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Das Thema in diesem Vortrag lautet Karl Barth, die Theologie und das Wort Gottes. Viele protestantische Kirchen feiern im Jahr 2019 ein Karl-Barth-Jahr. Ende 2018 jährte sich der Todestag Barth zum 50. Mal, das war Anlass, ein ganzes Jahr der Erinnerung zu widmen an diesen einflussreichsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Ganze Fachergenerationen wurden in der Deutschland und in der Schweiz, aber auch zunehmend weltweit, von Karl Barth geprägt. Auch wenn man sagen kann, sein Einfluss ist nicht mehr so groß, wie er mal war, muss man trotzdem sagen, auch Theologen, die heute entschieden gegen Barth sind, naja, sind gegen Barth. Sie grenzen sich von ihm ab, sie reiben sich an ihm,

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sie denken ausdrücklich anders als Barth. Sie schließen sich an theologische Entwürfe an, mit denen Karl Barth sich schon auseinandergesetzt hat und die er entschieden abgelehnt hat. Es ist daher schlicht unmöglich, auch nur einigermaßen zu verstehen, was die Theologie der letzten hundert Jahre beschäftigt hat, ohne sich ausführlich mit Karl Barth auseinanderzusetzen. Darum finde ich es gut, ein Karl-Barth-Jahr, zehn Jahre Reformation, da kann ein Jahr Karl Barth nicht übertrieben sein. Und ich möchte in diesem Vortrag eine kleine Hinführung zu Barth geben, ein Theologe, der auch für Nicht-Theologen, denke ich, interessant sein kann. Jetzt hat Karl Barth extrem viel geschrieben, Zehntausende von Seiten, das in einer Vorlesung hineinzupacken ist nicht so einfach, darum diese ganz klare thematische Zuspitzung, die Theologie und das Wort Gottes. Und ich möchte

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beginnen mit einem berühmten Zitat von Karl Barth, an dem man sich viel zu dieser Frage klarmachen kann. Karl Barth formulierte Anfang der 1920er Jahre mal folgende drei Sätze. Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen beides, unser Sollen und unser Nicht-Können wissen und eben damit Gott die Ehre geben. Gehen wir diesen Sätzen entlang. Es beginnt ja erstmal völlig kurios. Es beginnt mit dem ersten Satz. Wir sollen als Theologen von Gott reden, sagt ein Theologe, der viele Jahre studiert hat, Theologiestudium, danach eine Zeit lang in der Wissenschaft geblieben, in einer theologischen Zeitschrift mitgearbeitet, wissenschaftlich publiziert, dann in die Gemeinde gegangen, zehn Jahre Gemeindedienst. Nach über 20 Jahren Theologie kommt er zur Erkenntnis, wir sollen als

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Theologe von Gott reden. Das klingt nicht spektakulär. Das klingt nach Verhöhnung des Publikums. Bitte wie, möchte man sagen. Jedes Kind weiß, dass Theologen von Gott reden, dafür werden sie bezahlt. Was denn sonst? Man kann daran sehen, Sätze haben ihre Bedeutung nie in sich und absolut. Sätze haben Bedeutung immer in einem ganz bestimmten Kontext. Als Antwort auf ein breites, vielfältiges Gespräch ist dieser Satz ganz besonders gemeint und besonders wichtig. Wir sollen als Theologen von Gott reden. Ja klar, Karl Barth wusste das auch als Kind schon. Er stammt aus einem erwecklich frommen Elternhaus. 1886 ist er geboren in der Schweiz. Sein Vater war Theologieprofessor. Sein Leben lang hat Karl Barth verbracht in einem kechlich-theologischen Dunstkreis. Natürlich sollen Theologen von Gott reden. Was denn sonst? Weiß ja jedes Kind. Sein

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Vater war ein konservativer Theologe. So was hieß damals positiver Theologe. Die redeten erst recht und laut und bekenntnishaft von Gott. Unzählige andere Menschen auch und natürlich Theologen auch, meint man als frommes Kind. In der Theologie kann so ein einfacher Satz schwierig werden. Wir sollen als Theologe von Gott reden. Und das war vor 100 Jahren so und das ist auch heute noch so. Sehr einfache Sätze werden einem in Beschäftigung mit der Theologie immer schwieriger, immer fragwürdiger. Wie passiert das, dass Theologen so einfache Sätze auf einmal zu Problemen machen? Naja, wenn man anfängt Theologie zu studieren, sieht man auf einmal, viele Menschen reden von Gott. Sie glauben, vom Gott der Bibel zu reden. Sie meinen zu sagen, was die Bibel sagt. Faktisch aber sagen sie, was sie verstanden haben, was sie gelernt haben,

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was sie mal gehört haben. Und das kann etwas sehr, sehr anderes sein als das, was die biblischen Texte selbst wirklich sagen. Man kann sich sehr täuschen in der Rede über Gott. Man kann sehr leicht davon überzeugt sein, die ewige christliche Wahrheit, die man seit 2000 Jahren immer genauso bekannt hat, selbst zu bekennen, sagt aber im Grunde etwas recht Neumodisches. Etwas, was vor 100 Jahren keiner verstanden hätte, was vor 500 Jahren alle für Nonsens oder Kitsch oder Heresie gehalten hätten. Man kann sich sehr täuschen, wenn man einfach so von Gott redet. Karl Bartsch begann mit dem Theologie-Studium. Sein Vater ermutigte und ermahnte ihn, bei den frommen konservativen Theologen zu bleiben. Karl Bartsch hatte aber mehr und mehr das Gefühl, es gibt eine Konservativität, die sehr viel Kraft reinsteckt, bloß nicht zu ändern und bloß festzuhalten. Und dabei sehr

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redundant werden kann, sehr langweilig, sehr immer wieder in derselben Wiederholungschwalei. Für Karl Bartsch bekam Lust, die Theologen zu lesen, von denen er gewarnt wurde zu Hause. Er wollte doch ein bisschen genauer wissen, was treiben denn diese liberalen Theologen, die an den Universitäten immer mehr Raum einnehmen, die viele Gläubige aber mit Skepsis, mit Angst oder Wut betrachteten. Und es kam so, wie es in vielen Pfarrerdynastien geschah, der konservative Vater hatte einen mehr und mehr liberal werdenden Sohn. Karl Bartsch stürzte sich in die liberale Theologie, in die historisch-kritische Erforschung der Bibel, er las all die gefährlichen, verbotenen Bücher. Schließlich ging er nach Marburg, dem Zentrum der liberalen Theologie der damaligen Zeit, wo der Schüler der wichtigsten liberalen Theologen arbeitete, in der christlichen

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Welt drin, mit die wichtigste liberale Zeitschrift, die es damals gab. Wir sollen als Menschen, als Theologen von Gott reden. Na ja, auch liberale Theologen finden das schon irgendwie. Und was aber zum Bewusstsein der liberalen Theologie gehört, ist dies, wir können doch nur angemessen von Gott reden, wenn wir sehen und wahrnehmen, dass die Bibel selbst ein Werk der Geschichte ist. Das ganze Christentum ist zutiefst geschichtlich, zutiefst wandelbar, zutiefst eingelassen in seine jeweilige Zeit. Alles Denken steht in seiner Zeit. Es gilt für die kechlichen Bekenntnisse. Man hat als Kind mitgesprochen die Glaubensbekenntnisse, das Credo, die großen dogmatischen Formulierungen der alten Kirche. Jetzt studiert man Theologie, lernt Latein und Griechisch und merkt auf einmal,

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all diese altvertrauten Sätze sind vollgesogen mit philosophischen Voraussetzungen der griechischen Metaphysik. Es sind lauter zeitbedingte Ausdrucksformen des menschlichen Geistes und sie wurden nicht irgendwann im Gehorsam zur ewigen Wahrheit niedergeschrieben, sondern sie wurden errungen, erstritten. Es gab Prügeleien, es gab heftige Auseinandersetzungen. Die Geschichte des christlichen Bekenntnisses ist menschlich allzu menschlich und man sieht es auf einmal. Und das ist ja erst der Anfang, so ist es auch in der Bibel. Man hat die Offenbarung des Johannes vielleicht mal reingeschaut, irgendwas gehört und dachte, naja, das ist ein Buch, wo Johannes schreibt, was Jesus ihm gezeigt hat, dass es so passiert. Und dann steht da, jetzt studiert man und hört, das ist ein apokalyptischer Text. Es ist ein apokalyptisches Denken. Man wehrt sich dagegen, man mag die Fremdwörter nicht, es ist ein unsympathisch. Aber Studium ist grausam,

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man bekommt den Idiopischen Henoch gezeigt oder den vierten Esra oder andere apokalyptische Texte aus der Zeit und man sieht auf einmal, huch, das steht ja da auch schon und das auch. Selbst das, und man lernt, es ist ein Genre, es ist eine Gattung, es ist eine bestimmte Denkweise. Und der Professor mahnt und raunt und sagt, Sie können die Bibel nur missverstehen, wenn Sie das nicht wissen. Das weiß man ab dem zweiten, dritten Semester, man muss es wissen. Und es hört nicht auf. Man bekommt altorientalische Mythen vorgetragen oder sumerische Hymnen oder ägyptische Weisheitstexte. Und Sie haben große Ähnlichkeit mit den biblischen Texten. Und irgendwann fragt man sich, was ist in der Bibel eigentlich neu? Was ist original? Was ist da einzigartig? Wenn man einen Professor fragt, wird er sagen, fast nichts, ich müsste auch lange nachdenken. Und man schaudert, aber man hat die Texte und man kann sie lesen und man kann da reingucken. Und was sich aufdrängt,

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ist, es ist ja wahr, alles Denken steht in seiner Zeit, alles ist geschichtlich geprägt, alles ist in irgendeiner Weise verwoben mit lauter Einflüssen und Traditionen und Prägungen. Und wieder raunt der Professor, Sie können die Bibel gar nicht verstehen, ohne das zu wissen, ohne die Voraussetzung der damaligen Hörer zu kennen. Man muss doch verstehen, was die damals bereits dachten und wussten. Nur dann kann man doch wahrnehmen, worum es dem biblischen Text im Besonderen geht. Karl Barth brachte das mal auf die Formel. Was hat er gelernt in der liberalen Theologie? Alles, was wir glauben, verkündigen, reden, steht unter einer doppelten Voraussetzung des historischen Relativismus und des religiösen Individualismus. Das ist die Quintessenz. Das ist das, was man in den Koffer gepackt bekommt in fünf, sechs, sieben Jahren Theologie-Studium. Historischer Relativismus

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heißt erst mal neutral. Alles steht in geschichtlichen Beziehungen zu anderen Gedanken, zu anderen Texten, zu anderen Traditionen, ist relativ. Relation heißt Beziehung. Alles ist bezogen auf etwas. Und na klar, wenn alles auf etwas bezogen ist, heißt das auch in einem zweiten Sinne, es ist relativ. Es ist keine absolute, zeitlose, ewige Wahrheit, sondern es ist wahr vielleicht. In dieser Zeit, in dieser Situation für diese Menschen heute, müsste man es vielleicht anders sagen, bezogen auf andere Fragen, bezogen auf andere Denkweisen. Wir denken nicht mehr so, wie im vierten, fünften Jahrhundert nach Christus. Diese ganzen Begriffe von Natur und Wesen und Gottheit und Menschheit und Substanz und Relation, unser ganzes Denken funktioniert völlig anders.

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Und wenn wir dasselbe würden sagen wollen, müssten wir eine völlig neue Gestalt dafür finden, die so in unsere Denkweisen eingebettet ist, wie das damals gewesen ist. Historischer Relativismus ist diese große Erkenntnis, auch diese große Ernüchterung. Und was man dann gewinnen muss, ist einen religiösen Individualismus. Man merkt irgendwann, das, was man als Theologiestudent vielleicht noch glaubt, kann man nicht mehr so formulieren, wie damals in der Kinderstunde. Es wird so unendlich schwierig, es auch nur den engsten Verwandten oder Freunden von früher zu erklären. Man muss es für sich selbst verstehen und glauben und neu sagen lernen. Man merkt aber, so wie man selbst sagt, können andere das nicht sagen, weil sie nicht diesen Weg gegangen sind, weil sie woanders stehen, weil sie andere Fragen haben. Daran leidet man erst mal. Erst versucht man, alle möglichen Leute irgendwie zu gewinnen und zu sagen, ja guck mal hier. Und hast du schon

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mal den Äthiopischen Henoch gelesen? Ist echt interessant. Du hast einen ganz neuen Blick auf die Bibel und so. Irgendwann merkt man, die Leute haben weder Zeit noch Lust noch die Möglichkeit noch sonst was. Der reife Grat des Theologiestudenten wäre irgendwann zu sagen, naja, ich bin meinen Weg gegangen. Ich glaube, wenn ich glaube, so wie ich jetzt glaube nach diesem Weg. Und andere werden es für sich finden müssen und es wird anders sein und es ist nicht schlimm. Wir sind alle Teil der großen Geschichte des christlichen Glaubens, der christlichen Wahrheit. Und so wie es dem Einzelnen einleuchtet, kann es ihm keiner vorsagen. Jeder muss es für sich selbst entdecken. Und Karl Barthit hielt das für unausweichlich, es irgendwann so zu sehen. So ist es. Historischer Relativismus und religiöser Individualismus, das sind die Voraussetzungen heutigen Christseins.

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Alles andere ist naiv oder unredlich oder verbohrt. Das ist Glaube auf der Bewusstseinshöhe der Moderne, im Wissen, dass jeder Ausdruck des Glaubens relativ ist und immer nur individuell persönlich einleuchten kann. Das ist unausweichlich, dem kann man sich nicht entziehen. Es gibt keinen Weg zurück. So sah das Barth und der fand das auch richtig und er ist auch nicht schlecht, was will man machen. Die Wahrheit ist die Wahrheit und die kann ganz schön stur sein. Und er merkte auch, es ist dann aber auch nicht leicht, von Gott zu reden. Es wird in gewisser Hinsicht immer schwieriger, denn man lernt in der Theologie darüber zu reden, wie andere von Gott geredet haben. Und es leuchtet einem auch wahnsinnig ein, dass man das lernen muss. Das ist alles schon richtig. Es ist darum viel leichter, gleich lieber zu reden über Religion. Jeder hat sein religiöses Bewusstsein,

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jede Zeit, jede Kultur, jeder Theologe. Und man kann darüber reflektieren, wie andere über das religiöse reflektiert haben. Und für manche war es Gott, vielleicht in einem sehr klassischen Sinne, für manche war es in einem nichtpersönlichen Sinne, im Sinne des Universums, im Sinne eines göttlichen Grundes, manche sehr schlicht, sehr mythologisch, sehr primitiv, andere sehr flüchtig. Aber so ist es nun mal. So hat jeder sein religiöses Bewusstsein. Und man redet über das Reden, über das Reden über Religion und Gott kommt immer stärker vor Zitathaft. Und wenn man manchmal kleine Anflüge hat, ein persönliches Erlebnis von Wahrheit irgendwie noch zu haben, merkt man zugleich, man kann es nicht festschreiben. Man kann es nicht packen, man kann es nicht fixieren. Es bleibt flüchtig und punktuell. Und Barth hielt das irgendwie unausweichlich, aber auch ein bisschen latent frustrierend. So ging der junge Theologe in die Praxis,

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ins Pfarramt. Er engagierte sich in der Gemeinde, auch in der Politik. Mit diesem großen Wahrheitsbewusstsein, was er sich erarbeitet hat, aber auch mit dieser latenten Unzufriedenheit irgendwie, es ist doch auch schade und schwierig. Und in diese nachdenkliche Welt des jungen Barth brach der Erste Weltkrieg ein und stellte sehr, sehr vieles auf den Kopf. Wir sollen als Theologen von Gott reden. Und 1914 sah der Theologe viele Menschen von Gott reden. Nun war Karl Barth wieder zurück in der Schweiz, nach vielen Jahren in Deutschland, nach Tieferprägung durch deutsche Theologie. Und die Schweiz war 1914 ein verschonter, gesegneter und auch tragischer Ort, weil man in alle Himmelsrichtungen den ehemals so netten Nachbarn beim Durchdrehen zusehen konnte. Und

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man war verschont in gewisser Hinsicht. Man war eine Friedensinsel im Meer des europäischen Wahnsinns. Aber das ist natürlich auch eine ungeheure Tragik, lauter Völker, Deutsche, Österreich, Ungarn, Franzosen, Italiener zu sehen, wie sie den Verstand verlieren und es nicht merken. Alle reden im Fieber, reden im Wahnsinn und fühlen sich dabei so hellsichtig und vernünftig und klar wie nie zuvor. Und das aus der Schweiz mit ansehen zu müssen, war ungeheuer hart. Für Barth war natürlich vor allem die deutsche Innendebatte schockierend, verstörend und im Grunde zerschlagend, weil er sehen musste, dass seine sämtlichen verehrten Lehrer der Theologie einstimmten in den Kriegsjubel des August-Erlebnisses. Sie alle waren fest davon überzeugt, dass es ihre Aufgabe

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als Christen, als Prediger und als Professoren ist, der deutschen Kriegspolitik bedingungslos solidarisch zur Seite zu stehen und in ihrer Art und Weise diesen Krieg im Geiste mitzuführen. Und sie alle waren davon überzeugt, dass sie natürlich unschuldig sind, dass sie niemals diesen Krieg wollten, dass der Kaiser nie was anderes wollte als Frieden und Versöhnung und Völkerverständigung und dass in dieser Krieg aufgezwungen wurde von schlimmen, bösen Mächten rückwärtsgewandt, orientalisch, im Osten oder modern, westlich, materialistisch, säkular ausgezerrt. Man sah sich umzingelt von Tataren und Mongolen, von westlich dekadenten, atheistischen oder nur aufs wirtschaftliche konzentrierte Länder und wollte nicht nur seine deutsche Heimat verteidigen,

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sondern auch die deutsche Kultur, den deutschen Glauben, den Protestantismus, deutsche Theologie, deutscher Glaube muss in diesem Kulturkampf Ideen von 1914 verteidigen gegen den säkularen Wahnsinn von 1789, gegen die liberale Welt, gegen die östliche Welt, gegen all das, wo man aus tiefsten Glaubensgründen sich entgegenstellen muss. Und ja, sie sprachen von Gott, sie sprachen fromm von Gott, pietistisch, konservativ, aber sie sprachen auch liberal von Gott, aufgeklärt, humanistisch und sie sprachen vor allem vom großen Erlebnis, vom Augusterlebnis, vom Gotteserlebnis, vom Erlebnis der Volksgemeinschaft, sprachen von den Gottesdiensten, alle Kirchen voll und die Glocken läuteten und Menschen umarmten sich, weinten miteinander, beteten miteinander, wurden gesegnet und ihre Waffen auch und sie zogen in den Krieg und sangen Glaubenslieder und daheim versammelten

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sich Pietisten und Liberale zum Gebet und alle, alle wurden hineingesogen in dieses Erlebnis, dieses Erlebnis der Volksgemeinschaft und sie waren sich sicher, dass dies Erlebnis das tiefste und größte ihres bisherigen Lebens war, eine Gottestunde und sie zogen in den Krieg mit gutem Gewissen, mit frommen Worten und heißen Gebeten und Karl Barth wurde irre an dieser deutschen Theologie, die irre wurde und es nicht merkte. Der Krieg verlief bekanntlich so, dass man außerhalb Deutschlands an seiner Skepsis daran alles andere als irre werden musste. Es kam so, dass man jeden Monat im Grunde sagen konnte, ich habe es doch geahnt und ich wusste es doch, es war doch Wahnsinn, aber man merkte es immer noch nicht. Man war merkbefreit in den Grenzen der jeweiligen Kriegsparteien und für Karl Barth war das nicht nur eine europäische Krise, eine politische Krise,

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eine kulturelle Krise, es war für ihn eine religiöse Krise und eine theologische Krise, wo er sich fragte, was ist denn eine Theologie wert, die in der größten Bewährungsprobe seit Generationen katastrophal versagt, ausschließlich versagt, schrecklich versagt und in jeder Hinsicht unfähig ist, diesem eigenen Versagen auf die Spur zu kommen. Wie kann das denn sein, dass die eigenen Kriegsinteressen, die eigenen politischen und völkischen Verpflichtungen jedes theologische Wahrheitsgefühl außer Kraft setzen, dass man im Grunde mitgerissen und verblendet wird und noch glaubt, sich Gott mit uns auf die Koppel schreiben zu können. Wie kann es dazu kommen, wie korrupt, wie kaputt muss eine Theologie sein, aus der es keinen Widerspruch gibt,

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sondern Zustimmung, Unterstützung, Propaganda. Karl Barth stellte alles bisherige in Frage, die liberale Theologie seiner Lehre, es gab aber natürlich jetzt auch keine positive oder pietistische Theologie, die da besser dastand, die nahmen sich mehr oder weniger nichts. Sie waren alle Teil dieses Verblendungszusammenhangs. Sein Freund Eduard Thurn Eisen sagte Barth in vielen Gesprächen, wir müssen nochmal ganz neu anfangen, wir müssen nochmal zurück hinter unsere Lehrer, wir müssen zurück hinter die Liberalen. Man sagte sich, ja die Reformatoren, das ist vielleicht noch die Wahrheit, aber irgendwann 1917, Luther-Jahr, Luther-Texte, Luther-Feiern und all dies und auch das schien nicht zu helfen, schien nicht zu bringen. Luther wurde als deutscher Held und deutscher Heros und deutscher Kämpfer und so, bis irgendwann Karl Barth Thurn Eisen zuflüsterte, sag mal, sollen wir einfach nochmal die Bibel lesen, einfach nochmal ganz von vorne, alles

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vergessen, was wir je gelernt haben, einfach die Bibel aufschlagen und hoffen, dass irgendwas passiert, dass wir irgendwas finden. So begann er den Römerbrief so zu lesen, als hätte er ihn noch nie gelesen und suchte sich seinen Weg und dies Buch 1919 in erster Auflage veröffentlicht, schlug nach dem Krieg ein wie eine Bombe. Es ist ein dickes Buch, 500, 600 Seiten, 1919 erster Auflage, 1922 völlig neu geschrieben in zweiter Auflage. Es lässt sich im Grunde gut zusammenfassen, worum es geht. Wir sollen als Theologen von Gott reden, von Gott, nicht von uns selbst. Und das Unglück der Menschen, das Unglück der Religion ist, dass Menschen sich mit Gott permanent verwechseln, gerade die Frommen, gerade die Religiösen. Religion ist das, was es im Alten

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Testament im Grunde auch schon ist, ist immer Götzendienst, ist immer die Verwechslung von Gott und nicht Gott, ist immer letztlich eine Rede von Gott, mit der man sich selbst meint. Die eigene Frömmigkeit, die eigenen Einsichten, die eigene Wahrheit, all das nennt man Gott. Religion ist der verzweifelte Versuch der Selbstüberhöhung, der Selbstvergötzung und man rührt da Kultur und alles hinein, was man selbst gerade absolut findet und nennt das Gott. Und das ist die große Krise, das ist der große Irrweg, das ist das große Versagen auch des europäischen Christentums und es betrifft alle. Diesem Rundumschlag packt Barth Liberale und Pietisten zusammen. Er wendet sich erst mal ab von der liberalen Theologie. Kritik daran ist, die liberale Theologie redet

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im Grunde vom Menschen mit erhöhtem Tonfall, wenn sie Gott sagt. Sie redet von ihrer Kultur, von ihrem Geschichtsbewusstsein, von ihrer Aufgeklärtheit, von ihrem Fortschritt, von ihrer Entwicklungshöhe, die sie erreicht hat. Sie glaubt, das mit Gott zusammenführen zu können, aber es ist reine Selbstvergötzung und dieser Krieg ist eine Götzendämmerung des aufgeklärten, von sich selbst besoffenen Menschen. Und die Liberalen haben diese Kulturstufe noch als göttliche Fügung oder göttliche Erziehung schön gefärbt, damit den Namen Gottes missbraucht. Jetzt gibt es ja immer Christen, die die Logik haben, der Feind meines Feindes ist mindestens mein Alliierter, vielleicht sogar mein Freund. Insofern hätte man aus konservativer Sicht sagen können, dieser Karl Barth, der die liberale Theologie dermaßen kritisiert, ja ist der jetzt am Ende Pietist, ist der zum Glauben gekommen, dass er merkt, dass die evangelische, die liberale Theologie ein Irrweg ist. Nein, aber da hatte Karl Barth eine ganz

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schlechte Botschaft. Er sagte, es sind im Grunde feindliche Brüder. Die Pietisten funktionieren ganz genauso. Sie reden nicht von unserer Kultur, unserem Fortschritt, unserer Aufgeklärtheit, unserem geschichtlichen Bewusstsein, sondern sie reden von meiner Bekehrung, meinem Bekenntnis, meiner Gotteserfahrung, unserer Treue, unserer Nachfolge. Sie funktionieren genauso, nur halt anders, nur konservativer, nur in älterer Sprache. Auch sie verwechseln ihre eigenen Glaubenserfahrungen mit der Bibel selbst. Liberale und Pietisten würden sagen, stopp halt, du missverstehst uns. Wir meinen ja nicht uns, wir glauben nur, wir verstehen die Bibel wirklich nur, wenn wir sie historisch lesen oder wir verstehen die Bibel wirklich nur, wenn wir sie ernst nehmen, wörtlich bei ihrer Wahrheit. Barth würde sagen, ja ich weiß ja, dass ihr das denkt. Das ist ja eurer

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Selbstbetrug. Das ist doch eure Selbsttäuschung. Ihr meint es gut. Das ist ja das Tragische. Es meinen ja immer alle alles gut. Ihr meint das gut, ihr merkt es nicht, dass ihr eure Frömmigkeit oder eure Aufgeklärtheit verwechselt mit Gott. Wir sollen von Gott reden. Dieser Satz ist ein Gerichtswort, denn das, was Liberale und Pietisten und alle dazwischen getan haben, ist nicht von Gott reden, sondern sie haben den Namen Gottes benutzt, ihre Erfahrungen und Einsichten in ein erhöhtes, in einen höheren Glanz hineinzuhalten. Aber sie haben nicht von Gott geredet. Das sollen wir aber tun. Wir sollen von Gott reden, ist ein Gerichtswort. Denn wirklich von Gott reden, Barth redet dann sehr metaphorisch. Im Grunde ist der Römerbriefkommentar eine religiöse Parallelaktion zur expressionistischen Literatur der Zeit. Von Gott reden heißt, ständig das

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Bewusstsein zu haben von der Gletscherspalte, der Polarregion, der Verwüstungszone, die zu überschreiten ist, wenn der Schritt vom Vergänglichem zum Unvergänglichem wirklich getan sein soll. Die Distanz zwischen Gott und Mensch ist so grundsätzlich so scharf, so säureartig zersetzend. Das hat entscheidende Bedeutung, diese völlige Unvergleichlichkeit von Gott und Mensch zu begreifen. Gott ist der ganz andere. Gott ist Gott. Und wer glaubt, einfach so von Gott reden zu können und damit seine religiösen Erfahrungen meint oder seine aufgeklärte Gotteskonzeption, der verrät Gott an den Nichtgott, an den Götzen. Es gibt einen unendlichen qualitativen Unterschied zwischen Gott und Mensch. Das ist der Anfang vor allem. Das ist die Basis. Und das kann man liberal verdrängen. Das kann man pietistisch verdrängen. Das kann man konfessionalistisch verdrängen. Das kann man lutherisch verdrängen, katholisch verdrängen, indem man sein eigenes

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Bekenntnis, seine Konfession, seine Wissenschaft glaubt, als Gewähr dafür nehmen zu können, dass man wirklich von Gott redet. Man tut es nicht. Wir sollen von Gott reden, ist ein Gerichtswort, über alle Frömmigkeit, die sich selbst in Gottes Nähe drängt und dabei Gott für eigene Zwecke instrumentalisiert. Das war der erste Satz. Wir sollen von Gott reden. Und die Quintessenz ist die Fortführung. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Und der ganze Kommentar zum Römerbrief läuft immer wieder auf diese Einsicht hinaus. Gott ist der ganz andere. Wenn du glaubst, ihn erkannt zu haben, bist du nur einer neuen Täuschung erliegen. Religion, jede menschliche Religion, ist der verzweifelte Versuch des Menschen, sich Gottes zu bemächtigen.

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Die Kritik des Paulus am Gesetz, an der Gesetzesreligion seiner Zeit, müssen wir heute erweitern auf Religion in frommer Gestalt, in aufgeklärter Gestalt, in jeder Gestalt. Jeder Versuch von Menschen her, einen Weg zur Transzendenz, zum Absoluten zu gewinnen, ist zum Scheitern verurteilt. Barth geht die Möglichkeiten durch, die im Laufe der Kirchengeschichte dabei erwogen und erprobt worden sind. Er sagt, klar, es gibt sehr solide, traditionelle Wege von Gott zu reden. Man kann versuchen, von Gott zu reden, ganz dogmatisch. Man hält sich an biblische Sätze, man schreibt sie auf, man sortiert sie, man gruppiert sie, man destilliert daraus Bekenntnissätze und dann sagt man die und dann entwickelt man dazu Erklärungen. Man führt alle möglichen

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begrifflichen Unterscheidungen ein und sagt, ich rede von Gott aufgrund von Offenbarung und Bibel und so ist es. So ist es dann. Ja, das ist seriös, das ist solide. Natürlich machen das Theologen, irgendwie so muss es schon laufen. Nur Barth sagt so, nur Gott kann von sich reden. Und das Gott redet ist ein Ereignis, es ist ein Geschehen, es ist Anrede, es ist Zuspruch, es ist Mahnung, es ist etwas, was geschieht in einem Dialog, das Gott uns anredet. Und dieses Ereignis, dieses Geschehen, dieses Dialoghafte kann man nicht ersetzen oder übertragen in eine Theorie, in ein System. Und das ist das, was geschehen ist in viel dogmatischer Theologie, die Scholastik des Mittelalters, die Orthodoxie der frühen Neuzeit, all diese gut gemeinten Systeme. Sie übersetzen

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ein Geschehen, ein Ereignis, etwas, ein wirkliches Geschehen in Theorie, in ein System, in Satzpyramiden. Und Sie verfehlen es damit. Sie verfehlen die Wirklichkeit des redenden Gottes dadurch, dass Sie glauben, das auf Satz-Wahrheiten ziehen zu können, die dann einfach so stimmen und dem man zustimmen muss. Das ist ein seriöser Versuch, das ist alles irgendwie auch ernst zu nehmen und so, aber so geht es schlicht und einfach nicht. Der dogmatische Weg führt letztlich nicht zum Ziel, weil nur Gott von Gott reden kann. Ein anderer Weg nennt Karl Barth erst mal den kritischen Weg. Er kann es auch nennen den Weg der Mystik, könnte auch sagen den Weg der negativen Theologie. Hier merkt man das im Grunde

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und man hat die ganze Theologiegeschichte hindurch immer gemerkt. Man hat gemerkt, die Sätze, die wir sagen, sind niemals reines Abbild der Wirklichkeit, sondern sie verweisen auf etwas, was immer größer ist und anders und unbeschreiblicher. Gott wohnt in einem Lichte, zu dem niemand kommen kann. Gott entzieht sich all unseren Worten, ist immer größer und höher und unerreichbarer als alles. Manche haben daraus fast eine Theorie entwickelt. Sie haben gesagt, wir müssen im Grunde jede Aussage über Gott gleichzeitig durchstreichen. Wir können es so machen und sagen, Gott ist unser Vater und dann sagen, Gott ist doch kein Vater, er ist doch kein Erzeuger, er ist doch kein Mensch. Gott ist Gott, er ist kein Mensch, kein Mann, auch kein Vater, er ist es nicht. Oder man macht es so, ein Theologe hat gesagt, jedes Wort müssten wir im Grunde mit der Vorsilbe über versehen. Gott ist Übervater,

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Jesus ist Übersohn, er ist Überlicht, er ist Übermächtig, er ist Überliebe, er ist Übergüte, das heißt, diese Wörter treffen es nicht. Es sind Versuche, im Grunde müssen wir begreifen, dass all unsere Sagensversuche Gott nie gerecht werden. Das Menschliche kann das Göttliche nicht fassen. Das Menschliche ist immer unzureichend. Es war auch ein Trend dieser Zeit, manche Theologen spürten das so und sagten, wir haben Wortverstopfung im Kopf und Herz. Wir werden voll getrichtert mit Erklärungen und wir kriegen es nochmal erklärt und wir kriegen es geschichtlich erklärt und wir kriegen es systematisch erklärt und wir glauben nicht mehr, weil wir es auch nicht mehr spüren und wir haben keine Erfahrung mehr damit. Wir haben Wortverstopfung im Kopf und Herz und wir müssen schlicht lernen zu schweigen. Wir sollten in die Kirche kommen, Kerze anzünden und da eine Stunde

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schweigend sitzen. Wir sollten das heilige Schweigen üben. Im schweigenden Dienst mag es sich erschließen, was immer unsagbar ist und das war damals eine starke Strömung. Man entdeckte liturgische Formen, man sagte, wenn sowieso alles, was wir sagen unzureichend ist, dann lass uns irgendwas sagen, was man schon vor 1500 Jahren gesagt hat, dann merken wir es wenigstens und öffnen uns für das unsagbare und unaussprechliche und alles umfassende und übergreifende und wir haben keine Worte dafür. Naja, da ist was dran, klar. Darauf läuft ja Barthes Kritik an der bisherigen Theologie hinaus, aber du lieber Himmel, auch Schweigen ist Flucht. Jetzt gilt der Satz wieder, wir sollen von Gott reden. Auch Schweigen ist ja am Ende ein Versuch, es anders in den Griff zu kriegen. Dann eben mit Spiritualität und mit Mystik und mit Versenkung, auch das ist am Ende ja wieder irgendwie so ein

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Trick. Jetzt haben wir es raus, jetzt sind wir einfach ruhig, aber auch das ist ja menschlich allzu menschlich. Auch hier schweigen wir doch angesichts der unzureichenden Bilder, die wir von Gott haben. Also auch dieser kritische Weg hat einen Wahrheitsmoment, aber führt nicht zum Ziel. Es gibt den dogmatischen Versuch, es gibt den kritischen Versuch, Barthes sagt, es gibt einen letzten Weg, den dialektischen Weg. Und Barthes sagt sofort, das ist mit Abstand der beste, es ist der Weg, den die Reformatoren gegangen sind oder Leute wie Sören Kirchegau, letztlich auch die Propheten und Aposteln. Wie funktioniert der dialektische Weg von Gott zu reden? Nun so, dass er im Grunde den ersten und den zweiten Weg miteinander verbindet. Und vor allem bei Luther konnte man da unzählige Zitate für finden, also so Sachen wie nur der Gottlose kann gerecht werden. Nur wer sünder wird,

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wird erlöst. Nur der Kranke wird heil. Wir finden das Leben Gottes nur im Tod, die Vergebung nur in der Schuld. Wir finden das Licht nur in der Finsternis. Der verborgene Gott kommt uns nah. Der nahe Gott bleibt uns verborgen und und und. So und jetzt müssen wir schauen, wie funktioniert diese Dialektik? Dialektik ist ja ein unangenehmes Wort, weil keiner versteht es. Jeder denkt sich da irgendwas, was fast immer unzureichend ist, weil das Wort so ein bisschen so ein Containerbegriff ist. Man hat da viel reingesteckt. Sortieren wir es ganz kurz. Dialektik bei den Griechen ist letztlich eine Gesprächs-Methode, die davon ausgeht, dass durch Antwort und Gegenrede ein Prozess des Nachdenkens und der Wahrheitsfindung in Gang kommt, wo man auf einen dialogischen Weg

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durch Gegensätze hindurch langsam ein Thema sich nach und nach erschließt. Das meint Barth nicht. Dann gibt es eine berühmte moderne Dialektik, Hegel oder Karl Marx. Bei Hegel sehr idealistisch, bei Marx materialistisch. Hier geht es nicht um eine dialogische Dialektik, sondern um eine synthetische Dialektik. Hier ist es eine echte Methode, die davon ausgeht, dass eine bestimmte These und eine bestimmte Antithese aufgehoben werden können in einer Synthese, in einer neuen Stufe, in einer neuen Bewusstseinsebene. Und das ist es dann auch. Da ist Dialektik tatsächlich ein Weg des Erkenntnisfortschritts. Hier werden wirkliche Wahrheitserkenntnisse und Fortschritte hervorgebracht und so läuft es. Damit darf man Barth auf keinen Fall verwechseln. Das meinte er auf keinen Fall. Sein Begriff von Dialektik kann man antinomisch nennen. Es geht um Sätze,

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die einander widersprechen, die jetzt aber auch nicht in irgendeiner Synthese aufzuheben sind. Also nehmen wir dies Gott ist verborgen, Gott ist offenbar. Das kann man nicht aufheben. Da gibt es nicht irgendwie die Lösung, sondern das sind Grundwiederfahrenisse, Grunderschließungen, Gott offenbart sich und er entzieht sich und wir können ihn in seiner Offenbarung nicht fassen. Und wir können ihn aber auch als den Verborgenen nicht auslegen, sondern im Grunde diese antinomische Erfahrung oder gegeben oder Entzogenheit Gottes verweist auf einen letzten Grund, der für uns aber unsagbar ist. Wir müssen damit umgehen. Wir müssen uns dadurch auf Gott verweisen lassen. Und nun das Wesentliche daran, dialektische Theologie, Barth sagt, es ist der beste Weg, so über Gott zu

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denken, aber es ist natürlich nicht der Weg. Die Theologie des jungen Barth, Barth sagt, wurde von einem Zuschauer als dialektische Theologie bezeichnet. Es war niemals Barth's Anspruch, so läuft ab jetzt Theologie. Das hätten natürlich immer gerne viele gehabt. Das ist natürlich immer schön, wenn man eine Methode hat, ein Kniff, ein Dreh, irgendwas, was funktioniert. Also jetzt mal dialektisch. Super. Nein, aber es ist die vornehmste Art zu scheitern. So ist es gemeint. Auch so kann man nicht von Gott reden. Der Vorteil des dialektischen Weges ist, man merkt es. Im Hin- und Herpendeln zwischen solchen Gegensätzen. Der Mensch ist Gottes Ebenbild. Der Mensch ist Sünder. Daraus kann man nicht machen, wir sind so 50-50 oder so. Es sind totale Bestimmungen, was wir sind,

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auf Gott hingeschaffen, von ihm getrennt. Punkt. Da gibt es keinen Kompromiss, sondern keine Lösung, keine Aufhebung. Es sind zwei einander radikal widersprechende Aussagen, die man so ertragen muss. Man kann sie nicht auflösen in irgendeine Harmonie. Wer so zu denken übt, merkt vielleicht am schnellsten, dass er es nicht hat. Das bringt Barth auf die Formel, wir sollen beides, unser Sollen und unser Nicht-Können wissen und eben damit Gott die Ehre geben. Theologie weiß in bester Form wenigstens um ihr Scheitern an Gott. Und sie kann in dieser höchsten Form letztlich verweisen auf das, was sie niemals selbst tun kann, eben von Gott reden, Gott gegenwärtig lassen. Dieses dialektische von Gott reden verweist auf Gott, der die unanschauliche, unaussprechliche Mitte ist und

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bleibt. Und Karl Barth schreibt in diesem Aufsatz es so, alle meine Gedanken kreisen um den einen Punkt, der im Neuen Testament Jesus Christus heißt. Das ist Gottes Offenbarung, das ist Gottes Wort, das ist Gott in der Zeit. Und jetzt habe ich es dogmatisch formuliert. Jetzt müssen wir uns gleich wieder aufheben und uns sagen, aber was wissen wir von Gott und Mensch? Natürlich können wir sagen, Gott wird Mensch, aber unser Begriff von Gott ist unendlich unzureichend und unser Begriff von Mensch auch. So und am Ende sind wir wieder, aber es ist doch Gott, der Mensch wird. Aber die Wahrheit selbst, das Ereignis, das Geschehen, diese Wirklichkeit ist etwas, was immer nur von

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Gott her wahr sein und wahr werden und sich ereignen kann, so dass es uns richtend und rettend und schuldig sprechend und uns vergebend Ereignis wird in unserem Leben. Wir können letztlich nur, wie das Bild auf dem Isenheimer Altar ist, ver Augen führt, der lange Fingersein von Johannes dem Täufer, der auf Christus zeigt. Wer das Bild kennt in Colmar, Isenheimer Altar, die das im Internet schauen, können ja kurz Pause drücken, anderes Fenster aufmachen, googeln Isenheimer Altar, Johannes Finger oder so, dann sieht man es. Das war ein Bild, was Karl Barth sehr eingeleuchtet hat für seine Theologie. Wir verweisen auf ihn, aber unsere Theologie, unser Verweisen ist nicht Christus, sondern immer nur Hinweis, Zeugnis, das, was wir nie einholen können. So, so können wir es machen. Und so ist das Wort Gottes die Aufgabe der Theologie. Und die Theologie darf niemals sich

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selbst betrügen und glauben, das Wort Gottes sei so eine Art Autoritätsgrund des eigenen Rechthabens. Das ist leider die Normalfunktion vieler Theologien. Man beruft sich auf Gott, auf die Bibel, auf Gottes Wort und meint damit, das Trumpfass auszuspielen, das man Recht hat. Das ist theologischer oder religiöser Götzendienst. Das Wort Gottes ist immer das Nein in unserem Ja, ist immer das Gericht in unserem Haben, ist immer die Senkrechte, die von oben all unsere Überlegungen im Diesseits aufhebt und in Frage stellt. Und wenn wir je anders vom Wort Gottes reden, besitzend, habend, so als wären wir in der Kraft des Wortes Gottes anderen gegenüber

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Gottes Schoßkinder und die nicht, ist alles vorbei, ist alles im Grunde verspielt und verschenkt. Diese theologische Revolution, die Karl Barth in diesen Jahren errungen hatte, machte Epoche. Karl Barth war der Theologe der Stunde. Man muss sich klarmachen, er hat nicht promoviert nach seinem Studium. Das war jetzt schon so das Übliche, wenn man was werden wollte. Er gar nicht. Er ging als Pfarrer in die Schweiz. Er war da Dorfpfarrer und nach dem Ersten Weltkrieg wurden seine Bücher gelesen. Wie verrückt seine Vorträge gehört. An der Universität Göttingen fasste man den Kühnenplan, ob man den berufen könnte als Professor für reformierte Theologie. Ja, wie sagte man? Der ist ja nicht mal promoviert. Der ist seit zehn Jahren Dorfpfarrer in einem Schweizer Kaff, was keiner kennt. Aber da hat ein paar Leute irgendwie doch das richtige

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Gespür. Der hat was zu sagen. Man liest den sowieso. Dann soll er hier auch reden. Dann soll er das machen. Man schrieb ihn an, ob er sich vorstellen könnte. Außerordentliche Berufung. Man hätte keine Promotion. Schade. Aber er könnte ja einen Probevortrag halten in Göttingen und eventuell würde man ihn nehmen. Barth schrieb zurück und sagte, er sei Pfarrer. Er habe keine Zeit für solche Sachen. Er könne kommen. Er könnte eine Predigt halten. Und wenn sie dann immer noch wollen, dann könnte man darüber reden und so. Die Göttinger blieben da wirklich dran. Das muss man den hoch anrechnen, denke ich. Er kam, er hielt eine Predigt und sie sagten, es war wild, es war extrem egal. Lass uns den nehmen. Wir machen den hier zum Professor. Er wurde Theologieprofessor und die Nachkriegsgeneration las sich in Rage an diesen expressionistischen Bekenntnissen und theologischen Gehversuchen, die Barth in dieser Zeit machte. Wie macht man mit einer solchen Theologie weiter?

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Wie macht man weiter, wenn das Wort Gottes begriffen ist als die Aufgabe der Theologie? Es ist immer schön, so eine These zu haben. Das ist super. Das ist wuchtig. Das kann man machen. Aber Barth merkte schon auch, man kann nicht vierstündige Vorlesungen pro Woche damit beschreiten, dass man alle zehn Minuten ruft, Gott ist Gott. Nein, der ganz andere. Man muss irgendwie anders ins Arbeiten kommen. Und Barth begibt sich auf einen langen, interessanten Umformungsprozess seines eigenen theologischen Denkens. Das kürzen wir uns radikal ab, indem wir einen Zeitsprung machen. Wir springen weiter zehn Jahre in der Zeit. Wir reden hier von den Jahren 1922 bis 1933, 1934. Karl Barth war in Göttingen Professor, er war in Münster Professor, dann schließt sich in Bonn. 1933 die Machtergreifung

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des Nationalsozialismus und im Grunde erlebt Karl Barth ein grauenhaftes Déjà-vu. Sie drehen wieder alle durch. Er war immer noch Schweizer in Deutschland. Es war wieder eine Premiumperspektive auf den grassierenden Wahnsinn. Kaufen kann man sich dafür nichts. Man kann es nur in sprachloser Tragik erleiden, wie vertraute Weggenossen verrückt werden und verführt und bösartig verdummt und hetzerisch aufgestachelt. Und all das wieder fährt Barth so aber, dass er von Anfang an im Grunde in schweizerischer Klarheit und in seiner eingepollt hatten robusten Rhetorik sich diesem Nationalsozialismus entgegenstellt. Die sich formierende bekennende Kirche in Deutschland, also die Minderheit der Facher der Kirchenleute, die 1933 zumindest eine völlige Gleichschaltung der Kirche verhindern will,

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um mehr ging es vielen auch nicht, findet in Karl Barth ein theologisches Rückgrat gegen die durchgreifende Gleichschaltung und Nationalsozialisierung des theologischen Denkens und des kirchlichen Denkens in dieser Zeit. 1934 schreibt Karl Barth, die Barmer theologische Erklärung, ein kleiner Text zwei Seiten lang, der in vielen protestantischen Kirchen heute Bekenntnisrang hat, als grundlegend gilt, so dass man in manchen Kirchen ausdrücklich auch darauf ordiniert wird. Wir hören mal die erste These dieser Barmer theologischen Erklärung von 1934, weit überwiegend von Karl Barth selbst verfasst mit einer kleinen Endredaktion von anderer Hand. Sie lautet so, Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird,

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ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung, außer und neben diesem einen Wort Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen. Die Verwerfung ist im Grunde ganz im Sound des Römerbriefs. Keine anderen Worte Gottes, keine Kulturstufe, kein Frömmigkeitserleben, keine Macht und kein Ereignis, kein August-Erlebnis und kein deutscher Aufschwung, nichts. Nichts ist direktes, unmittelbares Offenbarwerden Gottes. Allein das Wort Gottes selbst und nichts außerdem, keine Erfahrung, Einsicht, Kultur hat ihm zur Seite zu stehen. Und wir sehen aber auch, Karl Barth

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formuliert nun ausdrücklich und dogmatisch und in direkter Rede, was Sache ist. Jesus Christus selbst ist Sache. Er ist nicht nur Wort Gottes, er ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören haben. Man muss sich klarmachen, gerade in Deutschland gab es viele lutherische Theologen, die natürlich gesagt haben, ja klar, Jesus Christus ist das Wort Gottes. So fängt das erste Kapitel im Johannes-Evangelium an. Im Anfang war das Wort, das Ganze läuft hinaus auf Jesus Christus. Jesus ist das Wort Gottes, klar, aber Jesus ist ja nicht das einzige, was Gott sagt. Gott redet ja nicht nur im Evangelium von Jesus Christus zu uns, Gott redet zum Beispiel auch im Gesetz. Das Gesetz ist ja auch Wort Gottes. Und was ist das Gesetz? So das Gesetz, wo es darum geht, der Obrigkeit

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untertan zu sein, nicht stehlen, Eigentum achten, die Ehe respektieren, nicht des Nächsten weit begehren und so. Was macht denn das Gesetz? Das Gesetz ist im Grunde Gottes Wort, was seine schöpferische Wirklichkeit unter Schutz stellt. Das Gesetz ist doch der ausdrückliche Schutzraum um Gottes Schöpfung. Die Ordnungen, die Gott gegeben hat, die Familie, der Staat, das Eigentum, das sind doch die Themen des Gesetzes, die Schöpfungsordnung. Und diese Theologen sagten, ja, Gott begegnet uns in Jesus. Na klar, wir sind ja Christen. Er begegnet uns in der Bibel. Natürlich, wir sind ja Protestanten. Aber er begegnet uns in der Schöpfung, im Gesetz. Und die große, feurige Erkenntnis der frühen dreißiger Jahre war, Gott begegnet uns in der Ordnung des

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Volkes, der Rasse, des Blutes und des Bodens. Und man sagte nun, wir sind doch alle gefangen gewesen in einem liberalen Albtraum. Was hat denn die liberale Moderne gebracht? Sie hat uns zu punktförmige Wesen degradiert, deren Substanz Selbstbestimmung und Individualität ist. Wir wurden reduziert auf eine individualistische Menschenwürde, auf unsere Vernunft, Natur und verloren, gingen doch dabei. Der Mensch ist doch nur Mensch in Gemeinschaft, in der Gemeinschaft seiner Familie, in der Gemeinschaft seines Volkes, in der Gemeinschaft seiner Sprache, in der Gemeinschaft des Bodens, von dem er lebt. Rasse, Blut und Boden müssen wir anerkennen als Offenbarung Gottes. Und es ist der Irrweg der Liberalen, Moderne, uns zu rationalistischen Kosmopoliten zu machen, die keine Geschichte haben, kein Geschlecht, keine Familie und keine Volksgemeinschaft,

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in der allein sie sein können, was sie sind. Das war state of the art, Fehlertheologen. Das war der neueste Schrei und man war sicher, dass die liberale Moderne gescheitert ist. Die liberale Moderne, die einen im Versailler Vertrag etwas aufzwingen wollte, was die Ehre eines ganzen Volkes erniedrigte, beschmutzte und beschämte. Und dieser Aufbruch, in dem ein Volk wieder zu sich selbst findet und zur eigenen Größe sich erhebt durch einen Führer, der doch nur von Gott mit diesem Auftrag begabt worden sein kann, eine Theologie, die das nicht anerkennt, hat den Kontakt zur Wirklichkeit verloren. Gegen diese Mehrheitsüberzeugung, würde ich mal sagen, im Christentum, in Kirchen und Theologie ist das formuliert, wenn Barth sagt, Jesus Christus ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören haben, den wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu

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gehorchen haben. Der zweiten These führt Barth weiter aus, wir verwerfen die falschen Lehre, als gäbe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären. Oder er führt es so aus, wir verwerfen die falsche Lehre, als könnte der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden. Es geht vielmehr um eine Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt hin zur Nachfolge und zur Mission, dass wir die Botschaft von der freien Gnade Gottes ausrichten an alles Volk. Das sind stakathohafte Bekenntnissätze, Worte, die heute in den Ordinationsversprechungen vieler Kirchen immer weiter tradiert werden und man ist mit Recht stolz darauf. Es wurde so viel Schwachsinn

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geredet in diesen Jahren, so viel unsagbar Beschämendes und Schändliches, dass man schon mit Recht dankbar und ein bisschen demütig stolz sein kann, dass so viel Wahrheit und Bekenntnismut auch möglich war. Jesus Christus ist das eine Wort Gottes und wir nehmen jetzt aber auch etwas anderes wahr. In diesen Bekenntnissätzen redet Barth nicht mehr dialektisch und in der Tat, er hat sich im Laufe der zehn Jahre weiterentwickelt und mehr im Grunde gemerkt dieses Dialektische, das kann man nicht jahrelang machen, da wird man irre. Die Offenbarung Gottes selbst ist nicht dialektisch, kann Barth inzwischen sagen. Nach seiner Frühzeit hat er in mehreren Anläufen eine neue theologische Spur gesucht. Ende der 20er Jahre veröffentlichte er eine christliche Dogmatik, ein 500-seitiges Werk. Die ersten Rezensionen wurden geschrieben, Priesen ist als

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epochal, als bedeutsam, als lesenswert. Karl Barth merkte kurze Zeit später, Satz mit X war wohl nichts, er sagte im Grunde kurze Zeit später, stopp, ich breche das ganze Verfahren ab. Das war der erste Band einer Theologie, die nie geschrieben wird. Es war einfach Murks, es war einfach falscher Weg, falsche Richtung. Das an sich, ich vermisse es ein bisschen in der heutigen Theologie, dass Theologen sich manchmal noch an den Kopf fassen und sagen, was habe ich vor fünf Jahren noch für einen Unsinn gelehrt? Ich finde, das ist ein Gesundheitszeichen von Theologie, dass sie Dinge probiert und dann sagt, nee war, war es nicht, so geht es einfach nicht. Karl Barth macht weiter paar Jahre später kirchliche Dogmatik. Er beginnt ein großes Werk, er schreibt 13 Bände, 10.000 Seiten. Er muss es aber dann fragment lassen. Er kann die Theologie, seine Dogmatik damit nicht

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abschließen. Irgendwann ist er tot. Über 30 Jahre haben nicht gereicht. In dieser kirchlichen Dogmatik, man kann sie im Grunde so lesen, dass sie diesen Satz von Barmen 1 entfaltet. Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes. Was ist das andere oder das Neue gegenüber Barth Anfang? Barth merkt im Grunde nun, man kann nicht nur mit Sätzen irgendwie spielen oder irgendwie was bauen oder immer neue Widersprüche produzieren, die auf irgendetwas verweisen. Er merkt, wir müssen lernen, dem Wort Gottes nachzusprechen. Wir müssen neu lernen, dogmatisch zu erzählen, unseren Glauben zu bekennen. Manche haben das so gesehen als einen dogmatischen Rückfall. Barth fällt im Grunde zurück in eine Theologie, die überwinden wollte. Hat er

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nicht zehn Jahre vorher im Grunde gesagt, das darf gerade nicht passieren, dass man sein eigenes Denken quasi mit Gottes Selbstoffenbarung in einsetzt. Nein, das passiert ihm auch nicht. Es ist für diese Theologie grundlegend zu wissen, man kann von Gott nur reden wie von einem Vogel im Flug, nicht wie von einem Vogel auf der Stange. So ein Bild, so eine Metapher dafür. Falsches, dogmatisches Denken versucht von Gott zu reden wie von einem Vogel auf der Stange, also einem Wesen, das stillhält, das einfach ist. Ein Wesen ohne Zeit, ohne Geschichte, ohne Bewegung, ohne Aktion. Man kann ihn beschreiben wie ein Stilleben. Gott ist nicht. Es gibt ein Buch von Eberhard Jüngel aus Tübingen, es heißt Gottes Sein ist im Werden. Klingt abschreckend, meint aber im Grunde

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dies. Gott ist nicht wie ein Ding. Gott existiert nicht wie irgendein Sachverhalt. Gott ist in sich der lebendige Gott. Gott ist in sich Geschichte. Gott ist in sich Beziehung. Gott ist in sich das Ereignis werden seiner Liebe als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und auch die Trinitätslehre ist kein Vogel auf der Stange, sondern ein Vogel im Flug, ist Geschehen, ist Begegnung, ist Ereignis. Gerade als lebendiger Gott, in Bewegung seiender Gott, muss das Denken ihm nachfolgen. Das heißt aber auch, das Denken muss ansatzweise so lebendig sein und beweglich und prozesshaft wie Gott. Man kann Gott in kein System sperren. Insofern ist es genial natürlich, eine solche Dogmatik auch nicht fair zu kriegen. Er war nicht unendlich unglücklich darüber. Eigentlich ist sie als Fragment viel

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perfekter, als sie je hätte werden können, was so völlig klar ist. Man kann diese Geschichte Gottes nie zu Ende erzählen. Man kann sie immer nur in der Zeit hören und bezeugen, aber so, dass all unser Zeugnis vom Gottes Wort ist, von Jesus Christus, wer uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ohne im Ansatz auch nur sich dem damit verwechseln zu können. Dann wäre alles für die Katz, dann wäre alles verspielt, was man je gewinnen wollte und konnte. Ich komme zu einem Fazit. Was machen wir heute mit Karl Barth? Karl Barth ja, der EKD. Ist das jetzt der der große Kirchenvater, nicht 500 Jahre entfernt wie Martin Luther? Ist das im Grunde der Weg und muss man es so machen und kann man noch mehr Karl-Barth-Denkmäler und Karl-Barth-Kirchen vielleicht in der ganzen Welt pflanzen, muss es so

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gehen? Ja, Karl Barth ist so was wie ein Kirchenvater. Und naja, in Deutschland ging es ihm schon mal besser, muss man sagen. Aber wer weltweit sich umguckt, von Brasilien bis China, von Australien bis Nordamerika, Karl Barth wird gelesen. Wenn ich so ein bisschen mal in anderen Kontinenten rumkam und so, also das, was alle kannten, waren Luther, Barth und Bonhoeffer, das auf jedem Kontinent, wo ich war und Theologen gesprochen habe mit allen möglichen Hautfarben, das kannten die immer. Und das spielt da eine große Rolle und das wird Zukunft haben. Manche meinen, Karl Barths Theologie hat ihre beste Zeit noch vor sich. Ich glaube, das könnte global wirklich stimmen, weil man global bei ihm wirklich viel lernen kann. Und es gibt natürlich auch Kritik an Barth. Und damit möchte ich mich jetzt noch mal so ein bisschen reiben. Warum ist Barth in der heutigen Theologie vielerorts

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in den meisten Fakultäten nicht mehr der Kirchenvater? Er ist mancherorts sogar der Buhmann. Er ist manchmal der, dessen Name nicht genannt werden darf. Er ist manchmal in Begriff, wie man es auf keinen Fall machen darf, wenn man auf der Höhe der Zeit sein will. Ich denke so, Kritik ist ja immer so eine Art kostenlose Beratung. Und es lohnt, auf Kritik zu hören. Selbst wenn man von einer Sache überzeugt ist, kann es immer nicht schaden, sich den kritischen Anfragen wirklich zu stellen. Ich selbst habe ja einen wandlungsvollen Weg mit Barth. Ich habe Barth erst mal kennengelernt aus einer sehr barthskeptischen Perspektive. Ich war in meiner frühen theologischen Jugend, im Studium irgendwann von Luther ergriffen, bewältigt und begeistert. Und alles, was für Luther war, hatte ich ein riesen Urvertrauen zu. Wer gegen Luther war, große Skepsis. Und bei Karl

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Barth gibt es manche Berührung zu Luther. Insofern als Lutherfreund findet man Barth nie völlig schlecht. Aber Karl Barth hat es ihm ernst gewagt, Luther schräg anzumachen von der Seite, ihn in Frage zu stellen, Gesetz und Evangelium für verfehlt zu erklären, Luthers zwei reiche Lehre für völlig autoritär verdorben zu machen. Und an vielen Stellen war Barth jemand, der glaubte, es besser zu wissen als Luther. Klar, dass ich gegen Barth eingenommen war. Und ich habe dann eine Erfahrung gemacht, die viele Barthianer kennen. Ich habe mich in ihn eingelesen, um ihn widerlegen zu können. Und es hat mich erwischt. Es hat mich überwältigt. Es hat mich gepackt. Die kechliche Dogmatik ist ein Sog, ist ein Rausch, in dem man sich verlieren kann, wo man Überwältigungserfahrungen mitmacht, die das Leben doch irgendwie auch reich und schön machen. Das leuchtet nicht jedem Menschen ein. Dafür brauche ich dafür ein paar Analogien. Es gibt menschliche Erfahrungen, wie etwa im

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Fußballstadium zu sein und selig darin aufzugehen, Teil einer blau-weißen oder auch schwarz-gelben Wand zu not zu sein. Nicht mehr isoliert, nicht mehr vereinzelt, sondern etwas, was bebt, wenn alles bebt, was schreit, wenn alles schreit, was mitgerissen wird in etwas größerem Ganzen. Und auch wenn man wieder zu Hause ist und das niemals allein so machen würde, sich so aufzuführen, sind das doch Erfahrungen, die man gerne wieder macht. Jetzt steht nicht jeder auf Fußball. Aber man kann solche Erfahrungen in der Musik machen, die das im Internet schauen, können noch einmal Pause drücken, ein weiteres Fenster auf und musikalisch einfach mal googeln, Halleluja, Händel, Japaner. Japanische Massenchöre, die mit 10, 20, 30.000 Menschen das große Halleluja von Händel singen und sie singen es weinend und schreiend, als würde ihr Gesang die Welt retten können und gleichzeitig noch den Klimawandel abbrechen und all das, was passiert.

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So, das ist was, das hat was. Oder für die Fußballmusikfreunde, You Never Walk Alone, gesungen von 50.000 Fußballfans in Old Trevor. Mit der Kunst ist es wieder Religion, ästhetischer Individualismus, wer weder Klassik mag noch Fußball, vielleicht mal googeln Musikvideos wie ACDC, Thunderstruck oder Nirvana, Smells Like Teen Spirit, also sowas. So, Pause vorbei, alle da, wir haben es wieder gesehen. So, solche Erfahrungen der Überwältigung, dass ein etwas packt, dass etwas umhaut, dass man durchgepustet wird und wen kein Video überzeugt hat, vielleicht die Achterbahn auf der Kirmes probieren oder irgendwas mit Sex, Drugs und Rock and Roll oder so. Also ihr auf irgendwas sind viele Menschen ja doch ansprechbar. Karl Barth kann von Gott reden in einer solchen überwältigenden, begeisterten Art und Weise und er kann Jesus

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Christus groß machen als das Wort und als die Wahrheit und als die Liebe Gottes in Person. Und er kann es nicht nur in Sätzen bekennen, er kann es zeigen, er kann es ein Sehen machen und er kann ein Tief hineinreißen in die Nachfolge des Kreuzes und in das Erhöhtwerden durch den Auferstand. Und er kann ein Wörter wie Gehorsam lieb machen oder Sendung oder Auftrag oder Glaube, Liebe, Hoffnung, all das kann er. Und ja, wenn Christentum eine Zukunft hat, dann sicher nicht nur im Reden über das Reden über das religiöse Reden. So das, wovon Karl Barth sich damals abgegrenzt hat, das gibt's heute wieder. Und das ist natürlich wissenschaftlich auch alles interessant, man hat manchmal wissenschaftliche Interessen, wenige Menschen aber genug um Hörsäle zu füllen findet man noch davon,

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aber keine Religion funktioniert im Reden über das Reden, wie andere über Gott geredet haben. So, Barth hat einen Weg gefunden aus der Theologie eine Performanceart zu machen, eine Praxis, keine Theorie, kein System, auch keine Wissenschaft, die distanziert und verobjektivierend Dinge beschreibt, es ist eine Sprachhandlung. Hier wird mit Worten und mit Geschichten und mit Bildern gehandelt und nur so versteht man es im Grunde. Ansonsten findet man ihn immer irgendwie zu schlicht, zu undifferenziert, zu ungebildet. Man kann sich da aufblustern und sagen, ich bin da aber viel schlauer als der Barth. Na ja, herzlichen Glückwunsch, aber Barth hat einen ein Stil entwickelt, theologisch zu denken, so dass darin etwas geschieht, dass darin das Ereignis, von dem er spricht, fortgeführt

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wird. Es ist ein religiöses Denken, eine Performance, eine Praxis und es ist für mich kein Wunder, dass Generationen von Fachern mit dieser Theologie gelernt haben, gerne zu predigen, gerne zu verkündigen, gerne einen solchen Beruf zu haben, das ist nicht nichts. Es gibt heute viele Pfarrer, die in ihrer Praxis jeden Kontakt zur wissenschaftlichen Theologie verloren haben, weil sie die Erfahrung machen, es bringt ihnen fast nichts. Es ist zu kompliziert, zu abstrakt, zu weit weg und das, was Barth geschafft hat, ist alles andere als nichts, es ist sehr viel und auf so etwas kann keine Kirche, kann kein Verkündigungsdienst verzichten. So, das war jetzt nochmal eine kleine

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Art Lobeshymne und nun möchte ich aber beschreiben, ich hatte irgendwann den Punkt, wo ich gemerkt habe, mir leuchtet die Kritik an Karl Barth leider auch immer mehr ein. Kritik an Barth, jetzt mal sehr kurz gefasst, war ab den 70er Jahren folgende. Karl Barth wurde von seinen Jüngern sinnlos überhöht, als hätte er sich dem Nationalsozialismus entgegengestellt und das selige Volk der bekennenden Christen wie Mose durch die Wüste geführt und hätte in Wahrheit und Klarheit mit dem Namen Jesu die Dämonen des Faschismus in irgendeiner Weise noch gebannt und du lieber Himmel, die Kritiker sagen, das ist eine falsche Überhöhung, natürlich, also Respekt für die barmatiologische Erklärung ist es eine große Leistung, es ist wirklich was wert und der Mann war Schweizer, es war leichter von außen gute Ideen zu haben als in dem Sog des Ganzen, aber

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jetzt das wirklich Problematische, natürlich hatte Karl Barth Recht in seinem Antifaschismus, aber sein ganzes Denken ist nicht der große Gegenentwurf und die Lösung und die große politische Erleuchtung, auf die die ganze Menschheit wartet, Karl Barths ganzes Denken ist so autoritär und hierarchisch und rechthaberisch wie das, wogegen er sich ausspricht. Im Grunde langfristig gesehen ist Barths Denken nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems und es gab auch andere Antifaschisten, die aus anderen totalitären Überzeugungen heraus antifaschistisch war, das soll nichts nehmen vor dem Respekt und der Ehre, die man vor jedem Widerstand haben wird, aber wenn man ganz langfristig schaut, es gab totalitären Antifaschismus, der für eine moderne, liberale,

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demokratische, pluralistische Gesellschaft nicht mehr hinreicht. Karl Barths Theologie hat ihm im Grunde genau den Fehler begangen, den er in seiner Frühzeit schon noch geahnt hat, so er hat am Ende sein eigenes theologisches Denken faktisch mit der Autorität Gottes aufgeladen. Er war nicht gesprächsfähig, er konnte Abweichler nicht ertragen, er konnte kein anderem Denkweg auch nur ansatzweise gerecht werden, er hat andere Denkwege nicht verstanden, er war ungerecht, er war autoritär, er hatte keinerlei Ambiguitäts- toleranz, er war nicht mal wirklich demokratisch, er hatte sozialistische Fantasien, er war im Grunde nicht demokratie- und pluralitätsfähig, er glaubte, die Theologie mit einem prophetischen Sendungsbewusstsein ausstatten zu können und das haben viele seiner Jünger übernommen. Viele Fahrer der Nachkriegszeit als Bateaner hatten

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immer so eine prophetische Selbstüberschätzung in sich, sie glaubten Zeitansage machen zu können, die Welt zu erinnern an das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit und sie haben nicht gemerkt, wie selbstgerecht und besserwisserisch, kompromissunfähig sie in vielen Fragen geworden sind, sie waren nicht in der Lage, kompromissfähige pluralistische Demokratie in Kirche und Gesellschaft zu leben, weil sie auch alle möglichen politischen Fragen bekenntnisförmig aufgebläht haben. Ich selbst fand, als ich diese Kritik erstmals gelesen habe, sie ungerecht und überheblich und garstig und unsympathisch und hatte da lauter negative Gedanken und Gefühle zu und hätte gesagt, was würde Bata zu sagen, er würde doch so sagen, oh ihr Besserwisser, ich bin doch nicht autoritär, es geht doch nicht um mich, es geht um Gott, es geht um Gottes Autorität, ich habe

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doch nicht irgendwelche Ansprüche an irgendwen, dann glaub doch was du willst, aber ich rede von dem Gott und seinem Wort, was von außen auf uns zukommt, auf dich und auf mich und da geht es nicht um mein Recht haben oder dein Recht haben, sondern um Gottes Recht haben und ich nehme die nicht für mich in Anspruch, ich antworte auf Gottes Autorität und diese Autorität ist gerade nicht autoritär, sondern befreiend. Sie befreit uns aus den gottlosen Bindungen dieser Welt, denn es ist die Autorität seiner Güte, es ist das Ja Gottes und es wird zum Nein gegen alles, was dieses Ja klein machen will, aber es ist Gottes Ja und damit der einzig wahre Gegenentwurf gegen alles Totalitäre, gegen die absolutistische Selbstüberhöhung des Menschen etwa auch gegen den Absolutismus der Neuzeit, der Moderne, der Aufklärung, auch das ist doch ein Götzendienst, dieses ganze wir müssen doch das neuzeitliche Wahrheitsbewusstsein und wir müssen doch moderne

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Theologie und wir müssen doch das heutige Geschichtsbewusstsein und all dies und da hätte Barth gesagt ihr macht euch was vor, wenn ihr eine ausdifferenzierte pluralistische demokratische Weltgemeinschaft zum maßgeblichem Wahrheitskriterium der Rede von Gott machen wollt und ja hätten sie gesagt wir wollen dir glauben, dass du das eigentlich willst, das was passiert ist etwas anderes und ich glaube in der Tat man kann manchmal mit besten Absichten in einem Selbstwiderspruch geraten zwischen dem was man will und dem was man tut. Man kann mit Barth in ein Gefälle geraten, wo man die Autorität Gottes befreiend und gesprächsfähig zur Geltung bringen will und letztlich monologisierend, nicht zuhörend, einengend auf Menschen einwirkt. Man kann mit

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Barth super predigen glaube ich, also man fühlt sich selbst damit ziemlich gut und vielen Gemeinden geht es auch nicht schlecht. Konfirmannenunterricht wird sehr viel schwieriger. Ich hatte irgendwann in der Praxis und das geht glaube ich vielen Fachern und Theologen so, die Neigung man müsste mehr zuhören, mehr verstehen wollen, mehr das Gespräch suchen, lernen, die die Suchwege von Menschen voller Respekt und Ehrfurcht erstmal wahrzunehmen und Barths Denken macht einem das nicht immer leicht, kann Dialog unfähig und autoritär machen. Was machen wir mit Barth, was ist seine mögliche Zukunft? Nun ich glaube man muss Barths Denkweg im Grunde so lesen und so verstehen wie er im Grunde mit der christlichen Tradition umging. Auch Karl Barth ist kein Vogel

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auf der Stange, auch Karl Barth ist ein Vogel im Flug und wenn man bestimmte Phasen absolut setzt, kommt man manchmal auch zu einem autoritären, besserwisserischen, monologisierendem Barth und wenn man das so empfindet und auch meint und sagt ist auch mein Weg mit Karl Barth so gewesen und ich glaube aber, dass der ganze Barth in seiner frühen liberalen Phase, in seiner dialektischen Hochphase und in seiner christocentrischen Phase als Vogel im Flug sehr viele Sackersen selbst geahnt und bezeichnet hat. Man kann diesen Weg auch nicht kopieren, aber man kann fragen was lehrt uns die Flugbahn dieses Vogels, wie es weitergehen kann. Nicht auf Karl Barth stachen, sondern von ihm fliegen lernen. Im Hören auf die Bibel, im Blick auf Jesus Christus, aber auch im Gespräch mit der eigenen Zeit. So denke ich kann und sollte Karl Barth auch

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ein Kirchenvater für künftige Generationen sein und bleiben.

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Karl Barth – Die Theologie und das Wort Gottes | 8.8.1

Worthaus Pop-Up – Marburg: 31. Dezember 2018 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Als die Welt im Chaos versank, stand er mittendrin – und sah doch von außen zu. Gleich zweimal. Der Schweizer Theologe Karl Barth lebte, lernte und lehrte in Deutschland als der Erste Weltkrieg ausbrach und als 1933 deutsche Theologen neben vielen anderen dem nächsten Kriegswahn erlagen. Er schrieb Bestseller, war Mitgründer der Bekennenden Kirche, die sich gegen die Nazis stellte, und entwickelte eine neue Theologie. Wer verstehen will, was die protestantische Kirche in den vergangenen 100 Jahren prägte, kommt an Barth und seinem Bibelverständnis nicht vorbei. Ende 2018 jährte sich sein Todestag zum 50. Mal, viele protestantische Kirchen feiern in diesem Jahr ein Karl-Barth-Jahr. Thorsten Dietz führt durch das Leben des streitbaren Theologen – und spart auch die Stimmen seiner Kritiker nicht aus.

Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.