann könnte man die Blutbahnen eines Menschen zweimal um die Erde herumwickeln. So viel Blutbahnen haben wir im Körper. Und noch eine andere beeindruckende Hinweise. Unser Herz bringt pro Tag, also unser Herz schlägt ja in der Minute 65 bis 70 mal im Ruhezustand, wenn wir arbeiten, 80, 90 mal und vielleicht sogar noch höher. Aber im Normalzustand 65 bis 70 mal. Und das bedeutet, im Tag ungefähr 100.000 mal. Und in diesen 100.000 Schlägen bringt das Herz eine Energie auf,

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die ausreicht, um ein volles Weinfass auf einen 200 Meter hohen Turm zu bringen. Die Energie, die dazu notwendig ist, bringt das Herz jeden Tag auf. Im Jahr schlägt unser Herz 42 Millionen mal und im ganzen Leben ungefähr drei Milliarden mal. Die Queem-Mamm, die ja glaube ich 106 geworden ist, bei der schlug das Herz vier Milliarden mal. Aber normalerweise so ungefähr drei Milliarden mal. Also ich fasse zusammen, das Herz ist das einzige Organ, das alle anderen Organe mit dem lebensnotwendigen Blut versorgt. Dann unser Herzschlag ist die einzige Bewegung, die wir bewusst wahrnehmen. Wir können ja mal in aller Stille die Hand auf unser Herz legen oder wir

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können den Herzschlag am Puls fühlen. Also wir können den Pulsschlag des Herzens, die Bewegung des Herzens bewusst wahrnehmen, aber wir können sie nicht bewusst steuern. Wir können nicht auf dem Sofa sagen zu unserem Herzen, jetzt schlag mal ein bisschen schneller oder stopp mal für zwei Minuten. Wir können unseren Atem für ein, zwei, drei Minuten anhalten und es ist auch eine Bewegung, die wir wahrnehmen, aber die können wir auch steuern. Auch alle anderen Bewegungen, die wir wahrnehmen, können wir auch steuern. Armbewegungen, Beinbewegungen, Kopfbewegungen, Tanzen, Joggen und so weiter. Alle diese Bewegungen können wir auch steuern. Selbst die Bewegung des Atems in gewissen Grenzen. Wir können den Atem kürzere Zeit anhalten. Ich kann aber, ich könnte zu euch

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alle sagen, hechelt doch mal. Das können wir auch machen, aber wir können nicht zu unserem Herz sagen, hechelt doch mal. Also es ist der Herzschlag, ist die einzige Bewegung, die wir bewusst wahrnehmen können und doch nicht direkt steuern. Natürlich indirekt schon, wenn wir tanzen und Sport machen, dann geht unser Herzschlag nach oben, aber wir können es nicht direkt steuern. Es gibt natürlich auch viele Bewegungen in unserem Körper, die wir sowieso nicht wahrnehmen. Stoffwechselvorgänge, Gehirnströme und die können wir natürlich auch nicht steuern. Also zweite Einzigartigkeit, die Tätigkeit des Herzens können wir bewusst wahrnehmen, die Tätigkeit unseres Gehirns eigentlich so im vergleichbaren Sinn nicht. Bewusst wahrnehmen und doch nicht steuern. Das dritte

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Auffälligkeit, Einzigartigkeit des Herzens ist, dass unser Herz relativ unabhängig ist von unserem Gesamtorganismus. Zunächst mal ist das Herz ja ein Muskel, unser Herz ist übrigens so groß wie eine Krebsfruite. Das ist ziemlich genau, so könnt ihr euch vorstellen. Also unser Herz ist ein Muskel, aber ein einzigartiger Muskel, nämlich der Herzmuskel ist weder quer gestreift noch längs gestreift. Alle anderen Muskeln, die wir haben, sind entweder quer gestreift oder längs gestreift. Weil unser Herzmuskel weder noch ist, ist das Herz immun gegen Wundstahlkrampf. Das wäre ja auch schlimm, wenn es nicht immun wäre. Also unser Herz ist relativ unabhängig

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von unserem Gesamtorganismus, auch von unserem vegetativen Nervensystem. Sie hängen schon zusammen, aber es gibt eine relative Unabhängigkeit, die sich zum Beispiel auch darin ausdrückt, dass unser Herz sein eigenes Reiz-Leitungssystem hat. In jeder Herzkammer, wir haben vier Herzkammern, in jeder Herzkammer sitzen so Rezeptoren und das Herz setzt sich auch in Bewegung aus Gründen, die in erster Linie im Herz selber liegen. Unser Gesamtorganismus kann zwar unser Herz auch zusätzlich beeinflussen, man sagt modulierend beeinflussen, aber nicht grundständig. Wenn man es mal ein bisschen übertrieben formuliert, könnte man fast sagen, unser Herz ist fast so etwas wie ein eigenes Lebewesen. Es hat eine relative Unabhängigkeit. Dann die vierte

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Einzigartigkeit, unser Herz ist nicht nur eine Pumpe, wie man ja auch Prochicot sagt. Ja, unser Herz ist auch eine Pumpe, aber unser Herz ist viel mehr. Unser Herz ist auch ein Ausgleichsorgan. Unser Herz kann sanfte Übergänge schaffen. Sagen wir mal, wenn wir schlafen und dann aufstehen und hart arbeiten, dann kriegt das Herz so Übergänge hin von 60 auf 100 oder noch mehr und zwar sehr gleitend. Auch zum Beispiel, unser Herz schafft auch einen Ausgleich zwischen sauerstoffreichem Blut und sauerstoffarmen Blut und noch viel mehr ausgleichende Wirkung. Da gehe ich jetzt nicht näher drauf ein. Und weil das Herz ein Ausgleichsorgan ist, kann nur das Herz, vielleicht auch unser Gesichtsausdruck

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auf andere Weise zum Spiegelbild werden unseres Gesamtzustandes. Weil ob unser Herz pocht oder schleckt oder rast oder 65, ganz ruhig, daraus kann man entnehmen, wie es um uns bestellt ist. Und darin liegt die symbolische Ausdrucksfähigkeit des Herzens. Unser Herz, unsere Herztätigkeit kann zum Spiegelbild werden unserer Gesamtverfassung. Fünfte Einzigartigkeit des Herzens, unser Herz kann einen Rhythmus bilden, bildet einen Rhythmus. Und zwar sind da drei Auffälligkeiten. Erstens einmal der Rhythmus hat einen Pulscharakter. Wir spüren ja den Puls. Also das Blut fließt nicht gleichmäßig wie ein Fluss, sondern es wird in Impulsen angeschuckt und immer wieder

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Zystole, Diastole. Die Zystole ist die Kontraktion, die das Blut zu einem Puls bringt. Und die Diastole ist die Erschlaffung, nimmt Blut wieder zurück. Man hat festgestellt in der Wissenschaft noch gar nicht so arg lang, wenn man Organe oder Gewebe, die man transplantieren will, die man also am Leben erhalten will, mit einer bestimmten Menge gleichmäßigen Blutstroms versorgt, sind diese Gewebe oder Organe nicht so lang lebensfähig, wie wenn man sie mit der gleichen Blutmenge, aber mit diesem Pulscharakter versorgt. Also es muss irgendwie mit diesem Pulscharakter zu tun haben und das ist bis heute ein Rätsel. Warum liegt es an diesem pulsierenden Anstoß? Aber ist sehr wichtig. Dann das Zweite, unser Herz hat eine Frequenz, also im Ruhezustand 65 bis 70

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Mal. Und diese Frequenz des Herzens beeinflusst ganz tief unser gesamtes Leben. Viel mehr als wir ahnen. Nämlich unser Gefühl für schnell und langsam richtet sich nach der Herztätigkeit. Wenn wir, ich will diese Übung jetzt nicht machen, aber wenn wir zum Beispiel die Handfläche nehmen und ich sage euch, könnt ihr ja daheim probieren, tippt mal mit dem Zeigefinger eine schnelle Bewegung in eure Handfläche. Schnell. Und jetzt sage ich euch tippt mal eine langsame Bewegung in eure Handfläche. Und jetzt sage ich euch tippt mal eine Bewegung, die weder langsam noch schnell

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ist, die also in der Mitte ist. Und ich sage euch, ihr tippt euren Herzschlag. Man kann auch in der Schule mit den Schülern über den Pausenhof gehen und sagen, macht mal schnelle Schritte, macht mal langsame Schritte und jetzt macht mal, schreitet mal über den Schulhof weder langsam noch schnell. Dann kann man ihm sagen, ihr geht jetzt im Herzschritttempo. In der Musik an Dante schreitend ist die Metronom 66 Schläge. Das ist genau der Herzschlag. Ja, also unser ganzes Empfinden für schnell und langsam wird vom Herzschlag her gesteuert. Jetzt, der Herzschlag hat einen ganz besonderen Rhythmus, nämlich betont, unbetont. Es ist ein zweipoliger Rhythmus, nicht dreipolig, fünfpoliger,

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sonst was. Also zweipole und zwar betont, unbetont. Zystole betont, Diastole unbetont. Und jetzt spricht alles dafür ist heute eigentlich unbestritten. Auch in der Musik ist der Zweiertakt der Grundtakt der ganzen Musik. Und der zum Zweiertakt gehört betont, unbetont. Das kommt vom Herzen her. Oder auch in der Lyrik, in der Poesie gibt es das Betont und Unbetont. Ja, man ist sogar ziemlich sicher, dass unsere ganze Gefühlswelt polar strukturiert ist. Es ist mir einer sympathisch oder unsympathisch, es reizt mich oder es lässt mich kalt, es ist spannend oder langweilig und so weiter. Unser ganzes Gefühlsleben ist bipolar strukturiert. Es spricht alles dafür. Das hängt mit dem Herzschlag

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zusammen. Noch zwei Dinge muss ich euch zumuten, ihr könnt ja dann jahrelang darüber nachdenken. In der medizinischen Wissenschaft, vor allem seit dem europäischen Kardiologenkongress in Stockholm 1997, seitdem ist das gesichert, kann man sagen, der Herzinfarkt hat nicht nur körperliche Gründe, also körperliche Gründe, starkes Rauchen, hohe Blutfettwerte, zu wenig Bewegung, ganz starkes Übergewicht, das sind die körperlichen Gründe, aber man kann nachweisen, es gilt heute als wissenschaftlich erwiesen, der Herzinfarkt hat auch psychisch gefühlsmäßige Ursachen. Und zwar, drei kann man ganz klar empirisch nachweisen. Wenn vor allem Männer, aber wenn Menschen sehr im

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Konkurrenzdenken verfangen sind, sehr im Wettkampfdenken, Konkurrenzdenken, werden die Herzkranzgefäße immer enger und damit erhöht sich die Gefahr des Herzenfangs. Wenn Menschen kein Mitleid zulassen, also dein Herz sind, sie lassen in sich kein Mitleid zu, diese Menschen gibt es. Die leben gefährlich, denn die Herzkranzgefäße verengen sich. Und der dritte seelische Hintergrund ist, wenn Menschen nicht über ihre inneren Dinge reden können, über ihre Gefühle, über ihre Sorgen und Ängste, sie kapseln sich ab und verschließen alles, verengen sich die Herzkranzgefäße. Wenn es gelingt, dass das Konkurrenz- und Rivalitätsdenken abgebaut wird,

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wenn Menschen zum ersten Mal tiefes Erbarmen zulassen und wenn sie es lernen, manche erst mit 60 und so, habe ich erlebt, zum ersten Mal über Dinge ihrer Innenwelt zu sprechen, erweitern sich die Herzkranzgefäße. Vielleicht muss die Menschheit die Bedeutung des Herzens an dieser Stelle, wo es über Tod und Leben geht, lernen. Denn in der westlichen Welt ist die häufigste Todesursache, 50 Prozent aller Todesursachen sind Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems. Erst mit weitem Abstand, 25 Prozent aller Todesursachen, kommt Krebs. Also die heutige Medizin, bei aller Achtung vor dem Gehirn, aber diese Dinge kann man nicht wegwischen. Und jetzt

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will ich noch ein besonders eindrückliches Beispiel sagen, das mir am allerwichtigsten ist. Als wir noch in der Geburtshöhle unserer Mutter lagen, in der Gebärmutter unserer Mutter, erinnert euch, denkt mal zurück, da hörten wir ab der 17. Woche die Herztöne unserer Mutter. Das Knochensystem und die großen Beckenschaufeln wirken wie Schalltrichter. Und so hören wir 65 mal in der Minute oder je nachdem, was die Mutter macht, 100.000 Mal am Tag und 27 Millionen Mal bei einer neunmonatigen Schwangerschaft, 27 Millionen Mal. Diese Grundakustik des Lebens.

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Keine anderen Geräusche der mütterlichen Innenwelt oder Außenwelt kommen auf diese regelmäßige, 100.000 Mal am Tag, an die Bedeutung dieser Grundakustik heran. Die Herztöne unserer Mutter wurden zu unserem Lebensrhythmus lang bevor wir das Licht der Welt erblickten. Wann wird der Mensch empirisch wissenschaftlich ermessen können? Wie viel an Geborgenheit, an Stabilität und Lebensfreude wird diesen Herztönen der Mutter verdanken? Also ich fasse zusammen, meine lieben Herren und Frauen Fachleute, bei aller gebührenden Wertschätzung des Gehirns, um diese Aspekte kommt

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ihr nicht herum. Jetzt möchte ich in einem dritten Kapitel eine Art Selbsterfahrung machen. Man nennt es in der Wissenschaft auch die phänomenologische Methode. Da ist Folgendes damit gemeint, jeder von uns kann ja seine Herztöne spüren und mal viel stärker wie bisher auf sie achten am Puls. Was erfahren wir, wenn wir unsere Herztöne erfahren? Ich meine jetzt jeden Menschen auf der Welt, ist vollkommen unabhängig von der Religion oder Atheismus und ist bei jedem Menschen gleich, wir haben eine Selbsterfahrung mit dem Herzen, die wir in der Regel ganz wenig oder überhaupt, die meisten achten da niemals drauf. Aber nehmen wir mal an, wir würden jetzt anfangen, ich habe das in Schulklassen auch immer wieder gemacht, ich sage Ihnen am Anfang, kichern die und dann sage ich,

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es ist nicht schlimm, könnt ruhig kichern, alle Schüler kichern da erstmal, aber wenn man es mal ein Jahr gemacht hat, dann sagen Sie, Herr Zimmer, können wir mal wieder so eine Übung machen. Also wir werten jetzt mal unsere Selbsterfahrung, die wir in vielen Übungen trainieren können, wir werten sie mal aus. Was sagen uns diese Klopfzeichen? Der Mensch hatte schon immer eine Ahnung, diese Klopfzeichen, die wollen uns irgendwas sagen, aber was? Erstens sagen uns diese Klopfzeichen, dass du und ich ein unaustauschbares Individuum bist, denn es sind nun mal meine Herztöne und nicht deine, sind eben meine. Ich bin unaustauschbar ein Individuum, aber gleichzeitig

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erfahren wir auch, ah, du hast auch ein Herz, ach du hast auch Herztöne, ja selbst die Tiere haben ihre Herztöne, jetzt werden wir auch, es wird es auch eine Gemeinschaftserfahrung, du hast deine Herztöne und ich habe meine Herztöne, also wir sind auf Augenhöhe. Also das ist die erste Selbsterfahrung, durch die Herztöne lernen wir, wir sind ein unaustauschbares Individuum und zugleich in einer engen Gemeinschaft mit all den Lebewesen, die auch Herztöne haben. Zweitens, wir erfahren uns durch die Herztöne als leibhaftig, wir sind materiell, wir sind ein Teil der Natur, wir sind leibhaftig, wir haben nicht nur einen Körper, wir sind Körper, nämlich ohne Körper

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sind wir gar nichts, also wir haben nicht nur einen Körper, wir sind Körper. Drittens erfahren wir durch die Herztöne, diese Leibhaftigkeit ist zentriert, wir haben ein Art Zentrum, wir haben eine Mitte, wir sind zentrierte Lebewesen. Und jetzt wird es immer wichtiger, viertens, und dieses Zentrum von uns, diese Mitte unserer Person ist kein ruhiger Ort, in ihm herrscht nicht die Ruhe einer Studierstube, sondern dieser Ort ist ein unentwegt bewegter Ort. Das Herz ist

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nicht nur ein Ort, es ist immer auch ein Geschehen, es ist ein Ort und ein Geschehen, dieser Ort geschieht und wir können dieses Geschehen nicht selber machen, wir können es auch nicht abstellen, nicht wir klopfen, es klopft in uns, es ist nicht unser Werk, wir können es nur geschehen lassen. Also unsere Mitte ist ein bewegter Beweger, ein unentwegt bewegter Ort, deswegen können wir auch die Ahnung bekommen, es ist etwas Unabgeschlossenes, es bewegt sich ja ständig, es findet keinen Abschluss. Ein Buch kann ich mal dahin legen, ich kann ein Buch schreiben, aber das Herz schlägt

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und schlägt. Das fünfte Merkmal ist, wir können an unseren Herztönen erfahren, dass wir zeitliche Wesen sind, denn zwischen einem Herzton und dem nächsten ist ein Abstand, ein zeitlicher Abstand. Also wir sind zeitliche Wesen, wir kommen nie aus der Zeit heraus, wir erfahren, wenn wir darauf achten, in einer Tiefe, wie man sonst kaum erlangen kann, wir sind zeitliche Wesen, wir sind gefangen in der Zeit, wir kommen aus der Zeit nicht heraus. Das sechste Merkmal in der Selbsterfahrung ist, wir ahnen, das hört mal auf, diese Herztöne verbrauchen sich, die werden nicht ewig weiterschlagen.

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Wenn du viel Selbsterfahrung mit dem Herzen hast, wirst du merken, diese Ahnung kommt. Durch unsere Erfahrung des Herzschlags wird uns unsere Begrenztheit bewusst, dass wir begrenzte Lebewesen sind. Und jetzt das siebte Merkmal, das alle Merkmale zusammenfasst. Unser Herz ist ein Geschehen, unentwegt, unruhig, bewegt. Wir haben noch eine andere Grundbewegung, also das Herz ist die eine Grundbewegung, auch wenn wir ganz still da sind, unser Herz, wir sind bewegt, unser Atmen ist auch eine Bewegung. Solang wir leben, atmen wir. Also Leben, das lernen wir am Herz und am Atem. Leben ist Bewegung und das heißt, Leben geschieht. Du lieber Bundesbürger,

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du liebe Bundesbürgerin, eigentlich Lady Swirsk, ich will dir mal sagen, du geschießt. Das Leben ist ein Geschehen und jetzt kann man das noch viel mehr weiter tiefer bestätigen. Auch unsere Atome, unsere Moleküle wägen sich laufend. Auch wenn wir den Atem anhalten und den Herzton anhalten könnten, was wir nicht können, aber alles bewegt sich in uns. Wenn wir mal in die Quantenphysik gehen, die Atome und die Moleküle stehen nie still. Ja und noch mehr, wir leben auf einer Heimat, die sich unentwegt bewegt. Unser Stern, auf dem wir leben, bewegt sich immer, sogar zweifach, um sich selber und um die Sonne. Und das ganze Sonnensystem bewegt sich auch jede Sekunde. Ja,

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das ganze Weltall bewegt sich. Es gibt im Weltall überhaupt nichts, was still dasteht, nichts. Also unser Herz nimmt teil an der Grundbewegung der ganzen Wirklichkeit, an dem Grundgeschehen, das Leben geschieht. Soweit. Jetzt wechsle ich über in die biblische Offenbarung. Gott sei Dank haben wir die biblische Offenbarung. Die biblische Offenbarung widerspricht nichts von dem, was ich gesagt habe. Alles, was ich gesagt habe, bleibt weiterhin wichtig. Die biblische Offenbarung steht auch nicht beziehungslos daneben, als ob die beiden Sachen nichts miteinander zu tun hätten, sondern die biblische Offenbarung deutet den empirischen Befund, gibt ihm den angemessenen

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Verstehensrahmen. Und das können wir nur aus der biblischen Offenbarung lernen. In der Bibel kommt das Wort Herz, das heißt im Hebräischen lep oder auch lebab. Beide Formen kommen oft vor. Also im Hebräischen, in der alttestamentlichen Bibel kommt das Wort leb oder lebab über 850 mal vor. Das ist der helle Wahnsinn. Keine anderen Begriffe über den Menschen. Der Mensch ist ein Leib bassin, der Mensch hat eine Seele, neefesch, und der Mensch hat einen Geist, ruach. Also das sind ja drei grundlegend wichtige Begriffe über den Menschen. Die kommen aber lange nicht so oft vor wie der

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Begriff Herz, in dem alle diese Aspekte zusammengefasst sind. Nämlich das Herz ist nach biblischer Offenbarung noch stärker wie in dem, was ich so bis jetzt erkannt habe, ist die Mitte der menschlichen Person, das Zentrum. Alles, was für unsere Identität wichtig ist, alles, ist nach biblischer Offenbarung im Herzen versammelt. Also das Herz hat sowohl leibliche Aspekte, seelische Aspekte und geistige Aspekte. Das ist alles beieinander. Jetzt will ich das mal in einigen wenigen Schritten skizzieren, was mir am wichtigsten ist. In der Bibel ist das Herz das

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Symbol des inneren Menschen. Es ist schon wichtig bei dem medizinischen Befund, dass die heutige Medizin feststellt mit den Hinweisen, die ich gegeben habe, das Herz ist nicht nur irgendwie Symbol für das Innere, dann wäre es überhaupt kein Symbol, sondern das Herz hat tatsächlich mit den Tätigkeiten dieses Muskels zu tun. Deswegen ist das Herz Symbol. Aber man kann schon sagen, also ich habe ja klargestellt, mit Herz ist tatsächlich das Herz gemeint, aber natürlich in symbolischer Tiefe. Die Bibel, für die Bibel ist das Herz zunächst mal das Symbol des Inneren des Menschen, seiner Innenwelt. Es gibt in der Bibel den inneren Menschen und den äußeren Menschen. Nehmen wir mal einen Satz von Paulus, der da sehr interessant ist. Paulus sagt, wenn auch unser

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äußerer Mensch altert und schwach wird, so wird doch unser innerer Mensch jeden Tag erneuert. Und jetzt die Konsequenz. Deshalb werden wir nicht mutlos. Jubilate, halleluja. Wenn auch mein äußerer Mensch, schon ein bisschen Durchzug, die Figur ist auch nicht mehr das, was sie einmal war, wenn auch mein äußerer Mensch altert und schwach wird, wohl wahr, wird doch mein innerer Mensch von Tag zu Tag erneuert. Wohl wahr. Ich erlebe es so. Und wird erneuert, meint er, von Gott erneuert. Du kannst

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deinen inneren Menschen nicht erneuern. Das kann nur Gott. Und wenn wir einen Menschen kennenlernen und zu gern wüssten, was ist denn das für ein Typ, was ist das für ein Mensch, da kommst du nicht viel weiter, wenn du sein Äußeres siehst. Gut, ja, in unserer Gesellschaft ist Outfit, Keep Smiling, gute Figur, Schönheit wahnsinnig wichtig. Nicht so bei Gott. Bei Gott ist der innere Mensch viel wichtiger. Und der Mensch kann ja auch sein Inneres verstecken und verbergen. Es gibt ja dieses Operettenlied, immer nur lächeln und immer vergnügt und so weiter. Und wie es da drin aussieht, geht niemand etwas an. Wie viel weiße Kragenkriminalität, wirklich sehr gute Anzüge,

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sehr wertvolle Textilien, maßgeschneiderte Hemden, aber was für ein Innenleben. Und deswegen heißt es in der Bibel, der Mensch sieht das, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an. Das ist eine ganz andere Art der Wahrnehmung. Gott hat eine völlig andere Wahrnehmung als wir. Wir sehen das, was vor Augen ist. Aber Gott sieht das Herz an. Und dazu möchte ich noch ein paar Bibelstellen aufrufen, zum Beispiel 2. Korinther 4, Vers 6. Martin, lies mal bitte. Gott hat einst gesagt, aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten. Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden

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lassen. Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten. Ja, also genau so, wie Gott einmal gesagt hat, als alles finster war, es werde Licht. Genau so kann Gott in deinem Herzen und in meinem ein Licht aufstrahlen lassen. Das können wir nicht. Also Gott hat einen Zugang in unser Herz, den wir selber nicht haben. Gott ist uns näher, als wir uns selber nah sind. Oder wie es einmal heißt, Gott ist dir näher wie deine eigene Halsschlagader. Gott ist dir näher. Oder nehmen wir 1. Könige 8, Vers 39. Du allein kennst das Herz eines jeden Menschen. Ja, du allein kennst das Herz eines

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jeden Menschen. Dann nehmen wir noch auch ein sehr wichtiges biblisches Zitat, 1. Johannes 3, Vers 20. Auch wenn unser eigenes Herz uns anklagt, ist Gott größer als unser Herz, denn Er kennt uns durch und durch. Ja, also das sind einige weitere Aussagen. Der Mensch sieht das, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an und er ist größer als dein Herz. Gott hat ein anderes Gewissen als du. Gut, das ist der erste Schritt. Der zweite Schritt ist in der biblischen Offenbarung, das Herz ist in der Bibel der Speicher der Lebenserfahrung, die Bilanz des Lebens. Und im Herz sind Gefühl, Wille

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und Verstand ganz eng beieinander. Man kann nicht sagen, sie sind eine Einheit, das wäre zu harmonistisch, denn sie kämpfen ja auch miteinander und sie ringen und relativieren. Aber sie sind ganz eng beieinander. Im Herz ist auch das Erkennen und die Erkenntnis. Also die Bibel ordnet das Denken und das Erkennen und die Erkenntnis nicht dem Kopf zu, sondern dem Herzen. Das ist sehr ungewöhnlich, ganz anders wie bei Platon. Also in der Bibel ist das Zentrum mit allen wichtigen Elementen unserer Identität. In unserem Herz ist auch unser Gewissen. Die hebräische Sprache hatte noch kein Wort für Gewissen. Das Herz ist auch das Gewissen. Also das Herz ist das Zentrum für alle

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Faktoren. Platon lehrt ja, das Denken ist das Höchste. Er löst diese Integration des Denkens in unsere Gesamtvitalität, in unser Gesamtzentrum auf und ordnet das Denken dem Kopf zu, der dann das Herz steuert. Nach der Bibel sind wir aber nicht vernunftgesteuert, sondern herzgeleitet, müsste man sagen. Nicht vernunftgesteuert, sondern herzgeleitet. Ich will das mal stark machen. Ich glaube, dass die biblische Offenbarung hier völlig im Recht ist. Wie entsteht denn das menschliche Leben? Wie bist denn du und ich entstanden? Wir sind doch keine Kopfgeburt. Wir sind eine

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Bauchgeburt. Und meint ihr, dass das nebensächlich ist? Das Leben kommt doch nicht aus dem Denken. Das Leben kommt aus der Sexualität, von der Platon nicht viel gehalten hat, aber die Bibel sehr viel. Das Leben kommt aus dem Geschlechtsakt. Ja, ich will es bewusst mal so sagen. Wir alle kommen aus dem Orgasmus. Meint ihr, dass das ein nebensächlicher Aspekt ist? Wie einmal ein Kirchenvater gesagt hat, fällt mir gerade ein, wenn er Gott wäre, er hätte die Fortpflanzung geistlicher geregelt. Ein Kirchenvater ist kein Witz. Wenn er Gott wäre, er hätte die Fortpflanzung geistlicher geregelt. Na, Gott hat sich sehr fleischlich geregelt, sehr sinnlich. Wir sind

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bauchgeboren. Und zu diesem Zusammenbleiben, also die Bibel integriert das Denken ganz in unsere Gesamtvitalität. Und dafür spricht auch die Entdeckung des Unbewussten. Sigmund Freud und andere haben ja diese Entdeckung gemacht, die zu den größten Entdeckungen der Menschheitsgeschichte gehört. Wir haben ein Unbewusstes. Und dieses Unbewusste arbeitet gar nicht logisch. Es ist gar nicht vernünftig. Sondern in unserem Unbewussten spielen sich dramatische Kämpfe ab. Sigmund Freud hat einmal gesagt, in den Kellerräumen unserer Seele, da heulen die Hunde. Und recht hat er.

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Denkt mal nur an eure Träume. Das ist doch nicht logisch. Welche Emotionen, welche Dramatik. Es hat einmal ein bedeutender Psychologe, dessen Namen ich leider vergessen habe, gesagt, wenn wir wüssten, was die, die tagsüber entmythologisieren, was die nachts träumen, dann wären wir einen Schritt weiter. Also die Entdeckung des Unbewussten bestellt das enorm. Es gibt kein gefühlsneutrales Denken. Unser Denken ist immer eingebettet in unsere Gesamtvitalität. Du kannst dich nicht entschließen, jemand gern zu haben. Du kannst dich nur, weil du jemand gern hast, zu etwas entschließen. Also die Bibel hat im Herzen Gefühl, Wille, Verstand und damit auch Erkennen

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und Erkenntnis. Ich fasse das mal so zusammen. Die Bibel hat kein romantisches Verständnis des Herzens. Und die Bibel hat kein sentimentales Verständnis des Herzens, hat sie überhaupt nicht. Jetzt kommt eine spannende Frage. Wie kommt es, dass die Bibel im tiefen Unterschied zu Platon und auch zu unserer modernen Würdigung der Ratio, die ich ja auch würdigen will, aber eben mit Grenzen, wie kommt es, dass die Bibel das beieinanderhalten konnte, was Platon nicht beieinanderhalten konnte? Was hat es der Bibel ermöglicht? Antwort. Weil die Bibel, genauso

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wie die moderne Medizin, das Zentrum des Menschen nicht als ein Ruheort versteht. In unserem Herzen herrscht tatsächlich nicht die Ruhe einer Studierstube, sondern in unserem Herzen ist immer Bewegung. Wir sind Bewegte. Wir können diese Bewegung, da wir Bewegte sind, nicht selber machen. Wir können uns nicht selber zu Bewegten machen. Und unsere Motive, unsere Motivation ist nicht die Ursache dieser Bewegung, sondern unsere Motive sind selber schon die Folge dieses Bewegtseins. Dieses Bewegtsein ist viel tiefer als unser Wille und unser Verstand. Wir sind immer schon auf eine tiefe Weise voreingenommen. Die Bibel nennt dieses Bewegtsein, oder ich könnte auch sagen, dieses Lebensverlangen, nennt die Bibel mit vielen Worten, nämlich wir hungern nach Leben und wir dürsten

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nach Leben. Wir schmachten, wir lächzen, wir sind ausgeregt nach, wir halten Ausschau nach. Wir sind gespannt auf, aber wir fürchten uns auch vor. Wir sind tief geängstigt und wir sind stark bedrückt durch unsere Sorgen. Also das sind die Kräfte und Mächte, die uns in Bewegung halten und die stehen nicht zu unserer Verfügung. Die Bewegtsein unserer Personmitte ist das wichtigste Merkmal. Und deswegen, weil unser Personsein ein ständig bewegter Ort ist von Sehnsucht, Enttäuschung,

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Verbitterung, Angst und Verlangen, kann das Denken nicht isoliert der entscheidende und vornehmste Teil des Menschen sein. Das Denken ist nur ein Teil eingebettet in die Gesamtvitalität. Jetzt will ich zum Schluss kommen. Ich tue jetzt auch ein paar Dinge ausklammern, damit der Vortrag nicht zu lange wird. Woher kommt es eigentlich, dass die Mitte unserer Person ständig bewegt wird? Von Kräften, die uns nicht einfach zur Verfügung stehen. Unser Herz entzieht sich unserer Selbstverfügung. Nur Gott hat wirklich tiefen Eintritt in unser Herz. Er kann in unserem Herz ein Licht aufstrahlen

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lassen. Woher kommt es, dass das Herz so ein unruhiger, unabgeschlossener Ort ist? Das hat nach biblischer Offenbarung einen ganz bestimmten Grund. Weil nämlich der Schöpfer aller Dinge, der Schöpfer alles Lebens, die ganze Wirklichkeit in Bewegung hält, wie der ganze Weltraum, alle Moleküle, alle Atome und wie auch unser Atmen, unser herzfliesendes Blut. Alles ist in Bewegung. Es ist alles in Bewegung. Wir sind unterwegs. Wir sind Wanderer. Wir haben eine Lebensbestimmung. Du und ich, wir haben eine Lebensbestimmung. Die stammt nicht von dir und nicht von mir. Du gehörst ja

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auch nicht dir. Und ich gehöre nicht mir. Du gehörst einem anderen, dem, der dich ins Leben versetzt hat. Sein Eigentum bist du. Und dieser Schöpfer allen Lebens hat die ganze Wirklichkeit in Bewegung auf ein Ziel hin. Gott ist auch der Volländer. Die ganze Wirklichkeit ist unterwegs in die große Erfüllung des Daseins, in den großen Advent. Wenn wir von Angesicht zu Angesicht schauen werden, wenn Gott sein wird, alles in allem, dann wird der Tod nicht mehr sein. Keine Klage und kein Geschrei und keine Tränen. Dahin sind wir unterwegs mit allen Geschöpfen, mit dem ganzen Weltraum. Auch wir

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sind unterwegs, weil wir gehören zu dieser Schöpfung. Gott führt und trägt die gesamte Schöpfung, alle Galaxien, alle Milchstraßen, alle Sterne, alle Tiere, alle Steine, alle Grashalme. Trägt er hin zu dem großen Ziel, auch uns. Aber wir Menschen sind die einzigen Lebewesen, die zu Gott sagen können, ich finde es gut, was du machst. Ich lasse mich gern von dir tragen. Ich lasse mich nicht nur von dir tragen, hin zum großen Ziel. Ich lasse mich ausgesprochen gern von dir tragen. Diese lustvolle Passivität, muss ich nochmal sagen, weil es so wahnsinnig gesund ist und wichtig. Diese lustvolle Passivität des sich tragen Lassens ist das Glück unseres Lebens. Wir

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sind die einzigen Lebewesen, die diesem göttlichen Ratschluss und dieser göttlichen Zielsetzung ausdrücklich zustimmen können. Wir können Ja sagen und ihr Lieben, wir können es feiern. Wir können es feiern. Und das möchte ich zum Schluss sagen. Feiern wir doch unsere Herztöne, unser Atem, unsere Atome und Moleküle, den wunderschönen Stern, auf dem wir leben, die Sonnensysteme, die Milchstraßen. Sie sind alle in seiner Hand. Sie sind alle unterwegs zu einem guten Ziel.

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Und ihr Lieben, das können wir feiern. Halleluja! Jubilate!

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Das Herz – geheimnisvolle Mitte des Menschen | 12.5.2

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 10. Mai 2022 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Es kann stolpern, schmerzen, reißen, brechen, es hält unheimlich viel aus und uns dabei am Leben. Unser Herz ist mehr als eine Pumpe. Es schlägt 100.000 Mal am Tag, durch Blutbahnen, die aneinandergereiht zweimal um die Welt reichen. Sein Schlag ist Rhythmus und Spiegelbild unseres Lebens. Sind wir glücklich, schlägt es leichter, sind wir ängstlich, schlägt es schneller. Und wenn wir uns verschließen, erbarmungslos sind uns und anderen gegenüber – dann verengen sich auch die Gefäße rund um unser Herz. Kein Wunder also, dass die Menschen vor uns in allen Epochen, in fast allen Kulturen, das Herz als das wichtigste Organ im Menschen betrachteten, Sitz von Identität und Seele. Der Theologe Siegfried Zimmer erzählt in seinem Vortrag, was unsere Vorfahren über diesen Mittelpunkt ihrer Existenz dachten. Er erläutert philosophische, theologische und medizinische Erkenntnisse. Und er erklärt, was dieser unruhige, vergängliche Teil unseres Körpers auch heute noch mit unserem Glauben und unserer Seele zu tun hat.