In dem ersten Testament gibt es keine Figur, die so vielschichtig ist wie König David. Von ihm über ihn erfahren wir Details aus seinem Leben, die von niemand anderem erzählt würden. Die Hauptquelle dieser Darstellung des größten aller Könige Israels sind die Samuelbücher. Und die sind gerade dadurch, dass sie David so vielschichtig darstellen, besonders, ja, einfach spannend zu lesen. Wer einmal auf der Suche nach einem biblischen Text ist, der literarische Qualität hat, einfach gut zu lesen ist und zudem durchaus einiges an Spannung und Sex and Crime zu bieten hat, wird in den Samuelbüchern fündig. Nicht umsonst sind die
hier verhandelten Inhalte Stoffe für vielfältige literarische Rezeptionen geworden. Im deutschen Sprachraum sicherlich herausragend ist der 1972 erschienene Roman des DDR-Schriftstellers Stefan Heim, der König-David-Bericht. Die literarische Qualität der Samuelbücher, ich werde darauf noch etwas ausführlicher zurückkommen, ist aber nicht das einzige, was diese biblischen Bücher zu bieten haben. Auch große menschliche Themen werden hier verhandelt. Liebe, Familie, Konkurrenz, Scheitern, Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit, die Frage nach gerechter Herrschaft, Gewalt, Depression, die Suche nach Heilung, viele mehr. Die theologische Größe
dieser Erzählungen ist, dass alle diese menschlichen Aushandlungsprozesse, quorum Deo, vor Gott stattfinden. Auch wenn Gott als Figur nicht auf jeder Seite der Samuelbücher zu finden ist, so ist er doch immer wieder im Hintergrund präsent, im Ringen der Menschen, in ihrer Suche nach dem Göttlichen, und diese Suche nach dem Göttlichen bestimmt ihr Handeln. Als herausragender Gottsucher wird in den Samuelbüchern David dargestellt, in all seiner menschlichen Fehlbarkeit, Schwäche und Schuld. Das zentrale Thema der Samuelbücher ist die Etablierung einer für Israel neuen Gesellschaftsform, nämlich dem Königtum. Dementsprechend sind die Samuelbücher im Kanon platziert.
Dementsprechend sind sie auch aufgebaut. Also sowohl in der Stelle, an der die Samuelbücher im Kanon stehen, als auch in ihrer literarischen Struktur geht es um das Königtum. Im hebräischen Kanon gehören die Samuelbücher zu den vorderen Propheten. Das sind jene Teile des Prophetenkanons von Joshua bis zum zweiten Königbuch, die keine prophetischen Spruchssammlungen präsentieren, wie das etwa die prophetischen Bücher Jesaja, Jeremia, Ezechiel und so weiter tun, sondern es sind Erzählungen über Propheten und sie gelten als Teil des Prophetenkanons. Von einer prophetischen Gestalt haben die Samuelbücher auch ihren Namen, nämlich vom Propheten Samuel. Dieser fungiert als Mittler zwischen Gott und dem Volk in den Samuelbüchern. Im hebräischen Kanon folgen die
Samuelbücher unmittelbar auf das Buch der Richterinnen und Richter. Dort zeigen vor allem die letzten Kapitel, dass eine Gesellschaft, die nicht von einem König regiert wird, droht, in Ungerechtigkeit und Gewalt zu versinken. Sexuelle Gewalt führt zum Krieg, Krieg beinhaltet wiederum sexuelle Gewalt und das alles findet innerhalb der Stämme Israels statt. Die letzten Kapitel des Richterbuchs erzählen grausamste Taten und schreien geradezu danach, dass politische Veränderungen notwendig sind. Dementsprechend lautet der letzte Satz des Richterbuchs, also der letzte Satz im hebräischen Kanon, bevor die Samuelbücher anfangen, in jenen Tagen gab es keinen König in Israel, jeder tat, was in seinen Augen recht war. Das ist natürlich ein hervorragender
Auftakt für die Etablierung einer neuen Herrschaftsform, nämlich dem Königtum. Und diese Etablierung wird dann in den Samuelbüchern erzählt. Sie gestatten an dieser Stelle den Spoiler. Die Samuelbücher werden zeigen, dass das Königtum zwar Stabilität bringt, die grundsätzlichen Probleme von Gewalt und Machtmissbrauch aber nicht löst. Das war der Ort im hebräischen Kanon, nach dem Buch der Richterinnen und Richter. Im christlichen Kanon, der sich an der griechischen Bibelübersetzung der Septuaginta orientiert, stehen die Samuelbücher nach dem Rutbuch, also zwischen Richter und Samuel ist Rut eingeschaltet. Und dieses Rutbuch bildet eine hervorragende Brücke genau zwischen der Richterzeit und der Königszeit. Es beginnt
nämlich mit einer Zeitangabe, es geschah zu der Zeit, als die Richter richteten, so fängt das Rutbuch an und es endet mit einem Wort, nämlich David. Also David als letztes Wort des Rutbuchs, als derjenige, auf den der Stammbaum des Rutbuchs zuläuft, ist die Überleitung zwischen der Zeit der Richter und dann der Perspektive auf das Königtum. Es wird zwar noch im Samuelbuch, im ersten Samuelbuch weitere 16 Kapitel dauern, bis David wirklich die Bühne der erzählten Welt betritt, aber er ist die zentrale Gestalt der Samuelbücher und des israelitisch- judäischen Königtums überhaupt. Das Königtum also als zentrales Thema der Samuelbücher, da liegt es nahe, auch den Aufbau entlang der großen Gestalten dieses Königtums zu gestalten. In den ersten sieben
Kapiteln des ersten Samuelbuches wird zunächst eine Vorgeschichte des Königtums erzählt. Ähnlich wie im Buch der Richter, aber nicht ganz so krass, wird vorgeführt, dass die bisherigen gesellschaftlichen Autoritäten nicht in der Lage sind, für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen und damit auch nicht imstande sind, den Frieden innerhalb Israels zu sichern. Die Söhne des Priesters Eli etwa bereichern sich an den Opfergaben, die in den Tempel gebracht werden. Und auch innerhalb der hier vorgestellten Familien gibt es massive Konflikte. In 1 Samuel 8 ist es dann endlich so weit, das Volk fordert einen König und zwar mit der Begründung, wir wollen sein wie alle anderen Völker. Die haben auch einen König, wir wollen jetzt auch einen haben. Es folgt die Ernennung und Salbung Sauls zum König. Saul ist also der erste König Israels, sein Tod in 1 Samuel
31 parallel noch mal erzählt in 2 Samuel 1 macht den Weg frei für den nächsten König, David. Und dieser wird dann ein zweites Mal in 2 Samuel 2 zum König gesalbt. Davids Entwicklung als König, erst zum König und dann als König prägt die Samuel Bücher bis an ihr Ende und darüber hinaus bis in die ersten zwei Kapitel der Königbücher. Ich glaube es wird sichtbar, dass gerade Richter Samuel Könige eine ganz eng verschränkte Erzähllinie miteinander haben. Von einer vorköniglichen Zeit, in der das Chaos herrscht, über die Etablierung des Königtums mit all ihren kritischen Punkten bis hinein zur Stabilisierung der Herrschaft durch den Nachfolger Salomo. Die Samuelbücher selbst haben also drei große Teile, 1 Samuel 1 bis 7 als Vorgeschichte des Königtums,
1 Samuel 8 bis 2 Samuel 1 Saul als König und 2 Samuel 2 bis 24 David als König. Die Samuelbücher wären aber keine große Literatur und wahrscheinlich auch ziemlich langweilig, wenn diese großen Blöcke einfach so funktionieren würden und nicht auch Spannungen enthielten. Und das tun sie vor allem in zwei Punkten. Erstens, David ist nicht der Sohn Sauls. Eigentlich wird das Königtum dynastisch gedacht. Das ist heute so und war im Alten Orient nicht anders. Der heikle Moment, der Translatio Imperii, also des Übergangs von einem König zum nächsten. Dieser in jeder Gesellschaft schwierige Moment wird durch die dynastische Erbfolge abgesichert. Wenn klar ist,
wer als nächstes auf dem Thron sitzt, nämlich der nächste Sohn, dann hat man kein Problem einer Zwischenlösung, die nach dem Tod eines Königs folgen könnte. Also dieser schwierige Moment in der Herrschaftssituation soll durch die Dynastie abgefangen werden. Beim ersten König Saul klappt das schon mal nicht, denn er hat keine Dynastie. Beim zweiten König David wird die Familie, also der eigentliche Ort der Dynastie, zum herausragenden Schauplatz von Konflikten bis hin zu schwersten Gewalttaten. Erste Spannung also, wie ist das mit der Etablierung einer Dynastie, David ist nicht der Sohn von Saul. Zweite Spannung, noch heikler, noch während König Saul regiert und gesalbt regiert, verliert er durch einen massiven theopolitischen Fehler die Zuwendung Gottes. Er
bleibt trotzdem König, allerdings ein extrem Glückloser. Und diese Glücklosigkeit, man könnte schon von einer Tragödie griechischen Ausmaßes sprechen, wird noch dadurch verstärkt, dass bereits zu Leb- und Regierungszeiten Sauls David gesalbt ist. In 1 Samuel 16 betritt David die Bühne der erzählten Welt, also eigentlich noch mitten in der Herrschaft Sauls, und er ist der strahlende Held. Noch bevor er sich als Musiktherapeut für Saul und als Goliath-Bezwinger einen Namen machen kann, ist er schon der Neue Gesalbte. Damit haben die Samuel-Bücher über eine Strecke von 1 Samuel 16 bis 1 Samuel 31, also das ist eine lange Erzählstrecke, zwei gesalbte Herrscher, oder eigentlich zwei Gesalbte. Was bedeutet es aber überhaupt, der Gesalbte zu sein? Der Begriff
Salben heißt im Hebräischen Maschach. Der Gesalbte ist der Maschach und von diesem Begriff kommt über die griechische Transkription im Deutschen das Wort Messias, also Messias im griechischen an Christos, der Gesalbte. Die Salbung ist jener Vorgang, über den die Würde des Königtums von Gott symbolisch auf den Menschen übertragen wird und damit die Königswürde nach außen sichtbar zum Ausdruck gebracht wird. Das Königtum ist im biblischen Israel, wie überhaupt im Alten Orient, eine sakrale, göttlich hergeleitete Institution und dazu braucht es einen symbolischen Akt, um das nach außen hin deutlich zu machen, die Königssalbung. David ist ein König, der sogar zweimal gesalbt wird. Zuerst in 1 Samuel 16, da heißt es in Vers 13,
Samuel nahm das Horn mit Öl und salbte ihn, nämlich David, mitten unter seinen Brüdern. Und der Geist Adonais durchströmte David von diesem Tag an. Und ein zweites Mal wird David zum König gesalbt durch die Männer Judas, die in 2 Samuel 2 die göttliche Erwählung sozusagen politisch ratifizieren, also gültig machen. Die erste Salbung in 1 Samuel 16 wird von einem Propheten als Mittler zwischen Gott und Volk vollzogen. Sie hat etwas mit der Kraft des Geistes zu tun. Und genau diese Geistkraft generiert ein heftiges Spannungsverhältnis zwischen Saul und David. Nicht nur sind es weitere 15 Kapitel, in denen beide Gesalbte
nebeneinander existieren, auch der Geist Gottes verhält sich Saul und David gegenüber extrem unterschiedlich. Direkt auf die Salbung Davids in Vers 14 heißt es dann, dass der Geist Adonais von Saul gewichen war und ihn ein böser Geist Adonais verstörte. Während also Saul immer wieder von einem bösen Gottesgeist heimgesucht wird, liegt der Geist Gottes auf David, was darin seinen Ausdruck findet, dass alles gelingt, was er anpackt. Und trotzdem, auch wenn David schon gesalbt ist und auch wenn David alles glückt, ist auch Saul in einem besonderen Status, nämlich im Status des Gesalbten, immer noch, selbst in der Zeit als David neben ihm existiert. Es ist David selbst, der in der Erzählung mehrfach darauf hinweist, dass der Gesalbte unter einem besonderen
Schutz Gottes steht und dass es nicht legitim ist, diesen Gesalbten zu töten, selbst wenn es den eigenen politischen Interessen entgegenkommen könnte. Eine ganz tragische Verbindung also zwischen Saul dem Ersten und David dem Zweiten König. Musikalisch lässt sich diese dramatische Gegenüberstellung von Saul und David etwa im Oratorium Saul von Georg Friedrich Händel erspüren. Entsprechend der Konventionen der Barockmusik ist David als strahlender Held mit einem Countertenor besetzt. Barockmusik, Held ist schon mal Tenor und so richtig Held ist dann Countertenor. Und der dramatische König Saul, der ist natürlich ein Bass. Also diese Gegenüberstellung
des dramatischen, tragischen, wir würden eben heute wahrscheinlich depressiv sagen, depressiven König Saul und des strahlenden jungen Helden in den beiden Stimmen Countertenor und Bass, also den beiden Extremen, die das männliche Stimmrepertoire hergibt. David ist aber natürlich nicht erst bei Georg Friedrich Händel ein strahlender Held, sondern er ist es schon in den biblischen Erzählungen selbst. Denn die Auseinandersetzung zwischen dem amtierenden König Saul und dem gesalbten, aber noch nicht amtierenden David findet auch auf der menschlichen Ebene statt und involviert die gesamte Familie Sauls, aber auch das Volk. Eine Schlüsselszene dazu findet sich in 1 Samuel 18. David ist hier bereits zweifach am Hof Sauls etabliert, nämlich erstens als Musiker, der mit
seinem Saiteninstrument, wir übersetzen manchmal Hafe, das ist es sicher nicht, Lyra, also jedenfalls ein Saiteninstrument, das man in der Hand halten kann. Und mit diesem Saiteninstrument bekämpft David die Schwermut seines Vorgängers Saul. Und er ist auch Kämpfer, also nicht nur Musiker, er ist auch Kämpfer, der mit den Waffen eines Hirten den kriegserfahrenen Philister Goliath besiegt. Wir sind es übrigens gewohnt, den Hirten immer so niedlich zu sehen, also David ist Hirte und wir stellen uns das vor, so ein kleiner und irgendwie dann auch noch schön und besondere Haarfarbe und dann ist er Hirte. Im Alten Orient ist aber David ist Hirte das Signal von, oh, der wird ein richtig guter König sein, weil das zentrale Bild für den König im Alten Orient ist der Hirte. Und wenn David als Hirte die Bühne der erzählten Welt betritt, dann wissen wir von vornherein, wenn der König wird,
dann wird das ein guter König. Also David ist zweifach etabliert als Musiker und als Kämpfer. Ihm fliegen die Herzen zu, so würden wir es heute sagen und so schreiben es auch die deutschen Übersetzungen, ob die Einheitsübersetzung oder die Lutherübersetzung. Da heißt es in 2 Samuel 18,1 als David aufgehört hatte mit Saul zu reden, verband sich das Herz Jonathans mit dem Herzen Davids und Jonathan gewann ihn lieb wie sein eigenes Leben, so in der Lutherübersetzung. Das Hebräische aber verortet die romantische Liebe nicht im Herzen, wie wir das tun, sondern in der Kehle, dort wo der Sitz des Lebensatems ist. Deshalb steht in 2 Samuel 18,1 wörtlich auch nicht Herz, sondern Kehle und es steht dreimal dasselbe Wort. Es heißt da, Jonathans Kehle
verbindet sich mit der Kehle Davids und Jonathan liebt David wie seine eigene Kehle. Oft wird im Deutschen das hebräische Kehle, nephisch, mit Seele übersetzt und es ist sicherlich sinnvoll, diesen gewohnten Begriff auf seinen Ursprung zurückzuführen. Zwischen David und Jonathan geht es ums Ganze, denn der Ort wo der Atem durchläuft, der ist der Ort an dem das Leben sitzt. Es geht ums Ganze einer Lebensbeziehung. Hier spricht die Bibel eindeutig von einem Liebespaar. Wie erotisch diese Verbindung ist, wissen wir nicht. Das wird nicht erzählt. Aber es ist besonders heute und besonders in kirchlichen Kontexten wichtig zu betonen, dass es um Liebe geht. Die Lutherübersetzung verniedlicht an dieser Stelle mit, er gewann ihn lieb. Aber das Hebräische hat, wie auch die Einheitsübersetzung deutlich macht, Jonathan liebte David wie sein
eigenes Leben, wie seine eigene nephisch. Entsprechend wird David in 2 Samuel 1, 26 in der Totenklage um Saul und Jonathan sagen können, wunderbarer war mir deine Liebe als die Liebe von Frauen. Es bleibt aber nicht dabei, dass Jonathan David liebt. Auch Sauls Tochter Michael liebt David. Eine Aussage, die für eine Frau der hebräischen Bibel sehr ungewöhnlich ist. Dazu kommen im weiteren Verlauf des Kapitels noch alle Diener und Dienerinnen Sauls und ganz Israel und Judah. Die Vollständigkeit wird bei beiden Gruppen, den Dienerinnen und dem Volk, durch die hebräische Partikel kol, alle betont. Und zusätzlich stimmen noch die Frauen entsprechend ihrer Rolle als politische Kommentatorinnen ein Siegeslied an. Saul hat 1000 erschlagen, David aber 10.000. David
also der strahlende Held, den der Sohn Sauls liebt, den die Tochter Sauls liebt, den alle Diener und Dienerinnen lieben, den das Volk liebt. Und dann wird auch noch gesungen, Saul hat 1000 erschlagen, David hat 10.000 erschlagen. Mir fällt es total schwer, dieses Kapitel nicht immer wieder aus der Perspektive Sauls zu lesen und zu sagen, oder jedes Mal Mitgefühl zu gewinnen und mir vorzustellen, was für eine Dramatik. Ja, die ganze Familie wendet sich diesem jungen, aufstrebenden Helden zu und auch noch das ganze Volk und Saul muss ja immer noch regieren. Es ist also nicht verwunderlich, dass Saul sich vor David fürchtet. David, der immer mehr Zuwendung von Sauls engster Umgebung auf sich vereint. Alle lieben David. Im Übrigen ist in den Samuelbüchern David selbst an keiner
Stelle aktives Subjekt von Liebe. Er nimmt Liebe entgegen, gibt aber keine Liebe zurück. Gott ist mit David und Michael liebt David. In dieser Formulierung wird deutlich, dass die Zuwendung Gottes zum künftigen König daran abgelesen werden kann, dass diesen die Herzen oder Kehlen aller zufliegen. Die Samuelbücher sind also einfach gute Literatur zunächst einmal. Sie lassen sich zwar einfach lesen, sind aber poetisch durchaus komplex aufgebaut. Das war schon zu merken an der klaren Struktur und der sehr nuancierten Figurenführung. Saul, David und alle Beziehungen, in denen sie stehen, werden differenziert und sowohl mit psychologischem Gespür als auch mit großer politischer Klarsicht entfaltet. Dazu kommen stilistische Differenzierungen, die wohl
am besten an den poetischen Passagen deutlich gemacht werden, die die Samuelbücher auch haben. Und es ist kein Zufall, dass die poetischen Passagen, also die Gedichte, an Schlüsselstellen der Samuelbücher positioniert sind. Nämlich an drei Stellen, die immer Anfänge beziehungsweise markante Übergänge zeigen. Das erste ist das Lied der Hanna in ein Samuel 2, also zu Beginn des ersten Samuelbuchs. An der Grenze zwischen 1 und 2 Samuel findet sich die Totenklage David um Saul und Jonathan. Und das Ende des zweiten Samuelbuchs bildet dann 2 Samuel 22 ein Psalm David. Vor allem das Lied der Hanna und der Psalm David, der auf das Ende der Samuelbücher zuführt,
sind Schlüsseltexte. Und diese beiden möchte ich jetzt etwas näher beleuchten. Hanna, so wird erzählt, ist zwar eine Frau, die von ihrem Mann geliebt wird, wie übrigens auch Rachel in der Genesis von ihrem Mann Jakob, aber sie bleibt über Jahre hinweg unfruchtbar. Ein Schicksal, das sie ebenfalls mit der Rachel der Genesis teilt. Eine andere Ehefrau ihres Mannes aber bekommt mehrere Kinder. Auch das ist in der Genesis ähnlich erzählt mit Jakob und Lea. Auf ihr drängendes Gebet hin wird Hanna nun doch schwanger und gebiert Samuel, den Propheten, der den Büchern den Namen gab. Das Danklied der Hanna, das motivlich im Magnificat der Maria in Lukas 1 aufgegriffen wird, hat ein zentrales Motiv, das mit der Lebenserfahrung Hanna zusammenhängt.
Die Umkehr der gesellschaftlichen Verhältnisse. Ich lese aus der biblengerechten Sprache eine Passage vor und die biblengerechte Sprache verwendet unterschiedliche Begriffe für den Gottesnamen. An dieser Stelle verwendet sie für den Gottesnamen die Heilige. Dann heißt es im Lied der Hanna, die Bogen der Helden zerbrechen und die Strauchelnden rüsten sich mit Stärke. Die Satten müssen sich um Brot verdingen und die Hungrigen kommen zur Ruhe. Sogar die unfruchtbare Gebiet siebenfach und die Kinderreiche welkt dahin. Die Heilige tötet und sie macht lebendig, führt hinab in die Unterwelt und herauf. Die Heilige beraubt und bereichert, erniedrigt und erhöht, richtet Geringe aus dem Staub auf, erhebt Arme aus dem Müll, um sie an die Seite edler zu
setzen. Einen Ehrenplatz gibt ihnen die Heilige zu eigen. Ja, der Heiligen sind die Pfeiler der Erde, gegründet auf ihnen das Erdenrund. In diesem Hanna-Lied steht die Wende von der Unfruchtbarkeit einer Frau hin zu ihrem Kinderreichtum als Symbol für die revolutionäre Umwälzung gesellschaftlicher Verhältnisse. Denn die Frage nach der Elternschaft ist im alten Israel keine Privatangelegenheit, sondern eingebunden in ein soziales System, das auf Nachkommenschaft zielt. Weshalb es übrigens auch selbstverständlich ist, dass ein Mann mehrere Frauen haben kann. Für Frauen und auch Männer in der Bibel ist das Ausbleiben von Kindern ein großes Thema. Für sie steht die Altersvorsorgung auf dem Spiel, aber auch die Anerkennung. Nämlich die Anerkennung dafür,
ihren Beitrag zum Aufbau des Volkes Israel zu leisten. Wenn also Hanna ihr Dankgebet spricht, bleibt sie nicht allein bei sich und ihrem Glück, doch noch schwanger geworden zu sein, stehen, sondern sie bezieht andere ausgegrenzte Gruppen mit ein. Die Hungrigen, die von militärischer Gewalt bedrohten, die Geringen und die Armen erfahren Gerechtigkeit. All das sind Gruppen, die in der Thora, in der Prophetie und auch in Psalter als ausgegrenzte und am Rand stehende Gruppen immer wieder benannt werden und für die immer wieder Gerechtigkeit eingefordert wird. Wenn Arme bedrohte und ausgegrenzte Gerechtigkeit erfahren, dann ist es gesellschaftlich nicht ganz unrealistisch, dass das dazu führt, dass andere Gruppen, satte, kinderreiche Helden,
in der Sprache des Hanalids, ihre Privilegien verlieren. Damit steigt also das Samuelbuch ein und gibt damit eine Perspektive auf das Königtum vor. Auch am Ende der Samuelbücher, nämlich in 2 Samuel 22, kommt noch einmal eine poetische Stimme zu Wort. Es ist David selbst, der Gott für die Rettung aus Todesgefahr dankt. Mit starken Bildern wird der Gott Israels beschrieben als einer, der an der Seite des Königs steht, aber auch an der Seite aller, die in Not sind. Gott als Fels, als Burg, als Zuflucht. Gott führt hinaus ins Weite. Dieser Psalm stellt die engste Verbindung der Samuelbücher zum Psalter dar. Fast exakt wörtlich steht hier der gleiche Psalm in den Samuelbüchern wie im Psalter im Psalm 18. Von den 150 Psalmen im hebräischen Psalmenbuch tragen
73 eine Überschrift, die auf David verweist. Es ist zwar umstritten, wie das Wort le David zu übersetzen ist, ob für David, von David oder in Bezug auf David. Deutlich wird aber, dass der Musiker David, der in 1 Samuel 16 die Melancholie Sauls vertreibt, und der religiöse David, der immer wieder in den Samuelbüchern als Gottesdeuter auftritt, irgendwann in der Geschichte der biblischen Texte ganz eng mit dem Psalter verbunden wird. So eng, dass man um die Zeitenwende, also um die Zeit, die dann auf Jesus auch hinführt, dass man da alle Psalmen auf David zurückgeführt hat. Bei le David geht es nicht um eine Autorenangabe im gegenwärtigen Sinn, sondern eher darum,
dass diese 73 Psalmen mit dieser Überschrift in der Stimme Davids gebetet werden. Alle weiteren Psalmbeter und Beterinnen identifizieren sich also mit König David und beten mit seiner Stimme die Psalmen. Von diesen 73 Überschriften sind 13 mit einer biografischen Situation Davids verbunden, und das erhöht das Identifikationspotenzial. Im Fall von Psalm 18, parallel 2 Samuel 22, ist die Überschrift, an dem Tag, als ihn David Adonai aus der Hand all seiner Feinde und aus der Hand Saul's errettet hatte. Und damit ist keine einzelne Situation gemeint, sondern etwas, das David immer wieder geschieht. Immer wieder wird David von Gott aus tiefster Not errettet. Die
beiden poetischen Texte am Anfang und am Ende, das Lied der Hannah und der Psalm Davids, umfassen die Samuelbücher und geben ihnen nicht nur eine besondere stilistische Note, sozusagen ein bisschen Abwechslung aus dem Erzählfluss, sondern geben ihnen auch einen hermeneutischen Rahmen, also einen Deutungsrahmen. Sie sind Deutihilfen, die Perspektiven auf die gesamte Erzählung werfen wollen. Sie geben den Samuelbüchern einen theopolitischen Rahmen. Zwei Themen werden in den Gedichten stark gemacht, auf deren Hintergrund die gesamten Erzählungen der Samuelbücher zu lesen sind. Und beide haben mit dem Königtum als neuer politischer Größe in Israel zu tun. Erstens, das Hannah-Lied stellt die Machtfrage und verbindet sie mit der der Suche nach Gerechtigkeit.
Auch wenn das Lied selbst das Thema Gerechtigkeit nicht explizit auf das Königtum bezieht, wie etwa Psalm 72 das macht, so stellt dieses Lied doch die Forderung nach gerechten sozialen Verhältnissen in der Erhöhung der Armen und in der Erniedrigung der Satten. Und das Wohlergehen der Armen wird thematisiert, noch bevor der König die Bühne der erzählten Welt betritt. Die Verbindung von Gerechtigkeit und Königtum ist im gesamten Alten Orient und im antiken Ägypten so stark geprägt, dass sie auch in der biblischen Erzählkunst immer wieder mitgehört wird. Hannahs Lied erinnert daran, dass die Suche nach Gerechtigkeit noch vor der Etablierung aller Herrschaftsformen steht und dass sich also jeder König daran zu messen haben wird, inwiefern er es versteht, den Armen, Hungern und Schwachen zu ihrem Recht zu verhelfen. Also erstens die
Machtfrage. Zweitens, der David Psalm stellt das Königtum in eine enge Verbindung zum Gott Israels. Alle seine Macht wird auf den Gott Israels zurückgeführt. Die Frage nach dem Königtum, aber auch die Beurteilung des Königs wird immer im Licht des Glaubens Israels gemacht. Der König versteht sich als einer, der auf Gott verwiesen ist, der seine Herrschaft nicht von sich selbst hat. Dieses Idealbild zeigt der Psalm in 2 Samuel 22. Aber er zeigt es in einer erzählten Umgebung, die deutlich macht, dass David selbst an diesem Anspruch immer wieder scheitert. 2 Samuel 22, der Psalm führt die Herrschaft David auf Gott zurück, rundherum aber benehmen sich Könige sozusagen daneben. In 2 Samuel 21 führt eine lange zurückliegende Schuld Saul zu einer
Hungersnot. In 2 Samuel 24 führt eine Schuld Davids zu einer Pest. Wenn also der König sich nicht entsprechend der Thora und Gerechtigkeit bemüht, so die erzählerische Umgebung, ist doch der Beter David derjenige, der immer wieder die Gerechtigkeit und die Nähe Gottes sucht. Die Anfragen, die die Samuel-Bücher an die Herrschaftsform des Königtums stellen, reichen aber weitaus tiefer als die Kritik an einzelnen königlichen Handlungen. In den Samuel-Büchern wird nicht nur Königtum etabliert, sondern auch die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob das überhaupt eine sinnvolle Herrschaftsform für Israel ist. Kann die Gesellschaft Israels, die ihre Wurzeln in der Exodus, also in der Befreiungserfahrung aus Ägypten hat, kann eine solche Gesellschaft von einem König regiert werden? Kann die Aufgabe,
die Israel in dieser Welt hat, nämlich im Anschluss an den Auszug aus Ägypten die gerechte Thora im Land zu verwirklichen, kann das mit einem König an der Spitze funktionieren? Die Samuel-Bücher geben darauf keine eindeutige Antwort. Sie sind darin ambivalent und in dieser Ambivalenz aber sehr deutlich und in einzelnen Texten sogar extrem königskritisch. Und diesen einen Text will ich etwas ausführlicher vorstellen, nämlich 1 Samuel 8, wo es überhaupt darum geht, dass das Volk einen König verlangt und unter welchen Bedingungen es diesen dann bekommt. Dieser Schlüsseltext in 1 Samuel 8 zeigt, wie der alte Prophet und Richter Samuel seine Söhne als Nachfolger einsetzen will. Und wie schon die Söhne des Priesters Eli, erweisen sich diese als
unangemessenen Nachfolger, denn sie lassen sich bestechen und beugen das Recht. Das Volk verlangt einen König, weil wir wollen regiert werden wie kol hagojim, wie alle Völker, also durch einen König. Die Antwort Gottes ist als Handeln eindeutig, verbal aber spiegelt sie die gesamte Ambivalenz des Königtums wieder. Ich zitiere aus 1 Samuel 8, Gottes Wort an Samuel, hör auf die Stimme des Volks in allem, was sie zu dir sagen. Denn nicht dich, Samuel, haben sie verworfen, sondern mich, Gott, haben sie verworfen. Ich soll nicht mehr ihr König sein. Das entspricht ganz den Taten, die es von dem Tag an, da ich sie aus Ägypten heraufgeführt habe, bis zum heutigen Tag getan
haben. Sie haben mich verlassen und anderen Göttern gedient. So machen sie es nun auch mit dir. Doch hör jetzt auf ihre Stimme, warne sie aber eindringlich und mach ihnen bekannt, welche Rechte der König hat, der über sie herrschen wird. Samuel teilte dem Volk, das einen König von ihm verlangte, alle Worte Adonais mit. Er sagte, das werden die Rechte des Königs sein, der über euch herrschen wird. Er wird eure Söhne holen und sie für sich bei seinen Wagen und seinen Pferden verwenden, und sie werden vor seinem Wagen herlaufen. Eure Töchter wird erholen, damit sie ihm Salben zubereiten und kochen und backen. Eure besten Felder, Weinberge, Ölbäume wird er euch wegnehmen und seinen Beamten geben. Von euren Äckern und Weinbergen wird er den Zehnten erheben und
seinen Höflingen und Beamten geben. Ihr selber werdet seine Sklaven sein. An jenem Tag werdet ihr wegen des Königs, den ihr euch erwählt habt, um Hilfe schreien, aber der Herr wird euch an jenem Tag nicht antworten. Doch das Volk wollte nicht auf Samuel hören, sondern sagte, nein, ein König soll über uns herrschen. Auch wir wollen wie andere Völker sein. Unser König soll uns Recht sprechen. Er soll vor uns herziehen. Er soll unsere Kriege führen. Samuel hörte alles an, was das Volk sagte, und trug es dem Herrn vor. Und der Herr sagte zu Samuel, hör auf ihre Stimme und setz ihnen einen König ein. Sehr realistisch wird in dieser Passage beschrieben, wie ein König agieren wird. Er wird sich zunächst mal militärisch hochrüsten. Wagen und Pferde, das sind sozusagen die Panzer des alten Orients. Und wenn in der Bibel Pferde nicht gemocht werden, dann hat das nichts mit der Ablehnung einzelner Tiersorten zu tun, sondern
dann ist das eine Waffenkritik. Also die Söhne werden vor den Wagen herlaufen. Genau das wird der Abschaller und dann tun, wenn er seinen Aufstand gegen seinen Vater beginnt. Die Töchter werden dazu benutzt, sozusagen den königlichen Haushalt zu bestellen. Und die landwirtschaftlichen Güter, die werden auch eingezogen und den eigenen Beamten zur Verfügung gestellt. Und trotzdem, trotz dieser eindringlichen Warnung, bleibt das Volk dabei. Wir wollen sein wie alle anderen. Wir brauchen jetzt auch einen König, der erstens Recht spricht und zweitens uns in den Krieg führt. Es werden hier in 1 Samuel 8 sehr klare Verbindungslinien zur Tora, also zum Pentateuch gezogen. Zunächst wird das Exodus-Narrativ aufgerufen. Die Abwendung des Volks weg vom Gott Israels besteht seit den Tagen des Auszugs aus Ägypten. Und genau dorthin, nämlich nach Ägypten, werden die Israeliten und
Israelitinnen zurückkehren, wenn sie einen König über sich einsetzen. Sie werden, so heißt es, seine Sklaven und Sklavinnen sein. Also genau in der gesellschaftlichen Rolle landen, aus der Gott sie im Auszug aus Ägypten befreit hat. Trotzdem soll der Wunsch nach einer Königsherrschaft erfüllt werden und wird umgehend mit der Salbung Sauls umgesetzt. Sehr klar sichtig erkennen die biblischen Texte, dass Herrschaft, das Macht zu ihrem Missbrauch verführt. Und die Bibel ist in der Begrenzung dieser Herrschermacht rigoroser als andere altorientalische Kulturen. Anders als etwa den Assyrern, Babyloniern und Persern, also den großen und wirklich mächtigen Völkern des antiken Orient, ist es nicht der König, der Recht und Gesetze einsetzt, auch nicht der König im
Auftrag einer Gottheit, sondern Gott selbst setzt, vermittelt durch seinen Propheten Mose, die Tora als Gesetz ein. Deshalb, so das Konzept, steht der König nicht über, sondern unter dem Gesetz. Es gibt in der Thora im Deuteronomium im Kapitel 17 einen Abschnitt des Königsgesetzes, der das sehr deutlich macht und übrigens in ähnlichen Bildern entwickelt wie 1 Samuel 8. Deuteronomium 17 warnt vor einem König, der das Volk nach Ägypten zurückbringt. Also genau das, was 1 Samuel 8 ankündigt. Ja, ihr werdet Sklaven sein. Deshalb soll, so das Königsgesetz im Deuteronomium, jeder König eine Abschrift der Thora besitzen und sein Leben lang darin lesen. Auch die Samuelbücher wissen darum, dass Herrschaft anfällig für Missbrauch ist. Und sie haben, die Erzähler,
Erzählerinnen der Samuelbücher, haben solchen Herrschaftsmissbrauch durch die Könige Israels und Judas auch schon erfahren. Und wie solcher Machtmissbrauch durchgeführt wird, das erzählen sie paradigmatisch und zwar am größten aller Könige, an David. Das ist natürlich auch eine eigene Größe, ja den größten der Könige zu nehmen und an ihm paradigmatisch den Machtmissbrauch zu erzählen und nicht an irgendeinem Randkönig, der nichts ausmacht. Also mit David geht es echt ans Zentrum. Und wenn man im Zentrum sozusagen dessen, was man für groß erachtet, und das zieht sich, ich werde es gleich zeigen, bis ins Neue Testament hinein, die Machtkritik positioniert, dann zeigt man ja, wir brauchen irgendwie einen Herrscher, aber es ist immer auch gefährlich. In den Samuelbüchern wird diese Machtkritik an der Wurzel situiert, nämlich dort, wo die
Herrschermacht sich gründet, in der Dynastie. Es werden viele Geschichten erzählt, in denen Frauen im Fokus stehen. Und ganz wichtig sind die Frauen, die zu Davids Umfeld gehören. Über diese Frauengestalten wird das Thema Familie, das bedeutet im Kontext des Königtums, das Thema dynastische Herrschaft verhandelt. Während die Biografien der großen Männer Saul und David die Struktur der Samuelbücher prägen, sind Frauen zwar fast durchgängig präsent, aber eher fragmentiert. Die britische Exegetin Cheryl Axam hat von den fragmented women, den fragmentierten Frauen, gesprochen. Die Geschichten dieser Frauengestalten mögen fragmentiert erzählt sein. Die Frauen selbst mögen nicht im Zentrum des Interesses stehen, aber trotzdem sind die Themen, die über die Frauengestalten verhandelt werden, zentral für die Samuelbücher und ihre Darstellung des
Königtums und auch von König David. Diese Themen sind die Verbindung von Herrschermacht, Männlichkeit und Sexualität. In Bezug auf das österreichische Habsburger Reich hat es einen Spruch gegeben. Mögen andere Länder Kriege führen, du glückliches Österreich heirate. Tu Felix, Austria nube. Also Heiratspolitik als Mittel, Kriege abzuwehren. Diesen Spruch könnte man auf David hin abwandeln. Tu Felix, David nube. Du glücklicher, David heirate. David hat das zwar nicht als Alternative zum Krieg führen betrieben, aber doch auch als Teil seiner Politik. Seine Herrschaft ist sowohl von Kriegen als auch vom Heiraten geprägt. Manchmal, wie in der Erzählung über David Batschieber und Uria, sogar von der Verstrickung zwischen Sexualität, später Heirat und dann Krieg. Davids Herrschaft jedenfalls verdankt sich nicht nur
seiner kriegerischen Durchsetzungskraft, sondern auch kluger Heiratspolitik. Die erste Frau, Michael, verbindet ihn mit der Linie seines Vorgängers Saul. Und gleichzeitig sorgt die Kinderlosigkeit Michaels, für die David nach 2 Samuel 6 sorgt, dafür, dass die Linie Sauls nicht weitergeführt wird und damit Saul nicht zu einer Dynastie wird. Die nächste Frau, Abigail, 1 Samuel 25, verbindet David mit der judäischen Landbevölkerung. Diese kluge Frau verhindert, dass David aus Zorn über ihren Ehemann Nabal, der nicht bereit ist, David und seine Truppe zu versorgen, einen Massaker anrichtet. Ihre Heirate sichert David die Loyalität der zugehörigen Bevölkerungsgruppe. Und auch Batschieber, jene Frau, die David einfach zu sich kommen lässt, obwohl ihr Ehemann für seinen König gerade im Feld kämpft, diese Frau ist mit einem politischen
Machtgewinn verbunden. Sie steht für Jerusalem, das zu dieser Zeit in der Erzählung gerade erst dabei ist, sich als Stadt Davids zu etablieren. Gerade Batschieber aber steht nicht nur für einen Zugewinn an Macht, sondern auch für einen Bruch und einen Wendepunkt in der Davidsbiografie. Dass David sich dieser Frau bemächtigt und ihren Ehemann im Kampf töten lässt, ist so etwas wie der Sündenfall Davids. Bis dahin, bis 2 Samuel 11, wird von seinem Aufstieg erzählt. Seine Macht etabliert sich. Aber an dem Punkt sozusagen seiner größten Macht, wo er dann auch noch die Frau seines Feldherrn zu sich nimmt und diesen Feldherrn töten lässt, ab diesem Zeitpunkt an geht es mit
Davids Macht bergab. Die Geschichte von David, Batschieber und Uria, meistens in den Bibeln als die Geschichte von David und Batschieber überschrieben, es ist aber eine Dreiergeschichte, auch vom Anteil der Erzählung her, es geht um David, Batschieber und Uria, bis hinein in die Popkultur bekannt. Ich möchte Ihnen jetzt einen Auszug aus einem Stück vorspielen, das Sie alle sicherlich kennen, manche von Ihnen oder die meisten von Ihnen wahrscheinlich in einer anderen Version als der Ursprungsversion, jedenfalls der Autor und Komponist dieses Stücks, das ist Leonard Cohen und in dieser Version möchte ich Ihnen zumindest die ersten Passagen vorspielen, in denen es auch um David und Batschieber geht. Leonard Cohen führt uns hier David zunächst einmal als Musiker vor. A Secret Chord komponiert er, the fourth, the fifth, er geht auf die Quart und Quint und Leonard Cohen bringt damit David
genauso auf die Bühne, wie das die Bibel in 1 Samuel 16 und 17 tut. Und dann springt er aber sofort zur dramatischsten Situation im davidischen Leben, nämlich er sieht Batschieber. Cohen, der sich in seiner hebräischen Bibel auskennt, verbindet allerdings Batschieber mit einer zweiten Frau aus dem Buch der Richter, nämlich mit Delila, das ist diejenige, die Samson die Haare schneidet. Und er verquickt sozusagen Batschieber und Delila zur, ja, an der Wende zum 20. Jahrhundert hätte man femme fatale gesagt, also eine klassische femme fatale, ja, die ist irgendwie gefährlich und die
bindet einen sogar in den Küchenstuhl, ja, selbst den König und raubt ihm seinen Thron. Und auch wenn dieses Klischee vielleicht, ja, nicht vielleicht, auch wenn dieses Klischee überzogen ist, so steckt doch vieles von dem drinnen, was auch im Erzählverlauf mit David hier passiert. Allerdings macht Cohen Batschieber zu einem Subjekt, dass sie in der biblischen Erzählung an keiner Stelle ist. Ja, das beginnt damit, dass Batschieber auf dem Dach ist im Stück von Leonard Cohen. He saw her basing on the roof. Sie ist nicht auf dem Dach in der biblischen Erzählung, er ist auf dem Dach, er geht nämlich auf dem Dach spazieren, übrigens auf Hebräisch das gleiche Wort mit dem Gott im Garten Eden spazieren geht. Halachit-Bael ist so zielos vor sich hin strollen, ja, während die ganzen Leute im Feld sind und für David kämpfen, wie übrigens alle Könige im Feld sind und kämpfen, so die
Einleitung zur Zeit Samuel 11, benimmt sich David genau, also er verhält sich einfach nicht als König, er geht auf dem Dach spazieren. Und vom Dach aus sieht er eine Frau, die sich wäscht. Aus dieser erhobenen Position sieht er eine schöne Frau, begehrt sie, lässt sie zu sich holen, schläft mit ihr, obwohl er weiß, er fragt danach, er weiß, dass sie die Frau eines seiner Soldaten ist. Batschieber wird schwanger, obwohl ihr Mann nicht zu Hause ist, das verkompliziert natürlich die Situation und als David davon erfährt von dieser Schwangerschaft, lässt er Uriah aus dem Feld zu sich holen und versucht ihn in sein Haus hin abzuschicken, natürlich um ihm sozusagen die Schwangerschaft unterzuschieben, aber Uriah, sozusagen ganz treuer Soldat, sagt, meine Leute schlafen im Feld, ich gehe nicht nach Hause. Also er distanziert sich von diesem Plan, der Plan geht
nicht auf und David lässt ihn umbringen. Die Erzählung endet mit einem ganz klaren Urteil, nämlich die Sache aber, die David getan hatte, war böse in den Augen Adonais, 2 Samuel 11, 27. Aber was genau ist die Sache? Die Erzählung bleibt da vage. Das negative Urteil kann sich sowohl auf die Tötung des Uriah beziehen, als auch darauf, dass David sich der Frau eines anderen bemächtigt hat. Aus heutiger Sicht würden wir mit Blick auf David und Batschieber wohl von einer Vergewaltigung sprechen. Zu asymmetrisch sind die Machtverhältnisse, als dass Batschieber zu irgendeinem Moment des erzählten Geschehens hätte Nein sagen können. Hat sie es gewollt, gar darauf angelegt, indem sie sich David nackt gezeigt hat? Wer diese These vertritt und sie wird vertreten, argumentiert oft mit der Fortsetzung der Geschichte in 1 Könige 1 bis 2. Da sorgt
Batschieber gemeinsam mit dem Hofpropheten Nathan dafür, dass ihr Sohn Salomo Thronfolger wird. Aber von der Erzählung rund um den Davids Tod in Könige 1 bis 2 kann man nicht einfach auf 2 Samuel 11 rückschließen und sagen, die Frau war immer schon machtbewusst, die hat es einfach darauf angelegt, Frau des Königs zu werden. Batschiebers Motivation in 2 Samuel 11 bleibt gänzlich im Dunkeln. Die Erzählung ermöglicht keinen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt Batschiebers, sie hat eine einzige Handlung, einen einzigen Satz, sie schickt zu David und sagt, schwanger bin ich. Aber wir erfahren überhaupt nicht, was in ihr vorgeht. Wir erfahren von Davids Blick, von seinem Begehren, von seiner Macht es zu stillen, indem er diese Frau einfach zu sich kommen lässt. Aber
Batschiebers Perspektive bleibt gänzlich verschlossen. Der Text benennt das, was David Batschieber antut, nicht als sexualisierte Gewalt. Er setzt aber Batschieber schutzlos den Blicken und Spekulationen der LeserInnen über die Jahrtausende hinweg aus. Das bestätigen die Entwicklungen in der bildenden Kunst, wo zunächst David und Batschieber sozusagen gleich groß dargestellt werden. Und dann wird David immer kleiner und gerät immer weiter in den Hintergrund, bis er dann etwa bei Rembrandt ganz aus dem Bild verschwindet und sozusagen durch den Betrachter vor dem Bild ersetzt wird. Hier wird Gewalt nicht in der Welt des Texts ausgeübt, sondern mit den Mitteln der Darstellung. Batschieber wird ganz zum sexuellen Objekt, den Blicken tausender LeserInnen und Museumsbesucher und Besucherinnen preisgegeben. Dass die Bibel sehr wohl sexualisierte Gewalt kennt
und auch verurteilt, wird in den Kapiteln deutlich, die auf die Erzählung von David Batschieber und Uriah folgen. Unmittelbar auf den Satz, die Sache aber, die David getan hatte, war böse in den Augen Gottes, wird erzählt, wie der Prophet zu Nathan kommt und ihm vor Augen führt, dass sein Verhalten Konsequenzen haben wird. In der berühmten Parabel vom reichen Mann, dem reichen Mann, der dem armen Mann sein einziges Lamm wegnimmt, um es seinen Gästen vorzusetzen, hält er David einen Spiegel vor. Denn dieser nimmt Urias Frau Batschieber, obwohl er schon andere Frauen hat, oder in der prophetischen Terminologie Gott hat ihm Frauen gegeben, ebenso wie das Königtum über Israel und Judah. Die Konsequenzen für die Tat, die
Nathan David ankündigt, stellen eine Entsprechung zu den Taten Davids her. Das Unheil wird aus seiner eigenen Familie gegen ihn aufsteigen. Es wird sexualisierte Übergriffe beinhalten, weitere Gewalttaten innerhalb der Familie, dem Haus Davids werden folgen. Damit wird die gerade erst entstehende Dynastie an ihren Wurzeln beschädigt. Da heißt es in der Nathans Prophetie, darum soll das Schwert nicht mehr von deinem Haus weichen. Diese prophetische Unheilsankündigung wird in der Erzählung umgehend verwirklicht. Die Vergewaltigung der Davids Tochter Thama durch ihren Bruder Amnon folgt unmittelbar auf die Erzählung von David, Batschieber und Uria und Nathans Unheilsankündigung. Anders als in 2 Samuel 11, der Geschichte von David, Batschieber und Uria, wird die Vergewaltigung der Thama auch von der Erzählung als solche benannt.
Thamas Bruder Amnon begehrt sie. Er lässt sie mit Hilfe einer List zu sich kommen und gegen ihren klar argumentierenden verbalen Widerstand vergewaltigt Amnon seine Schwester. Sie hatte sich mit den Worten, so etwas tut man nicht in Israel, verteidigt und damit auch deutlich gemacht, dass sie auf der Seite des Äthos Israels steht, ihr Bruder hingegen dieses übertritt. Amnon vergewaltigt sie und schickt seine Schwester anschließend auf die Straße, wo sie die Gewalttat öffentlich macht. Ihr anderer Bruder Abschalom fordert Thama zum Schweigen auf und er nimmt sie in sein Haus, wo sie lebendig begraben ist in biblischer Terminologie, sie verdorrt im Haus ihres Bruders. Man kann aus dieser Erzählung sehr viel lernen. Ich will zwei Aspekte hervorheben.
Erstens, der Schweigebefehl Abschaloms an Thama spricht nicht darüber, denn dein Bruder ist er. Dieses Schweigebefehl wird zwar in der Welt der Erzählung befolgt, Thama spricht nicht mehr, aber es ist doch die Erzählung selbst, die das Schweigen bricht. Der biblische Text also formuliert ein Schweigegebot, das er selbst bricht und die sexualisierten Gewalttaten öffentlich macht. Sie können sich vorstellen, dass ich als katholische Theologin nach den letzten 13 Jahren mit dieser Erzählung natürlich sehr viel anfangen kann. Also mit einer Erzählung, die das Schweigen über sexualisierte Gewalt gezielt bricht und immer in Erinnerung hält, dass Schweigegebote zwar für eine Zeit funktionieren mögen, aber das auf Dauer nicht tun. Das war das erste, der gebrochene
Schweigebefehl. Das zweite, diese Erzählung führt sehr deutlich vor Augen, dass sexualisierte Gewalt immer in Systeme von Macht und Herrschaft eingebunden ist. Es bedarf der Zusammenarbeit mehrerer Männer, um Thama zunächst ihren Bruder auszuliefern und dann endgültig zum Schweigen zu bringen. Davids Rolle dabei ist extrem unrühmlich. Zunächst ist er es, der Thama in das Haus ihres Bruders schickt. Und man kann natürlich ein bisschen spekulieren, hat er nicht ahnen können, weiß ich nicht, steht nicht da. Jedenfalls, er schickt sie in das Haus des Bruders. Aber dann, als er von der Vergewaltigung erfährt, wird er zwar zornig, tut aber nichts. Ist für einen König unangemessenes Handeln. Das fällt schon der griechischen Bibelübersetzung auf, der Septuaginta. Im hebräischen Text heißt es noch, David wurde sehr zornig. Punkt. In der griechischen Übersetzung heißt es, der König David hörte von all diesen Dingen und wurde richtig zornig. Aber er wollte
den Geist Amnons, seines Sohnes, nicht betrüben, denn er liebte ihn, weil er sein Erstgeborener war. Also schon die griechische Bibelübersetzung findet es erklärungsbedürftig, dass David zwar von der Vergewaltigung seiner Tochter hört, aber nichts tut. Und es ist dieses merkwürdig Unentschiedene und dadurch Ungerechte nicht Handeln des Königs David an seinen Söhnen, das ihn und sein Königtum in ein schlechtes Licht rückt. Verbunden mit seiner eigenen Schuld, die ihren Kulminationspunkt in der David-Batsch über Uriah-Erzählung gehabt hat. Warum aber gehen die Samuel-Bücher so ausführlich auf die Familiengeschichten ein? Auf etwas, das wir eben seit dem 19. Jahrhundert primär dem privaten Bereich zuordnen würden. Was interessiert an diesem Thema? Im ersten Testament gibt es zwei
Textbereiche, für die das Thema Familie zentral ist. Die Erzeltern-Erzählungen der Genesis, also die Erzählungen um Abraham, Sarah und ihre Nachkommen bis zu den zwölf Söhnen Jakobs als Stammväter der zwölf Stämme Israels. Das ist der erste Textbereich und die Grazer Bibelwissenschaftlerin Irmtraut Fischer hat für diesen Erzählzusammenhang nachgewiesen, dass dort, Zitat, Volksgeschichte als Familiengeschichte erzählt wird. Also eben keine privaten Geschichten, sondern politische Familiengeschichte. Ähnliches gilt für die Erzählung der Samuel-Bücher. Die erste dynastische Familie, nämlich die Familie Davids, wird als gebeutelt von Herausforderungen dargestellt. Die Urschuld Davids setzt sich im Handeln seiner Söhne fort. Seine Inbesitznahme Batschebas wird fortgesetzt
in der Vergewaltigung Tamers durch ihren Bruder Amnon. Und auch in der Vergewaltigung von zehn Nebenfrauen auf dem Palastdach, das Dach kommt wieder vor, also in aller Öffentlichkeit durch den Sohn und militärischen Gegner Abschalom. Davids Tötung des Uria wird fortgesetzt in der Ermordung Amnons, des Vergewaltigers durch seinen Bruder Abschalom und in dessen Aufstand gegen seinen Vater. Mit dieser Perspektive auf das dynastische Königtum wird eine ambivalente, ja eigentlich kritische Haltung gegenüber dem Königtum, die wir ja bereits in 1 Samuel 8 beobachten konnten, erzählerisch fortgesetzt. Da wo man eigentlich die Stabilität der Herrschaft vermuten sollte, nämlich in der Nachfolge des Königs durch seinen Sohn, zeigt die biblische Darstellung die Brüchigkeit einer solchen Idee. Aber dabei bleiben weder die Samuel-Bücher noch die biblische
Darstellung der davidischen Dynastie insgesamt stehen. Zur Komplexität der Davidsgestalt, die sich nicht auflösen lässt, gehört nämlich auch, dass gar nicht gesagt werden kann, ist der David jetzt eigentlich ein Guter oder ein Schlechter? Ist er ein guter Herrscher, ein schlechter Herrscher, ist er ein guter Mensch oder ein böser Mensch? Er ist sowohl als auch. Er ist sowohl der Erwählte, er ist sowohl der Gesalbte, er ist derjenige, der Gott besonders nahe kommt, aber er ist auch derjenige, der seiner großen Aufgabe, gerechter Herrscher zu sein, überhaupt nicht gerecht wird. Diese Ambivalenz der Davidsfigur lässt sich gut an den beiden großen Begegnungen mit dem Propheten Nathan zeigen. Propheten stehen in der Bibel immer für die Begegnung mit dem Göttlichen, sie sind Mittlergestalten. Die eine Begegnung, 2 Samuel 12, im Anschluss an die David-Batsche-Bauria Erzählung, habe ich bereits ausgeführt. Sie zeigt Nathan als denjenigen, der David seine
Konsequenzen aus negativem Handeln aufzeigt. Das Schwert wird niemals von deinem Haus weichen. Aber es gibt auch eine andere Szene in 2 Samuel 7, eine andere große prophetische Szene, in der es auch um das Haus geht. Allerdings dort zunächst in einem anderen Sinn, nämlich im Sinn des Gebäudes. David will, so beginnt die Erzählung, Gott einen Tempel bauen. Aber Gott lehnt das ab. Erst Davids Sohn Salomo wird der Tempelbauer sein. Das ist für altorientalische Verhältnisse extrem erklärungsbedürftig, weil zu einem König gehört nicht nur, dass er Gerechtigkeit herstellt, sondern auch, dass er Tempel baut. Und in der Nathan-Erzählung wird dann Davids Tempelprojekt sozusagen umgelenkt. Da heißt es dann, nun verkündet dir Adonai, dass er dir ein Haus bauen wird. Damit spielt der Text
mit der Doppelbedeutung des Begriffs Haus. Es soll nicht David derjenige sein, der Gott ein Haus, einen Tempel baut, sondern umgekehrt, Gott wird David ein Haus, also eine Dynastie bauen. Nichts Geringeres als der ewige Bestand des Königstrons Davids wird in 2 Samuel 7 durch den Propheten verheißen. Ewiger Bestand des Königstrons und ewige Gewalt im Haus. Beides durch Nathan angekündigt. Geht das zusammen? Offenbar legt die Erzählung der Samuel-Bücher in ihrer jetzt vorliegenden Gestalt großen Wert darauf, dass genau das zusammengeht. Das Gott gewollte, gesegnete, für das Volk positive und das Versagen, die Schuld, die Königskritik. In der Geschichte der Bibelwissenschaft hat es viele Versuche gegeben, diese beiden Seiten der Davidsgestalt
literarisch aufzulösen. Man hat versucht, die positiven und negativen Urteile über David auf unterschiedliche literarische Schichten der Samuel-Bücher zu verteilen. Und es ist zwar unbestritten, dass die Samuel-Bücher nicht aus einer Hand geschrieben sind und dass sie literarisch über Jahrhunderte gewachsen sind, aber so ein einfaches Die Guten ins Töpfchen, Die Schlechten ins Kröpfchen funktioniert überhaupt nicht, wenn man die Samuel-Bücher liest. Sie sind gewachsene Literatur, aber die Verbindung zwischen positiver und negativer Darstellung, die ist von Anfang an gegeben. Beide Aspekte der davidischen Herrschaft müssen miteinander verbunden werden und bleiben das auch in den weiteren biblischen Schriften, die sich auf die Davidsgestalt beziehen. Nicht alle biblischen Schriften bleiben allerdings in dieser Ambivalenz. Da haben wir zum Beispiel die
Chronikbücher, die das Ganze noch mal erzählen, allerdings ausschließlich positiv. Da kommt David nur gut weg. Er ist der Ahnherr der Tempelmusik, er steht an der Basis des Kult. David Batscheva Uria wird nicht erzählt, Abschall um Aufstand wird nicht erzählt. Also alles, was ein kritisches Licht auf die Herrschaft werfen sollte, wird in den Chronikbüchern ausgelassen. Die haben eine andere Tendenz als die Samuel-Bücher. Im Psalter hingegen kann man gerade schon vom Gegenteil sprechen. Da ist es für den alten Orient wirklich völlig merkwürdig, gerade die vulnerable, die zerbrechliche, die sündige, die verzweifelte Seite eines Königs, die zum Ausdruck kommt. Trotz aller Brüche kann die Davidsdynastie in nachexilischer und hellenistischer Zeit zur Hoffnungsfigur werden. Und diese Hoffnungsperspektive, in die schreibt sich dann auch das Neue Testament ein, erzählerisch,
indem es die Geburt Christi in Bethlehem lokalisiert. Also in dem Ort, aus dem David kommt. Und wenn Sie sich die Landkarte Israels mal anschauen, dann ist Hochschwanger zu Fuß zwischen Nazareth und Bethlehem extrem mühsam. Also wirklich eine Zumutung. Aber der Gesalbte muss in Bethlehem zur Welt kommen, weil gehört zur Davidsdynastie, dass Bethlehem eine Rolle spielen muss. Und auch der Stammbaum des Matthäus, mit dem ja immerhin unser Neues Testament beginnt, führt Jesus über seinen sozialen Vater Josef zurück auf Abraham und David. Interessant an dieser Stelle finde ich, dass der Stammbaum des Matthäus Salomo einführt und zwar über Dides Uria. Man hätte jetzt auch Batschelbers sagen können. Aber mit Dides Uria hält der Stammbaum des Matthäus sozusagen die
Schuldgeschichte Davids präsent. Das heißt, auch im Neuen Testament wird die Ambivalenz der Davidsfigur und der Davidsdynastie bis in den Stammbaum Jesu hinein fortgeschrieben. Sonst hätte eine andere Wortwahl nehmen können. David also ist als hochambivalente, schwierige Gestalt beschrieben. Abigail's Mann fragt in 1 Samuel 25, wer ist David? Wer ist der Sohn des Jesu? Und die Samuelbücher beantworten diese Frage nicht eindeutig. Wenn man Samuel Ausleger und Auslegerinnen fragt, dann ist der Satz, ja, David ist eine komplexe Gestalt, vielschichtig und man kann sich eigentlich nicht entscheiden. Der kommt sicher spätestens als dritter oder vierter Satz, weil es so ungewöhnlich ist, dass ein altorientalischer Herrscher so, ja, auch so kritisch erzählt wird. Ist das deshalb so,
weil David historisch so viele Ecken und Kanten hatte? Wir wissen es leider nicht. Wie sieht es denn mit dem historischen David aus? Wie kann man überhaupt mit den Samuelbüchern historisch zurückfragen? Wie ist das gewesen mit den Anfängen des Königtums in Israel und Judah? In der historischen Rekonstruktion ist man sehr vorsichtig mit dem Quellenwert der biblischen Erzählungen der Samuelbücher. Umso wichtiger ist es auch außerbiblische Zeugnisse zu befragen. Was ist eigentlich in diesem zehnten Jahrhundert? Was ist eigentlich los in der Zeit, in der die Bibel David lokalisiert? Die Entstehung des Königtums kann man in dieser Zeit etwa verorten und man kann es vor allem mit zwei außerbiblischen Befunden in Verbindung bringen. Erstens, es gibt eine massive
Bedrohungslage von außen. Die sogenannten Seevölker, also Menschen, die aus dem griechischen Raum nach Israel, Palästina kommen, sie stellen eine militärische Bedrohung dar. Bibelisch stehen die Philister für die Seevölker. Und eine solche militärische Bedrohung verlangt danach, dass man schnell und konzertiert handeln kann. Also wenn man da jedes Mal zwölf Stämme mühsam irgendwie sammeln muss, wird das schwierig. Und ein König soll, das haben wir auch in 1 Samuel 8 gehört, ein König soll Kriege führen, das heißt er soll schnell auf Bedrohung reagieren können. Die Bedrohungslage also fordert sozusagen ein schnelles Handeln und man kann archäologisch, das ist der zweite Punkt, feststellen, dass mehrere Kleinstaaten in diesem Gebiet entstehen. Das kann
man archäologisch daran erkennen, dass es immer mehr Siedlungen gibt, die Zentralbauten aufweisen, also etwa größere Tempel oder größere Versammlungsorte und daraus kann man schließen, dass mehr Verwaltung notwendig ist. Jerusalem zum Beispiel wird in dieser Zeit stärker ausgebaut, ob das mit der Person David zusammenhängt, ist umstritten, aber es ist nicht ganz unwahrscheinlich. Umstritten ist auch die Ausdehnung des davidisch-salomonischen Großreichs. Das Maximum wäre sozusagen die biblische Vorstellung eines Großreichs bis an den Euphrat, das Minimum wäre sozusagen ein kleines, lokal verankertes Chieftain, man sagt immer Chieftain, weil irgendwie wahrscheinlich Häuptling auf Deutsch ein ungewohnter Begriff ist, aber also kleine lokale Herrschaft
wäre sozusagen das Minimum, so um Jerusalem herum, Maximum bis an den Euphrat. Irgendwo dazwischen wird wohl die Wahrheit liegen. Wir können außerbiblisch keine der Figuren der Erzählungen festmachen, außer David. Es gibt außerbiblisch überhaupt keine Befunde, die uns irgendwie zu Saul oder zu Abschalom oder zu Batscheba oder ähnliches führen würden, aber es gibt eine aramäische Inschrift aus dem 9. Jahrhundert, die ist 1993 auf Tel Dan, also im Norden Israels, entdeckt worden und die weist auf David als König hin. In ihr ist nämlich vom Beit David, also vom Haus Davids, die Rede. Damit ist nicht nur die biblische Person David belegt, sondern höchstwahrscheinlich außerbiblisch bezeugt. Sie merken, wir sind historisch immer auch ein bisschen vorsichtig, aber die Wahrscheinlichkeit ist schon sehr hoch, dass es da wirklich um König David
geht. Aber nicht nur um die Person, sondern eben auch um das Haus, um die Dynastie. Analog zu anderen Inschriften wird der Stellenwert dynastischen Königtums deutlich, denn auch in anderen Inschriften werden politische Entitäten, also Staaten, mit dem Begriff des Hauses bezeichnet, also der Herrscherdynastie. Ein Konzept, das für die biblischen Erzählungen relevant ist, nämlich dynastisches Königtum, ist außerbiblisch zurückzuführen und mit dem Namen David verbunden. Das ist sozusagen das, was wir außerbiblisch erstmal auf David hin haben, aber die archäologischen Gesamtbewegungen lassen sich durchaus auf Staatenbildung, Zentralisierung, Verwaltungseinheiten hindeuten, so dass wir von einem sich etablierenden Königtum im 10. Jahrhundert ausgehen können.
Das ist aber nicht die einzige historische Frage, die wir stellen müssen. Es geht nicht nur darum, ist es so passiert, wie es in der Bibel erzählt wird, sondern es geht immer auch in der historischen Frage darum, in welcher Zeit erzählt eigentlich die Bibel und was macht das denn historisch aus. Und da stellt sich die Frage, was bedeutet es, die Samuelbücher historisch zu verorten, wann machen denn diese Erzählungen Sinn? Warum hat man sich in bestimmten Zeiten so und nicht anders von David und seiner Familie erzählt? Wir können davon ausgehen, dass die Samuelbücher über Jahrhunderte gewachsen sind, dass sie bis in ihren ältesten Kern weit zurückreichen, aber nicht bis in die davidisch-salomonische Zeit, sondern eher bis ins achte Jahrhundert in die Zeit der asyrischen Bedrohung. Und in der vorliegenden Gestalt, also in der Komposition, in der wir sie
jetzt haben, können wir davon ausgehen, dass wir eher in der exilischen und nachexilischen Zeit sind. Das bedeutet, jetzt mal in Jahrhunderten, wir sind im 6. und 5. Jahrhundert und das bedeutet eben auch in einer Zeit, wo es kein real existierendes Königtum in Israel und Juden mehr gab, sondern wo der Großteil der Bevölkerung nach Babylon und Ägypten verschleppt ist und man keinen eigenen Herrscher mehr hat. Also gerade in einer Epoche, in der man sich nicht auf ein real existierendes Königtum stützen kann, werden die Samuelbücher so erzählt und so ambivalent erzählt, wie sie uns jetzt vorliegen. Meines Erachtens kann man das damit zusammenbringen, dass die Ambivalenz dem Königtum gegenüber den eigenen historischen Erfahrungen entspricht. Und diese eigenen historischen Erfahrungen werden in eine Frühzeit hinein verlagert. Also man hat
Erfahrungen mit Königen gemacht, die haben eben ausgebeutet und die haben eben militärisch aufgerüstet und dadurch sehr viel Steuern verlangt und unterdrückt und keine Gerechtigkeit umgesetzt. Und in der Perspektive der Geschichtswerke führt das ins Babylonische Exil hinein, dieser Abfall von gerechtem Handeln von Königen, die sich nicht der Thora entsprechend verhalten. Sie führen das Babylonische Exil als Konsequenz Gottes. Das ist die eine Seite. Andererseits steht aber eine ungebrochene Verheißung Gottes dem Thron Davids gegenüber, Ad Olam, also auf immer, dafür, dass eine Hoffnungsperspektive auch auf eigene politische Selbstständigkeit ausgebaut werden kann.
Einerseits kann man erklären, warum man dort gelandet ist, wo man gelandet ist, nämlich im Babylonischen Exil und in der Fremdherrschaft. Andererseits behält man eine Hoffnungsperspektive auf eine eigene politische Selbstständigkeit. Und in dieser Ambivalenz erzählen die Samuelbücher. Das können sie nur, weil sie theologische Geschichtsschreitungen sind. Die Samuelbücher zeigen sich – und das ist ein Begriff des großen evangelischen Alt-Stamentlers Gerhard von Rath – als theologische Geschichtsschreibung. Sie sind ein Beispiel dafür, dass in der Theologie Gott nicht in jedem Satz genannt werden muss und trotzdem präsent ist. Die Samuelbücher zeigen, dass es bei einem theologischen, einem religiösen Weltverstehen nicht darum gehen kann, Gott dort zu suchen, wo das menschliche Erklären und Begreifen ein Ende hat, sondern Gott zeigt
sich mittendrin in der Geschichte mit all ihren Brüchen, Kanten und Auseinandersetzungen. Das kann man analytisch an den Samuelbüchern besonders gut daran erkennen, dass wir narratologisch immer danach fragen, wer spricht eigentlich. Das ist, glaube ich, sowieso ein ganz wichtiges Umgehen mit biblischen Texten, immer zu gucken, welche Stimme sagt das gerade. Ist das die Erzählstimme oder ist das eine Figurenstimme? Wer spricht, von wem stammt eine Aussage? Ist es die Erzählstimme, die über Gott spricht, oder sind es die Figuren? Gott als erzählte Figur kommt in den Samuelbüchern sehr selten vor. Gott greift manchmal ein, etwa wenn Saul Gott befragt, aber dieser nicht antwortet, weder durch Träume los, Orakel, noch durch Propheten. David hingegen befragt Gott und er antwortet umgehend. Dann greift Gott sozusagen direkt ein. Aber wichtiger in den Samuelbüchern
ist die Gottesdeutung durch die Figuren. Sie können ein und dasselbe Ereignis mit und ohne Gott als Akteur formuliert sehen. Ein Beispiel in 1 Samuel 4 heißt es in der Formulierung der Erzählstimme, Israel ist durch die Philister geschlagen worden. Im nächsten Vers kommen die ältesten Israels zu Wort und sie sagen, warum hat uns Adonai heute durch die Philister geschlagen? Also die Erzählstimme sagt, die Philister schlagen Israel und die Ältesten deuten das und sagen, da hat Gott eingegriffen, warum hat er das so gemacht? Es bedarf also, das zeigen die Samuelbücher, der menschlichen Deutung, um Gottes Präsenz in der Geschichte wahrzunehmen. Das erzählte Geschehen wird innerhalb der erzählten Welt theologisch gedeutet. Es gibt also ein erzähltes Geschehen,
das kann man ohne Gott formulieren, aber wenn Menschen auftreten und diese Perspektive einnehmen, dann können sie sehen, dass Gott handelt. Und diese Figuren öffnen sozusagen die Gottesdeutung auf die Leserinnen und Leser hin. Wir als Leser und Leserinnen sind angeregt, uns zu diesem Deutungsangebot von Geschichte, damit meinen wir jetzt natürlich nicht nur die Geschichte Davids, sondern die Geschichte, die wir rund um uns wahrnehmen, wir sind angeregt, uns zu diesem Deutungsangebot zu verhalten. Und gerade durch diese Figurenrede wird in den Samuelbüchern Gott als Gestalt der Geschichtsteutung etabliert. Dort, wo Gott nicht auf der Ebene der erzählten Handlung, sondern im Mund der Figuren als Akteur geführt wird, ist deutlich, dass es eines Akts der Deutung bedarf, um Gottes Handeln wahrzunehmen. Gott ist also nicht mit Pauken und
Trompeten und Außergewöhnlichem in Verbindung zu bringen in den Samuelbüchern, sondern innerweltlich. Da wo Geschichte passiert, in den innerweltlichen Handlungsräumen tritt Gott auf und die Figuren der Erzählung nehmen das wahr. Wer das am allermeisten wahrnimmt und am allerhäufigsten formuliert und am allernächsten dran ist, ist natürlich David. Denn er ist nicht nur derjenige, der sich an seinen Mitmenschen vergeht und der seine Macht missbraucht, sondern er ist eben auch der jenige gleichzeitig, der am nächsten an der Gottesdeutung dran ist und der erstens von Gott sofort eine Antwort kriegt, wenn er fragt, aber zweitens auch immer wieder wahrnimmt, wo Gott innerhalb der Geschichte handelt. Dieses poetische Mittel, Gott vor allem in der Figurenrede deutlich werden zu lassen, zeigt, dass die Geschichtdeutung Menschen braucht, die das göttliche Handeln in der
Geschichte wahrnehmen und nicht auf Überschreitungen der Naturgesetze warten, nicht auf außergewöhnliche Erscheinungen, sondern im Geschichtsverlauf und zwar da, wo Menschen bereit sind, genauer und mit dem Blick derer, die sich gottverbunden wissen, hinzuschauen.
Die Samuelbücher | 13.3.1
Es geht um die großen Themen der Menschheit: Liebe und Familie, Herrschaft und Gewalt, Depression und Heilung, Erfolg und Scheitern. Gebündelt in der Geschichte eines Menschen, wie er in der Bibel kein zweites Mal auftaucht: König David. Über keine biblische Figur erfahren wir so viele Details aus seinem Leben. Das meiste davon steht in den Samuelbüchern.
Das zentrale Thema dieser Bücher ist die Etablierung einer neuen Gesellschaftsform für Israel. Die Israeliten wünschten sich ein Königtum. Und damit fing das Chaos an. Vor der Kulisse der historischen Umwälzungen zu Zeiten Davids erzählen die Samuelbücher von jenem David, der als größter König der Israeliten, als Vorfahr Jesu, als herausragender Gottsucher in die Geschichte einging und doch immer wieder in seinem Leben vor Gott und den Menschen grandios versagte.
Die römisch-katholische Theologin Ilse Müllner führt in diesem Vortrag durch das Leben Davids und Samuels, hebt die schonungslose Machtkritik in den Samuelbüchern hervor und erklärt auch, wie zuverlässig die Bücher als Geschichtsbücher eigentlich sind.