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Herzlichen Glückwunsch! Gratuliere! Das sagen wir zu Menschen, die Geburtstag haben oder Jubiläen feiern. Wir lächeln dabei, wir reichen die Hand, deuten eine Umarmung an. In welcher Tonlage aber reagieren wir, wenn der Grund der Freude hart erkämpft und lang herbeigezittert wurde? Führerschein, Abitur, Masterexamen, der unbefristete Arbeitsvertrag nach einem Bewerbungsgespräch, der Durchbruch bei der Projektbewilligung in der Firma oder ganz

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entscheidend der Elfmeter im Fußballstadion. Was rufen wir, wie jubeln wir dann? Wir schreien, wir kreischen, wir pfeifen, wir fallen uns herzlich in die Arme. Könnt ihr das jetzt mal machen? Ich zähle von drei runter, okay? Drei, zwei, eins. Dieser Sound, dieser Sound steht in Matthäus 5, in den Versen 1 bis 12. Wenn man das hebräische Wort für glückselig, es geht um die selig Preisungen. Wenn man das hebräische Wort für glückselig laut und in hoher Tonlage ausspricht,

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kommt dieser Klang dabei raus. Das Wort heißt ashrei, also nicht wienerisch ashrei, sondern ashrei, Glück. 45 mal steht das Wort in der hebräischen Bibel und meint eigentlich diesen Gefühl, Glücksjubel, Tsunami, der eine Frau überspült, wenn sie ihr Kind geboren hat. Das steht in Genesis 30 Vers 13. Lea sagte, ich glücklicher. Alle Frauen werden mich glücklich preisen. Daher nannte sie ihren Sohn Asher, das heißt glücklicher. Martin Luther übersetzte das hebräische ashrei, was er

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im griechischen makarios vorfand mit wohl oder mit dem Adjektiv selig. Wohl dem Volk, dessen Gott der Allmächtige ist, Psalm 33,12. Selig der Mann, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, Psalm 146, Vers 5. Da ist im Deutschen der Freudentränen feuchte Jubelschrei zu so einem altväterlichen Schulterklopfen verdunstet oder? Wohl dir mein Sohn. Oder gebildet, Chapeau und weiter so. Die emotionale Wucht des Rufes, wow wow wow wow, den ihr eben gemacht habt, die emotionale Wucht des Wortes kontrastiert mit ihrer Aussage und markiert damit die Fallhöhe. Denn Jesus gratuliert

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den Unglücklichen. Partystimmung im Ton, Abturner in der Sache. Wir haben es mit einer Paradoxie zu tun. Würde ich nämlich mit strahlendem Lachen im Gesicht und Blumenstrauß in der Hand zu dir sagen, gratuliere, du bist arm. Toll, wie du trauerst. Geil, du bist nicht durchsetzungsfähig. Ihr würdet mich mindestens für bekloppt, wahrscheinlich aber für zynisch halten. Inessa Siebert liest uns jetzt die Seligpreisung. Als Jesus die Volksmenge sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich und seine Jünger kamen zu ihm. Jesus begann zu reden und lehrte sie. Glückselig

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sind die, die wissen, dass sie vor Gott arm sind, denn ihnen gehört das Himmelreich. Glückselig sind die, die trauern, denn sie werden getröstet werden. Glückselig sind die, die von Herzen freundlich sind, denn sie werden die Erde als Erbe erhalten. Glückselig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden. Glückselig sind die, die barmherzig sind, denn sie werden barmherzig behandelt werden. Glückselig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott sehen. Glückselig sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes

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heißen. Glückselig sind die, die verfolgt werden, weil sie für Gottes Gerechtigkeit eintreten, denn ihnen gehört das Himmelreich. Glückselig seid ihr, wenn sie euch beschimpfen, verfolgen und verleumden, weil ihr zu mir gehört. Freut euch und jubelt, denn euer Lohn im Himmel ist groß. Genauso wie ich, wie euch haben sie früher die Propheten verfolgt. Noch jeder und jede, die mit dem Handwerk der Schreibe oder dem Mundwerk der Sprache ihre Brötchen verdienen,

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sind von der poetischen Schönheit, der formalen Strenge und der inhaltlichen Dichte der Seligpreisungen fasziniert. Und was mich als Radiojournalist natürlich besonders freut, es wird nicht redundant herumgelabert, Wasser zur Suppe gekippt und in die Länge gezogen, sondern jedes Wort kommt nur einmal vor, mit Ausnahme von Himmelreich und Gerechtigkeit. Dazu später mehr. Es schmälert meine Bewunderung, auch nicht nachlesen zu können, dass Jesus diese Settenzen natürlich nicht erfunden hat. Sie finden sich im jüdischen Tanach, also in dem, was wir hebräische Bibel oder altes Testament oder erstes Testament nennen, so bereits vor, in Jesaja 29,19, in Jesaja 57,15, in den Psalmen 11,24,27,24,37,32,73 und 140. Aber bevor wir gähnen,

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naja, dann war es ja nichts Neues, muss man festhalten, so verdichtet, so kompakt, so knapp und vor allem so radikal, konditionsfrei gab es die Seligpreisungen noch nicht. Womit wir diesen zwei Begriffen Gottesreich und Gerechtigkeit näherkommen. Wer sagt denn das? Das ist meine erste von drei Fragen, die ich heute gerne beantworten würde. Erstens, wer sagt denn das? Zweitens, zu wem eigentlich? Und drittens, was mache ich jetzt damit? Wenn man 30 Jahre Deutschlandfunk und fast eben so lange SWR Fernsehen macht, dann lernt man immer schön auf die Quelle des O-Tons

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achten, immer schön fragen, wer sagt denn sowas? Das ist doch ein Unterschied. Man muss auch mal abschalten können. Sagt das die Yogalehrerin oder sagt das der Hausmeister vom Kernkraftwerk? Wer sagt das? Seit 175 Jahren populär sind die geistlichen Hymnen der afroamerikanischen Sklaven Nordamerikas im 19. Jahrhundert, die sogenannten Negro Spirituals. Nobody knows the trouble I've seen. Niemand kennt das Ausmaß des Elends, das ich sah. Swing low, sweet chariot, coming for to carry me home. Mach langsam, süße Kutsche der Freiheit, lass mich aufspringen und bring mich heim. Warum singen wir gerührt, bewegt, betroffen diese Lieder

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noch heute? Weil sie von den Schwarzen stammen und nicht die weißen Plantagenbesitzer und Unterdrücker und Sklavenhalter. Hätten die das gesungen, wäre es nichts weiter als eine hämische Jenseitsvertröstung. So wie im Mittelalter Fürsten und Könige durch die Elendsquartiere ritten und Bonbons und Münzen und das Volk geworfen haben. Als genau das als Zitat himmlisches Haierpopeyer hat der Dichter Heinrich Heine die Seligpreisungen zunächst verspottet. 1797 jüdisch geboren in Düsseldorf, 1825 evangelisch getauft in Heiligenstadt, 1856 katholisch beerdigt in Paris. Wurde Heinrich

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Heine im atheistischen Sozialismus sowas wie das religionskritische Mantra, das im Deutsch- und Gesellschaftskundeunterricht, wer noch die DDR kannte, Rotlichtbestrahlung, nennt man das. Gern zitiert wurde, zu oberflächlich wie ich meine. Und als der Morgennebel zerran, da sah ich am Wegrand ragen, im Frührotschein des Bildesmannes, der in das Kreuz geschlagen. Mit Wimut erfüllt mich jedes Mal dein Anblick, mein armer Vetter, der du die Welt erlösen gewollt, du Narr, du Menschheitsretter. Ach, hättest du nur einen anderen Text für deine Bergpredigt genommen. Besaß es der Geist und Talent genug und konntest schonen die Frommen. Geldwechsel und Banksefs hast du sogar mit der Peitsche gejagt aus dem Tempel, unglücklicher

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Schwärmer. Jetzt hängst du am Kreuz als warnendes Exempel. 1833 wurden Heinrichs Bücher von Papst Gregor XII. auf den Index verbotener Schriften gesetzt. 1933 von den Nazis öffentlich verbrannt. Und, liebe Katholikinnen und Katholiken, mit päpstlicher Erlaubnis lesen dürft ihr Heinrich Heine erst seit 1967. Als Heine durch eine schrecklich schmerzhafte Erkrankung des Rückenmarks faktisch gelähmt, acht Jahre lang in der, wie er es nennt, Pariser Matratzengruft liegt, da sagt er in Gesprächen mit seinem Freund Karl Marx und seiner Pflegerin der adligen Elise von

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Krienitz Zitat Ja, ich bin zu Gott zurückgekehrt wie der verlorene Sohn. Nachdem ich lange bei Hegel die Schweine gehütet habe, war es die Misere, die mich zurücktrieb? Nein, das himmlische Heimweh überfiel mich. Es trieb mich über schwindelige Pfade der Dialektik zu jenem Mitbruder, dessen Leitsymbol zum ergreifensten gehört, was man sich vorstellen kann. Zitat Ende. Leitsymbol übrigens mit D. Was den Seligpreisungen Spötter, den Jenseitsvertröstungskritiker Heinrich Heine nach

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acht Jahren Krankheit an Jesus beeindruckt und ihn zu ihm zurückbringt, ist dessen Identifikation mit den Leidenden. Und das, so finde ich, haben klassische atheistische Religionskritiker wie Ludwig Feuerbach oder Karl Marx, das haben auch moderne vulgär militante Atheisten wie Richard Dawkins oder Michel Onfray geflissentlich oder absichtswoll oder fahrlässig an den Seligpreisungen übersehen und missverstanden. Auch kluge und differenzierte Atheisten und Religionskritiker wie der Leipziger Philosophie Professor Herbert Schnädelbach, finde ich, könnten von diesem Zitat Leitsymbol ergriffen werden, wie Heine das geschah. Wer gratuliert denn

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da den Armen, den Weinenden, den Verfolgten? Jesus von Nazareth. Schon seine Schwangerschaft dürfte bei Marias Schwiegereltern zu heftigen Krächen geführt haben. Nicht ähnlich geboren, als Kleinkind auf die Flucht von Brüdern, Schwestern, Eltern und von Jüngern missverstanden, von Religionsführern gehasst, von der Staatsmacht beagwöhnt. Verleumdet. Jesus von Nazareth, obdachlos, besitzlos, kinderlos. Schließlich unschuldig verurteilt, nachdem er buchstäblich verraten und verkauft, wurde gefoltert, noch im Sterben verhöhnt. Zitat Die Seligpreisungen werden nur vom Kreuz her verständlich, schreibt Dietrich Bonhoeffer in Nachfolger. Die Seligpreisungen

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werden nur vom Kreuz her verständlich. Das wussten schon die katholischen Malteser und die evangelischen Johanniter, als sie in ihr Kreuzsymbol das Achtspitzenkreuz hinein komponierten. Das Achtspitzenkreuz ist dieser Gedanke. Weiß nur keiner mehr, wenn er am Logo der Bahnhofsmission vorbei geht. Naja, sagen jetzt die historisch-kritisch-exegetisch-hermeneutisch-geschulten Hauswörtler und Worthäusler und sagen, hat Jesus sie denn wirklich gesprochen? Oder hat nicht Matthäus, der geniale Redakteur, etwas, was bei Lukas in der sogenannten Feldrede ja viel

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ursprünglicher erhalten ist, möglicherweise zu sogenannten Logien, Merksätzen und Zitaten verdichtet und komponiert und Jesus posthum in den Mund gelegt? Und selbst wenn Bibelschülerinnen und Bibelschüler aus Braker und Breckerfeld jenes Plakat finden würden, auf dem steht 31. Oktober 31, 19 Uhr Bergpredigt, Keynote-Speaker Jesus. Selbst dann wäre er ja zum Zeitpunkt der Bergpredigt noch gesund und munter gewesen, oder? Mag sein, aber nacherzählt werden die Seligpreisungen von jenen rund 72 Jüngerinnen und Jüngern, die in Lukas 10 Vers 1 erwähnt werden, die zwölf sogenannten Aposteln sind ja nur der Kernkreis, zu sprichwörtlichen Zitaten und Logien verfestigt

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werden sie und dann aufgeschrieben von Menschen, die doch nun wahrlich nicht in rosigen Zeiten lebten. Ich habe es im anderen Referat schon angedeutet. Seit 54 ein Psychopath auf dem Kaisertron Nero, 69, 70, Untergang des antiken Judentums durch die Zerstörung und Belagerung von Jerusalem und Tempel. Es folgen weitere Verfolgungswellen unter Dezius und bis hin zu Diokletian im dritten Jahrhundert. Kurzum, die Alten konnten möglicherweise noch als Augenzeugen von der Kreuzigung berichten, die Jungen hatten Armut und Verlust, Verleumdung und Verfolgung in zwischen ähnlich schmerzhaft und grausam erlitten wie ihr Meister. Unabhängig von filigranen Verfasser- und Redaktionsfragen meine ich also, die Seligpreisungen beziehen ihre Authentizität und Autorität, ihre Ernsthaftigkeit, vor allem aber ihre Eindringlichkeit aus der Tatsache, dass eben

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Jesus, der Leidende und Gekreuzigte, sie gesagt hat oder sie ihm zugeschrieben werden und nicht irgendeinem sozial-romantischen Schöngeist, der aus der warmen Studierstube heraus den Bemitleidenswerten da draußen rät, wie sie sich fühlen sollen. Das gibt es heutzutage immer noch. Das wohl ausgestattete Menschen des Nordens wissen, wie vor allem Frauen und Kinder der Südhalbkugel sich verhalten sollten. Dieser Achtung, diesen Respekt bringe ich auch den jeweils folgenden Denn-Begründungssätzen entgegen, obwohl diese Denn-Begründungssätze ja auch auf den ersten Blick Kopfschütteln auslösen müssten. Denn den Armen gehört die gerechte Welt Gottes. Denn die Trauernden

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werden getröstet werden, die Gewaltlosen werden das Land erben, die nach Gerechtigkeit hungenden sollen satt werden, die Barmherzigen werden selbst Barmherzigkeit erfahren, die Herzensreinen werden Gott schauen, die Friedensstifter Gottes Söhne und Töchter heißen. Ja liebe Leute, wer kann denn das einlösen? Das sind doch Zitat schamlose Versprechungen auf Belohnung, sagt es CS Lewis, britischer Schriftsteller, Erfinder der Narnia-Geschichten. Wer will denn dafür gerade stehen, dass diese Versprechungen jemals gehalten und erfüllt werden? Gott, sagen sich die zeitgenössischen Zuhörenden. Also wenn überhaupt einer, dann Gott. Und die Frommen unterm Publikum, der Bergpredigt, sagten, ja klar, darauf warten wir ja. Das ist ja der verheißene Messias, der dann das Friedensreich errichten wird, ist aber bisher ja nicht passiert. Und die weniger Frommen im Publikum, der Bergpredigt,

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werden sich gesagt haben, und da höre ich schon das kritische Raunen, das durch die Reihen geht. Und das zieht sich durch die Evangelien, Matthäus 13, Vers 55, Moment mal. Ist das nicht der Zimmermann, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wer macht denn solche ungeheuerlichen Zusagen? Ein Bauschreiner aus Nazareth, ja, danke schön. Wenn jemand mittags Durst und abends Hunger und vielleicht spät abends noch ein Hüngerchen kriegt, wenn er müde werden kann und Schlaf braucht, manchmal sogar Mittagsschlaf braucht, auf dem Boot, trotz Sturm. Wenn wir jemanden zitternd vor Angst und zitternd vor Wut erlebt haben und der verspricht dann nichts weniger als die gerechte Welt Gottes, die ewige

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Seligkeit, das sprichwörtliche Blaue vom Himmel, dann ist er entweder A, ein übler Scharlatan, vor dem man warnen muss, oder B, ein armer Irrer, den man nicht ernst nehmen braucht, oder C, er ist tatsächlich Gottes bevollmächtigter, dessen Botschaft uns existenziell angeht. Na ja, heutzutage bei Verheißungen, Versprechungen und in Aussicht gestellten Zukunftsvisionen stellen wir ja auch die Frage nach dem, wer sie macht, wie glaubwürdig und authentisch das sein kann, wer das einlösen, wer dafür gerade stehen soll. Und das machen wir ja nicht nur bei Versprechungen auf paradiesische Verhältnisse, sondern auch wenn Kapitulationen und Untergänge angekündigt werden. Wir schütteln auf den Kopf, wenn wir nachträglich, das lohnt sich manches Mal, schauen auf berühmte

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Prognosen, die sich als Lachnummern erwiesen haben. 1802, Feuilleton der Berliner Zeitung, Zitat, die Kirchen sind leer und verdienen es zu sein. Die Theater sind voll und das zu Recht. In 20 Jahren wird der Glaube in Deutschland erloschen sein. 100 Jahre später, 1907, sagt der französische Soziologe Emile Durkheim, der Katholizismus dürfte im Laufe der nächsten 50 Jahre verschwunden sein. Und 100 Jahre danach, 1990, schrieb der damalige Pfarrer der Hamburger Petrikirche, Wolfram Kopfermann, das Buch Abschied von einer Illusion und sagte das Ende der evangelischen Kirchen Deutschlands für die kommenden 25 Jahre voraus. Dann hätte 2015 der letzte Pfarrer das Licht ausmachen müssen. Es geht

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auch mit solchen Untergangsprognosen manches Mal wie mit pessimistischen Prognosen, die sich dann aber optimistisch sagen wir mal oder zuversichtlich müsste man mit gestern sagen entwickelt haben. Alle kennen das Zitat von Kaiser Willem, das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich setze auf das Pferd, steht ja im Daimler Museum oben in Untertürkheim, was man nicht weiß, dass auch Gott Daimler selbst sich getäuscht hat. Er sagte, die Zahl verkaufbarer Automobile wird eine Million nie überschreiten, schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeur. Also die Zahl, die Frage, die Frage der zeitgenössischen Hörerinnen und Hörer der Seligpreisungen, wer um alles in der Welt

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verspricht denn sowas wird also für uns heute verwandelt in die Frage, will ich darauf vertrauen, dass diese seine Glückwünsche und Verheißungen in der Vollmacht Gottes gesagt sind und damit von Gott verbürgt. Nochmal, alle unsere Fragen an die Seligpreisungen werden verwandelt in die Frage, will ich darauf vertrauen, dass sie in der Vollmacht Gottes und von ihm gesagt und von ihm verbürgt sind. Verlasse ich mich also darauf, dass man als seine Nachfolgerin, als sein Jünger auf diese Weise getröstet, gesättigt, barmherzig umsorgt, kurzselig wird. Zweitens, an wen wendet

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sich Jesus? Möglichkeit A, an die, die er nennt. Die Armen, die Trauernden, die Gewaltlosen, die nach Gerechtigkeit hungern, die Barmherzigen, die Herzensreinen, die Friedensstifter, die Verfolgten und die Ausgegrenzten. Dann sind die Seligpreisungen, und so werden sie ja auch meist verstanden, große Trostworte, ein Zuspruch Gottes. Aber es muss irritierend gewesen sein für die zeitgenössischen Hörerinnen und Hörer, dass Jesus weder religiöse noch ethnische Ausschlusskriterien nennt. Sicherlich sind die Armen Entwurzelten die Ärmsten der Armenreihen im wirtschaftlichen, sozialen Sinne. Denn, und dann werden die Verheißungen gesagt, ja, höre ich da die Zuhörer fragen. Gilt das auch für Samaritane oder für Frauen? Und er macht doch keine ethnischen Ausschlusskriterien und da höre ich diese, ja, aber Moment, das gilt aber doch nicht jetzt für

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Römer. Das wäre ja noch schön. Oder gilt das womöglich für unterentwickelte Naturvölker, wie die rothaarigen Barbaren in ihren schwarzen Wäldern zwischen Bodensee und Donau? Das kann noch nicht sein. So, und jetzt könnte ich Margaritenblumen im Saal verteilen lassen und ihr zupft die einzelnen Blütenblätter ab. Nach dem berühmten Spiel bin ich, bin ich nicht, bin ich, bin ich nicht. Machen wir mal kurz. Arm kommt darauf an, mit wem man sich vergleicht. Aber im Weltmaßstab, solange noch Milliarden Menschen von zwei US-Dollar pro Tag auskommen müssen, sind wir alle, wie wir hier sitzen, richtig reich. Traurig? Nö, im Moment nicht, ist ja Wothaus. Gewaltlos? Ja, hallo, ich war Zivi. Ja, nein, bei uns, bei uns wird niemand geschlagen,

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nicht mal die Sahne. Hungrig nach Gerechtigkeit? Ja, und wie? Ja, klar bin ich hungrig nach Gerechtigkeit, vor allem in der Firma. Und beim Gender Pay Gap, da hungern Millionen berufstätige Frauen um Gerechtigkeit. Ganz zu schweigen von den Frauen in muslimischen Ländern. Barmherzig? Ja, manchmal, am liebsten mit mir selbst. Also im Fitnessstudio zum Beispiel bin ich mit mir barmherzig. Aber mit SUV-Fahrern, die immer den Fahrradweg zuparken, ist schon schwieriger. Reinen Herzens, was ist das? Verfolgt und verleumdet? Ach, nö, seit Ende der DDR bei uns

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hier nicht mehr. Und wenn sich in einem demokratischen Rechtsstaat mit garantierter Meinungs- und Religionsfreiheit noch irgendeiner religiös verfolgt fühlt, dann will er es vielleicht, ich weiß es nicht. Wem sagt Jesus die Seligpreisungen? Möglichkeit B, Jesus wendet sich gerade an die jenigen, die das alles nicht sind. Also an die Reichen, die Partymacher, die brachialen Grobianer, die Korrupten, die gnadenlosen Unbarmherzigen, die Intrigen-Schmieden und Schmiede und Mobber, die Streithaml und Kriegstreiber, die Ideologen und Unterdrücker. Dann sind die Seligpreisungen eine Drohung, ein Warmpfiff, ein ins Positive gewendeter Ruf zur Umkehr, ein Anspruch Gottes. In der Version, wie Evangelist Lukas sie als Feldrede erzählt, folgen tatsächlich auf die fünf Glückwünsche vier Wehe-Rufe. Möglichkeit C, Jesus wendet sich an Menschen, die das eine

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nicht immer sind und das andere eigentlich nicht sein wollen. Möglichkeit C, der Text wendet sich an Menschen, die das eine nicht immer sind und das andere eigentlich nicht sein wollen, an euch und an mich, die wir weder Schurken sein wollen noch Heilige sein können. Weshalb fast 1500 Jahre lang katholische und orthodoxe Bibelausleger die Verheißungen der jeweils zweiten Satzhälfte nach vorne stellen und die Glückwünsche dann als Appell verstanden. Nochmal, fast 1500 Jahre lang haben Bibelausleger die Verheißungen der zweiten Satzhälfte nach vorne gestellt und die Glückwünsche als Appell nach hinten. Geht so, dir gehört das Reich Gottes, wenn du arm bist, also sei arm. Du

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wirst getröstet werden, wenn du trauerst, also weine. Du wirst das Land erben, wenn du sanftmütig bist, also sei sanftmütig. Man wird dich nachsichtig und fürsorglich behandeln, wenn du barmherzig bist, also sei barmherzig. Du wirst Gott schauen, wenn deine Motive immer ehrlich sind und dein Wille immer gut, also sei reinen Herzens. Das klang jahrhundertelang plausibel, war didaktisch gar nicht falsch. Sozialpädagog und alle Menschen, die Kinder erziehen, wissen, erst der Anreiz, dann der Appell. Es klappte aber bei den wenigsten. Meine Güte, wer schafft das denn immer? Fragten sich die Bemühten ermattet. Es kann doch nicht jeder wegen Seligpreisung Nummer 1 seinem Vater, seinem wohlhabenden Vater, die gutgehende Textilfirma vor die Füße kippen, wie das Francesco Bernadone

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1205 in Assisi gemacht hat. Es kann doch nicht jeder wegen Seligpreisung Nummer 3 und 4, selig sind die Gewaltlosen und die nach Gerechtigkeit hungern, den britischen Kolonialismus besiegen, wie Mahatma Gandhi das 1949 gemacht hat oder die Apartheid in Nordamerika beenden, wie Martin Luther King das 1968 gemacht hat oder die sozialistische Diktatur mit Kerzen und Gebeten und Demos aus dem Politbüro fegen, wie Christian Führer und tausende andere das 1989 gemacht haben. Ich will niemanden von euch unterschätzen, aber die wenigsten sind wir Heldinnen oder Helden. Ich bin nicht mal ein freiwilliger Asket und erst recht kein möchte gern Märtyrer. Ne, sagte da Theologe Thomas von Aquin 50 Jahre nach Franz von Assisi. Passt auf, das kann auch nicht jeder. Machen wir es doch so,

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für den moralischen Breitensport gelten die zehn Gebote, die sogenannten precepta und für die moralischen Leistungssportler gelten die Seligpreisung, samt Bergpredigt, die Consiglia Evangelica, die evangelischen Ratschläge. Das eine, zehn Gebote, ist notwendige Pflicht, das andere ist die empfohlene Kür. Heraus kam eine spirituelle Zweiklassengesellschaft aus Priestern, Nonnen und Mönchen einerseits und religiösem Fußvolk aus Kirchgängern, Normalos wie ihr und mich und ich andererseits. Ein bisschen, es tut mir leid, bei aller ökumenischen Freundlichkeit atmet die katholischen Kirche diese spirituelle Zweiklassengesellschaft immer noch. Blöd nur, nicht mal die spirituellen Leistungssportler bei der Kür können sich sicher sein, dass sie

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umgangssprachlich in den Himmel kommen. Martin Luther, 23 Jahre jung, steht im Erfurter Kloster nachts um drei Uhr auf, um das erste Morgengebet zu sprechen. Die Zelle ist kalt, das Essen ist kark, der Blick soll demütig gesenkt sein. Er ist überzeugt, dass der Mensch zur Vollkommenheit berufen ist, dass ihm die Verheißungen gelten, aber die erreicht er nie, die Vollkommenheit. Zitat Das Schuldbekenntnis habe ich immer wieder abgelegt und die Strafe, die ich zur Buße tun musste, willig ausgeführt. Dennoch habe ich die erwünschte Gewissheit nie erlangt. Welche Gewissheit? Die Gewissheit, so selig, so zu beglückwünschen zu werden, diesen großen Lohn im Himmel auch zu

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kriegen, den die Seligpreisungen versprechen. Aber, und das verbindet die religiös-moralische Elite der Consilia Evangelica mit den Normalos der Prezepter, er trabt wie ein Karrengaule der Möhre hinterher, die man ihm vors Maul gehängt hat. Vergeblich bemüht strebt der fraue Mensch hinter der Verheißung ewiger Seligkeit hinterher und er ist als 32-jähriger Theologisch-Dozent an der Uni Wittenberg dämmert ihm 1515 bei der Römerbriefvorlesung Vers 17 aus dem ersten Kapitel. Denn darin wird offenbar die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, dass der Gerechte aus Glauben leben wird. Zitat Luther, da endlich nach Tage und Nächte langem Nachsingen sinnen, verstand ich, was Gerechtigkeit Gottes heißt. Sie ist ein Geschenk, eine Gabe, die dir in Christus gegeben wird und dir gehören soll, durch die er den Menschen gerecht macht. Zitat Ende. Was folgt daraus für

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Luthers Verständnis von Matthäus 5? Erstens, was Jesus hier sagt, gilt allen. Und zwar gelten sowohl sein Zuspruch als auch sein Trost. Sein Zuspruch und sein Trost als auch sein Anspruch und sein Ansporn allen. Warum? Aus drei Gründen. Weil Gott seinen Willen jedem Menschen ins Herz verwurzelt hat. Das ist die naturrechtliche Begründung. Weil Jesus die zehn Gebote nicht herabgestuft oder gar annulliert, sondern radikalisiert hat. Das ist die theologische Begründung. Und weil Jesus mit seinem Kreuzestod und seiner Auferstehung uns das schenkt, was wir durch Gehorsam und Pflichterfüllung nie selbst erreichen, weil er von sich aus erstattet, was wir

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ihm und einander schuldig sind. Das ist die christologische Begründung. Die Seligpreisungen richten sich an alle, argumentiert Luther. Und weil die gerechte Welt Gottes, die da versprochen wird, ja eh nicht von uns Menschen hergestellt und herbeigezwungen werden kann, sondern ein Geschenk Gottes bleibt, bleibt uns das Vertrauen. Sola Fidei. Das Vertrauen darauf, dass das Reich Gottes tatsächlich kommen wird. Als zielführende Vision, als konkrete ernstzunehmende Utopie, inspiriert sie aber unser Vertrauen, stimuliert unsere Nächstenliebe und motiviert unsere Hoffnung. An wen wendet sich Jesus mit den Seligpreisungen also nochmal? Ich finde an uns, an Männer und

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Frauen, die wieder Heilige sein können, noch stärker sein wollen, die also den guten Willen haben, aber das böse Tun, wie Paulus in Römer 7, Vers 19 beklagt. The rim of my head hides the eyes of a beast. Die Krempe meines Hutes beschattet die Augen einer Bestie, singt Gordon Sumner, besser bekannt als Sting, in seinem Lied Moon over Bourbon Street. Habe ich das Lied gespielt? Ich hatte zwölf Jahre Live-Sendung, morgens um acht und habe anschließend Römer 7 vorgelesen. Dann sagte die Sendefahrerin hinter der Scheibe, hat das ein Pädophiler geschrieben? Ich sage, nee Paulus, ich zerstöre, was ich liebe und manchmal liebe ich es zu zerstören. Das Gute, das ich will, das tue ich nicht. Das Böse, das ich vermeiden möchte, wiederhole ich. The rim of my head hides the eyes of a beast.

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Oh ich elender Mensch, wer wird mich erlösen? Die Seligpreisungen wenden sich an mich, die ich auf Kompensation meiner Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit angewiesen bin. Die Seligpreisungen wenden sich an mich, der an seiner spirituellen und moralischen Mittelmäßigkeit leidet und auf Vervollkommenung hofft. Denn Christus bewirkt beides in euch, den guten Willen und die Kraft, das Gute auch auszuführen. Philippa Kapitel 2 Vers 13. Also wenden sich die Seligpreisungen an Menschen, die Armen helfen, wohl wissend, dass sie damit die ganze Armut der Welt nicht beseitigen

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werden. Die Trauernden beistehen, wohl wissend, dass damit der Verlust Schmerz nicht völlig getilgt wird und der Tote ja nicht wieder lebendig. Die sanft und achtsam mit sich und den anderen und der Natur umgehen, wohl wissend, dass viele, viele andere Menschen es ihnen nicht gleich tun. Die Seligpreisungen wenden sich also an Menschen, die sich über Ungerechtigkeiten ärgern und für Fairness eintreten, die barmherzig mit den Schwächen und Fehlern anderer sind und keine hinterhältigen Winkelzüge im Herzen planen, die also den Frieden anfertigen, friedfertig in Familie und Gesellschaft, die deshalb gar zu oft als wollsockige Gutmenschen belächelt oder verhöhnt werden als naive Utopisten. Und mancher hat dann auch schon die Steine in der Hand, die die Gemeinde der Israeliten, 4. Mose 14 hatten, als sie Caleb und Joshua für ihre Hoffnungen und Zuversicht steinigen wollten, denen es aber zumindest in einem demokratischen Rechtsstaat mit Religionsfreiheit

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noch Gold geht gegenüber Frauen und Christinnen und Christen in Ländern wie Afghanistan, Iran, Nordkorea oder China. So, und was mache ich jetzt damit? Zugegeben, es kann schon nerven, dass Jesus von einer gerechten Welt Gottes spricht, einem Reich des Friedens, einer Sphäre in der Gottes Wille endlich reale Wirklichkeit ist, die ich einerseits erst nach meinem Tod oder gar nach dem Ende der physisch-irdischen Welt erleben werde, die andererseits aber schon hier und jetzt in unseren Köpfen und Herzen keimt und wächst und knospenhaft sprießt. Dieses theologisch gebildete Worthaus – Leute wissen, dass schon und noch nicht dieser sogenannte eschatologische Vorbehalt ist,

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die rationale Fallhöhe, die intellektuelle Zumutung, die Paradoxie der Seligpreisungen wie der Sound der Seligpreisungen die Fallhöhe ihrer Logik markieren. Als die Frau am Jakobsbrunnen, Johannes 4, völlig zu Recht einwendet, der Zugang zum Gott Israels sei ihr ja verwehrt, leider Samaritanerin, leider Frau, da sagt Jesus, vergiss es. Es kommt die Zeit und ist schon jetzt, da kannst du solche lokalen, ethnischen oder religiösen Begrenzungen vergessen. Da werden auch Samaritane und Römer und sogar rothaarige Barbaren nördlich der Alpen Zugang haben zum lebendigen Gott Israels. Johannes 4,

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24, die Stunde kommt und ist schon da, wo im Geist und in der Wahrheit angebetet wird. Albert Frey hat ein bemerkenswertes Buch über Anbetung in Geist und Wahrheit geschrieben. Zu dieser Paradoxie, es kommt die Zeit und ist schon jetzt, ja aber andererseits auch noch nicht, könnt ihr marxistisch-atheistischen Apokalyptiker Ernst Bloch lesen, das Prinzip Hoffnung von 1959, ihr könnt auch den genialen evangelischen Theologen Jürgen Moltmann lesen, Theologie der Hoffnung von 1964, ihr könnt euch fünf Jahre Theologie-Studium lang am eschatologischen Vorbehalt abarbeiten. Also einer seligen Zeitlosigkeit in einer durch und durch unselig zeitlichen Welt, das Paradoxon lösen, also ich bisher lösen wir nicht auf. Erst recht nicht in Bezug auf die Verheißungen der Seligprasung.

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Ich versuche es mir immer mit einem Vergleich erträglich zu machen, der wie alle Vergleiche natürlich hinkt, aber vielleicht als kleine Eselsbrücke taugt. Eine schwangere Frau hat das Kind schon, bekommt es aber erst. Sie ist objektiv feststellbar eine Mutter, führt aber noch nicht das typische Alltagsleben einer Mutter. Man kann das Kind noch nicht sehen, aber man kann der Frau ansehen, dass sie kommt, dass es kommt. Ihr heutiges Verhalten ist schon ganz bestimmt und in ihren Gedanken ist sie bereits beeinflusst von dem künftigen Ereignis. Lebt so, sagt Jesus, lebt

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doch von Gottes Zukunft her. Heißt, lasst euch nicht einreden, der Lohn für die Armen, der Trost für die Trauernden und der Sieg der Sanftmütigen und die Gerechtigkeit für die Übervorteilten kämen nie. Lasst euch nicht einreden, die Gottesbegegnung für die Ehrlichen, die Ehrung der Friedfertigen und die Rehabilitation der Verleumdeten kämen nie, gäbe es nie, sei illusorisch, fromme Träumerei, fremdlerische Illusionen. Nein, diese Ereignisse kommen, verlasst euch drauf. Als unsere ältere Tochter ausgerechnet den siebten, achten und neunten Monat in heißer Sommerzeit erlebte, da hatte sie irgendwann keine Lust mehr. Sie hat aber auch im neunten Monat nicht gesagt, ich tue jetzt mal so, als wäre nichts. Ja, es mag uns zu lang und

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zu schwerfällig werden. Ja, wir mögen vom Chor der Resignierten und der Restaurierer und der zurück nach Ägypten, sonst steinigen wir euch, enttäuscht und wütend gemacht werden. Aber Jesus sagt, Matthäus 5, 1 bis 12, lebt von Gottes Zukunft her und verhaltet euch den hier genannten Menschen gegenüber so, wie es der Verheißung entspricht. Das bedeutet, Armen so zu helfen, dass sie sich nicht schämen müssen. Partei für die Gewaltlosen ergreifen, auch wenn es eigene Nachteile bringt.

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Barmherzig sein mit den Fehlerhaften, auch wenn es einem gegen die Prinzipien geht und aus dem Herzen keine Mördergrube machen, sondern sich gegen Ablästerei und Rufmord für die Wahrheit einsetzen. Damit stellt ihr die gerechte Welt Gottes nicht her. Aber ihr stellt was fest. Ihr stellt fest, dass Gott aus unseren halben Sachen ganzes Glück machen kann. Möglicherweise stellt ihr fest, dass auch aus kleinen Herzen manchmal große Taten kommen. Und das Beste, ihr müsst euch nicht als Karrengaule hinter der Möhre fühlen, sondern als Beschenkte. Und zwar so reich Beschenkte, dass man es nur mit einem Jubelruf ausdrücken kann. Mit einem Schrei, würde der Wiener sagen,

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mit dem hebräischen Aschrei. Dem habe ich nichts hinzuzufügen, außer vielleicht den poetischen Schlussbemerkungen eines guten Freundes, um den ich immer noch traue. Der ist 2005 gestorben. Wir haben wunderbare Fernseh- und Radiosendungen zusammen gemacht. Hans-Dieter Hüsch, das schwarze Schaf vom Niederrhein. Ich höre ein Herz, das tapfer schlägt in einem Menschen, den es noch nicht gibt. Doch dessen Ankunft mich schon jetzt bewegt, weil er erscheint und seine Feinde liebt. Das ist die Zeit, die ich nicht mehr erlebe. Das ist die Welt, die nicht von unserer

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Welt. Sie ist aus feinstgesponnenem Gewebe, doch Freunde glaubt und seht, sie hält. Das ist das Land, nach dem ich mich so sehne, das mir durch Kopf und Körper fließt. Mein Sterbenswörtchen, meine Lebenskantilene, das jeder jedem in die Arme nimmt.

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Das Blaue vom Himmel – Wer verspricht denn sowas? (Mt 5,1-12) | 13.8.1

Worthaus 11 – Tübingen: 30. Mai 2023 von Andreas Malessa

»Gratuliere, du bist arm. Und schwach, hungrig, traurig, juchhuu!« So in etwa lassen sich die Seligpreisungen aus dem fünften Matthäus-Kapitel verstehen. Glückselig sind offenbar alle, denen es schlecht geht. »Himmlisches Heiapopeia« soll Heinrich Heine zu den Seligpreisungen gesagt haben. Doch der, der da die Verzweifelten glückselig preist, wusste, wovon er sprach. Jesus: unehelich geboren, von seiner Familie missverstanden, von den Geachteten seiner Zeit verachtet, obdachlos, besitzlos, kinderlos, verraten, verhöhnt, verurteilt. Alles andere also als Heiapopeia und Glückseligkeit. Andreas Malessa, Theologe und Hörfunkjournalist, trägt die Seligpreisungen ins Hier und Jetzt, erklärt, an wen Jesus diese Worte gerichtet haben könnte und was sie uns heute noch zu sagen haben.