Irmtraud Fischer

Nach der Ausbildung zur Volksschullehrerin studierte Irmtraud Fischer katholische Theologie in Graz. Mit ihrer 1993 veröffentlichen Habilitation »Untersuchungen zur theologischen Relevanz der Frauentexte in den Erzeltern-Erzählungen« wurde sie zur ersten habilitierte katholischen Theologin in Österreich. Von 1997 bis 2004 war sie Professorin für Altes Testament und Theologische Frauenforschung an der Universität Bonn. Seit 2004 ist sie Professorin für Alttestamentliche Bibelwissenschaft an der katholischen Fakultät der Universität Graz.
2017 wurde ihr von dem Fachbereich der Geschichts- und Kulturwissenschaften der Universität Gießen aufgrund ihrer außerordentlichen Forschungsleistung und ihres internationalen Engagements für ein kulturwissenschaftliches Verständnis der Theologie ein Ehrendoktorat verliehen.

Irmtraud Fischer war mehrere Jahre Mitglied der Redaktion der internationalen Zeitschrift Concilium in der Sektion feministische Theologie, gehörte dem Übersetzungskreis der Zürcher Bibel an, war Präsidentin der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen sowie Mitglied des Beirates für das Übersetzungsprojekt »Bibel in gerechter Sprache«. Seit 2005 ist sie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen katholischen Alttestamentlerinnen und Alttestamentler. Darüber hinaus ist sie Vorsitzende der Curriculakommission für die interfakultäre Studienrichtung Jüdische Studien am Centrum für Jüdische Studien in Graz und ist Mitherausgeberin der exegetisch-kulturgeschichtlichen Enzyklopädie »Die Bibel und die Frauen«.

10. Dezember 2021

Das Jona Buch | 11.19.1

Die Geschichte gehört in jede Kinderbibel: der widerspenstige, irgendwie etwas trottelige Prophet, der Gott nicht gehorchen will; der Sturm und der Wal, die nie so richtig bedrohlich wirken; und das Happy End, als Jona dann doch tut, was Gott von ihm will, und die bösen Menschen von Ninive schließlich gute Menschen werden.
Und die Moral von der Geschicht’? Das war’s noch nicht.
Die österreichische Theologin Irmtraud Fischer entreißt die Geschichte der Niedlichkeit der Kinderbibeln und macht deutlich, worum es im Buch Jona eigentlich geht: um ein Trauma. Gott schickt Jona nach Ninive, ins Herz des Assyrerreiches. Ausgerechnet die Feinde Israels soll Jona vor Gottes Zorn warnen – und damit retten. Die Assyrer haben das Nordreich der Israeliten zerstört und das Südreich fast dem Erdboden gleich gemacht. Sie haben die Bevölkerung verschleppt und verschreckt. Sie haben wahrscheinlich auch Jona leiden lassen. Kein Wunder, dass er vor Gottes Auftrag flieht.
Jona verhält sich wie ein traumatisierter Mensch im Angesicht seines Peinigers, diagnostiziert Irmtraud Fischer. Sie beschreibt, wie diese Zwangskonfrontation mit dem Erlebten dem traumatisierten Jona hilft, mit dem Schrecken klarzukommen. Sie zieht damit auch die Parallele zum Heute, zu unseren Ängsten und Traumatisierungen. Und sie erklärt, was es mit dem Epilog der Jona-Geschichte auf sich hat, der aus den Kindergeschichten meist herausfällt.

Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Vorworte: Einführungsvorträge zu jedem biblischen Buch«.