Mein Thema lautet heute die Entstehung und die Autorität des neutestamentlichen Kanons. Das ist eine sehr wichtige Frage. Wothaus hat als Thema die Bibel und die Bibel scheint uns immer sehr klar zu sein, was das ist. Naja, ein dickes Buch, darin ist das Alte Testament und das Neue Testament und das ist oft schon auch alt, das Buch. Da wird ja alles klar sein. Wie ist denn der entstanden eigentlich, diese Zusammenstellung der biblischen Bücher? Wie kam es denn zum Alten und zum Neuen Testament? Da weiß man doch bestimmt ganz viel drüber. Wie ist das so gewesen? Ist das irgendwie wichtig? Ist vielleicht auch gefährlich? Ist es vielleicht spannend oder herausfordernd? Darüber möchte ich heute ein paar Gedanken vorstellen. Zunächst ein paar ganz grundlegende Sachen. Das Wort Kanon habe ich benutzt. Was heißt das? Im Griechischen
heißt es im Grunde Liste oder Maßstab. Das Wort kann beide Bedeutung haben. Grunde Wortbedeutung eine gerade Linie, also das, was ein Maß oder ein Lot ausmacht. Wird aber auch im Sinne von Liste verwandt. Gibt es nicht nur im Blick auf die Bibel. Gab es auch im Blick auf andere Schriften, auf philosophische Sammlungen. Es waren Sammlungen von maßstäblichen Schriften. So, und wann war das Neue Testament fertig? Wann hatte man zum ersten Mal eine Liste oder so eine Kanon Zusammenstellung der wichtigsten Schriften, dass das eindeutig formuliert war? Das war im Jahr 367 n. Chr. im neununddreißigsten Osterbrief von Bischof Athanasien von Alexandrien. Das ist das erste Mal, dass wir die 27 Schriften aufgeführt finden, die wir heute in unserem Kulturkreis alle als Neu Testament kennen. Das ist die erstmalige vollständige Bezeugung dieser Liste. Erstmals
eine Synode, äußert sich so im Jahr 393 die Synode von Hipporegius in Nordafrika. Damit ist noch nicht alles durch. Es gibt bis ins fünfte Jahrhundert hinein Debatten und offene Fragen und Unsicherheit. Man kann aber schon sagen, dass die 27er Liste, die wir kennen, sich von da an weitgehend deutlich und unangefochten durchsetzt. So, das kann man darüber sagen. Das steht überall geschrieben. Da gibt es Bücher drüber, Lexikonartikel und so weiter und so weiter und so weiter. Jetzt könnte man sagen, Moment, Moment, das Neu Testament entsteht doch alles im ersten Jahrhundert nach Christus. Wenn Jesus dreißig nach stirbt, dann wird das doch in den nächsten Jahrhunderten irgendwie entstanden sein. Wie kommt es denn, dass das so lange dauert? Also warum sind da über 300 Jahre, bis zum ersten Mal das Neu Testament, so wie wir es kennen, überhaupt schriftlich mal
verzeichnet ist? Ja, das ist in der Tat eine interessante Frage und jetzt könnte man sagen, man muss ja dazu wissen. Die frühen Christen hatten ja nicht Bildungseinrichtungen, Institute, Bibliotheken, öffentliche Verwaltung, Zugriff und so weiter. Sie waren Randsiedler im Römischen Reich, eine teilweise kleine, teilweise verfolgte, marginalisierte, schief angesehene Minderheit. Da war es gar nicht so einfach, sich zu verständigen. Im vierten Jahrhundert, der große Einschnitt ist ja, dass das Christentum ab Kaiser Konstantin eine erlaubte Religion wird, offiziell erlaubt, gefördert wird durch den Kaiser, zunehmend sich auf dem Weg befindet zur Reichsreligion, zur Mehrheitsreligion und jetzt in der Tat die Möglichkeit hat, offene Dinge zu verhandeln, durchzusetzen, festzustellen. Dazu im Grunde auch mit
kaiserlicher Autorität ermahnt, ermuntert und ermutigt wird, hier und da jetzt auch mal endgültig zu sagen, was glaubt ihr denn, was ist eure Heilige Schrift, was ist verbindlich, was ist bei euch eigentlich wirklich so Sache. Das heißt nicht, dass es erst ab dieser Zeit so etwas wie ein Neues Testament gab. Die Geschichte ist natürlich viel, viel länger. Aber wie ist sie genau? Was ist passiert in diesen 300 Jahren zwischen dem Verfassen neustestamentlicher Schriften und dem Punkt, wo endgültig klar ist, diese und jene Schrift, dieser Brief, das Evangelium, die sind kanonisch, die sind neustestamentlich, diesen Sprachgebrauch haben wir ab 350 bezeugt, vorher konnte man das teilweise aber irgendwie anders sagen. Und was ist da passiert? Wie ist es dazu gekommen? War das ein eindeutiger, glatter, klarer Weg? Was wissen wir darüber? So,
und an dieser Stelle wird es jetzt zum ersten Mal interessant, da gibt es jetzt sehr unterschiedliche Deutungen dieser Geschichte. Steigen wir mal auf dieser Ebene ein. Es gibt einen Deutungstyp, der sagt so, neustestamentliche Schriften sind nicht einfach Menschenworte, das ist Gottes Wort, das sind inspirierte Schriften durch Gott und Gott hat in seiner Autorität für die Abfassung dieser Schriften gesorgt und er hat auch dafür gesorgt, dass diese Schriften anerkannt worden sind von allen wahren Gläubigen und diese Schriften haben sich sehr früh durchgesetzt, sehr früh, im Grunde von Anfang an, war klar, das sind heilige Schriften, jetzt hat menschliche Schwäche und menschliche Ehretumsanfälligkeit dafür gesorgt, dass es in kleinen Einzelfragen Unsicherheiten gab. Dann gab es heretische Strömungen, also Strömungen, die so ein bisschen abgeirrt sind vom Glauben der christlichen Kirchen und dann gab es da Sonderschriften und
Auseinandersetzungen und das hat dann, und darum sieht das so aus, als hätte es lange gedauert, aber im Grunde muss man sagen, diese Schriften wurden kanonisch, weil sie von Gott inspiriert sind und weil sie sich mit ihrer inneren Autorität bei den Gläubigen durchgesetzt haben. Man sagt dann teilweise auch, der Kanon hat sich selbst durchgesetzt, er hat sich selbst imponiert, er hat sich selbst aufgerichtet, das ist ein Prozess, der aus der inneren Wirkmacht dieser göttlichen Schriften erfolgt ist und die Gläubigen, die Gemeinden, diese Noden haben diese Schriften schlicht und einfach anerkannt, weil sie vom Geist Gottes dazu geführt worden sind. Das ist eine Sichtweise, die es so heute gibt. Wir merken schon, in dieser Sichtweise wird die Geschichte des Kanons sehr stark erzählt vom Anspruch seiner Autorität her. Die Autorität
dieser Texte hat dazu geführt, dass sie sich so oder so eben auch durchgesetzt haben und die Kanonanerkennung war dann eben irgendwann auch eine Folge dessen. Jetzt gibt es aber andere Erzählungen dieser Geschichte. Es gibt Menschen, die sagen, ja, kann man sagen, nur Schriften sind Schriften, Texte sind Texte. Man kann Texte nicht wie handelnde Subjekte beschreiben. Das ist an sich ein Missgriff. Texte setzen sich nie einfach durch. Texte werden ausgewählt oder sie werden verworfen. Es sind Menschen, die das machen. Da haben Menschen diskutiert, da haben Menschen verhandelt, da haben Menschen gestritten. Und am Ende dieses ganzen Prozesses steht schlicht das Urteil der Kirche. Die Kirche ist diejenige Instanz, die den Kanon geschaffen hat. Die Kirche ist viel älter als der Kanon. Jesus gibt seinen Jüngern kein neues Testament in die Hand, aber
er hinterlässt die Stiftung einer Gemeinde, einer Gemeinschaft, die an ihn glauben. Die Kirche ist älter als alles andere. Die Kirche ist älter als alle Briefe des Neuen Testaments, älter als alle Evangelien, älter als deren Anerkennung. Die Kirche hat von Gott Geist und Vollmacht bekommen, unter der Leitung Gottes schlicht auch die Liste der verbindlichen heiligen Texte festzulegen. Insofern, sagt diese Position, kann man gar nicht die Kirche der Bibel unterordnen. Man kann nicht sagen, die Bibel allein ist Autorität, die Bibel allein ist Wahrheit. Das funktioniert gar nicht, denn das ist die Bibel, das es den Kanon gibt, hängt ja bereits daran, dass es funktionierende Autoritäten der Kirche gab. Insofern ist die Bibel natürlich ganz, ganz wichtig, sonst hätte die
Kirche das hier gar nicht kanonisiert. Aber am Ende ist es die Vollmacht der Kirche, diese Schriften auszulegen und es war sogar Vollmacht der Kirche, die Kanonizität dieser Schriften eben auch festzustellen. Und insofern sind diese Schriften sehr wichtig, aber niemals getrennt von der Kirche und niemals losgelöst von der Autorität der Kirche, diese Schriften verbindlich auszulegen. So, wir sehen hier auch, dass es bezieht sich auch auf die historische Entwicklung, wir haben es ja gerade auch gesagt, ein Bischof sagt das und das sind jetzt unsere Schriften, eine Synode bestimmt, so und so ist es. Also offensichtlich spielt die Kirche hier eine große Rolle. Diese Erzählung aber setzt sehr stark auf die Autorität der Kirche, die in irgendeiner Weise den Schriften vor und in der Auslegung auch übergeordnet ist. Es gibt eine dritte Sichtweise, die sagt, das sind beides verzweifelte
Versuche, den eigenen Bibelglauben oder den eigenen Glauben an das Lehramt der Kirche in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Man versucht hier irgendwie die Geschichte so sich zurechtzulegen, dass das rauskommt, was man sowieso glaubt, dass die Bibel das unfehlbare und untrügliche Maß für alles möglich ist oder dass die Kirche in ihren höchsten Amtsträgern, in ihrem Lehramt unfehlbar von Gott geleitet ist und nicht irren kann. Und das sind aber dogmatische Überschreibungen der wirklichen Geschichte. Die wirkliche Geschichte war völlig anders. Die wirkliche Geschichte war chaotisch. In der wirklichen Geschichte wurde um biblische Schriften gerungen. Es wurde gekämpft. Das, was wir als Neues Testament heute kennen, ist ein kleiner Ausschnitt urchristlicher Schriften. Es gab viel mehr Evangelien. Es gab viel mehr Apostelgeschichten. Es gab viel mehr Apokalypsen. Es gab viel mehr Briefe. Das, was uns erhalten ist, ist das fünf-, sechs-, siebenfache dessen, was im
Neuen Testament steht. Und nun muss man ja sagen, das, was uns erhalten ist, das sind ja teilweise große Glückstreffer, dass da irgendwo was blieb. Es gab viel, viel mehr. Es gab viel mehr. Und irgendwann hat die Reichskirche viele Schriften vernichtet, verboten, verfolgt. Sehr viel ist verloren gegangen. Es waren Machtkämpfe. Im Grunde wissen wir gar nicht so genau, wie das Christentum alles hätte werden können. Manche hoch spannende Schriften sind uns eigentlich nur bekannt aus den Nacherzählungen von kirchlichen Kritikern. Das, was wir haben, ist im Grunde die Siegerliteratur derer, die sich durchgesetzt haben. Und selbst zu der muss man wissen, viele Schriften, die im Neuen Testament stehen, waren lange umstritten. Die Johannis-Offenbarung war schwer umstritten. Viele haben bis ins fünfte Jahrhundert hineingesagt, nein, die hat in der Bibel nicht zu suchen. Der
Hebräerbrief war schwer umstritten. Manche sagten, der ist gar nicht von Paulus. Andere sagten schon, aber irgendwie sehr komisch. Es gab aber viele, die gesagt haben, er ist auch theologisch. Ein ganz merkwürdiger Text. Diese ganze Idee, wer einmal vom Glauben abfällt, hat keine zweite Buße mehr. Wer einmal abfällt, der ist für immer verloren. In der Kirche haben wir doch in der Verfolgung erfahren, dass Menschen in der Verfolgung unter Folter schwach wurden und abgefallen sind. Und die Märtyrer, die Folter und Leid ertragen haben, haben in ihrer Autorität und Vollmacht gebeten und gefleht für diese Abgefallene, dass wir sie noch einmal aufnehmen. Und wir haben erlebt, Menschen können auch nach Scheitern, nach Brüchen, nach Krisen neu vom Heiligen Geist berührt werden, neu in der Kirche aufgenommen werden. Da stehen Dinge im Hebräerbrief, die nicht gut
sind, die Angst machen, die schwierig sind. Es gab Gruppen, die gesagt haben, der Jakobusbrief sollte nicht im Neuen Testament stehen, weil er erinnert viel mehr an das, was wir aus dem Judentum so kennen von Paulus, hat der Jakobus nichts verstanden. Das ist irgendwie nicht das Richtige. Es gab welche, die gesagt haben, der zweite Petrusbrief, der ist nicht von Petrus. Das ist so anders schon als der erste Petrusbrief. Alles, was da steht. Warum ist das so ähnlich wie der Judasbrief? Warum ist der Judasbrief so ähnlich wie der zweite Petrusbrief? Das sind komische Texte, die sollten nicht im Neuen Testament stehen. Gleichzeitig gab es viele Texte, die lange Zeit gelesen wurden als heilige Schriften, die lange Zeit hier, da oder dort als Kanone schalten. Es ist eine lange, riesige Geschichte. Das, was wir heute haben, ist eine Mischung aus zufälligen Entwicklungen und autoritären Machtentscheidungen. Und es gibt für uns überhaupt keinen Grund, diese
kanonische Liste verbindlicher Schriften irgendwie so in Goldglanz gehüllt zu betrachten. Wir müssen heute fragen, waren die Entscheidungen damals richtig? Sind vielleicht Traditionen unterdrückt worden, die dem ursprünglichen Evangelium von Jesus näher gestanden haben? Warum sind Schriften in denen Frauen eine große Rolle spielen, so an den Rand gedrückt worden? Warum sind Schriften, die amtskritisch waren oder wo es nicht so gesetzlich und eng zuging, verboten worden oder sonst wie um ihren Ruf gebracht worden? Wir müssen prüfen heute, welche Schriften der urchristlichen Überlieferung wirklich wertvoll sind und uns zu Jesus führen. Und wir müssen prüfen, welche Schriften zwar im Neuen Testament stehen, aber eigentlich frühkatholische, asketische, gesetzliche, menschenfeindliche Tendenzen verkörpern, von denen wir uns
heute distanzieren müssen. So, ich habe jetzt drei Sichtweisen vorgestellt und wir merken, die sind jetzt nicht ganz kompatibel. Die Menschen, die solche Sichtweisen vertreten, werden selten beste Freunde. Die haben zu diskutieren, denn wir sehen, die einen gehen sehr stark von der Bibel aus und alles erklärt sich von der unfehlbaren Bibel her. Die anderen sehr stark vom unfehlbaren Lehramt der Kirche. Die Nächsten, die Dritten halten eigentlich die Idee eines solchen Kanons für einen Fehler. Sie finden eigentlich diese Kanon-Idee falsch. Sie finden irgendein Verständnis der christlichen Botschaft viel einleuchtender, was für sie zum Kriterium ist, mit Schriften anders oder frei umzugehen. Und alle drei Schriften versuchen irgendwie, sich auf die Geschichte zu beziehen. Alles, was ich so an Beispielen gebracht habe,
hat so seine Anhaltspunkte in der Wirklichkeit. Aber interessanterweise erzählen sie Geschichte, die Entstehung des Kanons so, dass sie eine bestimmte Idee von Autorität damit verbinden. Autorität der biblischen Texte, Autorität des kirchlichen Lehramts oder Autorität, wie sollen wir sagen, unserer Vernunft zu entscheiden, was wirklich Jesus gemäß oder Gott gemäß ist. Ich möchte in diesem Vortrag auf diese Geschichte jetzt etwas ausführlicher zu sprechen kommen und möchte gleich eine These vorweg verraten. Ich halte diese drei Deutungen der Kanon-Wertung, alle drei für irreführend. Diese drei Deutungen der Kanon-Wertung machen jeweils einen Moment besonders stark. Das der biblischen Texte, das der entscheidenden Kirche oder das Moment der Menschen, die auswählen, der Menschen, die bewerten, was ist gut, was ist nicht gut. Damit
haben sie alle drei etwas, was in der Geschichte zu beobachten ist. Aber diese drei Deutungstypen setzen diesen einen Punkt, der ihnen wahnsinnig einleuchtet, absolut und tun sich schwer oder sind teilweise nicht in der Lage zu sehen, dass die anderen schon auch was haben. Ich möchte jetzt auf die Geschichte noch mal etwas länger zu sprechen kommen. Ich möchte die Entstehung des Kanons erzählen. Das wird einigermaßen kompliziert werden, weil wir viele Quellen haben und von 300 Jahren reden. Das wird also natürlich eine sehr zusammengefasste Version sein. Ich möchte zeigen, dass an einer etwas gründlicheren Erzählung über die Entstehung des Kanons diese drei einfachen Deutungen eigentlich scheitern. Sie funktionieren nicht. Sie sind mit der wirklichen Geschichte nicht in Übereinstimmung zu bringen. Und wenn ich meine Sicht der Entstehung erzählt habe,
möchte ich noch mal versuchen, wie können wir denn heute von Autorität oder Geltung des neuesten Kanons sprechen. So steigen wir ein und versuchen zunächst noch mal mit einer These, die vertreten wird, die sagt, ja, mit der Entstehung des Kanons muss man da jetzt so lange darüber reden, man könnte es doch jetzt viel einfacher haben. Im Grunde, die Bibel kommt von Gott, die Anerkennung der Bibel durch die Kirche kommt von Gott. Es ist Gottes Geist am Anfang und am Ende. Und man kann doch im Neuen Testament selbst schon eigentlich sehen, dass diese Schriften kanonischen Anspruch erheben. Diese Schriften reden so wie die heiligen Schriften Israels, die es ja irgendwo gab. Wenn das Johannes-Evangelium so anfängt wie das Buch Genesis, ist ja irgendwie schon von Anfang an der Anspruch damit verbunden. Jetzt geht es um das Grundlegende, das, was im Anfang war. Und wer
darüber äußert, ist entweder ein falscher Prophet oder er hat eben diese Autorität von Gott. Und es wird dann teilweise weitergeführt, dass man sagt, die Schriften erheben einen Offenbarungsanspruch. Paulus schreibt ja nicht so seine Briefe, dass er sagt, hier, ich möchte mal einen Gesprächsgang anstoßen, ich habe ein paar Ideen, können wir uns vielleicht darüber austauschen? Ich lerne auch gern dazu, bin auch gern bereit, mich auf völlig neue Ideen bringen zu lassen, wie alles gewesen sein könnte. Also nehmt das jetzt nicht zu ernst, was ich schreibe, es sind Vorschläge oder so. Macht er ja nicht, sondern irgendwie. So, und das kann man verwerfen. Und wenn man es nicht vorwirft, dann aber muss man hier anerkennen, hier schreibt einer in der Autorität Gottes. Und weiter wird gesagt, man kann zum Beispiel bei Paulus sehen, dass er sich auf Jesus Worte bezieht, als autoritäre Anweisungen die Geltung haben. Mehreren Zusammenhängen macht er das, wenn es um Ehescheidung
geht und so. Ein Wort des Herrn habe ich dafür, dafür habe ich kein Wort des Herrn. Also das ist für ihn wesentlich. Gibt sogar eine Stelle, 1. Korinther 9, da zitiert er etwas aus der Tora, und dann beruft er sich auf Herrn Jesus Wort. Und offensichtlich ist das für Paulus so, Tora und Jesus, das sind autoritative Setzungen Gottes Jesu, die einfach gelten. Dann sagt man weiter, und im zweiten Brief des Petrus ist interessanterweise eine Stelle, da heißt es, Paulus schreibt lauter Dinge und so, und seine Briefe sind manchmal schwierig zu verstehen, und das führt dazu, dass die Leichtfertigen und Unverständigen seine Schriften verdrehen, genauso wie auch die anderen Schriften. Und dann wartet man, dass er sagt und sagt dazu, und das sieht man, hier ist im Grunde schon klar, das was Paulus schreibt ist so ähnlich wie Grafei, wie Grafei, wie Schrift.
Hier geht es darum bereits Paulus Schriften zu verstehen und auszulegen, und das wird auf dieselbe Ebene gebracht wie sonst eben Schriftauslegung, ja und woraus besteht das Neue Testament, zu 80% anders als aus Jesus und Paulus, und da gibt es noch ein bisschen mehr, okay, und das ist aber vielleicht ja damit auch irgendwie gleich mit gemeint, also im Neuen Testament ist im Grunde eigentlich schon alles klar. Offenbarungsanspruch, Jesus wird wie Schrift behandelt, Paulus wird wie Schrift behandelt, die Schriftwertung dieser neutestamentlichen Schriften ist im Anfang im Grunde grundgelegt. Vielleicht hat der ein oder andere das mal so gehört, kann gut sein, diese Herzählung hat einfach große Probleme. Sie hat Probleme zunächst einmal, dass die beiden Belege so überzeugend gar nicht sind, denn dass Jesu Worte für seine Jünger, für seine gläubigen
Autorität hatten, bestreitet ja kein Mensch, das ist ja völlig klar. Jetzt müssen wir uns aber nun doch wirklich vor Augen führen, dass es viele Evangelien gab. So, Jesus Worte und Evangelien sind nicht einfach dasselbe. Wir haben auch in der Apostelgeschichte Berufung auf Jesus Worte, interessanterweise ein Jesus Wort, geben ist seliger als nehmen, was in den Evangelien gar nicht vorkommt. So, dass Jesus Worte hohe Autorität hatten, heißt ja noch lange nicht, dass alles, was Matthäus, Markus, Lukas oder Johannes aus der Jesusgeschichte machen, in diesem Sinne die gleiche Autorität für sich beanspruchen kann, wie ein Jesus Wort. Vor allem nicht, wenn es auch ein Hebräer Evangelium gibt und ein Thomas Evangelium und ein Philippus Evangelium und ein Petrus Evangelium und ein Brottevangelium des Jakobus. Jetzt könnte ich weitermachen, ein Evangelium der Wahrheit und ein Sophia Evangelium. Also, wir haben viele überliefert und wir wissen,
dass es noch viel mehr gab. Und die schlichte Behauptung, Jesus Worte haben Autorität, hilft uns nicht dabei zu fragen, welche Evangelien denn jetzt welche Autorität haben oder ob die Evangelien als Ganze mit ihrer Anordnung, mit der Art und Weise, wie sie das in irgendeiner Weise in Szene setzen, auch diese Autorität haben wie ein Jesus Wort. Bei den Paulusbriefen ist es auch nicht so viel leichter. Es wird an dieser Stelle ja auch nicht gesagt, Paulusbriefe sind vier heilige Schrift. Eigentliche Punkt ist ja hier, die werden verdreht, genauso wie andere Schriften. Das ist schon eine sehr auf Wohlwollen setzende Exegese zu sagen, da sieht man ja, dass hier die Paulusbriefe längst auf der Ebene der Thurage handhabt werden. Das gibt diese Bemerkungen gar nicht her. Und bereits in der Alten Kirche in den frühester Zeit gibt es natürlich
die Frage, was ist von Paulus? Also etwa der Hebräerbrief, das ist lange, ewig und drei Tage eigentlich unklar. Es gibt viele, die sagen, das ist ein Brief von Paulus. Andere sagen, er liest sich aber wirklich anders, die Sprache ist anders und dies und das. Manche sagen, ja, da war von Paulus, was dann hat das irgendwer übersetzt? Und das so ein bisschen anders, aber ist ein super Brief. Wieder andere sagten, es könnte auch ein Schüler gewesen sein, dass ein Schüler irgendwie von Paulus mal einen Vortrag oder so zusammengefasst hat. Andere waren eher der Überzeugung, der ist vielleicht auch gar nicht von Paulus und so. Das war aber auch nicht zu klären. Nur die Frage war da. Die Frage hatte man. Es gibt einen Lauditia-Brief von Paulus, gibt es Überreste? Der war hier und da anerkannt. Woanders sagt man, nein, der ist gar nicht von
Paulus, der ist gar nicht echt. So einfach war es mit paulinischen Briefen auch nicht. Also diese beiden Belege sind nicht so eindeutig, wie man erst mal denkt. Jetzt kommt noch etwas weiter Schwieriges hinzu. Wir haben aus der frühchristlichen Zeit klar die Schriften, die im Neuen Testament gelandet sind. Dann haben wir weitere Evangelien. Wir haben weitere Apostelgeschichten. Wir haben viele weitere Briefe. Ich nenne jetzt mal ein paar, die da sehr wichtig sind. Briefe des Ignatius, Clemens Briefe 2, Barnabas Brief, Didache. Und das sind jetzt Briefe, die lange Zeit vielerorts große Anerkennung genossen. Bis ins vierte Jahrhundert gibt es Menschen, die sagen, die Clemens Briefe lasse ich mir aus meinem neuesten, männlichen Kanon nicht nehmen. Oder andere sagten, also der Barnabas Brief, der bleibt aber drin, der ist für mich kanonisch. Wegen der anderen hatten die Didache und sagten die Didache,
Apostel-Lehre, da steht das Vaterunser drin. Das ist eine wunderbare Schrift, die erbaut mich. Die ist für mich ein neues Testament. Also sind alte Schriften, alte Schriften, die bis ins erste Jahrhundert zurückgehen. Ende des ersten Anfang des zweiten Jahrhunderts. Wir haben dann weitere Schriften aus dieser Zeit von einer Autorengruppe, man nennt sie Apologeten. Justine könnte man hier nennen, Athenagoras, verschiedene andere, die nach außen versucht haben, den christlichen Glauben darzustellen, zu verteidigen. Wir haben eine ganze Reihe Schriften, ungefähr bis 150. Und wenn man sich die anschaut, sieht man in diesem ganzen Schriftbereich ziemlich eindeutig, keiner dieser Autoren versteht unter Schrift etwas anderes als das alte Testament. Schrift ist für die die Septuaginta, die griechische Version des alten Testament, das ist ihre heilige Schrift.
Die legen sie aus, über die diskutieren sie, aus der versuchen sie etwas dazu zu tun. Und darüber hinaus haben sie dann unsere Schriften, so sagen sie, unsere Schriften oder Evangelium oder Jesus Worte oder Paulus Worte. Aber wir finden keinen Beleg dafür, dass sie die genauso als Fortsetzung des alten Testaments empfinden und auch nicht, dass für sie ein zweiter Kanonteil ist. Die Frage ist in der Zeit ja auch noch ziemlich offen. Man muss sich ja klar machen, dass zu den Zeit der neuntestamentlichen Schriften das alte Testament fürs Judentum nicht einfach abgeschlossen war. Zurzeit als Paulus seine Briefe schreibt, gibt es im Judentum keinen definitiven Konsens darüber, was zum alten Testament gehört. Und nicht, die nennen das natürlich nicht alles Testament, ist völlig klar, wäre eine eigene Debatte. Aber es ist offen. Die Enden sind offen. Es gibt eine griechische Version dieser Schriften, die Septuaginta, die ist ein
paar hundert Seiten länger. Manche dieser Schriften sind in den katholischen oder orthodoxen Kirchen heute noch biblisch. Erster, zweiter Makabea, Judith, Tobit, Weisheit, Jesus, Sirach. In der Septuaginta stehen noch mehr Schriften, die zur paulinischen Zeit für die ersten Christen offensichtlich Charakter heiliger Schrift hatten. Das Judentum hat sich dann zum Ende des ersten Jahrhunderts mehr und mehr dahin geklärt, diese späten griechischen Texte nicht mehr vorzuführen und bei dem zu bleiben, was die reformatorischen Geschichten heute als ein kürzeres altes Testament kennen. So und insofern war für diese frühe Zeit schon auch noch unklar, was machen Christen mit ihren besonderen Schriften, die sie sehr wichtig finden? Fügen sie die einfach hinzu dem, was sie
an Schriften haben. Ist das einfach eine Vorzuführung von Jesus, Sirach und Weisheit, Salomos und Tobit und Judith und Matthäus Evangelium und Lukas Evangelium und Römerbrief und Korintherbrief? Wäre theoretisch denkbar gewesen. Entstanden ist etwas anderes. Entstanden ist ein zweiteiliger Kanon, eine christliche Bibel mit dem, was wir altes Testament nennen. Das ist nicht identisch gewesen mit der hebräischen Bibel, die die Juden für sich gewonnen haben und ein zweiter Kanon Teil Neues Testament. Aber um 150 nach Christus hat das so keiner auf dem Schirm. Das ist keine Größe, mit der argumentiert wird, auf die man sich beruft. Das sieht man auch an einem interessanten Umstand, einer schweren Herausforderung für das Christentum dieser Zeit. Um 140 nach Christus wird
die römische Gemeinde von einem, wie soll ich sagen, Paulus Ausleger herausgefordert namens Markion, der das Neue Testament im Grunde in einer ersten Gestalt fast erfindet, sagen manche. Markion vertritt die steile These in Jesus von Nazareth begegnet uns ein Gott der Liebe, der nicht zusammenzudenken ist mit dem Gott der Rache und des Gerichts des alten Testaments. Der Gott des alten Testaments ist so in Zorn und Rache und Treue und merkwürdige Sachen verstrickt. Jesus offenbart im Grunde Gott noch einmal völlig anders. Darum können wir, sagte natürlich wir Christen, diese Texte gar nicht mehr fortführen als Heilige Schrift. Unsere Heilige Schrift ist, tatatata, er holt da eine Sammlung raus, das hier, ein Lukas Evangelium und zehn Paulusbriefe. Die,
die man so kennt, minus die Briefe an Timotheus Titus. Die waren ihm nicht Paulinisch genug, die waren ihm irgendwie nicht passend zu seiner Idee. Er hatte diese Schriften auch so noch mal ein bisschen bearbeitet, dass alles zu alttestamentliche, zu jüdische rausgenommen war und sagte so und das, das ist unsere Heilige Schrift. So und jetzt hätten hier alle sagen können, was bist du denn für ein Heini? Weiß doch jeder bei uns seit frühesten Dauphunterricht, dass unser neues Testament das hier ist. Diese sieben, das ist der Kanon und das alte Testament auch. Was du da machst, das ist ja nur ein Schrumpf oder Schrumpf neues Testament. Naja, aber so weit waren wir noch gar nicht. Man hatte im Grunde gar nicht die Klarheit zu sagen, deins ist falsch und das ist jetzt unseres. Dass das falsch ist, da hatte man schon irgendwie das Gefühl, so kann er das nicht machen. Aber man war nun herausgefordert zu klären, ja was ist es denn bei uns? Grunde war
Markion der erste, der fertig war mit einer klaren Liste und sagte, das ist Heilige Schrift und jetzt sehen wir weiter, das ist unsere Basis. So, das ist der Weg bis 100 nach 50 und es ist ja auch relativ viel Zeit von den frühesten Neu-Testamentlichen-Schriften angefangen. Also da sind ja Menschen geboren worden und gestorben und richtig alt geworden dazwischen und hatten kein neues Testament zu Hause irgendwie stehen, hatten nicht das Konzept, hatten nicht den Begriff. Wie ging es nun weiter? Jetzt muss ich mir helfen mit einem kleinen Kunstgriff, könnte jetzt zehn Stunden weiter erzählen, ich helfe mir jetzt aber mit einem Kunstgriff, so dass ich zwei Tiefenbuchungen vornehme. Ich werde zwei Positionen vorstellen, eine um 200, eine um 325, mit der wir exemplarisch uns ein wenig anschauen werden, wie die Kanonentwicklung voran geschritten ist. Die erste
Tiefenbuchung werde ich machen bei einem Text, der heißt Kanon Muratori. Das ist jemand, der das so entdeckt und präpariert hat, Muratori, nach dem ist es benannt. Das ist ein Text, alles was es gibt, ist irgendwie ein bisschen umstritten, aber große Mehrheitsmeinung geht davon aus, Rom um 200 und das ist ein kleines Textchen, findet man in allen Sprachen, die es gibt, auch im Internet, kann man lesen, Latein, Original und so und dieser kleine Text funktioniert folgendermaßen. Der Anfang ist schade, er fehlt, denn es geht sofort weiter. Drittens das Evangeliumbuch nach Lukas. Jetzt sind wir aber alle ganz sicher, dass er davor vorgestellt hat, Matthäus und Markus, denn das ist etwas, was man in der Mitte des zweiten Jahrhunderts sagen kann. Die vier Evangelien Matthäus, Markus, Lukas waren früh am Start und früh anerkannt und früh unumstritten,
so weit das Auge reicht, sind diese vier Evangelien eine wesentliche Quelle für alle Christen und er stellt das vor. Lukas Evangelium, er sagt ein bisschen was dazu, war Arzt, war Paulus Begleiter, dann kommt er auf das Johannes Evangelium zu sprechen, das gefällt ihm auch ganz wunderbar. Er erzählt dazu, was ihm überliefert wurde, dass der von den anderen Apostel autorisiert wurde, jetzt noch mal als Augenzeuge final alles was wichtig ist zu nennen, sei also auch ganz grundlegend. Dann nennt er die Apostelgeschichte und an der Stelle können wir sagen, die vier Evangelien und die Apostelgeschichte machen ja weit über die Hälfte des Neuen Testaments aus und hier sehen wir um 200 herum, ist das eigentlich ein christlicher Konsens, der nicht mehr umstritten
ist. Im Laufe des zweiten Jahrhunderts gab es die Fülle der Evangelien, 2030 vielleicht viel mehr, die vier haben sich durchgesetzt. So, dann kommt er zu sprechen auf die Briefe des Paulus, bei den Briefen des Paulus versucht er so ein bisschen zu sagen, ja es ist ja an sieben Städte geschrieben, manche haben zwei gekriegt, der Salonicher und die Korinther, aber sieben war für ihn irgendwie auch eine heilige Zahl, das fand er ganz gut und er sagt, ja und dann gibt es noch so einzelne Schriften aus Liebe und Zuneigung an Philemon, Titus und Timotheus, das sind die paulinischen Schriften und Paulus mache dabei klar, dass Christus das Ordnungsprinzip der Schrift ist, aber auch ihr Leitprinzip. So und dann sagt er, es soll auch ein Brief geben des Paulus an die Laudicier und ein an
die Alexandriner, aber das sind gefälschte Briefe, das ist etwas, was von der Heresie des Markion infiziert ist und das wird in der katholischen Kirche nicht anerkannt, denn man könne Galle nicht mit Honig mischen, er fährt Wort. Gültig oder anerkannt sind ferner ein Brief an Judas und zwei Briefe, die überschrieben sind mit Johannes, die sind auch in der katholischen Kirche anerkannt, weiter sagt er und die Weisheit, die von den Freunden Salomos zu seiner Ehre geschrieben wurde. Wir nehmen auch nur die Offenbarung des Johannes und des Petrus auf, welche einige von den unseren in der Kirche nicht lesen lassen wollen und dann fährt er noch fort, den Hirten aber hat neulich und in unserer Zeit in der Stadt Rom Hermas verfasst, während er auf der Katheder der
Kirche der Stadt Rom der Bischof Pius und seinem Bruder saß, daher soll er gelesen werden, allerdings kann er öffentlich jedoch in der Kirche dem Volk weder unter der Zahl der Propheten noch unter der der Apostel bekannt gemacht werden. Dann gibt es noch ein paar heretische Briefe, gnostische, makionitische, die gehen alle nicht. So, sammeln wir uns noch mal kurz. Also am Anfang könnte man jetzt sagen, ach ist doch im Großen und Ganzen noch die Kirche im Dorf. Vier Evangelien, Apostel, Geschichte Paulus, das sind vor allem mehr oder weniger bei 75 Prozent, 75 bis 80 Prozent, das ist alles dabei. Was hat er noch an Bord? Judas und zwei Johannesbriefe, wieso zwei? Es gibt doch eigentlich drei. Und warum Judas und was fehlt? Was fehlt, was fehlt, was fehlt? Warum werden Petrusbriefe nicht genannt? Das ist eines der größten Rätsel hier, denn der erste Petrusbrief ist eigentlich
einer der ganz großen, unumstrittenen. Kurioserweise hat der Kanon Muratori ihm nicht dabei. Das verwundert, aber ist irgendwie so. Der zweite Petrusbrief wird nämlich öfter angezählt, der erste Petrusbrief fast nie. Hier fehlt er. Nicht genannt werden Jakobus und Hebräer, die hat er nicht dabei. Stattdessen zwei andere Schriften, die Weisheit Salomos, interessanterweise, wenn man sie liest, die tut schon teilweise so, als wäre sie von Salomo. Ihm ist klar, das ist nicht von Salomo, das ist niemals von Salomo. Erzählt das hier im Nordesternmännlichen Kanon. Katholische Christen wissen, diese Schrift ist bei den Deuterokanonischen so im erweiterten Alten Testament dabei. Das ist etwas ungewöhnlich, unüblich, dass eine solche Sektor-Ginterschrift, die mit dem Evangelium von Christus nicht zu tun hat, hier genannt wird. Dann hat er hier zwei
Offenbarungen dabei, eine des Johannes, eine des Petrus. Er sagt, wir haben nur zwei Offenbarungen. Daraus nehmen wir schon wahr, da gab es offensichtlich noch viel mehr. Die Offenbarung des Johannes ist die, die man so kennt. Die des Petrus war sehr, sehr einflussreich. Die Offenbarung des Petrus ist die wichtigste Schrift überhaupt im frühen Christentum zur Vorstellung von der Hölle. Es ist eine ausführliche Schilderung, wo Petrus die Höllen foltern und Höllen, Qualen erzählt werden. Die gesamte mittelalterliche bis frühneuzeitliche Sicht der Hölle ist völlig unverständlich. Und so, wenn man diese Schrift nicht kennt, also sie war sehr wichtig und sehr einflussreich. Für ihn ist das eine Schrift, von der er sagt, die ist anerkannt, die zählt. Da nennt er eine weitere Schrift, den Hirten des Hermers. Der Hirte des Hermers, Mitte des zweiten Jahrhunderts
verfasst, ist in vielen Sammlungen bis ins vierte Jahrhundert heilige Schrift. Und wenn man sich das anschaut, es ist eine Schrift, die ausführlich von Anfang an klar macht, hier geht es nicht, da hat irgendein Theologe sich was mal überlegt, sondern hier geht es um Offenbarung. Offenbarung vom Himmel her und die Offenbarung ist eine sehr lange Schrift, sehr lang, also 70, 80 Seiten wäre das in jedem Bibelformat schon. Eine Schlüssoffenbarung ist, es gibt doch eine zweite Buße. Man muss nicht nach der Taufe völlig sündlos bleiben, also man kriegt noch mal eine zweite Chance, nachdem man es einmal versaut hat. Und darum war die Schrift sehr beliebt, weil es vielerorts so den Eindruck gab, Mensch, der Hebräerbrief ist echt hart, heißt das denn nach Taufe nie wieder sündigen, nie wieder sich von Christus entfernen. Also hier, die Theosermas ist ja eigentlich auch sehr streng zu sagen, eine zweite Chance, Christus,
das wird dann deine allerletzte sein, aber war sehr beliebt. Dieser Text sagt aber, das wurde neulich in unserer Zeit in Rom von einem verfasst, der kein Apostel war, also raus. So, das ist dieser Canon Muratori und jetzt machen wir uns noch ein paar Gedanken darüber. Wir sehen zunächst mal, das ist dem, was wir als Neuen Testament kennen, nicht unähnlich. Manches fehlt, manches ist dazugekommen und wir sehen auch, es wird argumentiert. Es ist nicht so klar. Er sagt, so ist es bei uns, so machen wir das, so erkennen wir das an. Er weiß, andere machen das anders. Er weiß, manche haben diesen Brief noch dazu, andere haben mehr als zwei Offenbarungen, manche haben den noch dazu, ja wir nicht. So und es wird begründet und es wird erklärt und es wird argumentiert. Was sind denn Kriterien dafür? Man kann im Canon Muratori, Grunde drei Punkte nennen,
teilweise schwach, aber es sind die drei Punkte, die tatsächlich in der gesamten Diskussion über alleine eine große Rolle spielen. Der erste Punkt, den er hier stark macht, ist ganz schlicht, die Schriften, die unter uns verlesen werden im Gottesdienst sind so und so und so und so. Das ist ein wesentliches Kriterium. Gesammelt, gezählt, aufgelistet werden die Schriften, die in irgendeiner Weise sich in den Gottesdienstlichen Gebrauch hinein durchgesetzt haben als Texte, die verlesen und ausgelegt werden und Texte, die das nicht werden, also Texte, wo irgendwann die Gemeinde sagt, war das letzte Mal heute die Rolle? Nein oder wo irgendwie eine Gemeinde das nicht anerkennt, ja die sind angezählt. Es ist ein wesentliches Kriterium, die Anerkennung durch die Gemeinde. Wenn wir an unsere drei Grundtypen von Anfang denken, können wir schon sagen, also klarer
Punkt für Team B, für die sagen, kechliche Anerkennung ist ein Riesenfaktor. Es geht schon darum, es sind Texte, die sich dadurch erweisen als maßstäblich, dass sie so erfahren werden und gebraucht werden. Dann ist es aber so, also der Hirtel des Hermas, dem hat es nicht an Leser gefehlt. Wir sehen das auch an der Überlieferungsgeschichte, die Schrift wurde geliebt, sie hatte glühende Fans, aber was er hier formuliert, ist für ihn ein K.O.-Kriterium. Er sagt, ja die Schrift wurde da neulich erst von einem hier verfasst, wir wissen ja sogar noch, der Bischof damals, ist keine apostolische Schrift. Dieser Schrift mangels ganz schlicht an Ursprungsnähe zu Jesus von Nazareth, an Ursprungsnähe zur Auferstehungserfahrung. Sie ist nicht apostolisch, sie gehört nicht in die Zahl der Propheten des Alten Testaments, sie gehört aber auch nicht
in die apostolische Zeit hinein, es ist eine neuere, eine jüngere Zeit und das war ein Faktor. Irgendwann hatte man das Gefühl, also man kann jetzt da nicht irgendwie mit einer Schrift kommen und sagen, ich habe mir mal richtig Mühe gegeben, ich schlage mein neuestes Werk hier vor oder so. So nicht, sondern irgendwie wollte man diese Ursprungsnähe, diese apostolische Autorität des Anfangs. So und er nennt ja auch ein weiteres Kriterium, ich habe es erwähnt, zu Paulus sagt er, Paulus formuliert Grundlage und Prinzip aller heiligen Schriften, nämlich Christus. Christus ist das Leitprinzip, er ist das Haupt der Schrift und das wissen wir aus der ganzen Diskussion und wir sehen es bei ihm hier auch. Was ist ein totales K.O.-Kriterium? Schlicht der Umstand, wenn Schriften heretisch sind, wenn Schriften nicht rechtgläubig sind, wenn sie nicht dem Evangelium von Christus
gemäß sind, dann sind sie raus. Also dieses inhaltliche Kriterium, genannt formuliert wurde häufig sogenannte Regula Fidei, also Regel der Wahrheit, manchmal sagte man auch Kanon, Maß der Wahrheit und ein bisschen schwer zu fassen, zu übersetzen, es ist so eine Mischung aus das Evangelium in seinen Grundbausteinen, aber schlicht auch das, was wir im Glaubensbekenntnis bekennen, das gemeinsame Bekenntnis der Christen, Gott Vater, Sohn, Heiliger Geist, Schöpfung, Erlösung, Vollendung, das im Grundgerüst ist Maßstab dafür und das ist jetzt nicht so einfach, weil die Schriften, die man für heretisch hält, die halten sich selbst ja auch für sehr gläubig. Es gibt ja keine Schriften, die sagen, wir sehen das jetzt mal so und so, wir wissen, is heresi, klar ist falsch, ist ihr Lehrer, aber wir sehen das so. Die sagen dir ja gar nicht, sie sagen, das ist die wirkliche
Wahrheit. Es gibt ein Evangelium der Wahrheit, ist nicht nur ein Evangelium, sondern ein Evangelium der Wahrheit. Also die hatten ja den ganzen Anspruch und für Christen war es eine Herausforderung zu sagen, du kommst hier nicht hinein, du bist nicht wahr. Warum? Weil du entsprichst nicht unserem Bekenntnis, du widersprichst unserem Verständnis des christlichen Glaubens, du bist nicht mit dem Verständnis des Evangeliums in Übereinstimmung zu bringen, das wir haben. Diese drei Kriterien spielen in der Debatte um den Kanon eine Schlüsselrolle. Die Regula Fidei, das Glaubensbekenntnis, die Frage der Apostolizität, wie ursprünglich, wie ursprungsnah ist eine Schrift, aber auch ganz schlicht, ist sie universal anerkannt in den Gemeinden? Ist sie anerkannt, ohne Spaltung, Trennung, Zerstreue, Übertreibung zu verursachen? Und das war bei manchen Schriften zum Beispiel ein
Thema, es wird ein Riesenthema, vor allem bei der Offenbarung des Johannes. Die Offenbarung des Johannes erhebt als Schrift ja schon irgendwie den Anspruch, nicht nur, dass da einer sagt, ich habe hier, mir hat geträumt, mir hat geträumt oder so, sondern Christus selbst hat sich mir offenbart und mehr noch, der redet das Ganze. Die Offenbarung, fängt es damit an, ist Offenbarung Jesu Christi, Punkt aus. Sie hat einen höheren und steileren Anspruch als Paulus je hatte. Paulus hat das so nicht gemacht. Er sagt hier, ein Wort vor mir, nehme ich kein Wort des Herrn, jetzt sage ich mal mal meine Meinung, als ein Werkzeug des Herrn, der Vertrauen verdient hat, ich habe ja auch viel geleistet, sage ich mal. Also so macht das Paulus. Er ist schon eigentlich robust in seinem Selbstbewusstsein, aber kein Vergleich mit der Offenbarung des Johannes. Die ist sehr viel überzeugter davon, dass das, was sie bietet, Offenbarung Jesu Christi selbst ist. Es gibt
keine Schrift im heutigen neuntestamentlichen Kanon, die in der Kirchengeschichte so umstritten und abgelehnt war wie diese. Diese Geschichte hätte einen eigenen Vortrag verdient, den wir jetzt nicht machen können. Der Punkt war ganz schlicht, es gab immer wieder Gruppen, die sich in diese Schrift rein gesuchtet haben, sie inhaliert haben und dann Ideen und Überlegungen und das ist jetzt hier Zeit und das sind endzeitliche Versuchungen und Krisen und du bist jetzt das hier, was gemeint ist und wir müssen jetzt hier alle jungfräulich bleiben, nur die jungfräulich dem Herrn nachfolgen, also kein Sex mehr, gar nicht, auch nicht mit Blümchen, Null und so und das sorgte für Unruhe. Das war etwas, was alle möglichen Gruppen angeteasert hat, manche waren begeistert, andere waren abgestoßen. Manche hatten Ideen, das tausendjährige Reich bricht an, wir haben das
Zeichen des Herrn gesehen, wir spüren im Grunde, wie der Herr kommt, wir wissen, wir sind kurz davor, andere sagten, ihr fangt an zu spinnen, ihr dreht durch, beruhigt euch, bleibt doch bei Jesus, bleibt bei Paulus und vor allem im Osten des Reichs gab es einen starken Block, ansonsten hoch anerkannte Theologen, die sagen, die Johannis-Offenbarung kommt mir nicht mehr ins Haus, ich kann sie nicht ausstehen, sie ist nicht wahr, es stimmt alles nicht, es ist verwirrend, man soll sie nicht lesen, man soll sie nicht auslegen, sie macht alle nur bekloppt, sie ist schädlich. Diese Geschichten gibt es bis ins vierte, fünfte Jahrhundert hinein, ich habe ja am Anfang gesagt, zu Ende des vierten Jahrhunderts verdichtet sich es, es gibt hoch anerkannte Schriftsteller, die in dieser Zeit im Wissen um diese Kanonliste sagen, also jetzt sage ich nochmal, was Neues Testament ist, dann zählen sie 26 Schriften
auf und sagen, diese sind es und wenn irgendeiner was vermisst, muss ich sagen, nein, mehr nicht, keine weitere. So, das ist eine lange Geschichte und im Osten in den orthodoxen Kirchen kann man sagen, das zieht sich weiter bis ins Mittelalter, sie ist umstritten, sie ist nicht anerkannt, das gilt interessanterweise auch für die Reformatoren. Zwingli sagt ganz schlicht, das ist keine göttliche Schrift, das kann ich nicht den Geist des Herrn, finde die ganz komisch. Luther kann mit der Schrift nicht viel anfangen, er lässt sie im Kanon, aber er nummeriert sie nicht mehr mit, er sagt, die Schrift, ja, schwierig, mein Geist kann sich nicht in sie schicken, ich finde sie wild, finde sie komisch und so. Calvin war eigentlich extrem konservativ in bibeltreuen Fragen, er hat das ganze Neue Testament fast komplett ausgelegt, Johannes Offenbarung hat er nichts merken lassen,
so auch keine schlimmen Sprüche wie Luther hinterlassen und so, aber Johannes Offenbarung hat eine lange, lange Geschichte der Ablehnung, der Nichtakzeptanz, aber auch der glühenden Verehrung, der glühenden Leidenschaften. Man kann im Grunde sagen, sie war der größte Wackelkandidat in der Kanon-Geschichte, am Ende war sie halt überwiegend drin. So, Kanon Muratori haben wir uns angeguckt, jetzt das ganze dritte Jahrhundert, es geht weiter und weiter und weiter und wir werden aber nichts verpassen, wenn wir jetzt 125 Jahre springen und uns einen wesentlichen Zeugen fürs vierte Jahrhundert anhören, Euseb von Caesarea. Euseb von Caesarea ist deswegen so wichtig, weil er der maßgebliche Verfasser einer Kirchengeschichte ist, er ist Reichstheologe in konstantinischer Zeit,
bestem Draht zum Kaiserhaus, er ist glücklich, er liebt den Kaiser, er findet alles großartig, die Verfolgung ist vorbei, man kann es auch verstehen, wenn man es so liest und er ist jetzt einer, der Konsolidierung betreibt. Was wir glauben, wer wir sind, unsere Geschichte, unser Kanon, unser Kaiser, unser Reich, unser Glaube, das findet sich alles. Und in seiner Kirchengeschichte berichtet er sehr ausführlich auch über die Geschichte der neuntestamentlichen Texte, wie wir sie jetzt so nennen. So und er macht das systematisch, er sagt, wir müssen hier im Grunde mehrere Gruppen unterscheiden. Die erste Gruppe sind die sogenannten Homologumenahm, das sind Schriften, die durchweg anerkannt waren und sind und die für uns den Charakter heiliger Schriften haben. Das können wir kurz halten, vier Evangelien, Apostelgeschichte, 13 Paulusbriefe, 1. Petrus,
1. Johannes, an die Schriften müssen wir gar nicht mehr groß rühren. Das gilt, das ist alles gut. So, dann sagt er, es gibt eine zweite Gruppe von Schriften, die zähle ich zu unseren heiligen Schriften und man muss aber auch wissen, es gibt Gegenden in der Christenheit, da sind die nicht anerkannt und da nennt er Jakobusbrief, Judasbrief, 2. Petrusbrief, 2. Johannesbrief, 3. Johannesbrief. Die sind seines Erachtens gültig, aber er sagt, das sind Antiligomenahm, die sind umstritten und das ist für ihn Kriterium, zu sagen, eine andere Kategorie. Dann sagt er, es gibt Schriften, die werden hier und da gezählt als heilige Schrift, meines Erachtens zu Unrecht. So, die sind draußen für ihn, er weiß, woanders sind sie aber drin, da nennt er dann die Offenbarung des Johannes,
er weiß, die hat Fans, Euseb gehört definitiv nicht dazu, er nennt aber auch den Barnabasbrief, den Hirten des Hermas, die Didache, die Petrusapokalypse, für ihn ist sie jetzt draußen, er weiß, manche haben sie noch drin, Kanon, Muratori, so, aber draußen. Und dann gibt es noch heretische Schriften, müssen wir jetzt nicht aufzählen, gnostische Schriften, makionitische Schriften, judenchristliche Schriften, die alle kommen nicht vor. Den Hebräerbrief nennt er kurioserweise nicht, schwer zu deuten, ein Kompliment für den Brief ist es eher nicht, aber wir sehen, Euseb arbeitet mit einem doppelten Raster, man könnte sagen, orthodox heretisch und kanonisch nicht kanonisch. Und da muss man gucken, also wer Kanon will, muss mindestens orthodox sein. Es gibt viele Schriften, die rechtgläubig sind, aber nicht kanonisch. Und vor allem seine Schriften,
die er genannt hat, die sind unrechtmäßig hier und da im Kanon, also Barnabas und Didache und Petrusapokalypse und man könnte jetzt vor allem sagen Ignatiusbriefe, Clemensbriefe, Apologen, die findet er gut, die soll man lesen, die sind irgendwie wichtig, also gute rechtgläubige Schriften, da lernen wir von, das ist Tradition der Kirche, aber es ist nicht biblisch. Heretisch ist nochmal was ganz anderes und so wie ihr über die Offenbarung redet, ist es auf der Kippe, die ist im schlimmsten Fall sogar heretisch, jedenfalls hat sie im Kanon nicht zu suchen. Wenn wir das vergleichen, jetzt Euseb, könnte man sagen, ja wie 125 Jahre hier und da, kleine Rocharde, es wirkt so als wäre gar nicht viel passiert. So und die Geschichte zusammenzufassen ahnt jetzt wahrscheinlich jeder, es wäre ungeheuer mühsam für jede Schrift, die mal auf der Kippe stand, zu sagen, warum und
wie und wie sich das so durchgesetzt hat. Wenn man es langsam zusammenfassen möchte, kann man sagen, naja immerhin 19 Schriften waren im Grunde nie umstritten. Wenn man ein bisschen großzügiger guckt, würde man sagen 20 Schriften, wenn man den ersten Petrusbrief im Grunde auch nimmt als ein, der hatte immer eigentlich alle hinter sich, also ein Großteil des Neuen Testaments wächst rein in diese Rolle, kanonische Schriften zu sein. In den ersten 80 bis 100 Jahren gibt es diese ganze Kategorie, Kanon, Heilige Schrift, Neues Testament nicht. Aber ab der Zeit, wo in den Auseinandersetzungen mit anderen auf einmal ja schon die Frage da ist, welchen Status haben denn diese Schriften, sind diese Schriften von Anfang an Maßstab, man misst an diesen Schriften auch andere. Es gibt die
umstrittenen Schriften, die auf der Kippe standen, 2. Petrus, 2. 3. Johannes, Jakobus, Judas, Offenbarung Hebräer. Sie sind reingekommen und es gibt eine ganze Reihe von Schriften, Barnabas, Didache, Hermans, 1. 2. Clemens, Petrus, Offenbarung, Hebräer, Evangelium, diverse andere Schriften, die standen am Ende draußen. 100% ausdiskutiert, zu Ende debattiert, klassifiziert wurde das eigentlich nicht. Es hat sich so ergeben, das ist am Ende der Kanon, der sich im Westen durchgesetzt hat. Es gibt orientalische und afrikanische Christen, die bis heute einen leicht veränderten Kanon haben. Das Spezialwissen kann man alles googlen. Das, was sich durchgesetzt haben, ist in den evangelischen, katholischen, den meisten orthodoxen Kirchen aber schon etwas, was dann
so der moderne Standard geworden ist. So, das war der historische Durchgang durch die Entstehung des Neuen Testaments. Und jetzt besinnen wir uns nochmal und fragen uns, wir haben am Anfang angefangen mit drei Positionen. Die einen sagen, es ist von Anfang an heilige Schrift, Inspiration, der Kanon hat sich selbst durchgesetzt, weil er voll des Geistes war. Wir hatten die Position, die Kirche, die Kirche ist die Instanz, die den Kanon geschaffen, begründet und anerkannt hat. Natürlich kann man auch die These auftreten, die ganze Kanon-Idee ist Quatsch. Am besten überlegt jeder selbst, was ihn anspricht oder auch nicht. Was gibt der Vergleich mit der Geschichte her? Wie verhalten sich diese drei Instanzen, die Bibel allein, das gechelge Lehramt, die Vernunft, naja, zu den Debatten, die wir kennengelernt haben in den ersten drei Jahrhunderten? Ich erneuere meine Behauptung, es passt halt so nicht zusammen. Es gab in den ersten drei Jahrhunderten kein
Messinstrument, die Inspiriertheit von Texten in irgendeiner Weise festzustellen. Das ist zum Beispiel etwas, das gar keine Rolle gespielt hat, weil für die ersten frühen Christen auch gar nicht die Idee war, Bibel unterscheidet sich von nicht in Bibel, wie Inspiration von Nicht-Inspiration. Es war zum Beispiel allgemein auch von Christen geteilte Überzeugung, dass die Übersetzung der kompletten Septuaginta von Gott inspiriert war. Auch der 151. Psalm, mal googeln, gibt es wirklich, steht in der Septuaginta drin, aber auch viele andere Schriften auch, auch manches Schräge und Wilde, was in der Septuaginta steht. Auch Textbestände, die vom Text der hebräischen Bibel des christlichen Altes Testament teilweise deutlich abweichen. Inspiration war ein weiterer
Terminus, das war gar nicht der Punkt, vor allem konnte man es gar nicht messen. Das war da gar nicht möglich. Die Kriterien hatten eine ganz andere Logik. Sie haben viele Schriften daraufhin befragt, entsprechen sie dem Evangelium von Jesus Christus, entsprechen sie dem Maß des Glaubens, das wir haben? Sind sie apostolisch? Also sind sie in irgendeiner Weise ursprünglich oder sind sie im Grunde schon sekundäre Auslegung und Fortschreibung dessen, was am Anfang stand? Naja und ganz schlicht, sind diese Schriften überall anerkannt und segensreich? Und das war für die Johannis-Offenbarung das größte Problem, dass viele gesagt haben, wir haben erlebt, dass diese Schrift spaltet, sie verwirrt, sie macht die Leute nervös, sie schafft Streitigkeiten. Das ist
keine gute Schrift, irgendwie, sie hat ganze Landstriche verwüstet mit ihren Ideen und Leute auf krumme Gedanken gebracht und deswegen können wir sie nicht anerkennen. Das waren die Kriterien, die tatsächlich eine große Rolle gespielt haben und in diesen Streitigkeiten konnte man sich nicht hinstellen und sagen, Gottes Wort ist die Wahrheit, weil es Gottes Wort ist. Weil es Gottes Wort ist, ist es wahr. Es ist wahr, weil es sich als Gottes Wort erweist. Weil es vom Heiligen Geist erfüllt ist, ist es Gottes Wort. Und weil es Gottes Wort ist. Also mit solchen Tautologien kannst du keine Streitfrage erklären, ob Lukas Evangelium oder Hebräer Evangelium, Clemens Briefe oder Petrus Briefe wichtig sind, funktioniert gar nicht. Das ist im Grunde eine sekundäre nachträgliche Aufbauung der Autorität der Bibel, die aber mit dem Werden des biblischen Kanons so nichts zu tun hat. Jetzt könnte man auf die Idee kommen und sagen, war jetzt interessant, war ein bisschen
viele Namen, aber okay, aber vielleicht kann man es ja doch noch mal einfacher klarkriegen und sagen, die Bibel, alles gut und schön, Texte, alte Texte sind ja geschichtlich wertvoll und so, aber müsste man nicht im Grunde sagen, nicht die Bibel ist das Maß, sondern müsste man nicht sagen, Christus ist der eigentliche Maßstab. Könnte man ja auch sagen, Jesus ist der Maßstab, an dem wir auch die Bibel beurteilen, so rum macht es ja Sinn. Naja, das Problem jetzt aber bezogen auf die Geschichte des Kanons ist ja nun folgendes, haben ja alle gemacht. Der Markhörn hat ja nicht gesagt, von mir bin ich begeistert, aber Jesus finde ich doof. Der hat ja gesagt, Jesus ist so großartig und fantastisch, dass ich von Jesus her mich im Glauben auch ermächtigt sehe, das Altes Testament jetzt da mal wegzutun, so weil ich Jesus besser finde als ihr, weil ich Jesus mehr
liebe und mehr verehre. Und das waren ja die Probleme, die man auch hatte, dass wer Jesus ist, durch die ganzen Evangelienentwürfe hindurch gar nicht so einfach festzustellen war. Und wer Jesus wirklich ist, das war ja die Frage, für die man überhaupt erst mal auf die Idee kam, ein Kanon verbindlicher Schriften zu brauchen. Markhörn hat seinen Kanon festgelegt und dann hatte er auch seinen unjüdischen Jesus gehabt. Und viele hatten aber das Gefühl, nee, nee, nee, so können wir Jesus nicht aus der Schöpfung und aus der Geschichte Israels und so weiter raus subtrahieren. Dieser Jesus für uns nicht. Wir brauchen hier eine breitere Basis, dass unser Jesus schon noch mal mehr ist als dieser. Also sich auf Jesus zu berufen und zu sagen, also ich halte
mich nur an Jesus und von Jesus her beantworte ich die Bibel, hat ein schlichtes Problem. Was damit gemeint ist, ist von meinem Jesus Bild her beurteile ich halt alles, was mir sonst vor die Flinte kommt. Das fühlt sich für den Betroffenen gut an, aber man höre auch alle anderen, ob dieses Jesus Bild tatsächlich ursprungsgetreu ist und überzeugend und so. Also man kann nicht einfach Jesus zum Metaprinzip machen. Am Ende des Tages ist es immer das eigene Jesus Bild, das eigene Jesus Verständnis, was damit absolut gesetzt wird. Damit begibt man sich jeder Möglichkeit der Korrektur, dass man auch in seinem eigenen Jesus Verständnis reifen und wachsen kann. Hier wird Jesus gegen die Bibel ausgespielt und das kann so nicht sein. Das sagen manchmal auch sehr konservative Christen, die sagen, man darf nicht Jesus gegen die Bibel ausspielen. Es gibt
konservative Christen, die das so sagen, aber machen. Weil sie sagen, die wären jetzt gerade die letzten 90 Sekunden mit mir gewesen und würden sagen, ja stimmt, da haben wir recht. Also klar, man kann nicht Jesus gegen die Bibel ausspielen. Genau deswegen sagen wir ja, Jesus ist natürlich der wichtigste Inhalt der Bibel, ist ja klar, aber man muss die Bibel anerkennen und nur wer die Bibel als unfädelbar anerkennt, der hat überhaupt eine Basis, auch zum biblischen Christus zu kommen. Naja, für mich ist das leider auch eine Weise, Jesus gegen die Bibel auszuspielen, nur umgekehrt. Denn so wird die Bibel ja letztlich Jesus übergeordnet. In einer Weise, dass man sagt, du musst zunächst mal ein bestimmtes Bibel Verständnis anerkennen. Du musst die Bibel als unfädelbar und irrtungslos und absolut anerkennen. Dann wirst du von ihr auch zu Jesus geführt. Das
ist nicht das, was die frühen Christen gemacht haben. Das entspricht nicht der inneren Logik dieser Geschichte, auch nicht diesem Satz im Kanon Muratori, Christus ist Maßstab und Prinzip der Bibel, auch nicht letztlich dem, was Paulus schreibt, der die Schriften immer von Jesus her und auf ihn hin auslegt. Also man kann das Verhältnis weder so noch so lösen, dass man von seinem Jesusbild her die Bibel auslegt oder von seinem Bibel Verständnis her glaubt, Jesus in den Griff zu kriegen. Die Kriterien der Kanonwerdung zeigen ja im Grunde ein echt kompliziertes Ineinander solcher Verhältnisse. Ich fasse mal schlicht so zusammen, ohne die Bibel haben wir gar keine verlässliche Grundlage zu sagen, was ist denn das Evangelium? Was ist denn unser Glaube?
Was ist denn die Geschichte, an die wir uns halten? Und ohne das Evangelium, ohne unser Glaubensbekenntnis hätte es nie ein Kriterium gegeben, überhaupt so etwas wie verbindliche Schriften zu haben oder festzustellen. Das ist ja nun auch klar, das Evangelium von Jesus Christus, christlicher Glaube, christliche Gemeinden, Glaubensbekenntnisse sind deutlich älter als neustermännliche Schriften. Neustermännliche Schriften erscheinen Jahrzehnte nach dem Leben Jesu, Jahrzehnte nachdem alle wichtigen Dinge gelaufen sind, also offensichtlich gab es ja eine sehr lebendige Christenheit, völlig ohne neustermännliche Schriften. So und wir haben das eine, aber nicht ohne das andere und das andere nicht ohne das eine, das ist in einem Wechselverhältnis. Genauso kann man sagen, wir hätten doch gar keine Gemeinde, keine Christenheit, keine Kirche,
keine Ämter ohne, das ist so etwas wie ein Evangelium, ohne biblische Texte und die biblischen Texte hätten wir umgekehrt auch nicht, ohne dass es eine Gemeinschaft gibt, die so Briefe von Paulus liest und die sie abschreibt. Es muss ja ganz schlicht auch in jeder Generation abgeschrieben werden, bewahrt werden, konserviert werden, weitergegeben, verbreitet, erhalten bleiben. 99,9 Prozent aller antike Texte sind weg, weil irgendwann sich keiner mehr findet, der das alte Zeugs vom Opa nochmal abschreibt, dann ist es halt weg. Bibel gibt es, weil in einer Jahrtausenden alten Reihe jede Generation Menschen hervorgebracht hat, die gesagt haben und ich schreibe es nochmal ab und ich erhalte es und ich verbreite es und ich gebe diesen Staffelstab weiter. Diese Dinge hängen ineinander und alle Versuche von einer Seite her, die Bibel dem Evangelium oder Jesus oder der Kirche
radikal überzuordnen oder die Kirche dem Evangelium oder der Bibel überzuordnen, sind immer Versuche, es in irgendeiner Weise in den Griff zu kriegen, es irgendwie verfügbar zu machen, handhabbar zu machen und das Ganze in irgendeiner Weise so richtig eindeutig auch festzustellen. Das könnte man an der Stelle sagen, okay, okay, wir haben langsam verstanden, wie du glaubst, dass es nicht geht. Gut, ja, aber wie geht es denn dann? Also welche Bedeutung, wie kriegt man es denn dann in den Griff? Ja, das ist meine These, gar nicht, gar nicht, man kriegt die Bibel nicht als Knüppel oder Maßstab oder Vereindeutigungsinstrumente gegen alle Instanzen eindeutig in den Griff,
genauso wenig wie ein Lehramt oder eine Kirchenführung oder Kirchenleitung sich das anmaßen kann. Es wird natürlich probiert, aber es funktioniert ja auch in der Christenheit nicht flächendeckend. Ich glaube, das Problem, was heute vielfach mit der Bibel besteht, ist ein doppeltes, ein falsches oder fehlendes Verständnis von Autorität und Inspiration. Darüber möchte ich am Ende noch ein paar Gedanken zusammenstellen. Ein falsches oder fehlendes Verständnis von Autorität und Inspiration der Bibel. Fangen wir mit dem Stichwort Autorität an. Es gibt ja heute Christen, die die Autorität der Bibel sehr hochhalten und sehr stark betonen und damit meines Erachtens etwas Wesentliches natürlich der frühen Christenheit bewahren und sie machen
es aber in einer Weise, die nicht die Autorität der Bibel stark macht. Häufig ist es ja so, dass damit nicht selten die eigene Autorität noch einmal göttlich abgesichert wird. Wenn wir auf diese Gruppen schauen, müssten wir sie ja alle erstmal irgendwie auch loben und sagen, die einen machen Autorität der Bibel, die andere Autorität der Kirche und die dritte Autorität der Vernunft, des Nachdenkstags und das ist ja jeweils was. So also am schwierigsten ist ja, wenn Leute sagen irgendwie, ach ich weiß eigentlich für mich alles selbst am besten oder vielleicht ist es auch völlig egal. Also wenn jemand sagt, ich anerkenne etwas, was mir etwas zu sagen hat, dann würde ich immer sagen, ist besser als zu glauben, schon längst alles zu witzeln oder nichts zu brauchen. Das ist ja eigentlich gut, das ist ja ein Akt der Demut und der Bescheidenheit zu sagen, ich möchte
hörfähig sein, ich möchte lernfähig sein, ich möchte mir was sagen lassen. Also gut und dieser Gewinn wird nicht selten so verspielt, dass man durch seine eigene Bibeltreue oder Romtreue oder Lehramtstreue oder Bekenntnistreue oder auch schlicht durch seine eigene Aufgeklärtheit und Vernünftigkeit meint zu wissen, die Wahrheit in der Tasche zu haben, anders als die anderen, die irgendwie heretisch oder abgeirrt oder zu selbstbewusst oder zu verführt oder zu irre gegangen oder wer weiß was sind. Hier wird Autorität bisweilen zum Autoritarismus, zum Anspruch absoluter Wahrheit, die sich nur durchdrücken kann, die unterdrückt, die nur auf Befehl und Gehorsam geeicht ist und das nenne ich ein falsches Verständnis von Autorität. Falsche
Autorität unterwirft, falsche Autorität erstickt das Fragen, falsche Autorität ermöglicht kein Nachdenken, kein Wachstum. Falsche Autorität braucht nie Dialog, nie Diskussion, nie Gespräch. Falsche Autorität kann nie mit Unsicherheit leben. Falsche Autorität lässt keine Zweideutigkeit zu, will alles immer grundsätzlich vereindeutigen. So autoritär begegnet nicht Jesus, nicht Paulus, auch nicht Gott in der Bibel. Paulus ist nicht in diesem Sinne autoritär, sondern er sagt, denkt nach, prüft, fragt, prüft alles, behaltet das Gute, er ist sehr stark in seinen Überzeugungen, so und er sagt, wenn ihr das noch anders seht, wird Gott es euch anders lehren, so aber er lässt sich auf Gespräche, auf Diskussionen ein. Er ist nicht von einem falschen Autoritarismus,
sondern seine Autorität ist befreiend, anregend, fördernd, sie will befähigen, zum Nachdenken Anstöße geben. So und das braucht es, sagte ein falsches Verständnis von Autorität, kann sich giftig auswirken, weil dann ein Bibelglaube etwas wird, was im Grunde Selbstdenken, Selbstfragen, Reden, Diskutieren immer schon unterdrückt und im schlimmsten Fall wird ein solcher Autoritätsglaube benutzt von denen, die von sich glauben, das Sagen zu haben oder den es zugeschrieben wird, sag du wo es langgeht, wir wollen ja einfach nur, wir wollen ja nur Klarheit, so wir finden ja alles richtig und so, sag uns so und ich mach dann so und dann läuft das auch. Das ist das eine Problem, was es heute gibt und daran, viele daran leiden, haben wir heute schon,
aber auch glaube ich, die andere Seite des Problems, dass manche gar nicht irgendwie verstehen, warum man einen Kanon brauchen könnte, warum Autorität nötig ist, warum es vielleicht schon auch so etwas braucht. Mal von der Antike her gedacht, was ist der Sinn von Autorität? Wann hat etwas Autorität? Ganz schlicht dann, wenn es Sachverstand verkörpert. Ein Mensch hat Autorität, wenn er eine Sache besser kennt, wenn er einen Weg besser kennt, wenn er einen Zusammenhang durchschaut und wenn man ihm das abkauft, wenn man ihm das abnimmt, naja, dann hört man auch auf ihn, dann lässt man sich auch was sagen und dann ist es auch hilfreich und ich denke, das ist das Besondere bei Jesus, bei Paulus, bei den Aposteln, dass Menschen hier spüren, sie hören Jesus Worte und sagen, das hätte ich jetzt nicht besser gewusst, gar nicht und ich
merke, dass er es aus einer Gewissheit sagt und aus einer Überzeugung heraus, die ich so nicht habe. Und ich merke, dass es mich anspricht und dass es mich fasziniert und ich merke aber auch, es ist eine Autorität, die mich nicht erdrückt, sondern eine Autorität, die mich fragt, die mich ruft, die mich lockt, die mich irgendwie in die Weite führt, sodass ich an ihr wachsen kann. Ich glaube, es braucht schon Sinn und Verständnis dafür, dass solche Autorität lebensnotwendig ist, in der Erziehung, im Rechtswesen, in der Politik, im Handwerk. Man ist gut beraten bei allerlei Baumaßnahmen und handwerklichen Dingen, schon auch mehr auf die zu hören, die sich mit diesem Sachverhalt auskennt, mehr als auf das eigene Bauchgefühl. Das mag in manchen Entscheidungen
ganz wesentlich sein, aber bei bestimmten Dingen ist derjenige, der in Sachen erfahren ist, doch dem eigenen Bauchgefühl vorzuziehen. Falsches oder fehlendes Verständnis von Autorität verbaut den Zugang dazu, Texte überhaupt zu hören, zu lesen, sich auslegen zu lassen, wieder und wieder zu lesen. Judentum, Christentum funktionieren so, dass sie in Geschichten verstricken sich lassen, mit diesen Geschichten leben, von diesen Geschichten sich Gott zeigen lassen, Gottes Erbarmen, Gottes Freundlichkeit, Gottes Segen und im Vertrauen auf diese Schriften auch hineingenommen werden in diese Befreiungsgeschichte Gottes. Und das ist meines Erachtens auch der rechte Ansatz zum Thema Inspiration. Hier würde ich ähnlich sagen, das Problem im Umgang mit dem biblischen
Kanon ist ein falsches oder fehlendes Verständnis von Inspiration. Zunächst das Falsche, man könnte hier ganz schlicht sagen, ein falsches Verständnis von Inspiration ist die Inspiriertheit als feststehende Tatsache einer bestimmten Gruppe von Schriften, wo man sagt, die sind von Gott inspiriert, das heißt, die sind absolut wahr, das heißt, du musst das alles glauben, das heißt, du darfst nicht nachdenken dabei großartig, du darfst das nicht verstehen wollen, du lieber Himmel, du darfst auch eigentlich nicht Zweifel haben. Also wenn du Zweifel hast, darfst du die äußern, kannst du deinen Seelsorger gehen, ist okay, wir wollen da menschenfreundlich mit umgehen, aber eigentlich ist das Ziel immer, den Zweifel wieder loszuwerden. Der Zweifel ist eigentlich schlecht, der Zweifel ist eigentlich gefährlich, versuche es loszuwerden, sprich mit Seelsorgern, der hört dir liebevoll zu, aber eigentlich, weil die Texte inspiriert sind, sind sie wahr, höre, glaube, gehorche, handle, Schluss,
alles andere braucht kein Mensch. Ein solches Verständnis von Inspiriertheit ist durchdrängt von einem autoritärem Geist, der menschenfeindlich und freiheitszerstörend sein kann und ist so dem Geist Gottes, wie ihn die Bibel uns vor Augen malt, schlicht nicht gemäß. Ein solches Verständnis von Inspiriertheit beschreiben die biblischen Texte schlicht auch gar nicht. Es gibt ja letztlich nur diesen einen Vers, wo es von der Schrift heißt, sie sei Theopneustos, Gott durchgeistet, Gott begeistert, gemeint ist hier völlig eindeutig, die Septuaginta ist das alte Testament, von der wird es gesagt, wie es im hellenistischen Judentum üblich war. Das ist an dieser einen Stelle so, ansonsten
heißt es von den Propheten, sie haben getrieben vom Heiligen Geist geredet, du hast auch von David, also da gibt es mehr Stellen, das ist völlig klar, Inspiriertheit der Texte, aber letztlich dieser eine einzige Vers, aus dem in manchen Teilen des Christentums ein völlig maßloser Bibelglaube konzipiert worden ist, der als solcher gar nicht biblisch ist. Wozu die Bibel viel mehr sagt, ist nicht die Entstehung biblischer Texte, sondern ihr richtiges Verständnis. Und da redet die Bibel vor allen Dingen vom Geist, vor allem Paulus macht es. Paulus ist klar, die Texte des alten Testaments, die heilige Schrift, klar, das ist von Gott, das sind Gottes Worte, das ist Gottes reden, das ist aus dem Geist Gottes. Dann kann er im 1. Korinther 2 fortführen, es geht um geistliche Dinge, das ist uns offenbart, entscheidend ist der Inhalt und für Paulus sind auch die Texte des
alten Bundestexte, die auf Christus hinführen, das sind die geistlichen Dinge, um die es geht und dann führt er zweierlei hinzu. Das eine, das Verstehen dieser Texte, das Verstehen der geistlichen Dinge, also des Evangeliums erfordern schlicht einen geistlichen Menschen, einen Menschen, der sich auf Gott einstellt, der sich von Gott die Augen und Ohren öffnen lässt und dieser geistliche Mensch muss lernen, geistlich zu urteilen. So und das ist ein Zusammenhang von Worten und Hören und Verstehen und das im Raum der Gemeinde ein Hören und Verstehen für sich persönlich, aber auch in der Gemeinschaft. Das ist, was der Heilige Geist macht, er macht hörfähig, er ist ein Geist der Wahrheit,
er macht lernfähig, er öffnet das Verstehen für den eigentlichen Sinn dessen, worum es geht, er macht aber auch gemeinschaftsfähig, weil er führt in die Gemeinschaft mit Gott, in die Gemeinschaft miteinander, es ist auch ein Geist der Liebe. Inspiration ist insofern keine Inspiriertheit, keine mechanische Theorie, so und so sind diese Schriften entstanden. Inspiration ist ein Mitteilungs- und Erkenntnisraum, ein Mitteilungs- und Erkenntniszusammenhang, in dem Gehört, Gelesen, Verstanden, Bezeugt und gelebt wird. Dieses Verständnis von Inspiration ist sehr wesentlich, sehr wertvoll, wird oft erstickt durch ein Inspiriertheitsdogma, was in dieser Form gar nicht biblisch ist, manchmal dann aber auch eben verloren, weil manche Christen aus nachvollziehbaren Gründen abgeschreckt sind von der ganzen Idee der
Inspiration. Wir bräuchten mehr gute Inspirationstheorie, die uns anders hineinführen würde in die biblischen Texte, die dann auch passender wäre zur wirklichen Entstehungsgeschichte der biblischen Texte. Denn das Entscheidende dabei ist ja, ja, wir kriegen die Texte nicht in den Griff, nicht von ihrer an und für sich bestehenden Wahrheitsautorität, nicht von der Kirche her, nicht von meiner eigenen Vernunft her, sondern so, dass wir uns in diesen Zusammenhang hinein begeben, auf die Mitte uns konzentrieren, auf das Evangelium, auf Jesus Christus, diese Mitte immer wieder neu verstehen im Maß der biblischen Schriften, in diesen biblischen Schriften immer wieder unsere Augen reinigen und uns weiten lassen für das, was Evangelium heißt und das aber tun als Gemeinschaft
der Fragenden, der Hörenden, der Suchenden, der Redenden, der Miteinander Diskutierenden. Denn offensichtlich ist Gemeindekirche, diese Gemeinschaft, die sich um Texte sammelt, der Ort, der Raum, wo diese Texte als Wahrheit Gottes einleuchten können im und durch den Heiligen Geist.
Entstehung und Autorität des neutestamentlichen Kanons | 9.11.2
Wer in einem christlichen Land aufgewachsen ist, weiß, was die Bibel ist. Dieses Buch aus Altem und Neuen Testament, das von Gott und Jesus erzählt. Doch wer hat entschieden, was genau von Gott und Jesus darin erzählt wird, welche Texte in der Bibel gesammelt werden? Thorsten Dietz erklärt, wie die Bibel entstand, wer bestimmt hat, welche Bücher dazugehören. Warum manche Schriften von Anfang an ins Neue Testament aufgenommen wurden, kritische Texte oder Schriften von und über Frauen aber an den Rand gedrängt wurden. Und er beschäftigt sich mit einer der wichtigsten Fragen: Hat Gott nun höchstpersönlich die Bibel zusammengestellt oder war es doch nur die Entscheidung der Menschen? Dietz ist von den gängigen Erklärungen für die Entstehung der Bibel nicht überzeugt. Und erklärt, was es stattdessen bedeuten kann, dass die Bibel von Gott »inspiriert« ist – und warum Gläubige trotzdem daran zweifeln dürfen.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«.