Willkommen zu diesem Vortrag zum Kohelet Buch. Ich beginne mit einigen grundlegenden Informationen  zur Einordnung des Buchs und einem Durchgang durch das Buch mit Beobachtungen zu seinem  Charakter und zur Struktur, damit Sie alle möglichst bald eine Ahnung haben oder sich  daran erinnern, um was für einen Text es sich hier handelt. Das Kohelet Buch steht im dritten  Teil des Kanons der hebräischen Bibel in den Schriften. Genauer gehört es zu den  Weisheitsbüchern und hat eine große Ähnlichkeit mit dem Hiob-Buch, denn wie das Hiob-Buch stellt  es die Vorstellung eines Zusammenhangs zwischen Tun und Ergehen in Frage. Genauer ist das die  Vorstellung, dass sich gutes Verhalten immer auszahlt und dass schlechtes Verhalten bestraft  wird. Kohelet ist der Name des Erzählers, der ab 1.12 in Ich rede die Stimme erhebt. Diesem Kohelet
wurden verschiedene Namen angehängt. Er sei ein Skeptiker, ein Empiriker, ein Realist,  ein Pessimist oder ein Hedonist. All diese Namen treffen Sachen, die richtig sind am Buch,  aber so Etikettierungen allein helfen eigentlich wenig weiter. Gescheiter ist es, das Buch zu lesen  und zu schauen, was Kohelet eigentlich sagt. Die meisten Exegetinnen und Exegeten datieren  das Buch ins dritte Jahrhundert vor Christus, in die hellenistische Zeit. Es ist damit eines  der jüngsten Bücher im ganzen Alten Testament. Das Buch hat zwölf Kapitel. Und wie angekündigt,  möchte ich jetzt gerne einen Durchgang machen und ich lese Ihnen dabei auch immer einige  Passagen vor. Ich lese aus der Zürcher Bibel und lasse dabei manchmal auch einige Wörter  weg. Also so eine verkürzte Lesung zum Teil. Ich beginne gleich mit dem Anfang. 1.1-3.
Die Worte Koheletts des Sohnes Davids, des Königs in Jerusalem. Nichtig und flüchtig,  sprach Kohelet, nichtig und flüchtig, alles ist nichtig. Welchen Gewinn hat der Mensch von seiner  ganzen Mühe und Arbeit unter der Sonne? Mit der Überschrift Die Worte Koheletts des Sohnes Davids,  des Königs in Jerusalem, wird das Buch eingeführt. Es sind die Worte des Koheletts. Hier haben wir  eben den Namen und er wird eingeführt als ein König. Und dann folgt dieser berühmte Vers,  nichtig und flüchtig, sprach Kohelet, nichtig und flüchtig, alles ist nichtig. Ich nenne diesen Vers  gerne den Mottovers, denn er wird am Ende des Buches nochmals wiederholt in 12.8 fast genau  gleich. Es geht hier um die Flüchtigkeit. Das ist ein wichtiges Thema im Buch. Und in diesem  Rahmenvers, also eben 1.2 und 12.8, ist über Kohelet in dritter Person die Rede. Es folgt
dann in 1.3 die Frage nach dem Gewinn, den der Mensch von seinem Handeln haben kann. Diese Frage  ist mit dem Vergänglichkeitsmotiv verbunden. Es werden hier aber schon neue Themen auch eingeführt,  eben die Arbeit und die Mühe. Und diese Frage leitet ein erstes längeres Gedicht. Im Kohelet  Buch haben wir nämlich drei Gedichte, in Kapitel 1, in Kapitel 3 und in Kapitel 12. Im Gedicht  von Kapitel 1 geht es um die Welt und den Menschen und um Vergängliches und Bleibendes. Ein typischer  Vers ist 1.9. Was einmal geschah, wird wieder geschehen. Und was einmal getan wurde, wieder  getan. Und nichts ist wirklich neu unter der Sonne. Nach diesem Gedicht in Kapitel 1 erhebt  Kohelet dann in 1.12 in Ich rede die Stimme. Ich, Kohelet, wurde König über Israel in Jerusalem.
Da nahm ich mir vor, in Weisheit zu erforschen und zu erkunden, was unter dem Himmel getan wird.  Kohelet stellt sich hier also als König vor und berichtet von seinem Vorsatz, in Weisheit alles  zu erforschen und dann auch das Leben zu geniessen. Dieser Versuch gelingt ihm nicht. Der König merkt,  dass seine Macht und dass seine Weisheit begrenzt sind und dass es keinen Gewinn gibt unter der  Sonne. Entsprechend finden sich hier auch sehr pessimistische Aussagen. Zum Beispiel in 2.18  sagt der König und ich hasste alles, was ich mir mühevoll erarbeitet hatte unter der Sonne,  denn dem Menschen, der nach mir kommt, muss ich es hinterlassen. In Kapitel 3 folgt dann das  zweite Gedicht. Das ist das berühmte Gedicht über die Zeit. Für alles gibt es eine Stunde und Zeit
gibt es für jedes Vorhaben unter dem Himmel. Die kennen den Text wahrscheinlich. Es werden  dann unterschiedliche Zeiten aufgezählt und zwar immer in Paaren, so Gebären und Sterben, Töten  und Heilen etc. Im Anschluss an dieses Gedicht spricht Kohelet wieder in Ich rede und das sind  ganz berühmte Verse, die wichtige Aspekte seiner Botschaft zusammenfassen. Ich lese Ihnen das  vor. Das ist 3.10 bis 13. Ich sah, was Gott den Menschen zu tun überlassen hat. Alles hat er so  gemacht, dass es schön ist zu seiner Zeit. Auch die ferne Zeit hat er den Menschen ins Herz gelegt,  nur dass der Mensch das Werk, das Gott gemacht hat, nicht von Anfang bis Ende begreifen kann.  Ich erkannte, dass sie nichts Besseres zustande bringen, als sich zu freuen und Gutes zu tun im
Leben. Und wenn irgendein Mensch bei all seiner Mühe isst und trinkt und Gutes genießt, ist  auch dies ein Geschenk Gottes. Im ähnlichen Stil geht es jetzt in den folgenden Abschnitten und  Kapiteln weiter. Der Text entzieht sich dabei einer Gliederung. Der einzige Gliederungsmarker  ist dieser Mottovers in 1.2 und 12.8 über die Nichtigkeit. Und die Verse davor und danach sind  eben in der dritten Person über Kohelet gesprochen und alles dazwischen ist in Ich rede Kohelet  verfasst. Das ist die einzige Gliederung eigentlich, die im Buch ganz eindeutig zu erkennen ist.  Daneben versuchen verschiedene Exegetinnen und Exegeten das Buch zu gliedern und haben  Gliederungsvorschläge vorgeschlagen. Das ist auch hilfreich, weil damit wird die Aufmerksamkeit auf  Themen gelegt, die tatsächlich wichtig sind in den verschiedenen Kapiteln. Aber eindeutig ist
es nicht. Es gibt keine eindeutigen Gliederungsmarker und darum auch keine allgemein  anerkannte Gliederung. Der Ich-Stil bleibt im gesamten Buch dominant. Es gibt einen einzigen  Vers noch 727. Da ist über Kohelet in der dritten Person die Rede und sonst spricht Kohelet in Ich  rede. Häufig spricht er von seinen Beobachtungen, was er unter der Sonne gesehen hat und dann über  seine Schlüsse. Zum Beispiel sagt er in 4.7-8 Und wiederum sah ich nichtiges unter der Sonne. Da ist  einer allein ohne einen anderen, hat weder einen Sohn noch einen Bruder. Und all seine Mühe hat  kein Ende. Auch kann sein Auge nicht genug Reichtum sehen. Und für wen mühe ich mich ab und versage  mir jeden Genuss. Auch das ist nichtig und eine leidige Mühe. Mit diesem dominanten Hervortreten  dieses Ichs sticht das Kohelet Buch von allen anderen Büchern aus dem Alten Testament heraus.
Das haben wir sonst nirgends. Und das hat mit der Entwicklung zu tun, der Entwicklung einer  stärkeren Individualität. Dies ist bekannt für die alttestamentliche Anthropologie und im Kohelet  Buch sehen wir das besonders deutlich, dass da dieses Ich so deutlich hervortritt. Häufig spricht  Kohelet seine Adressaten auch direkt an, also im Du-Anrede mit Mahnungen unterschiedlichen Inhalts.  Zum Beispiel sagt er in 5.1 Sei nicht vorschnell mit deinem Mund und dein Herz,  übereile sich nicht etwas vor Gott zu bringen. Denn Gott ist im Himmel und du bist auf der Erde.  Darum mach nicht viele Worte. Dazwischen gibt es auch Verse ohne Ich oder Du-Rede, sondern einfach  sprichwortartige Aussagen. Zum Beispiel in 5.9 Wer das Geld liebt, wird des Geldes nicht satt.  Und wer liebt Reichtum ohne Ertrag? Auch das ist nichtig. In Kapitel 12 folgt dann das dritte
längere Gedicht. Hier geht es über Alter und Sterben. Und daraufhin folgt nochmals der Mottovers  Flüchtig und nichtig, sprach Kohelet. Alles ist flüchtig. Und dann folgen nochmals sechs weitere  Verse. Die nennt man in der Forschung den Epilog. Hier wird Kohelet als ein Weiser beschrieben und  die Lesenden des Buches werden dazu aufgefordert, Gott zu fürchten und seine Gebote zu halten.  Wenn Sie jetzt mit mir hier im Raum wären, würde ich Sie gern fragen, wie Ihnen das Kohelet-Buch  gefällt. Gefällt Ihnen, was Sie hier gehört haben? Die Frage ist interessant, weil das Kohelet-Buch  bei verschiedenen Leuten unterschiedliche Reaktionen hervorruft. Die einen empfinden  das Kohelet-Buch als pessimistisch, skeptisch und zu wenig fromm. Und sie fragen sich, was so ein  Buch eigentlich in der Bibel zu suchen hat. Die anderen sind ganz begeistert von seinem Inhalt
und finden so dieser Aufruf zur Lebensfreude und der Aufruf zur Gelassenheit, das sind doch Themen,  die heute anschlussfähig sind. Diese unterschiedlichen Einschätzungen des Kohelet-Buchs  haben zwei Gründe, könnte man sagen. Zum einen ist es natürlich bei jedem Text so,  dass es sehr von der eigenen Einstellung und von der eigenen Weltsicht abhängt,  wie man einen Text beurteilt. Wenn Kohelet zum Beispiel beobachtet, dass es den Gerechten  schlecht geht und den Frevelern gut und dann schließt, das sei alles nichtig, dann kann man  das entweder als pessimistisch einordnen oder als realistisch. Das hängt von der eigenen Weltsicht ab.  Und beim Kohelet-Buch kommt als zweiter Grund für diese unterschiedlichen Einschätzungen dazu,  dass es kein geschlossener Text ist. Das ist kein systematischer Text, wo alles gut aufgeht,  sondern es ist ein offener Text mit vielen Spannungen und Widersprüchen. Darauf komme ich
später in meinem Vortrag nochmals etwas ausführlicher zu reden. Hier aber ist einfach  wichtig, dass je nachdem, wie man diese Spannungen auflöst, kann man zu einem sehr unterschiedlichen  Verständnis des Kohelet-Buchs kommen und dieses dann entsprechend unterschiedlich einschätzen.  Ich selbst gehöre zu denen, die das Kohelet-Buch über alles lieben. Ich finde es ein tolles Buch  und freue mich darum, jetzt im Folgenden mit Ihnen auch noch gewisse Themen im Detail anzuschauen.  Beginnen wir mit dem Namen des Buchs. Bis jetzt habe ich immer vom Kohelet-Buch gesprochen.  Daneben gibt es andere Namen. In der Septuaginta und der Vulgata, also der griechischen und  lateinischen Übersetzung, wird das Kohelet-Buch als Ecclesiastes bezeichnet. Und Luther hat das Buch  Der Prediger Salomo genannt. Das sind eigentlich Versuche, das hebräische Kohelet zu übersetzen.  Der Name Kohelet kommt im Buch selbst vor, so in der Überschrift und in dieser Selbstvorstellung
des Königs. Allerdings kennen wir sonst keinen Menschen mit dem Namen Kohelet. Also den Kohelet  kennen wir nur aus dem Kohelet-Buch. Der Name Kohelet selbst, den kann man dann weiter analysieren.  Das kommt von einem hebräischen Verb kahal. Das hat mit Versammeln zu tun. Es gibt auch ein  hebräisches Nomen kahal, die Versammlung. Von der Form her ist Kohelet ein Partizip feminin. Und  zwar ein- oder zweimal im Buch wird es auch mit einem Artikel gebraucht. Daher überlegen viele  Exegetinnen und Exegeten, dass das vielleicht eine Funktionsbezeichnung gewesen sein könnte. So etwas  wie der Versammler oder der Besucher von Versammlungen oder so etwas. Aber wir wissen nicht,  um was für Versammlungen es sich gehandelt haben könnte. Wer ist nun dieser Kohelet? Ist er der  Verfasser des Kohelet-Buchs? Mit diesen Fragen komme ich zum nächsten Teil meines Vortrags zur
Verfasserfrage und dabei auch zur Unterscheidung von Verfasser und Erzähler. Nach 1.1 und 1.12  wurde das Kohelet-Buch oder enthält die Worte Kohelet des Sohnes Davids, des Königs über Israel  in Jerusalem. Und diese Beschreibung Sohn Davids und König über Israel in Jerusalem, die passt nur  auf König Salomo. Von daher könnte man sich jetzt überlegen, ob das Kohelet-Buch von König Salomo  verfasst wurde. Dann wäre es sehr alt, aus dem 10. Jahrhundert vor Christus. Früher hat man das  häufig so angenommen. Heute glaubt das eigentlich niemand mehr. Denn das Kohelet-Buch selbst deutet  darauf hin, dass es komplizierter ist. Es spricht ja nicht von König Salomo, sondern von König  Kohelet. Es braucht also einen Namen von einem König, den es gar nie gab. Also einen König
Kohelet kennen wir sonst nicht. Zudem gibt es im Buch auch viele Hinweise darauf, dass das Buch  sehr viel jünger ist als das 10. Jahrhundert. Obwohl Salomo nicht genannt wird, wird aber mit dem  Bezeichnungssohn Davids und König in Jerusalem implizit auf ihn Bezug genommen. Auch sonst gibt  es im Alten Testament Schriften, die Bezug nehmen auf Salomo. In der hebräischen Bibel sind das  Texte, also manche Kapitel aus dem Sprüchebuch und das Hohe Lied. Und in der Septuaginta gibt es  weiter noch die Weisheit Salomos. König Salomo war ja für seine Weisheit berühmt. Und wenn ein Buch  einen Bezug zu ihm herstellt, gibt es sich damit selbst eine grosse Autorität. Wenn jetzt Salomo  nicht der Verfasser des Buchs war, wer hat dann das Kohelet-Buch verfasst? Leider, man kann die
Frage stellen, aber beantworten ist schwierig, weil wie bei fast allen biblischen Büchern oder  alttestamentlichen Büchern wissen wir über die Verfasser eigentlich nur das, was wir aus dem Buch  selbst erschliessen können. Im Kohelet-Buch ist eindeutig, dass der Verfasser ein kritischer  Denker war. Hiss er Kohelet? Das ist möglich, aber es muss nicht sein. Kohelet ist nämlich  in erster Linie der Name des Erzählers, der ab 1.12 in Ich rede die Stimme erhebt. Und ein  Erzähler eines Buchs ist ja nicht immer der Verfasser eines Buchs. Mein Beispiel hier,  das ich gerne bringe, sind die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Die sind nicht von  Felix Krull verfasst, sondern von Thomas Mann. Also ein Verfasser eines Textes kann in der Ich-Stimme  eines anderen sprechen. Im Fall des Kohelet-Buchs wird dieser Kohelet ja auch als ein König  eingeführt und er spricht zunächst in der Rolle eines Königs. Nach der Selbstvorstellung in 1.12
ist hier vor allem der Abschnitt ab 2.4 beachtenswert, denn hier berichtet der König über  große Werke und Taten. Ich lese Ihnen wieder einige Verse vor. Ich vollbrachte große Werke.  Ich baute mir Häuser. Ich pflanzte mir Weinberge. Ich legte mir Gärten an und Heine und pflanzte  darin Fruchtbäume jeglicher Art. Ich machte mir Wasserteiche, um aus ihnen den Wald zu tränken.  Ich kaufte Sklaven und Sklavennen. Auch häufte ich mir Silber an und Gold. Ich verschaffte mir  Sänger und Sängerinnen. So wurde ich größer und reicher als jeder, der vor mir in Jerusalem war.  Ich habe jetzt ein bisschen ausgelassen vom Text, aber ich hoffe, Sie haben das mitgekriegt. Der  König spricht hier über seine großen Werke. Ähnliche Aussagen kennen wir aus Inschriften  von altorientalischen Königen. Im Kohelet-Buch wird dieser Bericht über die Taten mit negativen
Urteilen verbunden. Zum Beispiel sagt Kohelet in 2.11, doch als ich all meine Werke ansah,  die meine Hände vollbracht hatten, siehe, da war alles nichtig und ein Greifen nach Wind,  und es gab keinen Gewinn unter der Sonne. Im weiteren Vorgang spricht er dann auch davon,  dass er alles hasste und verzweifelte. Im Kapitel 3 folgt dann mit dem Gedicht über die Zeit eine  Zäsur. Danach geht die Ich rede weiter, aber es gibt keine Hinweise mehr darauf, dass der König  hier, dass hier ein König spricht. Die meisten Exegetinnen und Exegeten bezeichnen daher 1.12  bis 2.26 als eine Königsfiktion oder Königstravestie und gehen davon aus, dass der  Verfasser des Königsbuches, des Kohelet-Buchs hier ganz bewusst in die Rolle eines Königs schlüpft
und in der Rolle eines Königs spricht, aber eben nur in diesen ersten zwei Kapiteln und danach  ab Kapitel 3 nicht mehr. Hier nämlich ab Kapitel 3 zielen die Reflexionen darauf, dass man die  Begrenztheit des Erkennens und der eigenen Macht akzeptieren soll, dass man das Leben so nehmen  soll, wie es kommt und bei aller Absurdität im Leben auch die schönen Momente nicht übersehen  soll. Mein Kollege Markus Sauer aus Bonn hat kürzlich einen Kommentar zum Kohelet-Buch publiziert und  hat ihm den Titel Gelassenheit gegeben. Das finde ich einen sehr treffenden Titel, das trifft  tatsächlich die Botschaft Kohelet sehr gut. Ich lese ihn 7.13 bis 14 als ein typisches Beispiel.  Betrachte das Werk Gottes. Wer kann gerade machen, was er gekrümmt hat? Am Tag des Glücks sei guter  Dinge und am Tag des Unglücks bedenke, auch diesen wie jenen hat Gott gemacht und was künftig sein
wird, kann der Mensch nicht wissen. Im Nachhinein wird so klar, dass die Position des Königs in 1.12  bis 2.26 nicht der Meinung des Verfassers des Buches entspricht. Dieser empfindet die Weltsicht des  Königs vermutlich eher als problematisch. Er übt allerdings keine direkte Kritik, wohl aber eine  indirekte. In 1.12 bis 2.26 sind nämlich die negativen Urteile über das Leben mit den hohen  Erwartungen des Königs verbunden. Zwischen den Zeilen macht der Text so klar, dass nicht die  Begrenztheiten im Leben das Problem sind, sondern die zu hohen Erwartungen und die falsche Haltung  des Menschen. Von daher würde ich vorschlagen, dass wir im Kohelet-Buch zwei Erzähler zu
unterscheiden haben. Kohelet der König und Kohelet der Weise. Wenn man scharf zwischen den beiden  unterscheidet, dann erscheint das Kohelet-Buch in einem anderen Licht. Dann findet sich in 1.12 bis  2.26 nämlich nicht die Meinung des Verfassers des Buches, sondern hier spricht der Verfasser in der  Rolle eines Königs, um dessen Weltsicht zu kritisieren. Ich finde diese Deutung des Kohelet-Buchs  sehr überzeugend. Sie hat viel für sich. Der Transparenz halber möchte ich aber offenlegen,  dass das eine Deutung ist. Die Unterscheidung von König und Weisem wird im Buch selbst nicht so  klar gezogen und es gibt keine klaren Signale, dass der König nur bis Ende von Kapitel 2 spricht.  Es ist eine Deutung, viele sehen das so, aber man kann das Buch auch anders lesen. Klar ist  hingegen die Unterscheidung zwischen dem Verfasser und dem Erzähler des Buches. Das ist zunächst  vor allem klar, weil der Verfasser in 1.12 bis 2.26 zumindest hier in der Rolle eines Königs spricht,
obwohl er kein König ist. Zudem wird am Anfang und Ende des Buchs über Kohelet in dritter Person  gesprochen. Hier haben wir zwei verschiedene Perspektiven. Die meisten Alttestamentlerinnen  und Alttestamentler gehen davon aus, dass diese Passagen in dritter Person über Kohelet von einem  Redaktor geschrieben sind, der sich damit vom Verfasser des Buches unterscheiden will. Von mir  aus her, oder ich denke es wäre aber auch möglich, dass hier auch diese Passagen in der dritten  Person vom Verfasser geschrieben sind, der sich damit vom Erzähler unterscheidet. Die  Distanzierung vom Erzähler ist allerdings eben nur in dieser Königsfiktion deutlich. Das ist klar,  dass sich der Verfasser hier von ihm unterscheidet, nicht aber bei Kohelet dem Weisen. Hier ist die  Unterscheidung also von Erzähler und Verfasser ein bisschen künstlich, weil wir über den Verfasser
des Kohelet-Buchs nur das wissen, was er uns über die Stimme in der Stimme Kohelet des Weisen sagt.  Daher spreche ich in diesem Vortrag manchmal auch von Kohelet und meine eigentlich den Verfasser des  Buchs. Ich habe ja schon erwähnt, dass das Kohelet-Buch viele Spannungen und Widersprüche  enthält. Einige davon erklären sich oder kann man damit erklären mit diesem Unterschied zwischen  Kohelet dem König und Kohelet dem Weisen. So empfindet zum Beispiel der König die Grenzen  seines eigenen Erkennens als schlimm, während Kohelet der Weise dazu aufruft, sie zu akzeptieren.  Und das Wissen um die eigene Sterblichkeit ist für den König ein Grund, das ganze Leben zu hassen,  während es für Kohelet den Weisen eigentlich eher ein Grund ist, die schönen Momente im Leben zu  geniessen. Daneben gibt es aber auch andere Widersprüche im Buch, also in den Teilen,
die auf Kohelet den Weisen oder wo der Kohelet der Weise spricht. Etwa in der Frage, ob die  Weisheit ein Vorteil ist oder wie man Kummer und Freude beurteilen soll und auch, ob Ungerechtigkeit  bestraft wird. Wie soll man sich solche Widersprüche erklären? Die Frage berührt sich mit der Frage  nach der Entstehung des Buchs und sie ist auch aus methodischen Gründen interessant. Es gibt hier  unterschiedliche Erklärungsmodelle. Die einen sagen, die Widersprüche im Kohelet Buch sind  überhaupt kein Problem, weil das Buch überhaupt nie als ein zusammenhängendes Buch konzipiert war,  sondern einfach eine Sammlung von Sentenzen ist, so hat man früher gesagt, eine Sentenzensammlung,  also eine Sammlung von Sprüchen und Reflexionen aus unterschiedlichen Zeiten aus dem Leben  aber nie als ein Buch konzipiert. So erklärt das heute eigentlich niemand mehr. Ein zweites
Erklärungsmodell erklärt die Widersprüche damit, dass manche Verse oder Abschnitte später hinzugefügt  wurden von einem Redaktor, der mit diesen Zusätzen nochmals neue Akzente setzen wollte. So sehen das  fast alle Auslegerinnen und Ausleger für den Epilog, also die allerletzten Verse in 12,9 bis  14. Denn hier klingt manches sehr viel traditioneller als im Rest des Buches. Und hier  findet sich auch ein Verweis auf das Gericht Gottes. Und von hier argumentieren dann manche  Exegetinnen und Exegeten, dass auch die anderen Verweise auf das Gericht Gottes, die sonst im  Kohelet Buch vorkommen, alles spätere Ergänzungen sind von diesem Redaktor. Und manche erklären auch  noch weitere Verse und Abschnitte als sekundär, zum Beispiel all diese negativen Urteile in den  ersten zwei Kapiteln. Nach einem dritten Modell kann man die Widersprüche ebenfalls literarkritisch
erklären, aber umgekehrt herum. Also nicht damit, dass später noch Dinge ergänzt wurden, sondern  damit, dass der Verfasser des Buches in seinem Werk ältere Texte oder ältere Aussagen integriert.  Denkbar wäre das vor allem bei den Gedichten. Im Kapitel 1,3 und 12 haben wir diese längeren  Gedichte, die in der Art etwas herausstechen vom Rest des Buches. Aber sie stechen heraus formal,  nicht inhaltlich. Inhaltlich passen die eigentlich sehr gut zur Botschaft des Buches. Weiter könnte  man sich überlegen, ob Kohelet manche der traditionellen Aussagen in seinem Buch, ob das  Zitate von anderen sind, ob Kohelet hier Zitate von anderen oder Aussagen von anderen zitiert,  um sich dann mit ihnen kritisch auseinanderzusetzen. Eng verbunden mit dieser Möglichkeit ist ein  viertes Erklärungsmodell, wonach die Widersprüche auf Kohelet selbst zurückgehen und von ihm gezielt
eingesetzt sind. Hier liegt jetzt aber der Fokus nicht darauf, dass das Kohelet beziehungsweise  der Verfasser des Buches ältere Aussagen anderer zitiert, sondern einfach, dass er Widersprüche  gezielt einsetzt in seinem Buch. Das ist heutzutage das Erklärungsmodell, das von den meisten  Exegetinnen und Exegeten favorisiert wird. Man kann es dann im Einzelnen verschieden akzentuieren.  Man kann sagen, Kohelet nimmt traditionelle Meinungen auf, um sich kritisch mit ihnen  auseinanderzusetzen. Oder man kann sagen, die Widersprüche und Spannungen ergeben sich darum,  weil Kohelet die Welt von verschiedenen Seiten zu verstehen versucht. Oder man kann sagen,  er formuliert bewusst widersprüchlich und offen, um auf die Komplexität der Welt und der Probleme  aufmerksam zu machen und so seine Hörerinnen und Hörer zum eigenen Nachdenken anzuregen. Man kann
diese verschiedenen Erklärungsmodelle gut miteinander kombinieren. In welchen Fällen  Kohelet selbst seine eigenen Meinungen differenziert und wo er Meinungen anderer kritisiert, ist oft  nicht eindeutig. Aber nicht zuletzt darum fasziniert das Buch. Es hat eine grosse Offenheit und man kann  es verschieden interpretieren und immer wieder neu über es nachdenken. Folgt man diesem Verständnis,  also diesem vierten Erklärungsmodell, dann ist ein Großteil des Kohelet-Buchs literarisch  einheitlich. Und damit wäre es im Alten Testament eine Ausnahme, denn sonst sind ja die meisten  alttestamentlichen Bücher über eine längere Zeit entstanden. Einzig bei den ersten und letzten  Versen gehen heutzutage die meisten Exegetinnen und Exegeten davon aus, dass sie später ergänzt  wurden. Beim Epilog in 12,9 bis 14 ist das in der Tat sehr wahrscheinlich. Die Aufforderung,
Gott zu fürchten und seine Gebote zu halten und der Hinweis auf das Gericht Gottes klingt  doch sehr traditionell und ist ein bisschen ein seltsames Ende nach diesem Buch. Zudem folgt der  Epilog auch nach den Rahmenversen. Wegen der Rede über Kohelet in der dritten Person erachten die  meisten Exegetinnen und Exegeten auch die Überschrift und diesen Rahmenvers 1,2 und 12,8  als redaktionell, als sekundär. Das ist möglich, möglich wäre meiner Meinung nach aber auch, dass  sie vom Verfasser selbst verfasst sind. Mit welchen anderen Werken lässt sich das Kohelet-Buch  vergleichen? Wo wurde der Text wohl ursprünglich verwendet? Mit diesen Fragen spreche ich die Frage  nach der Gattung und den Sitz im Leben an. Die klassische Antwort auf meine Frage ist,  das Kohelet-Buch ist ein Weisheitsbuch oder eine Weisheitslehre. Dafür sprechen mehrere
Beobachtungen. Zunächst die kleinen Einheiten im Buch. Da haben wir Reflexionen, Ermahnungen,  Sprichwörter, besser als Sprüche und ähnliches, so wie wir es auch im Proverbienbuch haben. Und  dann gibt es weiter auch die inhaltlichen Berührungen. Es gibt viele Berührungen mit  anderen Weisheitsschriften. Und drittens wird Kohelet im Epilog tatsächlich als ein Weiser  bezeichnet. Durch die starke Ich-Rede hat das Buch auch einen autobiografischen Charakter. Das  sind vor allem so Aussagen wie ich sah, ich nahm ihr zu Herzen, ich erkannte. Und in der Königsfiktion  haben wir darüber hinaus eben auch Berichte über die Taten des Königs und seine Gefühle. Hier ist  aber auch klar, dass diese Autobiografie fiktionaler Art ist. Also wenn schon, müsste man sagen,  das Kohelet-Buch ist so eine Art fiktionale Autobiografie. Vom Stil her zeigt das Kohelet-Buch
eine große Ähnlichkeit zu den Diatrieben. Das sind populär-philosophische Reden, die seit dem  dritten Jahrhundert vor Christus von Stoikern und Königern gebraucht worden sind, um ihre Schüler  zu belehren. Und wie im Kohelet-Buch werden in diesen Diatrieben unterschiedliche Gesichtspunkte  erörtert und das Ich des Sprechers wird betont und die Zuhörer werden direkt angesprochen. Die  Frage nach der Gattung des Kohelet-Buchs ist auch wichtig, weil damit auch die Frage nach dem Sitz  im Leben gestellt wird, also die Frage, wo ein Text wie das Kohelet-Buch eigentlich gebraucht werden  konnte. Wo wurde dieser Text gebraucht? Und hier ist etwas beachtenswert, nämlich dass das  Kohelet-Buch mit den ägyptischen Hafner-Liedern eine große Ähnlichkeit aufweist. Hafner-Lieder,
so nennt man Texte aus Ägypten, die aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus stammen. Sie sind also  sehr viel älter als das Kohelet-Buch. Es gibt aber inhaltliche Berührungen, vor allem die Verbindung  des Memento mori und des Carpe diem Motivs. Also Memento mori Motiv, das ist die Erinnerung an die  eigene Sterblichkeit und Carpe diem ist der Aufruf, das Leben in hier und jetzt zu genießen.  Und im Kohelet-Buch sind die beiden Motive miteinander verbunden und so auch in diesen  Hafner-Liedern. Und darüber hinaus gibt es weitere Gemeinsamkeiten inhaltlicher Art. Zum Beispiel  ist auch in den Hafner-Liedern über den Wechsel der Generationen die Rede, wie in Kohelet 1. Oder es  wird darüber gesprochen, dass die Verstorbenen in Vergessenheit geraten und dass man über den Tod  nichts wissen kann. Und diese Hafner-Lieder nun, die stammen aus einem Begräbnis-Kontext, wurden dabei
aber vermutlich im Rahmen von Feiern vorgetragen. Und von daher wurde auch fürs Kohelet-Buch überlegt,  ob es ursprünglich eigentlich bei Symposien vielleicht vorgetragen wurde, also bei so griechischen  Gastmählern. Allerdings bei Weisheitsschriften ist der normale Sitz im Leben eigentlich eher die  Schule oder der Ausbildungskontext. Und dazu passt im Kohelet-Buch ja auch passend diese Du-Anreden,  diese Ermahnungen, die Reflexionen über das Leben und auch die Anweisungen, zum Beispiel,  wie man sich in der Gegenwart eines Königs zu benehmen hat. Der Inhalt des Kohelet-Buchs ist  allerdings sehr kritisch. Er übt Kritik an den Lehren der traditionellen Weisheit. Er übt auch  Kritik an der Oberschicht und er kommentiert das Elend der Unterschicht. Von daher ist es recht  schwierig, die soziale Stellung Koheletts und seiner Adressaten zu bestimmen. So oder so ist klar,
die Reflexionen Koheletts regen zum eigenen Nachdenken an. Und nur schon darum kann man sie  als eine Art Lehre bezeichnen. An wen sich diese Lehre ursprünglich richtete, das müssen wir offen  lassen. Was betont Kohelet in seiner Lehre? Was ist ihm inhaltlich wichtig? Manches davon habe ich  schon gesagt, aber in diesem nächsten Teil meines Vortrags möchte ich nun noch etwas gebündelt und  detaillierter auf die Fragen des Inhalts des Buches zu sprechen kommen. Der Auslöser für  Koheletts Reflexionen sind Erfahrungen, die zeigen, dass die Lehren der traditionellen Weisheit zu  kurz greifen. Weisheit führt nicht zwingend zu Erfolg, Gerechtigkeit setzt sich nicht immer durch  und der Tod trifft alle gleichermaßen. Solche Erfahrungen sind unangenehm und entsprechend  klingt manches in Koheletts Buch tatsächlich pessimistisch oder vielleicht auch realistisch.
Aber Kohelet belässt es nicht dabei. Ausgehend von den Dissonanzen zwischen den Lehren der  traditionellen Weisheit und seinen eigenen Beobachtungen, denkt er vertieft über Gott,  den Mensch und die Welt nach und er entwickelt dabei eine Art Lebensphilosophie, könnte man sagen,  die alles andere als pessimistisch ist. Mit dem Rahmenvers Flüchtig und nichtig, sprach Kohelet,  alles ist flüchtig, wird ein Thema betont im Rahmen, das für das Buch insgesamt wichtig ist.  Das hebräische Stichwort hier ist Hevel, also das ist das Wort, das die Zürcher Bibel mit nichtig  und flüchtig übersetzt. Andere Übersetzungen sind vergeblich, vergänglich, eitel, alles ist eitel,  Windhauch, im Englischen auch vanity, das kommt vom lateinischen vanitas. All diese unterschiedlichen  Übersetzungen spiegeln, dass Kohelet das Wort Hevel in unterschiedlichen Zusammenhängen braucht
und mit unterschiedlichen Bedeutungsniancen. Alles ist vergänglich, das stimmt zunächst einmal für  das Leben, für das Leben der Menschen und auch der Tiere. Der Tod gehört zum Leben dazu. Aber  auch weitere Aspekte des Lebens sind vergänglich und flüchtig, weil sie sich nämlich der  Verfügungsgewalt des Menschen entziehen. Für Kohelet den König ist diese Beschränktheit  der Verfügungsgewalt ein Problem. Für Kohelet den Weisen aber ist es anders. Er beschreibt  eigentlich eher die Versuche des Menschen, die Unverfügbarkeit fassen zu wollen, als flüchtig  und nichtig, ebenso vergeblich wie ein Greifen nach Wind. Und daneben beschreibt er auch noch  Absurditäten als flüchtig. Hier kann man froh sein, dass sie flüchtig sind. Ein weiteres wichtiges  Thema im Kohelet Buch sind Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Das kommt vor allem im Zusammenhang
der Frage vor, ob sich gerechtes Verhalten auszahlt und ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem  Tun eines Menschen und seinem Ergehen. Im Alten Testament ist diese Vorstellung eines Tun-Ergehen-  Zusammenhangs, so nimmt man das in der Wissenschaft, also diese Vorstellung eines Tun-Ergehen-  Zusammenhangs ist weit verbreitet im Alten Testament. Wir haben das im Proverbienbuch,  in den Psalmen, im Deuteronomium, im deuteronomistischen Geschichtswerk, also  Jesu bis zweiter König, auch bei den Propheten, in der Septuaginta, im Sirach-Buch, in der Weisheit  Salomos. Also das ist weit verbreitet. Typisch ist etwa die Formulierung von Proverbien 1221.  Dem Gerechten widerfährt kein Unheil, aber die Frevler trifft das Unglück voll. Kohelet erhebt  hier Protest gegenüber einer solchen Verabsolutierung dieser Vorstellung eines Tun-Ergehen-
Zusammenhangs. Wenn das in einer solchen allgemeinwürdigen Art formuliert wird,  dann stimmt das nicht. Und Kohelet macht Beobachtungen in der Welt, die zeigen, dass das  so als allgemeinwürdige Regel nicht stimmt. 814 und 911 sind hier gute Beispiele. Ich lese  ihnen wieder vor. Es gibt nichtiges, das auf Erden geschieht. Es gibt Gerechte, denen es ergeht,  als hätten sie gehandelt wie Frevler. Und es gibt Frevler, denen es ergeht, als hätten sie  gehandelt wie Gerechte. Ich dachte, auch dies ist nichtig. Und dann 911. Wiederum sah ich unter  der Sonne. Nicht die Schnellen gewinnen den Wettlauf und nicht die Helden den Kampf. Auch  nicht die Weisen das Brot und nicht die Verständigen Reichtum und die Einsichtigen  Gunst. Denn Zeit und Zufall treffen sie alle. Die Formulierungen Kohelets zeigen, dass er
Ausnahmen beschreibt. Wenn er sagt, nicht die Schnellen gewinnen den Wettlauf, dann ist das  eine Ausnahme. Häufig gewinnen natürlich die Schnellen den Wettlauf, aber eben nicht immer.  Vermutlich stellt Kohelet einen gewissen Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen nicht in Frage. Daher  ruft er zu anständigem Verhalten auf und erweist auf das Gericht Gottes. Wichtig ist für Kohelet aber,  dass man die Lehre eines Tun-Ergehen-Zusammenhangs nicht verabsolutiert. Sonst denkt man nämlich,  die Welt sei vollständig berechenbar und man sei der Herr seines eigenen Schicksals. Wer so hohe  Erwartungen hat, kommt mit den Ausnahmen nicht zurecht. Und man wird auch sehr unbarmherzig  denen gegenüber, denen es nicht gut geht. Um der Verabsolutierung eines Tun-Ergehen-Zusammenhangs  entgegenzuwirken und falschen Erwartungen entgegenzuwirken, ruft Kohelet zur Mäßigung
auf. Und bekannt sind hier die Verse aus 7, 16 bis 17. Sei nicht übergerecht und gib dich nicht gar  Zuweise. Warum willst du scheitern? Sei nicht zu oft ungerecht und sei kein Tor. Warum willst du  sterben vor deiner Zeit? Ein weiteres wichtiges Thema im Kohelet Buch sind Weisheit und Torheit.  Typisch ist zum Beispiel die Frage von 6,8. Denn was hat der Weise dem Toren voraus? Kohelet  bestreitet den Wert der Weisheit nicht grundsätzlich. Er macht sehr viele positive Aussagen über die  Weisheit und er macht sehr viele negative Aussagen über die Torheit und vor allem auch die Toren.  Aber er macht auch klar, dass die traditionellen Erwartungen an die Weisheit übertrieben sind.  Kohelet stört sich an der falschen Erwartung, dass man den Gewinn von Weisheit selbst in der Hand
hat und über die Weisheit dann auch die traditionellerweise mit ihr verbundenen  Güter wie Reichtum, Ehre, Erfolg und langes Leben. Dagegen sagt Kohelet, all diese Güter  kommen aus der Hand Gottes, das Leben ist unberechenbar. Seine Kritik an den traditionellen  Vorstellungen gehen Hand in Hand mit Reflexionen über das menschliche Erkennen. Für Kohelet ist  die primäre Erkenntnisquelle seine eigene Erfahrung. Er weist immer darauf auf seine  eigenen Erfahrungen, was er gesehen hat und von hier her stellt er die Tradition in Frage.  Er betont auch sehr stark, dass das menschliche Erkennen oder die menschliche Erkenntnisfähigkeit  begrenzt ist. Der Mensch kann das Werk, das Gott gemacht hat, beziehungsweise das Tun unter der
Sonne nicht vollständig verstehen. Ebenso betont Kohelet auch, dass man über die Zukunft keine  Prognosen machen kann. Ich lese Ihnen 612 als typisches Beispiel. Es gibt sehr ähnliche  Gesetze wiederholt. Wer weiß denn, was gut ist für den Menschen im Leben, in der Zeit seines  flüchtigen Lebens? Wer könnte dem Menschen kundtun, was künftig sein wird unter der Sonne?  Das ist eine rhetorische Frage. Die Antwort ist, niemand kann das dem Menschen kundtun.  Kohelet deutet an, dass Gott selbst es ist, der die menschliche Erkenntnisfähigkeit begrenzt und  dafür schaut, dass die Bemühung des Menschen um Erkenntnis häufig einfach Bemühung bleibt,  ohne Erfolg. Bei diesem Thema zeigt sich auch ein sehr deutlicher Unterschied zwischen Kohelet  dem König und Kohelet dem Weisen. Für den König nämlich ist die Begrenztheit seines  Erkenntnisstrebens schlecht. Er findet das ganz schrecklich. Kohelet der Weise sagt aber,
man muss diese Begrenztheit akzeptieren. Und auch, er sagt, wer meint, die Grenzen  des Erkenntnisvermögens überschreiten zu können, der ist ein Tor. Manche sagen daher,  Kohelet ist ein Skeptiker. Ob das stimmt oder nicht, hängt von der Definition ab. Was heißt  Skepsis, was ist ein Skeptiker? Klar ist, dass Kohelet die menschliche Erkenntnisfähigkeit nicht  grundsätzlich infrage stellt. Im Gegenteil, Wissen und Erkennen sind für ihn wichtige Aspekte,  die das Leben vom Tod unterscheiden. Das wird sehr deutlich in 9.5. Dort sagt er,  die Lebenden wissen, dass sie sterben werden, die Toten aber wissen gar nichts. Also ein gewisses  Wissen hat der Mensch durchaus, aber eben sein Erkenntnisvermögen ist begrenzt. Kohelet selbst  würde sich kaum als Skeptiker beschreiben, sondern wenn schon, dann eher als Empiriker. Er weiss
nämlich sehr häufig auf seine eigenen Erfahrungen und seine Beobachtungen unter der Sonne. Aber auch  das stimmt nicht ganz. Also aus unserer heutigen Perspektive sind viele Aussagen Kohelets nicht  aus der Erfahrung gewonnen, zum Beispiel alles, was er über Gott sagt oder vor allem das Dasein  nach dem Tod. Manche sagen, dass Kohelet Buch sei zu unfroh oder zu wenig religiös. Solche  Urteile spiegeln natürlich eigene Einschätzungen und Erwartungen. Gott spielt im Kohelet Buch  durchaus eine wichtige Rolle und Gott spielt laut Kohelet eine wichtige Rolle im Leben der Menschen.  Allerdings ist der Kontakt zwischen Gott und Mensch laut Kohelet eher indirekt. Kohelet ist es wichtig,  dass der Mensch die Distanz zwischen sich und Gott beachtet. In 5.1 bringt er das über das  räumliche Bild zum Ausdruck, dass Gott im Himmel ist und der Mensch auf Erden. Häufig bringt er
diese Distanz aber auch epistemologisch auf den Begriff. Das heißt, er spricht davon, dass der  Mensch das Tun Gottes nicht verstehen kann. Entsprechend mahnt Kohelet dann bei religiösen  Handlungen auch zur Zurückhaltung, etwa bei Gelübden. Das ist das Thema in 4.17 bis 5.6.  Als angemessene Haltung Gott gegenüber empfiehlt Kohelet die Gottesfurcht. Interessant ist, mit  welchen Verben Kohelet über Gott spricht. Und hier fällt auf, dass er zwei Verben hat, die er ganz  häufig braucht, nämlich geben und machen oder machen tun. Das ist im Hebräischen das Gleiche.  Gott gibt und Gott macht, laut Kohelet. Gott ist, laut Kohelet, der Schöpfer der ganzen Welt und  derjenige, dem die ganze Welt ihr Dasein verdankt. Und Kohelet meint das nicht nur in Bezug auf die  uranfängliche Schöpfung am Anfang der Zeit, sondern laut ihm bleibt Gott mit seinem Wirken
kontinuierlich in der Welt präsent. In Kapitel 11 bringt Kohelet nämlich den Weg des Windes und  das Werden des Kindes im Leib der Schwangeren mit dem Tun Gottes in Verbindung. Mehrfach betont Kohelet,  dass Gottes Tun gut ist. Berühmt ist diese Aussage von 3.11, dass Gott alles schön gemacht hat zu  seiner Zeit. Damit meint Kohelet nicht, dass für den Menschen immer alles gut ist. Das weiß er auch  selbst, dass das nicht der Fall ist. Neben Tagen des Glücks gibt es auch Tage des Unglücks,  solche, die der Mensch nicht als gut wahrnimmt. Das sagt Kohelet sehr deutlich. So ist das auch  im berühmten Gedicht über die Zeit mit diesen Paaren von Zeiten. Da ist meistens ein Element  etwas, was wir als schlecht empfinden und etwas, was wir als gut empfinden, also Krieg und Frieden,  Weinen und Lachen etc. Kohelet deutet aber an, dass die negativen Erfahrungen etwas mit der
Begrenztheit des menschlichen Erkennens zu tun haben. Dem Mensch fehlt nämlich das Verständnis  für das Grosse Ganze. Daher nehmen wir als Menschen manches als schlecht wahr, obwohl Gott es so  erschaffen hat, dass es schön ist zu seiner Zeit. Kohelet sagt darum auch in 6, 10 bis 12, dass der  Mensch mit Gott nicht rechten kann, weil er auch nicht weiß, was gut ist im Leben. Über den Menschen  macht Kohelet auch unterschiedliche Aussagen. Häufig braucht er das gängige Wortpaar von  Gerechten und Frevelern und seine Wortwahl zeigt, dass er diese Grundunterscheidung von Menschen in  Gute und Schlechte sozusagen teilt. Daneben sagt er aber in 27 auch, dass kein Mensch so gerecht  sein kann, dass er niemals sündigt. Und manchmal betont Kohelet auch die Bosheit des menschlichen
Herzens. So zum Beispiel in 9, 3. Dort sagt er, auch ist das Herz des Menschen voll Bosheit und  Verblendung ist in ihren Herzen. Daneben sagt er aber auch, Gott hat den Menschen Recht gemacht.  Insgesamt sind das etwas widersprüchliche oder spannungsvolle Aussagen über den Menschen und  die lassen unterschiedliche Deutungen zu. Anders als die Propheten und die Apokalyptiker erwartet  Kohelet keine größeren Veränderungen in der Schöpfung. Insgesamt ist die Schöpfung für ihn  gut und stabil und bleibt so, wie sie ist. Das sagt er besonders deutlich im Kapitel 1. Dennoch  spricht Kohelet auch von einem Gericht. Zum Beispiel in 3, 17. Ich sagte mir, den Gerechten  und den Frevelern wird Gott richten. Hier gibt sich eine gewisse Spannung zu den Aussagen, die  einen tun-ergehenden Zusammenhang in Frage stellen. Man kann sich fragen, ob Kohelet an ein Gericht im
Jenseits denkt. Das ist schwer zu beantworten. Seine Aussagen bleiben etwas in der Schwebe.  Vielleicht hat er auch keine konkreten Vorstellungen über dieses Gericht. Er erinnert  aber die Menschen daran oder die Adressaten seines Buches, dass man Gott gegenüber verantwortlich  bleibt. Auch wenn man beobachten kann, dass es den Gerechten nicht immer besser geht als den  Frevelern. Sicher ist auch, dass manche Gerichtsmomente im Leben dazugehören. Niemand kann diesen  Gerichtsmomenten im Leben entkommen. Die Zeit des Unglücks kann alle treffen. Und das gilt ganz  besonders auch für den Tod. Kohelet beschreibt den Tod als das eine Geschick, das alle gleichermaßen  trifft. Und er sagt, dass der Mensch akzeptieren muss, dass er keine Macht über den Zeitpunkt des  Todes hat. Für Kohelet ist das kein Grund, am Leben zu verzweifeln. Im Gegenteil, es ist ein Anlass,
sich in der Lebenszeit über die guten Momente zu freuen. Kohelet betont stark, dass das ganze Leben  des Menschen vom Geben Gottes bestimmt ist. Er nennt verschiedene Sachen, die Gott dem Menschen  gegeben hat. Den Lebensatem, die Weisheit, das Erkenntnisstreben, Reichtum und Ehre und die  Freude bzw. die Möglichkeit zum Lebensgenuss. All das sind laut Kohelet Gaben Gottes. Damit betont  er einerseits die Kontingenz, sprich, dass der Mensch diese Güter eben nicht selbst in der Hand  hat, sondern auf Gottes Geben angewiesen ist. Aber er betont dabei vor allem den positiven Aspekt,  dass Gott diese Güter dem Menschen gibt. Er könnte auch das Negative betonen, dass Gott die dem  Menschen nicht gibt. Das macht er nicht. Weitere wichtige Stichworte in Kohelets Lehre sind Gewinn
und Teil. Auf Hebräisch Jethron, Gewinn und Chelek, Teil. Gewinn kommt ein erstes Mal in dem Vers 1.3  vor. Welchen Gewinn hat der Mensch von seiner ganzen Mühe und Arbeit unter der Sonne? Nach Kohelet  gibt es durchaus Gewinne im Kleinen. Es gibt Sachen, die besser sind als andere. Aber es gibt  keinen absoluten Gewinn. Das zeigt besonders deutlich der Tod. Am Schluss müssen alle  gleichermassen sterben. Man kann sich vorher noch so abmühen. Dennoch versteht Kohelet das Leben  nicht negativ. Kohelet versteht auch die Arbeit nicht negativ. Er redet recht viel über die  Arbeit und gebraucht dabei ein hebräisches Wort, Amal, das auch Mühe und Müsal heisst. Er betont  diese Müseligkeit der Arbeit, aber nicht nur. Er nennt durchaus auch positive Aspekte der Arbeit  und er kritisiert Faule. Aber was er auch macht, ist, dass er warnt vor einem Leben, in dem die Arbeit
einen zu hohen Stellenwert hat. Und ich denke hier, das ist einer der Punkte, wo das Kohelet-Buch sehr  aktuell ist. Kohelet betont auch, dass all die Werke, die man durch Arbeit sich erwerben und  erschaffen kann, keinen bleibenden Gewinn haben. Das zeigt wieder besonders deutlich der Tod. Am Schluss  muss man alles einem Nachkommen hinterlassen. Der König findet diese Begrenztheit seiner eigenen  Verfügungsgewalt schrecklich und verzweifelt daran. Kohelet derweise aber sieht das anders.  Für ihn ist die Sterblichkeit und die Unverfügbarkeit des Lebens eigentlich eher ein  Grund dafür, die Momente zu geniessen, in denen man Freude und Lebensgenuss haben kann. Wiederholt  sagt Kohelet, dass es nichts Besseres gibt, als sich zu freuen. Und häufig konkretisiert er das  auch und nennt dann das Essen und das Trinken und das Gute Geniessen. Und hier fällt dann auch
dieses Stichwort Teil. Solche Glücksmomente sind zwar kein bleibender Gewinn, aber sie sind ein  Teil, etwas, das den Menschen zukommt, ein Geschenk Gottes, wie er auch sagt. Diese wiederholten  Aufrufe zum Essen und Trinken oder diese wiederholten Betonungen, dass das etwas Gutes ist,  Essen und Trinken, haben Kohelet bei manchen in den Verruf gebracht, er sei ein Hedonist,  allein auf seinen eigenen Genuss und die Lust aus. Wie in anderen Texten ist im Kohelet-Buch der  Aufruf zum Lebensgenuss mit dem Gedanken an die Sterblichkeit verbunden. Eben, das ist diese  Verbindung dieses Carpe Diem-Motivs mit dem Memento Mori-Motiv. Und das kann leicht missverstanden  werden. Das zeigt im Alten Testament zum Beispiel Jesaja 22,13. Hier wird dem Volk den Spruch in das  Mund gelegt, lass uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Und das ist hier eindeutig
negativ gemeint als Kritik. Und auch in der Weisheit Salomos in Kapitel 2 werden dort werden die Toren  in einer Art beschrieben, die stark an Kohelet erinnert. Allerdings ist seine Position dabei  leicht verdreht und karikiert. Kohelet selbst trifft den Vorwurf des Hedonismus nicht. Er betont  Freude und Genuss, aber er ist nicht allein auf Lustgewinn aus und er ist auch nicht egozentrisch.  Wohler ruft er dazu auf, dass man mit den guten Momenten im Leben nicht unbedacht umgehen soll.  Man soll sie nicht abwerten, weil sie flüchtig und vergänglich sind. Man soll sie auch nicht  auf die Zukunft verschieben, weil man in der Gegenwart Wichtigeres zu tun hat, Arbeit und  auf Gewinn aus. Wie so vieles anderes sind auch diese Glücksmomente flüchtig. Umso mehr sollte
man sie geniessen und sich bewusst sein, dass sie ein Geschenk Gottes sind. Ich habe in meinen  bisherigen Ausführungen jetzt schon verschiedentlich Texte und Traditionen genannt, zu denen das  Kohelet-Buch in Verbindung steht. Und im nächsten Teil meines Vortrags möchte ich das jetzt noch  etwas zusammentragen und ergänzen. Am wichtigsten sind die Verbindungslinien Koheletts zu anderen  Weisheitsschriften. Von der Form her erinnern viele Aussagen im Kohelet-Buch an das Proverbienbuch.  Inhaltlich aber stellt Kohelet die Lehren der traditionellen Weisheit in Frage. Und hier ist  es eben eng verwandt mit dem Hiob-Buch. Die beiden Bücher, Kohelet und Hiob, gelten als Vertreter  der sogenannten kritischen Weisheit. Wesentlich ist hier eben diese Bestreitung der Vorstellung  eines tun-ergehen-Zusammenhangs. Im Vergleich zum Hiob-Buch fällt die Kritik Koheletts aus  grösserer Distanz aus. Anders als Hiob ist er nicht direkt betroffen vom Unglück. Dennoch übt
auch er scharfe Kritik an der Lehre eines tun-ergehen-Zusammenhangs. Und wie im Hiob-Buch  sind, ist diese Kritik mit einer Reflexion über das menschliche Erkennen verbunden.  Diese Position der kritischen Weisheit, eben Kohelet und Hiob, blieb nicht unwidersprochen.  Andere Weise im antiken Israel haben darauf reagiert und haben betont, dass der tun-ergehen-  Zusammenhang gültig ist, dass all diejenigen, die sich nur genug anstrengen, tatsächlich Weisheit  gewinnen können und all diese Güter, die mit ihr einhergehen. Das sind vor allem die jüngeren  Schriften, das Sirach-Buch und die Weisheit Salomos und auch die jüngeren Kapitel im Proverbienbuch.  Wie üblich für die Weisheitsschriften in der hebräischen Bibel gibt es im Kohelet-Buch keine  Erwähnungen der sogenannten Heilsgeschichte. Also Abraham, Isaac und Jakob, die Offenbarung am Sinai
und der Exodus und all diese Sachen kommen im Kohelet-Buch nicht vor. Wohl aber gibt es Bezüge  zum Pentateuch, also zu den ersten fünf Büchern Mose. Beachtenswert sind vor allem einige  Gemeinsamkeiten mit der sogenannten Urgeschichte, Genesis 1 bis 11. Beide Texte betonen, dass Gott  die Schöpfung gut erschaffen hat. Und beide Texte sprechen von der Bosheit des Menschen. Weiter  berührt sich das Kohelet-Buch mit dem Pentateuch auch in einigen Themen zum Kult, also zum Opfer  etc. Das haben wir in 4, 17 bis 5, 6, wo Kohelet über das religiöse Verhalten spricht. Und hier ist  interessant, dass er zwar zur Zurückhaltung auffordert, aber keine Grundsatzkritik übt am  Tempel und am Opferwesen. Etwas indirekter setzt sich Kohelet auch mit der Prophetie und der  Apokalyptik auseinander und zwar sehr kritisch. Besonders deutlich ist das in den vielen Sätzen,
wo er sich kritisch äussert über die Möglichkeit von Zukunftsprognosen. Eben diese häufigen Sätze,  wer könnte dem Menschen kundtun, was künftig sein wird unter der Sonne. Weiter betont er in  Kapitel 1 auch, dass die Erde ewig bestehen bleibt und wiederholt sagt er, dass es nichts Neues gibt  unter der Sonne. Das sind Absagen an eschatologische Erwartungen. Spannend ist in dem  Zusammenhang auch das Gedicht in Kapitel 12. Das ist nämlich in einer Art formuliert, das an  apokalyptische Texte erinnert. Hier beschreiben diese Aussagen aber innerweltliche Vorgänge,  nämlich das Altern und Sterben. Und deshalb gibt es die These, dass in diesem Gedicht wieder so  implizit unterschwellig apokalyptische Vorstellungen zurückgewiesen werden. Neben anderen biblischen  Texten gibt es auch Berührungen des Kohelet-Buchs zu nichtbiblischen Texten. Was ich schon erwähnt
habe, sind die Ähnlichkeiten mit den altorientalischen Königssinschriften und  diesen ägyptischen Hafnerlidern. Aber es gibt noch weitere Berührungen, etwa zum Gilgamesch-Epos,  diesem berühmten Epos aus Mesopotamien. Dieses enthält nämlich wie das Kohelet-Buch das Bild,  das ein dreifacher Faden nicht reissen kann. Und es enthält eine Passage, in der zum Lebensgenuss  ausgerufen wird und zwar ganz ähnlich wie im Kohelet 9, ganz konkret mit der Erwähnung von  Essen, Trinken, Kleider, Körperpflege und der Freude mit der Frau. Weiter gibt es Berührungen  des Kohelet-Buchs mit der Achika-Tradition, mit babylonischen und ägyptischen Weisheitsschriften  und einem Text mit dem Namen «Ballad of the early rulers». Bei all diesen Berührungen kann und muss  man sich fragen, wie sie sich wohl erklären. Das kann man nicht pauschal erklären, sondern muss
von Fall zu Fall schauen. Viele Texte, die ich Ihnen jetzt aufgezählt habe, sind bedeutend älter als  das Kohelet-Buch. Und es ist von daher eher unwahrscheinlich, dass der Verfasser des Kohelet-Buchs  diese anderen Texte gekannt hat. Möglicherweise waren aber einzelne Sprichwörter mündlich im  Umlauf. Das wäre eine Erklärung für die Gemeinsamkeiten. Oder man könnte die Gemeinsamkeiten  auch einfach mit der gemeinsamen Tradition erklären. Also dass das allgemeine Gedanken und  Motive waren, die einfach allgemein bekannt waren. Eigens anzusprechen gilt es die Berührung mit  Texten aus der griechisch-helenistischen Tradition. Das wird in der Forschung breit diskutiert, ob das  Kohelet-Buch durch die griechisch-helenistische Philosophie beeinflusst ist. Ich habe vorher  schon erwähnt die Ähnlichkeit mit der Gattung der Diatribe. Darüber hinaus gibt es viele
inhaltliche Berührungen zu griechisch-helenistischen Schriften. Zum Beispiel die Frage nach dem Glück  des Menschen oder auch so eine eher nichtpersonale Gottesvorstellung oder das Hervortreten dieser  Individualität oder dieses kritischen Ichs. Aber auch Gedanken zu Schicksal, Zeit und Zufall. Überall  da gibt es Berührungen zwischen dem Kohelet-Buch und griechisch-helenistischen Schriften,  philosophischen Schriften. Wie man sich diese Parallelen erklären kann, ist eine wichtige Frage,  aber sie ist schwer zu beantworten. Es wäre möglich, dass Kohelet griechisch-helenistische  Schriften gekannt hat und sich von ihnen inspirieren lassen hat. Es ist aber auch möglich, dass der  Einfluss eher kulturell bedingt ist, dass sich die Gemeinsamkeiten einfach ergeben aus Ideen und  Themen, die in der Zeit der Entstehungszeit des Kohelet-Buchs im Umlauf waren. Die Frage nach dem  Verhältnis Kohelet zur griechisch-helenistischen Philosophie ist auch darum besonders relevant und
spannend, weil die meisten Exegetinnen und Exegeten das Kohelet-Buch in die helenistische Zeit datieren,  meistens etwa ins dritte Jahrhundert vor Christus. Ich komme zum nächsten Teil meines Vortrags zur  Datierung und zur Zeitgeschichte. Einen wichtigen Hinweis auf die Datierung des Kohelet-Buchs geben  Fragmente, die man in Kumran gefunden hat. Diese Fragmente stammen aus dem zweiten Jahrhundert vor  Christus und damit ist klar, spätestens im zweiten Jahrhundert vor Christus muss das Kohelet-Buch  geschrieben sein. Das ist der sogenannte Terminus Antequem, also es muss kurz vorher spätestens  geschrieben worden sein. Viele Forscherinnen und Forscher nennen weiter die Perserzeit als  sogenannten Terminus Aquo, also Zeit abdem das Buch geschrieben werden muss. Das ist, weil  nämlich persische Lehnenwörter im Kohelet-Buch vorkommen und so könnte man argumentieren, dass
Kohelet-Buch kann frühestens entstanden sein, seit das Persische eine wichtige Sprache wurde. Allerdings  ist das nicht so ganz eindeutig, weil in der Textüberlieferung ja durchaus es möglich wäre,  dass einzelne Wörter dann später noch ausgetauscht wurden. Viele weisen aber auch darauf hin, dass das  Kohelet-Buch gewisse Besonderheiten des Wirtschaftssystems der Perser reflektiert und nehmen  das dann als einen Hinweis darauf, dass das Buch im fünften oder vierten Jahrhundert vor Christus  entstanden sein muss. Allerdings sind viele dieser Besonderheiten des Wirtschaftssystems der  Perser dann auch in der folgenden Zeit, also der hellenistischen Zeit, waren die noch gängig. Auf  die hellenistische Zeit deuten verschiedene Aspekte im Buch. Wichtig ist hier vor allem die Sprache.  Die Sprache, das Hebräisch im Kohelet-Buch ist jung, es hat viele Aramaismen und es gibt  Besonderheiten, die sehr ähnlich sind wie das spätere Mishnah-Hebräisch. Auch das relative
zeitliche Verhältnis zu den anderen Weisheitsschriften im Alten Testament deutet darauf hin, dass das  Kohelet-Buch eher ein jüngeres Buch ist. Wichtig sind so dann vor allem dann auch die Ähnlichkeiten  mit den griechisch-hellenistischen Schriften, über die ich vorher gesprochen habe. Und weiter könnte  man auch nennen die implizite Kritik an den apokalyptischen Vorstellungen, so man die sieht  im Buch, denn diese apokalyptischen Vorstellungen sind erst im dritten Jahrhundert vor Christus  entstanden. Keines dieser Argumente ist ein eindeutiger Beweis. Wir haben keinen eindeutigen  Beweis für die Datierung des Buchs, aber so diese kumulative Evidenz insgesamt deutet darauf hin,  dass es durchaus sehr wahrscheinlich ist, dass das Kohelet-Buch im dritten Jahrhundert vor  Christus entstanden ist. In dieser Zeit, im dritten Jahrhundert vor Christus, stand Judäa unter der  Herrschaft der Ptolemäer. Das war diese makedonisch-griechische Dynastie, die nach dem Zerfall des
Großreichs von Alexander dem Großen in Ägypten und in den angrenzenden Regionen regiert hat und eben  auch über die Levante. Hier in der Levante gerieten sie dann häufig in den Konflikt mit den Seleukiden,  die ab 200 vor Christus die Herrschaft übernommen haben. Bezüglich dem Ort der Entstehung sagen die  meisten Exegetinnen und Exegeten, dass das Kohelet-Buch vermutlich in Jerusalem verfasst  worden ist. Denkbar wäre daneben vielleicht auch noch Ägypten. Für Ägypten könnte man ins Feld  führen, dass sich im Kohelet-Buch Ermahnungen finden, wie man mit dem König umgehen soll.  In der Ptolemäischen Zeit gab es in Judäa keinen König, wohl aber in Ägypten. Allerdings für Jerusalem  oder Palästina sprechen so kleine beiläufige Bemerkungen, die auf Begebenheiten hinweisen,  die es nur in Palästina gab und eben nicht in Ägypten. Bei den Windverhältnissen, dass es
regelmässige Regenzeiten gab, einmal wird eine Zisterne erwähnt, das gab es in Palästina und  nicht in Ägypten. Von daher ist das doch recht wahrscheinlich. Und wenn Palästina bzw. Judäa,  dann ist die Hauptstadt Jerusalem einfach der wahrscheinlichste Ort.  Im dritten Jahrhundert vor Christus gehörte Judäa zur ptolemäischen Provinz Syrien und Phönikien und  stand eben, wie erwähnt, unter der Herrschaft der Ptolemäer. Diese Ptolemäer interessierten sich  vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht für ihre Untertalengebiete. Sie ließen der einheimischen  Bevölkerung sonst aber relativ viele Freiheiten. Sie waren stark auf eine Optimierung der Erträge  bedacht, die Ptolemäer. Das heißt, sie züchteten neue Pflanzen, sie förderten den Terrassenbau und  sie investierten in künstliche Bewässerungssysteme und erzielten so einen wirtschaftlichen Aufschwung,  von dem aber, wie so häufig die Oberschicht und die Händler profitierten, aber nicht die
gewöhnlichen Bauern. Es gab im ganzen Ptolemäischen Reich ein ausgeklügeltes System zur Optimierung  auch der Steuereinnahmen mit Steuerpächtern und verschiedenen Ebenen von Verantwortlichen.  Wie stark Judäa im dritten Jahrhundert vor Christus hellenisiert war, ist nicht ganz einfach  zu sagen. Es gab eindeutig Kontakte zwischen Juden und Griechen und manche Juden waren sicher sehr  begeistert von griechisch-helenistischen Gedanken und vom Lebensstil der Griechen. Besonders  tiefgreifend scheint aber dieser hellenistische Einfluss noch nicht gewesen zu sein. Für die  einheimische Bevölkerung war eigentlich eher die eigene Tradition und innerjüdische Machtfragen  entscheidender. Anders war das für die Juden in Ägypten. Hier war der hellenistische Einfluss sehr  viel grösser. Das Kohelet-Buch spiegelt nichts Konkretes über die Verhältnisse der Ptolemärzeit.
Wohl aber gibt es einige Verse, die man eventuell als Reflex auf die Ptolemärzeit interpretieren  kann. Besonders interessant finde ich hier 5, 7 bis 8. Das sind Verse, die könnte man als Reflex auf  das Steuerwesen der Ptolemär interpretieren mit diesen verschiedenen Ebenen von Verantwortlichen.  Ich lese Ihnen die Verse vor. Siehst du, dass in der Provinz die Armen unterdrückt und Recht und  Gerechtigkeit verweigert werden, so wundere dich nicht darüber. Denn ein Hörer gibt von oben  acht auf einen Hohen und über ihnen sind noch Höhere. Weiter könnte man die häufige Rede im  Kohelet-Buch von Gewinn und Reichtum mit dem Gewinnstreben der Ptolemär in Verbindung bringen.  Aber solche Hinweise sind natürlich alle sehr unspezifisch. Im Blick auf die Datierungsfrage ist  das etwas traurig, weil es uns nicht erlaubt, das Kohelet-Buch eindeutig zu datieren. Gleichzeitig ist
das vielleicht auch ein Vorteil, weil dadurch, dass das Kohelet-Buch etwas unspezifisch bleibt, bleibt es  auch eher aktuell. Dass wir uns heute immer noch mit dem Kohelet-Buch beschäftigen, hängt damit  zusammen, dass es aktuell geblieben ist und vor allem auch, dass es kanonisiert wurde. Und ich  komme damit zum letzten Teil meines Vortrags zur Kanonisierung und zur Rezeptionsgeschichte.  In den Kumran wurden, wie schon erwähnt, Fragmente des Kohelet-Buchs gefunden und die zeigen, dass das  Buch im zweiten Jahrhundert vor Christus bereits bekannt war. Im Neuen Testament ist das anders.  Dort gibt es keine Zitate oder Anspielungen auf das Kohelet-Buch. Manche sehen in Römer 3, 10,  da ist kein Gerechter, auch nicht einer. Ein Echo auf Kohelet 27, doch kein Mensch auf Erden ist so  gerecht, dass er nur Gutes tut und niemals sündigt. Doch das thünkt mich etwas weit hergeholt.
Die Kanonisierung des Kohelet-Buchs war lange Zeit noch umstritten. Die Rabbinen stritten noch im  ersten Jahrhundert nach Christus darüber, ob das Buch inspiriert war. Schlussendlich wurde das  Kohelet-Buch kanonisiert. In der hebräischen Bibel steht es zwischen dem Hoelid und den Klageliedern  und mit diesen beiden Büchern und weiter dem Wut- und dem Estherbuch gehört es in der liturgischen  Tradition des Judentums zu den fünf Megilot, diese fünf Schriftrollen, die mit den großen  jüdischen Festen im Zusammenhang stehen. Das Kohelet-Buch wird dabei konkret mit dem Laubhüttenfest  verbunden, dem Sukkotfest, vermutlich wegen dem Thema der Lebensfreude. In der Septuaginta,  der griechischen Übersetzung des Alten Testamentes, steht das Kohelet-Buch zwischen dem Proverbienbuch  und dem Hoelid. Zwei weitere Bücher mit einem ganz eindeutigen Bezug auf Salomo. Dieser Bezug
auf Salomo hat zur Autorität des Kohelet-Buchs beigetragen und war ein Grund für die Kanonisierung.  Wichtig für die Kanonisierung waren so dann auch die letzten Verse im Buch. Die Ermahnung,  Gott zu fürchten und seine Gebote zu halten und der Hinweis auf das Gerichtshandeln. Diese Verse  wurden mit größter Wahrscheinlichkeit später hinzugefügt von einem Redaktor, der dem Buch so  ein orthodoxes Ende geben wollte und so seine Unbedenklichkeit betonte. In der weiteren Rezeption  blieb der Bezug zu Salomo wichtig und wird da auch explizit gemacht. Häufig wird das Kohelet-Buch  mit anderen Büchern zusammengestellt, die einen Bezug zu Salomo haben. So gibt es in der rabinischen  Tradition die Tradition, dass Salomo das Hoelid in der Jugend verfasst hat, das Proverbienbuch in  der Blüte seines Lebens und das Kohelet-Buch als Alterswerk. Das hat sicher mit dem Gedicht im
Kapitel 12 zu tun, wo es um das Sterben und Altern geht. Eine ähnliche Reihung hat auch der  Kirchenvater Hieronymus im vierten Jahrhundert n. Chr. gemacht und die spätere mönchische Tradition.  Hier bildet dann aber nicht das Kohelet-Buch den krönenden Abschluss, sondern das Hoelid.  Der Hieronymus, er hat einen Kommentar zum Kohelet-Buch geschrieben und einschlussreich  wurde da so allem seine Übersetzung des hebräischen Wortes hevel mit vanitas. Und wie hevel kann auch  dieses lateinische Wort sowohl vergänglich als auch vergeblich meinen und hat darüber hinaus  noch stärker auch eine wertende Komponente. Und bis heute spricht man ja von einem vanitas Motiv.  Das ist dieser Gedanke der Vergänglichkeit von allem irdischen und der wurde vor allem in der  Barockzeit im 17. und 18. Jahrhundert sehr wichtig und wurde dann dargestellt in Texten und Bildern.
Auch sonst hat das Kohelet-Buch nicht nur Theologen inspiriert, sondern auch Künstler,  Musiker und Schriftsteller. So gibt es zum Beispiel eine Bach-Kantate,  ach wie flüchtig, ach wie nichtig. Berühmt ist das Lied Turn, Turn, Turn von The Birds beziehungsweise  Pete Seeger mit dem Text von Kohelet 3. Aus dem Bereich der Musik ist weiter hervorzuheben der  deutsche Komponist Bernd Alois Zimmermann. Der hat mehrere Werke komponiert mit Bezug auf das  Kohelet-Buch. Besonders eindrücklich ist ein sehr düsteres Werk mit dem Titel Ich wandte mich und  sah alles Unrecht das geschah unter der Sonne und das Werk trägt auch den Untertitel Ecclesiastische  Aktion aus dem Jahr 1970. Echos und Anspielungen auf das Kohelet-Buch gibt es auch in Texten,  insbesondere auch in lyrischen Texten, also Gedichten. Vielfach ist der Bezug eher indirekt.
Es gibt gemeinsame Themen und Motive. Inwiefern diese Texte direkt vom Kohelet-Buch inspiriert  sind, ist häufig schwer zu entscheiden. Eindeutig direkt vom Kohelet-Buch inspiriert ist ein Buch,  auf das ich in der Vorbereitung auf diesen Vortrag gestoßen bin. Es trägt den Titel Wind,  Haus und Wein zur Aktualität von Kohelet, dem Prediger von Georg Schwickardt im Jahr 2021.  Und dieser Titel betont, dass das Kohelet-Buch aktuell geblieben ist. Und da stimme ich voll zu.  Das Kohelet-Buch ist aktuell geblieben und es spricht dabei häufig auch Menschen an,  die sonst mit der Bibel vielleicht weniger anfangen können. Gleichzeitig ist das Kohelet-Buch ein  durch und durch biblisches Buch mit Verbindungen zu anderen biblischen Büchern und mit wichtigen  theologischen Einsichten. Ich nenne zum Schluss nochmals einige Punkte, die mir hier besonders  wichtig sind. Die Einsicht, dass die Verfügungsgewalt und das Erkenntnisvermögen des
Menschen begrenzt sind. Der Ratschlag, die Unberechenbarkeit und die Flüchtigkeit des  Lebens gelassen zu nehmen. Die Warnung vor einem Leben, das allein auf Arbeit und Gewinn  ausgerichtet ist. Der Aufruf, die guten Momente im Leben bewusst als solche wahrzunehmen und  zu genießen. Und die Interpretation solcher Momente als ein Geschenk Gottes. In all diesen  Punkten und auch in weiteren Punkten ist das Kohelet-Buch theologisch relevant und bleibend  aktuell. Von daher freue ich mich sehr, dass Sie meinen Vortrag bis zum Ende zugehört haben. Das  Kohelet-Buch ist offenkundig eine wichtige Stimme im Kanon der hebräischen Bibel oder der Bibel  insgesamt. Und die Auseinandersetzung mit ihm lohnt sich immer wieder aufs Neue.
Das Buch Kohelet | 14.2.1
»Alles ist nichtig, flüchtig« – diese Aussage kennen wohl die meisten Menschen in unserem Kulturkreis, die wenigsten wissen, wo dieser Satz steht. Er klingt leicht depressiv, resigniert. Und er steht im Buch Kohelet. Diejenigen, die wissen, wo dieser berühmte Satz steht, nennen Kohelet einen Skeptiker, einen Hedonisten oder Pessimisten. Er selbst beschreibt sich als König und Prediger. So gespalten die Meinungen zu ihm sind, so widersprüchlich scheinen die Verse in seinem Buch. Sie wirken mal hoffnungslos, mal rufen sie zu Lebensfreude und Gelassenheit auf, bleiben fern von allem vereinfachenden Schwarz-Weiß-Denken. Und passen damit perfekt in unsere Zeit. Wie die Lesenden selbst das Buch verstehen, »hängt wohl sehr von der eigenen Einstellung und Weltsicht ab«, fasst die Alttestamentlerin Annette Schellenberg dann auch zusammen. Sie erklärt in ihrem Vortrag, wer Kohelet vermutlich war, wann das Buch entstanden ist, an wen es sich richtete und was er uns mit seinen Worten über die großen Themen des Lebens, über Altern und Sterben, Reichtum und Genuss, heute noch sagen kann.