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Jetzt kommt ein Thema, das hat mich schon vor dem Studium fasziniert. Insofern ist vielleicht da die Wahrscheinlichkeit auch höher, dass es auch diejenigen von Ihnen interessiert, die nicht so ein Faible für theologische Spekulationen haben. Ich erinnere mich zumindest gut, wie ich im Zivildienst hier in Köln im Fringsfädel im Krankenhaus in der Nachtwache heimlich theologische Bücher gelesen habe und dabei unter anderem die Einführung ins Christentum von Joseph Ratzinger gelesen habe und damals total von diesem Buch begeistert war und vielen anderen Büchern. Ich habe dann also Nachtwache für Nachtwache theologische Bücher gelesen und war immer mehr überzeugt, wie überzeugend das eigentlich ist. War immer faszinierter davon, dass ich jetzt auch denken kann, was ich vorher nur geglaubt habe. War immer faszinierter davon, wie überzeugend das

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Christentum eigentlich ist. Und dann habe ich mir die Frage gestellt, die Sie sich vielleicht auch mal gefragt haben, zumindest wenn Sie christlich erzogen worden sind. Vielleicht sind ja auch welche unter Ihnen, die sich bewusst erst als Erwachsene fürs Christentum entschieden haben. Aber mir war es so, ich bin schon ins Christentum hineingeboren worden, christlich erzogen worden, habe ich mich gefragt, was wäre denn, wenn ich in Indien groß geworden wäre oder in Iran? Würde ich dann nicht vielleicht jetzt genauso fasziniert Bücher von Vivekananda oder irgendwelchen hinduistischen Gelehrten lesen oder von Tabata Boy oder iranischen Gelehrten, schiitischen Gelehrten? Also ist das nicht arger Zufall, dass ich jetzt gerade in Deutschland groß geworden bin und nochmal dazu arger Zufall, dass ich an einen tollen Pfarrer geraten bin mit einer tollen Jugendarbeit und ganz

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viele positive Erfahrungen mit dem Christentum gemacht habe? Anders als meine älteren Geschwister, von denen viele dann relativ bald das Weite gesucht haben im Blick auf das Christentum. Also hat das nicht viel auch mit Zufall zu tun, dass ich jetzt gerade hier sitze, heute Nacht und eben so überzeugt bin, dass das Christentum gerade wahr ist, dass eben dieser Gott ein trinitarischer Gott ist, dass er sich in Jesus Christus gezeigt hat und nicht im Buddha oder in Mohammed oder wo auch immer. Das hat mir zu schaffen gemacht. Das hat mir richtig zu schaffen gemacht und hat mich sehr, sehr lange beschäftigt, diese Frage. Also die Frage, wenn Sie so wollen, wie kann ich einerseits ernst nehmen, dass die Bibel ja an ganz vielen Stellen sagt, wie wichtig dieser Jesus Christus

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ist? Also denken Sie nochmal Johannes 14, 6, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wo der Apostel geschickt, in keinem anderen Namen ist Heil. Und da könnte man jetzt, könnte ich den ganzen Vortrag nur Bibelstellen aneinander rein. Also einerseits Bibelstellen, die in einer harten auch Exklusivität deutlich machen, was Luther fasst in diesem Gedanken des Solus Christus. Allein in Christus ist die Zuwendung Gottes da, ist sein Heil da. Also einerseits dieser starke Wahrheitsanspruch, dieser starke Wahrheitsanspruch, der ja auch wichtig ist, um wirklich glauben zu können, dass Gott die Liebe ist, dass Gott in einer großen Menschenfreundlichkeit uns zugewandt ist. Wenn ich jetzt diesen Wahrheitsanspruch aufgeben würde, dann könnte es ja auch sein, dass Gott eben nicht in Jesus Christus definitiv gezeigt hat,

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dass er uns liebt. Dann kann es auch sein, dass Gott vielleicht manchmal schlechte Laune hat und alle möglichen Dinge tut oder dass Gott auch nicht existiert. Also einerseits gute Gründe, wirklich ernst zu nehmen, dass dieser Gott sich bestimmt hat in Jesus Christus und ich dem vertrauen darf. Andererseits doch das beklemmende Gefühl, dass das doch etwas merkwürdig wäre, wenn alle Menschen, die zufälligerweise nie etwas von Christus gehört haben, in die Hölle wandern. Das passt auch gar nicht zu dem Gedanken dieses guten Gottes, der das Heil aller Menschen will, 1 Timotheus 2,5. Also Gott will das Heil aller Menschen. Und wenn Gott etwas will, dann ist das

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nicht nur ein frommer Wunsch, dann muss das die Wirklichkeit verändern. Wenn Gott wirklich das Heil aller Menschen will, wenn Gott die Liebe ist, wenn er das ist, was wir in Jesus Christus glauben, dann darf ich einerseits gar nicht relativieren, dass ich das in Christus glauben kann und andererseits muss ich relativieren, dass ich nur durch Christus zu diesem Gott kommen kann. Denn sonst wäre dieser Gott überhaupt nicht zu verstehen in der Tatsache, dass es so viele Menschen gibt, die ja nicht mal die Chance haben, an das Christentum zu glauben. Denken Sie an die vielen Menschen, die vor Jesus von Nazareth gelebt haben. Malen Sie sich irgendeinen Südseeinsulaner aus, der einfach eben nie was von Christentum gehört hat. Es kann doch nicht sein, dass der deswegen schlechtere Chancen bei Gott hat oder dafür bestraft wird, dass er das Pech hat, nie was in der christlichen Botschaft gehört zu haben. Das hat mich schon ganz früh bewegt und ich wusste keine Antwort auf die Frage. Ich will

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versuchen jetzt in diesem Vortrag Ihnen vier verschiedene Antworten auf diese Frage vorzulegen, vier verschiedene Antworten, die in der gegenwärtigen theologischen Diskussion gegeben werden. Eine Antwort, die man als Exklusivismus bezeichnet, eine Antwort, die nennt man dann Inklusivismus, die dritte wäre der Pluralismus und die vierte dann die Komparative Theologie. Ich beginne also mit der ersten Antwort, der exklusivistischen Antwort, und die stelle ich Ihnen in zwei Versionen vor, einer sehr unsympathischen, die Sie hoffentlich auch unsympathisch finden und einer, die ich persönlich zwar nicht teile, aber die man sicher auch als sympathischer Mensch vertreten kann. Zunächst die unsympathischen. William Craig, ein evangelikaler amerikanischer Theologe, löst das Problem so, also das Problem mit den

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Südseeinsulanern und den Menschen, die nie was von der Botschaft Jesu Christi gehört haben und die Frage, warum die nicht zum Vater kommen, also warum die in die Hölle landen, in der Hölle landen. William Craig sagt, das ist so. Gott, so sagt er, hat mittleres Wissen. Mittleres Wissen ist Wissen um Dinge, die nicht wirklich passiert sind oder passieren wären, aber die passieren könnten. Also in der Philosophie spricht man von kontrafaktischen Konditionalen, also es geht darum, was wäre, wenn. Also zum Beispiel, was wäre, wenn Sie jetzt nach der Pause gegangen wären? Also Sie hätten ja gehen können und hatten vielleicht auch eine interessante Verabredung und dann wären Sie jetzt weg. Was würde dann passieren? Es könnte ja sein, dass Ihnen dann ein bestimmter Mensch begegnet, der Sie in eine wichtige Diskussion verwickelt, sodass Sie dann

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im Nachhinein denken, wie gut, dass ich gegangen bin. Es könnte auch sein, dass Sie sich furchtbar, dass Sie umknicken und denken, das war Gottes Strafe, dass ich nicht beim theologischen Vortrag geblieben bin. Also kann alles Mögliche passieren. Wir wissen es aber nicht, weil Sie ja hier sind. Das kann auch niemand von uns erfahren, weil Sie hier geblieben sind und Sie wissen ja, jetzt dürfen Sie nicht mehr rausgehen. Das stört sonst die Aufnahmen. Also insofern, wir kriegen das nicht raus. Die Frage ist jetzt, weiß Gott das, was passiert wäre, wenn Sie rausgegangen wären? Das nennt man mittleres Wissen. Also wenn Gott das weiß, dann hat er mittleres Wissen. Craig sagt jetzt, wenn Gott mittleres Wissen hat und er ist allwissend, also hat er auch mittleres Wissen. Wenn Gott mittleres Wissen hat, dann weiß er, wie ein Südseeinsulaner reagieren würde, wenn ihn jemand versuchen würde zu missionieren. Und er erschafft nur solche Menschen als Südseeinsulaner ohne christliche Mission,

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die sowieso Nein sagen würden. Und deswegen kommen Sie auch zurecht in die Hölle. Das ist also natürlich irgendwie eine widerspruchsfreie Lösung des Problems. Aber also ich hoffe, dass Sie das genauso unsympathisch finden wie ich. Sympathisch und unsympathisch ist natürlich kein Argument. Also mein Argument dagegen wäre, dass Gott eben kein mittleres Wissen hat. Also ich würde tatsächlich sagen, Gott hat kein mittleres Wissen, weil das menschliche Freiheit unmöglich macht. Also man kann sowieso auch darüber diskutieren, ob Gott überhaupt Vorherwissen der Zukunft hat. Aber das ist hier für unseren Zusammenhang nicht wichtig. Aber hat er Wissen von einer Zukunft, die gar nicht passieren wird? Das scheint mir doch hoch problematisch zu sein, wenn wir Freiheit ernst nehmen. Denn Sie wären ja, wenn Sie jetzt raus gingen, sind Sie ja frei in Ihrem Rausgehen, dann links oder rechts raus zu gehen. Gott weiß natürlich, was Sie jetzt auch wissen und erkennt Sie besser als Sie sich selbst.

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Aber wenn jetzt da draußen Sie herausgehen und dann kommt da gegenüber auf der anderen Straßenseite eine interessante Person männlichen oder weiblichen Geschlechts vorbei, Sie können sich das aussuchen, die kommt gerade voraus und guckt zu Ihnen rüber. Naja, also vielleicht gucken Sie ja gar nicht hin. Es gibt ja tausend Konstellationen, die in dem Moment möglich sind und Sie können tausendfach reagieren und das geht ja an jeder Straßenecke so weiter. Und Menschen machen manchmal lustige Dinge, reagieren sehr spontan. Soll Gott das wirklich alles wissen, was passieren würde, wenn bei jeder spontanen Reaktion jemand anders reagiert? Also da muss Gott ungefähr unendlich viele mögliche Welten kennen, die in jeder Sekunde eben nicht geschehen. Das ist ein ziemlich nutzloses Wissen, das es sehr schwer macht, noch Freiheit zu denken. Ich kann das jetzt nicht in Ausführlichkeit Ihnen ausführen, warum das die Freiheit, menschliche Freiheit zerstört,

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aber ich meine, das meinen viele Theologen in der Gegenwart, dass es keine gute Idee ist, Gott mittleres Wissen zuzusprechen. Wenn Gott aber kein mittleres Wissen hat, dann wird es wirklich schwer, diesen harten Exklusivismus zu verteidigen. Er widerspricht übrigens auch vielen Bibelstellen. Das ist auch noch mal ein wichtiger Punkt, denn die Bibel hat nicht nur Bibelstellen wie Keinem anderen Namen ist heil, sondern hat eben auch Bibelstellen wie, ich habe es eben gesagt, Gott will das Heil aller Menschen oder Matthäus 25, das Kriterium beim Gericht ist, ob du dich denen zugewendet hast, denen es dreckig geht, nicht ob du an Christus glaubst, sondern was ich Christus tue ist entscheidend. Wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht, sagt auch das Johannes-Evangelium. Also es kommt darauf an, Christus zu tun und im Tun zu begegnen. Und das geschieht eben, wenn ich mich dem Armen zuwende, wenn ich dem helfe, der mich braucht, wenn ich eben den Logos in seinem Anspruch

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und Zuspruch erkenne. Und natürlich hilft es dabei, das Evangelium zu lesen und sich an Jesus Christus zu orientieren, aber der Glaube allein, ohne dass er wirkmächtig wird, das ist auch bei Luther klar. Der Glaube allein hilft dir überhaupt nicht weiter. Bei Luther ist der Glaube, wenn er immer sagt, Solafide, allein der Glaube genügt, dann meint er immer einen Glaube, der sich im Werk zeigt. Es gibt keinen Glauben bei Luther und auch bei keinen anderen wichtigen Theologen, Glaube der vom Tun getrennt ist. Der Glaube zeigt sich immer, indem ich aus diesem Glauben lebe, indem ich ihn im Leben lebendig mache. Und insofern ist es dann schon interessant, dass die Bibel uns an vielen Stellen Hinweise gibt, dass dieses Leben aus dem Glauben eben auch ein Leben sein kann,

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das diesen Glauben gar nicht bewusst vor Augen hat. Das Spannende an Matthäus 25 ist ja, dass die Gerechten, die dann in den Himmel geschickt werden, fragen, nach denen ihnen der Richter, nach denen ihn Christus sagt, dass sie ihm begegnet sind im Kranken, im Notleidenden. Da fragen die ja, wann war das? Wir haben nichts davon gemerkt. Das wissen die gar nicht. Das heißt, die Gerechten wissen gar nicht, die Gerechten in dieser Weltgerichtszene, dass sie Christus getroffen haben, als sie dem Kranken besucht haben. Das erfahren sie jetzt erst durch die Begegnung mit Christus. George Lindbeck macht daraus den interessanten Gedanken, ein amerikanischer evangelischer Theologe, George Lindbeck macht daraus den interessanten Gedanken, dass wir eben, wenn wir nicht schon in diesem Leben Christus begegnen, dass wir dann im Tod Christus begegnen und dann eben aus dieser

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Begegnung heraus in die Entscheidung für oder gegen den Glauben finden. Diesen Gedanken werde ich gleich nochmal stärker machen und diesem Gedanken noch etwas nachgehen, weil er zu einer anderen Form, etwas sympathischeren Form des Exklusivismus führt. Aber der klassische Exklusivismus, also der Exklusivismus, der sagt, nur Christen kommen in den Himmel oder wahlweise, Sie können sich auch irgendeine Konfession aussuchen, nur Zeugen Jehovas kommen in den Himmel oder nur Katholiken. Ich habe Ihnen da auch ein Zitat mitgebracht, das war ja lange Zeit Lehre auch der katholischen Kirche. Noch lange vor der Spaltung in evangelisch-katholisch lehrte die Kirche schon, ich lese Ihnen das mal vor, aus dem einem Dekret des Konzils von Florenz 1442. Sie, also die römisch-katholische Kirche, glaubt fest, bekennt und verkündet, dass niemand, der sich außerhalb der katholischen Kirche

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befindet, nicht nur keine Heiden, sondern auch keine Juden oder Heretiker und Schismatiker, also Heretiker und Schismatiker, das sind dann die nicht-katholischen Christen. Das wären auch die Protestanten, wenn es die schon gäbe. Dass also die alle des ewigen Lebens nicht teilhaftig werden können, sondern dass sie in das ewige Feuer wandern werden, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist, wenn sie sich nicht vor dem Lebensende ihr angeschlossen haben. Und niemand kann, wenn er auch noch so viele Almosen gibt und für den Namen Christi sein Blut vergießt, gerettet werden, wenn er nicht im Schoß und in der Einheit der katholischen Kirche bleibt. Das könnte Ihnen natürlich relativ egal sein, wenn das nur in der katholischen Kirche gelehrt worden wäre, aber da tun sich die gegen die verschiedenen christlichen Kirchen nicht viel, sondern sie haben über die Jahrhunderte der Geschichte hinweg immer wieder betont, dass es nur bei ihnen das Heil gibt. Und die etwas Netteren

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haben dann vielleicht gesagt, bei den anderen vielleicht auch, aber sicher nicht bei den Nicht-Christen. Also wer nicht an Christus glaubt, kommt wie ein geölter Blitz in die Hölle. So ein Gedanke, der den christlichen Glauben lange Zeit durchzogen hat und der sich ja auch auf bestimmte Bibelferse stützen kann. Ich habe es aber schon darauf hingewiesen, dass es eben auch die anderen Bibelferse gibt und es ist ganz interessant, dass auch die ersten Kirchenväter an dieser Stelle sehr unterschiedliche Wege gegangen sind. Also von Anfang an, schon in den ersten christlichen Jahrhunderten, haben die Theologen und Theologinnen gesehen, man muss nicht so exklusivistisch denken. Schon der allererste Kirchenvater, Justine der Märtyrer, im beginnenden zweiten Jahrhundert nach Christus, schon Justine der Märtyrer hat die Idee entwickelt, dass es so etwas gibt wie den Logos Permaticos,

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den samenhaften Logos. Dass also das, was in Jesus Christus in der Fülle da ist, auch an vielen anderen Stellen erfahrbar ist, etwa in der Philosophie, bei Platon, bei Sokrates, so Justine. Und an vielen anderen Orten, überall wo Menschen Erkenntnisse gewinnen, überall wo Menschen in Berührung mit Gott kommen, da ist der Logos da, so schon Justine. Was damals ein bisschen lustig war, dass der das so gesagt hat, weil das Christentum eine kleine Sekte war, er war da in Rom und dann kommt dieser kleine lustige Theologe und behauptet, die gesamte Welt, Weisheit ist alles in Christus da. Aber eben auch bei den anderen nur nicht so gut wie in Christus. Also er hat sich damit nicht wirklich viele Freunde gemacht, aber er hat einen ganz wichtigen Weg begonnen, nämlich den Weg, dass das Christentum auf die Welt zugeht und sieht,

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in dieser Welt finden wir die Wahrheit, die auch bei uns ist. Das ist der Weg, den Justine der Märtyrer begonnen hat, den auch Thomas von Aquin gegangen ist und viele andere Kirchenlehrer, die immer sagen, das was in Christus explizit da ist, ist implizit auch außerhalb der Kirche da. Diese Theologen haben immer von der Ekklesia ab Abel gesprochen, also der Kirche seit Abel. Nicht Adam, weil der ja ein ziemlicher Sünder war, aber der Abel, der hat ja ganz guten Job gemacht, so ist dann leider früh gestorben, wie Sie wissen. Aber jedenfalls ist das dann der erste Gerechte und gehört deswegen zur Kirche, zur unsichtbaren Kirche. Und da können eben alle möglichen Leute dazu kommen. Diese inkludierende Bewegung, dieses Hineinnehmen stand also von Anfang des Christentums

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an, sowohl in der Bibel als auch in den ersten kirchlichen Lehren, gegen diese harte, exkludierende Bewegung, dieses ausschließende, das Sie eben in diesen Text des Konzils von Florenz gehört haben, das an dieser Stelle den Augustinus-Schüler Fulgenzius von Ruspe zitiert, einen, der besonders hart diese Tendenz vertreten hat, dass wirklich nur die, die im Schoß der Kirche sind, in den Himmel kommen können. Sie wissen, dass das innerhalb der christlichen Kirchen bis heute nicht wirklich klar ist, wie man sie hier positionieren soll. Katholisch ist das mittlerweile klar. Interessanterweise hat das katholische Lehramt an dieser Stelle die Position ein wenig verändert, und zwar kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Das war eine ganz interessante Begebenheit, die ich deswegen gerne erzähle, weil da ein Jesuit in Boston mit dem Namen Phinni, dieser Jesuit hatte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die glänzende Idee, den gerade aus Deutschland

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entkommenen Juden, den paar, die überlebt haben, zu sagen, dass es doch eine super Idee für sie wäre, zum katholischen Glauben zu konvertieren, damit sie nicht in die Hölle kommen. Überhaupt meinte er, dass es eigentlich mal Zeit wird nach dem moralischen Desaster des Zweiten Weltkriegs, dass endlich alle katholisch werden, damit wir keine Kriege mehr haben und alles gut wird. Das war Rom einigermaßen peinlich, weil er da ziemlich viel Furore gemacht hat und gerade in den USA. Ich meine, die USA ist ja ein auch christlich sehr pluralistisches Land, da sind die Katholiken nicht gerade in der Mehrheit und doch kommt ja auch viel Geld aus den USA nach Rom. Also das war jetzt nicht so, dass der Papst gesagt hat, das waren jetzt genau die Ideen, die wir gebraucht haben, sondern er hat dem Phinni geschrieben und gesagt, es ist schön, wenn er mal einfach die Klappe halten würde. Hat er aber nicht. Er hat gesagt, ja guck mal, da steht das USA Konzip von Florenz, da steht das, ich werde das ja wohl noch sagen dürfen. Dann ging das ein bisschen hin und her und dann wusste sich der Papst am Ende nicht mehr zu helfen,

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dass er wusste, es ist kein anderen Weg mehr, den zum Schweigen zu bringen, als ihn zu ex kommunizieren. Das ist kein sehr netter Vorgang, aber und für Phinni war es ein sehr tragischer Vorgang, weil sie wissen, was der jetzt denkt, was mit ihm passiert, wenn er außerhalb der Kirche ist. Das ist ziemlich übel, aber so tragisch es für ihn jetzt als Person war, so gut ist das für die katholische Kirche insgesamt. Wenn sie also einen Katholiken treffen, der sagt, nur Katholiken kommen in den Himmel, können sie sagen, okay, damit bist du raus. Du weißt, was mit dir passiert. Katholiken dürfen das nicht mehr sagen. Das hat gewissermaßen der Papst damals verboten. Das zweite Vatikanische Konzil hat das dann natürlich bestätigt und genauer begründet. In evangelischen Kirchen ist das nicht so ganz klar. Da gibt es ja manche evangelikale Gruppierungen, die durchaus der Meinung sind, dass gerade Katholiken auf jeden Fall in die Hölle kommen und auch viele andere noch dazu. Insofern ist das Problem damit ja nicht gelöst, was die Christenheit insgesamt angeht. Aber ich meine, also so ein kruder, klarer Exklusivismus, der sagt,

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also nur Christen kommen in den Himmel, ist eigentlich mit dem christlichen Glauben überhaupt nicht vereinbar, weil nicht verständlich ist wie ein Gott der Liebe, so viele Menschen, die aus welchen Gründen auch immer sich nicht dem Christentum öffnen können, in die Hölle schicken. Insofern wird außer jetzt von evangelikalen Theologen wie Craig mit ihren merkwürdigen Theorien eigentlich von sehr wenigen ein so harter Exklusivismus vertreten. Es gibt eine softe Variante, die viel sympathischer ist. Diese softe Variante ist die, die zum Beispiel Karl Barth vertritt oder auch der eben erwähnte George Lindbeck. Und diese softe Variante besteht jetzt daran zu sagen, ich weiß einfach nicht, was mit Nicht-Christen passiert. Vielleicht kommen die auch in den Himmel. Oder Barth tendiert sogar ein bisschen dazu zu sagen, in Christus sind alle Menschen erlöst, kommen alle in den Himmel, aber nur wegen Christus. Also entweder ich nehme die anderen mit rein wegen Christus oder ich sage einfach, ich weiß es nicht. Und Lindbeck hat

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ja diese clevere Theorie, dass er sagt, nach dem Tod begegnen ja alle Christus und dann entscheidet sich's. Wenn ich in diesem Leben schon Christus begegnet bin, dann habe ich ja jetzt schon Ja gesagt oder Nein, was dann schlecht wäre in diesem Fall. Aber nach dem Tod habe ich noch mal die Chance. Dann begegnet er mir noch mal und dann kann ich wieder überlegen, Ja oder Nein. Wenn ich dann Nein sage, dann Hölle, aber ich könnte ja auch Ja sagen. Ich muss zugeben, dass ich diese Idee der Begegnung mit Christus nach dem Tod, in der man sich dann entscheidet für oder gegen ihn, ein bisschen komisch finde. Ich habe Schwierigkeiten, mir das vorzustellen. Vielleicht bin ich auch zu fantasielos, aber ich versuche mir jetzt so vorzustellen, wie ich tot bin. Na dann ist auf jeden Fall irgendwie vorbei. Keine Ahnung, wie sich das anfühlt. Also wahrscheinlich fühlt sich gar nichts an. Und dann auf einmal steht da dieser Nazarener vor mir, dieser Palästinenser und fragt mich, ob ich an ihn glaube. Ich müsste ziemlich bescheuert sein, dann Nein zu sagen. Ich meine,

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in dem Moment habe ich doch zumindest eine Sache ist dann klar. Okay, dann hatten die Christen wohl doch recht. Es wäre ja ziemlich riskant, an dieser Stelle Nein zu sagen. Überhaupt ist es etwas schwer, sich diese Situation auszumalen, weil das, was nach dem Tod geschieht, ja wahrscheinlich keine Parallelwelt ist, in der ich dann rumlaufe und mir ein Palästinenser begegnet. Also das Jenseits wird ja wahrscheinlich nicht räumlich ausgedehnt sein mit Gärten oder Begegnungen in dieser Form. Insofern, dass ich das so vorzustellen, dass ich dann noch frei sein soll, kommt mir sehr schwierig vor. Aber vielleicht können Sie das. Vielleicht sind Sie fantasievoller und begabter als ich und haben wie Lindbeck ein Szenario vor Augen, wie Sie Jesus nach dem Tod begegnen und sich dann noch überlegen können, warum Sie Ja oder Nein sagen. Dann habe ich aber ein großes Problem von Theodizeproblemen her gesehen. Wenn es so wäre, dass das Entscheidende

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nach dem Tod passiert, also dass das Entscheidende, woraus im Leben ankommt, das ist ja, ob ich zu Christus Ja oder Nein sage, wenn das erst nach dem Tod passiert, wenn das die Lösung ist, dann frage ich mich ja, warum uns Gott eigentlich dieses merkwürdige Leben zumutet. Also ist jetzt etwas blöd von mir, das zu sagen, weil ich zugeben muss, dass ich ein sehr tolles Leben habe, was mich eigentlich jeden Tag mit neuem Glück erfüllt. Aber wenn wir uns ein bisschen in der Welt umschauen, sehen wir ja doch, dass es ziemlich viele Menschen gibt, denen es ganz schön dreckig geht und denen es sicher sehr schwer fällt, zu diesem Leben Ja zu sagen. Wenn ich jetzt nicht sagen kann, der Grund, warum es so viel Leiden in der Welt gibt, ist eben, dass Gott menschliche Freiheit ernst nimmt. Und so ernst, dass alles auf diese Freiheit ankommt. Und stattdessen sage ich, in der Freiheit kann man auch im Jenseits haben, in der Begegnung mit Jesus, dann weiß ich überhaupt nicht mehr,

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wie ich auf die Frage nach dem Leiden in der Welt antworten soll. Gut, das wäre wieder ein eigenes Thema, das jetzt im Einzelnen durchzugehen. Vielleicht würden Sie sagen, auf die Frage nach dem Leiden in der Welt kann man sowieso nicht antworten. Aber mir scheint das doch ein starkes Argument gegen die Idee einer Freiheit im Jenseits zu sein. Und deswegen würde ich mit vielen anderen Theologen und Theologinnen sagen, nach dem Tod sind wir nicht mehr frei, uns für oder gegen Gott zu entscheiden, sondern dann wird das offenbar, was als Entscheidung in diesem Leben passiert ist. Meine Freiheit wird gewissermaßen ausgezeitigt. Sie wird in die Gegenwart Gottes hinein verwandelt. Aber es ist nicht so, dass ich nach dem Tod neue Prüfungen zu bestehen habe und damit Jesus neuen Kaffeeklatsch mache. Das wäre da jedenfalls mein Problem an dieser Stelle. Wenn Sie dieses Problem teilen, dann ist die Position von Lindbeck eigentlich in sich zusammengebrochen. Also die Idee,

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dass die eigentliche Entscheidung nach dem Tod passiert. Und es wird ganz schwer, diesen Exklusivismus auch in der sympathischen Form weiter zu vertreten. Sie können allenfalls natürlich sagen, und das tun manche Exklusivisten, einfach Stimmenthaltung. Sie können dann sagen, okay, ich weiß, in Christus ist das Heil. Ich weiß, in Christus habe ich die Wahrheit. Und was mit den anderen ist, darüber bin ich schlicht nicht informiert. Also im Evangelium ist keine Information über den Islam enthalten. Also muss ich darüber auch nichts sagen. Da kann man jetzt nichts gegen sagen. Aber deswegen habe ich auch gesagt, es ist eine sympathische Form des Exklusivismus. Man spricht dann auch von einem unentschiedenen Exklusivismus. Ich bin halt unentschieden, wie ich mit Menschen anderer Religionen umgehen soll. Aber mir scheint das auch eine problematische Position zu sein, wenn ich das Gebot der Nächstenliebe ernst nehmen möchte.

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Denn die Nächstenliebe und sogar Feindesliebe setzt ja doch voraus, dass mir andere Menschen nicht egal sind und dass ich einfach sage, naja, was du glaubst, verstehe ich sowieso nicht. Ich weiß auch nicht, wie ich das zu bewerten habe. Mach du einfach dein Ding, ich mache mein Ding. Sondern die Liebe setzt ja voraus, dass ich mich die andere Person interessiert und dass ich versuche zu sehen, kann ich das würdigen, was du glaubst? Oder muss ich sagen, das, was du da glaubst, damit verstrickst du dich in eine riesige Katastrophe? Ich meine, es gibt ja im Christentum durchaus so etwas wie einen Missionsauftrag und die Idee, dass wir etwas anderen Menschen zu sagen haben, was sie auch herausreißen kann aus vielleicht einer Verzweiflung, tiefen Verzweiflung an diesem Leben. Ich will also keineswegs die Position vertreten, dass alle nicht Christen zum Christentum

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konvertieren müssten oder sich überzeugen lassen müssten. Das wäre dann exklusivistisch gedacht. Aber jetzt zu sagen, in diesem Sinne ist unentschieden, Exklusivismus, ich weiß eh nicht, was mit den anderen ist, also lassen wir sie mal, scheint mir jetzt auch keine sehr überzeugende Position zu sein. Insofern, ich brauche doch irgendetwas, was mir hilft wahrzunehmen, was kann ich wertschätzen, was kann ich würdigen, was kann ich an mich heranlassen aus anderen Religionen und wo muss ich sagen, dass da muss ich einschreiten, da muss ich eingreifen, vielleicht auch missionieren. Insofern scheint mir der Inklusivismus plausibler zu sein als der Exklusivismus. Exklusivismus, wie gesagt, sagt, Christentum gibt es nur im Heil, nur im Christentum gibt es Heil, nur Christen kommen den Himmel, nur Christen haben die Wahrheit. Alle anderen landen in der Hölle,

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wäre die unsympathische Form des Exklusivismus zu sagen, über die anderen sage ich nichts, dann die sympathische Form. Der Inklusivismus versucht jetzt doch etwas über die anderen zu sagen und zwar etwas zu sagen von Christus her, also gewissermaßen den Gedanken von Matthäus 25 ernst zu nehmen und zu sagen, in dieser Weltgerichts-Szene Matthäus 25 wird mir ja klar gesagt, was das Kriterium ist. Da wird mir klar gesagt, wenn du kannst Christus begegnen, du kannst Christus begegnen, auch ohne um ihn zu wissen. Der Logos Gottes als Anspruch und Zuspruch begegnet eben allen Menschen, in dem denn es dreckig geht, in dem der meine Hilfe braucht und daran entscheidet es sich letztlich, ob ich zu Christus ja sage oder nicht. Insofern würde der

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Inklusivismus, deswegen heißt der auch Inklusivismus, inklusiv, inkludieren den anderen sagen, ich nehme dich mit rein in mein Kriterium, mein Kriterium ist Christus, mit der Christusbrille schaue ich gewissermaßen auf die Welt, von Christus her weiß ich, was die Wahrheit ist und wenn du sie auch tust, dann kommst du auch zum Licht. Auch wenn du es gar nicht merkst. Karl Rahner, der große katholische Theologe Karl Rahner spricht deswegen an dieser Stelle von den anonymen Christen, von denen, die also Christen sind, ohne darum zu wissen, den namenlosen Christen. Dietrich Bonhoeffer hat in seinen Briefen kurz vor seinem Tod aus der Haft von dem unbekannten Christus gesprochen, dem unbekannten Christus bei den nicht an Christus Glaubenden. Und das ist auch interessant, wie Bonhoeffer zu dieser Idee gekommen ist. Er hat ja, nachdem er da sein Leben riskiert hat im Widerstand gegen Hitler,

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nachdem er in diese konspirative Verschwörung hineingegangen ist und eben dann von der Gestapo verhaftet wurde, weil die Sache aufgeflogen ist, hat er festgestellt, wer ist eigentlich mit mir jetzt hier im Gefängnis der Gestapo? Wer sind denn die anderen Leute, die gegen Hitler kämpfen? Sind das alles Christen? Das war leider keineswegs der Fall. Da waren ziemlich wenige Christen, die da mit ihm im Gefängnis saßen, ziemlich wenig Christen, die sich da gegen Hitler gekämpft haben, dagegen sehr viele deutsche Christen, die auf der Seite von Hitler waren. Da waren Atheisten, da waren Kommunisten, da waren Sozialisten, die saßen mit ihm zusammen. Natürlich nicht nur, aber eben auch. Und daraus hat er so eine neue Hermeneutik entwickelt, eine neue Herangehensweise, ein neues Verstehen von Menschen außerhalb des Christentums. Er hat entdeckt, das sind ja Mitstreiter. Und dann soll ich sagen,

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nach dem Tod landen die alle in der Hölle und ich komme in den Himmel? Da stimmt doch was nicht. Da soll ich sagen, ich habe die Wahrheit, die ist die Nichts. Deswegen spricht er von dem unbekannten Christus oder eben Rana von dem anonymen Christus. Also mit Matthäus 25 gesprochen, eben die Gerechten, die nicht wissen, dass sie Christus begegnet sind, wenn sie dem helfen, dem es dreckig geht. Aber die sind Christus begegnet und sie haben damit Wahrheit getan und sie kommen damit zum Heil. Das ist gewissermaßen die Idee des Inklusivismus. Eine deutlich, meine ich, deutlich sympathischere Idee als die exklusivistische und eine Möglichkeit, positiv auf andere Religionen zuzugehen. Das zweite Vatikanische Konzil argumentiert hier in diese Richtung in seinen verschiedenen Dokumenten und versucht, so würdigend, positiv wertschätzend auf andere Religionen zuzugehen.

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Viele evangelische Kirchen der Gegenwart versuchen, ähnliche Wege zu finden in der Wertschätzung anderer Religionen. Trotzdem hat die Sache natürlich irgendwie ein Geschmäckle. Irgendetwas ist daran nicht ganz so astrein. Sprechen Sie mal mit jemandem, der kein Christ ist und machen ihm klar, du bist ein anonymer Christ, du folgst dem unbekannten Christus. Der freut sich nicht wirklich darüber, vermutlich. Er wird ihnen sagen, nein, ich habe dem Armen da nicht geholfen, weil ich anonym Christus suche, sondern wenn er jetzt Muslim ist, weil mir der Koran Werke der Barmherzigkeit vorschreibt oder wenn er Jude ist, weil er die Thora befolgt oder wenn es ein Atheist ist, sagt er vielleicht, weil ich Humanist bin. Er hat hier seine eigene Gründe, seine eigene Logik und ich stülpe jetzt meinen Christus Logik darüber. Das ist nicht sehr sensibel für die

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Andersheit des anderen und damit auch wieder ein Problem, wenn ich Liebe ernst nehmen will. Wenn ich jetzt einen anderen Menschen, wenn ich meinen Nächsten wirklich lieben soll, dann sollte ich ihn ja nicht nur mit meinen Augen betrachten und ihn toll finden, weil er das macht, was ich sowieso immer schon toll fand, sondern eigentlich wäre Liebe doch erst Wirklichkeit, wenn ich die andere Person auch in dem toll finden kann, wo sie anders ist als ich. Jetzt können sie natürlich zu Recht sagen, naja, wenn die andere Person aber etwas toll findet, was meinem widerspricht, wie soll ich sie denn da würdigen? Also wenn jetzt, um das Beispiel von eben nochmal aufzugreifen, wenn also meine Frau sich viele Schuhe kauft, dann kaufe ich mir zwar nicht viele Schuhe,

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aber das widerspricht ja nirgends meinen Glaubenssätzen. Das kann ich toll finden. Aber wenn sie jetzt also auf einmal Waffen kaufen würde, um mich mit diesen Waffen umzubringen, könnte ich das schlecht toll finden. Jedenfalls wäre ich dann schnell tot, wenn ich es toll finde. Es gibt ja durchaus Widersprüche, die schwer zu wertzuschätzen sind, zum Beispiel zwischen Christen und Muslimen die Tatsache, dass viele Muslime meinen, dass im Koran stünde, dass Jesus nicht gekreuzigt wurde. Da ist ja diese eine Vers, vielleicht haben Sie das auch schon mal einem muslimisch-christlichen Dialog gemerkt, dass also viele Muslime meinen, man müsse diesen Vers so verstehen, als sei Jesus nicht gekreuzigt worden. Wäre natürlich ein bisschen gemein von Gott eigentlich, wenn er jetzt Christen 600 Jahre lang in dem Dunkeln tappen lässt, dass sie immer denken, Gott ist gekreuzigt worden, Jesus ist gekreuzigt worden, dann auf einmal kommt der Koran, haha, jetzt sehen wir, er ist doch nicht gekreuzigt worden. Aber gut, dann auf dieses

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Argument sagen, dann muss man immer, naja, im Koran steht ja auch, dass Gott die Christen verwirrt hat und durcheinandergebracht hat und Gott ist halt sehr erfolgreich, ist der beste Fallensteller. Insofern, deswegen habt ihr euch halt geirrt. Und fies war das nicht, weil ihr ja durchaus auch die Leute des Buches wertschätzt und ihr Christen ja auch tolle Leute seid, nur leider wurde Jesus nicht gekreuzigt, da irrt ihr halt. Da kann man jetzt als Christ ja nicht sagen, das wertschätze ich. Also, ich kann ja nicht sagen, dass es genauso war, wie der christliche Glaube. Also der christliche Glaube basiert ja darauf, dass es ein historisches Ereignis war, dass Jesus gekreuzigt wurde. Also, wenn Jesus nicht gekreuzigt wurde, dann haben wir schon ein Problem. Insofern, wenn jetzt jemand sagt, es ist eine historische Tatsachenaussage, also entweder Jesus wurde gekreuzigt oder wurde nicht gekreuzigt. Insofern, da haben wir schon einen echten Widerspruch und es gibt eine ganze Reihe von echten Widersprüchen zwischen den Religionen. Da wird es also schwierig. Insofern

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kann man da schon die inklusivistische Intuition verstehen, die sagt, ich kann nicht einfach kriterienlos sagen, ich finde alles toll, was andere sagen. Also insofern, ja, es braucht ein Kriterium. Aber wenn das Kriterium Christus ist, wenn das das einzige Kriterium ist, dann kann ich ja beim anderen nur das toll finden, was in meinem Kriterium schon drin ist. Und vielleicht gibt es ja beim anderen Dinge, zu denen mein Kriterium gar nichts sagt. Nehmen wir zum Beispiel die Schönheit der Rezitation des Koran. Ich weiß nicht, ob Sie mal eine Koranrezitation gehört haben, aber das ist wirklich schön. Also ich weiß noch genau, wie ich einen atheistischen Studenten von mir mal zu einer Koranrezitation mitgebracht habe und ihm gesagt habe, also wie berückend die Ästhetik dieser Rezitation ist. Er hat gedacht, ich spinne sowieso, bin ja auch Theologe, die spinnen immer.

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Und dann war er mit bei dieser Koranrezitation und es hat ihn total aus den Latschen gehauen. Also der war sowas von fasziniert von der Schönheit dieser Rezitation. Er ist deswegen kein Muslim geworden und auch nicht Christ, gar nichts, weil weiter hatte er es. Aber er hat zugegeben, wow, da ist was dran. Da ist eine Schönheit. Navid Kermani, hier unser Kölner Vorzeigemuslim, der sagt ja so schön, ist schon in seiner Dissertation, Gott ist schön. Gott ist schön, macht er deutlich als Kernaussage des Koran. Ja, ich weiß nicht, ob das, also in meinem Christuskriterium war das nicht drin, muss ich zugeben. Also vielleicht ist Christus bei Ihnen schön, kann sein, das war mir immer egal, ob der schön ist oder nicht. Und ich muss auch zugeben, bei mir war jetzt mir noch nie wichtig, wie die Bibel gesungen wird. Also vielleicht singen sie heimlich immer die Bibel und die muss auch gut gesungen werden. Und ich weiß auch, um manchen orthodoxen Christentümern ist das Singen der Bibel sehr wichtig. Ich weiß auch, dass es das in der

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katholischen Tradition gibt, ein Singen der Bibel, aber kennen Sie eine Bekehrungsgeschichte, wo ein Christ Christ wird, weil die Bibel so schön gesungen wurde? Also das ist zumindest relativ selten. Während Sie, wenn Sie gucken, warum werden Muslime Muslime, was sind die Bekehrungsgeschichten? Haben Sie zig Bekehrungsgeschichten, die laufen alle so, dass da einer, die den Koran rezitiert, hört und ihn so schön findet, dass er sofort konvertiert? Jetzt meine ich, dass dazu das Christuskriterium, jedenfalls so wie ich es kenne, nicht sagt. Was mache ich jetzt mit dieser Erfahrung? Vielleicht ist Gott ja auch schön und vielleicht zeigt er das im Koran. Und vielleicht kann ich ja sogar etwas dadurch entdecken, in meiner eigenen Religion tiefer verstehen an der Schönheit Gottes, die ja vielleicht im Christentum auch da ist. Ich habe es nur noch nicht gesehen.

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Aber das funktioniert mit einer inklusivistischen Brille nicht. Wenn Sie immer diese inklusivistische Brille haben und denken, ich habe schon die Wahrheit oder ich messe zumindest die Wahrheitsansprüche der anderen an dem, was ich schon von der Wahrheit verstanden habe. Also auch Inklusivisten würden ja nicht sagen, ich habe die Wahrheit, aber eher die Wahrheit hat mich. So hat das Benedikt XVI. immer ausgedrückt, weil er immer demütig sein wollte. Also die Wahrheit hat mich nicht. Ich habe die Wahrheit und sie hat mich auch nie ganz. Aber das, was mich hat von der Wahrheit, das ist ja schon mal was. Und das ist mein Kriterium. Wenn das mein Kriterium ist, dann kann ich das, was anders ist, beim anderen niemals wertschätzen. Und das scheint mir ein großes Problem zu sein. Dann scheint mir was zu fehlen von dem, was wir Liebe nennen. Denn Liebe ist die Wertschätzung von Andersheit. Deswegen meine ich eigentlich, dass der Inklusivismus auch keine mögliche christliche

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Position ist, jedenfalls eine hoch problematische. Könnten wir die dritte versuchen, die dritte würde jetzt sagen, und die klingt im ersten Moment super sympathisch. Die dritte würde sagen, okay, dann nimm nicht Christus als Kriterium, sondern nimm ein neutrales Kriterium. Und sag nicht deine Religion ist besser als die anderen, sondern sag, alle Religionen sind Wege zu dem einen Gott. Und sag nicht Gott, weil sonst Buddhisten vielleicht unzufrieden sind, sag das wirkliche. John Hick ist ein sehr bekannter Theologe aus dem englischsprachigen Raum, der diese Form von Theologie der Religionen entwickelt hat. Nennt das auch eine pluralistische Theologie der Religion, weil sie eben pluralistisch sein will und unterschiedliche Wege zu dem einen Wirklichen anerkennt als gleichberechtigt. Man kann versuchen, sich diese pluralistische Idee klar

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zu machen an einem alten buddhistischen Gleichnis, das von einem Elefanten spricht, der in der Mitte von Blinden in eine Arena geführt wird. Und zwar von Blinden, die alle noch nie einen Elefanten gesehen hat. Das ist eine ganz alte Legende, die ursprünglich aus dem Buddhismus kommt, aber die eigentlich gewandert ist und in verschiedenen Religionen immer wieder zitiert worden ist. Die Blinden streiten sich jetzt, sie sollen sagen, was sie da anfassen. Die streiten sich. Der eine hat den Rüssel und sagt, das ist eine Schlange. Der nächste hat ein Bein und sagt, das ist ein Baumstamm. Jeder hat irgendeinen Teil von diesem Elefanten und dann streiten sie sich wie die Kesselflicker, wer recht hat. Der König sitzt davor mit seinem Volk und die lachen. Die dummen Blinden. Die dummen Blinden, die streiten sich aber ja nur, weil sie nur einen

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Teil sehen. Wenn sie das Ganze sehen würden, dann wüssten sie, es gibt gar keinen Grund zum Streit. Und so sagt John Hicks, so ist das vielleicht ja auch mit den Religionen. Die streiten sich wie Jack, aber nur, weil sie andere Perspektiven auf Gott haben, weil sie andere Dinge wichtig sind. Wenn sie den Gott sehen würden, wie er an sich ist, dann wüssten sie, es gibt gar keinen Grund zum Streit. Hick ist jetzt sehr wichtig, dass auch er nicht weiß, wie Gott an sich ist. Er ist nicht der König, der jetzt alles sieht. Aber er sagt, ist es nicht eine plausible Annahme, dass wir alle gewissermaßen auf unterschiedlichen Wegen zu dem einen Gipfel gehen und uns nur streiten, weil wir den anderen Weg nicht verstehen? Ist es nicht eine plausible Annahme, dass der, der eben jetzt vom

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Koran sich inspirieren lässt, einfach nur einen anderen Weg geht und andere Akzente setzt als wir, aber dass da gar keinen Grund besteht, sich zu streiten? Nun, ich habe Ihnen ja eben schon ein Beispiel gegeben, warum diese Position ziemlich irrational ist. Es gibt direkte Widersprüche zwischen den Religionen. Ob Jesus gekreuzigt wurde oder nicht, ist die Frage nach einer historischen Tatsache. Das kann nicht beides zugleich wahr sein. Sie können nicht nur, weil sie auf unterschiedlichen Wegen sich befinden, auf einmal, das kann nicht einmal das eine wahr sein und einmal das andere. Klar, es kann sein, weil sie auf einem anderen Weg unterwegs sind, dass sie die Kreuzigung nicht sehen und deswegen denken, dass sie nicht gekreuzigt würden. Aber dann haben sie Unrecht. Das kann nicht

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beides zugleich wahr sein. Wenn ich dieses Argument den Vertretern der pluralistischen Religionstheologie sage, also Peri Schmidt-Leukl ist der bekannteste hier in Deutschland, dann sagen wir immer, naja, das stimmt schon, aber das ist ja auch nicht so wichtig. Also das ist ja jetzt kein zentraler Punkt für Muslime, ob Jesus gekreuzigt wurde oder nicht. Für uns Christen ist das vielleicht wichtig, aber für den ist das ja egal. Also sollten wir uns auch nicht streiten. So einfach ist das nicht, weil wenn das im Koran steht, also ich würde übrigens sagen, dass es da nicht drin steht, da streite ich mich auch mit Muslimen gerne drüber. Das ist dieser Vers, Sie können das mal lesen, Sure 4, Vers 159, also jetzt mal genau angucken. Da steht nicht, dass er nicht gekreuzt wurde, aber 99 Prozent der Muslime sagen, das steht da. Und 100 Prozent der Muslime glauben, dass der Koran das Wort Gottes ist. Wenn Gott sagt, Gott selbst sagt, Jesus wurde nicht gekreuzigt, dann ist

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das jetzt nicht, das ist nicht so wichtig, das ist kein wirklicher Gegensatz, sondern das ist ein ziemlicher Hammer. Und für Christen, das kann nur niemand bestreiten, hängt da alles dran, vom Kreuz hängt alles ab im Christentum. Insofern, es gibt echte Widersprüche und zwar nicht an irgendwelchen Seitenfaden so Geschmacksfragen, sondern im Zentrum der Religion gibt es Widersprüche. Dann kann ich doch nicht sagen, die gucken alle auf dasselbe und haben nur unterschiedliche Wege. Also klar, das klingt irgendwie sympathisch und passt auch gut in unsere Zeit. Man ist nett zueinander und sagt, ja okay, du glaubst eigentlich zu was anderes als ich, aber es genauso war wie meins. Aber wenn sich das doch widerspricht, dann ist jede Rede von Wahrheit zu Ende. Das kann man ja sympathisch finden, dass man nicht von Wahrheit reden soll, aber ich glaube, christlich ist das nicht möglich. Also Jesus sagte, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Also es geht schon, der christliche

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Glaube ist unaufgehbar auch damit verbunden, dass das wahr ist, dass Gott uns liebt, dass es wahr ist, dass er eine Beziehung zu uns sucht. Und auf diesen, dass, also ich mag eigentlich nicht diesen Gedanken des Wahrheitsanspruchs. Wir beanspruchen da, haben da nichts zu beanspruchen, aber es ist wirklich ein Beanspruchsein durch diesen Gott, der etwas von mir verlangt. Ich bin mir von dem Anspruch und dem Zuspruch gesprochen. Es gibt den Zuspruch nicht ohne Anspruch. Deswegen habe ich kein Recht, also die Zuspruch an alle zu verteilen und zu sagen, ja alle kommen, egal, wir glauben ja irgendwie alle dasselbe. Es stimmt auch nicht, dass wir dasselbe glauben. Hick kommt eigentlich zu diesem Gedanken, dass alle dasselbe glauben, auch nur indem er ein Kriterium anwendet, das besagt, dass letztlich es bei der Beurteilung der Religionen darauf ankommt, ob sie uns helfen, von der Ich-Zentriertheit zur Wirklichkeitszentriertheit zu finden. Also Religionen

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sollen mir helfen, von mir wegzukommen, hin zur Wirklichkeit. Da kann man erstmal nichts dagegen sagen, tolle Idee, aber was ist denn jetzt die Wirklichkeit? Also um das Kriterium verwenden zu können, muss ich ja wissen, was Wirklichkeit ist. Bei Hick ist Wirklichkeit die Schifre für Gott. Wer ist also jetzt Gott? Dann sagt Hick interessanterweise, das weiß ich aus meinem christlichen Glauben. Das heißt, in diesem Pluralismus ist auf der Ebene des Kriteriums jetzt doch wieder Christus das Kriterium. Nur mit dem Ergebnis, dass in allen Religionen gleich viel Heilige, gleich wie tolle Menschen sind, sind alle Religionen gleich gut. Erstens sehe ich nicht, wie das funktioniert, dass das rauskommt bei dem Kriterium, aber zweitens habe ich dann genau dasselbe Problem wie beim Inklusivismus. Der Pluralismus ist dann eigentlich auch nur ein verkappter Inklusivismus, weil auch er es nicht schafft, Andersheit wahrzunehmen, Andersheit an

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sich herankommen zu lassen, von Andersheit zu lernen. Oder man versteht das Kriterium anders und füllt den Begriff der Wirklichkeit nicht mehr christlich, aber dann werden wir keinen Standpunkt finden, auf den sich irgendwie die Religionen einigen können, weil sie eben alle etwas anderes unter der letzten Wirklichkeit verstehen. Von daher scheint mir eigentlich keiner der drei bisher genannten Wege hilfreich zu sein. Keiner dieser drei Wege, weder der Exklusivismus noch der Inklusivismus noch der Pluralismus führen uns zu einer überzeugenden Position. Und zwar deswegen, um das noch mal in einem Satz zu sagen, weil wir christlich zwei Dinge festhalten müssen. Einerseits, dass Gott in Christus tatsächlich sich definitiv unüberbietbar

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als die Liebe gezeigt hat, also gewissermaßen der Wahrheit, das beansprucht sein durch die Wahrheit Gottes. Das können Exklusivismus und Inklusivismus, aber leider nicht der Pluralismus. Und das andere ist aber, dass ich trotzdem lernen muss, auch etwas Fremdes wertzuschätzen, anderes wertzuschätzen, Neues kennenzulernen, nicht nur das, was ich bei mir schon kenne, eben zu lieben. Das gehört unaufgeber genauso und gerade weil ich das glaube, dass Gott sich in Christus als die Liebe gezeigt hat, muss ich lieben wollen. Liebe ist der Ort, in dem Verschiedenheit gefeiert wird. Nicht wo Streit gefeiert wird, nicht wo gefeiert wird, dass der andere mir eine reinhaut, aber Verschiedenheit. Vielfalt, Buntheit. Und deswegen brauche ich unbedingt eine Möglichkeit, das in

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den anderen Religionen wertzuschätzen, was mich bereichern kann, was in einer positiven Weise mit meinem eigenen Glauben in Beziehung kommen kann. Und das können Inklusivismus und Exklusivismus leider nicht leisten und genau genommen der Pluralismus auch nicht. Deswegen meine ich, dass wir weg müssen von dem Versuch, solche Modelle zu bilden, in denen man jetzt überlegt, wie verhält sich jetzt das Christentum zu den anderen Religionen. Ist das Christentum genauso gut wie eine andere Religion? Ist das Christentum besser oder ist in der anderen Religion gar nichts Gutes drin? Ich meine, wir müssen aufhören, Religionen wie Wahrheitscontainer anzuschauen und dann gucken wir, in welchem Container ist am meisten Wahrheit drin. Das scheint mir eine völlig absurde Vorstellung zu sein. Stattdessen meine ich, und das ist interessanterweise auch, was zum Beispiel in Nostra Aetate in der Erklärung über die Vielfalt der Religion des

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Zweiten Vatikanischen Konzils empfohlen wird, stattdessen, meine ich, kommt es darauf an, eine Haltung zu kultivieren, mit der ich lernen kann, Verschiedenheit und Vielfalt wertzuschätzen und doch dem Eigenen treu zu sein. Das heißt, ich möchte jetzt in meinem vierten Schritt einfach werben für einen neuen Stil von Theologie, eine neue Haltung in Theologie treiben. Und diese neue Form von Theologie nenne ich komperative Theologie, zusammen mit einer ganzen Reihe von Mitstreitern und Mitstreiterinnen. Ursprünglich entstanden ist diese Form von Theologie eigentlich in den USA, aber mittlerweile wird sie auch hier von einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen evangelisch wie katholisch und auch muslimisch interessanterweise vertreten und vorangetrieben. Ich will Ihnen diese Grundidee der komperativen Theologie dadurch erläutern, dass ich Ihnen zunächst einmal fünf

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Haltungen nenne. Also jetzt nicht Modelle, sondern Haltungen, mit denen wir in die interreligiöse Begegnung hineingehen. Und dann will ich danach versuchen, ein wenig wenigstens anzudeuten, warum diese komperative Theologie es tatsächlich schaffen kann, beides zu machen. Einerseits das beansprucht sein, durch die Wahrheit Gottes in Christus ganz und gar ernst zu nehmen und andererseits eben dann auch Andersheit zu würdigen, wahrzunehmen, wertzuschätzen, da wo sie wertgeschätzt werden kann. Aber erst die Haltung. Und ich glaube, das sind Haltungen, die auch für jemanden, der einfach ganz normal im Alltag, ganz unabhängig fern von jeder akademischen Theologie, die ganz konkret im Alltag, im Umgang mit Menschen anderer Religionen helfen können. Das sind, glaube ich, Haltungstugenden,

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die wir insgesamt verinnerlichen sollten in unserem Umgang mit Menschen anderen Glaubens. Erste Tugend, und ich übernehme das von einer Kollegin aus den USA, Catherine Cornel heißt sie, erste Tugend ist das, was sie als Demut bezeichnet. Also Demut jetzt nicht in dem Sinne, dass da sind religiöse Menschen groß drin, demütig Gott gegenüber, sondern demütig in der Erkenntnis, dass mein Wissen von Gott begrenzt ist. Man könnte das als epistemische Demut bezeichnen, also eine Demut in meinem Wissensanspruch. Also eigentlich geht es mir nur um die Einsicht, dass Gott größer ist als mein Denken. Allah hu Akbar, sagen da Muslime. Christen haben immer schon gesagt, Deus semper Mario, Gott ist immer größer. Egal, was sie als noch so gescheiter Theologe oder Theologin

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über Gott sagen, Gott ist nochmal größer. Auch wenn ich noch so tolle Theorien über die Trinität oder über was auch immer mache, Gott ist nochmal größer. Das gewissermaßen die Definition Gottes. Gott ist immer, also es gibt einen zeitgenössischen Philosophen, der nennt, man spricht von Gott in dem Weise, dass er sagt, von Gott kann ich eigentlich nur sprechen, wenn ich Sprengmetaphern verwende. Also immer muss ich das sprengen, was ich an Theorien mir zurecht gemacht habe, weil Gott immer nochmal alles weitet. Und wenn Sie die Gleichnisse Jesu anschauen, dann sehen Sie ja genau das. Alle Gleichnisse Jesu sind ja eigentlich Aufforderungen, eine Bewegung hineinzufinden, die meine ganzen Gottesvorstellungen über einen Haufen werfen und weiten, weiten auf den größeren wirklichen Gott. Also das Erste wäre Demut. Demut, dass die Wahrheit mich noch nicht ganz hat und dass ich

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deswegen noch eine ganze Menge zu lernen habe. Das können Sie übrigens auch, auch wenn Sie Exklusivist sind, sofort zugeben. Auch wenn Sie sagen, nur in Jesus Christus, nur in ihm ist Heil. Okay, aber das heißt ja noch nicht, dass ich das komplett verstanden habe, was in Christus gesagt ist. Vielleicht ist in Christus ja die Schönheit schon drin, aber ich habe es noch nicht gemerkt. Und durch die Schönheit, die mir im Koran als Schönheit Gottes begegnet, kann ich entdecken, dass auch in Christus Schönheit ist. Oder anderes Beispiel, nehmen wir das Fasten. Hier in Köln kriegt man ja mit, im Ramadan wie Muslime fasten. Vielleicht waren Sie auch mal im muslimischen Land im Ramadan. Und vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir, dass ich im ersten Moment, als ich so Ramadan mitbekommen habe, eigentlich gedacht habe, dass Menschen, die auf diese Weise fasten, ziemlich einen an der Waffel haben müssen. Also so nichts trinken den ganzen Tag. Bei so einem

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langen Tag, wenn es so heiß ist, kam mir immer ziemlich verrückt vor. Ich habe dann erst mal versucht, theoretisch zu verstehen, warum fasten die so und bin eigentlich zu keinem wirklich überzeugenden Ergebnis gekommen. Eine Möglichkeit der Herangehensweise, die würde ich Ihnen nicht empfehlen für den interreligiösen Dialog. Also statt mit den anderen zu reden, darüber nachzudenken, was machen die eigentlich und zu überlegen, dass es eigentlich Quatsch ist. Wenn Sie mit einer Haltung der Demo dran gehen, dann können Sie erst mal sagen, okay, ich faste vielleicht anders, vielleicht faste ich auch gar nicht. Aber die fasten jetzt erst mal und es steht jetzt nirgends in der Schrift, dass man nicht fasten soll. Im Gegenteil, also auch Jesus fastet, fasten wird immer hochgehalten und es ist in der Schrift auch nicht erklärt, wie man fasten soll. Also kann ich ja mal das ausprobieren, wie die fasten. Faste ich halt mal mit. Das habe ich als Jugendlicher dann gemacht, als ich das erste Mal in Marokko länger war, gerade im Ramadan und habe dann mit 15, 16 oder so einfach mal einen Tag mitgefasst. Einfach mal um zu sehen, wie sich das anfühlt.

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Und es war ziemlich heiß und es war ein ziemlich langer Tag. Aber es kamen ungefähr 1000 Dinge, mit denen ich überhaupt nicht gerechnet habe. Erst mal habe ich nicht damit gerechnet, dass ich das ziemlich cool finde, dass ich das packe. Also ich habe richtig gekämpft mit mir, so der innere Schweinehund und ich habe es gepackt und war richtig stolz auf mich. Gut, das hätte man vielleicht auch vorhersehen können. Aber die richtige Überraschung, weil ich auf so kleine Herausforderungen stehe, weiß ich nicht. Aber was wirklich überraschend für mich war, war, wie toll das war, hinterher in der Gemeinschaft das Fasten zu brechen. Also dieses Gefühl, zusammen zu sein. Also in Marokko läuft das dann mit der Harira-Suppe, hier in Köln haben wir mit türkischen Muslimen ja eher die Dattel. Das ist eigentlich ein ganz interessanter Moment. Ich weiß nicht, ob Sie das mal erlebt haben. Alle stehen zusammen im Kreis, haben eine Dattel in der Hand, haben den ganzen Tag nichts gegessen und nichts getrunken. Sie können das mal ausprobieren. Ich weiß nicht, ob Sie eine Dattel mögen. Ich mag gar keine Datteln. Aber ich habe den ganzen Tag nichts

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gegessen, nichts getrunken. Ich war so was fertig und dann war diese Dattel. Es gab bei mir nur noch Sehnsucht nach dieser Dattel. Und dann kommt in dieses Gucken auf die Dattel, gleich darf ich sie essen. In diesem Moment und die anderen alle, alle, die da standen, alle hatten nur einen Gedanken, ich will diese Dattel essen. Das ist das Ding überhaupt. In diesem Moment kommt diese Rezitation, also der Muezzin, der dann ruft, diese Schönheit. Das steigert dann nur noch die Sehnsucht. Nur noch, nur noch, ich will diese Dattel und dann noch die Schönheit. Und dann die Dattel zu essen, gemeinsam zu essen. Ich habe auf einmal kapiert, was Eucharistie eigentlich will, was Abendmahl will. Also das, was es eigentlich heißt, Mahlgemeinschaft zu heilen. Können Sie natürlich sagen, ja, dann war das ja doch alles schon Christus drin, was stellt sich so an? Aber ich habe es nicht gemerkt. Ich hatte auf einmal einen neuen Zugang zu Mahlgemeinschaft, zu im Kreis stehen und gemeinsam eine Sehnsucht nach etwas haben, was Gemeinschaft stiftet. Nach Christus würde ich

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natürlich sagen, als Christus. Wusste ich aber vorher nicht. Ich bin da einfach reingegangen, mal gucken, was die machen. Und es hat mich zutiefst bewegt und berührt. Und das ist, glaube ich, etwas, was wir, wenn wir in dieser Haltung der Demut sind und die verbindet mit einem zweiten Punkt, mit Empathie. Also wenn wir bereit sind, empathisch zu sein, wenn wir bereit sind, den anderen an mich herankommen zu lassen, also nicht vorher schon zu wissen, was Islam ist, was Buddhismus ist, was eine andere Religion will, sondern empathisch mich berühren zu lassen. Ich bin dazu bereit. Und es steht nirgends in der Schrift, dass ich nicht von morgens bis abends nichts essen und nichts trinken darf. Also da nehmen wir Christus nichts weg. Wenn ich also bereit bin, mich auf den anderen zuzubewegen. Und das ist ganz spannend. Also es ist ganz spannend,

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wie meine muslimischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, was das für die bedeutet, wenn ich mitfasse. Das finden die richtig cool. Sie betonen dann zwar natürlich schon, dass es letztlich nicht wirklich viel hilft, weil sie ja schon merken, dass ich kein Muslim bin. Aber es ist so eine Art Wertschätzung. Also eine Wertschätzung, die hilft, Brücken zu bauen in die andere Religion. Nicht von oben herab schon zu wissen, warum das nichts ist, was ihr macht, sondern empathisch mitzuleiden. Also das ist auch ein Leiden. Das ist eine unglaubliche Solidarität. Ich erlebe das öfters bei meinem Schwager, der in Marokko eine Nähfabrik leitet und der jetzt kein besonders frommer Muslim ist. Eigentlich betet er nie und er trinkt sehr gerne Alkohol. Aber wenn Ramadan ist, dann ist für ihn völlig klar, dass er solidarisch ist mit all seinen Nähern und nichts isst und nichts trinkt. Weil alle in dieser Solidarität verbunden sind. Man

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sieht schon an den Lippen, ob jemand fastet oder nicht. Klar, das kann auch die negative Seite der Kontrolle haben, aber es ist auch ein Gefühl der Solidarität, des Getragenseins. Und auch der Chef muss jetzt fasten. Das hat eine ganz interessante, sozialkritische Komponente und spirituelle Dimension, die man erst erleben kann, wenn man es mal ausprobiert. Deswegen, und das könnte man jetzt für tausend Beispiele im Interreligiösen sagen, ich meine, viele heutzutage machen ja lauter interreligiöse Sachen, ohne es zu merken, wenn sie zum Beispiel Yoga machen. Einfach bewusst auch mal etwas aus der anderen Religion an mich herankommen zu lassen und zu sehen, wie kann ich das mit dem Eigenen verbinden? Was kann ich davon lernen? Wie kann ich vielleicht auch eigenes Neue wertschätzen, vielleicht neu entdecken, christliche Meditation, vielleicht neu entdecken, Körpermeditation entdecken, indem ich mal Yoga gemacht habe. Aber ruhig auch weiter Yoga machen, wenn es eben etwas ist, was mich bereichert und in meiner Spiritualität bewegt. Also Demut und Empathie, das scheint mir

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ganz, ganz wichtig zu sein. Aber deswegen natürlich nicht, das wäre mein dritter Punkt, deswegen natürlich nicht die eigenen Geltungsansprüche aufgeben. Also es kann in der komparativen Theologie, im interreligiösen Dialog, kann es nicht darauf ankommen, kann es nicht darum gehen, zu sagen, ach, das, was ich hier jetzt glaube, gefällt dir nicht, dann glaube ich es nicht oder ich sag es dir nicht. Also ist ja manchmal so, dass im interreligiösen Dialog man sich auch die Sachen, wo man sich streiten würde, dann lieber gar nicht sagt. Das ist mir ganz wichtig mit dem Eigenen, so wie ich versuche, mich dem anderen auszusetzen, wie ich an mich herankommen zu lasse, so muss ich natürlich auch mein Eigenstes sagen. Ich muss von Christus sprechen, ich muss diesen Gott der Liebe bezeugen. Nicht jetzt in der Absicht, dass der andere deswegen genauso glaubt wie ich, aber weil es wichtig ist, von diesem Gott Zeugnis zu geben, weil er der ist, der sich allen Menschen in Liebe

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zeigen will. Also das ist die Kunst eigentlich in einem Zugehen auf Menschen anderer Religionen, dass ich einerseits wirklich aus dem Eigenen auf ihn zugehe und mich nicht verleugne in dem, der ich bin, aber zugleich demütig bin im Wissen darum, dass ich eben nicht mit Gott gefrühstückt habe oder die Weisheit mit Löffeln gefressen habe und ihm empathisch zu sein versuche. Und was da ganz toll helfen kann, was ein sehr schöner Weg ist, um Empathie einzuüben, ist eigentlich die Gastfreundschaft. Gastfreundschaft jetzt nicht nur im Sinne, dass man also wirklich auch mal mit seinen Nachbarn oder Nachbarinnen einer anderen Religion ist, also das auch, auch ganz konkret mal die einlädt zu sich, aber gastfreundlich jetzt auch in einem spirituellen Sinn. Ich mache das

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gerne deutlich an diesem Beispiel, wenn Sie zu Hause bei sich Gäste erwarten, dann räumen Sie ja wahrscheinlich auf. Also normalerweise versuche ich meine Wohnung ein wenig so auf Vordermann zu bringen, dass die, die da kommen, sich bei mir wohlfühlen. Wir sagen ja auch gerne, wenn wir einen Gast bei uns haben, fühl dich bei mir wie zu Hause. Wenn Menschen im interreligiösen Dialog aufeinander zukommen, ist es leider nicht immer so, dass sie sich so begegnen, dass sie bei sich aufräumen und versuchen, dem anderen zu helfen, dass er sich bei mir zu Hause fühlen kann. Es ist leider oft so, dass man dem anderen direkt in die Fresse schlägt und deutlich macht, wenn du an drei Götter glaubt, bist du hier eh raus oder wenn du nicht an Christus als den Herrn glaubst, hast du eh keine Chance. Also es ist ganz merkwürdig, warum Menschen im interreligiösen Dialog entweder gar nichts sagen und nur rumlabern oder sich sofort die Wahrheitsansprüche um die Ohren hauen, bei denen sie eh nicht weiterkommen. Wenn man gastfreundlich miteinander umgeht, dann geht das jetzt nicht darum,

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jetzt die eigenen Wahrheitsansprüche nicht mehr zu sagen, aber es geht darum, sie so zu sagen, dass mein Beanspruchsein durch die Wahrheit für den anderen verständlich wird. Ich will Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen, das mich jetzt im letzten Jahr ganz viel beschäftigt hat. Ich bin sehr stark involviert in einem Dialog mit schiitischen Theologen, Klärikern an dem Zentrum des schiitischen Islam in der heiligen Stadt des Iran in Chow. Also Sie müssen das sich so vorstellen, eine zwei Millionen Stadt, in der überall im Straßenwelt Kläriker sind, also mit ihren Torbahnen und langen Gewändern und wo in der ganzen Stadt also kein einziger Christ oder nicht-Schiites, alles eine ganz und geheilige Stadt mit unzähligen theologischen Bildungseinrichtungen. Ich bin jetzt seit einer ganzen Reihe von Jahren regelmäßig dort, um dort christliche Theologie zu lehren. Am Anfang

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habe ich das einfach gemacht, so wie ich das hier mache. Ich dachte, sind ja auch Menschen, vernünftige Leute. Erklär ich denen erstmal die Trinität und haben sie es verstanden, weil ich mal neugierig war, was sie dazu sagen. Hat überhaupt nicht geklappt. Dabei bilde ich mir ein, so verständlich zu sein und so schöne Sachen sagen zu können. Ich bin total gegen die Wand gelaufen, nicht weil die nicht gutwillig waren. Das waren total liebe Leute, die wollten alle verstehen, was ich sage, aber keiner hat auch nur ein Wort verstanden. Meine Beispiele kamen nicht an. Also alles, was ich so normalerweise als didaktische Hilfsmittel nehme, das kam bei denen nicht an. Weil sie in so einer anderen Kultur leben, so andere Plausibilitätsstrukturen haben, dass sie einfach dachten, also zum Beispiel, als sie mit der Trinität, mit der Liebe und den Dreien, und da waren die raus, haben die nur gesagt, was erzählst du uns? Wie denkst du von Gott? Das ist total absurd, was du sagst. Ich habe gemerkt, wenn wir interreligiös irgendwie weiterkommen wollen,

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dann hilft es nichts, wenn ich jetzt bockig werde und sage, ja, dann musst du halt Hegel lesen oder wir westliche Autoren, damit du mal verstehst, was ich will. Wo kommst du überhaupt her, dann an deinen komischen Ort? Sondern ich muss anfangen zu lernen, wie der Mensch aus der anderen Religion hört, was ich sage. Und dann überlegen kann ich es auch anders sagen. Das ist dieses also nicht anders sagen, um mich zu verstellen, sondern damit er hört, was ich sagen will. Und deswegen habe ich jetzt ein Jahr lang Lehrmaterialien zur Trinität entwickelt. Also ich habe es erst mal so geschrieben, wie ich meine, dass das Muslime eigentlich verstehen müssten. Dann habe ich das meinen muslimischen Mitarbeitern in Paderborn gegeben und die haben schon mal 100 Sachen dazu angemerkt und gesagt, das versteht kein Mensch und das und das und das. Ich habe es überarbeitet. Dann kam der nächste Schritt, dass ich das iranischen Professoren geschickt habe, die aus Rom bei uns zu Besuch waren in Paderborn. Die haben auch wieder ganz viel umgeschmissen,

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wieder überarbeitet. Auf Englisch dann natürlich, weil damit die das auch direkt verstehen können. Dann habe ich es einem amerikanischen Kollegen geschickt, der wahrscheinlich in der jetzigen christlichen Theologie so am besten weiß, wie Muslime ticken und wie man christliche Gedanken denen klarmachen kann. Daniel Madigan, ein richtig toller Theolog. Der hat auch wieder viel geändert. Und dann bin ich mit diesem Text, der durch diese ganzen Prüfinstanzen durchgegangen ist, dann bin ich zu den schiitischen Studierenden und Klärikern in Rom gegangen und Männer und Frauen Promotionsstudierende und dann haben wir mit diesem Text gearbeitet. Das habe ich jetzt gerade vor zwei Wochen, eine Woche lang gemacht. Eine Woche nur mit diesem Text mit denen gearbeitet, einer Gruppe jeden Tag. Und die haben es verstanden. Wir haben nachher, das war ein ganz tolles Erlebnis, ich habe da auch Dialogtexte geschrieben, damit es etwas verständlicher wird. Ein Dialog zwischen Khadija, einer schiitischen Theologin und Maria, einer katholischen Theologin

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in dem Fall. Die haben sich dann so ein bisschen gestritten. Und ich hatte auch einen christlichen Doktoranden mit und dann hatte der christliche Doktorand die Aufgabe am Ende diesen Dialog weiter zu spielen und er war die Muslime und die Muslime waren der Christ. Und es hat geklappt. Es hat tatsächlich geklappt, dass die Muslime am Ende so gut die Trinität verteidigen konnten, so gut die Trinität stark machen konnten und zwar also wirklich im Iran großgewordene Kleriker. Die Kleriker heißt zehn Jahre Priesterseminar, zehn Jahre Hose heißt das dann. Die sitzen dann da am Torbarn und Gewand und die verteidigen die Trinität, das ihnen hören und sehen vergeht. Da kommt keiner gegen an. Und umgekehrt hat leider der christliche Student auch die Trinität total runter gemacht. Wunderbar, wie das auf einmal gelingt, also ein hineinfühlen in den anderen. Deswegen glaubt natürlich niemand von den Muslimen hinterher an die Trinität. Aber sie wissen, so kann ich denken und ich kann Christen wertschätzen und das ist nicht Schirk,

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wie im Koran ja an einer Stelle steht. Das ist nicht Beigesellung, sondern das ist ein zutiefst verständlicher, rationaler Versuch, den einen Gott verständlich zu machen. Also das meine ich, kann gelingen, wenn wir mit einer Gastfreundschaft anfangen und wenn das dann in Freundschaft endet. Also eigentlich ist ja Freundschaft genau die Haltung, die es mir erlaubt. Wenn ich wirklich einen guten Freund habe, dann kann ich bei dieser Person auch das wertschätzen, was anders ist. Es ist ja immer schön, wenn Sie so Derbys sehen, so Schalke-Dortmund oder so, dann gibt es ja immer dieses Pärchen oder zwei Freunde, ein Schalke- und ein Dortmund-Fan oder der arme Schalke-Fan, der sich einen Dortmund-Blog verloren hat. Ich weiß nicht, ob es sowas zwischen Köln und Leverkusen auch gibt. Ich will es mir gar nicht vorstellen. Aber also diese Freundschaft über Andersheit hinweg, wenn das gelingt, wenn ein Muslim wirklich mein Freund ist, wenn eine Muslimin

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wirklich mein Freund ist, dann werde ich deswegen nicht irgendwie ein halber Muslim. Das ist ja völliger Blödsinn. Ich werde ja auch nicht Schalke toll finden, nur weil ich einen Schalke-Fan als Freund habe. Aber ich verstehe bei der anderen Person nicht nur, dass es ein cooler Typ ist, sondern ich verstehe sie auch in ihrer Leidenschaft für diesen anderen Verein oder die andere Religion. Das, glaube ich, kann man ohne große Theologie erleben und verstehen. Dafür will komprative Theologie ein bisschen sensibilisieren und begeistern. Also für den Gedanken, ich habe jetzt nur vier der fünf Tugenden genannt, aber ich merke auch, wie die Zeit davon rennt. Deswegen lasse ich es mal bei den Vieren, die reichen eigentlich auch schon. Also nicht diese vier Tugenden einfach verwirkliche, also gastfreundlich auf den anderen zugehe, empathisch auf ihn eingehe, dabei demütig die eigenen Wahrheitsansprüche, Geltungsansprüche etwas zurücknehmen und doch,

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und das ist ganz wichtig, und doch in Treue zum christlichen Glauben, diesen Glauben auch verkündigend auftritt, wenn ich das zusammenbringe und dann vielleicht sogar eine Haltung der Freundschaft hineinfinde, dann ist das nicht nur gut für das Gespräch im Vedel gewissermaßen, also für das Zusammenleben der Religion, das auch. Das ist der beste Friedensbeitrag, den man für unsere Gesellschaft machen kann. Das ist auch nicht nur gut, weil ich dann auf einmal merke, wie ich Andersheit wertschätzen kann. Also das, was ja, wie ich eben versucht habe zu zeigen, der Inklusivismus und der Pluralismus beide nicht können. Das, was wirklich anders ist, kann ich jetzt wertschätzen durch die Freundschaft, durch die Liebe. Liebe kann Andersheit wertschätzen. Liebe kann Andersheit wertschätzen, ohne sie zu entandern, ohne sie zu enteignen. Sie kann sie, also nicht gleichgültig stehen lassen, sie kann sie lieben. Also nicht nur das, sondern das ist

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eigentlich das Spannende an der komparativen Theologie. Ich kann dadurch das eigene neu entdecken. Ich kann das eigene tiefer verstehen. Ich kann jetzt christlich gesprochen Christus tiefer auf die Spur kommen. Ich kann, und ein tolles Beispiel dafür ist ja Navid Kermanis neues Buch. Ich weiß nicht, ob Sie sich das mal angeschaut haben, was so im Moment so durch die Medien geistert. Morgen kriegt er dafür, also nicht nur dafür, aber kriegt er diesen Friedenspreis des deutschen Buchhandels und dieses neue Buch über das Christentum, Ungläubiges Staunen. Das ist ja ganz spannenderweise ein Zugang zum Christentum über die Ästhetik, über die Schönheit. Kommen dann lauter Bilder aus der Barockzeit oder Renaissancezeit, die Kermani uns als religiöse Bilder entschlüsselt, ganz empathisch, ganz hineingehend ins Christliche und doch sehr muslimisch, weil es genau dieser ästhetische Zugang ist, den er vom Koran erkennt. Wenn ich

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das jetzt als Christ sehe, kann ich dadurch etwas im Eigenen neu entdecken, was ich vergessen hatte. Mir ist es auf jeden Fall so gegangen. Ich muss zugeben, diese Bilder, die in dem Buch abgedruckt sind, die habe ich mir noch nie in irgendeinem Museum angeguckt. Die haben mir nie was gesagt. Das war mir immer kitschig und albern. Ich bin ein furchtbarer Ignorant, was Barock- und Renaissancekunst angeht, vor allem Barockkunst, auch eine Barockkirche, da laufe ich direkt weg. Dieses Buch von dem Navid Kermani, von einem Muslim, der mit so viel Liebe und minuziösem Gespür mir das neu zeigt, das hilft mir, die eigene Tradition, diese Seite des Christentums neu zu entdecken, tiefer zu sehen, Christus da drin zu sehen. Und das ist etwas, was einem immer wieder im interreligiösen Dialog passieren kann. Was mir immer wieder passieren kann, dass ich, indem ich mich dem anderen aussetze, seinen Blick auf mich, aber auch ganz allgemein seiner Art, die Welt

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wahrzunehmen, hilft mir, das eigene Neuwert zu schätzen. Ich will Ihnen das noch an einem Beispiel verdeutlichen, was jetzt gar nichts mit Theologie zu tun hat, um den Punkt klarzumachen, auf den ich hinaus will. Meine älteste Tochter war in ihrem elften Schuljahr, damals gab es noch das elfte Schuljahr, ein halbes Jahr in Kanada. Und sie ist da, also ich bin katholisch, meine Tochter also auch katholisch und sie hatte so ein bisschen das Bild, Katholiken sind eher die Spießer und Protestanten sind die coolen Leute. Ich weiß nicht, wie sie darauf gekommen ist, also bei dem Vater sollte man das ja nicht denken, aber irgendwie dachte sie das. Und dann kam sie in Kanada in eine Baptistenfamilie und dachte, also vornherum, Baptisten sind ja Protestanten, also sind die cool und hat sich voll darauf gefreut. Und das erste, was die Baptisten ihr gesagt haben, die wirklich sehr nett waren, war eine tolle Familie, das erste, was sie ihr gesagt haben, war, dass leider nur

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Baptisten in den Himmel kommen und sie als Katholikin in jedem Fall in die Hölle. Sie wollten sie nur darüber informieren, also sie waren deswegen nicht irgendwie böse zu ihr, sie waren furchtbar liebevoll, weil Baptisten zu allen Menschen furchtbar liebevoll sind, aber sie wollten ihr nur klarmachen, wenn du dich jetzt hier taufen lassen würdest, könntest du halt auch in den Himmel kommen, also falls du daran Interesse hast, musst du ja nicht. Also sie hatte kein Interesse, aber also sie kam dahin und dachte, oh in welchem Film bin ich denn hier geraten? Das soll evangelisch sein? Das geht ja gar nicht. Wir sind ja Katholiken, voll die liberalen Helden. Also so einerseits, also sie war jetzt einerseits so, dass sie dachte, oh gut, dass ich katholisch bin und nicht so abgedreht. Aber andererseits, und das war jetzt die ganz verwirrende Erfahrung, das war eine tolle Familie und die haben sie natürlich immer im Gottesdienst mitgeschleppt. Ich meine, was soll man da noch machen? Das war ein kanadisches Dorf, da war sonst nichts. Und da gab es halt, was gab es da an Jugendlichen? Da gab es Jugendlichen, die hatten einen Jesus Club und die hatten so eine Jesus Rock Band und Youth Club und all das und sie

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fand es super. Die ist abgegangen, diese Jesus Rock Band, die hat da die Jugendgottesdienste mit, also auf dem Dorf. Ich meine, es gab keine anderen Partys. Also das hat sie alles genossen und sie kam wieder, kam wieder, hat gesagt, ich bin echt froh, dass ich katholisch bin und nicht so abgedreht, dass ich denke, dass alle in die Hölle kommen, die nicht Baptisten sind. Aber können wir nicht auch solche Gottesdienste feiern? Und natürlich können wir das. Also jetzt als Katholik kann ich natürlich sagen, klar kann man auch solche Gottesdienste als Katholik feiern. Also ich lerne von dem anderen, ich bleibe im Eigenen und ich lerne es neu kennen. Und merke dabei, sie ist nicht weggegangen mit dem Gefühl, Baptisten sind Idioten. Sie hat bis zum Ende nicht verstanden, warum jetzt diese Form und ich habe ihr dann auch erklärt, dass es ganz andere Baptisten gibt. Aber sie hat jetzt nicht verstanden, warum es Baptisten gibt, die denken, dass nur Baptisten in den Himmel kommen. Das war ihr bleibend fremd. Aber sie hat ganz viel anderes verstanden. Sie hat eine Beziehung zu Christus entwickeln können. Sie hat eben eine ganz, ganz neue Spiritualität entdeckt, die sie ungeheuer

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bereichert hat und die auch die katholische Kirche dann verändert. Ich glaube, da haben wir eine Riesenchance, wenn wir interreligiös mit diesen Haltungen aufeinander zugehen, dann ist nicht das Ergebnis, dass hinterher alles eins ist und alles beliebig wird, sondern das Ergebnis kann sein, dass wir lernen, uns wechselseitig zu bereichern und das eigene tiefer zu verstehen. Und ob da am Ende das Christen zu mehr Wahrheit hat als die anderen Religionen, ich meine, das sehen wir dann esiatologisch. Wenn wir Christus begegnen, was wir ja als Christen glauben, dann macht das natürlich schon einen Unterschied. Aber warum muss ich jetzt rechthaberisch versuchen, anderen klar zu machen, dass sie das auch jetzt schon einsehen müssen, weil sie sollen zum Dunkeln tappen? Das ist offenbar nicht die Haltung des Evangeliums, das uns doch dazu einlädt, die anzunehmen und mit denen zu kooperieren, die nicht gegen uns sind, denn die sind ja für uns, wie Jesus an einer Stelle sehr schön sagt.

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Viele Religionen – Eine Wahrheit? | 5.9.2

Worthaus Pop-Up – Köln: 17. Oktober 2015 von Prof. Dr. Klaus von Stosch

Wenn Jesus von sich sagt, niemand komme in den Himmel, der nicht an ihn glaubt – haben dann all die Muslime, Hindus, Atheisten oder Anhänger von Naturreligionen keine Chance auf ein Leben nach dem Tod? Denn an dieses Leben bei Gott, ein glückliches, erfüllendes Leben im Himmel, daran glauben Christen ja und das wünschen sie in der Regel auch ihren Mitmenschen. Was aber, wenn diese Mitmenschen etwas anderes glauben? Wenn sie gar nicht an irgendeinen Gott glauben wollen? Oder wenn sie – wie manches Naturvolk – noch nie von Jesus gehört haben? Klaus von Stosch, Professor für systematische Theologie an der Universität Paderborn, wagt sich an die Klärung dieser Fragen. Fragen, die sich auch Christen sicherlich irgendwann stellen: Was wäre eigentlich aus mir geworden, wenn ich nicht in eine christliche Familie hingeboren worden wäre? Wenn ich nie vom Christentum, von Jesus, gehört hätte? Kurz und prägnant erklärt von Stosch jene Theorien, mit denen Theologen bisher versucht haben, das Dilemma zu lösen. Und kommt schließlich zu einem überraschenden Fazit: Vielleicht bergen auch andere Religionen Geheimnisse, die den christlichen Glauben bereichern können?