Es geht fachlich formuliert um die Theodice-Frage.  Unter der Theodice-Frage, der Ausdruck ist modern, es gibt ihn erst seit ungefähr 200,  250 Jahren und diese Theodice-Frage meint, wie kann man an Gott glauben bei so viel  unschuldigem Leid, das kein gutes Ende findet, sondern in der Katastrophe endet. Das ist die  Theodice-Frage. Also ich rede jetzt nicht so halb schlimmem Leid, das gut ausgeht. Das findet man  auf vielen christlichen Büchertischen. Eine Frau muss in den Rollstuhl, aber da wird sie zur  Malerin. Lob und Dank. Ja, das gibt es auch. Es kommt hin und wieder vor, dass eine gläubige
Christin oder ein Mensch in den Rollstuhl durch einen schweren Autounfall und da entdeckt sie  ihr malerisches Talent. Jubilate. Aber ich sage euch, das ist nicht typisch. Wir müssen uns den  schwersten Formen des Leids zuwenden, nicht einem wohltemperierten Klavier. Und dann wird die Sache  schwierig. In 20 Jahren pädagogischer Hochschule, wir haben 800 evangelische Studierende, die haben  immerhin, sagen wir mal so, Abitur und sie haben freiwillig immerhin den Mut gehabt, das finde ich  sehr beachtlich, freiwillig evangelische Theologie zu studieren. Ich sage denen immer, also Leute,  ich bin nicht schuld, dass ihr da seid. Ihr habt euch freiwillig entschlossen, auf eine  wissenschaftliche Hochschule zu gehen und ihr habt euch freiwillig entschlossen, wissenschaftliche  Theologie zu studieren. Jetzt geht's los. Ja, selbst diese Leute, die so mutig waren, habe ich
die Erfahrung gemacht, sind außerstande in aller Regel, sich den schwersten Formen des unschuldigen  Leids zu stellen. Diese Formen verdrängen sie, es würde sie zu sehr erschüttern und es würde  ihr religiöses Gehäuse erschüttern, in dem sie sind. Also die Theodice-Frage rüttelt an sämtlichen  Grundlagen, insofern zieht euch warm an. Gut, jetzt versuche ich mal diese Frage in den wichtigsten  Gesichtspunkten mal zügig durchzugehen. Erstens die Theodice-Frage, also die Frage, wie kann man an Gott  glauben, angesichts von dermaßen viel schwerstem unschuldigen Leid, das nicht gut ausgeht. Das ist  die Theodice-Frage. Diese Frage ist die schwerste und wichtigste Anfrage an den christlichen Glauben.
Es ist die schwerste und die wichtigste. Wie Christen mit dieser Frage umgehen, sage ich euch,  zeigt, wer sie sind. Das zeigt viel mehr als alles andere. Und wie Theologie-Studierende mit dieser  Frage umgehen, was sie für Antwortchen aus ihren Schubläden hervorholen, das zeigt, ob ihr  Theologie-Studium etwas taugt. Du kannst neun Semester lang Theologie studieren, wenn du auf  diese Frage keine authentische reife Haltung annehmen kannst. Was soll dann dein ganzes  Theologie-Studium, das kannst du eigentlich den Hasen geben. Also ich will euch nur sagen,  das ist jetzt wirklich eine Frage, die geht ans Eingemachte. Also zieht euch warm an im Gehirn.
Die Leitfrage hat im 20. Jahrhundert die Schuldfrage überholt. Rein durch die  gesellschaftliche Entwicklung, in der religiösen Diskussion, in den Presseartikeln, die sich mit  religiösen Dingen beschäftigen, ist die Leitfrage inzwischen viel wichtiger als die Schuldfrage. Aber  im 14., 15., 16., 17., 18., 19. Jahrhundert stand die Schuldfrage im Vordergrund. Ich will das auch  gar nicht bewerten, ob das richtig ist oder falsch, dazu kann ich nichts sagen. Aber es ist so. Warum  hat die Leitfrage die Schuldfrage überholt? Das dürfen wir nicht privatisieren. Die heutigen  Menschen sind schlechter wie die früheren. Wir dürfen es auch nicht moralisieren oder bewerten,  da sind die einzelnen Menschen gar nicht schuld dran. Da können wir alle gar nichts dafür als
Einzelne, dass die Leitfrage die Schuldfrage überholt hat. Das liegt an gesamtgesellschaftlichen  Entwicklungen, an denen keiner von euch spurlos vorübergeht. Ihr seid alle Kinder eurer Zeit,  ich genauso. Also warum hat die Leitfrage die Schuldfrage überholt? Das hat verschiedene Gründe.  Ich robbe mich jetzt mal schön nur ran, damit wir so einen gewissen Kontext haben. Man kann nicht  einfach in diese Frage reinplumpsen, sondern was spielt diese Frage in der modernen Industriegesellschaft  in Mitteleuropa für eine Rolle? Also wir sind eine Mediengesellschaft, Presse, Internet, Fernsehen,  Handy. Und in einer Mediengesellschaft bedarf eine wichtige Information, zwölf Minuten und sie ist  auf der ganzen Welt bekannt. Also wenn irgendeine Prinzessin in London royales Erlebnis einen Sohn
gebiert, in zwölf Minuten weiß man es auf der ganzen Welt. Also das ist ungefähr so die Laufzeit  einer Nachricht. Das heißt, jeder Vulkanausbruch, jedes Erdbeben, jede Überschwemmung in Bangladesch  weiß nach einer halben Stunde oder Stunden die ganze Welt. So etwas gibt es früher nicht. In  Israel hat man nichts gewusst von Flutüberschwemmungen in Bangladesch. Man wusste gar nicht, was  Bangladesch ist. Und eine Tsunami in Hinterindien und ein Erdbeben auf Haiti, das hat man am See  Genezaret zur Zeit Jesu wirklich, hat man nicht gewusst. Also wir hören heute auch alle Katastrophen  und die Nachrichtensender lieben ja Katastrophenmeldungen, weil die Quote da irgendwie  belebt wird. Only a bad news is a good news. Also schlechte Nachrichten verkaufen sich besser.
Unsere Nachrichtensendungen haben ja einen Hang ins Negative. Das ist einmal der eine Grund. Der  zweite Grund sind die medizinischen Fortschritte. Wir haben heute schmerzstillende Mittel. Wir  können operieren unter Narkose und unter Mikroskop. Das heißt, viele Formen des Leids und des Schmerzes  können wir medizinisch beheben. Gibt es früher nicht. Dann wir haben Sozialnetze. Wir haben ein  Versicherungswesen. Es gibt in der Antike und im Mittelalter überhaupt keine Versicherung,  keine Arbeitslosenversicherung, Lebensversicherung. Weiß der Kuckuck was? Es gibt keine Versicherungen.  Und viele Versicherungen federn viel Leid erheblich ab. Und dann ist es auch noch so, wir  machen andere Sterbeerfahrungen. Ein 14-jähriger Junge oder ein 14-jähriges Mädchen am See Genezareth
zur Zeit Jesu hat die zehnfache Todeserfahrung von einem 40-jährigen Mann heute. Der hat gar kein  Training im Begleiten von Sterbenden. Die sterben ja auch nicht zu Hause, sondern im Krankenhaus  auf der Straße oder in der Intensivstation. Wir begleiten ja keine Sterbenden seltener,  viel seltener zu Hause über Monate hinweg. Aber nur das monatelange Begleiten eines Sterbenden,  der mir sehr wichtig ist, löst einen Reifeprozess aus. Aber wenn ich in der Tagesschau höre, dass  387 Menschen, die ich nicht kenne, in einer Katastrophe, die weit weg ist, gestorben sind,  das löst nur Hilflosigkeit aus. Hilflosigkeit, was soll ich damit machen? Also wir haben zwar,  wir hören viel von Katastrophen, wir hören viel mehr vom Tod unzähliger Menschen, aber wir erleben
weniger das Sterben wichtiger Menschen in unserer Umgebung. Und deswegen sind wir unfähiger  geworden, ohne dass du jetzt schlechter bist oder ich. Wir sind alle unfähiger geworden, mit dem  Leid umzugehen. Die Menschen früher hatten ständig ein Training im Leid. Aber wir, die wir eine  Lebenserwartung von 80 Jahren haben, zur Zeit Jesu war die Lebenserwartung 38 Jahre durchschnittlich,  50-jähriger Mann, alle Achtung, und die Kindersterblichkeit war bei über 50 Prozent.  Eine durchschnittliche Kinderzahl 10 bis 20 Kinder, die Hälfte hat überlebt. Also solche  Veränderungen, jetzt aber die Medien überschwemmen uns mit allen möglichen weltweiten Katastrophen,  aber in einer technischen, sumarischen Form, die keinerlei Reifeprozesse auslöst. Der  medizinische Fortschritt suggeriert uns, allmählich gibt es gar kein Leid mehr, dass wir überhaupt
noch sterben, das kriegen wir fast gar nicht mehr mit. Ach so, den Tod gibt es immer noch. Aber der  wissenschaftliche Fortschritt, der medizinische Fortschritt, die Narkosemittel, die sozialen Netze  tendieren dazu zu sagen, was, es gibt immer noch schweres Leid und es haut uns auf die Eingeweide,  weil wir sind doch sonst so gut abgesichert. Wir leben lang, wir haben eine totale Versorgung und  so weiter. Also diese gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, die ich jetzt natürlich sehr  holzschnittartig angedeutet habe, haben dazu geführt, dass die Leitfrage die Schuldfrage  überrundet hat. Die Schuldfrage wird immer wichtig sein, aber die Frage nach dem Leid haut die Leute  heute mehr um. So wie mir der Stefan gerade so zugeflüstert hat, das ist ein berühmtes Wort von  einem Autor. Die Leitfrage ist der Fels des Atheismus. Wie ein Schüler in der zehnten Klasse
mir gesagt hat, Herr Zimmer, in der Kalahari, da verdurschen die Leute, wir spülen unsere Scheiße  mit dem besten Trinkwasser runter, da ist da irgendwas faul im System und Kinder verhungern,  gute Menschen leiden in Syrien und sonst wo, die können ja auch nichts dafür und dann unsere  Banker verbrennen 100 Milliarden Dollar und bei uns werden Lebensmittel sogar vernichtet in jedem  Einkaufszentrum, was da am Abend los ist oder in Großbäckerladen, was da am Ende verscherbelt wird.  Also ich kann unter solchen Umständen nicht an Gott glauben. Kann mir mal bitte jemand sagen,  was das für einen Sinn hat und ich fände bei Gott es nicht schlecht, wenn er mal ein bisschen  praktisch helfen würde. Also kann mir einer sagen, was für ein gerechter Gott sowas zulässt? Kann mir  da bitte jemand helfen? Das ist so ein typischer Beitrag eines Zehntklässlers heute und da sage  ich dann an der PH, ich habe diesen Beitrag wörtlich mitgebracht, jeder überlegt mal fünf
Minuten auf dem leeren Blatt, was er diesem Schüler sagen würde, wenn das in seiner Klasse wäre. Und  diese Antworten der christlichen Nachwuchstalente aus Baden-Württemberg, aus dem Schwarzwald und  aus Orschelhagen und Klein-Bottwar, hoch christlich overprotected, dann ich habe diese Antworten  dieser 20-jährigen Mädels und Jungs seit 20 Jahren gesammelt. Christliche Standardantworten. Ich sage  euch, da mache ich mir nichts mehr vor. Ich habe ein paar tausend von diesen Antworten. Gut, also das  ist so die Sachlage. Jetzt nach dieser kleinen Einstimmung, geht es euch noch gut? Wartet ab.  Jetzt kommen, das waren die hinführenden Schritte, aber jetzt kommt der erste wichtige Baustein zum
Thema. Antworten, die ständig von Christen gegeben werden oder auch von anderen religiösen Menschen,  auch von Muslimen. Die haben einen ähnlichen Standard. Also Antworten, die von religiösen  Menschen gegeben werden. Wir bleiben aber jetzt mal unter uns Christen. Und die nicht weiterhelfen.  Also ich will euch mal so sechs, sieben, acht, die typischen Antworten, wie gesagt, ich sammle sie seit  20 Jahren, habe ein paar tausend. Ich glaube, dass sie repräsentativ sind. Ich glaube, dass bundesweit  das Antwortenniveau eher tiefer ist, weil immerhin, die haben Abitur und immerhin, die trauen sich zu,  evangelische Theologie zu studieren. Also ich glaube, dass der Gesamtdurchschnitt eher drunter  liegt. Gut, also ich sage euch jetzt mal die Antworten, die so auf den ersten Plätzen seit  20 Jahren sind, jedes Semester aufs Neue. Das musst du auch erstmal nervlich aushalten. Also  du darfst auch mal ein bisschen Mitleid mit den Professoren haben. Die müssen sie ja den ganzen
Scheiß jedes Semester anhören. Gut, also erster Baustein Antworten, die nicht helfen. Ich sage  nicht, ich sage euch gleich diese Antworten, ich sage nicht, dass sie völlig falsch sind. Nein,  die haben schon auch ihre berechtigten Elemente. Ich würde mal sagen, es können durchaus  Halbwahrheiten sein. Halbwahrheiten sind ein Problem, weil man sie nicht so schnell durchschaut,  dass sie in Sackgassen führen. Es gibt immer wieder 10, 20, 100 Beispiele, da stimmen diese  Antworten sogar. Aber es gibt eben auch 10, 20, 30, 100, 200 Beispiele, da stimmen sie überhaupt  nicht. Und diese Beispiele interessieren mich jetzt. Also erste Antwort auf Platz 1 heißt
folgendermaßen, auf jedem zweiten, dritten, vierten Zettel, den ich anonym einsammle,  ich sage nur, schreiben sie drauf weiblich oder männlich. Ich habe aber festgestellt,  es gibt keine auffallenden Unterschiede in den Antworten zwischen weiblich und männlich.  Es hätte ja sein können, aber ich glaube es nicht, die Antworten sind alle irgendwo die gleichen.  Also Platz 1, ich gehe jetzt so nach der Reihenfolge. Der Mensch hat einen freien Willen.  Der Mensch hat einen freien Willen. Der Mensch ist eben böse, der macht schlechte Sachen,  das stimmt. Manche schreiben dann auch, wenn alle auf der Welt gläubige Christen wären,  hätte es keine Probleme geben. Und nicht ganz so primi, aber es geht stark in die Richtung.  Also die Gottlosen, die Unbekehrten, die machen böse Sachen und die haben einen freien Willen.  Also es geht relativ stark in die Richtung, die Gottlosen sind das Problem, die Unbekehrten. Und
es häuft sich dann schon relativ oft mit abwertenden, wie sie reden, die Gottlosen,  die Unbekehrten. Das ist ein System der Ironie. Wenn die sich so bekehren täten wie ich,  dann wäre das Problem weg. Aber die bekehren sich halt nicht so wie ich. Aber sie haben einen  freien Willen, die könnten sich auch bekehren. Und wenn sie sich nicht bekehren, kommen sie in  die Hölle. Ja, wo ist denn da das Problem? Da haben die keine großen Probleme. Also der Mensch  hat einen freien Willen. Jetzt wollen wir mal dieses Starr-Argument der konservativen Christenheit,  das wollen wir mal ein bisschen überprüfen. Ich sage euch auch in sonstigen, kommen ja viel rum,  bei dem Thema, schnippel die Bumm, drei Sekunden, der Mensch hat einen freien Willen. Ich sage euch,  das ist ein Lieblingsargument. Es kommt millionenfach, dieser dünne Schiss. Also, wenn ich das hinkriegen
würde, dass ihr dieses Argument ab heute bis zu eurem Tod nicht mehr verwendet, dann, das wäre ein  Reifungsschub. Ich sage euch mal, ja, es ist eine Halbwahrheit. Ich sage euch ganz offen, klipp und  klar, ja, der Mensch hat einen freien Willen. Das weiß ich auch. Aber das müssen wir jetzt  mal sorgfältig, dieser Schnellschuss aus der Hüfte. Es gibt so viel Bedrückendes, Belastendes,  das muss man von Gott fernhalten, das ertragen die Frommen nicht. Der Mensch hat einen freien Willen.  Alles Bedrückende, Belastende muss auf die Gottlosen gelegt werden. Dann ist es weg von Gott.  Gott ist vollkommen. Womit die Frommen nicht so gern haben, Gott ist verborgen. Gott ist ein  fremder Gott. Damit haben sie es nicht so. Gott ist vollkommen und die Gottlosen bauen Scheiße.  Das ist ihr Weltbild im Takt. Das ist ihr Schneckenhaus. Und da kämpfen die, dass ihr
Schneckenhaus erhalten bleibt. Also, ja, der Mensch hat einen freien Willen. Wenn der Mensch keinen  freien Willen hätte, dann wäre er auch nicht verantwortlich. Wir sind aber verantwortliche  Wesen. Es gibt die heutige gute internationale Ethik in der Philosophie, aber auch in der Theologie,  ist Verantwortungsethik. Vielleicht kennen zwei, drei Leute von euch von Jonas, diesem großen  amerikanischen Philosophen, Prinzip Verantwortung. Wir müssen verantwortlich handeln. Wir sind  verantwortlich für unser Tun. Jawohl, das stimmt. Wir sind vor allem verantwortlich für die Folgen  unseres Tuns. Wir müssen uns vor den Folgen unseres Tuns verantworten. Stimmt. Und deswegen gibt es  ja auch Gerichte. Wir haben ja auch einen Richter unter uns, vielleicht sogar mehrere. Ja, das ist ein  Sozialrichter, der weiß, dass die Menschen auch nicht für alles verantwortlich sind, dass es sehr  viele ungünstige Umstände gibt. Aber auch wenn man alle mildernden Umstände angemessen berücksichtigt,
bleibt Verantwortung. Deswegen gibt es auch ein Weltgericht. Wenn der Mensch keinen freien Willen  hätte und nicht verantwortlich wäre, könnte es auch kein Weltgericht geben. Denn im Weltgericht  werden wir gerichtet nach den Folgen unseres Tuns. Da werden sich auch wiedergeborene, bekehrte  Christen sehr wundern, was für bescheuerte Folgen ihres Tuns da hochkommen. Weil viele Christen,  ich sage das aus 20 Jahren Erfahrung, die sagen gleich mal am Anfang, ich bin ein wiedergeborener  Christ. Und damit wollen sie sagen, ich habe Recht. Ich bin im Recht. Aber ich sage euch,  auch wiedergeborene, bekehrte, geistgetaufte Christen haben viele Vorurteile. Die gehen nicht  weg durch die Wiedergeburt. Es gibt auch kleinkarierte, wiedergeborene, bekehrte,  geistgetaufte Christen. Die bringen das Problem zum Verschwinden, indem sie sagen,
ich bin ein gläubiger Christ. Ein paar Tage später sagt mir einer, Herr Zimmer, ich bin ein  bekennender Christ. Ich bin ein bekehrter Christ. Ich bin ein bekehrter, bekennender,  wiedergeborener, geistgetaufter Christ. Da traust du gar nichts mehr zu sagen. Das sind so die  Sandzecke, die sie erst mal aufbauen. Gut, also zurück zum freien Willen. Ja, also es gibt einen  freien Willen. Wir sind verantwortlich, das ist unbestritten. Ich sage jetzt noch eine Kleinigkeit  dazu, wenn ich in die Mensa gehe und mir überlege, esse ich heute Maultasche oder Gulasch, da habe  ich einen wirklichen freien Willen. Ich kann mich entscheiden, ob ich Maultasche esse oder Gulasch.  Aber jetzt kommt ein Kapitel, ich sage euch, das ist chronisch, pathologisch, unreif, unterentwickelt  im konservativen Christentum, im gläubigen Christentum. Ja, zehntelang chronisch unterentwickelt,
nämlich die Frage, wo sind die Grenzen des freien Willens? Das, darüber denkt man da nicht so nach,  weil man braucht einfach nur den schnellen Schuss aus der Hüfte, da haben wir einen schottenfreien  Willen. Dann hat man das Gefühl, ich bin eigentlich die ganzen Probleme los und habe sie den Gottlosen  zugeschoben. Und weil sie so ein Bedürfnis haben, diese schweren Dinge des Lebens irgendwie zu  lösen, der Mensch und auch der gläubige, bekehrte, wiedergeborene, geistgetauchte Christ, der hat ein  wahnsinniges Bedürfnis nach Antworten und schwere Bedrängnisse, wo es keine Antwort gibt. Da zappelt  er, da wird er richtig neurotisch, also da muss eine Antwort her. Und da glaubt man, also die beste,  schnelle Möglichkeit, die immer klappt, weil stimmt ja auch irgendwie, der Mensch hat einen  freien Willen. Also das höre ich, ich bin auf großen christlichen Konferenzen, ich sage euch,  ich kann es bald nicht mehr hören. Jetzt beschäftigen wir uns also mal ein bisschen ernsthaft mit diesem
Thema. Nicht primi. Wo sind die Grenzen des freien Willens? Ja, die sind sehr tief. Ich will euch mal  zwei, drei Bereiche sagen, wo die Grenzen des freien Willens sind. Da sollte mal auf den Bibel  treuen Ausbildungsstätten mal Examen arbeiteten, darüber geschrieben werden, wo sind die Grenzen  des freien Willens. Kenne ich aber keine einzige. Erstens einmal, das ist das, was in der Bibel  Wajeyhi heißt. Kommt Wajeyhi über hundertmal vor, Wajeyhi und es geschah. Und es geschah,  da hörte Abraham Gottes Stimme. Und es geschah, das Wort wurde Fleisch. Und es geschah, eine  Hungersnot kam in das Land beim jüngeren Sohn, als er das ganze Erbe vergeudet hatte, das ist seine  Verantwortung. Denn der junge Sohn hat einen freien Willen. Also er hat sein ganzes Erbe vergeudet,
aber jetzt kommt eine Grenze seines freien Willens, die Jesus genau kennt. Jetzt kommt  auch noch eine Hungersnot. Also der Kerl hat ein bisschen Pech. Jetzt hat er alles vergeudet,  jetzt kommt auch gerade noch eine Hungersnot. Ich sage euch, dafür kann er aber nichts. Also das  geht eben verlorenen so nicht nur um der freien Wille, sondern auch um gesamtgesellschaftliche  Zusammenhänge. Jetzt kommt eine Hungersnot. Das muss man auch berücksichtigen. Also Wajeyhi und  es geschah, es kam im Land eine Hungersnot. Also ich tue das mal anders ausdrücken. Und es geschah,  du wurdest geboren. Das ist ja nicht dein freier Wille. Du hast ja nicht deine eigene Geburt geplant.  Also du bist geboren. Bleiben wir mal bei dem Thema. Wann? Ach so, 1999 oder so. Wart ihr da überhaupt  schon auf der Welt? Ich glaube schon, ja. Ja egal. Wo wart ihr geboren? Ach so, in Deutschland oder
Belgisch-Kongo-Arten. Und als Mann oder als Frau, ja das ist alles nicht dein freier Wille. Also du  wurdest geboren in einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Kultur als Mann oder Frau. Stell dir  mal vor, versuch es mal. Du wärst 1781 in der Mongolei geboren und zwar nicht als Frau, sondern  als Mann. Da wäre dein Leben auch schon ziemlich anders. Und alles, was du mit deinem freien Willen  alles machen kannst, alles was du organisieren kannst, managen kannst, das kommt an dem Unterschied  nicht ran. Wie anders dein Leben wäre 1781 geboren in der Mongolei als Tochter eines muslimischen  Kameltreibers. Da wäre dein Leben aber erheblich anders und zwar ohne deinen freien Willen. Und eines  Tages wird es geschehen, da triffst du jemanden, da verliebst du dich dermaßen, dass du dich mit  ihm verbindest. Eines Tages, wei jehi geschah es, dass Gott in dein Leben trat, unverdient. Und eines
Tages wird es geschehen, dass du stirbst. Du weißt nicht wann und du weißt nicht wie, aber es wird  geschehen. Also das erste, was man diesen seichten, oberflächlichen, softy Antworten entgegenhalten  muss mit freien Willen, viel mehr ist das, was du passiv erleidest, was dir begegnet, als das, was  du innerhalb deines freien Willens, den du hast und du kannst viel, du kannst viel Strategien, Taktik,  jawohl, das wollen wir ganz ernst nehmen, aber viel mehr als das, was du in deinem freien Willen  gestalten kannst, ist dir vorgegeben. Diesen Punkt hört man, soweit ich weiß, ich war selber  Bibelschüler und Bibelschullehrer, auf bestimmten ausgerichteten Ausbildungsstätten nicht. Viele  Menschen können sich gar nicht so einfach entscheiden. Viele Menschen sind ein maybe,
weil sie schlechte Familienverhältnisse hatten, keine klaren Wertsysteme. Da kannst du einfach  nicht moralistisch sagen, komm, jetzt entscheide ich doch mal, dann ist alles gut. Was ist denn das  für ein Scheiß? Natürlich entscheide ich auch jeden Tag für Jesus, aber das ist eingebettet  in viele Umstände, die ich nicht in der Hand habe. Gut, aber jetzt kommt der noch wichtigere Punkt.  Also erstens mal, mehr als deinem freien Willen zugänglich ist, ist dir vorgegeben, ohne dass du  was machen kannst. Hättest du dich in deinem freien Willen auch für Jesus entschieden, wenn du 1781  als Tochter eines muslimischen, mongolischen Kameltreibers auf die Welt gekommen bist? Hättest  du dich da in deinem superfreien Willen auch für Jesus entschieden? Was meinst, was meinst? Ich frage  mal unsere Nachwuchstalente aus dem Schwarzwald. Wer von euch kommt aus dem christlichen Elternhaus,  gehen schon mal 80 Prozent der Hände nach oben. Also massive christliche Beeinflussung, vier
Kinderbibeln, acht Teenagerfreizeiten. Und dann hat es endlich mal einen Schnackler getan. Ja,  da wird der liebe Gott aber beeindruckt sein von der Tiefe deiner freien Entscheidung. Gut,  aber jetzt kommt ein anderes Problem. Im Gefühlsbereich haben wir kaum einen freien Willen. Und ich sag  euch, der Gefühlsbereich ist entscheidend. Wir fühlen erst, bevor wir einen Willen haben und denken  können. Was ist für unseren Glauben letztlich am wichtigsten? Denken, fühlen oder wollen? Meine  Leute immer gern wollen, ich habe mich bekehrt. Fühlen, ja fühlen ist launisch. Die sagen dann  meistens, fühlen ist unsicher, Gefühle sind instabil. Ja, das stimmt schon, das weiß ich auch.  Trotzdem sind die Gefühle entscheidend, auch wenn es launische Gefühle gibt und wenn Gefühle instabil
sind. Aber ohne Freude und Liebe kannst du halt nicht viel machen. Jetzt sage ich mal freier Wille.  Also jetzt kommt ein Mensch hier rein oder du lernst einen Mann oder Frau kennen in irgendeiner  Gruppe oder Kollege oder Nachbarn und du findest den verdammt unsympathisch. Jetzt sage ich dir,  ha, find den doch einfach mal sympathisch. Jetzt, du hast doch einen freien Willen. Jetzt findest  du den jetzt einfach sympathisch. Ja ich sag dir, das kriegst du nicht hin. Der Stinkstiefel ist  halt unsympathisch. Oder ich sag dir, sei doch mal begeistert. Hast du einen freien Willen. Jetzt sei  doch mal die nächsten fünf Jahre begeistert. Ich sag dir, das klappt nicht. Oder die Faszination.  Ja, es muss etwas kommen, was dich fasziniert. Als Mose bei den Schafen war, so in der Sina I,
da ist er so in seinem Berufsalter und kommt ein brennender Dornbusch. Er begegnet ihn,  wajehi, es ist geschehen. Er läuft da so wie immer eigentlich. Jetzt sieht er einen brennenden Busch,  der nicht verbrennt. Ja, das kitzelt jetzt seine Neugier im Vor. Warum? Weil du kannst deine Neugier  nicht selber erwecken. Es muss etwas kommen, was deine Neugier nirgends weckt. Deswegen ist der  brennende Dornbusch entscheidend. Nicht, dass Mose dann sagt, oh, das ist interessant, da geh mal hin.  Ja, das würde ja jeder machen. Und dann sagen wieder diese schönen Christen, Mose hat sich  entschieden, du musst hingehen, nein, du musst den Dornbusch erst mal haben und dann gehst du hin.  Also, im Gefühlsbereich gibt es kaum einen freien Willen. Ich kann nicht sagen, sei doch mal  optimistischer. Nein, wenn du pessimistische Lebensgrundgefühle hast und du kannst zu Gott
in deinem Willen nur Ja sagen, wenn du entsprechende Gefühle zu Gott hast. Neugierde,  Bewunderung, Dankbarkeit, Erschütterung, dann kannst du Ja sagen. Es gibt überhaupt keinen  Willen, der gefühlsneutral ist. Du kannst dich in einer gefühlsneutralen Luft, kann dein Wille gar  nicht viel machen. Du brauchst Motive, du brauchst Anregungen, du brauchst Gefühle, Neugier, angezogen  werden. Niemand kann zu mir kommen, sagt Jesus. Niemand. Keiner in diesem Raum, es sei denn es ziehe  ihn der Vater. Und Jesus sagt, ihr habt nicht mich erwählt. Keiner von euch in diesem Raum hat Jesus  erwählt. Niemand. Er hat euch erwählt. Ihr habt nicht mich erwählt, ich habe euch erwählt. Niemand  kann zu mir kommen, es sei denn. Und da merkst du mal die Grenzen von deinem freien Willen. Im
Römer 2 heißt es, weißt du nicht, dass die Güte Gottes dich zur Umkehr treibt. Treibt. Gut, also ich  lasse es jetzt damit. Diese ganzen Welten der Bibel, die Urgestein der Bibel sind, weiehi,  das ist alles unterentwickelt in diesen Kreisen. Lieber Schnellschuss, der Mensch hat ein freier  Wille. Und deswegen kommt in diesen Kreisen dann auch, ich habe mich bekehrt. Das ist immer 10 bis  30 Prozent Selbstlob. Ich habe ja einen Willen. Aber was Gott alles machen muss und wie viele  Eltern oder sonstige Leute um dich herum du haben musst, damit du zu Gott ja sagen kannst,  das wird ein bisschen ausgeblendet. Und deswegen auch die Abwertung zu den Unbekehrten. Denn,  wenn man so den freien Willen betont, sage ich euch mal, was dabei rauskommt. Ihr habt mich
bekehrt. Und die da, diese Gottlosen, diese Unbekehrten. Also es entsteht die christliche  Arroganz, die christliche Unbescheidenheit im Klub der Bekehrten. Und mit einem System des  Vokabulars und der Sprache, wie man andere abwertet. Wenn die sich so bekehren täten wie ich. Aber die  wollen ja nicht. Die wollen nicht. Gut, also das ist das erste Starrargument. Und diese ganze  pathogene Welt drum herum erlebe ich seit 20 Jahren bei hunderten von christlichen Nachwuchstalenten,  so dass ich mir keine Illusionen mehr mache. Jetzt kommt das zweite Argument. Ja, auch. Ja,  auch. Es gibt sehr viele Aspekte. Also ja, da ist was dran. Das stimmt. Das ist ein wichtiger
Aspekt. Mal sehen, wie sie mit 40 reden. Hast du völlig recht. Ich sage mal ein Beispiel. Es fällt  mir jetzt durch deinen Einwand ein. Ich habe also auch wieder mal diesen Schülerbeitrag. Und wie  würdet ihr reagieren, wenn der Schüler in eurer Klasse wäre? Da kommt diese ganze christliche  Soße von den 20-Jährigen. Stimmt. Und dann schreibt mir eine Studentin, weil die schreiben alle,  der Mensch hat ein freier Wille. Alles Leid kommt aus der Sünde. Dann, wir leben halt nicht in einer  erlösten Welt. Ist halt so. Das muss man dann halt auch spüren. Edge. Das Reich Gottes ist halt noch  nicht da. Und dann gibt es auch das Argument, ich komme da noch drauf. Wenn man das Dunkle nicht hat,  kann man sich auch am Licht nicht richtig freuen. Das ist schon besonders raffiniertes Argument.  Ist aber auch Scheiße von vorn bis hinten. Also auf jeden Fall, auf jeden Fall schreibt mir eine  Studentin am gleichen Abend um 23 Uhr. Herr Zimmer, ich möchte Ihnen herzlich danken. Mein Vater ist  Berschnitts gelebt seit einem Jahr. Mein geliebter Vater. Ist es jetzt der freie Wille oder ist es
aus der Sünde oder ist es Erziehung Gottes oder ist es Strafe Gottes? Oder kann mein Vater jetzt  besser das Licht würdigen, weil er ja auch die Dunkelheit jetzt kennt. Herr Zimmer, dass Sie  denen desmal gegen gebügelt haben, möchte ich Ihnen herzlich danken. Im Namen meines eigenen  Vaters. Und habe ich der sofort zurückgemailt, 23 Uhr 8, darf ich diese Mail vorlesen. Habe ich beim  nächsten Mal vorgelesen, den 20-Jährigen. Aber diese Studentin ist auch 20. Das liegt nicht  einfach am Alter. Sie hat eben. Es liegt auch am Erfahrungsschatz. Es liegt aber auch an der  Erziehung. Viele dieser 20-Jährigen werden seit 20 Jahren schalldicht abgesichert. Da kommt nichts  anders mehr rein in dieses Gebäude. Es könnten ja auch Eltern geben, dieser 18-Jährige mal ein  Buch zu lesen geben über Fälle, die man so gar nicht mehr erklären kann. Dann würde die Lektüre  dieses Buches diese 18-Jährige vielleicht in eine Entwicklung reinführen. Aber diese Bücher gibt es
auf diesen Büchertischen nicht. Und so kommen die Sachen zusammen. Es liegt bei weitem nicht nur am  Alter. Es liegt am Bewusstsein. Aber es ist natürlich auch eine Altersfrage. Gut, jetzt kommt  die zweite Antwort. Alles Leid kommt aus der Sünde. Ich habe mal auf einer großen christlichen  Konferenz, da war eine Vorstandsdame, sehr beeindruckende Christin. Sie hatte Krebs und  ist geheilt worden aus dem Krebs. Sie weiß jetzt nicht, durch Gebet oder durch medizinische Dinge.  Also sie konnte mit großer Beeindruckung sagen, 45 Jahre alt, ich habe Krebs gehabt vor vier  Jahren oder acht Jahren. Ich weiß die Einzelheiten nicht mehr. Und ich sage euch, sagt diese Frau im  Vorstand einer großen christlichen Sache öffentlich vor 1000 Leuten, ich war auch auf dem Podium,  alles Leid kommt aus der Sünde. Musste ich ihr öffentlich widersprechen und sagen, das ist ein  schwerer Irrtum. Hat sie mich angeguckt, hat sie gesagt, ich habe Krebs gehabt. Frau sowieso,
sie ist trotzdem ein Irrtum. Und wenn sie zweimal Krebs gehabt haben, es stimmt einfach nicht. Da war  was los, sage ich euch. Also ja, viel Leid kommt aus der Sünde. Das lernt man in 1. Mose 1 bis 3.  Sündenfall, Dornen und Disteln und Vieh, Leerlauf und was alles kommt nicht aus der Sünde. Ja,  aber Hiob, nehmen wir mal Hiob, lest mal vier Kapitel im Hiob, Hiob 38 bis 41, das sind vier  Kapitel. 1. Mose 1 bis 3 sind drei Kapitel. Aber in Hiob 8 ist ein echter Alternativtext. Hier wird  1. Mose 1 bis 3 kritisiert und auch korrigiert. Ist auch Bibel, ist auch Bibel. Aber es gibt eben  biblische Gruppen, die haben nur ihre biblische Wahrnehmung. Also ich sage den Studenten immer,
steht ja auf dem Flyer, super, ihr verteidigt nicht die Bibel, ihr verteidigt euer Bild von der Bibel.  Das ist ja auch was anderes. Also nehmen wir mal Hiob 38 bis 41. Nein, hier ist Leid, das nicht aus  der Sünde kommt. Denn Hiob verteidigt sich gegen seinen wiedergeborenen, bekehrten, geistgetauchten  Freunden, die ihm belehren wollen, Gott macht keine Fehler, die Fehler liegen bei dir. Man sagt,  nein, dieses Leid hängt nicht mit meinen Fehlern zusammen, denn so viel mehr Fehler wie meine  bäuerlichen Nachbarn mache ich auch nicht gerade, dass ich hundertmal mehr leiden muss wie die. Denn  mit dieser schnell Schuss oberflächlichen primi Stammtisch, christliche Parole, alles Leid kommt  aus der Sünde. Wieso verteilt sich dann das Leid so ungerecht? Und haben alle Schwerkranken und  die, die ZZ-Pfliege gestochen haben und die Bangladesch weggespülten und die Haiti-Armen aus
dem Erdbeben, haben die alle 17 mal mehr gesündigt wie du, weil sie 17 mal mehr leiden? Also christlicher  Dünnschiss. Da ist was dran, aber das hilft nicht weiter. Da gibt es dann auch bei diesen Kreisen die  Theorie, alles Leid kommt aus der Sünde, auch der Tod kommt aus der Sünde. Also Gott hat Adam  unsterblich erschaffen. Das gehört alles zu dieser Soße, denn Gott ist vollkommen, er macht alles  vollkommen. Heißt ja auch in Genesis 1, es war gut, es war gut, es war gut, es war gut, es war sehr gut.  Also ja, das ist Genesis 1. Es gibt auch andere Kapitel. Es gibt auch das Buch Hiob. Das ist ein  einzigartiges Buch. Es gibt es in der Art nirgendwo in der Welt. Es gibt Gespräche zwischen Leidenden  und anderen, die den Leidenden beraten, aber immer nur ein Gespräch zwischen einem Leidenden und  einem. Aber nur im Hiob-Buch spricht Hiob mit drei Freunden und damit drückt das Hiob-Buch aus die
Mehrzahl der Menschen, kapiert es nicht. Sie will diesem Leidenden auch noch ins Gewissen reden.  Hiob steht einer Mehrheit gegenüber. Er ist isoliert mit seiner Haltung. Wir dürfen hinter  das Buch Hiob nicht mehr zurückfallen. Bei diesen ganzen Theodice-Diskussionen in den Millionen  Hauskreisen wird Hiob der Rebell niemals oder fast nie berücksichtigt, sonst würden sie diesen  Käse nicht vertreten. Ja, also nein, Gott hat den Menschen von Anfang an sterblich erschaffen,  aus Staub von der Erde. Es heißt ja auch, an dem Tag, an dem du davon isst, wirst du sterben. Das  setzt ja die Sterblichkeit schon voraus. Sonst müsste es heißen, an dem Tag, an dem du davon  isst, wirst du sterblich. Das gibt es im Hebräischen, das Wort, steht aber nicht da. Und am Ende dieser  Erzählung heißt es, denn Staub bist du und zu Staub sollst du wieder werden. Das ist die Begründung
für den Tod. Nicht, denn vom Baum der Erkenntnis hast du genommen und deshalb sollst du sterben.  Nein, also es ist sowas von unbiblisch, sowas von oberflächlich, weil man mit der Gewohnheitsbrille  die Bibel liest und man meint, man sei biblisch. Man meint, konservativ und biblisch ist ungefähr  das Gleiche. Ich bin konservativ, also bin ich biblisch. Das ist das größte Märchen. Gut, also  der freie Wille, alles Leid kommt aus der Sünde. Dann das Nächste ist Erziehungsmittel. Gott erzieht  dich im Leid. Ja, das gibt es, aber das kannst du nicht überall sagen. Ich sage euch gleich mal  ein paar Beispiele. Ja, ich habe auch Leid erlebt, nicht sehr viel und durch dieses Leid habe ich  wirklich gelernt. Der erschütterte Mensch gräbt seine Fundamente tiefer wie der Sonnyboy. Das
stimmt schon, aber auch mit dem Sprüchle kannst du vieles nicht erklären. Dann Strafe Gottes,  der Tsunami, weil da so viele nackt baden. Und dann diese buddhistischen Tempel, da schickt  Gott mal zur Strafe ein Tsunami. Diese Christen gibt es zu Zehntausenden. Ich meine, das ist ja  pervers, was die sagen. Perversion des Gewissens. Wenn wir auf das Thema Böse kommen, diese  christlichen Antworten sind böse. Bosheit, das Böse mitten in diesen Gruppen. Aber sie sind ja  wiedergeboren, deswegen gibt es bei ihnen nichts Böses. Ja, was meinst du, wie viel Böses es unter  den Wiedergeborenen gibt? Die Probleme kommen nicht einfach nur durch die Gottlosen. Ich sage euch,  ich habe mal Zivildienst in einem Diakonissen-Krankenhaus zugebracht, 18 Monate. Da wäre ich  um ein Haar Atheist geworden. Weil diese subtile Fiesheit dieser älteren Diakonissen, vieler,
nicht aller, wie sie lebensfrohe, erotisch gekleidete jüngere Krankenschwestern, Pi-Sacken,  weißt du, wirklich echt Pi-Sacken. So raffiniert habe ich es selten. Christliche Diakonissen,  die würden aber von sich sagen, ich bin wiedergeborene Gläubige, bekehrte Christ. So viel  Gemeinheit und so viel Schikane, unbewusst natürlich, abends gehen sie in die Bibelarbeit.  Ja, Leute, so einfach ist es nicht. Seid froh, dass ihr vom erbarmen Jesu getragen seid. Aber  schwingt euch nicht auf zum Kluck der Bekehrten, der auf die Nichtbekehrten strukturell runterguckt.  Dann ist das Böse mitten unter euch. Denn diese Abwertung anderer Menschen ist Ausdruck  des Bösen. Gut, ja, besonders schön ist, Herr Zimmer, wissen Sie, wenn das Leid nicht
wäre, dann könnte man gar nicht bewusst glücklich sein. Gut, also alle diese Antworten  sind christlicher Dünnschiss, sie sind auch Ausdruck der Kälte des Herzens und Ausdruck  der unbewussten Unreife. Jetzt will ich mal ein paar Beispiele euch nennen, da bricht  dieses ganze Schneckenhaus zusammen. Und auf diese Dinge das Wagen, diese Christen gar  nicht ernsthaft an sich herankommen zu lassen, das verdrängen sie. Sie sind dazu gar nicht  stabil genug. Sie gucken das gar nicht an. Weil sie spüren unterbewusst, wenn ich das  angucke, dann ist mein Gebäude weg. Also ich sage euch mal ein paar Beispiele. Kindesmissbrauch.  Tausendfacher organisierter Kindesmissbrauch, einjähriger, zweijähriger, dreijähriger,  viertausendfach, zehntausendfach im Internet, aber auch vorher, in Belgien haben wir ja  erlebt, was ist da eigentlich freier Wille? Ja, bei den Tätern schon. Und jetzt kommt
der Clou. Diese Rede vom freien Willen blickt immer nur auf die Täter. Mich aber interessieren  die Opfer. Haben die einen freien Willen? Jetzt ist die Antwort weg. Kindesmissbrauch,  zwei-, drei-, vier-, fünfjähriger Kinder. Was ist denn da freier Wille? Haben die Kinder  gesündigt, mehr gesündigt wie andere, damit Gott es so macht, dass sie jetzt da missbraucht  werden? Und geht das, ist das ein Erziehungsmittel? Gott läutert diese Kinder. Die sind für  den Rest ihres Lebens kaputt. Die können keinen normalen Sex mehr erleben. Ich kenne  solche Leute. Wolltest du sagen, das ist Erziehung, das ist Läuterung oder das ist Strafe? Oder  soll man diesen Kindern sagen, weißt, ihr werdet jetzt ganz anders das Glück empfinden  können, weil ihr habt die Dunkelheit erlebt. Das bleibt einem ja im Halse stecken. Du kannst
in der Theodiceefrage nur Dinge sagen, die du in das Gesicht eines Schwerleidenden auch  sagen könntest. Sprüche, die du nur im christlichen Hauskreis sagst, die bleiben dir bitte ab  heute im Halse stecken. Sondern überleg dir, könntest du das auch in das Gesicht eines  Schwerleidenden, von Vulkan dreifach zum Krüppel geworben, zwei Kinder erstickt, könntest  du da deine Antwortchen dann dem auch sagen. Und was du nicht ins Angesicht eines Schwerleidenden  sagen kannst, möge dir im Halse stecken bleiben. Gut, also Kindesmissbrauch. In Markgröningen  bei Ludwigsburg gibt es eine Klinik, es gibt nur zwei in Deutschland, aber neben mir. Die  haben Muskelschwund von Geburt an. Die werden nicht älter wie 20, 22, 23, Rekord glaube  ich, 24, können aber auch mit 19 sterben. Von Geburt an Muskelschwund. Halte mal in
dieser Schule Konformantenunterricht und arbeite mal mit diesen Dünnschiss-Argumenten. Das  wirst du nie wieder machen. In deinem geschönten christlichen Labor, in dem du da in Orschelhagen  oder in Klein-Bod war lebst. Geh mal nach Markgröningen. Ich sag da ein anderes Beispiel.  Ich habe immer wieder Frauen erlebt, die wollen unbedingt Kinder. Und sie werden 40, 41,  20. Sie beten auch. Ich kenne den Fall, dass eine Frau mit 39 Jahren hat gebetet, sehr  schwanger geworden. Kommt am 22. Dezember zu einer anderen Frau, die auch Kinder will  und keins hat. Ich sag mal, Susanne, ich bin schwanger. Ich hab gebetet und bin schwanger.  Für die andere war der heilige Abend kaputt. Weil die wäre auch gern schwanger geworden.  Was hast denn da für eine christliche Antwort? Oh Mädle, oh Bub, lass doch diese, lass
doch diese Soße. Spürst du nicht irgendwie, dass du in einem christlichen Wolkenkuckucksheim  lebst? Ich sag mal weiter ein Beispiel. Habe ich in der Zeitung gelesen, gut recherchiert.  Es gibt eine russische Mafia, die in Weißrussland und in der Ukraine 18-, 20-jährige Frauen  anheuert, auch ein bisschen Geld gibt, 1000, 2000 Euro. Die Eltern sind froh. Sie werden  in Griechenland in der Verwaltung, also war Griechenland noch nicht in dieser Krise, das  war vor zehn Jahren vielleicht, dass ich das gelesen habe. In Griechenland werden sie in  die Prostitution gezwungen und in die ganze EU Menschenhandel. Der Menschenhandel hat  sich ja in der EU verzehnfacht in den letzten 15 Jahren. Menschenhandel in der EU verzehnfacht.  Und wenn dann manche Frauen nicht spuren, werden sie nachts in Boden auf schwarze  Meer gefahren. Die anderen Frauen müssen mit und sie werden bei lebendigem Leib an  schweren Steinen mitten im schwarzen Meer versenkt. Könnt ihr euch vorstellen, wie
die Frauen, man sagt es ihnen vorher schon, dass sie jetzt in einer halben Stunde versenkt  werden. Aber sie werden eisern festgehalten. Die schreien sich wahnsinnig. Willst du dann  sagen, alles Leid kommt aus der Sünde, der Mensch hat einen freien Willen? Willst du  diesen Frauen, die jetzt gleich verseuft werden, willst du denen ins Gesicht sagen, freier  Wille? Hast du einen freien Willen? Bist du ein Gottloser? Ich meine, wir leben noch  nicht in einer vollendeten Welt. Da kommt das vor. Merkst du vielleicht selber, dass  es so nicht geht. Viele, viele gefoltert. Eine Studentin sagt zu mir, Herr Zimmer,  ich muss abbrechen, ich war in Mexiko durch Verwechslung, bin ich im Polizistenkeller  in Mexiko City vier Wochen gefoltert worden. Ich werde nie wieder die Gleiche sein, nie  wieder. Sie hat ihr Studium abgebrochen. Die Frau kann jetzt mal Glück später empfinden,  weil die hat ja Dunkelheit mal erlebt. Und es war ja auch ihr freier Wille und die Folterung
kommt aus der Sünde. Diese christlich kranke Welt steigt aus ihr aus. Aus dieser christlichen  pathologischen Welt. Mit solchen oberflächlichen Parolen macht man den christlichen Glauben  in der ganzen Welt unglaubwürdig. Also ich tu mal die erste Hälfte zusammenfassen. Es  gibt auf die Frage nach dem unschuldigen Leid keine Antwort. Keine theoretische, keine  prinzipielle und das heißt keine eiskalte. Denn theoretische Antworten sind eiskalt.  Sie machen es den unschuldig Leidenden noch schwerer. Ich vergesse nie zwei Erlebnisse.  Ich war kurze Zeit Krankenhauspfarrer in Hechingen und ich erlebe eine 43-jährige  Presslauerin kurz vor ihrem Tod, Krebs im Endstadium. Ich habe sie vier Wochen vor  dem Tod kennengelernt und sie sagt zu mir, Herr Zimmer, ich bin Flüchtlingsfrau, schwäbischer
Mann, mein Mann ist Alkoholiker, er schlägt mich, ich habe drei schwäbische Söhne, die  haben keine Achtung vor mir, ich war in meinem Leben vielleicht zehn Tage glücklich, ich  weiß nicht, aber gefühlt halt einfach. Herr Vickar, ich war der Vickar, würden Sie mich  mal bitte ein bisschen trösten? Da ist mir auch nichts eingefallen. Und ich kann diese  Presslauerin nie wieder vergessen. Flüchtlingsfrau, schlechte Ehe, schlecht geratene Söhne und  verreckt mit 43 an Krebs. Und es war sicher mal eine sehr hübsche Frau, das hat man noch  gesehen. Mit 43 im Elisabethenkrankenhaus in Hechingen an Krebs gestorben. Ich habe  in Meßstetten, wo ich Pfarrer war, einen zwölfjährigen Jungen beerdigen müssen, der  hat Lungenkrebs gehabt, der ist zehnmal operiert worden auf der Langensteinbacher Höhe. Zehn  Lungenoperationen sind die schwersten, die es gibt. Er hat gut Gitarre spielen können,
hat er alles nicht mehr können. Und er wollte auch keinen Pfarrer am Bett haben, also mit  Kirche und Gott war der fertig. Die Mutter war sang im Kirchenchor und hat gesagt, Herr  Pfarrer, es tut mir so leid, mein Sohn will Sie nicht am Krankenbett sehen, sagte Frau  sowieso, will keinen Namen sagen. Verstehe ich total, ist auch nicht nötig. Auf dieser  Beerdigung, ich habe keine Minute geschlafen, war völlig überfordert. Ich wusste, dass  ganz Meßstetten alle Schulen, Rathaus, alle Lehrer, alle Schüler auf dem Friedhof sein  werden. 4000 Leute auf dem Friedhof. Und ich habe auf dieser Beerdigung gesagt, wenn mir  Gott nicht einmal wird erklären können, warum dieser Junge so sterben musste, will ich ab  heute kein Christ mehr sein. Und das sage ich auch heute noch. Ich weiß, dass Gott  mich hört. Wenn Gott mir mal nicht wird erklären können, warum das so war, ich weiß es nicht.  Ich habe auch keine Antwort. Keine dieser dünnschiss Antworten. Dann will ich auch kein Christ
mehr sein. Gut, also die Reife von euch beginnt dort, wo ihr glasklar bewusst aus reifer Erkenntnis  sagt, es gibt auf diese Frage keine Antwort. Jede Antwort ist eigentlich zynisch. Jede  Antwort, die ihr versucht, macht die Sache nur noch schlimmer. Ihr lastet jetzt auch  noch Schuld auf die Leidenden, dass sie auch noch schlechts Gewissen kriegen, weil sie  nicht genügend gebetet haben oder sich nicht richtig läutern lassen. Das mag in vielen  Einzelfällen stimmen. Ein Leidender selber kann im Nachhinein sagen, ich bin geläutert  worden. Das kann aber nur ein Leidender selber sagen im Nachhinein. Aber das könnt ihr  nicht zur Theorie machen, die man dann wohlfeil im christlichen Lager verkauft und auf Traktätchen  schreibt. Das geht nicht. Das ist unmoralisch. Das ist unanständig und das ist unreif. Also  die Reife bei der Theodicee Frage beginnt, hat auch eine Notfallseelsorgerin bei mir
eine Masterarbeit geschrieben, die mit den Eltern in Winnenden gearbeitet hat. Nach  dem Attentat in Winnenden. Ein muslimisches Elternpaar hat dieser Notfallseelsorgerin  gesagt, unser Sohn, Muslime, hatte an diesem Tag ein Gipsverband am Fuß und er konnte  nicht rechtzeitig abhauen und der Täter hat ihm in den Rücken geschossen. Was sagen  sie biblisch diesen Eltern? Also diese feine Frau, 28-jährige Frau, es ist nicht nur eine  Sache des Alters, diese Frau, die hat einen Einser gekriegt in ihrer Diplomarbeit, die  hat gesagt, in der Notfallseelsorge geht alles Gesunde nur davon aus, dass wir keine Antwort  haben. Alles rumgeeiere, gar nicht erst probieren. Die Frau hat recht. Gut, jetzt kommen wir
zur zweiten Hälfte. Was bleibt uns? Sollen wir jetzt alle deprimiert werden oder sollen  wir alle Atheisten werden? Was bleibt, entschuldigt mal gerade, ich muss mal auf die Uhr gucken.  Gut, wir machen ja nachher gleich weiter. Aber es ist ein weltbewegendes Thema, Leute.  Es kann euch in eurem Herzen, in eurer Seele, in eurem Gewissen von heute an bis zu eurem  Tod auf ein neues Gleis hieven. Das wäre schön. Was bleibt uns? Es bleiben uns Gegenkräfte.  Also es bleibt uns keine Antwort, die haben wir nicht. Es gibt keine theoretische, biblische,  theologische, prinzipielle Antwort, die wäre immer nur eiskalt. Die würde alles nur verschlimmern.  Jesus hat nie eine Leittheorie geäußert. Jesus hat nie zu einem Kranken gesagt, hast
doch einen freien Willen. Alles Leid kommt aus der Sünde. So einen Scheiß sagt Jesus  nicht. Der hat ein anderes Niveau. Gut, also was bleibt uns? Erstens die Klage. Es bleibt  uns die Klage. Die hilft viel mehr als ein frommer Spruch. Der macht doch alles noch  schlimmer. Der orientalische Mensch klagt laut, wild, öffentlich, auf den Dächern.  Die schreien, die Klageweiber. Alle sollen es hören, dass das Leid mich nicht stumm macht.  Da schreie ich das raus. Die Klage, ich muss mir Luft machen. Ich streue Asche auf mein  Haupt. Ich zerreiße mein Kleid. Ich schere mein Haupt. Alle sollen sehen, dass ich überfordert  bin. Ich bin kaputt. Ich bin überfordert. Ich verstehe nichts mehr. Ich frage warum.  Warum, warum? Da sagen wieder fromme, die Warum-Frage ist nicht so geistlich. Die musst
du umbiegen in eine Wozu-Frage. Christliche Scheiße. Wie alle Klagepsalmen fragen, zwei  Fragen, alle Klagepsalen, die muss man millimetergenau studieren. Kommen in bestimmten Kreisen wird  selten über Klagepsalen. Höchstens bleiben 22 von Jesus Christus her, aber nicht die  Familie der Leidenden. Zwei Fragen, warum und wie lange noch. Alle Leidenden dieser  Welt werden immer so fragen. Treibt denen bloß nicht diese Fragen aus. Das ist ihr  Vorrecht, dass sie so schreien dürfen. Natürlich kann man sagen, der Krieg im Irak, der frühere  Krieg vom Bush hat amerikanische Ölinteressen. Ja, kann man schon fragen. Stimmt wahrscheinlich  auch teilweise oder überwiegend. Ich weiß es nicht. Ich bin kein Fachmann. Aber eine  irakische Mutter, die mit einem Kind über die Straße gehen will und von einem Bombensplitter
wird dieses Kind zerfetzt. Das hilft ihr wenig, wenn man sagt, der Krieg hat amerikanische  Ölinteressen als Grund. Die Frau fragt trotzdem, warum dieser saublöde Bombensplitter ihr  Säugling treffen muss. Und das muss man Gott schon fragen dürfen. Denn es heißt in der  Bibel kein Haar fällt von unserem Haupt. Alle Haare sind gezählt. Kein Haar, Originalton  Jesus, kein Haar fällt von deinem Kopf und kein Sperling fällt vom Dach. Ohne den Willen  Gottes. Da muss man Gott schon fragen dürfen, warum der Bombensplitter da in den Säugling  rein ist. Also das muss sich Gott schon gefallen lassen. Also in der Klage wird das auch ausgesprochen.  Die Klage ist die Form der Leidenden. Leidende dürfen klagen. In der Klage hat sich das  schwere Leid, wenn ich von Leid rede, meine nette Gehirnerschütterung oder ich bin vom  Fahrrad gefallen. Also da soll man sagen, seid doch nicht so wehleidig. Ich meine nicht wehleidig
denn bitte verwechselt das nicht. Ich meine schweres, massives Leid. Und die dürfen klagen.  Man kann nicht sagen Lobpreisgottesdienste sind geistlich, Klage ist was für Anfänger.  Ich habe in Winnenden Lobpreisgottesdienste gehalten, ja die schon ein Vierteljahr nach  dem Attentat. Da musst du überlegen was du sagst, weil die Eltern dieser Toten waren  da. Was ist das gesunde Verhältnis zwischen Lob und Klage? Wir müssen die Klage rehabilitieren.  Wir können nicht sagen Christen loben und die doofen Juden mit ihrer Klagemauer. Wir  Christen, geistliche Pfingstler, Charismatiker. Was haben die Pfingstler und die Charismatiker  dieser Welt für ein Verhältnis zur Klage? Ein völlig bescheuertes. Es geht alles immer
noch gut aus Handauflegung, Blindeneilung. Aber wer hat schon mal eine Landespsychiatrie-Klinik  lehr gebetet? Ich lade alle vollmächtigen Pfingstprediger dieser Welt in die Nürtinger  psychiatrische Klinik ein, da können sie mal trainieren. Also was ist das gesunde Verhältnis  zwischen Lob und Klage? Nur das Lob ist gesund, das nicht auf Kosten der Klage geht. Alles  Lob das auf Kosten der Klage geht und das die Klage geistlich verdächtigt ist ein bescheuertes  Lob, ist ein Lobgehudel. Ich habe so viel christliches Lobgehudel gehört, es wird einem  richtig dummelig im Hirn. Es gibt in der Württembergischen Landeskirche ein Versuch charismatische
Erneuerung der Württembergischen Lutherischen Kirche. Bin ich dafür? Ich bin in meinem Herzen  ein Pfingstler, ich war Bibelschüler und Lehrer einer Pfingstlichen Bibelschule. Ich bejahle  diese Dinge, aber ich kann in solchen Kreisen nicht leben, weil sie haben ein krankes Verhältnis  zur Klage und das geht nicht. Diese Verachtung der Leidenden, die nicht gesund werden. Also  und da haben sie eine Schrift rausgebracht, unterschrieben von zehn Pfarrern, 18 Religionslehrern  und zehn Diakonen. Die Schrift heißt Machtbahn, so 1984. Haben sie mir auch zugeschickt, weil  sie wissen, in der Zimmer irgendwie hat er auch charismatische Elemente. Und der erste  Satz in dieser Schrift hieß, wir loben zu wenig, wir klagen zu viel. Nach diesem Satz  habe ich die Schrift in der Papierkorb geschmissen. Ich habe nicht weiter gelesen, weil da kann  nichts Gescheites mehr drinstehen. Gut, also wir, die Klage bleibt uns und die Klage hat
eine Kraft. Jede Klage ist eine Ich-Klage, eine Feindklage, eine Gottklage. Gottklage,  warum machst du das und wie lange machst du das? Aber jede Klage gibt auch Raum einer  Bitte und einem Element der Zuversicht. Und diese Zuversichtselemente mitten in der Klage  sind das tiefste Kompliment an Gott in der ganzen Bibel. Diese Sätze. Die Lobsalm sind  auch schön. Am Ende im Himmel, am Ende bleibt das Lob. Aber jetzt ist auch die Klage wichtig.  Wo bleiben die Leidenden, wenn sie nicht klagen dürfen, deswegen sind sie nicht da. Die Leidenden  werden erst wieder in die christlichen Gottesdienste kommen, wenn die Klage eine berechtigte, notwendige,  gesunde Form des Gebets ist. Vorher kommen die Leidenden nicht. Das Zweite, was uns bleibt,  ist das Buch Hiob. Und zwar Hiob der Rebell, nicht Hiob der fromme Dulder. Das sind nur
die ersten zwei Kapitel, aber ab Kapitel drei geht's los. Da lesen die frommen nimmer.  Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen. Diese Sprüche lieben sie, aber ab Kapitel  drei heißt es, und Hiob verfluchte den Tag seiner Geburt. Ist schon ein bisschen anders,  gell? Wenn Hiob den Tag seiner Geburt verflucht, verflucht er Gott. So geht's los. Und Hiob  im Hebräischen, ich les Hiob im Hebräischen, schon Luther verbürgerlicht Hiob zu wohltemperierten  Klavier. Aber ich sag euch mal, im Hebräischen, im Judentum sagt man noch heute, lies das  Buch Hiob nicht unter deinem 40. Geburtstag und nur zu zweit, nicht allein. Und die jüdischen  Rabbiner wissen, warum sie das sagen. Weil sie lesen Hiob auf Hebräisch. Und da sagt  Hiob zum Beispiel, Gott, du bist ein Schuft, du bist ein charakterloser Kerl. Hast du eigentlich
nichts Wichtigeres zu tun als die Leidenden und Kranken dieser Welt mit immer neuen Krankheiten,  mit immer neuen Geschwüren, gell? D'Horst-Fantasie. Hast du eigentlich als Schöpfer der Welt  keine wichtigeren Aufgaben, als die Kranken mit deinen Giftpfeilen zu bi-sacken? So redet  Hiob. Ob der in der Pfingstbewegung ein Mitglied werden könnte? Ja, und die Freunde sind  alle entsetzt, gell? Die Freunde sind überzeugt, Gott macht keine Fehler. Die Freunde stellen  sich auf die Seite Gottes. Das war ihr Fehler. Sie hätten sich auf die Seite von Hiob stellen  sollen, gell? Die Freunde sind Rechtsanwälte Gottes, Gottes Verteidiger, Gottes, gell?  Gott macht keine Fehler, alles Leid kommt aus der Sünde. Das heißt, Gott macht keine  Fehler. Gott ist schlicht, Gott ist vollkommen. Die Frommen haben keine Respekt vor der Verborgenheit  Gottes. Welche Qualität eine christliche Gruppe hat, kannst du sehr schnell feststellen. Haben
sie eine angemessene Würdigung der Fremdheit Gottes, der Verborgenheit Gottes? Welches  Verhältnis haben sie zur Klage? Da weißch sehr schnell alles. Das Buch Hiob ist einzigartig,  42 Kapitel. Hiob darf ausreden. Am Ende redet Gott, aber Gott kann warten. Hiob darf alles  auskotzen, was er auskotzen will. Und die Freunde machen immer mehr schlapp, sie reden  gar nicht mehr mit ihm. Am Schluss hofft Hiob nur noch auf Gott, gell? Er sagt, ihr seid  mir leidige Tröschter. Ihr stellt euch auf die Seite Gottes, das ist eure Sünde, sagt  Hiob. Ihr solltet euch auf meine Seite stellen und Gott mit mir anklagen. Na, täte mich  von euch trösten lassen. Aber wenn ihr euch auf die Seite Gottes stellt, gegen mich, könnt  ihr mich niemals trösten. Man kann Leidenden nur trösten, wenn man sich mit ihnen in der
Tiefe des Herzens solidarisiert. Unser Platz ist nicht, Gott zu verteidigen, der kann das  selber. Unser Platz ist an der Seite der Leidenden. Da gehören wir hin. Und wisst ihr, was Gott  am Ende sagt zu den Freunden? Die findest du heute überall. Das ist immer noch das  gleiche Niveau heute in der Christenheit, vor allem in der Konservativen, muss ich so  sagen. Ich sag das aus 40 Jahren Erfahrung. Gott sagt zu den drei Freunden, ihr habt  nicht recht geredet von mir, wie mein Knecht Hiob. Knecht ist der höchste Ehrentitel.  Abraham ist ein Knecht Gottes, Mose ist ein Knecht Gottes und David. Das sind die Knechte  Gottes und Hiob. Der, der gesagt hat, ich verfluche den Tag meiner Geburt. Schwerleidende  dürfen fluchen, dürfen Gott anklagen. Sie haben das Recht dazu. Da macht Gott gar nicht
schlapp. Er versteht sie. Am Ende, und merkt euch das, ihr habt nicht recht von mir geredet,  wie mein Knecht Hiob. Und jetzt bringt ein Bußopfer und bittet Hiob, dass er für euch  betet zu mir und die Fürbitte Hiob für euch, die werde ich annehmen. Und Hiob betet für  die drei Quellgeister. Er betet für sie und am Ende heißt es, und Gott nahm die Fürbitte  Hiob an. Das Dritte, was uns bleibt, erstens die Klage, zweitens das Buch Hiob. Beschäftigt  euch mit Hiob dem Rebell. Da könnt ihr reife Prozesse auslösen. Das Dritte, was uns bleibt,  ist Jesus, sein Lebensstil. Er hat keine Leidtheorie jemals geäußert. Wieso eigentlich unschuldiges  Leid? Ja, das ist wegen freier Wille, das kommt aus der Sünde, das ist Schleuderung,
das ist Erziehungsmittel. Niemals sagt Jesus einen Satz dieser Art. Da merkt ihr den Unterschied  zwischen der Qualität Jesu und der Qualität der bekehrten, wiedergeborenen, geistgetauchten  Christen. Das ist ein irrsinniger Unterschied. Mit solchen Halbwahrheiten arbeitet Jesus  niemals. Die Jünger sagen, beim Blindgeborenen, hat er gesündigt oder seine Eltern? Da sagt  Jesus, weder er noch seine Eltern. Da guckt aber die elite Truppe Jesu, ganz verwundert.  Einmal sagen auch Leute zu Jesus, der Turm von Chiloa ist umgefallen und hat irgendwie  acht oder neun Leute unter sich begraben. Waren das besondere Sünder, weil die Steine  gerade auf die gefallen sind? Les mal die Antwort Jesu. Er sagt auf Deutsch, ihr Blödlinge.  Natürlich nett. Also Jesus hatte einen weiten Raum für Kranke aller Art. Blinde, lahme  Taube, gekrümmter Rücken, verdorrte Hand, mondsüchtige. Er hat nicht mal Abendessen
können. Er ist mit der ganzen Palette von Elend konfrontiert worden. Dieser Mann hat  nicht weggeguckt. Er hat nicht verdrängt und er hat nicht verharmlost durch geölte, abgelutschte  Parolen. Das hat Jesus nie gemacht. Er hat sich dem ganzen Elend der Welt gestellt, soweit  er es in seinen Möglichkeiten kannte. Er hat niemals zu einem Schwerkranken gesagt,  du wirst geläutert, hab noch ein bisschen Geduld. Nein, er hat nie einen Kranke weggeschickt  mit der Antwort, ich hab jetzt gerade Wichtigeres zu tun. Hat er nie gemacht. Im Terminkalender  Jesu haben die Leidenden und Weinenden einen großen Raum. Das ist eine Gegenkraft. Wenn  Gott so ist wie Jesus, dann gibt es Hoffnung. Und dieses Vierte, was uns bleibt, und damit  schließe ich, wir haben Hoffnung nach dem Tod. Es gibt keine Antwort vor dem Tod. Alle
Antwortversuche sind billig, unreif und bescheuert. Zeigen nur den Tellerrand derer, die mit so  einem Käse arbeiten. Arbeitet damit nie wieder. Aber wir haben eine Hoffnung nach dem Tod.  Gott wird alle unsere Fragen beantworten. Auch die von dem 13-jährigen in Meßstetten.  Ich kann mir nicht vorstellen, was Gott mir da sagen wird. Ich kann mir nichts vorstellen,  aber ich traue ihm zu, er wird irgendwas sagen und ich werde still und zufrieden sein.  Um Christi willen, propter Christum, sagt Luther, um Christi willen habe ich diese Hoffnung.  Weil Christus in seinem Leben so gelebt hat, entsteht diese Hoffnung. Es heißt im Neuen  Testament, Gott sammelt alle Tränen in einem Krug. Alle Tränen, die Kinder und Leidende  und Gefolterte und Vergewaltigte und Missbrauchte geweint haben, kennt er. Er vergisst keine
einzige Träne. Es ist keine billige Vertröstung, sondern auf diesen Gott, der Jesus geschickt  hat, auf diesen Gott hoffen wir. Und er wird es uns nach dem Tod erklären. Ich will mit  folgendem Beispiel schließen. Einer meiner größten biblischen Lehrer, Professor Rath,  Gerhard von Rath, Professor für Altes Testament an der Universität Heidelberg, hat einmal  Folgendes gesagt. Ein hebräischer Mensch rudert sich oder bewegt sich in die Zukunft  wie ein Ruderer. Der hebräische, biblische Mensch, der Schreiber der Klagepsalmen, aber  der auch Exodus und vieles erlebt hat und die Sendung der Propheten und wir haben die  Sendung Jesu erlebt und die Sendung der Apostel. Der hebräische Mensch bewegt sich in die
Zukunft wie ein Ruderer. Das heißt, er kennt die Zukunft nicht. Die schau in seinem Rücken.  Aber er sieht seinen Ausgangspunkt, seine Stadt. Da guckt er hin. Und unsere Stadt ist der  biblische Gott, der sich offenbart hat im Exodus, der die Armen in den Klagepsalmen  genau versteht, der Jesus geschickt hat und die Apostel. Wir sehen die großen Taten des  Gottes, der gnädig und barmherzig ist, geduldig und von großer Güte. Wir sehen vor allem  auf die Klage, auf das Hierbuch und auf den Lebensstil Jesu. Und indem wir darauf schauen,  führen wir uns in die Zukunft.
Gott und das Leid | 3.7.1
Vorsicht: Siegfried Zimmer entsichert in diesem Vortrag den schärfsten Revolver des Atheismus’ und hält ihn an die Schläfe seiner Zuhörer. Wird er auch abdrücken? Die Frage nach dem Leid der Welt im Angesicht Gottes ist eine der größten Anfragen an das Christentum. Wie kann es sein, dass vor Gottes Augen Kinder sterben, Arme verhungern, Menschen leiden? Kann es einen Allmächtigen eigentlich geben, der das alles geschehen lässt? Zimmer scheut diese Fragen nicht. Er drückt sich nicht. Er stellt sich. Also: Einmal warm anziehen, bitte – und auf in den Kühlschrank der Theodizee.
Anmerkung: Der Vortragsstil spiegelt die ungezwungene Atmosphäre des Freakstock-Festivals wider. Siegfried Zimmer stellt sich auf sein Publikum ein, indem er wesentlich salopper und deftiger formuliert als gewöhnlich.