Ein wunderschönen guten Morgen in dieser wunderschönen Stadt Heidelberg und in dieser schönen Sing- und Musikschule zum vorletzten Vortrag von mir. Und der heißt Martin Luthers Verständnis der Heiligen Schrift. Ich habe in meinen Vorträgen diese ausgewählten Kapitel über Martin Luthers begonnen mit dem Thema Martin Luthers Verständnis des Wortes. So kann man sehr gut in seine Theologie einsteigen. Und jetzt halte ich das Thema Martin Luthers Verständnis der Heiligen Schrift. Mit diesem Thema kann man Martin Luthers Theologie sehr gut abrunden.
Es eignet sich gut am Ende seiner Theologie, weniger am Anfang. Das werdet ihr gleich verstehen. Die sonstigen Kapitel, ich habe viele übersprungen, Martin Luthers Verständnis der Kirche, Martin Luthers Verständnis der Sakramente und auch Martin Luthers Verständnis der Zwei-Reiche-Lehre, das wären auch ganz wichtige Kapitel. Und sein Verständnis des Glaubens und sein Verständnis der menschlichen Person habe ich nur sehr überblickartig behandelt. Also es war wirklich so ein Crashkurs im ICE-Tempo. Jetzt bei der Heiligen Schrift versuche ich eine gewisse Gründlichkeit zu erreichen, soweit man das in einem Vortrag kann. Gut, also Martin Luthers Verständnis der Heiligen Schrift. Zunächst einmal ist sehr wichtig, die berühmte Formel Sola Scriptura, allein die Heilige Schrift, genauer zu verstehen.
Es war immer schon unbestritten und allgemeine Überzeugung, dass die Heilige Schrift für die Christenheit eine einzigartige Rolle spielt. Sie ist der Kanon und das heißt, die Heilige Schrift ist Maßstab und Richtschnur für den christlichen Glauben und das christliche Leben. Diese Überzeugung war immer schon da. Auf der gründet Martin Luther natürlich auch, aber die ist schon von Anfang an da. Und immer schon war Konsens über folgende Meinung, die Kirche darf nichts lehren, was der Heiligen Schrift widerspricht. Also das war immer schon Kirchenlehre. Auch diese spezielle Formel Sola Scriptura stammt nicht von Martin Luther.
Sie entsteht zum ersten Mal im Mittelalter und zwar in den papstkritischen Reformbewegungen. Es gibt im Mittelalter innerkirchliche papstkritische Reformbewegungen und es gibt heretische Reformbewegungen, also Ketzer hat man damals gesagt. Sowohl in den Ketzerbewegungen als auch in den innerkritischen Reformbewegungen wurde genau die Formel Sola Scriptura erfunden und entwickelt, also vor Luther. Und diese papstkritischen Reformbewegungen haben Wert darauf gelegt, dass sich die Kirche einer rein schriftgemäßen Lehre bedient, dass das unerlässlich ist. Sola Scriptura heißt, wir brauchen eine schriftgemäße Lehre und die Kirche muss sich daran halten.
Das ist also schon Martin Luther vorgegeben. Martin Luther benutzt diese Formel auch, aber nicht genau im gleichen Sinn wie die papstkritischen Reformbewegungen vor ihm. Er benutzt sie auch nicht im gleichen Sinn wie heutige Fundamentalisten oder wie es im Pietismus, meine ich alles sehr freundschaftlich, aber nur zur Klärung. Man muss es sagen dürfen. Ich will da niemand wehtun und ich meine das auch nicht böse, aber hier ist Klärungsbedarf und um den geht es mir. Also Luther versteht das Sola Scriptura sehr anders wie heutige Fundamentalisten, sehr anders wie es im Pietismus üblich ist und sehr anders wie es in der heutigen evangelikalen Christenheit üblich ist. Das kann man nicht alles über den Kampf scheren.
Man muss da schon differenzieren. Aber es gibt im Großen und Ganzen diese Tendenzen. Ich kann nicht auf jeden Sonderfall in vier Minuten eingehen. Also den großen Tendenzen nach kann man eindeutig sagen, Luther versteht das Sola Scriptura deutlich anders und das ist unbekannt. Also mir geht es jetzt darum, was ist das spezifisch reformatorische Verständnis von Sola Scriptura? Worin liegt die reformatorische Pointe im Verständnis dieser Formel? Diese Formel ist nämlich sehr vieldeutig. Man kann sie auf sehr verschiedene Weise verstehen. Ich will mal sagen, das gibt es auch bei anderen Formeln, dass die oft gar nicht viel besagen, weil man kann sie so und so und so verstehen. Also zum Beispiel die Formel, die Bibel ist Gottes Wort.
Ich darf mal sagen, das sagt noch gar nicht viel. Das ist eine Nebelkerze. Was meinst du denn mit dieser Formel? Du kannst ja nicht einfach die Formel rausspucken und dann meinen, damit ist alles klar. Nein, damit ist noch nichts klar. Denn es kommt darauf an, wie man sie versteht. Oder ich will mal anderes Beispiel sagen. Ich habe in Gospelhaus in diesem Gospel Gottesdienst in Stuttgart mal eine Predigt gehalten, eigentlich sehr emotional berührend. Ich wollte wirklich die Herzen der Menschen erreichen. Und dann kam eine etwas ältere Frau, vielleicht 60, 70, 65, zu mir raus am Ende und hat gesagt, wirklich, Herr Zimmer, das war eine gute Predigt. Sie hat mich sehr berührt. Sie hat mich ernährt. Ich bin tief erfreut und so weiter. Also alles gut, Herr Zimmer. Aber ich habe eine Frage.
Sie haben nicht gesagt, dass Jesus Gottes Sohn ist. Ja, das stimmt. Aber Sie haben doch gerade gesagt, die Predigt hat Sie erfreut und im Gewissen berührt und weitergebracht. Und jetzt sagen Sie aber trotzdem, es war eine Predigt über die Gotteserfahrung Jesu, also über Jesus. Ja, meinen Sie, dass man das in jedem Predigt sagen muss? Ja, da hat sie irgendwie gemerkt, ist ein bisschen unsicher geworden. Aber es gibt Tausende und Hunderttausende von Christen. Wenn die Stichwörter nicht fallen, die sie gewohnt sind, dann werden die ganz kribbelig. Und da habe ich zu ihr gesagt, ja, ich habe gesagt, wissen Sie, für mich ist selbstverständlich Jesus Gottes Sohn. Ganz klar. Aber ich hätte mal eine Frage an Sie. Was verstehen Sie denn darunter, wenn Sie sagen, Jesus ist Gottes Sohn? Was wollen Sie damit ausdrücken?
Was Sie eigentlich überfordert, weil das man da so zurückfragt, das war Sie gar nicht gewohnt. In der PH mache ich regelmäßig eine Sitzung über den Ausdruck Sohn Gottes. Und dann sage ich erst mal zu den Studierenden, nehmt mal einen Zettel raus oder in eurem Blog, nehmt mal jetzt ein Blatt. Und jeder von euch schreibt jetzt mal vier, sechs oder acht Sätze, wenn ihr ein Lexikon jetzt schreiben müsstet, Jesus ist Gottes Sohn. Jetzt schreibt mal, was ihr darunter versteht. Da habe ich gemerkt, es fällt denen nicht leicht. Ja, so ist es mit diesen Formeln. Die spuckt man da in der Gegend rum. Und sobald man wirklich zurück und das, was die schreiben, war kläglich. Viele haben mir auch gesagt, Herr Zimmer, wir merken erst beim Schreiben, dass ein bisschen Nebel bei uns im Gehirn ist. Also so ist es auch.
Jesus ist Gottes Sohn. Ich will dazu nur sagen, das darf man nicht wörtlich verstehen. Das habe ich der Frau auch gesagt. Da war sie sofort erschrocken. Er hat gesagt, das können Sie doch nicht wörtlich verstehen. Gott hat doch nicht einen Sohn, wie ich jetzt einen Sohn habe. Ist doch kein biologischer Vorgang. Gott hat doch keinen Geschlechtsverkehr vollzogen. Also Jesus ist nicht in dem Sinn Gottes Sohn, wie wir Menschen Söhne haben, sondern er ist irgendwie in einem anderen Sinn, nicht biologisch, nicht irdisch. Der Ausdruck Gottes Sohn ist eine Metapher. Da war sie völlig, Herr Zimmer, höre zum ersten Mal. Ich hätte am liebsten gefragt, wie alt sind Sie? Aber man kann in gewissen christlichen Gruppen 68 werden und hört das zum ersten Mal, dass Sohn Gottes nicht, auf keinen Fall wörtlich zu verstehen ist. Merkt man ja auch schon daran, dass in der Bibel ganz Israel Gottes Sohn ist.
Ephraim meint Israel, du bist mein Sohn. In Ägypten habe ich dich gezeugt. Jeder König, jeder Davidide ist Gottes Sohn. Und Jesus wird durch die Auferstehung als Sohn Gottes erkannt und offenbart. Also in der Tat, der Ausdruck Sohn Gottes ist der wichtigste Titel für Jesus im Neuen Testament. Ich will mal nur sagen, was der im Neuen Testament bedeutet. Also in der Regel weiß kein einziger Student. Ich sage dann immer, überlegt mal, soweit ihr es wisst, was bedeutet dieser inflationäre Ausdruck? Was bedeutet der genau im Neuen Testament? Es weiß in der Regel kein einziger Student. Die springen sofort ins Apostolikum Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist.
Aber im Neuen Testament gibt es noch keine Trinitätslehre. Die gibt es da gar nicht. Ihr könnt nicht vom apostolischen Glaubensbekenntnis her diesen Begriff Sohn ins Neue Testament hineinprojizieren. Man kann nicht vom vierten Jahrhundert her das Neue Testament interpretieren, sondern man muss umgekehrt vom Neuen Testament her fragen, trifft das Apostolikum genau das Neue Testament? Worum muss man fragen? Also ich will es mal kurz sagen. Das Neue Testament meint mit diesem metaphorischen Ausdruck zwei Dinge. Erstens Jesus hatte eine einzigartige Beziehung zu Gott, wie sie kein anderer Mensch auf Erden hatte oder hat. Und das zweite, was das Neue Testament damit ausdrücken will, ist Jesus ist die entscheidende Offenbarung Gottes. Er offenbart uns Gott.
Diese beiden Dinge sind gemeint, wenn das Neue Testament sagt Sohn Gottes, ist aber in evangelikalen fundamentalistischen Kreisen, ich kann das aus 40 bis 45 Jahren Erfahrung sagen, weitestgehend unbekannt. Dann ist nicht mal das ABC der Bibel diesen langjährigen Christen bekannt. Und das ist tragisch. Gut, das war ein kleiner, aber wichtiger Exkurs. Jetzt gehen wir wieder zurück. Sola Scriptura. Ja, das ist wie Sohn Gottes und wie die Bibel ist Gottes Wort. Sola Scriptura, Herr Zimmer, bei mir gilt Sola Scriptura. Na sage, bei mir auch. Ja, ich verstehe es ziemlich anders wie Sie. Und jetzt geht es erst los. Gut, also es geht jetzt um die Frage, wie versteht die reformatorische Theologie das Sola Scriptura?
Da muss man zunächst Folgendes sagen. Luthers Verständnis des Sola Scriptura ist viel mehr eine Folge seiner reformatorischen Entdeckung, als dass sie die Voraussetzung dieser Entdeckung ist. Sie ist schon in einem allgemeinen Sinn auch die Voraussetzung seiner Entdeckung, weil eben die Heilige Schrift der Kanon ist und eine einzigartige Rolle spielt. Und weil die Kirche nichts lehren darf, was der Heiligen Schrift widerspricht. Und weil auch Luther kämpft für eine reine schriftgemäße Lehre. Also in dem Sinn ist sie die Voraussetzung. Aber in einem viel wichtigeren Sinn ist sie die Folge seiner Entdeckung. Denn aufgrund seiner reformatorischen Entdeckung bekommt die Heilige Schrift für Luther ein völlig neues Gesicht. Obwohl er ja diese Voraussetzung mit allen anderen hatte, bekommt sie trotzdem jetzt noch ein völlig neues Gesicht.
Und darum geht es. So erklärt es sich auch, dass sich bei Martin Luther sehr spät die ersten größeren, umfangreicheren Texte über die Autorität der Heiligen Schrift finden. Sehr spät. Der erste umfangreichere Text stammt aus der Schrift Aserzio. Im Deutschen heißt es Grund und Ursache aller Artikel, die die katholische Kirche bekämpft. Und da hat er eine Verteidigungsschrift geschrieben, die heißt Grund und Ursache aller Artikel, die von der katholischen Kirche bekämpft werden. Und im Lateinischen beginnt dieser Titel mit Aserzio. Diese Schrift stammt aus dem Jahr 1521. Nach seiner reformatorischen Entdeckung. Vorher hat sich Luther zur Hermeneutik, zur Rolle der Heiligen Schrift kaum ausführlicher geäußert. Er hat einfach das, was allgemeiner Konsens war, hat er eben aufertreten.
Aber jetzt wird es ihm wichtig, was er genau damit meint. Gut, das ist eine sehr wichtige Vorbemerkung. Ausbildungsstätten, die das zunächst am Anfang nicht gleich klarstellen, können nur Nebel erzeugen. Und erzeugen ihn ja auch. Also erstens der Inhalt der Heiligen Schrift. Für Luther ist am allerwichtigsten der Inhalt der Heiligen Schrift. Und da gewinnt er ein völlig neues Verständnis, das es bisher so nicht gab. Und von dieser Sicht des Inhalts der Heiligen Schrift hängt alles weitere ab, was ich dann sage. Also das ist sozusagen die Ausgangsbasis. Für Martin Luther ist die Heilige Schrift nicht mehr ein Sammelbecken. 1100 Seiten, was da alles drinsteht. Man könnte ja auch sagen, es gibt den Artikel von der Schöpfung, den Artikel von der Sünde,
den Artikel von den Sakramenten, den Artikel von Tod und Auferstehung, den Artikel von der Kirche. Und weiss der Kuckuck was? Es ist ja so ein Sammelbecken von verschiedenen Artikeln. Diese Redeweise, dass man die Theologie in Artikelglieder, die kommt im Mittelalter auf. Und Luther übernimmt sie. Aber bei Luther sind diese Artikel nicht sozusagen eine Addition, ein Sammelbecken von dem und dem, so ein bisschen nach Kraut und Rüben. Nein, die Artikel sind bei Luther nur die Entfaltung eines einzigen Artikels. Und das ist absolut neu. Also für Luther hat die Bibel nur einen einzigen Inhalt. Deswegen kann Luther sagen Gottes Wort.
Weil wenn die Bibel mehrere Inhalte hätte, dann müsste man sagen Gottes Wörter. Aber man kann tatsächlich sagen, die ganze Bibel mit 1100 Seiten, die ist Gottes Wort. Es ist letztlich nur ein Wort, weil es hat nur einen Inhalt. Es gibt ja auch nur einen Gott. Und in diesem einen Gott gründet der eine Inhalt. Der Inhalt der Bibel ist nach Martin Luther das Evangelium von Jesus Christus. Einen anderen Inhalt hat die Bibel nicht. Das ist neu. Und nur weil die Bibel diesen einen Inhalt hat, sagt Luther Sola Scriptura. Wenn sie eine Addition, ein Sammelbecken von Kraut und Rüben wäre, dann würde Luther nicht mehr ohne weiter sagen Sola Scriptura. Also die Bibel hat nur einen Inhalt Jesus Christus.
Es gab schon vorher die Rede Jesus Christus ist die Mitte der Heiligen Schrift. Das sagt Luther auch, aber es ist ihm noch ein bisschen zu nebelhaft. Weil auch der Satz Jesus Christus ist die Mitte der Heiligen Schrift kannst du so und so verstehen. Wenn Jesus Christus ein Tugendlehrer ist, ein Morallehrer, wenn der Glaube das neue Gesetz ist, wieder gesetzlich verstanden wird, dann würde Luther sagen, da nützt uns auch nichts, wenn Jesus Christus die Mitte der Heiligen Schrift ist. Wenn Jesus Christus selber gesetzlich verstanden wird, dann bringt er auch nichts, wenn er die Mitte ist. Also der Satz muss man auch durchleuchten. Der rechtfertigende Christus ist die Mitte der Heiligen Schrift und kein anderer Christus. Der Christus, der den Glauben schenkt und kein anderer. Wenn du ein Glaubensverständnis hast, dass du auch einen wesentlichen Beitrag zum Glauben bringst,
dann nützt es dir gar nichts, wenn Jesus Christus die Mitte der Heiligen Schrift ist. Weil Jesus für dich ja nicht der rechtfertigende Christus ist, sondern er wird bei dir zum Tugendlehrer, bringt deine fünf Prozent menschlichen Beitrag. Dann wird aus dem Glauben eine Moral und du hast einen moralischen Beitrag. Also die Bibel hat nur einen einzigen Inhalt, das Evangelium vom rechtfertigenden Christus. Und weil das der Inhalt der Bibel ist, ist die Bibel vollständig. Man nennt es im Fachausdruck suffizient. Sie genügt. Wir brauchen keine anderen Offenbarungsquellen. Völlig unnötig. Wir brauchen auch nicht die kirchliche Tradition, die in der damaligen Kirche sehr wichtig war, weil die Grundlage der katholischen Kirche war damals sowohl die Heilige Schrift als auch die mündliche Tradition.
Inzwischen ist in der katholischen Kirche Gott sei Dank, wir haben uns sehr angenähert, die einzige entscheidende Grundlage auch der katholischen Kirche ist heute die Heilige Schrift. Aber zur Heiligen Schrift gehört nach katholischer Überzeugung auch heute noch auch die Tradition. Sie hat aber nicht die Autorität der Heiligen Schrift. Also heute ist in der katholischen Theologie geklärt, man kann nicht sagen sowohl als auch. Nein, die Heilige Schrift ist die höchste Autorität, sie allein. Aber sie ist immer verbunden mit der Tradition, dass man die Heilige Schrift gegen die Tradition stellen kann und die Heilige Schrift zur Richterin der kirchlichen Tradition wird. Das gibt es auch heute in der katholischen Kirche nicht. Aber da ist, wie gesagt, eine tiefe Annäherung. Ich will auch an der Stelle sagen, am 31. Oktober 1999 hat der Vatikan und der Lutherische Weltbund
eine gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung herausgegeben, offiziell. Und diese gemeinsame Erklärung der Rechtfertigung zeigt, dass die wissenschaftliche Theologie, die wissenschaftliche katholische und die wissenschaftliche evangelische Theologie, sich in 95 Prozent der Dinge sehr nahe gekommen sind und auch einig sind. Also es ist eine tolle Entwicklung im 20. Jahrhundert. Das ist auch der Segen der Universitätstheologie, denn dort wurde das errungen. Wo aber auch noch heute noch keine Einigung ist, aber eine große Annäherung, das ist die Funktion des Rechtfertigungsartikels. Der Rechtfertigungsartikel hat auch in der heutigen katholischen Kirche nicht die Funktion, dass Luther sagt, der Rechtfertigungsartikel ist Herr und Meister und Richter aller Lehre.
Er ist das Sachkriterium aller Lehre, der hermeneutische Schlüssel zu aller Lehre, die Verstehensanleitung zur gesamten biblischen Botschaft. Das wird heute von der katholischen Kirche so nicht ganz übernommen. Aber Jubilate, die ökumenischen Lernprozesse haben einen großen Gewinn gebracht. Die Feiern im Jahr 2017 der Reformation wird eine ökumenische Feier sein. Gut, aber jetzt wieder zurück. Der Inhalt der Heiligen Schrift ist ein einziger, das Evangelium des rechtfertigenden Christus. Und weil das der Inhalt ist, benötigen wir kein kirchliches Lehramt und keine kirchliche Tradition neben der Heiligen Schrift, unter der Heiligen Schrift, kann es sehr nützlich sein.
Aber die Heilige Schrift, weil sie nur einen Inhalt hat, deswegen ist sie vollständig. Sie muss nie ergänzt werden, selbst wenn wir neue Schriften finden würden, sagen wir einen echten Paulusbrief oder sonst was, es würde nichts daran ändern, dass das Neue Testament, so wie wir es haben, sowieso schon vollständig ist. Die Neue Schrift kann nichts entscheidend Neues bringen. Sie kann schon im Detail vieles klären, aber an den heilsentscheidenden Dingen wird sich nichts ändern. Weil das Evangelium vom rechtfertigenden Christus ist ein prägnantes Evangelium mit einem klaren Profil, ein begrenztes Evangelium. Darüber hinaus gibt es gar keinen Fortschritt. Mehr wäre weniger. Also weil die Heilige Schrift einen einzigen Inhalt hat. Deshalb ist sie vollständig und endgültig.
Das führt bei Martin Luther zu vielen Konsequenzen. Zum Beispiel, er begrenzt den Kanon strenger als bisher. Die katholische Kirche hat ja nicht genau die gleiche Bibel wie die evangelische Kirche. Das wissen die allermeisten Christen nicht. Es gibt den hebräischen Kanon, der nach Jesus Christus entwickelt wurde. Als Jesus Christus lebte und als Paulus lebte, war der jüdische Kanon noch nicht in jeder Einzelheit klar. Klar waren natürlich die Thora, klar waren die prophetischen Schriften, die Psalmen. Aber dann wird es ein bisschen undeutlicher. Die Ränder des jüdischen Kanons waren zur Zeit Jesu noch nicht genau bestimmt.
Das merkt man daran, dass in der Zeit vor Jesus, so zwischen 250 und 100 vor Jesus, hat man das hebräische Alte Testament ins griechische übersetzt. Diese Übersetzung, das war die größte Übersetzungsleistung der Antike. Niemals hat man ein so umfangreiches Buch, also 900 Seiten, von einer Sprache in eine andere übersetzt. Das gibt es in der gesamten Antike nicht. Also ist das eine ungeheure Leistung. Und diese griechische jüdische Bibel nennt man Septuaginta. Warum hat man sie ins griechische übersetzt? Weil mehr Juden außerhalb von Palästina gewohnt haben wie innerhalb. Innerhalb von Palästina vielleicht eine halbe Million oder Millionen, außerhalb vier bis fünf Millionen. In Alexandrin, in Ägypten, im Zweistromland, babylonisches Exil, da sind viele geblieben.
Und im ganzen Mittelmeergebiet wohnten überall Juden, weil in Palästina die Verhältnisse, Perser haben geherrscht, Ptolemäer haben geherrscht, Syrlkiten haben geherrscht, Römer haben geherrscht. Es war kein Zuckerschlecken, in Palästina zu wohnen. Da konnte man woanders eigentlich besser leben. Und deswegen war die Diaspora viel größer wie das Kernland. Aber in der Diaspora sprach man griechisch. Selbst in Jerusalem zur Zeit Jesu gab es fünf oder zehn Synagogen, in denen griechisch gepredigt wurde. Synagogen, griechisch gepredigt. Weil das Hellenistische natürlich auch nach Palästina eintram. Und die Juden, deren Muttersprache griechisch war, und es war die Mehrzahl aller Juden der damaligen Welt, die haben die Thora hebräisch nicht mehr verstanden. Sie haben sie nicht mehr lesen können.
Die haben gesagt, wir brauchen jetzt unsere Bibel auf griechisch. Also sehr wichtiger Punkt. Und in dieser Septuaginte, in dieser griechischen Bibel, wurden sieben Schriften aufgenommen, die es im hebräischen Kanon gar nicht gibt. Jesus Sirach, das Buch der Weisheit, 1.2., 3.4. Maccabea, Tobit und andere Schriften. Diese Schriften gibt es gar nicht auf Hebräisch. Die sind gleich auf Griechisch geschrieben worden mit Ausnahme vom Buch Jesus Sirach. Das wurde ungefähr 185 v. Chr. auf Hebräisch geschrieben. Das ist die einzige Ausnahme. Steht aber dann auch in der Septuaginte. Und an dieser Septuaginte orientiert sich die Vulgata, die lateinische Übersetzung des Hieronymus, die der Kirchenvater Hieronymus um 400 ungefähr in Bethlehem geschrieben hat.
Hieronymus hat die hebräische Sprache sehr gut erlernt und hat dann die Septuaginte ins lateinische übersetzt. Mit den gleichen Schriften, das sind also auch die Schriften, die die Reformatoren apokryph nennen, die sie so als Anhang am Alten Testament. Die sind in der katholischen Kirche kanonische Schriften. Allerdings sagt heute die wissenschaftliche katholische Theologie auch, auch hier hat sich eine große, es gibt da keine bösartigen Streitigkeiten mehr, gibt es heute so eigentlich nicht mehr. Jubilate. Auch die wissenschaftliche katholische Theologie sagt, diese sieben Schriften sind eher deuterokanonisch. So sagt man heute. Sie sind in unserem katholischen Kanon, aber sie haben, da gibt es schon gewisse Qualitätsunterschiede. Also im Grunde genommen gibt es hier auch keinen Streit mehr. Aber Luther, der ja die Vulgata hatte und man lehrte damals, der Text der Vulgata ist auch inspiriert.
Das lehnt Luther jetzt ab. Er sagt, ich übernehme jetzt den hebräischen Kanon, den in der klaren Profilstimmung auch Jesus und Paulus noch nicht kannte. Denn der jüdische endgültige Kanon wurde zwischen 80 und 100 nach Christus bestimmt, also nach der Zerstörung des Tempels. Soviel waren die Unterschiede nicht, aber man hat erst jetzt endgültig festgelegt. Jetzt gab es keinen Tempel mehr und jetzt hat man gesagt, jetzt brauchen wir wenigstens eine klar umrissene Heilige Schrift. Denn der Tempel ist futsch. Jetzt haben wir nur noch die Heilige Schrift und die müssen wir jetzt genau klären. So ist es entgegengekommen. Also weil Martin Luther nur einen einzigen Inhalt der Heiligen Schrift kennt, erkennt er auch, dass die hellenistischen Schriften nicht mehr,
nicht ganz diese Qualität haben und nicht so zu Jesus Christus hinführen. Und dann sagt er, nein, ich übernehme den hebräischen Kanon. Inspiriert ist für mich jetzt nur noch der hebräische Text des Alten Testament und der griechische Text des Neuen Testament. Die Vulgata ist nicht inspiriert. Gibt es auch viele Fehler drin in der Übersetzung. Also soweit mal zum Inhalt der Heiligen Schrift. Ein einziger. Deswegen ist die Heilige Schrift vollständig und endgültig. Sie bedarf keiner Ergänzung und sie bedarf keiner weiteren Offenbarungsquellen. Und es führt zu dieser strengeren Sicht des Kanons. Zweitens die Einheit der Heiligen Schrift. Aus dem Inhalt der Heiligen Schrift ergibt sich für Martin Luther die Einheit der Heiligen Schrift. Alle Kirchen lehren die Einheit der Heiligen Schrift. War immer schon so.
Mittelalter, alte Kirche, Luther auch schon vorher. Aber jetzt seine Erkenntnis der Bibel ist ja mehr die Folge als die Voraussetzung seiner reformatorischen Entdeckung. Jetzt lehrt er auch die Einheit der Heiligen Schrift. Aber jetzt wird sie ganz abgeleitet vom Inhalt, weil die Heilige Schrift nur einen Inhalt hat. Deshalb hat sie eine Einheit. Aus diesem Grund. Nicht nur formal, weil das alles im gleichen Buch steht. Nein, die Einheit ist sachlich bedingt. Ja, die Einheit der Heiligen Schrift bei Luther bezieht sich auch darauf, dass altes und neues Testament zwar unterschieden werden müssen. Also Luther hat sehr genau erkannt, unsere Heilige Schrift ist irgendwie ein Unikum. Die Christenheit hat eine Heilige Schrift, bei der 80 Prozent die Heilige Schrift einer anderen Religion ist, nämlich die jüdische Bibel.
Und die anerkennen wir voll. Und dann setzen wir die christlichen Schriften noch dazu. Aber von der Menge her besteht unsere christliche Bibel aus 80 Prozent jüdische Bibel und 20 Prozent christliche Schriften. Das gibt es nirgendwo in der Religionsgeschichte sonst noch einmal. Also Martin Luther lehrt schon ganz klar, wir können altes Testament und neues Testament nicht einfach identifizieren. Da ist eine Unterscheidung. Und ich sage noch mal, unterscheiden heißt nicht scheiden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Unterscheiden heißt differenzieren und nicht pauschal reden. Und wenn wir die Fähigkeit entwickeln zu differenzieren, dann heißt nicht, dass wir die Sachen trennen. Den Unterschied müsst ihr ganz klar im Kopf haben, sonst kommt ihr nicht weiter.
Also Martin Luther und andere unterscheiden zwischen altem Testament und neuem Testament. Wir können nicht so tun, als ob unsere Heilige Schrift nicht zwei Heilige Schriften sind. Das sind wirklich zwei unterschiedliche Teile. Die haben ziemlich große Unterschiede. Da müssen wir unterscheiden. Aber das heißt doch nicht, dass wir altes und neues Testament trennen. Ja, überhaupt nicht. Wenn wir richtig unterscheiden, dann können wir überhaupt dann erst richtig zuordnen. Wer nicht richtig unterscheiden lernt, kann auch die Sache dann nicht mehr richtig zusammenfügen. Ich sage euch, das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt sehr viele biblische Ausbildungsstretten ohne wirklich hohes Niveau. Denen ist dieser Unterschied nicht bekannt. Und deswegen kommen sie über eine bestimmte Grenze nicht raus. Und wenn sie 84 Jahre werden, kommen nicht drüber raus.
Gut, also die Einheit der Heiligen Schrift verkraftet die angemessene Unterscheidung von A.T. und N.T. Dann ist es auch so, dass Luther jede Angst vor Widersprüchen in der Bibel völlig verloren hat. Warum? Die Einheit der Heiligen Schrift ist nicht die Einheit eines Systems. Die Bibel ist kein geschlossenes System. Sie ist auch kein dogmatisches Lehrbuch und sie ist schon gar kein Küchenrezept. Sie ist auch kein Rezeptbuch, wo alles einfach so ganz klar aufeinander angeordnet ist. Es gibt ja auch in der Bibel vier Evangelien. In der kommunistischen Zeit gab es nicht vier verschiedene Biografien von Lenin mit vielen Unterschieden. Nein, es gab eine glatt frisierte, glatt gebügelte, ideologisch auf Votermann gebrachte Biografie von Lenin.
Es gab schon in der Alten Kirche viele Christen, die sagen, wir wollen eine Evangelienharmonie. Diese vier Evangelien, da muss man ja richtig nachdenken. Es wäre doch viel einfacher für unsere Bedürfnisse. Meine frommen Bedürfnisse verlangen eigentlich ein Evangelium. Und wisst ihr, ich will eine fehlerlose und widerspruchsfreie Bibel, das will ich. Meine Frömmigkeit sagt, ich hätte gern eine widerspruchsfreie und fehlerfreie Bibel. Das ist die Herrschaft von Menschen über die Bibel. Das ist die fromme Herrschaft über die Bibel. Das ist Kleinglaube. Aber Martin Luther kommt aus diesem Gefängnis raus. Er sagt, die Einheit der Heiligen Schrift liegt nicht in der Einheit eines geschlossenen Systems, wo es keine Widersprüche geben darf, sondern die Einheit der Heiligen Schrift wird gewahrt, ruht im lebendigen auferstandenen Jesus Christus und in der Kraft des Heiligen Geistes.
Darin gründet die Einheit, auch in dem einen Inhalt. Aber dass dieser eine Inhalt gewahrt bleibt, dafür sorgt der auferstandene Christus und der Heilige Geist. Luther lehrt an vielen Stellen ohne Angst. In der Bibel gibt es viele Widersprüche. Auch kräftigere. Ich kann euch hunderte aufzählen, die hören viele Christen nie. Die David-Darstellung im 1. und 2. Samuelbücher ist tief anders als die Chronikbücher. Da gibt es keinen Ehebruch mehr. Da wird David wirklich glorifiziert. Die Chronikbücher sind ein paar hundert Jahre später.
Jetzt ist David schon ein Idol. Da darf man nicht mehr rumpinkeln. Aber in den Samuelbüchern ist David noch ein Mafioso. Der hat Schutzgelder eingetrieben. Der war bei den Philistern im Dienst, hat ordentlich verdient und Schutzgelder eingetrieben, wie in der Mafia. Ich sage den Hauptschülern, David war ein Mörder und Ehebrecher, ein Mafioso, und aus dem ist etwas geworden. Da kann aus euch auch noch etwas werden. Das tröstet die Hauptschüler. Wenn aus David etwas geworden ist, dann merken Hauptschüler, da könnte aus mir auch noch etwas werden. Aber das geht alles verloren, wenn man die Bibel glatt bügelt. Die Bibel braucht keinen frommen Schutz. Das hat sie nicht nötig. Hinter diesem frommen Schutz steckt in Wahrheit Kleinglaube. Also Luther lehrt, keine Angst vor Widersprüchen, denn die Einheit der Heiligen Schrift wird durch die Widersprüche nicht gefährdet.
Die Einheit sitzt tiefer. Sie trägt alle Widersprüche in ihrem Arm. Sie hält es aus. So stark ist die Einheit der Bibel. Also diese Angst, die in vielen Gruppen über Jahrzehnte erzeugt wird, schon bei den Kindern und Jugendlichen. Und an der PH kriegt man es fast nicht mehr weg, diese Gehirnwäsche. Also die Einheit wird gewahrt durch den Auferstandenen und den Heiligen Geist. Da könnt ihr ganz unbesorgt sein. Widersprüche in der Bibel sind eine Einladung zum tieferen Nachdenken. Freut euch doch mal dran. Da wird es ein bisschen spannender, nicht so glatt gebügelt.
Gut, also das ist die Einheit der Heiligen Schrift bei Martin Luther. Dann als drittes lehrt Luther die Klarheit der Heiligen Schrift. Weil das Evangelium des rechtfertigenden Christus der eine Inhalt ist, in dem die Einheit ruht und bewahrt bleibt, lehrt Luther aus diesen Gründen die Klarheit der Heiligen Schrift. Die Heilige Schrift ist klarer als die Sonne. Aus der Heiligen Schrift leuchtet die Klarheit Jesu Christi. Man kann allerdings die Klarheit der Heiligen Schrift nicht jedem Menschen klar machen. Man kann sie nicht theoretisch feststellen, systematisch aufweisen. Nein, das kann man nicht. Vielen Menschen wird die Klarheit der Heiligen Schrift nicht klar und manche wollen es auch gar nicht. Da gibt es tausend Spielarten, das weiß Luther.
Also die Klarheit der Heiligen Schrift kann man nicht philosophisch, systematisch einem klar machen. Die muss der Heilige Geist einem klar machen. Und Luther sagt, warum ist vielen Leuten die Klarheit der Heiligen Schrift nicht klar. Das hat letztlich bei Luther vier Gründe, einmal viele Christen wissen viel zu wenig über die damaligen historischen Zusammenhänge. Und dann wird ihnen vieles unklar. Daran leitet ihr ja auch oft. Herr Zimmer, wo kann man das nachlesen und so weiter? Die Bibel ist halt ein Dokument des zweiten ersten Jahrtausends im Vorderen Orient entwickelt in einer Hirten- und Bauernkultur. Und dass man da nicht alles gleich versteht, da ist nicht die Theologie schuld. Da müsst ihr euch beim lieben Gott beklagen. Aber nicht bei mir. Gut, also die Klarheit der Heiligen Schrift wird aus folgenden Gründen vielen nicht klar.
Sie informieren sich letztlich auch aus Faulheit und Trägheit. Denn man kann sich heute, wenn man will, in einem halben Jahr, auch wenn man Gärtner ist oder Taxifahrer, die informieren sich aber die Bundesliga auch. Und wenn sie mit dem Interesse, wie sie die Bundesliga verfolgen, mal da sich einarbeiten, dann wären die in fünf Jahren tausend Kilometer weiter. Also die Laien sollen nicht so tun, als ob sie gar keine Chancen hätten. Heute noch viel mehr als zu Luthers Zeiten. Also viele Christen informieren sich zu wenig. Und da ist nicht die Heilige Schrift dran schuld. Zweitens, viele Christen, das sagt Luther ganz barmherzig, aber es ist trotzdem wichtig, können nicht Hebräisch und Griechisch. Als ich Theologie studierte, ich war ja auf einer pfingstlichen Bibelschule, als ich dann Theologie studierte, bin ich zum Professor Jüngel, weil ich war schon älter. Ich habe schon Lehrerstudium gehabt. Ich bin ja von meinem ersten Beruf her Hauptschullehrer.
Und ich war vier Jahre in der Schule und da habe ich dann Theologie studiert, weil ich mich nicht mehr durch fromme Schnellschüsse steuern lassen wollte. Ich habe gemerkt, dass das Niveau in meiner Umgebung auch nicht gerade Champions League ist. Also da will ich mal lieber Theologie studieren. Natürlich mit der Sorge, Bruder Siegfried, pass auf, dass du nicht vom Glauben abfällst. Im Theologie Studium fällt man nicht vom Glauben ab. Es wird nur der Horizont erweitert. Und das tut sehr weh. Also habe ich zum Professor Jüngel gesagt, Herr Professor Jüngel, muss man wirklich Hebräisch und Griechisch lernen? Jetzt bin ich schon 26. Soll ich mir die Kugel noch geben? Dann sagt der Professor Jüngel Nein, Herr Zimmer, Sie müssen nicht unbedingt Hebräisch und Griechisch lernen. Sie können ja auch Gärtner werden. Aber wenn Sie Theologe werden wollen, Herr Zimmer, dann müssen Sie es.
Dann müssen Sie es. Es wäscht Sie kein Regen ab. Ich bin für diesen Rat dem Herrn Jüngel sehr dankbar. Der hatte recht. Ich will damit nicht sagen, dass jeder Mensch Griechisch und Hebräisch lernen soll. Aber die Christenheit braucht eine Mindestgruppe an Leuten, die erstklassig Hebräisch und Griechisch kann. Und dann ist es eine Daueraufgabe der Erwachsenenbildung, das zu popularisieren. Also viel Dunkelheit der Heiligen Schrift kommt daher, dass man nicht gut Hebräisch und Griechisch kann. Also tausende von Unglarheiten gehen weg, wenn man Griechisch und Hebräisch kann. Und der dritte Grund ist, vielen Menschen ist die Bibel dunkel, weil ihr Herz dunkel ist. Und sie tragen die Dunkelheit ihres Herzens in die Heilige Schrift hinein.
Und dann ist sie dunkel. Das ist aber nicht eine Dunkelheit der Heiligen Schrift, sondern das ist eine Dunkelheit deines Herzens. Und der vierte Grund ist, Gott ist ein Geheimnis. Und das müsst ihr ganz ernst nehmen. Gott ist auch in seiner Offenbarung noch ein Geheimnis. Das betont Luther viel stärker als das ganze Mittelalter und die alte Kirche. Luther ist der Mann, der bis dahin den Geheimnischarakter am stärksten betont. Selbst Johannes der Täufer als Beispiel dieser vollmächtige Bußprediger fragt als letzten Satz, den wir von ihm wissen, lässt er Jesus fragen, bist du es, auf den wir warten sollen oder bist du es vielleicht doch nicht? Es ist halt doch ein Geheimnis. Und ihr Lieben, damit müsst ihr schon rechnen. Gott ist nicht der gute, liebe Onkel aus Amerika, den ihr dann relativ bald so durchschaut.
Gott ist ein unergründliches Geheimnis. Und das spürt man in der Bibel auch. Die Bibel ist halt kein Küchenrezeptbuch. Gut, also so viel zur Klarheit der Heiligen Schrift. Vielleicht ein Punkt noch, Luther unterscheidet eine äußere Klarheit der Heiligen Schrift. Luther ist ja das Äußere wichtig. Die Promissio ist ja ein äußeres, leibliches Wort. Und es gibt eine äußere Klarheit. Damit meint Luther Folgendes. In heilsentscheidenden Lehrfragen ist die Bibel so klar, dass man diese Fragen mit Gewissheit klären kann. Das ist also die äußere Klarheit, die richtet sich auf allgemeine öffentliche Lehrfragen. Man kann einer Sekte schon sagen, weißt du lieber Mensch, lieber Mitmensch, aus dem und dem und dem Grund halte ich dein Glaubenssystem für eine Sekte. Das kann man schon, weil die Heilige Schrift hat eine äußere Klarheit.
In den entscheidenden Lehrfragen ist Gewissheit möglich, lehrt Martin Luther. Dann gibt es eine innere Klarheit der Heiligen Schrift. Das ist die innere Gewissheit und Fröhlichkeit des Herzens in deinem Gewissen, dass du in deinem Gewissen keinen Saustall hast, sondern ein gut geordnetes Wohnzimmer. Das ist möglich. Dazu brauchst du aber den Heiligen Geist. Nur der Heilige Geist kann die äußere Promission, die Zusage dir ins Herz hineindrücken, dass sie in deinem Herzen aufleuchtet. Es kann nur der Heilige Geist. Gut, also Luther lehrt über den Inhalt, die Einheit und die Klarheit der Heiligen Schrift. Das ist sein Verständnis von Sola Scriptura. Hier ist so viel neu. Überlegt mal, wo ihr das sonst so findet.
Jetzt kommt der vierte Punkt. Die Heilige Schrift steht unter Jesus Christus. Die Heilige Schrift und Jesus Christus haben nicht die gleiche Autorität. In der Chicago Erklärung schon. Ich habe die Chicago Erklärung, die bedeutendste modernere Erklärung des Weltfundamentalismus. Da haben 70, 50, 70, ich weiß die Zahl nicht genau, sehr viele fundamentalistische Professoren, gibt es ja in den USA, Doktores und sonst mitgearbeitet. Und bewusst als Bekenntnis weltweit die Chicago Erklärung. Ich habe sie mehrfach genau gelesen. Ja, da stecken schwerste Irrtümer drin. Die fallen weit hinter Martin Luther zurück. Denn in der Chicago Erklärung hat Martin Luther und die Heilige Schrift die gleiche Autorität. Die sind auf Augenhöhe eng verbunden.
Sie sind eine Einheit. Jesus Christus und die Heilige Schrift sind eine Einheit mit gleicher Autorität. Bei Martin Luther sind Jesus Christus und die Heilige Schrift auch eine Einheit. Man darf sie nicht gegeneinander ausspielen. Im Regelfall nur in ganz besonderen Fällen kann da mal auch ein Konflikt entstehen. Kann, kann man nicht ausschließen. Aber sie haben nicht die gleiche Autorität. Es gibt ja auch die Einheit von einem Herrn und einem Knecht. Die können sich ja einig werden. Da muss man trotzdem noch zwischen Herrn und Knecht unterscheiden. Also Martin Luther lehrt bei seinem Sola Scriptura. Weil sein Sola Scriptura ist ein ganz anderes, als das Sola Scriptura in Hunderttausenden von Christen heute. Ist ein ganz anderes. Nur die Formel klingt gleich. Also Martin Luther lehrt glasklar, Jesus Christus ist der Herr, der König und der Richter der Heiligen Schrift.
Unbedingt! Und die Heilige Schrift ist sein Knecht. Es ist zwar eine Einheit, aber es ist die Einheit von einem Herrn mit seinem Knecht. Das ist reformatorische Theologie. Aber das eröffnet völlig neue Landschaften. Jetzt will ich das mal kurz begründen, warum das unbedingt stimmt. Gott kann sich in einer Person anders offenbaren, wie in einem Buch. Eine Person und ein Buch können niemals die gleiche Autorität haben. Weil es ist ein Unterschied zwischen einer Person und einem Buch. In Jesus Christus kann Gott Kinder umarmen, aber ein Buch kann keine Kinder umarmen.
Also in Jesus Christus ist Gott Fleisch geworden, das ist die Inkarnation. Aber Gott hat sich nicht in die Bibel inkarniert. Es gibt keine Buchwertung Gottes. Es sei denn im Koran. Also wir müssen unterscheiden zwischen Jesus Christus und der Bibel. Ich sage nicht trennen, aber hier ist die Unterscheidung besonders tief. Denn wir Christen glauben an Jesus Christus, aber wir glauben nicht an ein Buch. Im Apostolikum heißt es, ich glaube an Gott den Vater, an Gott den Sohn, an Gott den Heiligen Geist. Es heißt nicht, viertens, ich glaube an die Bibel. Das wäre eine Viereinigkeit, die ist aber Gottem falsch. Die Bibel ist nicht Gott. Die Bibel ist auch nicht göttlich. Göttlich ist nur Gott und sonst niemand und nichts.
Denn hier geht es um die Einzigkeit des einen Gottes. Göttlich ist nur Gott und sonst nichts. Und das ist diese Nebelkerze. Herr Zimmer, für mich ist die Bibel Gottes Wort. Aha, für mich auch. Aber für mich ist sie nicht göttlich. Sie hat keine göttlichen Eigenschaften. Denn die Bibel ist nach Martin Luther ein Werkzeug, ein Mittel. Selbst die Promissio, das ist ja das Beste, was die Bibel zu bieten hat, ist ein Medium Salutis, ein Heilmittel, ein Nadenmittel, und zwar das Entscheidende. Aber es ist ein Mittel. Es ist ein Vehiculum. Es ist ein Instrumentum. Es ist eine Leiter, sagt Luther, oder ein Steg, ein Werkzeug, sagt ja die Bibel selber auch. Gottes Wort ist wie ein Hammer. Ein Hammer ist doch ein Werkzeug.
Es ist schärfer als ein zweischneidiges Schwert. Ein Schwert ist doch ein Werkzeug. Die Bibel ist nach Martin Luther Gottes bevorzugtes Werkzeug. Aber wir glauben nicht an Werkzeuge. Wir glauben an den, der dieses Werkzeug benutzt. Kein reformatorischer Theologe ist der Meinung, dass die Bibel fehlerlos ist. Der Bibel hat viele Fehler. Nicht heilsentscheidend. Es hat auch keine heilsentscheidenden Widersprüche. Die Widersprüche und die Fehler tasten die Klarheit der Heiligen Schrift kein bisschen an. Wenn ein Liebesbrief ein paar Tippfehler hat, ist dann der Liebesbrief schlechter. Und wenn Sie ein Urteil von einem Gericht bekommen, wo ein paar Fehler drin sind, gilt dann das Urteil nicht. Diese unglückselige Verklammerung der Wahrheit mit Fehlerlosigkeit ist tief krank, tief ängstlich.
Verhindert, du stellst meine Füße auf weiten Raum. Führt in die Enge. Also, Jesus Christus ist der Herr der Bibel. Und die Bibel ist ihr Knecht. Viele Christen sagen mir an der Periode, Herr Zimmer, unterschätzen Sie die Bibel nicht. Ich sage, nein, das will ich nicht. Lassen Sie die Bibel auf dem ersten Platz. Ich sage, nein, das lasse ich nicht. Dann sage ich, lassen Sie mal bitte Jesus Christus auf dem ersten Platz. Das sollten Sie mal tun. Lassen Sie bitte Jesus Christus auf dem ersten Platz. Er allein. Denn noch schlimmer als die Bibel zu unterschätzen, und das macht Martin Luther nicht, kann ganz beruhigt sein. Aber schlimmer ist, wenn du Jesus Christus unterschätzt. Und wenn du ihn nicht über die Bibel stellst, dann entwürdigst du nämlich Jesus Christus.
Und das ist wirklich schlimm. Also ich sage mal ein paar Beispiele. Jesus Christus erlöst uns, nicht die Bibel. Jesus Christus ist auferstanden, nicht die Bibel. Jesus Christus ist der Anfänger und Vollender des Glaubens, nicht die Bibel. Im Johannesevangelium heißt es, im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Sie können doch mit diesem Wort nicht die Bibel meinen. Sie können doch nicht sagen, am Anfang war die Bibel, und die Bibel war bei Gott, und Gott war die Bibel. Das geht ja nun wirklich nicht. Also ist Jesus Christus das Wort Gottes in einem tieferen Sinn als die Bibel. Soweit mal. Also Jesus Christus ist der Herr, der König und Richter der Heiligen Schrift. Deswegen ist bei Martin Luther auch eine Kritik an der Bibel möglich. Manchmal auch notwendig. Das ist kein Schulmeister in der Bibel, wie die alle gleich schreien.
Nein, das ist es nicht. Und es ist auch keine Herrschaft der Vernunft und des Raziolanismus. Das sind alles nur so komische Ausreden. Nein, das ist Nachfolge Jesu Christi. Denn Martin Luther unterscheidet im geistlichen Bereich drei Autoritätsebenen. Drei. Viele konservative Christen, nur zwei. Und das ist ihr Fehler. Die oberste Ebene der Autorität ist bei Martin Luther nur der dreieinige Gott. Gott, Jesus Christus und der Heilige Geist und sonst niemand. Die zweite Autoritätsebene ist die Heilige Schrift. Die dritte Autoritätsebene ist die Kirche, der Papst, alle Ämter und Theologie Professoren und alle Prediger und alle Christen. Also oberste Autoritätsebene ganz allein der dreieinige Gott.
Nur er hat absolute Autorität. Die anderen Autoritätsebenen sind abgeleitete Ebenen. Die Autorität der Heiligen Schrift, die Heilige Schrift ist kein Selbstzweck und ist nicht ein selbstständiges Gut, sondern sie ist abgeleitet von der Autorität des dreieinigen Gottes. Aber die Heilige Schrift steht über der Kirche. Die Heilige Schrift steht über den Christen. Ich und ihr, wir stehen unterhalb der Heiligen Schrift. Mir hat ein Lehrer einer Bibelschule gesagt, Herr Zimmer, wir stehen aber unterhalb der Heiligen Schrift. Ich sage ja. Ja, selbstverständlich. Wer bezweifelt denn das? Niemand. Aber deswegen steht die Heilige Schrift nicht auf der gleichen Autoritätsebene wie Gott. Das stimmt trotzdem nicht. Oder auch der Trugschluss, Herr Zimmer, wir wissen doch alles Wichtige über Gott und Jesus Christus nur aus der Heiligen Schrift.
Ja, selbstverständlich. Das weiß ich auch. Er meinte, das weiß Martin Luther besser wie du. Also wir wissen tatsächlich alles Wesentliche über Gott und Jesus Christus nur aus der Heiligen Schrift. Wir können unser Gottesverständnis, unser Jesusverständnis nur aus der Heiligen Schrift entwickeln. Ja, selbstverständlich. Aber deswegen steht die Heilige Schrift trotzdem nicht auf der gleichen Ebene. Weil das ist nur ein Aspekt der Sache. Jetzt gibt es aber noch einen zweiten. Nämlich die Heilige Schrift dreht sich um Jesus Christus. Sie bezeugt Jesus Christus. Aber Jesus Christus dreht sich nicht um die Heilige Schrift. Da ist ein Unterschied. Die Heilige Schrift bezeugt Jesus Christus. Aber der, den sie bezeugt, ist höher als das Zeugnis.
Gut, ich könnte jetzt noch drei Stunden weitermachen. Ich will nur sagen, liebe Schwestern und Brüder, lasst euch nicht täuschen. Ich weiß, dass diese Gruppen das im besten Wissen und Gewissen tun, dass sie meinen, es sei so gut. Aber sie täuschen sich. Die reformatorische Entdeckung hat das ganz tief klargestellt. Jesus Christus ist Herr, König und Richter der Heiligen Schrift. Und das Wort Richter heißt, wir dürfen an der Heiligen Schrift auch Sachkritik üben. Nicht aus eigener Autorität, nicht aus Autorität der Kirche, nicht aus Autorität der Wissenschaft. Das ist verboten. Die Wissenschaft, auch die theologische Wissenschaft, hat kein Recht, an der Heiligen Schrift Kritik zu üben. Hat sie kein Recht. Aber im Namen Jesu Christi dürfen und müssen wir Kritik üben.
Denn nicht alles in der Heiligen Schrift hat die Qualitätsstufe von Jesus Christus. Wir müssen die Heilige Schrift von Jesus Christus her erobern und Licht und Schatten prüfen. Jesus Christus ist die Sonne, nicht die Heilige Schrift. Wir haben nur eine Sonne und das ist Jesus Christus. Raubt ihm bitte nicht den ersten Platz. Gut, jetzt kommt der letzte Baustein. Die Heilige Schrift aber herrscht über die Kirche. Da habe ich große Nähe zu diesen christlichen Gruppen. Aber erst jetzt. Martin Luther hat drei Autoritätsebenen. Der dreieinige Gott, die Heilige Schrift. Ein Buch ist nicht Gott. Und wir glauben nicht an die Bibel, wir glauben an Gott.
Aber die Heilige Schrift ist Königin und Herrin der Kirche. Amen, halleluja. Deswegen bin ich kein liberaler Theologe. Weil in der liberalen Theologie und im Neuprotestantismus das nicht mehr ganz klar ist. Aber bei Martin Luther ist es klar und ich bin ein Schüler von Martin Luther. Wie kommt es, dass die Heilige Schrift Herrin und Königin und Richterin der Kirche und der Christen ist? Das hat folgenden Sachgrund bei Luther. Diese drei Autoritätsebenen sind einerseits in einem Herr-Knecht-Verhältnis. Die Heilige Schrift ist der Knecht Gottes. Wann die Heilige Schrift und wie die Heilige Schrift wirkt, das entscheidet allein Gott. Die Heilige Schrift ist nicht einfach geistgeladen. Nein, der Heilige Geist ist der Herr über die Heilige Schrift. Und der Heilige Geist allein entscheidet, wann die Schrift wie und bei wem wirkt.
Das hat sich der Heilige Geist vorbehalten. Da sagt Luther, ubi quando et quos. Wo, wann und an wem. Das behält sich Gott vor. Und wenn Gott es so will, dann wirkt die Heilige Schrift auch mal bei dir oder bei sonst jemanden drei Jahre gar nicht. Und wenn du tausendmal in der Heiligen Schrift liest. Wir haben die Verheißung, dass Gott durch die Heilige Schrift spricht und das tut er auch. Aber ein Automatismus ist es nicht. Jetzt aber diese drei Autoritätsebenen haben nicht nur ein Herr-Knecht-Verhältnis. Gott ist der Herr der Schrift. Die Schrift ist die Herrin der Kirche. Sondern in diesen drei Ebenen bleibt auch eine Identität bestehen. Die Autorität der Heiligen Schrift ist in einer gewissen Hinsicht identisch mit der Autorität Gottes. Obwohl sie eine Stufe tiefer ist.
Bleibt trotzdem eine Identität. Und auch die Autorität der Kirche eines Predigers oder eines theologischen Lehrers ist identisch mit der Autorität Gottes. Es ist keine andere Autorität. Wenn er eine echte Autorität hat, dann wirkt jetzt Gott durch ihn. Es bleibt da eine Identität. Aber es ist trotzdem ein Herr-Knecht-Verhältnis. Diese Dialektik, das ist die Kunst von Martin Luther gewesen. Also es bleibt auch eine Identität. Worin ist die Heilige Schrift identisch mit der Autorität Gottes? Das ist jetzt ganz entscheidend. Weil darin gründet auch unsere Heilsgewissheit. Also Luther klärt erst einmal, was ist überhaupt Autorität. Weil das ist schon ein entscheidender Kampfplatz. Wenn man von der Autorität der Heiligen Schrift spricht. Ich kenne niemanden, der von ihr tiefer gesprochen hat als Martin Luther.
Ich habe das nirgendwo in den erwäglichen Kreisen gehört. Luther wird oft kritisiert, weil er nicht verstanden wird. Er hat schon dunkle Seiten als Mensch und Judenfrage. Ich habe da die gleiche Meinung wie Thorsten Dietz und so weiter. Schau heute allgemein an. Nein, aber diese Leerklarheit, die Luther hat. Man muss da schon auch unterscheiden zwischen Person und Amt sozusagen. Also wohin gründet die Identität der Heiligen Schrift mit Gottes Autorität? Autorität ist für Luther im Geben. Der hat Autorität, der viel geben kann. Die Autorität liegt nur in der Fähigkeit anderen was zu geben. Wer viel geben kann, hat viel Autorität. Alles andere ist formale Amtsautorität. Wieso hat Gott eigentlich allein die absolute Autorität?
Weil Gott am meisten geben kann. Er kann nämlich ewiges Leben geben. Nur Gott kann den Tod überwinden. Nichts irdisches. Alles in der Schöpfung unterliegt dem Tod. Zeit, Raum und Vergänglichkeit. Soli Deo Gloria. Gott allein kann ewiges Leben geben und den Tod sagen jetzt Kusch mal. Und deswegen hat er die höchste Autorität. Jetzt lehrt aber Martin Luther der Ursprung der Heiligen Schrift. Es geht jetzt, Luther, um den Ursprung und den Inhalt der Heiligen Schrift. Am meisten aber um den Ursprung. Der Ursprung der Heiligen Schrift ist nicht in den Gedanken der Menschen. Nicht die Menschen haben die Heilige Schrift in die Welt gebracht und nicht die Kirche. Der Ursprung der Heiligen Schrift ist himmlisch. Gott, ohne Gott gäbe es keine Heilige Schrift.
Und Gott ist der entscheidende Faktor in der Heiligen Schrift. Man kann aber die Autorität der Heiligen Schrift nur würdigen, wenn man ihren menschlichen Charakter uneingeschränkt würdigt. Trotzdem, der Ursprung der Heiligen Schrift ist nicht in unserer Gedankenwelt, nicht in einer Theorie eines Wissenschaftlers und nicht in der Kirche. Der Ursprung der Heiligen Schrift ist himmlisch und nicht irdisch. Und deswegen ist die Heilige Schrift die Herrin der Kirche. Luther unterscheidet nämlich sehr stark zwischen himmlisch und irdisch. Er unterscheidet sehr stark zwischen der Heiligen Schrift und Menschenlehren. Menschenlehren sind entsprungen in der Gedankenwelt, in den Köpfen von irgendwelchen Menschen. Menschenlehren haben keine Gewissheit. Und wenn sie in der Heiligen Schrift nicht klar bezeugt sind, darf man sie nicht verpflichtend machen. Das Schlimmste, was man tun kann, ist, dass irgendwelche religiösen christlichen Strömungen,
Krüppchen, Hinterhöfe, Dinge, die in der Heiligen Schrift gar nicht klar bezeugt sind, verpflichtend für den Glauben werden. Irgendwelche Alkoholfragen, Kleiderfragen, irgendwelche Sexfragen, die in der Bibel gar nicht so in jedem Detail... Und dann entscheidet sich letztlich an den Fragen und die zentralen Fragen der Heiligen Schrift spielen gar nicht so eine Rolle. Das ist ja schon ein Problem. Also, die Heilige Schrift ist in ihrem Ursprung himmlisch und sie gehört nicht zu den Menschenlehren. Luther betont sehr oft den menschlichen Charakter der Heiligen Schrift. Aber wenn es ihm um den Unterschied geht zwischen Heiliger Schrift und Menschenlehren, dann ist er ganz auf der Seite der Heiligen Schrift. Denn die Heilige Schrift hat einen himmlischen Ursprung. Deswegen ist die Heilige Schrift Königin und Richterin der Kirche und aller Christen.
Jetzt am Schluss mein letzter Baustein. Luther überlegt sich... Also die Heilige Schrift wird ja zumindest theoretisch von allen christlichen Gruppen oder von den meisten hochgeachtet, von Zeugen Jehova ganz hoch. Ich habe Bekannte, die bei Zeugen Jehova sind. Ich sage das ganz freundlich, sind ja meine liebenswürdigen Mitmenschen. Ich will nur sagen, die Zeugen Jehova sind ganz tief überzeugt, die Heilige Schrift hat keine Fehler und keine Widersprüche. Also, Luther sagt diese theoretische Ehrung der Heiligen Schrift. Herr Zimmer, in unserer Gemeinde ist die Heilige Schrift ganz hoch, fehlerlos, widerspruchslos. Gottes inspiriertes Wort. Da sagt Martin Luther, das sagt noch gar nichts. Das ist ja nur barocke Festmusik.
Aber was ist bei euch in Wirklichkeit tonangebend? Ach so, russische Traditionen oder südamerikanische oder texanische, die herrschen wirklich. Theoretisch herrscht bei euch die Heilige Schrift, aber wirklich im Alltag. Da herrscht vielleicht der Prediger oder eine bestimmte Gruppe. Also Martin Luther sagt, dadurch, dass du offiziell verkündigst, dass die Heilige Schrift so supergut ist, das sagt noch gar nichts. Das sagt noch nichts über den Alltag. Es kann dann trotzdem sein, dass eine gewisse Auswahl aus der Heiligen Schrift herrscht. Ja, dann herrscht doch nicht die Heilige Schrift, sondern deine Brille. Also die Sache ist komplizierter. Und deswegen empfiehlt Luther folgende Lösung. Er sagt, entscheidend kommt es darauf an, wie wird die Heilige Schrift in der Praxis, im Alltag zur Herrin deines Lebens?
Das löst sich mit deinem offiziellen Gemeindebekenntnis noch gar nicht. Das sagt noch nichts über den Alltag. Also was können wir lehren und tun, dass die Heilige Schrift tatsächlich im Alltag herrscht? Das ist die Frage. Und da sagt Luther, es sind vier Gesichtspunkte. Das erste ist, ich sage es mal kurz lateinisch, scriptura sacra sui ipsus interpres. Scriptura sacra sui ipsus interpres. Das heißt, die Heilige Schrift legt sich selber aus. Bitte schön, nicht du.
Und nicht dein freikirchliches Bekenntnis. Ich sage dir, die Heilige Schrift behält sich das selber vor. Die Auslegung der Heiligen Schrift muss frei bleiben. Du kannst die Heilige Schrift, die Auslegung nicht steuern. Bei der Einheit der Heiligen Schrift wird die Heilige Schrift zum Ausgrenzungsprinzip, nämlich Septuaginta kann es nicht sein, Vulgata kann es nicht sein und keine anderen Offenbarungsquellen. Das nennt Luther ein Ausgrenzungsprinzip. Aber noch wichtiger für Luther ist die Heilige Schrift als Auslegungsprinzip. Denn noch gefährlicher als die ergänzende Macht der Menschen zur Heiligen Schrift, dass sie ihre Ergänzungen anbringen. Noch gefährlicher ist die interpretatorische Macht der Kirche und der Freikirchen und der Sekten über die Heilige Schrift, dass sie sagen, ich habe das Interpretationsmonopol.
Nein, die Autorität der Heiligen Schrift zeigt sich in der Interpretation der Heiligen Schrift. Die Autorität der Heiligen Schrift ist gar keine theoretische Sache, sie ist eine Auslegungssache. Und da sagt Luther, die Auslegung der Heiligen Schrift muss frei bleiben. Keiner darf sie festlegen. Deswegen die freie wissenschaftliche theologische Forschung an der Universität. Ergebnis offen. Und wenn ein Ergebnis kommt, das dir stinkt, dann stinkt es dir halt. Es kommt ja nicht darauf an, wie du es gerne hättest. Du musst ja auch die Heilige Schrift mal gegen dich lesen. Also das nennt Luther die Selbstauslegungskraft der Heiligen Schrift. Die gibt die Heilige Schrift zu keinem Prediger, zum keinem Papst, zu keinem Oberkirchenrat und zu keinem Theologie-Professor und zu keiner Fakultät.
Sie muss immer wieder neu errungen werden. In einem offenen Kampf der Fachleute, anderer. Wer bessere Argumente hat, der ist im Recht. Wer die Heilige Schrift gründlicher liest, der liest sie eben gründlicher. Man muss schon noch unterscheiden dürfen zwischen einer oberflächlichen Interpretation und einer sehr gründlichen. Und die sehr gründliche ist besser. Aber die Auslegung muss frei bleiben. Die Heilige Schrift entscheidet selber, was die beste Auslegung ist, in der die Interpretation immer wieder neu errungen wird. Darin gründet die Autorität der Heiligen Schrift. Viele Gruppen legen die Heilige Schrift halt in ihre Ketten. Und damit herrschen sie über die Heilige Schrift, indem sie die Interpretation festlegen. Das ist Herrschaft über die Heilige Schrift. Das sind Erkenntnisse von Martin Luther. Und da sagen die Leute, die das alles nicht blicken,
Martin Luther hat nur die halbe Arbeit gemacht. Und wir machen jetzt die ganze. Pfeifendeckel. Und jetzt kommt die letzten drei. Was können wir weiter tun, damit die Heilige Schrift wirklich zur Herrin wird in unserem Leben? Also wir müssen die Interpretation auch meine eigene offen lassen. Was meint ihr, wie viele heilige Kühe ich schon geschlachtet habe? Weil ich gemerkt habe, es stimmt halt doch nicht. Das habe ich jetzt 18 Jahre lang vertreten, aber jetzt muss ich aufhören, ich habe gemerkt, es stimmt nicht. Du musst dich immer wieder lebenslang bis zum Tod, bis der Sackdeckel über dich schließt, musst du deine Interpretation der Heiligen Schrift korrigieren. Gut, das ist mal das erste. Gruppen, die das nicht machen, sind arme Vereine. Jetzt das zweite kommt, zweiter Sache, wir Christen mit unterschiedlichen Möglichkeiten, es ist ganz barmherzig, aber sachlich notwendig, wir müssen uns möglichst gut historisch informieren über die damaligen Zusammenhänge,
über die Heimat der Bibel in ihrer Kultur, lehrt Luther Glas klar. Wir müssen möglichst genau nachvollziehen können, soweit es möglich ist. Wie war das da bei David? Oder was hat Paulus gemeint, wenn er den Korinthern das und jenes schreibt? Um was geht es da damals? Das ist das zweite. Also das ist die Bildungsaufgabe der Reformation. Die Reformation wird zu einer grossen Bildungsbewegung. Gruppen, die bildungsfeindlich sind, die besser fluktuieren, wenn man sie nicht so informiert, die in abgeisolierten Hinterhöfen sind. Und man sagt, Bildung ist gefährlich. Dann entwickeln sich auch diese Gruppen. Also das dritte ist, das habt ihr schon gehört, wir haben die Daueraufgabe als Christenheit,
dass wir möglichst gut Hebräisch und Griechisch können. Die Heilige Schrift kann in der Praxis nicht Herrin werden, ohne die Kenntnisse dieser Zusammenhänge und ohne eine möglichst erstklassige Kenntnis der Sprachen. Denn die Hebräische und Griechische Sprache hat Gott gewürdigt für die Heilige Schrift. Also studieren wir unser Leben lang Hebräisch und Griechisch. So bescheiden sind wir. Der Stolze sagt, das brauche ich nicht, aber stolze Christen entwickeln sich am schlechtesten. Und jetzt kommt der entscheidende, vierte Punkt. Jetzt muss ich kurz Luft holen, weil was jetzt kommt, das könnt ihr nur im Heiligen Geist erfassen. Ich kann das nicht sagen und ihr schreibt es schön mit. Es kann man nicht einfach lernen, was ich jetzt sage. Luther sagt viertens, aber das alles reicht nicht.
Wenn dir ganz im Herzen klar ist und auch theoretisch und systematisch, denkerisch klar ist, Scriptura sacra sui ipsus inter preis, nicht katholisch inter preis, nicht protestantisch, nicht baptistisch, nicht russlanddeutsch und nicht texanisch. Sie selber behält sich das vor. Und wenn ihr jahrelang die historischen Dinge euch fleißig bemüht habt, ihr werdet merken, wie viel euch das bringt. Und wenn ihr immer besser Griechisch und Hebräisch lernt, ihr werdet merken, wie viel euch das bringt. Das Entscheidende bringt das alles noch nicht. Das Entscheidende kann man nicht lernen auf keiner Universität. Und zwar sagt Luther, das Entscheidende ist ein Wunder, nämlich dass der Heilige Geist deinen sensus proprius durchbricht,
deinen eigenen Sinn, deine eigenen Interessen, deine eigene Wahrnehmung, deine eigene Lebensplanung, in der du so rumzappelst. Du steckst halt ganz tief in deinen eigenen Interessen. Und Martin Luther hat als erster gesagt, nicht nur Menschen haben Eigeninteressen, auch Institutionen. Es gibt auch die Eigeninteressen der evangelisch-theologischen Fakultät Tübingen. Die hat auch ein Eigeninteresse. Es gibt auch ein Eigeninteresse von Porsche. Und es gibt ein Eigeninteresse vom Vatikan. Also nicht nur Menschen haben, sind gefangen in ihren eigenen Interessen. Und da kommst du nicht von alleine raus. Auch nicht, wenn du Skritura, Sakra, Sui Ipsus, Inter prest, du bist immer noch in deinen eigenen Interessen. Jetzt musst du dich historisch informieren, informieren. Da kommen schon ein paar ganz fremde Elemente. Aber du bist immer noch in deinen eigenen Interessen. Jetzt lernst du griechisch, hebräisch immer besser, bist immer noch in deinen eigenen Interessen. Du verwendest sogar noch das hebräische und griechische im Dienst deiner eigenen Interessen.
Du verwendest die gesamte historische Bildung im Interesse deiner eigenen Interessen. Weil du dann der Beste bist, der in dem Jahrhundert am besten durchblickt. Und so. Nein, er sagt, das Entscheidende ist, dass der Heilige Geist deine Gefangenschaft, indem du in deiner Prägung und Bildung und Biografie zappelst, durchbrichst. Und das ist ein Wunder, um das man Gott nur herzlich bitten kann. Das ist Martin Luthers Lehre von der Heiligen Schrift. Macht's gut.
Luthers Verständnis der Bibel | 6.5.1
Die von Martin Luther angestoßene Reformation war zugleich eine der größten Erneuerungs- und Erweckungsbewegungen in der Geschichte der Christenheit. Von besonderer Wirkung erwies sich dabei Luthers Übersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche. Sie ist für die deutschsprachige Christenheit von unschätzbarem Wert. Doch welches Verständnis der Heiligen Schrift hatte der Reformator und Übersetzer der Heiligen Schrift?
Siegfried Zimmer wendet sich in seinem Vortrag zunächst der berühmten Formel »sola scriptura« zu. Doch sie ist keineswegs so klar und eindeutig, wie Viele meinen. Und Luther versteht sie auch deutlich anders, als viele der konservativen Christen, die sich auf diese Formel berufen. Danach geht es um den Inhalt, die Einheit und die Klarheit der Heiligen Schrift. Besonders brisant wird es, wenn Zimmer erläutert, dass für Martin Luther die Heilige Schrift keineswegs die gleiche Autorität hat wie Jesus Christus. Jesus Christus steht vielmehr über der Heiligen Schrift. Er ist ihr König und Richter und sie ist sein Knecht. Im Schlussteil seines Vortrags wendet sich Zimmer der praktischen Frage zu, wie die Heilige Schrift tatsächlich im Alltagsleben der Christen zur Geltung kommt. Und kommt dabei zu überraschenden Einsichten.