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Musik Wem gilt die Bergpredigt? Welchen Sinn hat die Bergpredigt in den Augen des Matthäus? Weil die Bergpredigt wurde ja nicht von Jesus gehalten, das sind zwar Jesus Worte, aber Matthäus hat sie zusammengestellt, gegliedert, einen bestimmten Aufbau, und er wollte mit dieser Komposition auch was ganz Bestimmtes erreichen. Was, was wollte er erreichen? Wem gilt die Bergpredigt? Kann man sie in die Tat umsetzen? Wer kann sie, oder ist sie eine Utopie, ein Ideal oder was immer? Die Bergpredigt hat eine zweitausendjährige Geschichte hinter sich, Auslegungsgeschichte, und ich kann nicht von Flickstock weggehen, oh, wenn ich jemand sage,

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ich habe sechs Vorträge über die Bergpredigt gehalten, und die Leute wissen immer noch nicht, welchen Sinn die Bergpredigt hat, so kann ich nicht weggehen, gell? Also ich muss einen grundsätzlichen Vortrag halten, der nicht eine Textinterpretation ist, sondern ein grundsätzlicher Überblick, um was geht es überhaupt, gell? Dieser Blick in die Auslegungsgeschichte ist sehr wichtig. Also ich werde euch jetzt, Martin Hühnerhoff hat sich bereit erklärt, diese Texte vorzulesen, die stammen von mir, aber der Inhalt natürlich nicht. Ich stelle euch die fünf wichtigsten, berühmtesten Modelle vor, wie man im Laufe der Jahrhunderte die Bergpredigt verstanden hat. Sehr unterschiedlich. Ihr werdet verblüfft sein. Und dieser Blick in die Geschichte ist sehr lehrreich, weil ihr werdet euch eurer eigenen Position viel bewusster, wo stehe ich eigentlich,

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wenn ihr mal diese fünf Meinungen hört. Dann könnt ihr sagen, naja, die vierte gefällt mir am besten oder mir gefällt gar keine oder ich finde alle irgendwie gar nicht so schlecht. Also könnt ihr die mal einschätzen, gell? Ihr hört also jetzt gleich in wenigen Sätzen fünf Modelle, wie bekannte Christen, große Lehrer der Christenheit, die Bergpredigt grundsätzlich verstanden haben. Denn die Bergpredigt ist der provokativste Text der Bibel. Ich sage mal so ein paar Sätze. Ärgert dich dein linkes Auge, dann reiß es raus. Es ist besser, du gehst einäugig in den Himmel als zweieugig in die Hölle. Ärgert dich deine rechte Hand, hacke sie ab. Es ist besser, du gehst einhändig in den Himmel als zweihändig in die Hölle.

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Das steht alles in der Bergpredigt, gell? Haut dich einer auf die linke Wange, dann halte ihm die rechte auch hin. Auch irgendwie verblüffend, gell? Will einer, wahrscheinlich ein römischer Soldat, dass du eine Meile mit ihm gehst, nämlich seine Waffen tragen, dann geh freiwillig zwei Meilen. Wer eine Frau ansieht, sie in Besitz zu nehmen, der hat die Ehe schon in seinem Herzen gebrochen. Also, es ist schon ein eigenartiger Text, gell? Und dann beglückwünscht er noch die Armen im Geist und die Trauernden und die Machtlosen und die Hungern nach Gerechtigkeit. Also, es ist schon ein skurriler Text, gell? Und da muss man sich schon fragen, was soll das? So, wir machen es jetzt so. Der Martin liest jetzt fünf kurze Texte vor. Und ihr könnt zu jedem Text, also jedes Verstehensmodell,

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vier Punkte vergeben, innerlich, gell? Ihr gebt vier Punkte, wenn ihr innerlich denkt, super Auslegung, so denke ich eigentlich auch, dann gebt ihr vier Punkte. Wenn ihr drei Punkte gebt, das heißt, ich stimme dieser Auslegung überwiegend zu, aber nicht allem. Wenn ihr zwei Punkte gebt, da seid ihr gerade halbe, halbe, ja, manches ist doch gut und manches ist schlecht, gell? Wenn ihr einen Punkt gebt, dann stimmt ihr überwiegend nicht zu, aber eine Kom-Wahrheit ist da schon irgendwie drin. Und wenn ihr null Punkte gebt, dann sagt ihr damit, das ist irgendwie Quatsch, das lehne ich völlig ab. Also, da habt ihr fünf Möglichkeiten. Wird Martin nochmal diese Modelle lesen? Und ich nehme dazu Stellung aus meiner Sicht und sage auch, von wem diese Deutung stammt und aus welcher Zeit.

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Okay, also Martin, fang mal an. Das erste Verstehensmodell, der Bergpredigt. Die Bergpredigt gilt nicht allen Menschen, auch nicht allen Christen. Darin liegt ein Unterschied zu den Zehn Geboten. Letztere gelten allen Menschen, allen Christen. Die Zehn Gebote sind verbindlich, die Bergpredigt nicht im gleichen Maße. Die Bergpredigt richtet sich an bestimmte Menschen, die eine besondere Berufung haben und in einer besonderen Existenzweise leben, wie Priester, Ordensleute etc. Die Bergpredigt enthält keine Gebote, sondern Empfehlungen, Ratschläge. Das zweite Verstehensmodell. Die Bergpredigt richtet sich an alle Christen. Man kann innerhalb der Christenheit nicht mit zweierlei Maß messen. Es gibt innerhalb der Christenheit keine verschiedenen Klassen, keine unterschiedlichen Sorten von Christen. Niemand kann die Bergpredigt vollständig in die Tat umsetzen.

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Darum geht es auch gar nicht. Die Bergpredigt hält uns einen Spiegel vor. In ihm erkennen wir, wie tief wir in die Sünde verstrickt sind. Die Bergpredigt soll uns empfänglich machen für Vergebung. Sie zeigt die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Die Bergpredigt macht den Menschen seine Selbstgerechtigkeit bewusst. Das dritte Modell. Die Forderungen der Bergpredigt sind nicht wörtlich zu verstehen. Es kommt auf die innere Haltung, den guten Willen an. Das ist eine Frage an jeden einzelnen persönlich. Aus dem guten Willen vieler Einzelner kann sich dann eine Kultur des guten Willens und des Friedens entwickeln. Die Bergpredigt gilt also zunächst für den persönlichen Bereich. Nur aus ihm heraus kann sich dann eine Auswirkung auf die Gesellschaft ergeben. Das vierte Modell.

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Jesus erwartet das baldige Weltende. Es ist nur noch eine kurze Zeit bis zu seinem Neubeginn zu überbrücken. Diese letzte Zeitspanne ist eine einmalige Ausnahmesituation. Zu dieser Ausnahmesituation gehört eine Ausnahmeethik, entsprechend der Situation, du hast doch nur noch ein Jahr zu leben. Es geht um Abschiednehmen von der Welt und ihren Sorgen und Maßstäben. Unter normalen Bedingungen kann man die Forderung der Bergpredigt nicht erfüllen. Die Bergpredigt gilt nur für eine kurze Zeitspanne. Das fünfte Modell. Jeder Mensch, der wirklich guten Willens ist, kann die Bergpredigt praktizieren. Die Humanität und Weisheit der Bergpredigt leuchtet und ein- und überzeugt. Die Bergpredigt ist keine Utopie, kein Ideal. Sie ist die einzige realistische Strategie für den persönlichen Bereich,

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aber auch für die Gesellschaft, wenn Gewalt und Krieg überwunden und Frieden möglich werden sollen. Das waren die fünf Modelle. Ihr hört sie jetzt noch einmal. Ich gebe jetzt nach jedem Modell bekannt, von wem es stammt und aus welcher Zeit. Die Modelle sind auch historisch in der Reihenfolge vertreten worden. Also das erste ist das älteste und das letzte ist das jüngste. Ich nehme aber auch ein bisschen spontan dazu Stellung, was sind da Wahrheitskörner. Keine dieser Deutungen ist völliger Blödsinn, keine ist völlig falsch. Ich behaupte aber auch, keine wird dem Sinn der Bergpredigt wirklich folgerecht. Also keine dieser Modelle stimmt auch wirklich ganz. Wo nehme ich meinen Maßstab? Von dem heutigen Stand der modernen Bibelwissenschaft?

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Daraus nehme ich meinen Maßstab. Das erste Modell. Die Bergpredigt gilt nicht allen Menschen, auch nicht allen Christen. Darin liegt ein Unterschied zu den Zehn Geboten. Letztere gelten allen Menschen, allen Christen. Die Zehn Gebote sind verbindlich, die Bergpredigt nicht im gleichen Maße. Die Bergpredigt richtet sich nur an bestimmte Menschen, die eine besondere Berufung haben und in besonderen Existenzweise leben. Priester, Ornsleute etc. Die Bergpredigt enthält keine Gebote, sondern Empfehlungen, Ratschläge. Also diese Deutung stammt aus dem Mittelalter, insbesondere von Franz von Assisi. Aber es war im Großen und Ganzen die mittelalterliche Sicht der damaligen katholischen Kirche.

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Ich habe also aus verschiedenen Gründen kein älteres Modell genommen, sondern nur Modelle aus der Staatskirche. Es wirkt sich die Tatsache aus, dass die Christenheit seit der konstantinischen Wende, Kaiser Konstantin hat 319 das Christentum offiziell anerkannt als römischer Kaiser. Ungefähr 60 Jahre später hat Kaiser Theodosius 381 das Christentum, die christliche Religion als Staatsreligion vorgeschrieben. Also Konstantin erster Schritt anerkannt, aber neben anderen. Theodosius hat sie zum Staatsgesetz erhoben und ab jetzt wurden alle anderen Religionen als Ketzer verfolgt.

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Also so wurde die Christenheit im vierten Jahrhundert zur Staatsreligion und jetzt war Säuglingstaufe üblich. Also es gab Massen an Massen an Christen und das ergibt natürlich ein Problem für die Bergpredigt. Denn was bei Franz von Assisi völlig richtig getroffen wird, die Bergpredigt hat etwas Besonderes. Das Wort Besonderes ist sehr wichtig für Menschen, die eine besondere Berufung haben. Das sind zwar nicht Priester und Ordensleute gemeint, die gab es ja in der Bergpredigt gar nicht, aber Jesus sagt mal, wenn ihr nur in der Bergpredigt sagt Jesus, wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, ja was tut ihr dann Besonderes? Das heißt, die Bergpredigt ist ganz bewusst eine außergewöhnliche Sache. Das Normale, das Übliche, das Gewohnte, an dem geht die Welt kaputt.

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Also die Bergpredigt lehrt schon, sie macht uns bewusst, das Übliche, das Normale, das Gewohnte, das ist es nicht. In der Bergpredigt wird schon nach dem Ungewohnten, nach dem Besonderen gefragt. Das sieht Franz von Assisi völlig richtig. Wir stehen hier, das will ich aber jetzt nicht vertiefen, vor der großen Frage, war das richtig oder war das ein schwerer Fehler, dass die Christenheit das innerlich angenommen hat, mitgemacht hat, dass sie zur Staatskirche wurde. Ich rate jedem, sagt hier nicht einfach ja oder nein. Das ist ein sehr komplexer Vorgang, der sehr viel Wertvolles hat und sehr viel Problematisches. Es gibt immer wieder christliche Gruppen, freikirchliche Gruppen vor allem, die romantisieren die erste Zeit der Christenheit,

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als ob man sie irgendwie wiederholen könnte. Also die Staatskirchenwertung und dann später Volkskirchenwertung ist ein sehr vielschichtiger Prozess, dem man nicht einfach mit einem kurzen Urteil gerecht werden kann. Aber auf jeden Fall gilt der Kontext einer Staatskirche mit den massenhaften Christen. Er gibt in der Interpretation der Bergpredigt ganz eigentümliche Verschiebungen. Zum Beispiel, typisch ist, dass die Zehn Gebote in der Staatskirche mit ihren Millionen und Millionen Christen sehr wichtig ist. Im Judentum spielen die Zehn Gebote gar nicht diese herausragende Rolle. Es ist eben das Zehn Wort, ja, schon wichtig, aber dass die Zehn Gebote in dem Katechismus bei Luther dann auch zum Inbegriff der Ethik wird,

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das ist übertrieben. Die Zehn Gebote haben eigentlich nur ein Mindestmaß an Ethik. Die Zehn Gebote, ich meine jetzt die zweite Tafel, du sollst nicht töten, du sollst nicht Ehe brechen, du sollst nicht lügen, du sollst dich nicht lassen begehren und so weiter. Das ist immer nicht, du sollst das vermeiden, du sollst das vermeiden. Das ist ja eine reine Vermeidungsethik. Die Zehn Gebote können nur einen Minimalbestand sagen. In den Zehn Geboten heißt es nicht, brich dem Hungrigen dein Brot. Wo steht denn das in den Zehn Geboten? Wenn du nicht mobben tust und wenn du keinen Ehebruch machst und wenn du die Sachen nicht machst, dann bist du ein anständiger Mensch. Also wir haben eine Überschätzung der Zehn Gebote hinter uns. Die Bergpredigt ist natürlich hundertmal wichtiger für uns Christen als die Zehn Gebote.

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In den Ich-aber-sage-euch-Worten, die ich ja ab morgen behandeln werde, zitiert ja Jesus, ihr wisst, dass den Alten gesagt ist, du sollst nicht töten, du sollst nicht Ehe brechen und dann nimmt Jesus zu diesen Geboten Stellung. Also das ist auch typisch volkskirchlich. Die Bergpredigt hat mal gewisse Probleme und die Zehn Gebote sind für die Millionen Schäfchen. Das reicht, wenn sie die Zehn Gebote halten. Da haben wir geschichtlich eine große Hypothek. Aber Franz von Assisi hat schon ein paar dicke Körner Wahrheit gesehen. Das zweite Verstehensmodell. Die Bergpredigt richtet sich an alle Christen. Man kann innerhalb der Christenheit nicht mit zweierlei Maß messen. Es gibt innerhalb der Christenheit keine verschiedenen Klassen, keine unterschiedlichen Sorten von Christen.

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Niemand kann die Bergpredigt vollständig in die Tat umsetzen. Darum geht es auch gar nicht. Die Bergpredigt hält uns einen Spiegel vor. In ihm erkennen wir, wie tief wir in die Sünde verstrickt sind. Die Bergpredigt soll uns empfänglich machen für Vergebung. Sie zeigt die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Die Bergpredigt macht dem Menschen seine Selbstgerechtigkeit bewusst. Diese Deutung stammt von Martin Luther. Er hat auch in der Kritik der mittelalterlichen Sicht größten Wert darauf gelegt, dass nur glaubende Christen sind. Er lehrt das allgemeine Priestertum aller Glaubenden. Aller Getauften, aber auch aller Glaubenden.

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Nicht nur bei Luther sagen alle Getauften. Noch wichtiger ist bei Luther aller Glaubenden, denn Luther lehrt das Sola Fide. Sola gratia war immer schon klar, aber Luther konkretisiert das Sola gratia am Sola Fide. Wir werden Christen allein durch den Glauben. Da kriegt Luther jetzt Probleme. Er ist auch noch in der Staatskirche, aber er gewinnt ein kritischeres Verhältnis zur Staatskirche. Er entwickelt eine Vision von Kirche, die niemals realisiert worden ist. Luthers Vision von Kirche ist niemals realisiert worden. Die lutherische Kirche ist nicht die Vision von Martin. Martin hatte eine Vision von Kirche und dann kam die lutherische Kirche. Das war ziemlich was anderes, weil beim späten Luther die Landesfürsten und andere Dinge ungeheuer wichtig wurden.

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Die haben das Heft in die Hand genommen. Eigentlich erst nach dem ersten Weltkrieg, wo das sogenannte landesherrliche Kirchenregiment, das heißt der jeweilige Landesherr, ist der Notbischof, der Oberste der Kirche. Da gibt es ein Religionsministerium, in Stuttgart gab es das und so. Also Luther gewann ein kritisches Verhältnis zur Staatskirche. Trotzdem ist dann die Entwicklung anders gelaufen, als er es selber wollte. Er hat sich noch im Alter versucht dagegenzustimmen. Das, was ihr jetzt macht, können höchstens für kürzere Zeit eine Notlösung sein. Aber mehr kann das niemals sein, sagte Martin Luther. Es wurde aber so bis 1918. Und auch danach haben sich die Umstände so geändert, dass man Luthers Vision von Kirche nicht mehr eins zu eins in die Tat umsetzen konnte.

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Also deswegen, weil für ihn nur glaubende Christen sind, sind die Christen für Luther eine Minderheit. Und das ist eine neue Situation. Gut, und Luther ist Realist und er sieht seine Schäfchen. Er hat mal Kirchenvisitation. Das ist ihm jede Illusion vergangen. Also die Bergpredigt realisieren seine Schäfchen in Chursachsen. Das traut er denen wirklich nicht zu. Und deswegen kommt er auf eine andere gute Idee, die aber nichts mit dem Neuen Testament zu tun hat. Oder zumindest jetzt nicht in erster Linie. Nämlich die Bergpredigt ist ein Spiegel, hält uns unsere Grenzen vor, unsere Schwachheit, unsere Feigheit. Stimmt ja auch insoweit. Und deswegen, die Bergpredigt macht uns unsere Erlösungsbedürftigkeit bewusst. Und wir bekommen Motivation nach der Gnade zu rufen und nach der Vergebung.

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Das ist zwar alles gut, dem stimme ich zu. Aber es ist nicht der Sinn der Bergpredigt, wie Matthäus es gesehen hat. Das dritte Modell. Die Forderungen der Bergpredigt sind nicht wörtlich zu verstehen. Es kommt auf die innere Haltung, den guten Willen an. Das ist eine Frage an jeden einzelnen persönlich. Aus dem guten Willen vieler Einzelner kann sich dann eine Kultur des guten Willens und des Friedens entwickeln. Die Bergpredigt gilt also zunächst für den persönlichen Bereich. Nur aus ihm heraus kann sich dann eine Auswirkung auf die Gesellschaft ergeben. Diese Deutung stammt von Schleiermacher, dem Begründer der liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts. Man kann zu dieser Sicht auch sagen, Gesinnungsethik.

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Ich habe das Wort Gesinnung vermieden, weil das heute zu Recht auch sehr kritisch gesehen wird. Genauso wie das Wort Charakter. Was ist denn ein Charakter? Gesinnung heißt einfach, es kommt einfach auf deinen guten Willen an. Ob du das hinkriegst oder nicht, das ist eigentlich gar nicht entscheidend. Entscheidend ist dein guter Wille, deine Gesinnung, deine Haltung. Nein, wer diese meine Rede hört und tut. Nicht die sind meine Jünger, die Herr Herr sagen, sondern die, die Gottes Willen tun. Also Jesus ist ein Jude und im Judentum kommt es auf das Tun des göttlichen Willens an. Kestner sagt mal, es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Diese Gesinnungsethik hat auch bis hin zum Nationalsozialismus vieles.

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Ich habe es nicht so gemeint, ich habe es eigentlich gut gemeint. Das wäre ja noch schöner, wenn du es schon schlecht meinst. Also Herr Zimmer, das tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint. Sag diesen Scheiss bitte nie wieder, das ist so eine blöde Stammtischparole. Ich habe es nicht so gemeint. Da sage ich immer, es wäre ja noch schöner, wenn Sie es so gemeint hätten. Dass Sie es nicht so gemeint haben, das setzt Sie sowieso voraus. Aber es kommt gar nicht darauf an, wie Sie es gemeint haben, sondern es kommt darauf an, wie es auf den anderen wirkt. Ach, Sie wollten den anderen gar nicht verletzen. Ich muss Ihnen sagen, Sie haben ihn aber verletzt. Das sind die Grenzen der Gesinnungsethik. Und dann auch eine Rückbindung an den Einzelnen im 19. Jahrhundert, die Persönlichkeit des Einzelnen, dessen Sittlichkeit weiterentwickelt werden soll

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und die Auswirkung auf die Kultur. Kirche ist in dem Modell gar nicht so wichtig. Die Kirche könnte auch mal absterben, wenn die christliche Kultur Friedenskultur ist, braucht man eigentlich gar keine Kirche mehr. Das nennt man den Kulturprotestantismus. Also, klingt ganz gut, ist aber weit weg von dem Sinderberg-Predigt, wie Matthäus ihn sah. Das vierte Modell. Jesus erwartete das baldige Weltende. Es ist nur noch eine kurze Zeit, bis zu diesem Neubeginn zu überbrücken. Diese letzte Zeitspanne ist eine einmalige Ausnahmesituation. Zu dieser Ausnahmesituation gehört eine Ausnahmeethik. Entsprechend der Situation, du hast nur noch ein Jahr zu leben. Es geht um Abschiednehmen von der Welt und ihren Sorgen und Maßstäben. Unter normalen Bedingungen kann man die Forderungen der Bergpredigt nicht erfüllen.

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Die Bergpredigt gilt nur für eine kurze Zeitspanne. Diese Deutung stammt von Albert Schweitzer. So Anfang des 20. Jahrhunderts, zwischen 1900 und 1910, 1912. In dieser Zeit hat man in der modernen Bibelwissenschaft die Fremdheit der Evangelien entdeckt, dass Jesus kein Kulturprotestant war, der also die Durchsäuerung der Kultur im Laufe der Jahrzehnte wollte, sondern dass er tatsächlich mit dem baldigen Weltende gerechnet hat. Es gibt nämlich einige Worte. Diese Generation, die das sieht, also mein Wirken, wird nicht vergehen, bis das alles geschieht. Solche Sätze stehen Gott sei Dank in den Evangelien. Die haben sich so nicht erfüllt und deswegen stimmen sie.

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Die Gemeinde später hätte solche Sätze niemals im Nachhinein so mal da reingesetzt. Das sind echte Jesus-Worte. Ich gehe mit den meisten Kollegen davon aus, dass Jesus tatsächlich mit dem baldigen Weltende gerechnet hat, mit dem endgültigen Kommen des Reiches Gottes, dessen erste Wirkungen durch ihn selber deutlich geworden sind, dass er aber in seinen letzten Tagen ihm wohl selber klar geworden ist, dass das Reich Gottes erst einmal durch seinen Tod kommt. Also noch nicht in größter politischer gesellschaftlicher Öffentlichkeit, sondern ich werde von dem getränktes Wein, von dem Weinstock, wie heißt das? Ich werde von der Frucht des Weinstocks, sagt er beim Abendmahl, nicht mehr trinken, bis ich dermal eins trinke im Reich Gottes.

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Also dieser unverdächtige Satz, der in den Liturgien der Großkirchen keine Rolle spielt, der zeigt sehr deutlich, dass Jesus zumindest in seinen letzten Stunden und Tagen das Kommen des Reiches Gottes in irgendeiner Weise mit seinem Tod verbunden hat. Und das verändert natürlich die Sachlage. Aber in den öffentlichen Sätzen, Jesus hat Albert Schweitzer schon Grund zu der Behauptung, Jesus ist ganz anders wie wir Volkskirchen-Christen, der ist viel fremder als wir denken, der hat das nahe Weltende erwartet. Und es ist tatsächlich so, zum Beispiel mein Bruder wusste ungefähr ein Jahr vorher, dass er Nierenkrebs hatte und die Fachleute haben gesagt, er wollte es wissen, Herr Zimmer, wir vermuten, Sie haben noch ein Jahr zu leben und es stimmte auf den Monat. Und ich habe mal eine solche Veränderung bei meinem Bruder festgestellt,

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das Wissen, wenn ihr wüsstet, dass ihr noch ein Jahr zu leben hättet, ihr würdet eure Ethik tatsächlich ernsthaft umstellen. Meine Schwägerin hat gesagt, das letzte Jahr der Ehe war das schönste, weil da hat sich mein Bruder Zeit genommen für das Wichtige. Also da ist schon auch ein Körn Wahrheit drin, aber dass die Bergpredigt jetzt nur für diese ein, zwei Jahre oder so, man weiß ja nicht wie bald Jesus, aber es geht hier nur um ein paar Monate oder ein, zwei Jahre, also Jesus hat nicht gesagt in 40 Jahren und mit 2000 Jahren Kirchengeschichte hat die Ur-Christenheit nicht gerechnet. Also auch hier sind durchaus Körner Wahrheit drin, wir spüren, Jesus ist uns ziemlich fremd. Das fünfte Modell. Jeder Mensch, der wirklich guten Willens ist, kann die Bergpredigt praktizieren.

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Die Humanität und Weisheit der Bergpredigt leuchtet ein und überzeugt. Die Bergpredigt ist keine Utopie, kein Ideal, sie ist die einzige realistische Strategie für den persönlichen Bereich, aber auch für die Gesellschaft, wenn Gewalt und Krieg überwunden und Frieden möglich werden soll. Diese Deutung stammt von Franz Alt aus den 80er Jahren der Friedensbewegung. Er hat ein Buch geschrieben, Frieden ist möglich, nämlich wenn wir uns an die Bergpredigt halten. Die ist realistischer als alle sonstige politische Gelaber. Mit der Bergpredigt könnten wir wirklich Gewalt überwinden und Frieden möglich machen. Die Bergpredigt ist kein Ideal, keine Utopie, sie kann von den engagierten Menschen,

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die für Frieden und Gerechtigkeit ihr Leben engagieren wollen, umgesetzt werden. Das ist also eine typische Deutung der Friedensbewegung der 80er Jahre. Da ist die Bergpredigt zu einer ungeheuren Aktualität geworden. Da stecken auch dicke Körner Wahrheit drin, denn die Bergpredigt gilt nicht nur dem persönlichen Privatbereich. Die Bergpredigt hat eine öffentliche, politische, menschheitsbezogene Aspekte. Das sehen Sie, Alt und andere ganz richtig. Trotzdem, der Bundestag kann nicht einfach nach der Bergpredigt entscheiden. Und wer Pazifist ist, soll einfach mal fünf Jahre Oberbürgermeister von New York sein. Dann ist er nach fünf Jahren kein Pazifist mehr. Man kann mit der Bergpredigt nicht einfach direkt die Welt regieren.

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Das geht nicht. Da hat Franz Alt irgendwas unterschätzt. Aber wie gesagt, in allen Modellen stecken dicke Körner Wahrheit. Das waren keine dummen Leute, die diese Modelle entwickelt haben. Ihr könnt euch jetzt abschließend fragen, steht ihr einem oder zwei dieser Modelle am nächsten? Oder wisst ihr selber, das brauchen wir jetzt nicht outen? Gut, jetzt will ich zum Schluss in einer gewissen holzschnittartigen Skizzierung... Natürlich gibt es viele kontroverse Dinge in der Exegese, es gibt eigentlich fast nur Kontroversen. Aber da braucht ihr euch nicht irritieren lassen, so nach dem Stammtischparole, wo drei Psychologen sind, da gibt es vier Meinungen. Also man braucht doch gar keine Psychologie. Die wisst ihr doch selber. Das sind so blöde Stammtischparolen. Kann schon sein, dass wo drei Psychologen sind, vier Meinungen sind.

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Aber auch in den Kontroversen stecken ungeheure Erkenntnisfortschritte. Also diese, gehen wir bitte nicht in bildungsfeindliche Parolen. Wir schaden uns nur selber. Also wie wird es heute von den Neutestamentlern diskutiert? Ich folge jetzt einem Buch von einem Neutestamentler, sehr bedeutenden Neutestamentler, der an der Universität Tübingen längere Zeit war. Ein katholischer Neutestamentler, er heißt Gerhard Lohfink. Und er hat ein Buch geschrieben, ich schätze mal 1985, also in dieser friedensbewegten Zeit. Und dieses Buch heißt Wen gilt die Bergpredigt? Das Buch hat eine hohe Anerkennung gefunden. Es zeigt bestimmte, relativ plausible, auch gesicherte Sehweisen, die nicht alles klären. Es bleiben viele spannende Fragen offen, über die wir diskutieren müssen.

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Aber das Buch hat einen echten tiefen Gehalt und Fortschritt gebracht in der Erkenntnis. Gut, also ich will mal ganz kurz sagen, die moderne Bibelwissenschaft, die so 1780, 1800 entsteht und sich im Laufe des 19. Jahrhunderts an allen Universitäten durchsetzt, die hat im Laufe ihrer Geschichte natürlich viele Fehler gemacht. Fehler sind ja wichtig, aus ihnen lernen wir ja am meisten. Irren ist menschlich. Wenn wir das Irren verbieten, verbieten wir das Menschsein. Also wir brauchen auch eine fehlerfreundliche Schule. Ein Kollege von mir, Schulpädagoge, hat eine Doktorarbeit, eine super Doktorarbeit geschrieben in Schulpädagogik. Die Doktorarbeit heißt Fehler zeichnen uns aus. Amen.

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Gut, also die moderne Bibelwissenschaft hat viele Fehler gemacht. Ja, das ändert an ihrer Bedeutung gar nichts. Sie hat aus den Fehlern auch viel gelernt. Diese ängstlichen Schäfchen, man darf keine Fehler machen, wir müssen aufpassen, keine Fehler machen, da kommst du nicht weit. Gut, also die moderne Bibelwissenschaft hat bestimmte Methoden entwickelt und sie immer mehr auch verbessert. Sie steht heute ganz woanders wie vor 100 oder 200 Jahren, das kann man überhaupt nicht vergleichen. Es gibt immer wieder so konservative Arbeiten, die fangen dann ganz am Anfang der modernen Bibelwissenschaft an, 1780, Semmler und andere, und zeigen dann auf, das war doch ganz falsche Weichenstellung. Nein, sie sollten sich lieber mit dem heutigen Stand beschäftigen. Das bringt viel mehr.

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Also sie entwickelt erst einmal Methoden, wie man die Handschriften der Bibel sammeln kann und auswerten kann. Es gibt ein paar tausend Bibelhandschriften, keine Schrift der Bibel haben wir im Original. Und diese zum Teil älteren oder nicht so alten, besseren und schlechteren Handschriften, die kann man gezielt auswerten. Und ein griechischer Text, den wir heute haben in der griechischen Bibel, ist das Ergebnis der Auswertung der Handschriften. Also es gibt keinen Urtext, sondern den sogenannten Urtext, den wir in der griechischen Bibel haben, ist das wissenschaftliche Produkt der Auswertung von über tausend Bibelhandschriften. Und dann kommt man zu diesem Text. Und dieser Text dürfte aber bei 99 Prozent beim tatsächlichen Urtext liegen. Das war also die erste Phase der modernen Bibelwissenschaft, dauerte Jahrzehnte. Dann kam eine zweite Phase im 19. Jahrhundert vor allem.

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Das ist die Frage, hat der Autor einer biblischen Schrift oder eines Bibeltextes ein oder mehrere schriftliche Quellen gehabt, die er in diesem Text verarbeitet? Diese Fragestellung ist auch völlig neuartig und führt zu ganz neuen Aufmerksamkeiten und zu ganz neuen Seeweisen. Dann kam die dritte große Schub, das ist erst im 20. Jahrhundert, das nennt man die Formgeschichte. Da wird jetzt über Jahrzehnte genau untersucht. Es gibt ganz verschiedene Textformen. Es gibt Briefe, es gibt Brunnenlieder, es gibt Gebete, es gibt prophetische Schentreden, es gibt Erzählungen und so weiter. Jeder Text hat seine eigene Struktur. Das Wort Text hängt ja mit Textilien zusammen. Textilien haben ein Webmuster und jeder Text ist auch wie eine Textilie, hat ein Webmuster, eine eigene Wahrheitsebene.

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Man kann die Texte nicht einfach durcheinander mischen. Ein Loblied, ein Hymnus ist was anderes als eine Erzählung. Ein Lehrbrief, Römer 1 bis 11, ist was anderes als eine Stammtafel. Das war die Zeit, wo man die Textformen gelernt hat, sorgfältig zu untersuchen. Jetzt kommt die vierte Phase, die braucht man, um hier weiterzukommen. Das ist die Redaktionsgeschichte. Das fängt erst an in den 60er Jahren kommen die ersten Arbeiten. Ja, das mit den Formen haben wir jetzt so. Was ist ein Hymnus und so? Ja, das wissen wir jetzt. Und jetzt aber interessiert mich ein anderer spezieller Aspekt. Wenn ein biblischer Autor den Text in die endgültige Gestalt gebracht hat, nehmen wir mal jetzt Matthäus als Evangelist.

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Der heißt nicht Matthäus, ist ein unbekannter Mann, selber sehr gebildet, selber ein Lehrer der Heiligen Schrift. Und deswegen wird er kaum anti intellektuelle Ambitionen haben, denn er ist selber ein Lehrer der Heiligen Schrift. Das ist auch ein kleiner Gesichtspunkt noch. Gut, jetzt kommt also die Redaktionsgeschichte und das ist eine ganz neue Fragehaltung. Inzwischen gibt es noch weitere Seeweisen und die geht so. Wo hat ein letzter Redaktor, der das zum letzten Mal in seiner Redaktion hatte, was hat er an diesem Text eingebaut? Weil da spürt man nämlich seine Interessen. An der Redaktionsarbeit des letzten Redaktors lernen wir den Redaktor theologisch kennen. Gut, das machen wir jetzt mal bei Matthäus. Man hat also festgestellt, nicht nur der Gerhard Lohfinger, es ist wirklich Konsens.

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Matthäus ist ein Redaktor, der sehr sorgfältig arbeitet. Er liebt die großen Redeblöcke. Matthäus 5 bis 7 Bergpredigt, Matthäus 10 Aussendungsrede, Matthäus 13 Gleichnisrede, Matthäus 24, 25 Endzeitrede. Also er liebt diese großen Redekompositionen und er liebt auch die Bezugnahme zum Alten Testament und so weiter. Und dann hat man herausgefunden, Matthäus packt das, was er selber denkt, sehr diskret in Umrahmungen, in Überleitungsphäsen. Wenn er also irgendwie Material, das er kennt, irgendwie aufgreift, komponiert in einen großen Block und im Übergang zum nächsten Block, da sind meistens ein, zwei Verse, so rahmende Verse, da steckt seine Theologie drin.

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Also man hat herausgefunden in den 70er, 80er Jahren, für Matthäus ist sehr typisch die rahmenden Verse, mit denen er größere Texteinheiten beginnt und abschließt. In diesen rahmenden Versen zeigt sich am klarsten, was er selber denkt. Und jetzt bei der Bergpredigt ist es besonders klar, aber es gilt für das ganze Matthäusevangelium. Matthäus hat einmal einen großen Block geschaffen, Matthäus 5 bis 7, das ist die Bergpredigt. Da ist die Rede Jesu, er ist der Messias des Wortes. Aber Matthäus 8 und 9, die zwei nächsten Kapitel, da ist Jesus der Messias der Tat. Da kommen nämlich sieben Heilungsgeschichten und die bilden jetzt einen großen Block, eine große Komposition. Matthäus 5 bis 9, dann kommt Matthäus 10, die Aussendungsrede und das sind wieder neue andere Blöcke.

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Jetzt bleiben wir mal bei dem großen Block Matthäus 5 bis 9, Wort und Tat. Interessant ist, dass die Bergpredigt also das Wort drei Kapitel hat und die Tat zwei Kapitel. Das ist auch nicht ganz zufällig, allerdings sind diese Heilungsgeschichten natürlich exemplarisch ausgewählt. Es sind genau sieben die Zahl der Vollkommenheit oder Vollendung und das zeigt auch, sie sind nur beispielhaft. Aber trotzdem 3 zu 2. Und jetzt, wenn man auf diese Redaktionsarbeit des Evangelisten mal bewusst achtet, erst dann fallen einem diese Dinge auf. Stellt man fest, Matthäus, der ja solche Rahmungen liebt, er hat einen äußeren Rahmen geschaffen um den gesamten Block 5 bis 9, Wort und Tat.

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Und dieser äußere Rahmen, das sind die drei Verse unmittelbar vor der Bergpredigt, Matthäus 4, 23 bis 25. Martin liest mal diese Verse vor. Die kommentiere ich aber auch ein bisschen, nicht dich rausbringen lassen. Matthäus 4, 23. Jesus zog durch ganz Galiläa, er lehrte in ihren Synagogen und verkündigte die gute Nachricht vom Reich. Er heilte jede Krankheit und jedes Leiden im Volk. Gut, so weit mal. Dieser Vers, Matthäus 4, 23, hat vier Bausteine. Jesus zog oder besser wanderte durch ganz Galiläa. Erster grundsätzlicher Aspekt. Jesus war nicht an einen Ort gebunden. Er war dauernd auf der Wanderschaft, lernte dauernd neue Leute kennen.

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Zweitens, er lehrte in ihren Synagogen. In ihren Synagogen. Da merkt man schon, dass Matthäus gar nicht mehr so stark zum Synagogenverband gehört. Da müsst ihr ja sagen, er lehrte in unseren Synagogen. Also der Ausdruck ist sehr aufschlussreich. Er lehrte in ihren Synagogen. Da beginnt eine Trennung zwischen Jesusgläubigen Juden und dem anderen Judentum. Lehren dürfen wir noch nicht modern verstehen. Ist etwas sehr praktisches. Keine Hochschullehre. Lehre heißt grundsätzliche Dinge klären. Das versteht man auch Matthäus unter Lehren. Verkündigen ist was anderes. Er verkündigte, das ist jetzt das Neue, Aktuelle, das Herankommen vom Reich Gottes. Da sagt Matthäus Verkündigen. Also er unterscheidet sehr zwischen Lehren und Verkündigen.

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Und das vierte ist, er heilte jede Krankheit und alle Gebrechen. Das sind die vier entscheidenden Bausteine an einem Gesamtbild Jesu. Also Matthäus ist ein Didaktiker. Er spürt, bevor ich jetzt loslege mit Bergpredigten und allem anderem, ich muss am Anfang ein Gesamtbild Jesu zeichnen. Wir brauchen alle ein Gesamtbild Jesu. Und daran arbeiten wir unser Leben lang. Aber wir brauchen so eine Gesamtvorstellung. Und jetzt ist interessant, also ich sage nochmal, dieses Summarium. Er wanderte durch ganz Galiläa. Er lehrte in ihren Synagogen. Er verkündigte das Evangelium vom Reich Gottes. Und er heilte alle Krankheit und Gebrechen. Bevor die Bergpredigt kommt, wird die heilende Tätigkeit Jesu schon genannt. Und wie geht es jetzt weiter bei Vers 24?

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In ganz Syrien wurde bekannt, was er tat. Und sie brachten alle zu ihm, die irgendwelche Krankheiten oder Schmerzen hatte. Auch Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte. Jesus heilte sie alle. Eine große Volksmenge folgte ihm aus Galiläa, dem Gebiet der zehn Städte, aus Jerusalem, aus Judäa und aus dem Gebiet jenseits des Jordans. Merkt euch den Begriff eine große Volksmenge. Das spielt danach eine entscheidende Rolle. Also interessant ist, dass Matthäus in diesem Summarium, also Gesamtbild, Matthäus 23 bis 25, da ist der Vers 23 in sich schon ein Summarium im Summarium. Und dieses Konzentrat ergänzt er in 24 nur auf das Thema Krankheit. Von ganz Syrien in diese steilen Wattis, da müsste man mal Kranke schleppen,

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schleppen die die Kranken bis nach Kapelle um. Jesus konnte nicht mal Abend essen, weil die haben ins Haus eingerannt mit lauten Kranken. Also ich will damit sagen, bevor die Bergpredigt beginnt in diesem äußeren Rahmen, greift Matthäus von diesen vier Bausteinen in 23 den 14 Baustein noch mal stark auf. Und das zeigt, dass man nicht einfach sagen kann, Jesus war nur ein Messias des Wortes und für die Seele. Nein, er war auch ein Messias des Körpers. Und das hat ihn bekannt gemacht. Und eine große Volksmenge folgte ihm. Gut, das ist der äußere Rahmen, nennt man das. Und am Ende von Matthäus 9 wiederholt er das. Und das ist die Redaktionsarbeit von Matthäus. Er schafft in solchen Rahmungen. Lies mal die letzten Verse von Matthäus 9. Wiederholt er nämlich alles wörtlich. Matthäus 9 Vers 35.

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Jesus zog durch alle Städte und Dörfer des Landes. Er lehrte in ihren Synagogen und verkündigte die Gute Nachricht vom Himmelreich und er heilte jede Krankheit und jedes Leiden. So weit. Also das ist der äußere Rahmen. Jetzt hat Matthäus außerdem einen inneren Rahmen geschaffen. Der gilt nur für Matthäus 5 bis 7. Also nur für die Wortverkündigung, nur für die Bergpredigt. Der steht am Anfang in Matthäus 5, 1 bis 2. Und da zeigt Matthäus, wie er die Bergpredigt selber versteht. Matthäus 5, 1 bis 2. Und dieser innere Rahmen ist am Ende von Matthäus 7. Gut, lies mal diese Rahmung. Matthäus 5, 1 und 2. Als Jesus die Volksmenge sah, stieg er auf den Berg, ersetzte sich und seine Jünger kamen zu ihm.

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Und Jesus begann zu reden und lehrte sie. Das ist Matthäus 5, 1 und 2. Ich springe zu Matthäus 7, 28 und 29. So beendete Jesus seine Verkündigung. Die Volksmenge war von seiner Lehre tief beeindruckt. Denn an seiner Lehre erkannten sie, dass Gott ihm die Vollmacht dazu gegeben hatte, ganz anders als bei den Schriftgelehrten. Gut, also in der modernen Bibelwissenschaft hat man im Laufe der Jahrzehnte sehr lernbereit, Korrekturbereit. Man muss wieder alte heilige Kühe wieder aufgeben, weil es ist doch nicht so. Dann muss man wieder neu umlernen. Was meint ihr, wie oft ich schon meine Thesen wieder aufgegeben habe? Das muss man machen, wenn man weiterkommen will.

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Da darf schon nichts hängen. Gut, man hat also erkannt, bei der Bergpredigt gibt es einen äußeren Rahmen, der schließt die Heilungen mit ein und außerdem einen inneren Rahmen. Also jetzt sage ich Ihnen nochmal auswendig, als Jesus auf die Volksmenge sah, oder man im Griechischen, muss man sogar besetzen, anschauend diese Volksmenge, im Blick auf diese Volksmenge, stieg Jesus auf einen Berg oder auf den Berg. Und als er auf dem Berg oben war, da traten seine Jünger zu ihm und er setzte sich und lehrte sie. In diesen zwei Phäsen, wie man erkannt hat, steckt der Sinderberg-Predigt. Weil da geht es hier nicht um so ein paar ein bisschen kleckerlose geografische Randbemerkungen. Nein, nein, das ist eine theologische Geografie, das alles von größter Bedeutung.

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Nämlich, also ich sage es nochmal, im Blick auf die Volksmenge stieg Jesus auf den Berg. Also der erste Adressat ist die Volksmenge. Wir müssen genau klären, wer das ist. Als er auf dem Berg ist, kommt noch ein zweiter Adressat, der ist aber näher bei Jesus dran, denn auf dem Berg treten die Jünger zu ihm. Die sind viel näher dran als unten am Berg die Volksmenge. Also jetzt werte ich das mal theologisch aus, weil diese zwei Verse sind entscheidend. Das hat man aber nur erstmalig in der Welt, in der modernen Bibelwissenschaft, an den Universitäten Mitteleuropas erkannt. Zum ersten Mal in der Welt dürft ihr ein bisschen Respekt haben. Weil wer hätte gedacht, dass es in diesen Phäsen steckt.

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Also Matthäus sagt uns hier durch geografische Notizen, die Bergpredigt hat zwei Adressaten, nicht einen. Und die zwei Adressaten sind aber nicht gleich nahe an Jesus. Es gibt einen wichtigeren Adressaten, einen Erstadressaten, das sind die Jünger da oben auf dem Berg. Aber die sind es nicht allein, es gibt auch die Volksmenge unten am Berg. Und im Schlussvers, in dem inneren Rahmen am Ende, man könnte sich nämlich jetzt fragen, hat diese Volksmenge am Fuß des Berges Jesus überhaupt gehört? Die Jünger natürlich schon, aber haben die überhaupt akustisch das gehört? Ja, das haben sie, denn als Jesus seine Rede beendete, war die Volksmenge schwer beeindruckt. Denn sie spürten, hier redet einer in Vollmacht und nicht, weil er studiert hat oder weil er Schriftgelehrter ist.

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Er redet ganz anders. Also auf jeden Fall ist klar, die haben alles gehört. Also es ist wirklich ein Adressat. Gut, dieser Begriff, Ochlos, Volksmenge, ist im äusseren Rahmen geklärt. Es folgte ihm eine große Volksmenge. Und das kann ich jetzt nur kurz erklären, weil ihr müsst die lang ausholen. Die Siedlungsgebiete, die genannt werden, sie kamen aus der Decapolis, aus Galiläa, Samaria wird nicht genannt, aus Jerusalem und Judäa. Das sind die Gebiete, wo die israelitische Bevölkerung westlich und östlich des Jordan gelebt hat. Es gab auch viele Israeliten, die östlich des Jordans, also im heutigen Jordanien lebten. Also die Gebiete, die genannt werden, es wird Idumea weggelassen, es wird Sidon und Tyrus weggelassen, Samaria und im Gebiet der Decapolis lebten viele Israeliten.

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Also die Siedlungsgebiete, es ist alles Theologie. Die Siedlungsgebiete, die hier genannt werden, heißt die Volksmenge sind Israeliten. Denn die nicht israelitischen Wohngebiete werden in dieser Aufzählung weggelassen. Also ist Ochlos, Volksmenge, das sind keine Römer und keine Ägypter. Also am Fuße des Berges stehen nicht Vertreter der Menschheit. Es ist Israel. Israel steht unten. Aber eine kleine Auswahl von Israel, das sind die Jünger. Denn die Jünger im Unterschied zu Israel haben Jesus bereits als ihren entscheidenden Orientierungspunkt anerkannt. Sie stehen in der Nachfolge. Sie sind aber eine offene Gruppe. Vielleicht werden ja manche, die da unten stehen, auch noch zu den Nachfolgern gehören.

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Aber auf jeden Fall die Volksmenge unten und die Jünger oben sind nicht die gleichen. Die unterscheiden sich sehr. Und die Volksmenge unten sieht ja, dass da oben Jünger nahe zu Jesus herantreten. Und jetzt sage ich euch den Sinn der Bergpredigt nach Matthäus. Matthäus will damit zum Ausdruck bringen, wenn man seine Art der Rahmung lernt, ist es völlig klar, also das sind unheimlich schöne Erzähl-Signale. Er will zum Ausdruck bringen, die Bergpredigt gehört, richtet sich in erster Linie an die Jünger Jesu. Sie stehen ihm am nächsten. Und wenn man jetzt die Anrede in der Bergpredigt daraufhin mal vergleicht, am Anfang, die Seligpreisungen, die haben einen ganz weiten Horizont. Zu beglückwünschen sind die Armen im Geist und die Trauernden, das sind ja nicht die Jünger Jesu.

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Ein Jünger Jesu kann auch mal trauern, aber das wäre dann sozusagen ein Zufall. Der Adressatenkreis am Anfang ist weltweit, das ist die Volksmenge zumindest. Also zumindest ganz Israel. Aber letztlich, der Text ist so gestaltet, dass er auch über diese Grenzen hinausgeht. Dann hat jemand gesagt, nach den acht Seligpreisungen kommt die neunte. In der neunten wird die Anrede zum ersten Mal geändert und es geht bis weit ins siebte Kapitel immer hier. Also nicht mehr dritte Person, sondern zweite Person. Zu beglückwünschen seid ihr, da sind jetzt die Jünger Jesu gemeint, die ihr um meines Namens willen verfolgt werden. In der achten Seligpreisung heißt es nur um der Gerechtigkeit willen. Das heißt nicht um die Gerechtigkeit Christi willen. Nein, allgemein Gerechtigkeit. Kann auch ein Buddhist gemeint sein, wenn er für die Gerechtigkeit ist.

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Ist nicht eingegrenzt. Und diese Anrede ihr bleibt in der gesamten Bergpredigt bis zum Schluss. Und dann wechselt sie wieder in die größere dritte Person, wieder weit über die Jünger hinaus. Und man merkt also, die Jünger, die zu ihm treten, die sind auch die Angeredeten von 85 Prozent der Bergpredigt. Ist speziell ihr seid das Salz der Erde. Da ist ja nicht der Volkshaufen da unten gemeint. Also das wird in der Art der Anrede genau umgesetzt. Nur die ersten zehn Verse und die letzten fünf oder zehn Verse sind ganz weit geöffnet. Aber der große starke Mittelteil gilt speziell den Jüngern. Also diese politische Deutung, diese fünfte Verstehensmodell übersieht das völlig. Die Bergpredigt richtet sich nicht an Römer und Ägypter. Und Jesus wendet sich nicht einfach an die Menschheit, sondern es geht erst mal um die Jünger.

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Aber es geht nicht nur an die Jünger, sondern der größere Zuhörerkreis wird am Anfang und am Ende im Rahmen genannt und in der äusseren Umrahmung genau geklärt. Es sind Israeliten. Also die Bergpredigt richtet sich an die Nachfolger Jesu in erster Linie. In zweiter Linie darüber hinaus an ganz Israel. Und jetzt weiß man aus dem Studium der Synoptischen Evangelien, dass Jesus nicht nationalistischer Israelit war, sondern für ihn war Israel das Licht der Völker. Jesus hat sich nur an Israel gewandt. Er hat nie über Israel hinaus systematisch missioniert.

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Es gibt ja auch das Wort im Matthäus-Evangelium. Ich bin nur gekommen zu den verlorenen Schafen Israels. Jesus war hin und wieder mal kurz außerhalb, aber nur weil er in Lebensgefahr war. Er hat dort aber eine Syrophinizierin mal angehauen. Hey du, du könntest mal meine Tochter heilen. Dann sagt Jesus, nö mach ich nicht, ich bin nur gekommen zu den verlorenen Schafen Israels. Dann sagt diese syrophinizische heidnische Frau, ha jetzt komm, du kannst trotzdem meine Tochter heilen. Dann sagt Jesus, also gut, dann heile sie halt. Also das ist schon eine herrliche Geschichte, aber das sind so Einzelepisoden. Jesus sah seinen Auftrag in der Erneuerung Israels, aber nicht nationalistisch. Wenn Israel sich erneuern lässt, wird es ausstrahlen auf die ganze Welt. Also weil Jesus Israel, sie kommen von Ost und West, Hauptmann von Kaeperners, um solchen Glauben habe ich in Israel nicht gesehen. Also Jesus war schon ganz schön offen.

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Und in manchen seiner Worte klingt die Wallfahrt nach Zion an. Wenn Israel sich erneuern lässt, werden die Völker dieser Welt freiwillig nach Israel ziehen, um Recht und Gerechtigkeit in Jerusalem zu lernen. Dieser Hoffnung war Jesus. Also jetzt fasse ich zusammen, die Bergpredigt gilt in erster Linie den Jüngern Jesu, in zweiter Linie aber, damit zusammenhängend, ganz Israel und in dritter Linie, damit zusammenhängend, der gesamten politischen Weltöffentlichkeit. Das spürt der Franz Alt schon in seinem fünften Modell. Jetzt ist es so, manche Modelle sagen ja nur erstmal im Privatbereich, richtet sich an den Einzelnen, das ist eine liberale These, die Bergpredigt richtet sich in erster Linie an den Einzelnen, nur wenn viele Einzelne sich summieren, nein, das ist gar nicht die Meinung von Matthäus,

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denn die Jünger sind eine Gruppe, eine Bewegung. Die Bergpredigt kann kein Einzelner privat praktizieren, das kann niemand. Aber die Bergpredigt richtet sich ja auch gar nicht in erster Linie an private Einzelpersönlichkeiten, sondern sie richtet sich an die große Schar seiner Nachfolger. Eine Gruppe, ich meine jetzt mit Gruppe auch ein paar hundert Leute, eine Gruppe hat ein ganz anderes Kraftfeld als eine Einzelperson, als Einzelkämpfer. Die Bergpredigt kann nach Matthäus nur in der Jesusbewegung praktiziert werden. In der Jesusbewegung, nicht privat in deinem Haushalt, kannst du natürlich auch machen, was du kannst, aber die Bergpredigt kann praktiziert werden, sie soll praktiziert werden, aber nur in der Gemeinschaft der Jünger.

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Da muss man natürlich heute fragen, ist deine Freikirche, ist deine Kommunität, ist die Volkskirche, ist die authentische Jesusbewegung? Das weiß niemand genau, wollen wir mal die Liebe hofft alles und die Liebe glaubt alles, also wollen wir mal zuversichtlich sein. Die Bergpredigt ist wirklich kein Ideal und keine Utopie, sondern sie will getan werden, aber sie kann nur getan werden in der Gemeinschaft der Jünger und Jüngerinnen, die sich gegenseitig ermutigen, gegenseitig inspirieren, gegenseitig zum Blühen bringen. Das ist unsere Berufung, dass wir uns gegenseitig zum Blühen bringen. Niemand kann die Bergpredigt auch in der Jesusbewegung völlig ständig umsetzen. Nein, die Bergpredigt ist kein Programm, die Bergpredigt ist kein System, die Bergpredigt sind nur Blitzlichter.

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Jesus gibt ein paar Blitzlichter, wie er den Willen Gottes versteht, aber er macht daraus kein System, kein ethisches System. Aber die Blitzlichter, verdammt nochmal, die uns exemplarisch zeigen, hoppla, hoppla, ist schon ganz anders, wie ich gedacht habe. Also die Bergpredigt ist sehr fremd, es genügt auch, wenn wir sie gemeinsam immer wieder mal zu 10%, manchmal zu 35%, wassa pa lot, die da drüben kriegen zwar ein paar Wochen lang 65% hin, das brauchen wir gar nicht messen. Jeder Schritt, der uns gelingt, ist unendlich kostbar und macht die Welt besser. Also, ihr Lieben, in Matthäus 5, 1 bis 2 ist des Rätsels Lösung, zwei Adressaten, der erste, die Jünger, als Bewegung, darüber hinaus ganz Israel,

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also die Bergpredigt ist nicht für eine kleine Elite-Truppe, das ist sie auch nicht, und darüber hinaus für die ganze Welt. Mahatma Gandhi hat das gespürt, er hat gesagt, nichts in seinem Leben hat dieser indische Hinduist gesagt, Mahatma Gandhi, nichts in seinem Leben hat ihn so beeindruckt wie die Bergpredigt. Und die Bergpredigt in seiner Umsetzung hat zur Befreiung Indiens aus der Kononialherrschaft Englands geführt. Mahatma Gandhi war entscheidend inspiriert von der Bergpredigt. Sie hat eine Wirkung weit übers Christentum hinaus.

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Der Sinn der Bergpredigt | 6.6.3

Worthaus@Freakstock 2016 – Allstedt: 28. Juli 2016 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

In diesem Vortrag geht es um das Gesamtverständnis der Bergpredigt. Siegfried Zimmer stellt fünf verschiedene Verstehensmodelle der Bergpredigt vor, die in den letzten Jahrhunderten eine bedeutende Rolle gespielt haben. Dabei erstaunt, wie unterschiedlich die Bergpredigt verstanden worden ist. Doch dennoch ist keines dieser Verstehensmodelle ganz falsch, alle enthalten wichtige Wahrheitsmomente und fordern heraus: Wo steht man selbst in Blick auf diese fünf sehr unterschiedlichen Auslegungen?
Im zweiten Teil des Vortrags macht Siegfried Zimmer deutlich, dass auch keines dieser fünf Verstehensmodelle ganz dem entspricht, wie der Autor des Matthäus-Evangeliums die Bergpredigt versteht. Die Worte der Bergpredigt stammen zwar von Jesus, aber Matthäus hat diese Worte zu einer großen Komposition geformt (Mt 5-7), sie mit Rahmenverse eingefasst. Durch diese Rahmenverse drückt Matthäus seine eigene Sicht der Dinge aus und ermöglicht dem Leser eine verblüffende Erkenntnis: Der Gesamtsinn der Bergpredigt wird erkennbar, wenn man die Rahmenverse der Bergpredigt als Schlüssel zu ihrem Verständnis entdeckt.