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Luthers Seelsorge | 6.4.3

Worthaus 6 – Heidelberg: 16. Mai 2016 von Prof. Dr. Peter Zimmerling

Sie hatten sich das so einfach vorgestellt: Im Leben begeht man immer wieder Sünden, das lässt sich kaum vermeiden. Dann geht man hin, kauft einen Ablassbrief, und der Platz im Himmel ist gesichert. Dachten sie. Aber dann kam dieser junge Pfarrer und haut den ganzen schönen Plan kaputt. Er wirft der Kirche nicht nur vor, mit dem Ablasshandel Geld zu machen. Viel schlimmer findet er, dass die Kirche dadurch Gläubige heranzüchtet, die aus Furcht vor Strafe wertloses Papier kaufen statt ehrlich Buße zu tun und die Strafe anzunehmen. Dieser sogenannte Beichtstuhlstreit ist Auslöser einer Revolution, die das Verständnis der Sündenvergebung zu Luthers Zeiten über den Haufen wirft. Und die theoretisch alle Christen von der Angst vor der Sünde befreien könnte. Die Angst aber belastet noch immer die Gläubigen. Auch Nicht-Christen fühlen sich bisweilen von der eigenen Schuld erdrückt. Diese schlechten Gefühle zu nehmen und Rat zu geben im Umgang mit Schuld und Sünde, das sollte eigentlich die Aufgabe der Beichte sein. Die Abnahme der Beichte ist also Seelsorge am anderen. Der Leipziger Theologe Peter Zimmerling erklärt, wie sich die Gläubigen einst die Sündenvergebung zu erkaufen suchten, warum jeder Gläubige die Beichte abnehmen kann und was Luther damit meinte, als er dazu aufrief, »tapfer zu sündigen«.

28. Juli 2022

Gotthold Ephraim Lessing – Bibelkritik in der Aufklärung | 11.13.1

Stell dir vor, du lebst in einem Land, in dem du nicht frei sagen kannst, was du denkst. Im schlimmsten Fall kommst du für unerwünschte Aussagen ins Gefängnis, oder du verlierst nur deine Arbeitserlaubnis, wirst gemieden und ausgelacht. Nicht schön. Gotthold Ephraim Lessing lebte im falschen Land zur falschen Zeit, um geradeheraus zu schreiben, was er dachte. Also schrieb er verschlüsselt, schrieb Nathan der Weise und Emilia Galotti. Er war clever, versteckte, was er wirklich dachte, in Theaterstücken. „So raffiniert, dass er manchmal wahrscheinlich selber nicht wusste, was er dachte“, sagt Thorsten Dietz. In seinem Schlüsselvortrag über die Bibelkritik in der Aufklärung, erklärt er zentrale Weichenstellungen im 18. Jahrhundert, die uns bis heute betreffen. Anschaulich, aber anspruchsvoll beschreibt er das Leben Lessings, seine Lehren und den großen Streit unter Gelehrten, in dem Lessing die Hauptrolle spielte. Denn er war nicht nur Theaterautor. Er war auch Bibliothekar. Und eines Tages, irgendwann um das Jahr 1777 herum, fand Lessing Texte von Hermann Samuel Reimarus. Echtes Dynamit, das merkte Lessing schnell. Texte, die den gesamten christlichen Glauben infrage stellten. Echtes Plutonium in einer Zeit, in der ohnehin noch Glaubenskriege tobten. Lessing veröffentlichte die Texte. Und entfesselte damit einen Streit, der unser Verständnis von Glaube und Geschichte bis heute prägt.