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Die ersten Christlichen Gemeinden In den ersten christlichen Gemeinden gab es eigentlich nur zwei Handlungen, die für alle Christen wichtig waren. Es waren zwei einfache, elementare Handlungen, die noch keine lange Geschichte hatten. Es handelt sich um die Taufe und um das Abendmahl. Keine dieser beiden Handlungen gibt es schon im Alten Testament und es gibt sie auch nicht außerhalb irgendwo in anderen Religionen. Beide dieser Handlungen, Taufe und Abendmahl, haben sehr viel mit Jesus aus Nazareth zu tun, dem Mann, auf den für den christlichen Glauben alles ankommt. Er war ein Jude. Christen glauben an einen Juden.

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Und der christliche Glaube ist so glaubwürdig, wie dieser Mann glaubwürdig ist. Und der christliche Glaube ist so interessant und spannend, wie dieser Mann interessant und spannend ist. Also der christliche Glaube steht und fällt mit diesem Mann. Und das drückt sich auch in diesen beiden Handlungen aus. Bei der Taufe ist es so, Jesus selber hat sich taufen lassen von Johannes dem Täufer, der die Taufe erfunden hat. Also Jesus selber hat die Taufe nicht erfunden. Sie wurde kurz vor ihm durch Johannes den Täufer zum ersten Mal praktiziert. Diese Art von Taufe gibt es nirgendwo auf der Welt, obwohl es tausende von religiösen Waschungen gibt. Das Besondere aber ist, dass hier ein Mann einen anderen Menschen taucht. In der Regel tauchen sich bei religiösen Waschungen alle Menschen selber.

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Aber Johannes der Täufer wurde auch deshalb der Täufer genannt, weil er zum ersten Mal in der Welt eine solche Handlung praktizierte. Und Jesus ging von Galiläa, wo er aufgewachsen war, an den Jordan. Dort taufte der Täufer. Er blieb immer fest am Jordan und Jesus ließ sich dort von ihm taufen. Und weil sich Jesus hat taufen lassen, haben auch die ersten Christen dann die Taufe praktiziert. Also der Hauptgrund, dass die Christen von Anfang an alle getauft haben, war, dass Jesus selber sich hat taufen lassen. Beim Abendmahl ist es nochmal etwas anders, denn das Abendmahl geht direkt auf Jesus selber zurück. Auf irgendeine Weise hat Jesus diesen Ritus des Abendmahls selber initiiert. Er geht zurück auf seine letzte Nacht,

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seinen letzten Abend, den er erlebt hat. Also das Abendmahl ist noch mehr wie die Taufe, sein Ritus, der durch ihn selber gekommen ist, während die Taufe ja durch Johannes den Täufer kommt. Das Abendmahl hat aus drei Gründen eine hohe Bedeutung für die Christenheit. Der erste Grund sind die Tischgemeinschaften, die Jesus in seinem öffentlichen Wirken oft gepflegt hat. Die Tischgemeinschaft mit Sündern war ein typisches Merkmal im öffentlichen Leben Jesu. Da gehe ich gleich noch näher drauf ein. Der zweite Grund für das Abendmahl ist die letzte Tischgemeinschaft Jesu in der letzten Nacht, die er erlebt hat. Am nächsten Tag, am Nachmittag ist er gestorben, gekreuzigt worden.

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Das heißt, die letzte Tischgemeinschaft in der letzten Nacht darf man nicht isolieren. Man darf nicht direkt in die letzte Nacht springen, sondern die Tischgemeinschaft in der letzten Nacht ist eigentlich nur das letzte Glied von vielen Tischgemeinschaften, die typisch für Jesus waren. Und der dritte Grund ist, dass nach Darstellung der Evangelien der Auferstandene selber mit seinen Jüngern noch mal Tischgemeinschaft hielt, mehrfach und beim Brotbrechen erkannt wurde. Das sind die drei Gründe, warum das Abendmahl von allen Christen bis heute gefeiert wird. Erstens die Tischgemeinschaften Jesu, die für ihn typisch waren, die Tischgemeinschaft in der letzten Nacht und die Tischgemeinschaft, die der Auferstandene mit seinen Jüngern hielt.

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Ich möchte, bevor ich dann in das Thema Abendmahl genauer einsteige, noch eine Vorbemerkung machen. Das Abendmahl, das also in einzigartiger Weise sein Ritus ist, ist dadurch auch gekennzeichnet, dass es nur um Essen und Trinken geht. Essen und Trinken, kennt jeder Mensch, ist absolut notwendig für das Leben und ist etwas sehr Erfreuliches. Dass wir essen können, trinken können, tut jedem Menschen gut. Wenn das Abendmahl mit so einem elementaren Vorgang wie Essen und Trinken verbunden ist, dann zeigt sich darin, dass Religion, die Religion Jesu nichts Künstliches ist, abgehobenes, weltfernes, sondern dass es mit den elementaren Grundlagen unseres Lebens so viel zu tun hat wie Essen und Trinken.

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Brot war in der Antike viel mehr wie heute. Wir haben heute vier Grundnahrungsmittel, Brot, Kartoffel, Reis und Mais. In der Antike gab es aber nur ein Grundnahrungsmittel, nur Brot. Niemand in Palästina zur Zeit Jesu hat jemals eine Kartoffel gesehen oder eine Schale voll Reis oder Mais. Es war vollkommen unbekannt. Also die Grundnahrungsbedürfnisse waren sehr stark konzentriert auf Brot. Über 50 Prozent der Kalorien, die ein antiker Mensch im Vorderen Orient im Laufe des Lebens zu sich nimmt, war einfach Brot. Brot war die Hauptmahlzeit. Alles andere war zusätzlich. Man aß Obst, Gemüse, Oliven, Zwiebeln, aber das war alles Beilagen. Die Hauptspeise war immer Brot. Auch die späteren Redensarten Abendbrot, Brotzeit oder das tägliche Brot

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zeigen noch bis ins 20. Jahrhundert, dass Brot eigentlich überhaupt der Inbegriff für Nahrung war. Und diese Ernte, die Getreideernte war immer auch gefährdet durch Krieg oder durch Dürrezeiten oder durch Ungeziefer. Also die Hauptnahrungsgrundlage war immer auch gefährdet. Deswegen achteten die Menschen das Brot enorm. Etwas Positiveres und Wichtigeres im Leben als Brot war schwer denkbar. Und man hörte in so orientalischen Dörfern jeden Tag das malende Geräusch der Getreidemühlen, nämlich die tägliche Herstellung von Brot war sehr aufwendig. Die Frauen haben das Brot gebacken.

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Die Kinder haben Brennmaterial gesammelt und die Männer haben Feuer angemacht. Also es war ein ganz schöner Aufwand, jeden Tag das Brot herzustellen. Brot ist im Orient immer ein rundes Fladenbrot. Teller groß und Finger dick. Es hatte nicht die Qualität von heute. Es war wesentlich einfacher gemacht und die Brotqualität entspricht nicht der heutigen. Das andere, was im Abendmahl verwendet wird, ist Wein. Meistens tranken die Menschen Wasser, aber man trank auch sehr oft verdünnten Wein. Jeden Tag. Besoffene gibt es in der Antike im Orient ganz selten, weil man trinkt verdünnten Wein. Nur bei den Festtagen trinkt man unverdünnten Wein. Das heißt, Wein steht für den Übergang zum Fest. Der Mensch hat nicht nur Alltag. Wenn wir nur Alltag hätten, würden wir auf Dauer fast kaputt gehen.

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Der Mensch braucht auch das Fest. Er braucht die Unterbrechung des Alltags und der Routine. Brot steht für die Grundlagen des Alltags. Wein steht für die Öffnung zum Festlichen. Also so gesehen ist das Abendmahl mit den elementaren Grundlagen und Grundrhythmen Alltag und Fest des menschlichen Lebens verbunden. Es gibt in der Welt der Religionen unzählige Rituale, Riten, oft sehr aufwendig. Es bedarf dann bestimmter Gewänder, bestimmter Begehungen, bestimmter Gebäude, bestimmter Gesänge und Instrumente, bestimmter ritueller Abläufe, Opfergaben, Opfertiere und oft können nur Insider komplizierte Rituale verstehen.

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Im Vergleich zu diesen vielen Ritualen sind diese beiden Handlungen der Christenheit ganz einfach, ganz elementar und mit den Grundstoffen des Lebens verquickt, Wasser, Brot und Wein. Das Abendmahl gibt dem Einfachen seine Tiefe. Jetzt wird Doro den Text vorlesen, den ich zugrunde lege. Es gibt im Neuen Testament vier Abendmahlstexte, im Markusevangelium einen, im Matthäus und Lukas einen und bei Paulus in 1. Korinther 11. Diese Texte sind sehr ähnlich, aber sie unterscheiden sich auch in vielen Dingen. Also wir haben keinen einzigen Abendmahlstext, sondern vier. In vielen Dingen sind sie gleich, aber in vielen Dingen sind sie auch unterschiedlich. Deswegen können wir nicht mehr mit Sicherheit

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rekonstruieren, welche Worte Jesus in jener Nacht gesprochen hat. Eine eindeutige Rekonstruktion dieser Worte ist völlig unmöglich. Da aber diese vier Texte in vielen wesentlichen Dingen auch ganz oder fast übereinstimmen, können wir trotzdem das Wesentliche, um das es ging, ziemlich gut erkennen. In der theologischen Wissenschaft hat man sich aus vielen guten Gründen, die ich jetzt nicht nennen kann, angewöhnt vom Markusevangelium auszugehen, weil es das älteste Evangelium ist. Die Verse, die ich jetzt behandeln werde und die Doro gleich vorlesen wird, stehen in Markus 14, Vers 17 bis 19 und Vers 22 bis 26. Bitte, Boron. Als es Abend geworden war, kam Jesus mit den Zwölfen dorthin.

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Während sie zu Tisch lagen und aßen, sagte er Amen, ich sage euch, einer von euch, der jetzt mit mir ist, wird mich verraten. Sie waren bestürzt und einer nach dem anderen fragte ihn, doch nicht ich? Und während sie aßen, nahm Jesus das Brot, sprach das Dankgebet, brach es, gab es ihnen und sprach, nehmt, das ist mein Leib. Und er nahm ein Becher Wein, sprach darüber das Segensgebet, gab ihnen auch den und alle tranken daraus. Und er sprach, das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Amen, ich sage euch, ich werde nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken bis zu jenem Tag, an dem ich von ihm aufs Neue trinken werde, im Reich Gottes. Dann sangen sie die Lobseimen und gingen hinaus zum Ölberg.

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Vielen Dank, Doro. Das ist also für diesen Vortrag die Textgrundlage. Ich kann nicht auf alle Aspekte des Abendmahls eingehen, weil ich jetzt mich auch ziemlich genau an diesen Text halte. Es ist also ein erster grundlegender Einstieg in diese merkwürdige Handlung des Abendmahls, die für viele heute Menschen merkwürdig sich anmutet. Und deswegen versuche ich mal, den Sinn dieser Handlung deutlich zu machen. Der erste Satz dieses Textes ist ja wie immer ein grundlegender Satz. Ich sage noch mal, als es Abend geworden war, kam Jesus mit den Zwölfen dorthin. Und das ist der erste Satz. Als es Abend geworden war, kam Jesus mit den Zwölfen dorthin. Als es Abend geworden war, kam Jesus mit den Zwölfen dorthin.

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In diesem ersten Satz werden drei grundlegende Aspekte geklärt. Zeit der Handlung, beteiligte Personen und Ort der Handlung. Darauf will ich zunächst kurz eingehen. Der Tageszeit her gesehen ist abends. Es handelt sich um ein Abendessen. Der evangelische Ausdruck Abendmahl erinnert an diese Tageszeit. Im Unterschied zu anderen Bezeichnungen für das Abendmahl, zum Beispiel Eucharistie in der katholischen Christenheit, auch ein schöner Name, er betont die Dankbarkeit, die Freude. Aber er erinnert nicht mehr historisch an den Haftpunkt Abend. Oder man kann auch sagen Herrenmahl oder Brotbrechen. Das sind alles Ausdrücke für das Abendmahl. Aber nur das Wort Abendmahl trägt in sich eine historische Erinnerung an jenen letzten Abend.

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Dann die beteiligten Personen sind Jesus und die Zwölf. Jesus hatte viele Jünger und Jüngerinnen. Er hat aber auch ein Zwölferkreis gegründet. Es gibt in Matthäus und im Lukas- evangelium auch die Aussendung der 70. Daran kann man also erkennen, dass Jesus viel mehr Jünger hatte als 12. Aber der Zwölferkreis war schon etwas Besonderes. Da will ich mal ein paar wichtige Punkte, die zum Verständnis wichtig sind, erwähnen. Warum gründet Jesus einen Zwölferkreis? Er sagt es selber nicht, aber man ist sich ziemlich sicher, den Grund zu kennen. Nämlich Israel hatte 12 Stämme. Und indem Jesus einen Zwölferkreis gründet, drückt er in dieser Symbolhandlung aus. Ich wende mich an ganz Israel, an alle 12 Stämme. Das war sehr ungewöhnlich. Ich kenne keinen Fall, in dem ein jüdischer

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Rabbiner in jenen Jahrhunderten einen Zwölferkreis gegründet hat. Also ich gehe mal davon aus, Jesus war der einzige jüdische Rabbiner, der das jemals getan hat. Ein Ortsrabbi wendet sich ja auch nur an den Ort, an dem er ist oder vielleicht an die Region. Jesus aber war ein Wanderrabbi. Er ist durch ganz Galiläa gewandert und durch die Symbolhandlung des Zwölferkreises drückt er aus, meine Botschaft gilt nicht nur einer Region, sie gilt ganz Israel. Das Besondere daran war, dass die 12 Stämme Israels gar nicht mehr existierten. Nämlich das Nordreich, in dem 10 Stämme waren, ist lange untergegangen seit Jahrhunderten. Man weiß gar nicht, wo diese 12 Stämme geblieben sind. Sie sind im Völkermäher, im Dunkel der Geschichte irgendwie aufgegangen. Es gab nur Judea, das Südreich, und da gab es nur zwei Stämme, Judah und Benjamin.

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Und die jüdischen Schriftgelehrten waren immer ein bisschen traurig, dass das volle Israel ja gar keine geschichtliche Größe mehr war, sondern nur noch 12 Stämme überhaupt empirisch verifiziert werden konnten. Und die anderen zehn weiß man gar nicht mehr. Es gibt aber in manchen Schriften die Hoffnung, dass in der messianischen Zeit die zehn verloren gegangenen Nordstämme irgendwie wieder aufkreuzen werden und dass, wenn der Messias kommt, dass die 12 Stämme Israels wieder eine Rolle spielen werden. Von daher hat die Gründung eines Zwölferkreis eine ganz schöne Brisanz. Es gibt christliche Gruppen. Am bekanntesten ist die Katholische Kirche, die ich sehr schätze. Vor allem schätze ich die katholischen Schwestern und Brüder. Und in dieser katholischen Kirche kann man immer wieder mal hören,

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Jesus hat nur mit Männern das Abendmahl gefeiert. In der letzten, ja, der hat schon auch ein interessantes Verhältnis zu Frauen gehabt. Ja, schon. Aber, aber in der letzten Nacht waren nur Männer. Und es gibt auch andere Kirchen und christlichen Gruppierungen, die darauf Wert legen. In der letzten Nacht, da waren nur Männer da. Und aus diesem Grund leiten dann manche Christen ab. Männer haben einen Vorzug. Leitende Ämter können eigentlich nur Männer begleiten. Katholischer Priester kann nur ein Mann werden. Das wird zum Teil, gibt auch natürlich noch mehr Argumente, aber das ist schon ein relativ gewichtiges Argument, die 12. Die 12 waren nur Männer, nicht sechs Männer und sechs Frauen. Bleiben wir mal noch kurz bei diesem Zwölferkreis. Ja, das stimmt. Also im Abendmahl waren nur diese 12 Männer. Warum waren das wohl nur Männer? Die 12 kann man eigentlich sehr einfach erklären,

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weil diese Symbolhandlung richtet sich ja an die 12 Stämme Israels. Und das sind alles Männer. Die Stammväter, die 12 Stammväter, die 12 Söhne von Jakob, sind alles Männer. Also wenn Jesus in einer Symbol Logik ausdrücken wollte, dass er sich an die 12 Stämme Israels richtet, konnte er schlecht sechs Männer und sechs Frauen wählen. Da wäre die Symbol Logik kaputt gewesen und kein Mensch hätte damals verstanden, was er will. Also man kann zunächst mal schon sehr einfach sagen, das liegt an der Symbol Logik, dass hier es nur durch Männer ausgedrückt werden konnte. Wenn man mal verfolgt, was aus dem Zwölferkreis, den manche so betonen in der Christenheit, was aus dem geworden ist, dann wundert man sich. Nach dem Tod Jesu, da ist ja dann Judas gestorben, den hat man dann ersetzt durch Matthias, das wieder ein Zwölferkreis ist.

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Und die Urgemeinde in Jerusalem hatte eine differenzierte Leitungsstruktur. Es gab die drei Säulen Petrus, Jakobus und Johannes. Das sind drei aus dem Zwölferkreis, die die eigentliche Leitung hatten, also ein Dreiergremium. Aber begleitet durch den Zwölferkreis, der Zwölferkreis war ein Leitungsgremium der Jerusalemer Urgemeinde. Und dann gab es noch einen Siebenerkreis für soziale Pflichten, der sogenannte Stephanuskreis. Also es gab drei Leitungsorgane in der Jerusalemer Urgemeinde. Wenn man aber jetzt diesen Zwölferkreis weiter verfolgt, innerhalb kürzester Zeit hat er keine Bedeutung mehr. Der Zwölferkreis verliert sich im Laufe der Apostelgeschichte ganz schnell im Dunkel. Er hat keine Rolle mehr, spielt keine Rolle mehr. Man weiß, dass Petrus und Johannes Jerusalem verlassen haben. Jakobus stirbt den Märtyrertod.

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Also die drei wichtigsten des Zwölferkreises verlassen Jerusalem oder sind tot. Und von vielen von den zwölf Jüngern wissen wir gar nichts. Wenn wir mal die Zahl 12 ernst nehmen, dann müssen wir mal feststellen, wir wissen eigentlich nur von Petrus, Jakobus, Johannes, bisschen noch Andreas, klein bisschen Philippus. Und dann hört es aber auf. Also von der Hälfte dieser Leute wissen wir sowieso gar nichts. Und dieser Zwölferkreis ist auch sehr rasch im Dunkel der Geschichte untergegangen. Er spielte nach dem Tod Jesu gar nicht mehr lang eine Rolle. Auch das muss man bedenken, wenn man mit dem Zwölferkreis sehr hoch argumentiert. Wie sich aber diese 12 Männer in dieser Nacht verhalten haben, werden wir ja noch sehen. Gut, jetzt kommt der Ort der Handlung. Sie kamen dorthin. Dieses Wort dorthin wird vorher erklärt, nämlich Jesus sagt, geht nach Jerusalem,

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da werdet ihr jemanden treffen, der einen Wasserkrug auf den Kopf trifft und der wird euch ein Haus zeigen mit einem Obergemach. Jerusalem hatte damals nicht viele Häuser, die ein erstes Stockwerk hatten. Das sind immer schon ein bisschen größere, vornehmere Häuser. Zweites Stockwerk gibt es extrem selten. Also Obergemach heißt immer, es ist ein größerer Raum im oberen Stockwerk. Und also ihr werdet einen Mann finden, der zeigt euch ein Haus mit einem Obergemach. Und dieses Haus ist schon für das Pesachfest ein bisschen festlich vorbereitet. Es ist nämlich bereits mit Liegepolstern ausgestattet. Und wo dieses Haus liegt, wissen wir nicht. Es liegt irgendwo in Jerusalem. Und das ist jetzt allerdings wichtig. Das Abendmahl findet nicht in Galiläa statt, sondern in Jerusalem. Das möchte ich mal betonen, weil davon hängt sehr viel ab.

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Jesus ist ja mit vielleicht 30 Jahren oder ein bisschen älter zum ersten Mal öffentlich aktiv geworden, relativ plötzlich. Mit seiner Taufe katapultiert es ihn an die Öffentlichkeit. Und Jesus war schwerpunktmäßig in Galiläa aktiv. Alle seine Jünger waren Galiläer. Er selber war ein Galiläer. Und seine Zuhörer waren zum größten Teil Galiläer. Also so wirkte er zwei, drei Jahre vermutlich in Galiläa. Dann aber geht er zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Jerusalem. Und dort lebt er noch einige Tage, vielleicht eine Woche bei diesem Gang nach Jerusalem. Er geht nämlich nach Jerusalem zum Pesachfest. Das ist also schon eine sehr spezifische Zeit. Also Jesus geht nicht im August nach Jerusalem. Da war wenig los in Jerusalem. Wäre ihm wahrscheinlich auch überhaupt nichts passiert.

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Aber das Pesachfest ist das größte der drei Wallfahrtsfeste in Jerusalem. Jerusalem hatte zurzeit Jesu schätzungsweise 30.000 bis 60.000 Einwohner. Ungefähr in diesem Bereich. Wenn aber Pesachfest war, hatte Jerusalem 100.000, 200.000, 300.000 Festpilger. Also es waren viel mehr Festpilger in Jerusalem aus allen Ländern, wo Juden lebten. Das waren sehr, sehr viele Länder im Mittelmeergebiet. Die kamen viele nach Jerusalem, vor allem zum Pesachfest. Und sie kamen entweder in Jerusalem unter oder in den Ortschaften drum herum. Oder vor allem in großen Zeltlagern, die man extra für das Pesachfest aufgestellt hatte und danach wieder abbaute. Gut, also zu so einem Fest ging Jesus nach Jerusalem. Das war also eine Stimmung wie bei uns vielleicht auf dem Kirchentag. Aber es ist noch viel mehr, weil bei einem Kirchentag

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verzehnfacht sich ja nicht die Zahl der Einwohner dieser Stadt. Aber in Jerusalem hat sich die Zahl der Menschen, die jetzt hier waren, verzehnfacht und verfünffacht. Und die römische Besatzungsmacht war an diesen Tagen extrem empfindlich. Pontius Pilatus war immer bei den großen Wallfahrtsfesten in Jerusalem, obwohl er sonst an der Mittelmeerküste residierte. Also es war eine hochbrisante, explosive Zeit. Und zu dieser Zeit ging Jesus nach Jerusalem. Man muss sich fragen, warum? Er sagt es uns nicht. Wir können es auch nur vermuten, aber die Vermutung ist sehr, sehr plausibel. Jesus war ja der Überzeugung, dass mit ihm das Reich Gottes beginnt. Es hat mit seiner Tätigkeit begonnen. Das Reich Gottes, was meint es? Die neue Zeit, die endgültige Zeit. Nach dem Reich Gottes kommt nichts mehr.

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Es ist die große Wende zum Guten. Wenn das Reich Gottes kommt, wird Gott alles Böse beseitigen und alles Leid. Jesus war der kühnen Überzeugung. Mit seinem öffentlichen Auftreten beginnt diese Wende. Und wenn er sagt, die Wende beginnt, dann muss sie ja auch irgendwann mal kommen. Jesus kann ja nicht 40 Jahre lang sagen, mit mir beginnt die Wende. Irgendwann soll sie dann auch kommen. Das heißt, wenn Jesus jahrelang, jahrzehntelang das Gleiche vergündigt, dann widerlegt er damit sich selber. Das heißt, der Mittelpunkt der Botschaft Jesu war so, dass Jesus selber sich unter einen Zeitdruck gesetzt hat. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Na ja, gut, wann kommt es denn? Also, und Jerusalem war natürlich das Zentrum des Judentums. Galilea ist eine Provinz. Jesus war Bauhandwerker in einer Provinz.

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Aber die entscheidenden Dinge, die Stunde der Wahrheit, die kann nur in Jerusalem kommen. Da ist der Tempel. Der Tempel ist das Zentrum des Weltjudentums. Und dort sind die führenden Priester, die Sadduzeer. Und dort ist der Hohe Rat, das oberste Gremium der damaligen Judenheit, in dem auch die Sadduzeer die Führung hatten. Also, indem Jesus nach Jerusalem geht, geht er in einen ganz anderen Kontext wie in seinem Heimatland Galilea. Galilea war übrigens gar nicht direkt Teil des Römischen Reiches, sondern da herrschte Herodes Antipas. Der war zwar befreundet mit den Römern, aber Galilea war nicht direkt eine römische Provinz. Aber Judea schon, Jerusalem auch. Also, wenn Jesus jetzt nach Jerusalem geht, dann geht er in den Bereich, wo der Hohe Rat Polizeigewalt hat. Die hat er gar nicht in Galilea.

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Und er geht in den Bereich, wo die römische Besatzungsmacht direkten Zugriff hat. Also, Jesus geht nach Jerusalem. Kaum ist er in Jerusalem, das war jetzt so vielleicht drei, vier Tage, bevor das Abendmahl sich abspielt, geht er in den Tempel im Vorfeld des Pesachfestes. Die meisten Festpilger sind ein, zwei Wochen vorher nach Jerusalem gekommen, um die Festvorbereitungen in aller Ruhe, muss erst mal eine Wohnung finden und dann, also gibt es verschiedene Festvorbereitungen. Jesus war auch ungefähr eine Woche vor Beginn des Pesachfestes nach Jerusalem gegangen. Und da geht er in den Tempel, da wuselt es natürlich von tausenden von Leuten. Und in diesem Tempel schmeißt er die Tische um, schmeißt die Käfige der Tauben, die als Opfertiere dienten, es war eine sehr wichtige Opferart. Der schmeißt die Taubenkäfige um, er hindert bestimmte Leute im Opferdienst tätig zu werden.

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Und er kündigt das Ende dieses Tempels an. Es ist natürlich, es ist natürlich schon ein starkes Stück. Die leitenden Priester fühlten sich auf das Tiefste provoziert. Die leben ja vom Tempel. Und der Tempel ist ja in der Heiligen Schrift sehr ausführlich begründet. Also man muss sagen, Jesus begann hier einen Tempelfrevel. Also er meckerte aufs Schärfste an diesem Tempel herum. Und anschließend gab es mehrere Streitgespräche mit führenden Vertretern des Tempels. Und diese theologischen Streitgespräche, in denen Jesus vielleicht probiert hat, die religiöse Führungsschicht in Jerusalem, die es ja in Galiläa gar nicht gibt, vielleicht sogar zu gewinnen, stellte sich aber heraus, er wird sie nicht gewinnen können. Die Streitgespräche scheiterten. Und zusammen mit diesem Scheitern und dieser Tempelkritik war völlig klar,

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dass Jesus in äußerst gefährdeter Lage ist jetzt. Er musste stündlich mit seiner Verhaftung rechnen. Und er ist in dieser Nacht auch dann noch verhaftet worden. Denn auf Tempelfrevel und des Ist-Tempelfrevel für damalige Maßstäbe stehen schwerste Strafen. Und dass die obersten Tempelbehörden und der Hohe Rat, der ja mit den obersten Tempelbehörden teilweise identisch ist, dass der eine solche öffentliche Aktion im Vorfeld des Besachts nach Westes einfach so hinnehmen wird, damit konnte im Grunde keiner rechnen. Jetzt haben wir die Stimmung, in dem die letzte Tischgemeinschaft stattfand. Die letzte Tischgemeinschaft Jesu ist kein gutbürgerliches Essen.

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Das letzte Abendessen fand nicht statt in entspannter Stimmung. Gemütlich, humorig, gesellig. Nein, das letzte Abendessen ist ein Abendessen in äußerst bedrohter Lage. Jesus musste mit seiner Verhaftung rechnen und er hat mit ihr gerechnet. Und er hat, wie an diesem Abend jetzt deutlich wird, auch mit seinem Tod gerechnet. Jetzt an diesem Abend war Jesus in einer neuen Situation, wie er sie nie in Galiläa war. Nämlich, dass er unmittelbar mit seinem Tod rechnen musste. Also diese Stimmung ist für das Verständnis des Abendmahls sehr wichtig. Niemand hat an diesem Abendmahl teilgenommen, selbstverständlich und entspannt. Jeder Teilnehmer, diese 13 Teilnehmer, jeder Teilnehmer stand auf seine Weise unter schwerer Spannung.

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Jesu sowieso. Aber gehen wir mal in die Lage der Jünger. Auch die Jünger mussten ja damit rechnen und haben bestimmt damit gerechnet, dass Jesus jetzt demnächst, es geschah noch in dieser Nacht, also drei, vier, fünf Stunden später, dass Jesus demnächst verhaftet werden wird. Was ist dann eigentlich mit uns? Wenn Jesus verhaftet wird, werden wir da auch verhaftet. Wir sind ja immerhin so seine engste Elite-Truppe. Zieht die Verhaftung Jesu uns auch nach unten? Jetzt muss sich jeder Jünger so innerlich überlegt haben. War es gut, war es gut, die ganze Hoffnung auf diesen Mann zu setzen? Denn eine Verhaftung Jesu durch jüdische Gremien musste ja auch die Botschaft Jesu in Verdacht bringen. Hat Jesu sich getäuscht? Ist die Verhaftung Jesu nicht die Wiederlegung seiner Botschaft? Hat er sich überschätzt?

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Hat er schwere Fehler gemacht? Denn das Volk Israel ist das auserwählte Volk. Und wenn du von Behörden des Volkes Israel geschnappt wirst und Gott hilft dir nicht, dann war es wohl auch nichts. Also die Jünger selber waren in schwerster Anfechtung. Und das merkt man jetzt auch gleich, wenn Jesus sagt, einer wird mich verraten. Da hat jeder gespürt, ich bin auch nicht weit davon entfernt, noch rechtzeitig den Absprung zu finden. Kurz bevor die Sache schiefgeht, fangen ja die Leute an, sich den rechtzeitigen Absprung zu überlegen. Ja, also ein Punkt ist noch wichtig. Sie lagen zu Tisch. Alle Evangelien, Matthäus, Markus und Lukas betonen, sie lagen zu Tisch auf Polstern. Das ist ein festliches Abendessen. Nur bei einem Festessen liegt man auf Polstern.

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Das war damals so, ich kann es nicht genauer jetzt erklären. Also es war ein festliches Essen. Die wahrscheinlichste Erklärung ist die, dass es unmittelbar vor dem Sederabend war, mit dem das Pesachfest beginnt. Das Pesachfest dauert sieben Tage, es dauert eine Woche. Und es beginnt mit dem Sederabend. Er ist immer vom 14. auf den 15. Nisan, genau in der Mitte des Monats. Und weil jeder Monat im Judentum, wir haben einen Mondkalender, mit Neumond beginnt, ist es immer die Vollmondnacht. Also die Nacht vom 14. auf 15. ist die Vollmondnacht. Und das ist der Sederabend. Der feierlichste Abend, den es im Judentum gibt, entspricht bei uns dem Heiligen Abend etwa. Also dieses Obergemach war wohl schon vorbereitet für den Sederabend, der vermutlich am nächsten Tag stattfand. Aber dieses festliche Essen erklärt sich auch noch aus einem anderen Grund. Wenn Jesus wirklich der Überzeugung war, wofür alles spricht, dass das sein letztes Mal mit seinen Jüngern ist,

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dann wird das sein Abschiedsmal. Und das Abschiedsmal ist kein normales Essen. Das ist schon auch was Besonderes. Also die Jünger lagen zu Tisch, einmal wegen der unmittelbaren Nähe des Pesachfestes und andererseits, weil es sich um das letzte Mal handelt. Jetzt war Jesus wohl zu der Überzeugung gekommen, dass er aus seinem Schülerkreis heraus verraten werden wird. Wie er zu dieser Überzeugung gekommen ist, wissen wir nicht. Das lassen wir jetzt einfach mal. Aber klären müssen wir, was heißt eigentlich verraten? Also nachher heißt Judas verriet ihn. Was heißt verraten? Jesus war doch sowieso öffentlich tätig. Wieso muss man denn verraten? Er hat doch alles, was er gesagt hat, sowieso öffentlich gesagt im Tempel. Also was heißt Verrat?

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Ja, das kann man klären und das muss man jetzt klären, sonst versteht man das Ganze nicht. Die Tempelbehörden waren dabei, Jesus zu verhaften. Sie haben das aber gut vorbereitet, also kein Schnellschuss, sondern das wurde alles gut vorbereitet. Vermutlich wurde auch schon die römische Besatzungsmacht informiert, dass das jetzt bevorsteht. Die haben sich da abgesprochen. Aber die Vorsondierung hat die römische Besatzungsmacht immer den Lokalbehörden überlassen. Also die Drecksarbeit. Also dass der verhaftet wird, das hat jüdische Gründe. Aber Todesurteile muss man die Besatzungsmacht mit einschalten. Und das haben die bestimmt gemacht. Also die Verhaftung dauerte ein bisschen, wenn man sie gut vorbereiten will. Gut, aber jetzt haben diese Behörden wirklich ein Problem gehabt. Nämlich Jesus war ziemlich beliebt. Unter diesen Zehntausenden und aber Zehntausenden von Festbildern waren auch viele Galiläer. Und die liebten Jesus. Die haben Jesus nie verraten.

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Die Unterschicht in Galiläa. Da hat Jesus Tausende von Hörern gehabt. Und die waren jetzt auch in Jerusalem. Und wenn da Jesus so öffentlich in Jerusalem geschnappt werden würde, das hätte Solidarisierungsprozesse geben können. Außerdem hat man gemeldet, dass beim Einzug Jesu in Jerusalem Hoseaner-Rufe laut wurden. Das heißt, Jesus hat unter irgendwelchen Festbildern, wie viele wissen wir nicht, messianische Erwartungen geweckt. Also die Tempelbehörden mussten verdammt aufpassen, weil sie natürlich sagen mussten, Jesus selber ist vielleicht gar nicht so schlimm. Aber die Tempelkritik war schon schlimm. Aber dass er dann in so heißblütigen Festbildern dann vielleicht noch wahnsinnige Eskalationen auslösen wird, da mussten die Tempelbehörden vorsichtig sein. Dass dann Jesus was auslöst, was er vielleicht selber gar nicht auslösen wollte. Ja, aber davon kann dann auch keiner mehr leben. Also die Tempelbehörden mussten da schon vorsichtig sein,

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weil die römische Besatzungsmacht schlägt brutal zu bei Festunruhen. Also haben die sich überlegt, wie können wir diesen Mann unauffällig aus dem Verkehr ziehen? Und ich sage euch, das war gar nicht einfach. Wo lebten der überhaupt? Wo übernachtet er? Das wussten die nicht. Jesus übernachtete wie viele andere Festpilger außerhalb von Jerusalem, weil innerhalb war wirklich schwer, was zu kriegen. Nämlich er übernachtete in einem Garten, Gethsemane, Gatschemanim heißt er eigentlich. Das ist der Garten der Ölpressen, weil ganz unten am Fuß vom Ölberg, das ist nicht weit außerhalb der Stadtmauer, zu Fuß vielleicht 15 Minuten. Zu Fuß, also in unmittelbarer Nähe der Ostmauer. In Jerusalem liegt der Garten Gethsemane. Und Jesus kannte offensichtlich den Besitzer dieses Gartens, weil er hat öfters in diesem Garten übernachtet. Eigentlich eine schöne Übernachtungsmöglichkeit.

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Gibt es verschiedene Höhlen, die ganz gemütlich sind. Aber das wusste natürlich die Tempelpolizei nicht. Aber Judas wusste es. Also was heißt verraten? Verraten heißt Judas, der bei dem Abendmahl noch die ganze Zeit dabei war. Er hat nach dem Abendmahl von sich aus die Schülergemeinschaft verlassen, ist zu Vertretern der Tempelbehörde gegangen und hat die nächtliche, den nächtlichen Aufenthaltsort, den Schlafplatz Jesu denen gemeldet. Und das war Gold wert. Denn im Garten Gethsemane ist es dunkel, da gibt es keine Lichter, da halten sich nicht viele Leute auf. Da kann man diesen Typ unauffällig aus dem Verkehr ziehen und seine Fans in Jerusalem kriegen nichts mit. Also das ist der Verrat. Aber jetzt ist interessant, wie seine Jünger darauf reagieren. Also Jesus teilt es offen mit, sodass es jeder hört. Judas hat es auch gehört, er hat nichts dazu gesagt.

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Also einer von euch wird mich verraten. Und jetzt heißt es in diesem Text sehr bewusst, sehr bewusst. Alle waren sehr bestürzt. Diese Ausdruck bestürzt kann man auch übersetzen. Sie waren schwer verunsichert. Sie waren ganz schön durcheinander, weil ihre Glaubensgrundlagen, die waren alle kurz vorm Absprung. Was wird aus mir, wenn der verhaftet wird? Zieht mich dem seine Verhaftung auch mit ins Verderben? Ist völlig klar. Die waren in Todesangst zum Teil. Und jetzt heißt es, sie waren bestürzt. Und jetzt kommt eine Formulierung, die gibt es eigentlich ganz selten in der Bibel. Und einer nach dem anderen, muss man sich mal vorstellen, einer nach dem anderen kam zu Jesus und sagte, doch nicht ich. Das heißt, jeder hatte schon in seinen Gedankenspielen ein Plan B, wie man sich aus dem Staub machen kann.

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Also die Solidarisierungstiefe mit dem Meister hat stark abgenommen. Jeder war auf seine Weise in die Nacht des Verrats verstrickt. Die Evangelien nennen jene Nacht ja auch die Nacht, in der er verraten wurde. Also einer nach dem anderen sagte doch nicht ich. Also ich sage euch, das sagt alles. Da braucht ihr euch nichts mehr vormachen. Aber hinzu kommt Folgendes. Die Evangelien erzählen die Ereignisse aus jener Nacht als einen einzigen großen Zusammenhang. Wir dürfen hier nicht so einzelne Perikopen isoliert betrachten. Die Ereignisse jener Nacht bilden einen Zusammenhang. Also schreit mir mal kurz durch die Nacht. Sie gehen dann, nachdem sie mit dem Abendmahl fertig sind, in den Garten Gethsemane, da läuft man vielleicht 20 Minuten oder so.

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Und dort wacht Jesus in seiner härtesten Nacht. Er war sich ziemlich im Klaren darüber, in 24 Stunden, ich lebe keine 24 Stunden mehr. Also das ist, wenn er ein normaler Mensch war und das war er, war das die härteste Nacht seines Lebens. Jetzt spitzen sich die Dinge zu, endgültig. Und da sagt er zu seiner Elite-Truppe, er könnte mal ein bisschen mit mir wach bleiben und beben. Nee, können die nicht, weil die sind völlig überfordert. Habt ihr das schon mal erlebt, dass ihr auf einmal bleirn müde werdet, wenn ihr vor ganz schweren Aufgaben steht und jetzt kommt es darauf an, jetzt wird man müde. Nee, die konnten nicht eine Stunde wach sein. Also so waren sie alle in die Nacht des Verrats. Also ich weiß nicht, was da in Jesus vorgegangen ist. Sie pennen in der letzten Nacht seines Lebens und er bittet sie mehrfach mit

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ihm zusammen, eine Gruppe zu bilden, dass es ein bisschen leichter wird. War nicht möglich. Dann gehört zu dieser Nacht auch, dass Petrus, der Sprecher, der 12, dreimal verleugnete, dass er Jesus überhaupt kennt, als eine Frau aus dem Hauspersonal vom hohen Priester sagte, du quatsch doch auch galiläisch. Du hast einen galiläischen Dialekt. Wahrscheinlich bist du auch so ein Anhänger von dem. Und dann sagt Petrus, den kenn ich gar nicht. Dreimal, ich kenn den Typ gar nicht. Es gehört auch zur Nacht des Verrats. Und dann hat auch Jesus auf dem Gang von dem Abendmahlsaal zum Garten Gethsemane nach dem Markus-Evangelium, Markus überliefert diesen Satz, sagt Jesus auf dem Weg dorthin, ihr werdet alle stolpern und fallen. Also das ist die Nacht des Verrats und die muss man jetzt auswerten. Auch für alle christlichen Gruppen, die sagen, die Männer, die Männer, wir können

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ja nur mit Männern arbeiten, die sagen euch gut sehen die Männer da nicht aus. Schlechter können es eigentlich Frauen gar nicht machen. Also schauen wir mal die 12 an. Jetzt wird wirklich klar, das ist auch eine Tischgemeinschaft mit Sündern. Jesus hat sich nicht mit diesen 12 zusammengesetzt, weil diese 12 seine religiöse Elite sind, in deren zuverlässigen Hände er seine Sache legen kann. Nein, das waren sehr unzuverlässige Hände. Die konnten nicht mal eine Stunde wach bleiben. Waren schon knallfall überfordert. Und jeder hat, bin es etwa ich, jeder hat geoutet, ich bin auch kurz vorm Kippen. So überfordert waren die Jüngern ihrem Glauben. Sämtliche Glaubensgrundlagen haben gewackelt und sie haben ein bisschen an ihre künftige bürgerliche Existenz gedacht.

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Also Jesus hat sich mit denen nicht zusammengesetzt, weil diese 12 besondere Qualitäten haben. Nein, diese 12 sind auch nicht besser als andere Leute. Und ihre persönlichen Eigenschaften spielen bei dem überhaupt keine Rolle, was Jesus jetzt macht. Für das, was Jesus jetzt tut und sagt, spielen die Qualifikationen und Kompetenzen dieser 12 keine Rolle. Und deswegen sollte man sehr vorsichtig sein, aus diesem Text im Interesse patriarchalischer Männerinteressen die Bibel zu missbrauchen. Sollte man zurückhaltend sein. Ich will nicht so weit gehen, dass ich sage, das Versagen dieser 12 ist typisch männlich. Soweit will ich nicht gehen. Es ist eben typisch menschlich.

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Gut, jetzt was hat Jesus in jener Nacht gesagt und getan? Ein jüdisches Abendessen beginnt folgendermaßen. Und zwar, das haben die Pharisäer so 100 Jahre vorher so entwickelt. Und das hat die meisten jüdischen Familien haben das dann auch so gemacht, dass nämlich eine Tischgemeinschaft, so fast so was wie ein kleiner Gottesdienst ist, eine geistliche Gemeinschaft. Tischgemeinschaft ist eine sehr enge Gemeinschaft. Und das beginnt so, dass der Hausvater oder der Gastgeber, und das war an diesem Abend Jesus. Jesus hatte an diesem Abend die Rolle eines Gastgebers. Denn er hat das arrangiert mit dem Obergemach. Da hat er jemanden gekannt, der das alles schon so ein bisschen vorbereitet hat. Also er war der Gastgeber. Ein Abendessen beginnt so, dass der Hausvater das Fladenbrot nimmt, es gut sichtbar hochhält, dass alle es sehen können.

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Und dann spricht er das Dankgebet über das Fladenbrot. Und dieses Dankgebet heißt wirklich bis heute das Gleiche. Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welten, der du die Frucht des Kornes sprießen lässt. Dann, nachdem er dieses Dankgebet gesagt hat, bricht er das Brot, denn das Fladenbrot wird so gebacken, dass es Kerben hat, die zur Mitte laufen. Und an diesen Kerben entlang bricht man das Brot. Niemand schneidet Brot. Niemand mit dem Messer. Das macht man nicht. Man sagt dazu, dann tötet man das Brot. Also man bricht das Brot. Und wenn er das Brot gebrochen hat, gibt er jedem Teilnehmer des Abendessens ein Stück von diesem Fladenbrot. Und wenn jeder eins hat, dann nimmt der Hausvater auch sich selber ein Stück und isst es und damit gibt er das Zeichen.

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Das Abendessen hat begonnen und alle essen jetzt, fangen an zu essen. Nachdem übrigens der Hausvater das Dankgebet gesprochen hat, antworten alle laut Amen. Das hebräische Wort heißt nicht, wie die Deutschen sagen, Amen. Das heißt Amen. Zweite Silbe. Abba, David, immer die zweite Silbe. Also sie antworten darauf mit Amen. Jetzt macht aber Jesus etwas, was noch niemals ein Jude gemacht hat. Noch nie. Beim Austeilen des Brotes, da ist normalerweise Stille, fällt Jesus völlig aus der Rolle und sagt, nehmt, das ist mein Leib. So heißt es im Markusevangelium. Wir streiten jetzt nicht. In jedem Abendmahlstext sind die Worte leicht anders. Das lassen wir mal auf sich beruhigen. Das ist gar nicht so wichtig. Also auf jeden Fall sagt im Markusevangelium, sagt Jesus, nehmt, das ist mein Leib. Ich darf euch jetzt mal öffentlich sagen,

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niemals hat ein Mensch bei einem Abendessen solche Worte gesagt. Niemals. Und dann, das Abendessen wird beendet. Also zwischendurch war dann das normale Abendessen. Das Abendessen wird beendet, auch wieder mit einer Geste. Der Hausvater nimmt den Weinbecher, hebt ihn hoch, dass alle ihn sehen können und spricht das Segensgebet drüber. Und das lautet, gepriesen seist du, Herr, unser Gott, König der Welten, der du die Frucht des Weinstocks sprießen lässt. Und alle sagen laut Amen. Und dann trinkt er aus diesem Becher alle anderen auch. Und damit ist das Abendessen beendet. Und bei dieser Geste fällt Jesus wieder aus der Rolle. Und da merkt man, wie bewusst er das gemacht hat. Und er sagt, das ist mein Blut des Bundes, das verbossen wird für viele.

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Niemals hat ein Mensch so etwas gesagt. Die Jünger waren vollkommen überrascht. Keiner konnte mit so was rechnen. Warum macht es Jesus? Völliges Rätsel. Kein Jünger konnte sich das erklären. Man kann es bis heute nicht erklären. Es ist sein Geheimnis. Aus irgendeinem Grund hat Jesus das Bedürfnis gehabt. Aus irgendeinem Grund. Er wird ihn schon wissen. An diesem Abend etwas zum Ausdruck zu bringen. Es ist ja immerhin der letzte Abend. Und er macht da nicht mehr viele Worte. Aber die Situation gibt diesen Worten Gewicht. Und diese Worte haben es in sich. Wir werden sie gleich noch ein bisschen betrachten, denn es sind entscheidende Worte. In der letzten Nacht sagt Jesus nur noch das, worauf es entscheidend ankommt. Er hält da keine Gardinen-Predigen mehr, sondern er hat das Bedürfnis gehabt,

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seinen Jüngern gegenüber etwas klarzustellen, etwas zum Ausdruck zu bringen. Und natürlich in der Situation. Jesus steht unmittelbar vor seinem Tod. Spätestens jetzt musste Jesus sich überlegen, was bedeutet eigentlich mein Tod? Ist mein Tod meine Widerlegung oder was ist mein Tod? Wie hängt mein Tod mit meiner Botschaft zusammen? Also an dem Abend musste er sich das spätestens überlegt haben. Und hat er sich offensichtlich auch und wollte das seinen Jüngern zum Ausdruck bringen. Und seine Jünger haben es nie wieder vergessen. Diese Ereignisse jener Nacht sind bis heute völlig unvergessen. Denn alle Jünger haben gespürt, das ist was einzigartiges, Besonderes. Wenn Jesus sagt, das ist mein Leib beim

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Rumreichen des Brotes, dann identifiziert er sich mit diesem Brot. Das sind Identifikationsworte. Leib heißt im Hebräischen und im Orientalischen so viel wie das ist mein Leben. Wir leben im Leib. Der Leib ist mein Leben. Im Leib ist auch das Blut. Und wenn er dann später sagt, das ist mein Blut, das vergossen wird. Das ist eine Redewendung, die man genau kennt, nämlich das ist ein gewaltsamer Tod. Die Redewendung, er stirbt durch vergossenes Blut, heißt er wird hingerichtet oder er stirbt durch Gewalt. Es ist ein gewalttätiger Tod. Also Jesus fasst hier irgendwie sein Leben und seinen Tod zusammen. Und jetzt, wenn wir die Bedeutung sorgfältig erheben wollen, so wie ich ja öfter sage, für den Rest unseres Lebens, dann müssen wir jetzt Folgendes berücksichtigen. Jesus hat unbewusst, halbbewusst oder bewusst

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eine Kombination vorgenommen, die er niemals sonst vorgenommen hat. Es ist nämlich, er macht Gesten, er verwendet Gesten, Handlungen. Aber es gibt auch eine Gabe, die er in diesen Gesten gibt, nämlich Brot und Wein. Das sind die Gaben. Also Jesus macht irgendwelche Gesten. In diesen Gesten teilt er etwas aus. Er nimmt nichts. Er nimmt nicht von seinen Jüngern das Versprechen ab, dass ihr mir aber... Nein, Jesus nimmt nichts an dem Abend von uns. Er weiß, er weiß, wie wir sind. Er gibt, er gibt, er nimmt nicht. Und dann spricht er Worte im Kontext dieser Gesten und verbunden mit Gaben. Und dann müssen wir noch berücksichtigen, die ganze Sitzordnung, das ganze Arrangement, das an dem Abend war. Diese vier Elemente müssen wir alle vier berücksichtigen, die Gesten, die Gaben, die Worte, das Arrangement.

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Gehen wir mal zu den Gesten. Die werden bei Becherwort und Weinwort ganz genau genannt. Er nahm das Brot, sprach das Dankgebet drüber, brach es und gab es ihnen. Vier Gesten, beim Weinbecher genau gleich. Was sind es für Gesten? Gesten des Austeilens, des Anteilgebens. Also er gibt, er teilt aus. Und zwar was? Brot ist das Positivste, was es gibt. Brot ist eine durch und durch positive Größe. Wer ärgert sich darüber, dass es Brot gibt? Brot ist Grundnahrung, Grundlage des Lebens. Und Wein, wer ärgert sich, dass es Wein gibt? Juden kennen die Verheißung, Gott wird einmal am Ende der Zeit für alle Völker

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ein Festmahl bereiten mit bestem Wein. Also Wein ist auch die Hoffnung, wenn Gott uns ein Fest geben wird. Also das sind die Gaben. Die Gaben sind durch und durch positiv. Die Gesten sind durch und durch positiv. Und in diesem Kontext müssen wir jetzt die Worte verstehen. Diese Worte, das ist mein Leib. In anderen Texten heißt es für euch. Hier Markus nicht, aber es ist ganz klar. Es ist ja eine Geste des Für euch. Ich gebe das für euch. Ihr kriegt hier was. Also ob Jesus gesagt hat für euch oder nicht, ist vollkommen egal, weil die Geste zeigt ja, es ist für euch. Also diese Worte sind ein einziges Versprechen. Das ist mein Leib für euch. Ich habe für euch gelebt und das ist mein Blut, vergossen für viele. Jetzt müsst ihr wissen, für viele heißt im Hebräischen für unbegrenzt viele,

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ohne Obergrenze, ohne Auswahlverfahren, weil im Hebräischen gibt es nicht die Wendung für alle, gibt es nicht. Es gibt schon das Wort alle. Aber die Redewendung für alle gibt es merkwürdigerweise im Hebräischen nicht. Wenn ein Hebräer sagen will für alle, kann er nur sagen für viele. Also das ist ein vergossenes, mein vergossenes Blut für viele. Das heißt, in jener Nacht, in der Jesus nur noch das sagt, was er für entscheidend hält, er wird wortkark, er sagt nicht mehr viele Worte. Aber ich sage euch, diese Worte bringen alles auf den Punkt. Die sind in der letzten Nacht. Da sagt man nur noch das, worauf es ankommt. Und da sagt Jesus keine Gebote, keine Ratschläge, keine Appelle, nichts strenges, nichts zurechtweisendes, nichts Angst machendes, nichts, nichts strenges,

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nichts Angst machendes, nichts zurechtweisendes, keine onkelhaften Ratschläge, keine Appelle, keine Gebote. Ich sage nicht, dass Gebote unwichtig sind. Ratschläge können mal hin und wieder auch gut sein und so weiter. Aber nicht in der letzten Nacht. In der letzten Nacht gibt es nur noch eine Sprache. Das Versprechen, die Zusage, das schöpferische Wort. Ich sage euch, diese Zusagen sind ein schöpferisches Wort. Sie schaffen eine völlig neue Situation und sie bringen die Dinge auf den Punkt. Wir sind Kinder der Verheißung. Wir leben von der Zusage und das feiern wir im Abendmahl. Also in jener letzten Nacht nur noch ein Versprechen. Von dem leben wir. Das haben die Jünger nie wieder vergessen. Erst im Laufe der Zeit wird den Jüngern klar, wie viel Verzeihen in dieser Handlung steckt.

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Denn der Auferstandene, der ist schon wichtig beim Abendmahl, ich kann nur heute jetzt nicht darauf eingehen, der Auferstandene wendet sich sofort wieder den Jüngern zu, die doch alle gepennt haben. Die nicht mal eine Stunde diese überforderten, trüben Tassen, die wir ja alle sind. Die sind komplett überfordert, alles potenzielle Verräter. Wenn mal der Preis ganz hoch wird, da wackeln wir aber ganz schön. Weiß der Auferstandene, aber er sucht sofort wieder seine Jünger auf und er sagt sogar ausdrücklich, sagt dem Petrus. Weil der war nämlich völlig kaputt, nachdem er Jesus dreimal verleugnet hat. Da war er aber klein mit Hut. Und da sagt der Auferstandene, sagt auch ausdrücklich dem Petrus, dass ich ihn liebe. Also in diesem Abendmahl steckt sehr viel Verzeihen.

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Und deswegen heißt es im Matthäusevangelium, dies ist das Blut, mein Blut des Bundes zur Vergebung der Sünden. Das sagt Markus nicht, aber es stimmt. Weil in der Handlung, wenn man alle Gesten, die Gaben und das Arrangement berücksichtigt. Und im Abendmahl wurde den ersten Christen klar, endgültig klar, dass wir niemals wegen schlechtem Gewissen von Gott weglaufen müssen. Das müssen wir nie. Dass wir in allem schlechten Gewissen, in allen Schwächen und Fehlern immer zu Gott kommen können. Im Vertrauen auf Gott bleiben können. Das wird durch das Abendmahl klar, weil der Auferstandene diesen, dieser Elite Truppe die Treue gehalten hat. Dann ist noch sehr interessant das Wort Bund. Merkwürdiges Wort. Das ist das mein Blut des Bundes.

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Jetzt hat man in der modernen Bibelwissenschaft sorgfältig, wie sie arbeitet, herausgefunden, dass Jesus niemals das Wort Bund in den Mund genommen hat. Niemals. In seiner ganzen öffentlichen Tätigkeit, in keinem Gleichnis, in der Bergpredigt nicht. Jesus nimmt das Wort Bund niemals in den Mund. Was doch für Juden so wichtig ist. Sie sind doch das auserwählte Bundesvolk. Nein, diese vielleicht auch nationaljüdischen Wege, die meidet Jesus. Jesus ist kein nationalistischer Jude. Also er hat niemals über das Thema Bund irgendwas gesagt. Ausgerechnet in seiner letzten Nacht. Das ist schon ein bisschen merkwürdig. Jetzt redet er vom Bund. Lassen wir für heute mal, was meint Jesus damit? Das ist eine spannende Krimi. Kann ich jetzt aber nicht so machen. Also was immer Jesus mit Bund meint, eins können wir sagen, ein Bund ist etwas Dauerhaftes. Will nicht jede Liebesbeziehung dauerhaft sein.

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Sehnt sich nicht die Liebe nach Dauer. Jesus hatte auch das Bedürfnis nach Dauer. Und dieses Bedürfnis nach Dauer zeigt ja auch die Treue. Wir dürfen niemals sagen, Treue sei etwas Konservatives. Das ist überholt. Nein, etwas schöneres, wertvolleres und kostbareres als die Treue gibt es nicht. Jesus redet im Angesicht des Todes von einem Bund. Das zeigt, welche Zuversicht der Mann hatte. Man muss sogar sagen, welche Gewissheit er hatte. Denn auch der Tod wird diesen Bund nicht verhindern können. Es gibt die Bunde Treue Gottes. Gott ist unser Bundesgott. Er macht einen Bund mit uns und den hält er. Das heißt, im Angesicht des Todes redet Jesus von Dauer.

62:04
Das ist schon eine kleine Ohrfeige an den Tod. Und dann noch sein letztes Wort in dieser Nacht. Amen. Ich sage euch, das ist das zweite Amen-Wort. In diesem kurzen Text zwei Amen-Worte. Amen ist eigentlich eine Versicherungsformel. So sei es. Oder das ist gewisslich wahr. Das verwenden Juden am Ende einer Rede oder man schließt ein Gebet mit Amen. Jesus ist der erste und einzige Jude, den wir kennen, der Sprüche mit Amen beginnt. Er beendet sie nicht, sondern er beginnt damit. Und in der historisch-kritischen Forschung herrscht ziemlich Konsens. Die Amen-Worte gehen auf den historischen Jesus zurück. Denn diese merkwürdige Eigenart hat nur dieser Typ gehabt. Der fängt Worte an mit Amen. Nicht viele, vielleicht 15. Und alle Amen-Worte sind besondere Worte, in denen Jesus zum Ausdruck bringen will. Die habe ich mir nicht einfach so ausgedacht.

63:04
Die habe ich von Gott. Da hat Gott mir etwas klar gemacht. Dann sagt Jesus Amen. Und jetzt sagt er also Amen, einer von euch wird mich verraten. Und jetzt sofort das zweite Amen-Wort. Da war Jesus wirklich in großer Gewissheit. Ich werde vom Gewächs des Weinstocks nicht mehr trinken, bis ich der mal einst aufs Neue trinken werde im Reich Gottes. Das zeigt die Zuversicht dieses Mannes. Im Angesicht des Todes spricht er vom Reich Gottes. Das bleibt sein Ziel. Und es heißt, Jesus war sich im Klaren darüber, dass sein Tod keine Katastrophe sein wird, sondern dass das Reich Gottes irgendwie durch seinen Tod kommen wird. Dass sein Tod ein Schritt ist hin zum Reich Gottes. Jesus war sich gewiss darüber, dass sein Blut nicht sinnlos vergossen wird. Und in diesem Satz ist klar zum Ausdruck gemacht,

64:04
ihr Jünger kommt nicht mit in den Tod. Also er tröstet noch seine Jünger, denn in dem Satz spricht er ja nur von sich. Also er geht jetzt davon aus, dass er sterben wird. Ich werde nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken. Er sagt nicht wir werden nicht mehr. Also die Jünger konnten hier schon aufatmen. Hier spricht Jesus nur noch von seinem eigenen Schicksal. Welche Zuversicht, welche Gewissheit, welche Schonung seiner Elitetruppe. Und jetzt zum Schluss das Arrangement. Wir müssen auch das ganze Arrangement bedenken. Im Abendmahl ist eine ganz eigenartiges Arrangement, nämlich alle Anwesenden bekommen das Gleiche. Niemand wird ausgeschlossen. Alle essen das gleiche Brot. Alle trinken vom gleichen Wein und alle werden auf die gleiche Weise integriert.

65:03
Deswegen ist das Abendmahl, das Arrangement des Abendmahls ein ganz tiefer Ausdruck der völligen Akzeptanz, der Integration, der Gerechtigkeit. Denn alle Teilnehmer am Abendmahl sind gleichrangig. Keiner kriegt was Besonderes. Keiner kriegt mehr oder weniger. Alle werden auf die gleiche Weise integriert. Paulus hat später mal einen Satz geschrieben, der fürchterlich missverstanden wurde, eben auch schlecht übersetzt wurde. Jeder prüfe sich selbst, ob er würdig oder unwürdig zum Abendmahl geht. So ein Unsinn. Man kann an vielen religiösen Zeremonien teilnehmen und dabei innerlich denken, ich bin aber besser wie der da drüben. Ich bin was Besonderes. Ich bin höher gestellt. Aber im Abendmahl kann man so nicht teilnehmen. Das Wort anaxios heißt gar nicht unwürdig.

66:03
Und was haben die Leute alles? Aulutta hat hier leider völlig schlecht übersetzt. Und dann spekulieren die extremen christlichen Gruppen würdig und unwürdig. Nein, das Wort anaxios heißt nicht angemessen. Wer zum Abendmahl geht, obwohl er sich selber besser vorkommt wie ein anderer und meint, dass er höher gestellt ist wie ein anderer, der geht unangemessen zum Abendmahl. Also die ganzen Assoziationen mit Würde schiebt sie weg. Die sind völlig verfehlt. Sondern zu diesem Arrangement der Gerechtigkeit, der Akzeptanz und der Integration. Auch Judas hat teilgenommen. Judas war Teilnehmer des Abendmahls. War der würdig? Das ist einfach ein blödes Wort. Lass das Wort würdig weg. Jeder prüfe sich selbst, sagt Paulus. Er sagt nicht, einer prüfe den anderen. Mir hat vor ein paar Tagen ein junger Mann, der bei mir studiert hat, gesagt, er sei vom Pfarrer vom Abendmahl ausgeschlossen worden.

67:10
Ist ja eine nackte Katastrophe. Das ist das krasse Gegenteil von dem, was das Abendmahl will. Denn das Abendmahl ist ein Sündermahl. Die Zwölfer Truppe, das waren Versager wie wir alle. Keiner von uns hat das Abendmahl verdient. Keiner geht würdig zum Abendmahl. Wir sind alle beschenkte und völlig überrascht, was Jesus sich an dem Abend ausgedacht hat. Dass er ein Bedürfnis hatte, an diesem Abend seinen Jüngern etwas zum Ausdruck zu bringen. Das bis in unser Sterben uns Klarheit verschafft. Und jeder ist akzeptiert. Jeder ist integriert. Auf die gleiche Weise. Das Abendmahl ist wie vielleicht nichts anderes auf der Welt. Eine Quelle des Friedens, der Gerechtigkeit, der Integration und der Akzeptanz.

68:07
Das ist das Arrangement. Jeder nimmt teil auf die gleiche Weise und kriegt das Gleiche. Und so sicher, wie du das Brot kriegen wirst und den Wein, so sicher darfst du sein, dass Gottes Treue und Zusage dich hält. Aber du siehst auch beim anderen, dass er das Gleiche kriegt. Der darf sich auch sicher sein. So sicher wie du, so sicher jeder andere. Denn die anderen kriegen das Gleiche wie du. Also das sind die Gesten, das sind die Garten, das sind die Worte und das ist das Arrangement. Im Abendmahl feiern wir voller Jubel die Kontaktfreudigkeit Jesu, dass er sich von den Sündern hat einladen lassen, dass er Tischgemeinschaft mit den Sündern gehalten hat,

69:03
dass er so gesellig war, dass er sich unter den Sündern wohlgefühlt hat, dass er länger geblieben ist, als er musste. Und dass die Jünger, die Sünder dann gesagt haben, also wir haben bis jetzt immer gedacht, dass wir bei Gott schlecht angesehen sind. Und in die Synagoge gehen wir schon viele Jahre nicht mehr. Die religiösen Leute wollen ja von uns nichts wissen und wir wollen von denen nichts wissen. Aber du, du mit deinem Lebensstil, bei dir ist ja ganz anders, du lässt dich ja von uns einladen. Levi, der Zöllner, richtete ein großes Fest aus und lud Jesus ein und viele andere Zöllner, schwere Sünder. Und Jesus ist hingegangen und es wurde ein richtig gutes Fest. Und diese Sünder haben gesagt, ja, wenn Gott so ist wie du, dann müssen wir die Karten völlig neu mischen, denn du fühlst dich ja wohl bei uns. Und deswegen hat Jesus unglaubliche Wirkungen unter den Sündern hervorgerufen, weil Jesus erst mal mit ihnen essen wollte, weil Jesus weiß,

70:05
es gibt Dinge, die kann man nur sagen, wenn man am gleichen Tisch sitzt. Man kann sie nicht von einem Tisch zum anderen hinüber rufen. Es geht nicht. Und diese Sünderliebe, diese Kontaktfreudigkeit, diese Zuwendungslust und Zuwendungskraft, die hat Jesus auch in jener Nacht mit den Zwölfen bewiesen, die auch alle Sünder sind. Und deswegen ist gerade diese Nacht zu einem Baustein geworben, dass Paulus als Erster sagen konnte, wir sind alle Sünder. Die Zwölf auch. Und mit Männervorteil ist da nicht viel zu machen. Also wir feiern die Kontaktfreudigkeit Jesu. Wir feiern seine Zuwendungslust und Zuwendungskraft. Wir feiern die Ereignisse jener letzten Nacht, in der Jesus noch einmal zum Ausdruck bringen wollte, was unsere Basis ist. Nicht Gebote, nicht Ermahnungen, nicht Zurechtweisung und nicht Angst,

71:06
sondern Zusage, Versprechen. Und diese Treue, diese Zuwendungslust ist auch das Göttliche an Gott. Und von ihr leben wir alle. Und das feiern wir im Abendmahl.

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Vom Sinn des Abendmahls (Markus 14,17–19.22–26) | 3.8.1

Tübingen: 15. Dezember 2013 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Es ist ein Mythos, ein Ritus, vielen ein Rätsel, manchen ein Missverständnis: das Abendmahl. Siegfried Zimmer nähert sich dem letzten Abendessen Jesu ganz unprätentiös und stellt doch seine ungeheure Dimension ins Zentrum. Jesus nutzt den letzten Abend mit seinen Leuten nicht, um den Zeigefinger zu heben oder um Angst zu machen. Es geht Jesus nicht um Glamour, sondern um Hoffnung, nicht um Appelle, sondern um Integration, nicht um Strenge, sondern um Zuwendung. Zimmer deutet das Abendmahl als Quelle des Friedens, der Gerechtigkeit und der Akzeptanz. Niemand hat Brot und Wein verdient, aber jeder bekommt es – und darf leben.