Zum Abschluss des Tages möchte ich euch noch eine Geschichte erzählen. Diese Geschichte stammt von einem jüdischen Autor, der heißt Isaak Singer. Isaak Singer wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in Osteuropa geboren, in Galicien. Das ist heute so ein Übergangsgebiet aus dem östlichen Polen und Weissrussland. In dieser Gegend war früher Galicien. In Galicien lebten viele Juden, und zwar relativ getrennt von weissrussischer oder polnischer Bevölkerung, in eigenen Dörfern. Es gab also in Galicien viele jüdische Dörfer mit rein jüdischer Bevölkerung.
Isaak Singer ist dann nach den USA ausgewandert, und er hat 1978 den Nobelpreis für Literatur bekommen. Auch ausdrücklich für diese Erzählung. Also die ist Weltkulturerbe. Isaak Singer ist in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts gestorben. Er hat seine Erzählungen in Jiddisch geschrieben, sie wurden aber ins Deutsche übersetzt. Ich habe diese Erzählung von Isaak Singer ganz leicht bearbeitet, weil sie ist für schriftliches Erzählen. Sie ist veröffentlicht in verschiedenen Formen. Ich erzähle diese Geschichte jetzt mündlich. Es ist ja eh aus dem Jiddischen übersetzt. Ich kann nicht Jiddisch, aber ich habe manches Deutsch leicht geglättet.
Die Geschichte heißt Zlaty Digeiz. Zlaty ist ein polnischer Mädchenname. Es gibt auch einige polnische Gaststudenten an der PH Ludwigsburg, und das war mal eine da, die hieß tatsächlich Zlaty. Also Zlaty ist ein häufiger polnischer Mädchenname. Diese Erzählung kann man leider im Moment kaum irgendwo kaufen. Es gab mal ein schönes Geschenkbändchen, wo mehrere Erzählungen von Isaak Singer drin sind. Das Geschenkbändchen hieß Zlaty Digeiz, obwohl da sieben, acht Erzählungen drin sind. Aber das ist einfach seine Meistererzählung, die schönste Wintererzählung, die ich kenne. Und jetzt im Moment könnt Sie dieses Bändchen nur ausleihen in guten Bibliotheken. Ansonsten müssten Sie die Gesamtausgabe von Isaak Singer kaufen, und die ist sehr teuer.
Deswegen habe ich Ihnen die Erzählung in einer ganz winzigen Bearbeitung mitgebracht. Jetzt muss ich noch eine zweite Vorbemerkung machen. Im Judentum gibt es ein Fest, das heißt Chanukka. Das Chanukka-Fest wird ungefähr zu unserer Weihnachtszeit gefeiert. Es kann mal ein bisschen später sein, aber auch ein bisschen früher. Es ist auch ein Kinderfest. Die Kinder bekommen Geschenke, zum Beispiel den Glückskreisel, den Treidl. Da spielen die Kinder, sie haben so einen Kreisel, und auf jeder Seite ist eine hebräische Buchstabe. Und je nachdem, wie der Kreisel fällt, müssen die Kinder Spielchen machen oder kriegen sie was. Und es gibt auch bestimmte Essen, zum Beispiel einen lasierten Karpfen. Oder es gibt die berühmten Chanukka-Pfandkuchen. Öl, Kartoffel, irgendwie so ein Rezept. Gut, das Chanukka-Fest ist gegründet worden, es gibt es schon im Altertum.
Jesus geht auch mal zum Chanukka-Fest, zum Lichterfest nach Jerusalem. Das ist Chanukka, weil es gibt den Chanukka-Leuchter, der hat acht Leuchter. Das Chanukka-Fest wird acht Tage gefeiert, und an jedem Tag zündet man eine Kerze an. Also deswegen, im Johannesevangelium heißt es einfach Lichterfest. Es wurde gegründet, weil die Seleukiden den Jerusalemer Tempel verunreinigt hatten, heidnische Götzenbilder reingestellt haben, aber die Maccabeer haben diesen Tempel wieder zurückerobert, wieder neu gereinigt, und zur Neueröffnung des Jerusalemer Tempels, ich schätze so 160 ungefähr vor Christus, ist dieses Chanukka-Fest im Judenturm entstanden. So, setzt euch schön gemütlich hin. Es dauert so vielleicht 25 Minuten.
Zur Chanukka-Zeit war der Weg vom Dorf in die Stadt normalerweise mit Schnee bedeckt. Aber in diesem Jahr war der Winter bisher mild gewesen, Chanukka kam näher, aber nur wenig Schnee war gefallen, meistens schien die Sonne, und die Bauern hatten Sorge, dass das Wintergetreide bei diesem trockenen Wetter keine gute Ernte geben wird. Für Ruben, den Pelzhändler, war das natürlich eine schlechte Zeit. Nach langem Zögern beschloss er, Zlatte die Geist zu verkaufen. Sie war schon alt und gab nur noch wenig Milch. Stadtmetzger Pfeifel hatte acht Gulden für sie geboten, und für das Geld konnte man Chanukka-Kerzen kaufen,
Geschenke für die Kinder, Öl und Kartoffeln für die Pfannkuchen und was man eben sonst noch bei Feiertagen zu Hause braucht. Ruben gab seinem Sohn Aaron den Auftrag, die Geist in die Stadt zu bringen. Aaron verstand, was es bedeutete, die Geist zu Metzger Pfeifel zu bringen. Aber er gehorchte seinem Vater. Seine Mutter Lea wischte sich die Tränen vom Gesicht, als sie diese Nachricht hörte. Und seine jüngeren Schwestern Anna und Mirjam weinten laut. Aaron zog sich die gesteppte Jacke an, zog sich die Fellmütze mit den Ohrenklappen über. Dann legte er einen Strick um den Hals von Zlatte und erstreckte sich zwei Käsebrote ein. Er sollte die Geist abends abliefern, dann die Nacht bei den Metzgersleuten verbringen und am nächsten Tag mit dem Geld zurückkommen.
Als sich die Familie von Zlatte verabschiedete und Aaron den Strick ein bisschen zurechtrückte, stand Zlatte geduldig und gutmütig da. Sie leckte Ruben die Hand und schüttelte ihren dünnweißen Bart. Ja, Zlatte vertraute den Menschen. Sie wusste, dass sie immer gefüttert wurde und dass man ihr niemals etwas zuleidet hat. Als Aaron jedoch sie auf den Weg in die Stadt brachte, erschien sie doch etwas verwundert zu sein. Sie war niemals bisher in diese Richtung geführt worden. Sie schaute Aaron an, als wollte sie fragen, wohin führst du mich?
Aber dann war sie wohl zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Geist keine Fragen stellen soll. Trotzdem, der Weg war anders wie die anderen. Sie kamen vorbei an strohbedeckten Hütten, an Wiesen und Feldern, die sie noch niemals gesehen hatte. Hin und wieder bellte ein Hund und rannte hinter ihnen her, aber Aaron verjagte sie mit seinem Stock. Die Sonne schien, als Aaron und Zlatte das Dorf verlassen hatten. Aber dann plötzlich änderte sich das Wetter. Eine dunkle, schwarze Wolke, blau in der Mitte, zog von Osten her auf. Sie verbreitete sich rasch über den ganzen Himmel. Ein kühler Wind begann zu wehen, und die Krähen flogen tief und krechzend. Zuerst sah es so aus, als ob es regnen wollte.
Aber dann begann es wie im Sommer zu hakeln. Es war noch früh am Tag, aber es dunkelte wie zur Dämmerung. Und die Kälte drang schon etwas durch die Steppjacke. Aaron hatte mit seinen zwölf Jahren schon jedes Wetter gesehen. Aber einen Schneefall wie diesen hatte er noch nicht erlebt. Der Schnee fiel so dicht, dass das Tageslicht verlöschte. Und schon nach Kurzem war der ganze Weg mit Schnee bedeckt. Der Weg in die Stadt war schmal und voller Kurven. Aaron wusste nicht mehr, wo er war. Er konnte durch den Schnee nicht durchsehen. Zuerst schien Zlatte den Wetterwechsel nicht zu beachten. Auch sie war zwölf Jahre alt und wusste, was Winter bedeutet.
Aber als ihre Beine immer tiefer in den Schnee sanken, wendete sie ihren Kopf und ihre Augenschienen zu fragen, warum wir bei so einem Wetter draußen sind. Aaron hoffte, dass ein Bauer mit seinem Marktwagen vorbeikam. Aber es kam keiner. Der Schnee fiel immer dichter, in großen Flocken herunter. Aaron spürte unter seinem Stiefel weiches, gepflügtes Feld. Er merkte, dass er vom Weg abgekommen war. Er konnte weder Osten feststellen noch Westen, weder wo das Dorf liegt noch die Stadt. Und der Wind pfiff und heulte und wurde eisig. Der Wind trieb den Schnee in Schauern herum. Es sah aus, als ob weiße Kobolde über den Feldern Fange spielen.
Zlatte stand still. Sie konnte nicht mehr gehen. Sie meckerte, als ob sie darum bitten wollte, nach Hause geführt zu werden. Aaron wollte die Gefahr nicht zugeben, aber er wusste, dass sie erfrieren werden, wenn sie keinen Unterschlupf fanden. Das war kein gewöhnlicher Schneesturm. Das war ein Blizzard, der schlimmste aller Schneestürme. Der Schnee ging ihm schon bis zu den Knien. Seine Hände waren klamm, seine Zehen spürte er schon nicht mehr. Wie Holz fühlte sich seine Nase an, und er rieb sie mit Schnee ein. Eiszapfen hingen vom dünnen Bart von Zlatte, und ihre Hörner glänzten von Eis. Ihr Meckern hörte sich wie Weinen an. Die Menschen, denen sie so sehr vertraut hatte, haben sie in eine Falle geführt.
Da begann Aaron zu beten zu Gott, für sich und für das unschuldige Tier. Da erkannte er plötzlich vor sich die Form eines Hügels. Was das wohl sein mag? Wer kann denn so schnell so einen riesigen Schneehaufen aufgetürmt haben? Er ging darauf zu, Zlatte hinter sich herzirrend, und als er näherkam, erkannte er, dass es ein Heuhaufen war, den der Schnee zugedeckt hatte. Aaron begriff sofort, dass sie gerettet waren. Er war ein Dorfjunge, und er wusste genau, was er tun musste. Er grub sich mit großer Anstrengung durch den Schnee durch.
Als er beim Heu angekommen war, höhlte er ein großes Nest aus für sich und für Zlatte. Er schob Zlatte rein und folgte ihr in das Nest. Wie kalt es draußen auch immer sein mag, im Heu ist es warm. Und Heu ist Futter für Zlatte. Kaum hatte sie es gerochen, fing sie an zu fressen. Aber der Schnee hatte diesen Eingang sehr schnell wieder verstopft. Aber ein Junge und ein Tier müssen atmen, und es war fast keine Luft mehr drin. Da bohrte Aaron mit seiner Hand ein Fenster. Er höhlte ein Fenster aus und achtete darauf, dass es schön frei blieb. Zlatte hatte sich satt gegessen und setzte sich auf die Hinterfüße. Sie schien ihr Vertrauen in die Menschheit wiedergewonnen zu haben.
Aaron ass seine beiden Käsebrote. Aber nach dieser anstrengenden Reise war er immer noch hungrig. Er bemerkte, dass Zlatte eine volle Euter hatte. Er legte sich so neben Zlatte, dass er sich die Milch direkt in den Mund melken konnte. Die Milch war fett und süss, aber es klappte. Zlatte war nicht gewohnt, in dieser Stellung gemolken zu werden. Aber sie wehrte sich nicht. Sie war so, als ob sie Aaron dafür belohnen wollte, dass er sie in einen Unterschlupf führte, wo die Decke, Boden und Wände aus lauter Futter für sie bestanden. Durch das Fenster konnte er weiter hinausschauen. Es war stockdunkel. Der Wind pfiff und trieb Schneegeschau vorbei. Aaron wusste nicht, ob es schon Nacht war oder ob das Schneegestöber der Grund für die Dunkelheit war.
Wenigstens war es innen drin nicht kalt. Die Blumen und das Heu strömten noch die Sommersonne aus. Zlatte knabberte in einem fort. Sie knabberte oben und unten und links und rechts. Aaron hatte Zlatte eigentlich schon immer gern gehabt. Aber jetzt wurde sie ihm wie eine Schwester. Sie half ihm, mit ihrem Körper warm zu bleiben. Und er schmiegte sich eng an sie. Aaron war allein, isoliert von seiner Familie. Aber er wollte reden. Also sprach er mit Zlatte.
Du Zlatte, wenn wir diesen Unterschlupf nicht gefunden hätten, da wären wir schon steif gefroren. Mähähähähähäh. Du, was meinst du, was aus uns werden wird? Mähähähähäh, antwortete die Geiss. Ich sag dir, wenn es so weiterschneit wie jetzt, dann müssen wir noch tagelang hier drin bleiben. Mähähähähähäh. Was bedeutet Mähähähähähähähäh? Du solltest deutlicher reden. Mähähähähähähähähäh. Gut, sagte Aaron freundlich. Lassen wir es bei Mähähähähähäh. Ich weiß, du kannst nicht reden, aber du verstehst mich doch, stimmt's? Mähähähähähähähähähäh. Aaron wurde schläfrig. Er formte sich aus dem Heu ein Kopfkissen, legte sich drauf und schlief ein. Und Zlatte schlief auch.
Als Ahon seine Augen wieder öffnete, wusste er nicht, ob morgen war oder Abend. Der Schnee hatte sogar das Fenster verstopft. Und Ahon grub sich mit seinem Arm ganz durch, aber auch als er mit dem ganzen Arm im Schnee durchgebohrt war, war er immer noch nicht draußen angekommen. Gott sei Dank hatte er seinen Stab bei sich. Und mit dem konnte er durchstossen und das Fenster wieder freilegen. Zlatte wachte auch auf. Und als Ahon sie begrüßte, antwortete sie ihr Määh. Ja, die Sprache von Zlatte bestand nur aus einem Wort. Aber das konnte so viel bedeuten. Jetzt bedeutete es, weisst du, wir müssen alles annehmen, was Gott uns schickt.
Hitze und Kälte, Licht und Dunkelheit. Ahon war immer noch hungrig. Er hatte keine Käsebrote mehr, aber Zlatte hatte noch viel Milch. Drei Tage lebten Ahon und Zlatte in diesem Heuhaufen. Ahon hatte Zlatte schon immer gern gehabt. Aber jetzt gewann er sie lieb. Sie ernährte ihn mit ihrer Milch. Sie half ihm, warm zu bleiben. Und sie ermutigte ihn mit ihrer Geduld. Und er erzählte ihr viele Geschichten. Und immer hörte sie zu und spitzte die Ohren. Und wenn Ahon sie streichelte, dann leckte sie ihm Gesicht und Hände.
Und sagte ihr Määh. Und Ahon wusste, jetzt heißt das, ich hab dich lieb. Drei Tage lang schneite es, wenn auch am dritten Tag nicht mehr so stark wie an den ersten beiden. Und der Wind hatte sich gelegt. Manchmal war es Ahon, als hätte es niemals einen Sommer gegeben. Als hätte es schon immer geschneit, seit er sich erinnern kann. Als hätte er niemals Vater und Mutter gehabt. Als wäre er ein Schneekind, vom Schnee geboren und Zlatte auch. Die Stille in diesem Heuhaufen war so still, dass sie in den Ohren dröhnte. Zlatte und Ahon schliefen die ganze Nacht und einen Großteil des Tages. Und in den Träumen von Ahon war immer schönes Wetter.
Also Ahon träumte von grünen Wiesen, von blühenden Bäumen, von klaren Wasserbechen und von singenden Vögeln. In der vierten Nacht wurde der Himmel klar. Aber Ahon wagte es nicht, in der Dunkelheit den Weg zu suchen. Aber er grub sich aus und beschaute die Welt. Alles war weiss und still und träumte. Gross und nah waren die Sterne und der Mond schwamm am Himmel wie in einem See. Am Morgen des vierten Tages hörte Ahon das Klingeln von Schlittenglocken. Der Heuhaufen war gar nicht weit weg vom Weg.
Und der Bauer, der diesen Schlitten fuhr, zeigte ihm den Weg. Nicht in die Stadt zu Meister Pfeifel, nein, heim ins Dorf. Denn Ahon hatte in dem Heuhaufen beschlossen, sich niemals von Zlatte zu trennen. Seine Eltern, Ruben und Lea und die Schwestern, hatten in diesem Blissart gesucht mit den Nachbarsleuten. Aber in dem Schneesturm waren keinerlei Spuren zu finden. Sie mussten annehmen, dass sie verloren waren. Lea weinte und Anna und Mirjam laut und Ruben beliebt still und trauerte. Da kam ein Nachbar gelaufen mit der Nachricht. Ahon und Zlatte kommen die Dorfstraße herauf. Was für eine Freude in der Familie.
Ahon erzählte seiner Familie, wie Zlatte ihn ernährt und ermutigt hat. Anna und Mirjam umarmten Zlatte und küssten sie und gaben ihr etwas besonders Köstliches zum Essen. Geschnitzelte Rüben und Kartoffelschalen. Zlatte verschlang alles hungrig. Und jetzt, wo endlich das kalte Wetter gekommen war, brauchten die Dorfleute auch wieder die Dienste des Pelzhändlers Ruben. Und als Chanukka kam, konnte Ahons Mutter an jedem Abend den Pfannkuchen backen, den Kindern Geschenke geben und die Chanukka-Kerzen anzünden. Und obwohl Zlatte einen eigenen Stall hatte, kam sie immer wieder an die Küchentür, klopfte mit ihren Hörnern an die Tür, um anzuzeigen, dass sie einen Besuch machen will.
Und immer wurde sie hereingelassen. Und am Chanukka-Fest spielten Ahon, Mirjam und Anna das Glückskreiselspiel. Und Zlatte lag am Ofen und schaute den Kindern zu und dem Flackern der Chanukka-Kerzen. Und manchmal sagte Ahon dann, Zlatte, weißt du noch, du und ich im Heuhaufen? Und dann kratzte sich Zlatte mit einem hunden Hals, schüttelte ihren dünnen weißen Bart und meckerte ihr Määh. Ja, mit diesem einen Wort drückte sie alle ihre Gedanken aus und ihre ganze Liebe.
Erzählung: Zlateh, die Geiß | 5.10.5
Es war einmal eine Zeit, lange vor der Erfindung von Radio, Fernsehen und Smartphone, da versammelten sich Familien abends in der Stube, und irgendjemand erzählte eine Geschichte. Solche Szenen kennt man heute fast nur noch von Adventskalendern oder aus Heimatbüchern. Dabei ist ein ruhiger Abend mit Familie oder Freunden doch in unserer hektischen Zeit oft schöner als jedes Weihnachtsgeschenk. Erst recht im Advent. Wer nicht selbst erzählen mag, schaltet diese Folge von Worthaus ein. Denn dieses Mal hält Siegfried Zimmer keinen Vortrag, er erzählt die Geschichte von Zlateh, der Geiß. Geschrieben hat sie Isaac Bashevis Singer, geboren 1904 in Polen, 1978 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Doch all Ehrungen sind unwichtig, wenn Zimmer zu erzählen beginnt. Dann geht es nur noch um die Geschichte, um Stimme und Klang. Mal wird Zimmer beim Erzählen lauter, dann flüstert er fast, und spricht gleich darauf schnell wie im Galopp. Und plötzlich meckert er wie eine Ziege. Mit allen Klängen, die die menschliche Stimme hergibt, erzählt Zimmer von dem Pelzhändler Ruben, der seine einzige Geiß verkaufen muss, von dem tödlichen Schneesturm, in dem sich die Geiß und Rubens Sohn auf dem Weg zum Markt verlaufen, von dem einfachen Wunder, das beide rettet. Und von der Magie eines einzigen Wortes. Das nicht einmal menschlich ist.