Was bedeutet heute eine verantwortbare christliche Erziehung? Mit diesem Vortrag möchte ich Sie gerne einführen in die Thematik der nächsten Tage. Also mit Ihnen darüber nachdenken, was Erziehung, manche würden heute auch sagen Bildung, von beidem wird zu sprechen sein, was Erziehung und Bildung mit dem Christentum, mit dem christlichen Glauben zu tun haben. Vier Teile will ich Ihnen bieten, damit Sie etwas wissen, was auf Sie wartet. Ich werde zunächst einige Vorüberlegungen, so um in das Thema hineinzukommen, anbieten. Dann werde ich versuchen, eine Grundlegung zu entwickeln. Was heißt das eigentlich christliche Erziehung? Wann ist sie verantwortbar? Nicht nur in meiner Sicht, sondern auch in der Sicht anderer.
Dann aber will ich mich auch der kritischen Diskussion stellen, denn die christliche Erziehung ist heute keineswegs unumstritten. Sie ist immer wieder angefragt und ich will einige dieser Anfragen aufnehmen und diskutieren. Und am Ende gibt es dann noch eine Zusammenfassung in Thesen. Vorüberlegungen also das Erste. Warum spreche ich von einer verantwortbaren christlichen Erziehung? Warum nicht einfach von einer christlichen Erziehung? Ich selber habe das so gelernt, dass man nicht so leichtfertig von christlicher Erziehung sprechen soll. Einer der großen evangelischen Pädagogen des 20. Jahrhunderts, Oskar Hammelsbeck, war sein Name. Er war ein enger Freund Dietrich Bonhöfers. Manchmal sagt man, er sei der Pädagoge Bonhöfers. Dieser Oskar Hammelsbeck hat sich als evangelischer Pädagoge ganz dagegen verwahrt,
von christlicher Pädagogik zu sprechen. Dafür nennt er drei Gründe, die ihm besonders wichtig sind. Erstens sagt er, Erziehung soll in erster Linie immer eines sein. Gute Erziehung. Gute Erziehung. Und ob sie dann irgendwie auch noch mit einem christlichen Vorzeichen versehen wird, das sagt er, sei gar nicht so wichtig. Christen sollen sich in erster Linie darum bemühen, ihre Kinder gut zu erziehen, ihren Kindern eine gute Erziehung und Bildung zu bieten. Der zweite Grund für Hammelsbeck war, dass er sagt, der christliche Glaube ist nicht eine Weltanschauung. Nicht eine Weltanschauung wie der Sozialismus. Denken Sie an die Zeit, die hat er so nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben. Nicht eine Weltanschauung wie der Sozialismus. Und deshalb soll die christliche Erziehung nicht in einer Reihe stehen mit der sozialistischen,
mit der marxistischen oder wie auch immer die Erziehung genannt wird. Deshalb, sagt er, spricht lieber von einer christlichen Verantwortung für die Erziehung. Der dritte Grund hat ganz speziell mit dem christlichen Glauben zu tun. Gerade als Christen, spreche ich sie jetzt mal so an, obwohl ich nicht weiß, ob ich das darf, für mich selber würde ich es sagen, aber gerade als Christen müssen wir vorsichtig sein. Wir können nicht einfach machen, dass die Erziehung christlich ist, sondern wir sind fehlbare Menschen. Wir machen, wenn man der Bibel folgt, immer wieder etwas anderes, als wir eigentlich wollen oder sollen. Und deshalb ist das auch in der Erziehung so. Deshalb viel besser von einer christlichen Verantwortung für Erziehung zu sprechen und nicht einfach von christlicher Erziehung. Aber abgekürzt werde ich das heute Abend dennoch tun, aber damit Sie verstehen, warum hier Verantwortung steht.
Und Verantwortung ist dann auch das Erste, worauf es denn ankommt. Erziehung muss verantwortet werden im Glauben. Sie muss eine Erziehung sein, die dem Glauben entspricht und die dem Glauben folgt. Sie kann keine Erziehung zum Glauben sein, davon werde ich heute Abend noch sprechen, aber es soll eine Erziehung ausglauben und eine Verantwortung im Glauben sein. Das ist das Erste. Verantwortung als gute Erziehung muss Erziehung aber auch verantwortet werden vor den Maßstäben, besonders der Pädagogik, der Erziehungswissenschaft. Denn diese Wissenschaft ist ja dafür zuständig, zu erforschen und zu klären, was eine gute Erziehung ist. Und als Christen können wir nichts Besseres tun, als uns damit auseinanderzusetzen, was denn die Erkenntnisse zu einer guten Erziehung sind.
Und schließlich, und das wird heute immer wichtiger, ist die Verantwortung aber auch gegenüber dem Gemeinwesen gemeint, einem demokratischen Gemeinwesen. Denn das Christentum setzt nicht auf totalitäre oder wie auch immer nationalistische Ordnungen, sondern auf eine freie Form des Zusammenlebens zwischen gleichberechtigten Menschen. Deshalb hat christliche Erziehung immer auch eine Verantwortung gegenüber der Demokratie. Verantwortung, Verantwortung, so kann man auch abgekürzt sagen, Verantwortung gegenüber mir selbst, mit meinem Glauben, der ich diese Erziehung verantworte, Verantwortung gegenüber dem Kind, wir werden noch hören, dass das vielleicht sogar das Erste sein sollte, und natürlich Verantwortung vor Gott. Soviel zu diesem etwas komplizierten Thema.
Verantwortbare christliche Erziehung. Nun aber viel wichtiger, was versteht man denn darunter? Was soll man unter einer christlichen Erziehung verstehen? Dafür gibt es viele Vormeinungen, Anhaltspunkte, aber so ganz klar ist es eigentlich nicht. Was legt sich am nächsten bei dieser Frage natürlich die Bibel, die ich deshalb hier auch als erstes aufschlage. Und wenn Sie vielleicht selbst einmal darüber nachgedacht haben, es ist doch eigentlich schade, dass es in diesem Buch, das ist gar nicht so dick, aber es sind dünne Seiten, in diesem Buch kein Kapitel gibt über die Erziehung. Es gibt keinen Brief über die Erziehung, kein Buch, kein Prophetenbuch oder wie auch immer. Aber es gibt besonders schon im Alten Testament viele Hinweise darauf, wie man Erziehung biblisch denken kann und wie man sie biblisch denken soll. Und ich will jetzt in diesem ersten Schritt einige dieser biblischen Stellen mit Ihnen gleichsam ansehen.
Und ich beginne gleich im ersten Kapitel der Bibel, einer der berühmtesten Stellen in der Bibel überhaupt, die heute auch als Ausgangspunkt für eine biblisch fundierte Erziehung und Bildung gelten muss. Gleich im ersten Kapitel der Bibel heißt es und Gott sprach, laset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn und schuf sie als Mann und Weib. Zum Bilde Gottes ist der Mensch geschaffen. Das kennen wahrscheinlich die meisten von Ihnen. Was ist damit genau gemeint? Als dieser Text geschrieben worden ist, gab es lange schon die Auffassung, dass bestimmte Menschen das Ebenbild Gottes sind.
Aber nur ganz bestimmte, beispielsweise die ägyptischen Pharaonen oder die Sonnenkönige im alten Babylon. Und hier in der Bibel ändert sich das plötzlich so. Alle Menschen sind zum Ebenbild Gottes geschaffen. Alle Menschen haben damit eine königliche Würde. Das war revolutionär und ist es im Grunde genommen bis heute. Wir übersetzen das heute gerne so, dass schon im ersten Kapitel der Bibel allen Menschen eine unverlierbare Würde zugesprochen wird. Sie ist unverlierbar, weil sie nicht vom Menschen herkommt, sondern von Gott her. Sie ist verliehen, sie ist geschenkt und bleibt von Gott her auch bestehen, auch wenn die Menschen einander ganz würdelos behandeln und ganz würdelos betrachten. Lange Zeit hat man sich gar nicht klar gemacht, was damit eigentlich gesagt ist.
Würde des Menschen, jedes einzelnen Menschen, aller Menschen ohne Ausnahme. Ein Punkt, an dem man sich noch im letzten Jahrhundert gefragt hat, kann das sein, dass da auch Menschen mit Behinderung gemeint sind? Stellen Sie sich vor, vor 100 Jahren meinte man, die seien nicht Ebenbild Gottes, weil sie ja entstellt seien. Und es hat noch länger gebraucht, das wollte ich gerade von dem Kind sprechen, noch länger gebraucht, bis man gemerkt hat, auch Kinder sind Ebenbild Gottes von Anfang an. Und das muss man in der Erziehung erst einmal einholen, was damit gesagt heißt. Alle Kinder sind Ebenbild Gottes, alle Kinder haben Teil an einer königlichen Würde, wie es sie eigentlich nur im altorientalischen Königstum damals gegeben hat. Kinder sind Majestäten, hat später ein berühmter evangelischer Pädagoge,
Nikolaus Graf von Zinsendorf gesagt, Kinder sind kleine Majestäten. Aber wenn man der Bibel folgt, darf man das natürlich nicht missverstehen. Damit soll nicht gesagt sein, dass die Kinder gleichsam ideal sind, dass christliche Erziehung nur darin besteht, dass wir die Kinder bewundern, ihnen zuschauen, wie toll sie sind, das soll man immer auch machen, ich habe selbst drei Kinder, zwischen Erwachsenen. Man soll ihnen nicht nur zuschauen, wie toll sie sind, wie sie heranwachsen, sondern die Bibel spricht ja nur zwei Kapitel später vom sogenannten Sündenfall. Das ist einer der schwierigsten Begriffe, die wir heute haben. Er ist banalisiert, haben wir, haben sie heute schon ein wenig gesündigt, sagt man, ob man genügend Süßigkeiten genascht hat oder sonst irgendetwas getan. Aber die Bibel meint natürlich etwas anders.
Sie meint, dass der Mensch, der doch zum Ebenbild Gottes bestimmt ist, gleichzeitig fast von Anfang an, nicht von, aber fast von Anfang an, der Entfremdung unterliegt. Der Entfremdung von Gott durch die Sünde wird die Beziehung zu Gott gestört, aber auch der Entfremdung von anderen Menschen, die Beziehung zwischen Adam und Eva wird gestört. Sie erinnern sich vielleicht, das äußert sich darin, dass sie mit ihrer Nacktheit nicht mehr umgehen können, dass sie einander misstrauen, einander verklagen und die Beziehung zu sich selbst, zu mir selbst ist gestört. Die Bibel sieht also beides. Sie sieht das Kind zum Ebenbild Gottes geschaffen und sie sieht das Kind in einer Entfremdung gegenüber Gott, gegenüber anderen Menschen und auch gegenüber sich selbst.
Gegenüber sich selbst beispielsweise durch egoistische Neigungen, dadurch, dass es sich selbst an erste Stelle setzen möchte. Deshalb ist die christliche Erziehung von einer grundlegenden Spannung geprägt. Eben von der Bestimmung des Menschen zum Ebenbild Gottes, die nicht verloren geht. Und gleichzeitig von dem Wissen, dass der Mensch in der Entfremdung lebt und die Erziehung dazu beitragen muss, dass die Folgen dieser Entfremdung abgebaut, in Grenzen gehalten werden oder vielleicht, aber das kann die Erziehung alleine nicht leisten, am Ende überwunden werden. Dass sie überwunden werden, liegt nach der Bibel letztlich nur bei Gott selbst. Und wie steht es denn mit der religiösen Erziehung in der Bibel? Daran denkt man ja als erstes, wenn man heute christliche Erziehung sagt.
Wenn man das fünfte Buch der Bibel aufs Lekt der fünfte Mose ist, dann findet man dort eine ebenfalls ganz berühmte Stelle im sechsten Kapitel. Ich lese Ihnen die gerne noch einmal vor. Wenn dich nun dein Sohn, heute würde das sicher auch stehen, und deine Tochter, wenn dich nun dein Sohn morgen fragen wird, was sind das für Vermahnungen, Gebote und Rechte, die euch der Herr, unser Gott, geboten hat? Merken also ein Kind, fragt ihr, was habt ihr da für Gebote und Regeln? So sollst du deinem Sohn sagen, wir waren Knechte des Pharao in Ägypten und der Herr führte uns aus Ägypten mit mächtiger Hand. Der Herr hat große und furchtbare Zeichen und Wunder und so geht es lange weiter. Also die Situation, ein Kind, dein Sohn fragt morgen, und was soll der Vater tun, der hier angesprochen ist?
So sollst du deinem Sohn sagen, wir waren Knechte des Pharao in Ägypten. Also erzählen. Religiöse Erziehung ist hier von Anfang an ganz besonders wichtig. Warum ist die eigentlich so wichtig? Der Grund ist ganz einfach. Der Grund war damals derselbe wie heute. Es werden Gott sei Dank immer wieder neue Kinder geboren und diese neuen Kinder wissen zunächst gar nichts von dem, was ihre Eltern und deren Vorfahren erfahren haben und erinnern. Also weil es eben Kinder gibt und weil die Kinder eingeführt werden müssen in die Überlieferungen und in die Glaubenstraditionen, deshalb braucht es religiöse Erziehung. Das kann man im Alten Testament an ganz vielen Stellen finden und es ist interessant, dass hier erzählt werden soll, die große Geschichte der Befragung.
Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten und der Herr führte uns aus Ägypten mit starker Hand. Also die Kinder werden einbezogen in eine Überlieferung, die sie dann mitnimmt. Neues Testament. Es ist immer wieder aufgefallen, dass im Neuen Testament auch im Vergleich zum Alten Testament wenig von Erziehung geredet ist. Nur selten wird sie angesprochen. Und man hat überlegt, warum ist das so? Es hat vermutlich doch damit zu tun, dass die Menschen zu Jesu Zeit das Ende aller Zeiten nahe vor Augen hatten. Das Ende aller Zeit, die Wiederkunft Jesu Christi. Und Erziehung braucht eben immer Zeit. Und deshalb ist das im Neuen Testament zunächst in den Evangelien eigentlich gar kein Thema, später wird es dann etwas anders.
Aber zunächst und doch finden wir in den Evangelien ganz wichtige Stellen für jede Erziehung, die damals ebenfalls eine revolutionäre Bedeutung hatten. Ich nehme das aus dem Markusevangelium. Zunächst einen Text, den wieder viele kennen, weil er bei Kindertaufen heute gelesen wird. Da wird eine Szene erzählt, wie Mütter ihre Kinder zu Jesus bringen. Und die Jünger versuchen, Jesus in Schutz zu nehmen, lasst mal die Kinder da irgendwie weg. Und die brauchen wir hier jetzt nicht, Jesus hat Wichtiges zu tun. Und dann antwortet Jesus, der das mitgehört hat, lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch, wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.
Man muss den Text sicher mehrfach lesen, um zu merken, was hier gesagt wird. Im Kern zwei Dinge, die ganz besonders wichtig sind und die damals revolutionär waren und es im Grunde heute auch noch sind. Das Reich Gottes gehört Kindern. Das Reich Gottes, also das, worum es in Jesu Verkündigung geht, gehört eigentlich den Kindern. Und heute ist gesagt, dass die Kinder mindestens so wichtig im Glauben und für den Glauben sind wie Erwachsene. Und dann heißt es eben auch noch weiter, wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, wie ein Kind, das ist an die Erwachsenen gerichtet. Wir sollen Kinder als Vorbilder erfahren. So heißt es dann auch später in einer Parallelstelle, in dem Markusevangelium, werden wie die Kinder. Damit werden die Verhältnisse umgekehrt.
An beiden Stellen kann man sehen, dass Jesus ein ganz besonderes Verhältnis zu Kindern hatte, dass er Kinder besonders wertschätzte, Kinder besonders wichtig nahm und dass er sich deshalb für sie eingesetzt hat. Das kann man auch noch an einer anderen Stelle im Markusevangelium sehen, die ich deshalb vorlese, weil sie noch etwas anderes deutlich macht. In dieser Situation hier im Markusevangelium kommt das immer wieder vor, dass die Jünger streiten und sich darum, wie soll man sagen, sich darum bemühen, dass eben einer an der ersten Stelle steht, wer ist der Größte, wer ist der Wichtigste unter den Jüngern. Und Jesus hat dann ein Kind genommen und stellte es mitten unter die Jünger und der Herz der Jesu sprach zu ihnen, wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf.
Und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat. Also Gott selber. Wer ein Kind aufnimmt in meinem Namen, der dient mir, Jesus Christus, und wer mir dient, dient Gott. Und hier ist es auch noch einmal ganz kurzgesprochen für Jesus war Kinder dienen Gottesdienst. Kinder dienen Gottesdienst. Oder, doch einmal zugespitzt formuliert, es kann eigentlich keine Kirche geben, in der Kinder keine wesentliche Rolle spielen, die sich nicht dem Dienst an Kindern verpflichtet fühlt. Es gäbe noch mehr Stellen im Neuen Testament, ich will es damit sein lassen, was wissen wir jetzt? Christliche Erziehung war unsere Frage. Wir haben erst gefragt, wie kann man das von der Bibel her verstehen? Und dabei sind fünf Punkte wichtig geworden. Erstens, jedes Kind hat eine unverlierbare Würde,
weil jedes Kind ist Ebenbild des lebendigen Gottes. Jedes Kind, ohne Ausnahme. Zweitens, obwohl dies die unverlierbare Würde und die unverlierbare Bestimmung jedes Menschen, jedes Kindes bleibt, lebt der Mensch in biblischer Sicht in einer Entfremdung. Einer Entfremdung von dieser Bestimmung, einer Entfremdung gegenüber Gott, gegenüber anderen Menschen und gegenüber sich selbst. Diese Spannung dieser ersten beiden Punkte ist der Ausgangspunkt für ein biblisches Verständnis von Erziehung. Und drittens, religiöse Erziehung ist eine Pflicht aller Eltern. Wenn dich morgen dein Kind fragt, was macht ihr da eigentlich, dann sollst du deinem Kind und so weiter. Eine grundlegende Pflicht von Eltern
und darüber hinaus auch der christlichen Gemeinde. Viertens, und das ist überraschend, ist nicht davon die Rede, die Kinder sollen werden, wie die Väter und die Mütter, sondern die Erwachsenen sollen werden, wie die Kinder. Also christliche Erziehung hat ein überraschendes, vielleicht auch ein verrücktes Moment an dieser Stelle. Werden wie die Kinder. Und fünftens schließlich, der Dienst am Kind ist Gottesdienst. Eine ganz wichtige Aussage. Wer einem Kind dient in meinem Namen, der dient mir. Wer mir dient, dient dem, der mich gesandt hat. Gott selber. Das ist ein erster Versuch. Ein zweiter Versuch. Ich frage nach den Klassikern, den Klassikern der evangelischen Erziehung. Und drei große Namen will ich Ihnen hier nennen. Einen vierten, ich habe dann doch darauf verzichtet, obwohl wir in Weimar sind.
Aber wenn Sie Zeit haben, gehen Sie mal bei Johannes Falk vorbei. Johannes Falk war ein berühmter armen Fürsorge und Pädagoge. Gleich um die Ecke ist sein Denkmal. Und wo sein Lutherhof stand für die armen Kinder, steht heute eine Bank und kein Denkmal, das ist schade. Aber trotzdem gehen Sie bei Johannes Falk vorbei. Aber ihn will ich nicht erwähnen über diese kurze Bemerkung hinaus. Heute in diesem Jahr natürlich beginne ich bei Martin Luther. Den kennen Sie alle. Dann gehe ich weiter zu einem, den vielleicht manche kennen, aber nicht alle, Johann Amos Comenius, einer der wichtigsten evangelischen Pädagogen überhaupt. Und der dritte, auf den ich eingehen möchte, ist der große Berliner Pädagoge und Theologe Friedrich Schleiermacher. Die Universität in Berlin könnte auch Schleiermacher-Universität heißen, weil er hat sie gemeinsam mit Humboldt begründet. Sie merken also auch drei unterschiedliche Jahrhundel.
Aber zunächst Martin Luther. Bis heute ist noch immer nicht allgemein bekannt, dass Luther nicht nur selbstverständlich ein Klassiker der Theologie, für uns der Klassiker der evangelischen Theologie ist, sondern dass er auch ein Klassiker der Pädagogik ist und dass die Reformation nicht zuletzt eine Bildungsbewegung war. Woran kann man das ablesen? Schon 1520, als das erste große Programm der Reformatoren erschien, die Schrift an den christlichen Adel deutscher Nation, oder wie man abgekürzt sagt, die Adelsschrift, heißt es dort von den Schulen, dass die Heilige Schrift die erste und vornehmste Thematik, Lektion, schreibt Luther selber, die erste und wichtigste Thematik sein soll. In allen Schulen.
Warum, sagt er, die Heilige Schrift handelt von den Dingen, die das Leben bestimmen, die das Leben tragen. Und keine Schule, keine Bildung kann vollständig sein, wenn sie nicht auf diese Fragen des Glaubens und der Heiligen Schrift eingeht. Daran kann man schon sehen, wie wichtig diesem Reformator Bildungsfragen waren. Er hat dann auch eigene Schriften über die Schule verfasst, an die Ratsherren gerichtet, damals also die Regierung in den Städten, dass sie Schulen unterhalten und begründen sollen. Und er hat eine Schrift an die Eltern geschrieben, dass sie ihre Kinder auch zur Schule schicken sollen. Überall wird das greifbar, wie wichtig Luther die Frage der Bildung und der Stellung des Glaubens in der Bildung war. Er kann damit als einer der Väter von Religionsunterricht gelten,
weil eben der Religionsunterricht dann in der Schule die Form war, in der die Lektüre der Bibel, der Heiligen Schrift in der Schule ihren dauerhaften Ort gefunden hat. Aber das war nicht alles. Luther war die Schule so wichtig, weil er meinte, das ist der Ort, an dem am ehesten Erziehung und Bildung passieren kann. Aber daneben war für ihn natürlich auch die Gemeinde der Ort für eine christliche Unterweisung. Er hat sich dafür eingesetzt, dass alle Kinder und nicht gebildete Menschen einen Zugang zu einer christlichen Unterweisung bekommen können. Warum war ihm das so wichtig? Das hing mit dem veränderten Verständnis des Glaubens zusammen. Vor der Reformation war es ja vielfach so, dass der Glaube der Kirche das Entscheidende war. Wenn die Kirche den richtigen Glauben hatte
und der Einzelne dann hin zur Kirche ging, dann reichte das im Grunde aus, um die Erlösung oder die Rettung zu gewinnen, wie die Menschen das damals ausgedrückt haben. Luther hat dem gegenüber gesagt, im Glauben ist jeder einzelne Mensch ganz unvertretbar. Ein anderer kann nicht für mich glauben, ich muss selber glauben. Und deshalb, und das führt nun eben zur Bildung, muss auch jeder Einzelne den Glauben verstehen. Es reicht nicht, wenn ein Priester den Glauben versteht und ich irgendwie dem Priester zuhöre. Nein, jeder einzelne Christ muss den Glauben verstehen. Den Glauben verstehen kann man eben nach reformatorischem Verständnis nur, wenn man die Bibel lesen kann. Also ohne Bildung konnte man nicht lesen und natürlich die Bibel auch nicht lesen. Deshalb musste die Reformation zwangsläufig zu einer Bildungsbewegung werden,
weil sie eben solche verständige Christen wollte. Sie wollte nicht nur verständige Christen, sondern auch urteilsfähige Christen. Sie wollte Gottesdienste, bei denen alle Gemeindeglieder in der Lage sind, auch zu beurteilen, ob das, was von der Kanzel herab gesagt wird, nun richtig ist oder falsch. Mündige Christen, urteilsfähige Christen, auch das ist ohne Bildung nicht zu erreichen. Aber was für eine Bildung. Mich überrascht immer wieder die Aktualität, denn der Schlutzer sagt, alle Bildung, alle Schule hat ein übergreifendes Ziel. Und dieses Ziel war für ihn Leben in Frieden, Leben in Gerechtigkeit und das Dritte war Leben selbst, Frieden, Gerechtigkeit und Leben. Das sind die drei übergeordneten Ziele von Bildung. Wir werden nachher sehen, warum das immer noch so aktuell ist.
Also eine religiöse Unterweisung, Schrift, aber daneben eben auch die Erziehung zu Frieden, Recht und Leben. Es ist interessant, für viele Menschen steht Luther ja vor allem für Freiheit. Wenn Sie heute die Kampagnen lesen, der EKD oder der Landeskirchen, da kommt immer der Begriff der Freiheit. Dabei wird Luthers Freiheitsschrift zitiert, von der Freiheit eines Christenmenschen. Dort wird ganz wesentlich die Gewissensfreiheit begründet, nämlich dass niemand im Glauben Untertan eines anderen sein kann, sondern im Glauben sind wir durch das Verhältnis zu Gott selbst ganz frei. Gewissensfreiheit, wie man später gesagt hat. Und nun aber auf der anderen Seite die Erziehung.
Was machen wir eigentlich, wenn wir unsere Kinder im christlichen Glauben erziehen? Wie kann man das mit Gewissensfreiheit verbinden? Widersprechen sich denn Christen an dieser Stelle nicht selber, wenn sie sich zwar immer auf die Gewissensfreiheit berufen, aber nur gegenüber anderen und nicht bei der Erziehung? Ich finde es hochinteressant, dass Luther in der Einleitung zu seinem berühmtesten Buch, dem kleinen Katechismus, genau auf diese Frage eingeht. Dieses ganze Buch, der kleine Katechismus, das jahrhundertelang weltweit Menschen geprägt hat, das viele auswendig konnten, zu Beginn dieses Buche steht, dass man niemanden zum Glauben zwingen kann oder soll. Beides also. Zum Glauben kann man niemanden zwingen, weil das Innerste des Menschen ist unerreichbar.
Und man darf es nicht. Luther hat an der Stelle nicht als Pädagoge gedacht. Moderne Pädagogen würden sofort zustimmen und sagen, die Freiheit des Kindes ist letztlich ein für Pädagogen unverletzliches Gut. Da finden Sie eine Grenze. Aber Luther hat theologisch gedacht an der Stelle. Sie müssen den kleinen Katechismus weiterlesen. Er enthält ja eine berühmte Auslegung des Glaubensbekenntnisses. Und zum Glaubensbekenntnis gehört ja immer auch der Glaube an den Heiligen Geist. Und Luther erklärt den so, er wird ja im kleinen Katechismus immer gefragt, was heißt das? Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft zu Jesus Christus, an meinen Herrn kommen oder an ihn glauben kann. So wörtlich bei Luther. Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft zu Jesus Christus kommen oder an ihn glauben kann. Warum nicht? Für Luther war ja das Allerwichtigste in seinem Verständnis des Glaubens,
dass der Glaube gerecht macht vor Gott. Dass die Gerechtigkeit vor Gott kein Verdienst des Menschen ist. Nicht, dass wir, was wir durch unser Handeln erwerben können, sondern dass uns geschenkt wird. Und wenn nun der Glaube selber wieder eine Bedingung wäre für dieses Geschenk, dann wäre all dies nur ein Widerspruch in sich selbst. Und das kann natürlich nicht sein. Also aus theologischen Gründen soll und kann niemand zum Glauben gezwungen werden. Er hat dann in kleinen Kathedrismus aber doch eine Einführung in den Glauben gegeben. Das Wichtigste, was für ihn dazu gehört, das will ich jetzt nicht in Breite ausführen, aber noch einmal in Erinnerung rufen, die zehn Gebote an erster Stelle, das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser. Das sind die drei Dinge, die inhaltlich für ihn zur christlichen Unterweisung gehören,
was jeder kennen und wissen muss, wenn er als Christ glauben und als Christ leben möchte. 16. Jahrhundert, die Kathedrismen stammen von 1529. Jetzt springen wir 100 Jahre weiter in das 17. Jahrhundert, weil dort finden wir nun erstmals eine ausgeführte evangelische Pädagogik. Ein Mann, Johann Amos Comenius, den wahrscheinlich viele von Ihnen nicht kennen, den ich Ihnen deshalb vielleicht kurz vorstellen sollte. Er wurde 1692 in Meeren geboren, also in der heutigen Tschechien, der Tschechischen Republik weit im Osten. Und er gehörte einer damals nicht zugelassenen Gruppe im Christentum an der Brüderunität,
wie sie bis heute dort noch heißt, der Brüderunität, die auch mit Jan Hus zu tun hatten, dem Ketzer, der dann schon vor einigen Jahrhunderten in Konstanz verbrannt worden war. Und Comenius lebte dann vor allem in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der größten Zerstörung, die Europa je erlebt hat, 1618 bis 1648 in dieser Zeit. Er war ein Flüchtling und er musste Meeren dann verlassen, weil diese Brüderunität nicht als Kirche anerkannt wurde. Er war dann ein Berater, er war zunächst Flüchtling in Polen, in Lissabon. Und er war dann aber ein gesuchter Berater als evangelischer Pädagoge, aber hat in England gewirkt. Er hat einen Ruf an die Harvard-Universität bekommen, als die damals neu begründet wurde, in den USA, hat ihn abgelehnt.
Er war in Schweden tätig, er war in Ungarn tätig als Erziehungsreformer. Also ein weltberühmter Mann, kann man sagen, heute fast nur noch Fachleuten bekannt. Aber ich will an ihn erinnern, weil er so Wichtiges zu sagen hat. Comenius hat gesagt, für eine christliche Erziehung braucht man drei Begriffe. Christliche Erziehung will, dass alle Menschen erzogen und gebildet werden. Zweitens, dass sie alles lernen und alles aufnehmen. Und drittens, in gründlicher Weise. Das klingt höchst missverständlich. Aber zunächst das Alle, das war sein wichtigstes Wort. 17. Jahrhundert, wir sind lange vor der Zeit einer Schulpflicht für alle Kinder und Jugendlichen. Eigentlich war nur der Adel, vielleicht noch ein Teil des Bürgerturms, wirklich an Bildung beteiligt. Wenn damals jemand sagte, alle Kinder sollen Bildungsmöglichkeiten haben, war das revolutionär.
Wie begründet es Comenius? Er begründet es mit 1. Mose 1, indem er sagt, wo Gott keinen Unterschied gemacht hat, da darf auch der Mensch keinen Unterschied machen. Also alle Kinder haben nach dem christlichen Glauben gleichermaßen ein Recht auf Bildung. So heißt es heute in der Menschenrechtserklärung. So sagt es Comenius noch nicht, aber der Sache nach deutlich. Eine Recht auf Bildung ohne Einschränkung. Und dann kommt dieses schwer zu verstehende Wort, alles sollen sie lernen. Das klingt nun so, als sollten die alle bei Günter Jauch später auftreten. Aber das ist bei Comenius aus vielen Gründen nicht gemeint. Und er meint auch auf keinen Fall so etwas wie Vielwisserei. Ihm kommt es eigentlich darauf an, dass man das Ganze im Blick hat, den Zusammenhang des Wissens.
Dass man versteht, wo die einzelnen Dinge hingehören. Und für ihn als einen evangelischen Erziehungsdenker bedeutete dies natürlich, dass man versteht, dass die Kinder verstehen, lernen, wie das viele, dass sie eben lernen müssen, wie das viele zusammengehört und letztlich in Gottes Plan mit dieser Welt sich fügt. Und das sollen sie gründlich tun. Bildung soll nicht oberflächlich sein, sondern eine weitreichende, tief den Menschen befassende Möglichkeit darstellen. Comenius war auch der Erste, der ein Lehrbuch geschrieben hat, bis heute immer wieder nachgedruckt. In der Pädagogik ist er bekannt und wird auch immer wieder gelesen. Die große Didaktik war sein Weltbestseller. Diese große Didaktik enthält auch ein ganzes Kapitel über die religiöse Erziehung in 22 Regeln, die ich bis heute auch meinen Studierenden immer wieder vorstelle.
Und wir lassen uns faszinieren, was man damals im 17. Jahrhundert alles so wissen und sagen konnte. Wir gehen wieder 100 Jahre weiter nach Berlin. Friedrich Schleiermacher, der große berühmte Theologe und Pädagoge, der Prediger in Berlin und ein angesehener, einflussreicher Mann. Warum ist er so wichtig? Comenius schreibt, der Foim, auf den ich zuvor eingegangen bin, schreibt noch zu einer Zeit, in der die christliche Erziehung weithin unumstritten war. Als Schleiermacher sich an die Arbeit gemacht hat, ich beziehe mich auf eine Schrift aus dem Jahr 1799, als Schleiermacher sich an die Arbeit gemacht hat, war das Gegenteil der Fall. Die christliche Erziehung war unter stärkste Kritik geraten, nämlich sie sei ein unfreies Unternehmen.
Sie wolle das Kind von Anfang an in eine Glaubensweise, in eine kirchliche Tradition einbinden. Und das sei letztlich nicht zu akzeptieren. Schleiermacher hat dann in einer berühmten Schrift, die nicht nur religiöse Erziehung betrifft, sondern das Christentum insgesamt, die reden über die Religion. Und jetzt kommt der wichtige Untertitel und an die Gebildeten unter ihren Verächtern geschrieben. Also die Verächter von Religion sollen angesprochen werden. Und damit ist er für uns so interessant, weil er eben eine Situation anspricht, die uns bis heute in vielen begleitet. Schleiermacher muss religiöse Erziehung, christliche Erziehung begründen, ohne dass er voraussetzen kann, dass sein Gegenüber irgendwie christlich wäre.
Was macht man dann? Dann kann man nicht sagen, in der Bibel steht, wie ich das heute am Anfang gemacht habe, weil das Gegenüber sagt, ach komm, die Bibel kannst du vergessen. Denn die glaube ich doch nicht. Brauche also andere Gründe. Das war Schleiermacher Situation. Und er hat für mich in bleibender Weise vom Kind her, vom Menschen her zu begründen versucht, warum eine religiöse Erziehung und eine christliche Erziehung so wichtig sind. Er sagt, schaut euch doch nur die Kinder genauer an. Die Kinder, und ich denke, er hat so vielleicht ein fünf-, sechsjähriges Kind, vielleicht auch etwas älter vor Augen, die Kinder suchen doch ständig nach Antworten. Sie suchen nach etwas Höherem. Und wenn ihr ihnen nur den normalen Unterricht gebt, langweilt ihr die Kinder zu Tode. Und was macht ihr dann mit den Kindern? Dann gebt er ihnen immer mehr Aufgaben, dass die Kinder nie zum Nachdenken kommen.
Und dann, sagt Schleiermacher, wenn ihr so handelt, dann macht ihr die Kinder unfrei. Wunderbare Bilder. Er sagt, er zerstümmelt die Kinder mit der Schere. Ihr verkürzt sie, ihr verkrümmt sie, ihr lasst sie gar nicht frei heranwachsen. Eine wirksame Begründung für religiöse Erziehung, die sagt, ihr müsst nur auf die Kinder schauen, was sie suchen. Und wenn ihr euch dem nicht verweigert, werdet ihr unweigerlich zu religiösen Erziehern, weil ihr die Kinder ja unterstützen wollt. Damit hat er auch ein zweites Argument entwickelt, das ganz wichtig ist, weil Schleiermacher sagt, religiöse Erziehung heißt nicht, dass ich Kindern was aufdränge. Heißt nicht, dass ich ihnen was aufs Auge drücke, dass ich sie überlaste, überwältige. Nein, religiöse Bildung, so fängt ja diese berühmte Rede an. Religiöse Bildung ist nur möglich in Freiheit. Sie soll Kinder darin unterstützen, sich selbst im Glauben zu entwickeln, selbst zu Antworten zu finden, die sie überzeugen, die sie für ihr Leben tragend finden.
Und darin, das ist das Dritte und für die Zeit und bis heute das Wichtigste, so sagt er, kommen die Kinder erst wirklich zu sich selbst. Sie werden die, die sie eigentlich sind. Damit ist eine Richtung vorgegeben, die, wie wir gleich noch sehen werden, bis heute ganz wichtig ist. Ich will jetzt keine historische Vorlesung für Sie halten, deshalb höre ich auf mit diesen drei, die aber eben auch ganz unverzichtbar wichtig sind und halte noch einmal am Ende dieses Abschnitts einige Punkte fest. Einmal, worauf kommt es an, wenn wir jetzt auf die Klassiker hören? Ganz klar, zwei Punkte sind entscheidend. Eine Erziehung, die Zugänge zum Glauben schafft. Das bleibt ein Grundton, ähnlich wie schon in der Bibel.
Das gehört zur christlichen Erziehung dazu. Aber es gehört auch der Blick auf Frieden, Recht oder Gerechtigkeit und Leben dazu. Es gehört dazu die Achtung vor dem Kind, der Freiheit des Kindes. Es gehört dazu die Bildungsgerechtigkeit. Besser als Comenius kann man das nicht sagen. Wo Gott keinen Unterschied gemacht hat, darf und soll auch der Mensch keinen Unterschied machen. Und schließlich religiöse Erziehung im Namen des Christentums ist eine freiheitliche Angelegenheit. Man kann, man darf niemanden zwingen, sagt schon Luther und Schleiermacher. Fügt hinzu, dass Kinder sich frei entwickeln können sollen. Und das ist nun sehr schön, wie Schleiermacher das am Ende noch einmal beschreibt. Er sagt, das Ziel der christlichen Erziehung ist Mündigkeit, so wie aller Erziehung.
Aber sie schließt religiöse Mündigkeit ein, religiöse Urteilsfähigkeit. Wenn man so von christlicher Erziehung spricht und so von ihr denkt, dann muss man natürlich jetzt auch überlegen, an welchen Punkten wird das denn heute wichtig? Wo wird denn ein solches Verständnis von Erziehung herausgefordert? Wo sind die Herausforderungen in unserer eigenen Gegenwart, wenn man Erziehung so gestalten will? Drei dieser Herausforderungen will ich etwas genauer mit Ihnen betrachten und dann auch einige Folgerungen daraus ziehen. Ich glaube, die größte Herausforderung ist noch immer die, die Sie auch vor 200 Jahren schon wahrnehmen konnten, dass es im Leben vor allem auf eines ankommt, Konsum und Karriere.
Konsum und Karriere. Das klingt fast schon wie eine Karikatur, wenn ich das sage. Aber wenn ich beispielsweise die berühmten PISA-Untersuchungen, die ja unser Schulwesen, unser Erziehungswesen insgesamt so sehr bestimmen, betrachte, dann kann ich bei den Trägern dieser Untersuchung, das ist die OECD, die Organisation für ökonomische Entwicklung und – ab kurz heißt es etwas mehr, aber im Kern die ökonomische Entwicklung – Zusammenarbeiten und Entwicklung heißt es genau, ausgedrückt. Diese Organisation als Träger von PISA sagt, es sind letztlich zwei Kriterien, an denen diese PISA-Schulvergleichsuntersuchungen maßnehmen, das heißt dann immer Englisch natürlich, better jobs, also Aufstiegsmöglichkeiten, and better higher salaries, also höhere Einkünfte. Ist das wirklich das Ziel des Lebens?
Und ist das nicht der Punkt, an dem eine christliche Erziehung heute ihre größte Bedeutung gewinnt, dass sie diese scheinbare Selbstverständlichkeit, dass dies das Wichtigste im Leben sei und deshalb auch das Wichtigste, an dem wir die Zukunft unserer Kinder ausrichten sollten, dass wir diese scheinbare Selbstverständlichkeit in Frage stellen? Frieden, Gerechtigkeit und Leben, Luthers Formel an dieser Stelle, Gott-Ebenbildigkeit des Menschen, Gott-Ebenbildigkeit und Würde eines jeden Menschen – bringen wir dieser Orientierung zum Opfer? Das hat zweitens natürlich damit zu tun, dass wir unweigerlich heute in einem globalen Wettbewerb stehen. Einem globalen Wettbewerb, bei dem zunächst natürlich die Industrienationen miteinander konkurrieren
und der Wettbewerb natürlich auch ohne dass wir etwas daran ändern können, bedeutet, dass Waren, die wir in Deutschland produzieren, konkurrenzfähig sein müssen mit Waren, die in vielen anderen Ländern produziert werden. Und das führt natürlich auch dazu, dass die Erziehung mehr und mehr unter diesen Druck gerät. Eine Kollegin aus Korea, mit der ich regelmäßig zu tun habe, hat mir berichtet, dass es in Korea aufgrund der Globalisierung ein ganz neues Problem gibt, sogenannte Gänsemütter, Goose Mothers. Was sind das? Man schickt in Korea als Vater die Mutter mit den Kindern nach Amerika, damit sie anständig Englisch lernen. Der Vater verdient das Geld in Korea und schickt, wie die Gänse das offenbar tun, das wusste ich nicht, aber das scheint so zu sein, die Mutter mit dem Kind weg.
Also man bringt Familien gleichsam zum Opfer, damit die Kinder wettbewerbsfähig sind und dass sie hier an dieser Stelle auch die richtige Sprache erwerben. Auch hier, glaube ich, ist die Frage der christlichen Erziehung immer wieder die, ob trotz allen globalen Wettbewerbs, den man sicher nicht einfach verdammen darf und auch ich weiß keinen Weg, wie man diesem Wettbewerb einfach entkommen könnte, aber wie man trotz allen globalen Wettbewerbs immer wieder nach Möglichkeiten sucht, dass die Erziehung der Kinder nicht dazu führt, dass wir sie auf dem Altar dieses Wettbewerbs opfern. Eine dritte Frage, Herausforderungen in der Gegenwart und vielleicht auch eine nicht weniger nachhaltige und eindringliche Herausforderung. Darin unterscheiden wir uns nun völlig von der Reformationszeit und auch vom 18. und 19. Jahrhundert.
Aufwachsen heißt heute unvermeidlich aufwachsen mit einer Vielfalt von Religionen und Weltanschauungen. Kinder wachsen ganz unvermeidlich spätestens im Kindergarten mit Kindern auf, die eine andere Konfessions- oder Religionszugehörigkeit haben, die keiner Religion und keiner Konfession angehörigen, Kinder, die vielleicht an einer weltanschaulichen Gemeinschaft entstammen und so weiter. Und daraus erwächst natürlich eine Frage, eine neue Frage, auch für die christliche Erziehung. Wie können wir Kinder dazu befähigen, zunächst überhaupt einen eigenen Glauben, eine eigene Überzeugung zu haben, wenn sie merken, die anderen teilen diese Überzeugung nicht? Das ist neu, weil das, damit musste man früher so nicht rechnen.
Das Christentum war hierzulande eben doch die einzige Religion. Und jetzt plötzlich haben Kinder an dieser Stelle Fragen und man muss an dieser Stelle den Kindern auch eine Begleitung bieten. Das ist vom Glauben der Kinder her wichtig, aber es ist auch wichtig für die Gesellschaft, weil wie wir alle sehen, leider täglich immer mehr sehen, für diese Vielfalt von Religionen und Weltanschauungen, nicht allein, aber zusammen mit anderen Faktoren zu Spannungen, zu Aggressivität, zu Gewalt, zu Fundamentalismus und damit zu Fehlformen der Religion. Und man muss dazu beitragen aus christlicher Sicht, dass die Erziehung nicht in einem Fundamentalismus, aber auch nicht in einem Relativismus endet.
Deshalb gehört gerade an dieser Stelle die Frage nach den Herausforderungen der Gegenwart, nach der religiösen und weltanschaulichen Vielfalt zu den Fragen, an denen wir heute auch neu gefordert sind, gerade von einer christlichen Erziehung her. Ich vertrete die Auffassung, dass es falsch ist, wenn manche Eltern meinen, sie könnten oder sollten ihre Kinder überhaupt vor der Begegnung mit anderen Religionen bewahren. Das kann man heute nicht mehr. Das kann man nicht mehr, wenn man irgendwie durch eine Kleinstadt geht oder selbst durch ein Dorf, weil man diesen anderen Religionen auf Schritt und Tritt begegnet. Das Ziel der Erziehung kann deshalb nur sein, Kinder dazu zu befähigen, mit verschiedenen Religionen umzugehen, dies friedlich zu tun, ohne dass man aggressiv wird, auch ohne dass man dabei zu einem Relativismus kommt.
Ich habe am Anfang gesagt, ich will mir nicht ersparen, auch die Kritik an der christlichen Erziehung ein wenig aufzunehmen. Und das will ich nun in diesem letzten Teil vor den zusammenfassenden Thesen an einigen Beispielen tun. Fünf solche Beispiele sind hier besonders wichtig, also christliche Erziehung in der kritischen Diskussion. An vielen Orten, in der Presse, aber auch in Büchern können Sie lesen, besonders die evangelische Pädagogik, gerade auch bei Luther, sei doch weithin eine Brügelpädagogik gewesen. Und wenn man genau hinschaut, dann sei die christliche Erziehung immer noch eine Gehorsamserziehung und Sie sagen dann etwas ironisch, sind denn Strafen so christlich, ist das der Kern, christliche Erziehung als eine Erziehung mit Strafen?
Man muss zugeben, dass schon in der Bibel von Strafen die Rede ist. Allerdings wird das manchmal auch bei Weitem überschätzt. Es gibt einige Stellen, die wir heute sicher so nicht für die Erziehung übernehmen können. Aber es trifft nicht zu, dass die christliche Erziehung, so weit sie von der Bibel ausgeht, Grund hätte, gerade auf Strafen zu setzen. Das ist das erste Fragezeichen, das ich machen möchte. Das zweite Fragezeichen betrifft Martin Luther. Sie haben schon gemerkt, dass ich ihn ziemlich verehre. Aber ich mache ihn nicht zu meinem Idol. Schon aus dem Grund, weil aus dem Hause Luther gibt es die sogenannten Tischreden. Wenn Luther zu Mittag aß mit seiner Frau Käthe und den Kindern und den Freunden, Melanchthon und anderen und noch anderen Leuten, dann saß meistens in der Ecke einer dabei und hat mitgeschrieben.
Es gibt viele, viele Bände mit Tischreden, das sind die Reden, die im Hause Luther bei Tisch gehalten wurden. Man hat also Einblick in das, was Luther so sagte. Und da gibt es wunderschöne Stellen über Kinder, die ich sehr liebe. Aber es gibt auch andere. Und die schrecklichste, die ich kenne, ist die, wo Luther sagt, ich hätte lieber einen Toten als einen ungehorsamen Sohn. Lieber einen Toten als einen ungehorsamen Sohn. Und diesen Luther mag ich nicht und an diesen Luther werde ich mich nicht halten. Ich meine, hier muss man Luther als mittelalterlichen Menschen sehen, der Gehorsam und Strafe so hochgehängt hat, dass er sie sogar wichtiger fand als das Leben seiner Kinder. Ich hoffe, er hat es nicht ernst gemeint. Aber trotzdem merken wir, hier ist eine Spannung, weil Luther, derselbe Luther bei anderen Tischreden auch sagen konnte, dass man Kinder nicht so hart schlagen soll.
Dass man sie schlagen soll, war für mittelalterliche Menschen noch klar. Da war Luther keine Ausnahme. Leider, das kam erst später. Die wichtigste Antwort zu der Frage, ob christliche Erziehung vor allem eine strafende, eine Erziehung zum Gehorsam sein soll, finde ich bei Schleiermacher. Schleiermacher hat auch schöne Vorlesungen zum Thema Pädagogik gelesen, vorgetragen. Und er hat dort ein ganzes Kapitel, in dem er sich mit der Frage der Strafe auseinandersetzt. Auch Schleiermacher sagt, es gibt Situationen, in denen die Erziehung nicht ohne Strafe auskommt. Wer selber Kinder erzogen hat, weiß, das ist richtig. Es gibt Situationen, kleine Kinder, wenn sie mal anfangen, selber wegzulaufen und ins nächste Auto zu rennen und so.
Es gibt keine Wahl, körperlich eingreifen, sonst überlebt das Kind das nicht. Das ist ganz völlig richtig. Aber, sagt Schleiermacher, so richtig das bleibt, das Kind lernt aus solchen Strafen nichts. Das einzige, was es lernt, ist das nicht zu tun. Aber es entwickelt keinen guten Charakter. Es entwickelt kein Verständnis für ethische Regeln. Es wird nicht besser in seiner inneren Einstellung. Dazu, sagt Schleiermacher, braucht es etwas anderes. Deshalb sind Strafen gleichsam der Grenzfall der Erziehung, so könnte man sagen. Aber sie sind nie das Wesentliche der Erziehung und ganz sicher nicht das Wesentliche im Sinne einer christlichen Erziehung. Deshalb halte ich den Vorwurf, dass christliche Erziehung vor allem Gehorsamserziehung sei oder gar, wenn jemand noch die Auffassung vertritt, dass sie das sein soll, halte ich für falsch.
Es gibt hier problematische Entwicklungen, nicht nur im Christentum, sondern in der gesamten Geschichte. Man hat leider in der Geschichte Kinder oft misshandelt, oft gequält. Und das Christentum hat allen Grund, hier auch seine Mitschuld zuzugeben, aber umso mehr auch Grund dazu, heute Kinder besser zu behandeln und sich dafür einzusetzen, dass Kinder als Ebenbilder Gottes ernst genommen werden. Ein zweiter Vorwurf, der vielleicht noch härter ist, der viele Menschen auch verunsichert hat. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen auch schlechte Bücher lesen. Eines der ganz schlechten Bücher, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, stammt von Richard Dawkins und heißt Der Gotteswahn. Haben ganz viele Menschen gelesen, obwohl es ganz schlecht ist. Aber dieses Buch sagt, der christliche Glaube, besonders der Glaube an die Schöpfung sei durch die Wissenschaft längst widerlegt.
Die Wissenschaft habe bewiesen, dass die Welt die Folge von Evolutionsprozessen sei und dass sie deshalb eben diesen Schöpfungsglauben endgültig so widerlegt hat, dass niemand mehr daran glauben kann. Und deshalb liege auch eine christliche Erziehung von Anfang an falsch. Er greift dann das Christentum an, hier werde der Glaube gegen die Wissenschaft ausgespielt, das Christentum sei wissenschaftsfeindlich. Es stehe letztlich gegen den wissenschaftlichen Fortschritt. Das ist ein großes Thema, Schöpfung und Evolution. Eines der wichtigsten Themen, auch das viele Menschen heute beschäftigt und das ganz unerledigt ist, wie ich aus neueren Umfragen, eigenen Umfragen auch sagen kann. Beispielsweise für Konfirmandinnen und Konfirmanden sind hier ganz viele ungeklärte Fragen.
Aber wichtig ist, dass nach allen theologischen Auffassungen, die ich heute als ernst zu nehmen bezeichnen würde, ein Gegensatz zwischen Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie nicht anzunehmen ist. Glaube und Evolutionstheorie liegen auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Deshalb ist es auch gar nicht möglich, dass man den Schöpfungsglauben wissenschaftlich widerlegt. Das ist völlig falsch argumentiert, deshalb halte ich dieses Buch der Gotteswahn auch für so schlecht, weil es sich darüber gar keine Gedanken macht. Gott kann man wissenschaftlich nicht beweisen, aber man kann Gott auch nicht wissenschaftlich widerlegen. Wissenschaft handelt von dem, was messbar ist. Und das ist wichtig für uns alle, aber es ist nicht alles. Und Gott entzieht sich solchen messbaren Verfahren. Ich sage deshalb lieber, dass das Christentum nicht gegen die Wissenschaft steht, der Schöpfungsglaube nicht gegen die Evolutionstheorie steht, sondern recht verstanden und zwehegeweist, wie beides zusammengehen kann.
So eben, wie man auch sonst vielfach im Leben unterschiedliche Sichtweisen, die sich scheinbar widersprechen, braucht, um die Dinge zu verstehen. Das beste Beispiel sind für mich die Menschen selber. Wie Sie alle wissen, bestehen wir alle ziemlich aus Wasser. Das ist so der größte Bestandteil. Es soll Beziehungen zwischen Menschen, namentlich Liebesbeziehungen, nicht förderlich sein, wenn man dem Partner häufig sagt, du bist doch nur Wasser. Man braucht offenbar eine andere Sprache, um Beziehungen zu pflegen. Aber es ist richtig, wir sind hauptsächlich Wasser und ein wenig Mineralstoff. Irgendjemand sagte mal für 3,30 Euro reiche das aus, was wir an Mineralstoffen zu bieten haben. Man braucht unterschiedliche Sichtweisen.
Wir brauchen Wissenschaft. Wir brauchen auch evolutionstheoretische Erklärungen. Aber das tut dem Schöpfungsglauben nicht ab. Eine christliche Erziehung war und soll sein eine Erziehung, die dazu befähigt, mit unterschiedlichen Sichtweisen umzugehen und die Notwendigkeit beider einzusehen. Der dritte Punkt. Auch dieser Vorwurf, wenn Sie mal im Parlament in Straßburg die Suchmaschine einsetzen, dort zu den Parlamentsdebatten und gucken unter Religion und Christentum, dann finden Sie, eine Meldung kommt immer wieder und sonst fast gar nichts, das Christentum und der Glaube trenne die Menschen und mache das Zusammenleben in der Gesellschaft und in Europa schwer. Hier wird also noch einmal diese Frage nach der Vielfalt von Religionen und Weltanschauungen aufgeworfen.
Und in der Sicht der Politik ist der Glaube hier eben störend, weil die Menschen so sehr an ihren Überzeugungen festhalten und gar keine Offenheit für andere Glaubensweisen mitbringen. Ich muss gestehen, dass das in der Geschichte des Christentums nicht ohne Anhalt ist. Wenn ich an den Islam denke, als ich Jugendlicher war und mir zum ersten Mal über Islam Gedanken gemacht habe, war ich ziemlich schnell fertig, weil wir hatten zu Hause ein Lexikon und wenn man da unter Mohammed schaute, da stand Mohammed ist ein Scharlatan. Und dann wusste ich Bescheid. Dann musste ich nicht mehr weiter darüber nachdenken. Aber natürlich wissen wir alle, damit kommt man heute nicht mehr weit. Aber das war ein christliches Lexikon, das damals in dieser Zeit durchaus anerkannt war. Ich weiß leider nicht mehr, wie es heißt, aber es war die Sichtweise, die damals weit verbreitet war.
Es ist also nicht ohne Anhalt zu sagen, dass wir auch in der Geschichte der christlichen Erziehung einen deutlichen Nachholbedarf haben, um ein konstruktives, produktives Verhältnis zu anderen Religionen zu gewinnen, was nicht heißt, dass wir plötzlich sagen, die ganzen Glaubensweisen, die Religionen sind eigentlich doch dasselbe, so sagen das auch manche, aber ich halte gar nichts davon, weil die Unterschiede zwischen den Religionen bleiben. Die Muslime, wenn man den Koran sich mal anschaut, nehmen die Christen durchaus ernst. Es ist ja eine spätere Religion. Sie verehren Jesus auch in einem gewissen Maße, aber eben nicht so, wie die Christen das tun. Sie halten das für falsch. Das heißt, wenn Sie es nachlesen wollen, beispielsweise in Sure 19, dass dort Jesus schon als Kleinkind aus der Krippe sagt,
ich bin doch nicht Gottes Sohn, glaub das doch nicht. Also hier ist das schon im Koran Jesus selber in den Mund gelegt, dass er nicht Sohn Gottes ist und nicht Sohn Gottes sein will. Aber was machen wir? Mit diesen Unterschieden müssen wir leben. Es wird den Islam weitergeben, es wird das Christentum weitergeben. Wir müssen lernen, mit solchen Unterschieden zu leben und trotzdem Frieden zu halten. Wir müssen auch lernen, und das scheint mir die neue Herausforderung, zu erkennen, dass anders als in meinem Jugendlexikon, die Muslime nicht allesamt unehrlich sind und wir ehrlich sind. Die glauben ihren Glauben so ehrlich wie wir unseren. Darin liegt die Herausforderung. Und wir haben keine übergeordnete Position, die uns erlauben würde zu sagen, das kann man doch leicht sehen. Nur die Christen sind wirklich gläubig. Die anderen sind nur scheinbar gläubig. Darin liegt die große Herausforderung, damit umzugehen, weder fundamentalistisch noch relativistisch.
Auch das ist ein großes Thema, das ich hier nur antippen kann. Vierter Vorwurf. Ist der christliche Glaube eigentlich wirklich ein Motiv für Bildung oder ist er nur ein Motiv für das Missionieren anderer Menschen? Auch damit spreche ich ein großes Thema an. Ein Vorwurf, der immer wieder begegnet. Wenn ihr sagt, religiöse Erziehung und Bildung, dann wollt ihr nur missionieren, wollt Mitglieder gewinnen. Am Ende kommt es euch gar nicht auf Bildung an. Dabei ist ein Verständnis von Mission im Spiel, das sich nicht mit dem deckt, was sich in der Kirche oder im Christentum und in der Theologie mit Mission verbindet. Aber es scheint in der Gesellschaft ziemlich unausrottbar, dass so über das Christentum, über den Glauben und dann auch über die christliche Erziehung gedacht wird.
Ich selber bin der Meinung, dass auch hier schon die Bibel sehr klaren Anhalt gibt, dass man im Christentum verschiedene Aufgaben hat. Beispielsweise im Brief an die Ephesser. Das ist einer der frühesten Briefe, in denen die Gemeinde beschrieben wird, wie die Gemeinde, frühe christliche Gemeinde sich herausgebildet hat. Dort ist davon die Rede, wie verschiedene Ämter eingerichtet werden. Ich will Ihnen die Stelle doch auch noch vorlesen, weil die wichtig ist. Im Ephesserbrief und er hat einige als Apostel eingesetzt, einige als Propheten, einige als Evangelisten, einige als Hirten und als Lehrer. Eine der frühesten Stellen, in denen der Lehrer auch als Amt vorkommt im Neuen Testament.
Man kann daran sehen, schon neutestamentlich ist es nicht so, dass das Missionarische, das wären die Evangelisten vielleicht hier an dieser Stelle, das weiß man nicht ganz so genau, das einzige wäre, sondern es gibt verschiedene Aufgaben und dafür gibt es verschiedene Ämter. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass Bildung auch im Christentum ein eigenes Recht hat und nicht einfach mit Mission gleichgesetzt werden darf. Es gibt in der Kirche natürlich auch andere Auffassungen. Vielleicht können wir nachher auch darüber streiten. Und schließlich fünfter Vorwurf. Wie steht es eigentlich mit der Freiheit bei der christlichen Erziehung und mit der Selbstverwirklichung? Selbstverwirklichung ist heute in der Gesellschaft das wichtigste Erziehungsziel. Alle Umfragen seit 30 oder 40 Jahren zeigen, wenn man Eltern fragt, was ist das Wichtigste für euch?
Was wünscht ihr euch für euer Kind? Viele von ihnen haben kleine Kinder, habe ich gesehen. Überlegen Sie mal, was sie sagen würden. Die allermeisten sagen, das Kind soll sich selber verwirklichen können, sich selber verwirklichen können. Und daraus erwächst natürlich eine Frage. Ist das nun ein Gegensatz zum Glauben oder lässt sich das auch mit dem christlichen Glauben vereinbaren? In der Vergangenheit hieß es häufig Selbstverwirklichung und christlicher Glaube, das passt nicht zusammen. Glaube hat mit Selbstverleugnung zu tun, mit Demut, mit sich klein machen. Während Selbstverwirklichung heißt man, man geht den eigenen Interessen, den eigenen Neigungen nach, hat Mut, sich selber zu sein, sich selber zu verwirklichen. Ich bin der Meinung, dass wir hier auch im Christentum umdenken müssen. Es gibt eine verantwortliche christliche Selbstverwirklichung, die eigentlich das Gebot des christlichen Glaubens ist.
Wenn das richtig ist, was ich am Anfang gelesen habe aus dem ersten Buch der Bibel, dem ersten Kapitel, Er schuf den Menschen zu seinem Bilde, zu seinem Bilde schuf er in das Gottesebenbild, dann ist ja der Mensch in sich selbst, in seinem Selbst Gottes Ebenbild. Und was könnte es Besseres, Richtigeres geben, als eine solche Form der Selbstverwirklichung zu verfolgen? Nicht jede Selbstverwirklichung ist christlich. Aber man kann auch nicht sagen, dass die Selbstverwirklichung dem christlichen Glauben widerspricht. Man muss darüber nachdenken, welche Form der Selbstverwirklichung man will. Und dann merkt man natürlich auch hier wieder, es gibt so viele Versprechungen der Selbstverwirklichung, die wirklich nirgendwo hinführen. Kauf dieses schöne Auto und du wirst endlich, wer du sein kannst oder mach dieses und kauf jenes.
All das ist nicht wirkliche Selbstverwirklichung. Aber ein wirkliches Selbst zu verwirklichen, das scheint mir eine gerade vom christlichen Glauben für die christliche Erziehung ganz maßgebliche Perspektive. Eine kurze Zusammenfassung am Ende zehn Thesen. Erstens, christlich verantwortbare Erziehung ist Erziehung aus Glauben und nicht zum Glauben. Erziehung aus Glauben und nicht Erziehung zum Glauben. Das ist so wichtig, weil nach allem evangelischen Verständnis nur Gott selbst den Glauben schenken kann. Deshalb, ich zitiere noch einmal und immer wieder Martin Luther, man niemand zum Glauben zwingen kann oder darf. Erziehung aus Glauben, nicht zum Glauben.
Zweitens, aber zu jeder christlichen Erziehung gehört unabdingbar die Möglichkeit einer Begegnung mit dem christlichen Glauben. Eine Begegnung mit dem christlichen Glauben, für Luther das wichtigste, vornehmste, sagt er, Thema. In allen Schulen muss die Heilige Schrift sein. Das war Luther nicht wichtig, dass das ein Buch war. Das war ihm ziemlich egal, sondern was in dem Buch begegnet, das ist das Wichtige. Dort in diesem Buch kann man Jesus Christus kennenlernen und nur in diesem Buch. Und deshalb ist das so wichtig. Begegnung mit dem christlichen Glauben, aber natürlich nicht nur mit einem Buch, nicht nur mit einer Schrift, sondern mit Menschen. Mit dem, was Luther dann auch das lebendige Wort, das gehörte Wort nennen kann. Die Kommunikation zwischen Menschen in einer Gemeinde, in einer Gemeinschaft. Keine Erziehung soll Kindern und darf Kindern diese Möglichkeit vorenthalten, wenn sie Erziehung in christlicher Verantwortung sein will.
Drittens, christliche Erziehung ist heute nur noch als eine Erziehung in Freiheit zu verstehen. In erster Linie als eine Erziehung in der Freiheit des Glaubens und zum Glauben. Aber dann auch, und darüber habe ich heute nur am Rande gesprochen, auch als eine Erziehung, die zu einem freiheitlichen Zusammenleben mit allen anderen Menschen befähigt. Wenn Luther von seinen Idealen der Erziehung zu seiner Zeit spricht, so müssen wir heute auch die Erziehung zur Freiheit mitdenken. Aber diese Freiheit im christlichen Verständnis ist immer eng zusammen zu denken mit Verantwortung. Verantwortung vor Gott, vor anderen Menschen und vor mir selbst.
Keine unverantwortliche Freiheit, auch keine unbegrenzte Freiheit, sondern eine Freiheit, die mit Verantwortung verbunden ist. Viertens, jede christlich verantwortbare Erziehung orientiert sich an der Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen und besonders an der Gott-Ebenbildlichkeit des Kindes. Jedes Kind hat eine unverlierbare Menschenwürde, die keineswegs nur Erwachsenen zukommt, keineswegs nur Gesunden zukommt. Es gibt eine unverlierbare Würde eines jeden Kindes auf der Grundlage der Bibel des ersten Kapitels von 1. Mose. Fünftens, alle Orientierung an der Gott-Ebenbildlichkeit, alle Ausrichtung an der Würde des Kindes, alle Ausrichtung an der Achtung vor dem Kind, so sehr sie biblisch gedeckt sind, müssen zugleich auch mit der Perspektive des Lebens in einer Entfremdung,
Sie wissen, ich verwende den Begriff anstelle von Sünde, eines Lebens in der Entfremdung verbunden werden. Sonst werden sie hoffnungslos idealistisch und führen dazu, dass wir die Realität des kindlichen Lebens verkennen und damit den Kindern auch nicht gerecht werden. Sechstens, und das kann ich nur noch einmal unterstreichen, Frieden, Gerechtigkeit und Leben sind und bleiben aus evangelischer Sicht übergeordnete Ziele für alle Schulen, für alle Bildung und für alle Erziehung. Das hat Luther für mich in einmaliger Klarheit zum Ausdruck gebracht. Aber siebtens müssen wir über Luther hinaus, auch über die Klassiker sonst hinaus, heute bei christlicher Erziehung, die Erziehung zu Toleranz, die Erziehung zu Dialogbereitschaft,
die Erziehung, die dazu befähigt, mit einer religiösen und weltanschaulichen Vielfalt umzugehen, ebenfalls als übergreifende Ziele für alle Erziehung mit hinzunehmen. Toleranz und Dialogbereitschaft sind zu unverzichtbaren Zielen der Erziehung geworden. Sie stehen nicht gegen den christlichen Glauben. Sie haben gemerkt, es liegt mir sehr daran, dass ich die Religionen nicht in einem Einheitsbrei aufgehen lasse. Aber wir müssen lernen, gerade mit den Unterschieden zwischen den Religionen friedlich umzugehen. Achtens, eine ebenfalls übergreifende Aufgabe aller christlichen Erziehung betrifft die Versöhnung von Glaube und Wissen. Was ich exemplarisch für Schöpfung und Evolutionstheorie gesagt habe, reicht natürlich auch in viele weitere Bereiche hinein. Die Wissenschaft gehört zu den Signaturen unserer Zeit.
Sie gehört zur moderne Unverzichtbar hinzu. Aber es kommt darauf an und es ist möglich, eine Versöhnung von Glaube und Wissen zu erreichen. Wir müssen hier nicht wählen und wir können vermutlich am Ende auch nicht wählen. Neuntens, keine christliche Erziehung ohne Kritikfähigkeit. Kritikfähigkeit brauchen Kinder, brauchen Jugendliche gegenüber einer Gesellschaft, die so stark von Konsum und Karrieredenken bestimmt ist. Wir müssen Kinder und Jugendliche befähigen, dazu eine kritische Distanz zu halten, zu durchschauen, welche falschen und leeren Versprechungen ihnen und uns begegnen, ohne dass sie dadurch natürlich einfach zu Außenseiter gemacht werden.
Aber Kritikfähigkeit im christlichen Sinne heißt immer auch die Fähigkeit zur Selbstkritik. Das folgt schon aus dem fünften Punkt, dass wir als Christen, ich sagte es am Anfang, wissen, dass wir nicht tun, was wir wollen, nicht tun, was wir sollen, dass wir erkennen, wenn ich an Paulus im Römerbrief denke im siebten Kapitel, nicht was ich will, das tue ich, sondern das Schlechte mache ich. Deshalb gehört auch die Selbstkritik immer unverzichtbar zur christlichen Erziehung hinzu. Die Selbstkritik, zu der wir das Kind befähigen, die Selbstkritik aber auch an uns selber als Väter und Mütter, als Lehrerinnen und als Erzieherinnen oder was immer wir professionell an dieser Stelle haben. Zehntens und damit schließe ich gerne und knapp und kurz, christliche Erziehung muss und soll eine sein, gute Erziehung.
Was bedeutet heute eine verantwortbare christliche Erziehung? | 7.1.1
In manchen Kindergärten und Schulklassen glaubt heute über die Hälfte der Kinder an Allah und Mohammed statt an Gott und Jesus. Viele andere Kinder wissen gar nicht, wer dieser Jesus war. Und dann sind da noch die Götter, die den meisten Menschen in westlichen Ländern wichtiger sind als irgendein übernatürlicher Gott: Konsum, Karriere und Selbstverwirklichung. Es ist eine schwierige Zeit für Eltern, die ihre Kinder christlich erziehen wollen. Zumal der Ruf der »christlichen Erziehung« nicht makellos ist. Dabei waren es evangelische Pädagogen, die Bildung für alle Kinder forderten, auch für die Armen. Die Reformation des christlichen Glaubens war nicht zuletzt auch eine Bildungsreform.
Friedrich Schweitzer, Professor für Religionspädagogik und Praktische Theologie in Tübingen, erklärt, was verantwortungsvolle christliche Erziehung überhaupt ist, was christliche Erziehung mit Demokratie zu tun hat und warum religiöse Bildung eine Pflicht aller Eltern ist, auch jener, die an keinen Gott glauben. Und er stellt sich auch der gängigen Kritik gegen christliche Erziehung: Widerspricht sie modernen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen? Und stört sie in einer multikulturellen Gesellschaft nicht sogar das friedliche Zusammenleben?