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Christliche Sexualethik – Der Unterschied in den Paarbeziehungen zwischen antiken und modernen Gesellschaften | 5.8.1

Worthaus@Freakstock 2015 – Allstedt: 31. Juli 2015 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Der Vortrag von Siegfried Zimmer über christliche Sexualethik mit dem Fokus auf dem Unterschied in den Paarbeziehungen zwischen antiken und modernen Gesellschaften überrascht. Eigentlich ist es kein Vortrag. Es ist ein Plädoyer. Anders als gewohnt nähert sich Zimmer der Thematik nicht sachlich, nicht systematisch, sondern überaus leidenschaftlich. Denn er hat ein Anliegen. Dafür kämpft er. Dafür streitet er. Für eine falsche Zurückhaltung ist ihm diese Thematik viel zu wichtig.
Natürlich tritt er dabei einigen auf den Schlips. Und das kann man ihm ankreiden. Aber bevor man das tut, sollte man sich drei Aspekte vor Augen führen: Erstens – und das betont Zimmer – kritisiert er keine Menschen, sondern ein religiöses System. Zweitens ist auch der Bibel diese Art der Zuspitzung vertraut: Paulus kritisiert ähnlich energisch eine Gruppe von Judenchristen, die versuchte bei »seinen« Galatern die Beschneidung einzuführen, – »Sollen sie sich doch gleich verschneiden lassen« lässt grüßen. Drittens kritisiert Zimmer ein religiöses System, dass seit Jahrhunderten keinerlei Gewissensbisse hat, die Bibel für seine Sichtweise zu vereinnahmen und zu verdrehen. Er kritisiert ein religiöses System, das vollkommen schamlos in das persönliche Leben von Menschen eingreift, das diesen Menschen nicht nur »auf den Schlips« tritt, sondern das Menschen manipuliert, mitunter sogar versklavt.
Siegfried Zimmer wendet sich gegen eine als christlich bezeichnete Sexualethik, die so tut als ob die heutige Gesellschaft mit der orientalischen Gesellschaft der Antike identisch wäre. Und er zeigt auf, dass diese »Ethik« zudem noch in sich selbst zutiefst verlogen ist! Sie ist willkürlich. Sie blendet nach Lust und Laune aus. Sie ist nicht das, was sie vorgibt zu sein. Sie ist definitiv nicht »bibeltreu«! Kein Sex vor der Ehe? Dazu sagt die Bibel nichts. Kann sie auch gar nicht. Gab es eigentlich nicht. Denn für jemanden, der schon vor seiner Geschlechtsreife verheiratet ist, ist es äußerst schwierig schon vorab tätig zu werden. Po­ly­ga­mie? In der Welt der Bibel gesellschaftlich und religiös vollkommen problemlos. Praktizieren auch Glaubenshelden. Aber welche »bibeltreue« Gemeinde würde heute einem Mann noch für seine Zweit- und Drittfrau den Segen geben?
Zimmer plädiert für eine christliche Sexualethik, die sehend ist. Die sich den geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen der Moderne stellt. Die sich nicht an pseudo-christlichen Dogmen orientiert, sondern – und hier schließt sich der Kreis – an diesen Worten aus dem Galaterbrief: »Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!«

18. November 2022

David Friedrich Strauß – Geschichte der Leben-Jesu-Forschung | 11.14.1

Es war einiges los in den deutschen Städten des 19. Jahrhunderts. Darwin rüttelte an den Grundfesten des Glaubens, Hieroglyphen wurden entziffert, Sintflutgeschichten außerhalb der Bibel gefunden, frühjüdische Texte tauchten auf, Bücherberge über die Religionsgeschichte wuchsen. Genies sprossen geradezu aus dem Boden, Goethe, Schiller, Schubert, Beethoven, Kant. Und mittendrin ein junger Theologe. David Friedrich Strauß pilgerte 1830 nach Berlin, hörte Hegel – und war begeistert. Alles schien ihm plötzlich durchschaubar. Er kehrte nach Tübingen zurück und schrieb ein Werk über das Leben Jesu. Darin lässt er zwei Pole, zwei verfeindete Lager der damaligen Theologie, aufeinanderprallen. Nur um dann zu sagen: Ihr habt doch alle recht. Was Strauß dann ausführt, ist so skandalös, dass auch ohne Internet und Social Media bald die ganze Gelehrtenwelt Europas Bescheid wusste. Mit dem Holzhammer ist er durch das Neue Testament gefegt und hat den einst gläubigen Nietzsche vom Glauben abgebracht. Strauß musste Deutschland verlassen, wurde nach Zürich berufen – und direkt, mit gerade einmal 30 Jahren, pensioniert. Zu gewagt wäre es gewesen, ihn lehren zu lassen.
Thorsten Dietz erzählt das Leben dieses »berühmtesten, strittigsten und spektakulärsten Theologietreibenden« seiner Zeit, berichtet auch von anderen wichtigen Persönlichkeiten und tragischen Geschichten. Er verspricht „ein bisschen Kopfschmerzen“ und nimmt die Zuhörenden mit auf eine Reise in das vorletzte Jahrhundert und zu der Frage: Wie sollen aufgeklärte, gebildete Menschen noch glauben können?