Video
Audio Als MP3 herunterladen
Transkript Als PDF herunterladen

00:00
Heute Morgen möchte ich reden zum Thema aus der Bibel ethische Maßstäbe gewinnen. Die Bedeutung des kulturellen Wandels. Ethik, so hatte ich in einem Vortrag mal geklärt, hat immer so dieses Geschäft Normen zu haben, Gebote, Regeln, Werte, Tugenden und die zu beziehen auf eine bestimmte Situation, einen bestimmten Sachverhalt. Und beides ist wichtig, die Normen zu gewinnen, die Normen zu bedenken, die trifft, weil ich immer in einer bestimmten Lage, in einer bestimmten Situation bin. Und ich darf nicht die Normen immer so anpassen, dass es mir gerade gefällt mit der Lage und ich darf an der wirklichen Situation nicht so vorbei sehen, dass die Norm,

01:02
die ich gerade im Kopf hat, immer noch passt. Beides funktioniert nicht. Beides muss aufeinander bezogen werden. Und das ist ein anspruchsvolles Geschäft. Denn in der Wirklichkeit ist es ja auch nicht so, dass Normen und Situationen so fein säuberlich getrennt sind. Wäre ein bisschen schön, Schublade Normen aufgucken, was ich habe, Schublade Situation auf. Nein, die Dinge sind ja ineinander gewoben. Das ist ja eine Abstraktion, so zu tun, als wäre das getrennt. Also versucht euch vorzustellen, ein Vater oder eine Mutter, die sieht, wie die Tochter Charlie Fahrrad fährt und dann fährt sie über einen Stock und stürzt. Könnt ihr euch vorstellen, dass Mutter oder Vater sagen, sieh an, mein Kind ist auf die Fresse gefallen. Muss ich mal mein Normgedächtnis checken, ob es da irgendwelche Anweisungen gibt. Oh Gott, ich soll es trösten. Charlie, du Arme.

02:01
Macht keine Mutter und kein Vater. Und wenn sie es tun, sollte man sie auf Ethikbücher Entzug setzen, bis sie wieder halbwegs normal ticken. Warum? Weil sie von dem, was mit ihrer Tochter Charlie passiert, unmittelbar berührt werden. Es ist in ihrer Wahrnehmung, in ihrer Situationserfassung immer schon drin, dass sie helfen und sich ihrer Tochter zuwenden. Das heißt nicht, dass es keine Norm braucht. Nein, es heißt, dass die Wahrnehmung dieser Situation schon zutiefst normgetränkt ist. Diese Norm, dem eigenen Kind beizustehen, ist zutiefst verinnerlicht, die ist übergegangen in Gefühl, in Empfinden, in Gewohnheit, in die ganze Seele. Umgekehrt ist es auch so, dass Normen nicht einfach an sich da sind. Die Norm der Gerechtigkeit ist nicht einfach vorhanden,

03:03
ist nicht der Grundsatz, alles immer gleich zu behandeln oder alles immer gleich zu machen. Es ist gerade die große Herausforderung im Umgang mit Gerechtigkeit, die Gleichheit aller Menschen und die Ungleichheit ihrer Lebenssituation zu würdigen und dem gerecht zu werden. Und darum gibt es nicht nur eine Gerechtigkeit, sondern mehrere Formen. Das ist anspruchsvoll, hier ein bisschen weiter zu kommen. Normen und Situationen und Sachverhalt. Im Christentum ist es so, dass die Bibel gesehen wird als eine ganz wichtige Quelle für Normen, als eine Grundlage, wo Christen Normen finden, Gebote, Werte, Tugenden. Und im Umgang mit der Bibel geschieht dies, dass Normen gesucht werden,

04:01
dass Normen gefunden werden, dass gerungen wird, welche Geschichte vielleicht Orientierung stiftet, welches Gebot vielleicht einer bestimmten Situation angemessen ist. Und das ist nicht immer sofort klar. Auch das ist Arbeit, auch das kann Zeit brauchen. Es gibt Christen, die sagen, die Bibel ist für mich eine Gebrauchsanweisung für das Leben. Sie ist so eine Art Bedienungsanleitung. Hier finde ich eindeutige Maßstäbe. Jetzt würde ich sagen nein. Ich würde nicht sagen nein, weil ich finde, darin wird die Bibel überschätzt. Das leistet die nicht. Ich finde, damit wird die Bibel weit unterschätzt. Die Bibel ist viel mehr als eine Gebrauchsanweisung. Man sich das so vorstellt als Gebrauchsanweisung, unterschätzt man die Bibel. Man macht sie zu klein. Man stiftet

05:01
auch Missverständnisse. Man kann auch manche merkwürdige Reaktionen provozieren, man sich das zu einfach vorstellt und sagt, na ja, da steht es und ich mache es wie bei einer Gebrauchsanweisung, Schritt für Schritt, eins zu eins, genauso. Es gibt im Internet einen Brief, der ist da viral gegangen, wie man so sagt, der zeigt, was für Missverständnisse entstehen können, wenn man das zu einseitig betont. Und diesen Brief wird uns Estella jetzt einmal vorlesen. Liebe Dr. Laura, vielen Dank, dass Sie sich so aufopfernd bemühen, den Menschen die Gesetze Gottes näherzubringen. Ich habe einiges durch Ihre Sendung gelernt und versuche, das Wissen mit so vielen anderen wie nur möglich zu teilen. Wenn etwa jemand versucht, seinen homosexuellen Lebenswandel zu verteidigen, errenne ich ihn einfach an das dritte Buch Mose, 1822, wo klar gestellt wird, dass es sich dabei um ein Gräuel handelt. Ende der Debatte. Ich benötige allerdings ein paar Ratschläge von Ihnen im Hinblick auf einige der speziellen Gesetze und wie Sie zu

06:03
befolgen sind. A. Wenn ich am Altar einen Stier als Brandopfer darbiete, weiß ich, dass dies für den Herrn einen lieblichen Geruch erzeugt. Leviticus 1,9. Das Problem sind meine Nachbarn. Sie behaupten, der Geruch sei nicht lieblich für sie. Soll ich sie niederstrecken? B. Ich würde gern meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21,7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie? C. Ich weiß, dass ich mit keiner Frau in Kontakt treten darf, wenn sie sich im Zustand ihrer menstrualen Unreinheiten befindet. Leviticus 15,19 bis 24. Das Problem ist, wie kann ich das denn wissen? Ich habe versucht zu fragen, aber die meisten Frauen reagieren darauf pikiert. D. Leviticus 25,44 stellt fest, dass ich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche als auch weibliche, wenn ich sie von benachbarten Nationen erwerbe. Einer meiner

07:00
Freunde meinte, das würde auf Mexikaner zutreffen, aber nicht auf Kanadier. Können Sie das klären? Warum darf ich denn keine Kanadier besitzen? E. Ich habe einen Nachbarn, der stets am Samstag arbeitet. Exodus 35,2 stellt deutlich fest, dass er getötet werden muss. Allerdings bin ich moralisch verpflichtet, ihn eigenhändig zu töten? F. Ein Freund von mir meint, obwohl das Essen von Schalentieren wie Muscheln oder Hummer ein Gräuel darstellt. Leviticus 11,10 sei es ein geringeres Gräuel als Homosexualität. Ich stimme dem nicht zu. Können Sie das klarstellen? G. Im Leviticus 21,20 wird dargestellt, dass ich mich dem Altar Gottes nicht nähern darf, wenn meine Augen von einer Krankheit befallen sind. Ich muss zugeben, dass ich Lesebrillen trage. Muss meine Sehkraft perfekt sein oder gibt es hier ein wenig Spielraum? H. Die meisten meiner männlichen Freunde lassen sich ihre Haupt- und Barthaare schneiden, inklusive der Haare ihrer Schläfen, obwohl das eindeutig durch Leviticus 19,27 verboten wird. Wie sollen sie sterben? I. Ich weiß aus

08:07
Leviticus 11, dass das Berühren der Haut eines toten Schweins mich unrein macht. Darf ich aber dennoch Fußball spielen, wenn ich dabei Handschuhe anziehe? J. Mein Onkel hat einen Bauernhof. Er verstößt gegen Leviticus 19,19, weil er zwei verschiedene Saaten auf ein und demselben Feld anpflanzt. Darüber hinaus trägt seine Frau Kleider, die aus zwei verschiedenen Stoffen gemacht sind, Baumwolle und Polyester. Er flucht und lästert außerdem recht oft. Ist es wirklich notwendig, dass wir den ganzen Aufwand betreiben, das komplette Dorf zusammenzuholen und sie zu steinigen? Leviticus 24,10-16. Genügt es nicht, wenn wir sie in einer kleinen, familiären Zeremonie verbrennen, wie man es ja auch mit Leuten macht, die mit ihren Schwiegermüttern schlafen? Leviticus 20,14. Ich weiß, dass sie sich mit diesen Dingen ausführlich beschäftigt haben. Da bin ich auch zuversichtlich, dass sie uns behilflich sein können. Und vielen Dank nochmals dafür, dass sie uns

09:01
erinnern, dass Gottes Wort ewig und unabänderlich ist. Ihr ergebener jünger und bewunderter Fan, Jake. Ja, vielen Dank. Ich denke, so mancher wird diesen Brief kennen. Mich erinnert er an meine eigene Jugend, meine eigenen eitäistischen Jugend, kann ich mich gut erinnern im Religionsunterricht, wie ich da so da saß. Wir hatten mal so eine Senfkornbibel von den Gideons geschenkt bekommen und ich hatte manchmal so einen kleinen Sport, in der Bibel irgendwelche Schockverse zu suchen. Wenn es gerade langweilig war, habe ich so ein bisschen geguckt und gesucht, irgendwo steht doch was von Hände abpacken, von verbrennen, ausrotten, die Kinder nicht vergessen und sonst wie. Wenn ich was hatte, habe ich mich da mal gemeldet und gesagt, ja, hier hören Sie mal, was die Bibel sagt und Sie sind Christ und wir müssen so ein Buch hier lernen und lesen und so. Und dann lehnte ich mich zufrieden zurück. Ich sah die Religionslehrerin rang mit sich,

10:01
sie versuchte irgendwas zu erklären und schwitzte. Ich habe aber eigentlich nicht hingehört, weil ich wollte nichts lernen. Ich wollte einfach so Patsch, so ein Mitgeben, so ein um die Ohren hauen, um mich in meinem ateistischen Selbstbewusstsein wieder ein bisschen zu pinseln und zu wissen, ist doch gut, dass ich die Bibel nicht lese. Da müsste ich mit so Zeugs umgehen. Ja, Menschen machen so was. Menschen suchen solche Schockstellen der Bibel und beruhigen sich dann und sagen, Gott sei Dank bin ich kein Christ, muss schlimm sein. So möchte ich mal andersrum fragen. Wie erfolgreich ist das? Wie erfolgreich ist diese Methode, Menschen die Bibel so austreiben zu wollen? Also ich habe es nicht erlebt, dass die Religionslehrerin gesagt hat, oh Gott, Thorsten, das steht da drin. Ja, dann gebe ich meinen Beruf auf. Da muss ich doch noch was Anständiges lernen. Ich bin schon alt, das ist schade, aber habe ich nicht gedacht. Nein, das machen Menschen nicht.

11:02
So, diese Methode ist lustig und es lachen die, die vorher schon wie Jake gedacht haben. Die finden das lustig. Aber es ist unglaublich erfolglos. Und warum ist das so erfolglos? Das ist doch eine spannende Frage. Warum gibt es immer noch Christen, obwohl solche Briefe im Internet frei kursieren? Warum wachsen christliche Gemeinden, in denen die Bibel gerade besonders eng und streng und treu gelesen wird? Ist ja kurios eigentlich. Eigentlich müsste das doch hier eine Wunderwaffe sein, gegenübertriebene Bibeltreue, aber so sieht die Welt nicht aus. Und ich denke alle, die so Jake-Briefe schreiben, das lustig finden, sollten darüber mal nachdenken. Warum bringt das so wenig, außer dass man vielleicht Freunde verliert und sich ärgert und die Gräben so

12:02
ein bisschen tiefer macht? Ich möchte mal versuchen zu erklären, warum das so nichts bringt. Für viele Menschen, die an der Bibel hängen, ist die Bibel viel mehr als eine Gebrauchsanweisung. Die lesen die Bibel nicht nur so, dass sie wissen, das muss ich tun und das muss ich lassen und dies und das. Für Menschen, die an der Bibel hängen, ist die Bibel ein Lebensbuch. Die Bibel ist für sie wie ein Code. Ein Code, wenn sie diese Wörter der Bibel, diese Sätze hören, ist es ihnen, als ob in ihrem Herzen eine Tür aufgeht, die sonst nichts auf der Welt aufbekommt. Die Bibel ist für sie ein Code, die sie mit etwas verbindet, was für sie wertvoller und heiliger und schöner ist als alles, was sie auf der Welt kennen. Die Bibel ist für sie ein Licht in der Dunkelheit. Sie ist ein Halt,

13:05
wenn alles wankt und schwankt. Sie ist sicher Orientierung, wenn sie nicht mehr wissen, wo es hingeht. Und wenn sie diesen Code betätigen, wenn dieser Code ihr Herz erreicht, dann finden sie etwas einzigartiges. Dann finden sie Trost in schwerem Leid. Dann entwickeln sie in ihrem Herzen eine ganz tiefe Dankbarkeit, wie sie sie sonst nirgendwo anders anregen können. Dann gewinnen sie Hoffnung, Hoffnung auch in verzweifelten Lebenslagen. Dann gewinnen sie Hoffnung, wo sie nichts mehr sehen und nichts mehr greifen können. Dann können sie zuversichtlich und fröhlich dieses Buch wieder zumachen, was sie besorgt und ängstlich aufgeschlagen haben. Die Bibel ist ein Code, denn Menschen finden darin Worte, in denen sie ihre tiefste Ängste kleiden können. Sie können

14:03
mit dem Bibelbuch ihre Angst, ihre Verzweiflung hinausschreien und fragen, wie lange noch, Herr? Wo bist du? Erlöse mich. Ich brauche Hilfe. Und sie lernen mit diesem Buch Worte zu sagen, die ihnen nicht einfallen würden ohne dieses Buch. Und wenn sie diese Worte gesprochen haben, ist es, als ob tief in ihrem Herzen etwas heil wird. Und sie finden in diesem Buch die Zuversicht, trotz Schuld und Scheitern geliebt zu werden. Und sie finden über diesem Buch eine Gemeinschaft des Vertrauens, des Aufeinander Hörens, des Einander Begleitens und Liebens, was sie über keinem anderen Buch und keine andere Serie und keinen anderen Film finden. So geht es Menschen, die die Bibel lieben. Und Menschen, denen es so geht, die lassen sich von solchen Jake-Briefen

15:04
die Bibel nicht aus der Hand nehmen, weil die Bibel für sie ein Lebensbuch ist, ein Code zu ihrem Herzen, ein Code, mit dem sie Zugang zu Gott finden. Und das ist für sie heiliger und schöner und wahrer als alles, was sie sich auch nur vorstellen können. Und darum sind sie bereit, der Bibel zu vertrauen, auch wenn sie nicht erklären können, warum. Darum sind sie bereit, offene Fragen auszuhalten, auch verspottet und ausgelacht zu werden, weil sie die Bibel als Halt, als etwas, was sie trägt, erfahren. Und das geben sie nicht einfach auf, nur weil irgendwer lacht oder sie versucht zu beschämen oder ins Lächerliche zu ziehen. Ich kann mir vorstellen, dass das Menschen einleuchtet, auch sehr konservativen Christen einleuchtet, die das Gefühl bei Wothaus vielleicht

16:03
auch etwas seltener haben sonst. Und für die einfach nur mal die kleine Nebenbemerkung. Man könnte das Beispiel jetzt auch weiterziehen und sich fragen, wie erfolgsversprechend, glaubt ihr, ist es, wenn man etwa Muslimen sagt, ihr und euer Koran, ihr müsst erstens lernen, den Koran historisch zu relativieren. Zweitens müsst ihr ihn kritisieren. Ihr müsst euch von bestimmten Aussagen ganz klar distanzieren. Und drittens müsst ihr jederzeit schwören, dass ihr das Grundgesetz mehr liebt als den Koran. Ansonsten akzeptieren wir euch hier nicht. Erfolgsversprechend? Kaum. Menschen, die ihr heiliges Buch lieben, lassen sich durch solchen Druck in keiner Weise beeindrucken. Es wird so nicht funktionieren. Und die Jakes dieser Welt, die manchmal aus guten Gründen Angst haben vor fundamentalistischer Religion, sollten vielleicht etwas tiefer

17:02
darüber nachdenken, was Glaube ist, was Frömmigkeit ist, was Bibel-Treue sein kann. Vielleicht schreiben sie dann auch mal erfolgreichere Briefe und entwickeln bessere Argumente, als es ihnen oft gelingt. Das war in die Richtung gesprochen. Und jetzt wenden wir uns mal anderen Christen zu, die diesen Brief von Jake so hören. Na ja, und was machen die? Die ärgern sich. Die ärgern sich, weil sie merken, der Jake will lustig sein. Und der will von seiner Gang auf die Schulter geklopft kriegen, dass alle sagen, Jake, du bist der Hammer. Und dafür haut er paar ultra-frommen links- und rechtspaar ins Gesicht. So ist ja lustig. Die sind ja dafür da, die kann man ja schön durch den Dreck ziehen. Und da spüren die, das ärgert sie natürlich. Wie soll man damit

18:02
umgehen? Wie soll man mit diesem Ärger umgehen? Ja, und da ist natürlich auch eine Versuchung mit verbunden. Also, wenn man sich das anschaut, man merkt ja eigentlich sehr schnell, viel Ahnung hat der Jake nicht. Der erste Punkt war hier, wenn ich am Altar ein Stier als Brandopfer darbiete, weiß ich, bla bla bla. Jeder, der ein bisschen von der Bibel weiß. So, der hat da folgende Gedanken. Und jetzt stellen wir mal uns vor, dass man so als ganz konservativer Christ morgens wach wird, diesen Brief liest, bevor man stille Zeit gemacht hat, bevor man mit Gott geredet hat, bevor das eigene Herz durch Barmherzigkeit und Liebe weich geworden ist. Also in einem Zustand, wo man noch tief im Fleisch ist. Man hört diesen ersten Satz vom Jake und schreit zurück, meine Fresse bist du doof, Jake. Das gilt doch nur für Priester. Ist doch Blödsinn. Wir opfern doch nicht. Boah. So, und so

19:03
hat man noch an paar Stellen eigentlich Grund zu explodieren. Das ist menschlich, kann man verstehen. Aber jetzt mal so unter uns Pastoren, Söhnen und Töchtern wird das den Jake beeindrucken. Naja, wenn man die Bibel verteidigt, wenn man seinen Glauben verteidigt, sollte man natürlich zusehen, das so zu machen, dass man nicht gleichzeitig seinen Glauben verrät und der Bibel untreu wird. Man kann aus guten Gründen auf die Idee kommen, dieser Jake ist unser Feind. Der will mir die Bibel aus der Hand winden. Dass du ihm das nicht durchgehen lässt, ist völlig okay, aber sorry, wenn er dein Feind ist, da hast du eine klare Bedienungsanleitung für. Den sollst du lieben. Und wenn er flucht, sollst du segnen. Und wenn er dir Übles nachruft, sollst du es nicht tun. Du

20:03
sollst verzeihen und lieben und die zweite Meile mit ihm gehen und nicht im Zorn antworten. Das wird deiner Sache nicht dienen, wenn du glaubst, jetzt kann ich mal ganz bibeltreu zurückschlagen oder so. Das wird nicht erfolgreich sein. Das Zweite, es ist wahrscheinlich auch nicht erfolgreich, dass du dich einfach nur zurückziehst in einen Schmollwinkel und sagst, der wollte mich beleidigen und jetzt hat er es geschafft und ich ärgere mich. Und jetzt habe ich stille Zeit gemacht und habe gebetet, die innere Glaubenskraft reicht dafür, dass ich nicht zurückfluche. Das muss reichen. Das ist für einen schweren Vormittag vielleicht auch mal genug, aber auf Dauer ist es natürlich besser, wenn man auch erklären kann, erklären kann, warum dieser Brief die Anhänglichkeit an

21:00
die Bibel nicht einfach pulverisieren kann. Da muss man erklären können, warum es anders ist. Und man sollte sich ja auch folgendes mal klarmachen. Dieser Brief ist relativ verbreitet im Internet. Erstens sieht man, der Jake hat nicht viel Ahnung von der Bibel. Zweitens sieht man daran, es gibt offenbar viele Menschen auf der Welt, die nicht viel Ahnung von der Bibel haben. Sonst hätte ihm sein bester Freund schon nach dem ersten Punkt gesagt, man Jake, bist du doof, das ist doch für Priester und so. Es gibt viel zu viele Menschen, die einfachste Unterscheidungen nicht verfügbar haben. Und offenbar gibt es viel zu viele Christen, die manchmal sehr unreflektiert und flach von der Bibel reden als Gebrauchsanweisung, die man einfach so eins zu eins umsetzen kann und muss. Gäbe es das nicht, würde ein solcher Brief überhaupt keinen Erfolg haben. Wenn Christen über

22:01
dieses Niveau weit erhaben werden, würde niemand lachen. Man würde ihm bemitleiden, dass er so wenig Ahnung hat, wo man doch von jedem Christen auf der Straße lernen kann, dass es so ja echt nicht geht. Was ich heute Vormittag machen möchte, ist, ich möchte verschiedene Antworten durchgehen, die man auf diesen Brief geben kann. Und ich werde mich dabei orientieren an konservativen Bibelhermenäutiken. Und ich möchte insgesamt vier verschiedene Reaktionen durchprobieren, vier verschiedene Antworten, wie man nach stiller Zeit, nach Beten, nach in Liebe und Barmherzigkeit das Herz getaucht und den Kopf wieder klar gemacht und vernünftig Rechenschaft geben von der Hoffnung, die in uns ist, hier etwas zu sagen kann. Und dabei möchte ich einen Überblick geben über Hermeneutik. Hermeneutik ist die Lehre vom Verstehen der Bibel. Hermeneutik im Blick auf

23:01
die Ethik in der Bibel, auf das Gewinnen von ethischen Normen aus der Bibel. Das ist mein Ziel. Es wird ein Überblick werden. Das heißt, in den einzelnen Punkten muss es manchmal auch kurz und knapp gehen. Aber ich hoffe, dieser Überblick kann auch zumindest so viel stiften, dass man demnächst einen Jake-Brief erheblich cooler und reflektierter gegenübertreten kann. Die erste Antwort, die man Jake geben könnte, mit der werden wir jetzt schnell fertig sein, weil sie echt nicht gut ist. Leider aber eine ist, die man von vielen Christen hören kann. Viele Christen, die das hören, würden als erstes die Antwort geben, ja, das ist ja alles nur altes Testament. Das ist ja alles altes Testament. Für uns gilt aber das Neue Testament. Die Antwort ist nicht gut. Ich mache das kurz und knapp. Das hat mehrere Probleme, die Antwort. Ein Problem ist natürlich dies. Es ist an sich schon sehr schräg,

24:06
so zu tun, als wäre das Neue Testament so eine Art Ersatz für das alte Testament, was jetzt, man so sagen kann, na ja, früher gab es das Gesetzbuch, wir haben jetzt ein anderes, neues Gesetzbuch, heißt ja auch Neues Testament. Das ist allein schon ein völliges Missverständnis des Neuen Testaments. Und es gibt aber weitere Probleme. Was man im Neuen Testament lesen kann, ist das Bekenntnis zum ganzen Alten Testament als dem Wort Gottes. Zu dem Wort, was nicht Menschen ersonnen haben, sondern was Menschen getrieben vom Heiligen Geist im Namen Gottes niedergeschrieben haben. Vom Alten Testament heißt es, dass es von Gott eingehaucht, von Gott durchgeistet ist. Es ist vom Neuen Testament her ziemlich einfach zu begründen, warum das Alte Testament als Wort

25:02
Gottes verstanden wird. Es ist mit dem Neuen Testament ziemlich schwierig zu begründen, warum das Neue Testament genauso Wort Gottes ist wie das Alte Testament. Und das ist dann natürlich ein Problem, wenn man sagt, ja, das Alte Testament, das gilt ja nicht mehr. Das ist ja verfallen. Ob jetzt Karfreitag oder Ostern, weiß ich gerade nicht, vielleicht auch Pfingsten, aber das gilt nicht mehr. Und bei uns gilt das Neue Testament. Nee, so nicht. Und es passt ja auch in keiner Weise zu dem, etwa was Jesus sagt. Jesus sagt, Matthäus 5, ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch, bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis es alles geschieht. Wenn nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der wird der kleinste heißen im

26:05
Himmelreich. Wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. Wie immer wir diese Worte verstehen wollen und diese Worte zu verstehen im Kontext des gesamten Neuen Testament ist durchaus anspruchsvoll. So, aber eins ist doch völlig klar. Du kannst dich nicht hinstellen und sagen, aha, also das Alte Testament ist nichts mehr, habe ich verstanden. Nee, so geht es nun mal nicht. Jesus bekennt sich hier zu diesem ganzen Alten Testament, zur Thora. Jetzt kann man sagen, ja, aber er sagt doch danach. Zu den Alten wurde gesagt, ich aber sage euch, ersetzt Jesus das nicht. Nein, er verschärft. Er bringt höchstens Impulse des Alten Testaments noch deutlicher, noch klarer, noch stärker zum Ausdruck. Es ist ein völliges Missverständnis zu denken, das Alte Testament war streng und im Neuen Testament, da lockert man sich mal so ein bisschen. Da ist das

27:04
alles nicht mehr so wichtig mit den Geboten. Also so geht es nicht. So und Christen, die so einfache Antworten auf solche Briefe geben, tragen viel dazu bei, dass solche Briefe geschrieben werden können. Ich möchte eine zweite Antwort ausprobieren. Und das ist eine Antwort, die durchaus viele Christen geben würden, die sich mit der Bibel gut beschäftigt haben, die Bibelkurse belegt haben, die auf Bibelschulen waren. Reicht sicher auch ein Jahr und in einer richtig guten Bibelschule auch mal drei Monate. Da lernen viele Christen eine Antwort, eine Strategie darauf, die sehr klassisch ist, sehr traditionell. Und die geht so, die würde sagen, Jake, du weißt nichts. Du hast grundlegende Dinge missverstanden. Wenn du mal ins Neue Testament hinein schaust,

28:05
dann merkst du da schnell, dass hier ein anderer Umgang entwickelt wird mit den biblischen Geboten des Alten Testaments, etwa die Speisevorschriften, die du hier bringst, die Schalentiere, die Muscheln, das Schweinefleisch und so weiter. Im Neuen Testament wird dieser ganze Bereich des Kultes der Reinheit grundlegend überholt. Es gibt klare Aussagen, Markus 7, wo es heißt Jesus erklärte, alle speisen für rein. Noch deutlicher, das ganze Konzept von Reinheit wird verändert. Auch Markus 7, polnische Parallelen, die auf guten Bibelschulen waren, haben das alles griffbereit. Wissen, unrein wirst du nicht von etwas, was von außen in dich hineingeht oder dich berührt, sondern unrein wirst du durch das, was von innen kommt. Böse, Gedanken, Habgier, Neid, Zorn, was aus dem

29:07
Herzen des Menschen kommt, das macht den Unrein nicht das Äußere. So, das heißt, dieser ganze Bereich des Kultischen, der wird im Neuen Testament grundlegend neu konfiguriert, aufgestellt. Und weiter, das Konzept von Gemeinde ist im Neuen Testament ein völlig anderes als im Alten. Im Alten Testament hast du die Einheit von Volksgemeinschaft und Glaubensgemeinschaft. Und das ist eine große Herausforderung und das macht allen ganz viel Mühe. Und so ist es. Im Neuen Testament wird diese Einheit völlig gesprengt. Du hast eine Glaubensgemeinschaft aus allen Völkern, in allen Ländern, in allen Staaten. Und das bedeutet, durch diese Auflösung der Einheit von Volks- und Glaubensgemeinschaft lebt dieses neue Volk nicht mehr unter staatlichen, rechtlichen, politischen

30:09
Satzungen, die für sie einheitlich sein müssen. Und du siehst, Paulus, etwa mit großer Selbstverständlichkeit, das römische Recht in Anspruch nehmen, wo er sich davon etwas erwarten kann. Als römischer Bürger beruft er sich auf den Kaiser, er nimmt das im Anspruch. Es ist nicht mehr die Idee, dass die Christen ein Staatsgebilde entwickeln mit Rechts- und Politikordnung eigener Art. Das kannst du im Neuen Testament sehen. Und wenn man es ein bisschen auf den Begriff bringt, sagt man dann so, wir müssen im Blick auf das Alte Testament unterscheiden. Die Gesetze, die Gebote haben teilweise einen kultischen Charakter, kultischen, zeremoniellen Charakter. Und all das, was damit zu tun hat, im Bund Gottes zu bleiben, den Gottesdienst Israel zu gestalten,

31:01
all das wird im Neuen Testament auf eine neue, geistliche, nicht so von Kult, Reinheit und Unreinheit geprägte Basis gebracht. Und zweitens, im Alten Testament finden wir juridische Gesetze, juridische, staatliche Normen von Königsrecht und Todesstrafe und Hände abhacken in seltenen Ausnahmen und all dies, all das ist fürs Neue Testament automatisch für Christen keine verbindliche Logik mehr. Was du im Alten Testament auch findest, ist die moralische Dimension der Gebote. Und so geht diese einfache Antwort. Das Gesetz des Alten Testaments hat kultische, juridische und moralische Aspekte. Die kultischen und juridischen sind für das neue Bundesvolk in dieser Form passé. Der moralische Gehalt des Alten Testaments, die Werte, die Werturteile, die gelten.

32:05
So, wenn du von dieser Einsicht her, das waren ja jetzt drei, vier Minuten, drei Monate Bibelschule war jetzt großzügig angesetzt und so, das kann man lernen grundsätzlich. Wer das verstanden hat, der ist sehr weitgehend mit Jake's Brief durch. Das löst sich dann mehr oder weniger auf, weil der Jake da wirklich keine Ahnung von hat. Der ist da noch nie drauf gekommen, juridische und kultische Aspekte von moralischen Fragen zu unterscheiden. Und das ist kein Hexenwerk. Das ist auch was Solides so. Das hat man in der Alten Kirche so gemacht. Das kennen die Reformatoren. Reformationszeit kennt das. Das wird in die frühe Neuzeit transportiert. Bis heute gibt es christliche Gruppen, die sagen, so, so gehen wir damit um und damit kommen wir irgendwie klar. Und ein bisschen muss man dann natürlich Exegese treiben, ein bisschen. Aber

33:03
das ist ja auch keine Zauberei, so grundlegende Unterschiede einfach mal einzuführen und auch zu verstehen. Haben wir es? Nicht so ganz. Denn das ist eine traditionelle Umgangsweise mit dem Alten Testament. Ist nicht schlecht, so. Das ist durchdacht, hat sich jahrhundertelang gehalten, hat natürlich auch Probleme. Ich habe die Ansatzpunkte gebracht aus dem Neuen Testament, aus dem man das herausentwickeln kann. So. Jetzt muss man aber, wenn man ein bisschen bereit ist, so Selbstkritik auch sagen. Ja. Und in welchem Neu-Testamentlichen-Kapitel steht das noch mal ganz klar, dass das so geht? Da wird es dann schwieriger. So, also wo wird diese Trennung glasklar durchgeführt und durchgezogen, dass man das Kultische, Zeremonielle vom Moralischen trennt?

34:06
Denn, also wenn das so ist, wenn das so ist, macht die Thora, sagen wir mal, einen strubligen Eindruck. So, die meisten Zitate sind ja aus dem Buch Leviticus. So, und da hat man das Gefühl, dass es geht da eins im anderen und kultisch und recht und Todesstrafe und moralisch und rein und unrein und es ist, es wirkt sehr chaotisch. Wenn man die Schema mal richtig gut verstanden hat, hat man auf einmal so die Anfechtung, dass man denkt, ich wünschte, der Heilige Geist hätte beim Verfassen des Alten Testamentes das so klar vor Augen gehabt, wie es mir gerade ist. Hätte wahnsinnig geholfen. Wenn man ein bisschen weiter denkt, könnte man sagen, ich kann den Heiligen Geist jetzt hinterfragen, ich könnte auch bei mir anfangen und fragen, ist mein Schema vielleicht überklar? Ist es überklar? Ist es irgendwie so durchgestylt,

35:04
dass es dem biblischen Texten eigentlich nur mit Mühe gerecht wird, eigentlich nicht so richtig? Die unterscheiden das so nicht. Die alttestamentlichen Texte unterscheiden so nicht. Man kann im Neuen Testament an vielen Stellen diese Linie so ziehen, dass etwa das Reinheits-, Unreinheitskonzept, sagen wir jetzt mal, ethisiert wird. Es wird moralisiert. Es geht heraus aus diesen ganzen Äußerlichen mit Stoff und Körperflüssigkeit und Fäden und all dies. Also es gibt diesen Trend. Aber es gibt im Neuen Testament dann auch immer Beispiele, die so ein bisschen verstörend sind. Ich bring mal ein neutestamentliches Beispiel. Neutestamentliches Beispiel. Paulus hat mit den Korintern ja so seine Geschichte. Und der ganze erste Korintherbrief, Paulus versucht da ein paar Streitfragen vor Ort zu klären. Und das ist sehr interessant. Da hat er manchmal klare Lösungen, manchmal sagt er, ja hier sagt der Herr so. Dann sagt er in anderen Fällen, na hier weiß ich nicht,

36:04
habe ich kein Wort vom Herrn. Ich sag mal, was ich so denke oder so. Und in anderen Fragen sagt er erst hü. Dann sagt er ein bisschen hot und dann sagt er na ja und im Grunde sieht zu, dass dein Gewissen, so das lasst ihr von keinem kaputt machen. Aber auf die Schwachen nimmst du auch Rücksicht. So und dann gibt es ja differenzierte Antworten. Also ein total spannender Brief. Im Grunde der lebendigste Brief im Ringen mit ethischen Problemen. Es gibt ein Fall, ein Kapitel, wo Paulus aber sehr klare Ansage trifft und wo er richtig entrüstet ist und wo er einen Fall offenbar in Korinth vor Augen hat, wo er sagt, da ist unter euch etwas, das gibt es ja nicht mal bei den Heiden. Also raus mit dem. Ihr habt da in eurer Gemeinde einen Mann, dessen Seele übergebt ihr dem Satan bei eurer nächsten Versammlung. Ich bin im Geiste bei euch. So und dann wird er raus. Es ist nicht zu ertragen. Das

37:06
ist mit Abstand das Schärfste und Klarste, was Paulus in diesem ersten Korinther Brief macht. Jetzt ist es so, die meisten geben sich ein bisschen wenig Mühe zu fragen, was ist das für ein Fall? Sie sagen ja Ehebruch. Naja, der Fall ist jetzt nicht so ganz einfach. Paulus sagt ganz schlicht so, da ist ein Mann, der lebt zusammen mit der Frau seines Vaters. So formuliert ist klar, dass jetzt nicht seine Mutter ist, jetzt nicht seine Mutter. Es ist seine Stiefmutter offenbar. So und jetzt muss man sich da ein bisschen was zu vorstellen. Das ist ja heute ungewöhnlich, dass jemand sagt, ich habe geheiratet. Oh, Glückwunsch. Wen denn? Ja, meine alte Stiefmutter. Ungewöhnlich. Wie kommt sowas? So, das ist für die Antike. Also ist es jetzt viel weniger absurd,

38:01
auf diese Idee zu kommen. Offenbar haben wir hier Vater und Sohn und dem Vater, man weiß es nicht, die Frau Mutter wahrscheinlich nicht mehr da, vielleicht gestorben, er ist Witwer. Und in einem Alter oder in einer finanziellen Lage, dass er sagt, ich heirate nochmal und das kann man alles irgendwie und so. Naja, wen heiratet man denn dann? Geht man dann auf ein Tanztreff Ü40, wo Menschen so auf der Suche und so. Also es gibt in der Antike zu jeder Grundregel immer auch Ausnahmen. Ich will nicht ausschließen, dass es irgendwann mal kurz nach der Issuskeilerei tatsächlich mal ein Ball Ü40 für einsame Herzen gab. Es gibt immer fast alles. Aber die Regel ist eine andere. Die Regel ist, dass wenn du als Mann, der nicht völlig verarmt ist und nochmal heiraten willst, dann nimmst du dir eine Jungfrau. Dann nimmst du dir eine junge Frau. Naja, und die mag

39:00
14 sein, die mag 16 sein. Sicher war sie irgendwie auch, was weiß ich, 27 Jahre nach der Gründung Ruhms ausnahmsweise auch mal 30. Aber in der Regel, in der Regel kriegst du eine Jungfrau, die 13, 14, 15, 16 war. Das ist eher so das klassische Heiratsalter. Also in der Regel kriegst du ein Teenie. Und wenn du ein Witwer im reiferen Alter bist, ist es überhaupt nicht ungewöhnlich, sondern relativ normal, dass du dann eine Ehefrau hast, die vielleicht sogar ein bisschen jünger ist als dein ältester Sohn. Soll heute auch noch vorkommen bisweilen. Damals war es aber häufig so. Und jetzt in einem Fall, dass ein solcher Mann wahrscheinlich stirbt, so ist es ja keine abstruse Idee, dass ein Mann eine Frau heiratet in seinem Alter, weil er damit vielleicht auch Fragen des Erbes und so klären kann. Vielleicht hat er sich verliebt, war damals aber

40:01
nicht so das Konzept und so. Wir kennen den Fall nicht. Wir wissen nicht die Details. Nur so ungefähr nach aller Wahrscheinlichkeit muss man sich das vorstellen. Es ist keine absurde Idee. Spannende Frage ist, was spricht dagegen? Was spricht dagegen, dass hier jemand eine Frau heiratet, mit der er keinerlei Blutsverwandtschaft hat, die in seinem Alter ist, die er irgendwie kennt und offensichtlich ist weder seine Mutter am Leben noch ist sein Vater da. Dann hätte Paulus ganz anders sagen können, hier spannt einer seinem eigenen Vater die Frau aus Sauerei. Das scheint hier nicht der Fall zu sein. Was spricht dagegen? Naja, es spricht ganz schlicht das Buch Leviticus dagegen. Das Buch Leviticus nennt Regeln, die wir heute als Inzestregeln bezeichnen, wie man alles nicht heiraten darf. Und im Buch Leviticus sind diese Inzestregeln nicht bestimmt

41:02
vom Gedanken der biologischen Verwandtschaft, sondern der sozialen Verwandtschaft. Das ist da entscheidend. Also die eigene Schwester zu heiraten ist genauso verboten, wie die eigene Stiefmutter zu heiraten. Das ist sozial so auf einer Ebene. Dieses Gesetz gab es grundsätzlich auch in Rom. Es gab es auch in Griechenland. Darum ist Paulus hier so erbost und sagt, das gibt es ja nicht mal unter den Heiden. So, damit hat er recht. Das ist selbst bei denen nicht üblich gewesen. Also es ist schlicht etwas, was gegen die Thora steht. Und es steht auch gegen das, was da üblich war. Jetzt ist das für uns ein bisschen schwer einzuordnen, denn man muss sich für die Heiratsregeln des Alten Testaments klarmachen, dass sie sagen, wenn dein Bruder stirbt kinderlos, dann sollst du deine Schwägerin heiraten. Wenn dein Vater stirbt und seine

42:09
hinterlassene junge Frau dir total gefällt und ihr beide einander von Herzen liebt, dürft ihr auf keinen Fall unter keinen Umständen heiraten. Das ist so. Das ist so gemacht. Das ist so geregelt. Und das Erklären ist immer schwierig. Es hat was zu tun mit Familie und mit Patriarch und die Ehre des Vaters. Und man darf diese Ebenen nicht vermischen. Es wäre Anmaßung, es wäre Anmaßung, hier im Grunde einzugreifen in das Hoheitsrecht des Vaters. Nehmt die Geschichte von David und Absalom. So, wenn Absalom gegen seinen Vater David aufrohr macht, nimmt er als erstes alle Frauen Davids und schläft mit ihnen. Und damit verbrennt er im Grunde die Schiffe hinter sich.

43:02
Damit ist das Tischduch zerschnitten. Es gibt kein Zurück mehr. Das ist das klare Zeichen. Ich habe meinen Vater radikal gebrochen. Niemand soll erwarten, da geht noch was. Da geht nur noch er oder ich. So, das ist so. Und was machen wir jetzt damit? Ist es moralisch ein ewiges Gebot, wenn der Bruder stirbt, seine Frau zu nehmen und ein ewiges Verbot auf keinen Fall eine hinterbliebene Stiefmutter auch nur anzusehen? Ist es moralisch oder ist es so ein Reinheits-Unreinheits-Code? Es ist eine komplizierte Geschichte. Eine komplizierte Geschichte, wo man auf einmal merkt, das was wir so moral nennen und empfinden und so, scheint sich zu ändern, scheint sich zu verwandeln. Und die Unterscheidung von klassischen Vorstellen von rein, unrein sind auch bis ins

44:02
Neue Testament hinein da. Apostelconcil könnte man auch darauf eingehen, Speisevorschriften, Fragen und so. Es geht nicht so glatt auf, wie man hofft und denkt. Darum dieses Schema grundsätzlich überhaupt im Alten Testament Unterschiede einzuführen, das ist erst mal gut und solide und sonst wie, reichen tut es nicht. Und darum auch viele neuere konservative, Bibel-verbundene Theologen haben das Gefühl, das genügt nicht mehr. Es wird den Texten des Alten Testaments nicht gerecht. Es produziert zu viele Grenzfälle, zu viele Fragen, wo die Unterscheidung gar nicht so gut durchführbar ist, wie das so funktioniert. Und es entsteht vor allem ein Problem mit kulturellem Wandel. Denn früher oder später merkt der Hartgesottenste auch, es gibt kulturellen Wandel, auch in nach neutestamentlicher Zeit. So auch die, die sagen,

45:07
wir leben nach allen Regeln des Neuen Testaments, können mit Regeln konfrontiert werden, wo sie auch Schnappatmung kriegen und merken, oha, nach fast allen, für die anderen haben wir gute Umgehungsstraßen gebaut, das ist uns das nicht so. So, und da muss man aber umstellen auf eine andere Hermeneutik, auf ein anderes System. Dieses System juridisch, kultisch und moralisch funktioniert im Grunde unter nur einer Voraussetzung. Und das war eine Voraussetzung, die man in der Alten Kirche im Mittelalter, in der Reformationszeit, in der frühen Neuzeit noch gemacht hat. Und diese Voraussetzung war die, man sagte, okay, es gibt das Gesetz Gottes in der Bibel und Gott sei Dank, steht ja in Römer 2, hat Gott uns seinen Willen auch ins Herz geschrieben, es gibt ein Naturrecht, es gibt ein natürliches Gesetz, es gibt ein natürliches Wissen um Gut

46:05
und Böse bei allen Menschen. Alle Menschen verfügen über dieses Grundwissen und diese ewige Ordnung, dieses ewige Gut und Böse. Grundsätzlich haben wir dies, das ist unveränderlich, es ist Gottes ewiger Wille. Und das können wir immer schon voraussetzen. Und dann kann man fragen, wofür braucht es dann noch die Bibel? Naja, ganz einfach, weil sündige Menschen auf die Idee kommen können, ihr eigenes Gewissen so lange zu beknien und zu bekneten, bis es nachgibt. Darum ist es gut, das ewige Gesetz Gottes auch nochmal schwarz auf weiß zu haben, dass man jemandem sagt, der es geschafft hat, sein eigenes Gewissen zum Schweigen zu bringen. Höre auf den festen Buchstaben, der redet immer noch. So, und das ist sinnvoll. Und wenn du das so denkst, wie man es viele Jahrhunderte, anderthalb Jahrtausende in der Christenheit getan hat, dann hat es eine Logik zu

47:04
sagen, es gibt eine ewige moralische Ordnung. Grundsätzlich ist die in allen Kulturen der Sache nach auch zugänglich. Naturrecht, natürliches Gesetz und die Bibel ist eine Hilfe in Zweifelsfragen, das nochmal ein bisschen klarer zu kriegen. Jetzt ist das Problem dies, das mit dem Naturrecht ist eine Position, die einen schweren Stand hat. Die meisten, auch Theologen, die meisten auch konservativen Theologen haben sich im Laufe der letzten 200 Jahre mindestens teilweise davon verabschiedet. Warum? Weil wir in den letzten Jahrhunderten eine ungeheure Transformation erfahren haben des moralischen Bewusstseins, gerade in Kernländern des Christentums. Der Übergang

48:01
vom Obrigkeitsstaat zur Demokratie ist erheblich. Es gehörte zur Logik des Naturrechts, das ist von Natur. Menschen gibt die Befehlen und Menschen die gehorchen. Es war eine natürliche Ordnung und das suchte man sich nicht aus. Man war so geboren. Das war eine Frage des Standes. So, da konnte man sich nicht einfach so hocharbeiten und hochputschen. Das war eine natürliche Ordnung und Demokratie wurde als wieder natürlich empfunden. Es war eine natürliche Ordnung, dass der Mann führt und die Frau folgt. Das war eine sehr klare natürliche Ordnung und für andere war es völlig klar, dass es Freie gibt und Sklaven und das haben sie zurückgeführt auf uralte Geschichten der Urgeschichte und gesagt, ja so ist es halt. So, dass das ist so ein Urflug und von Natur sind manche Menschen Sklaven und andere nicht. Es war eine natürliche Ordnung, dass aus Kindern nichts

49:05
wird, wenn man sie nicht prügelt. Ein unverprügeltes Kind kann nichts werden. Es wird Verbrecher, es wird irgendwie völlig aus der Art schlagen, nur mit starker Disziplin, Autorität und nicht ohne Prügel kannst du ein Kind auf einen guten Weg führen. All das gehörte mal dazu. All das war Naturrecht und ein Punkt nach dem anderen hat erst mal keine Mehrheit mehr gehabt und irgendwann haben auch Konservativste gelernt, Demokratie zu sagen, schon auch gut. Und manchmal ist es ja auch völlig verrückt. Es gibt heute Konservative, die sich damit brüsten, dass das Christentum die Demokratie erfunden hat und andere Religionen schaffen das nicht. Das ist natürlich manchmal auch ein bisschen tragisch, weil etwa im 19. Jahrhundert in Deutschland war es ein sehr breiter Konsens unter konservativen Christen, dass die königliche Obrigkeit von Gott ist und dass das

50:07
Streben nach Demokratie auf Ruhr gegen Gottes Ordnung ist. Es ist schön, dass man irgendwann auch vergisst und so, aber auch ein bisschen ungerecht und auch ein bisschen unehrlich, so dass das gehört zur Geschichte. Und all diese Dinge haben sich irgendwann aufgelöst. Offenbar verändert sich etwas. Die Welt dreht sich weiter. Die Welt dreht sich weiter und man kommt mit dem Konzept einer ewigen unveränderlichen moralischen Ordnung der Gesellschaft, des Staates, der Wirtschaft, der Erziehung, des Verhältnisses von Mann und Frau nicht durch. So klar, wie ich es jetzt gesagt habe, hört es nicht jeder gerne. Und doch ist es so, dass auch bei vielen konservativen Bibelauslegern

51:01
das Bewusstsein da ist, kultureller Wandel ist eine Realität und in bestimmten Fragen müssen wir uns dem stellen. Und so ist es zum Beispiel Konsens zu sagen, die Sklaverei abzuschaffen war praktisch in Ordnung. Und die Könige auf eine Rolle zu reduzieren, die so ein bisschen operettenhaft ist, schön, aber zahnlos, auch in Ordnung. Und so, das ist auch alles gut. Und neuere Methoden haben Ansätze entwickelt, wie man die Bibel so auslegen kann, dass solche Veränderungen möglich sind. Jetzt ist es so, jetzt sind wir beim dritten Grundtyp, dritter Grundtyp. Da gibt es eine gewisse Unübersichtlichkeit. Da gibt es viele Theologen und viele hermeneutische Ansätze, die das so und anders und irgendwie probieren. Ich mache jetzt mal einen kleinen Ordnungsvorschlag, einen kleinen Ordnungsvorschlag, der im Grunde etwas völlig Naheliegendes eigentlich probiert.

52:01
Mich wundert, dass es nicht häufiger so gemacht wird. Wenn es darum geht, die Bibel als Gesetzesbuch auszulegen, ist doch mal völlig naheliegend zu fragen, wie machen das andere, die darin ja tausende Übungen haben? Also schlicht, wie machen das Juristen? Wie legen Juristen verbindliche Texte aus? Das ist doch irgendwie etwas, was funktioniert. Und offensichtlich ist der Stand des Juristen etwas, was von der Antike her, so das Recht und Rechtsauslegung und Urteilsfindung, das ist ja irgendwie, das gibt es schon immer. Das ist biblisch, das ist bibletreu, dass man das so macht. Und was hat sich entwickelt? Was ist da so entstanden? Und wenn man bei den Juristen reinschaut, die lernen wahnsinnig gerne für Prüfungen und dann ist es immer schön, wenn man das auch alles griffig und überhaupt hat. Es gibt hier eine hübsche Überschaubarkeit für so ein Schema, wie man Gesetze auslegt. Und da werden vier Methoden unterschieden. Und diese vier Methoden

53:08
stelle ich jetzt mal in etwas anderer Reihenfolge, dass es dem theologischen Bedürfnis näherkommt, so zusammen, die sagen, wenn wir Gesetze auslegen, so Feuer ist immer klar, wir haben einen Sachverhalt, der muss geprüft werden, der muss erhoben werden. Dann brauchen wir eine Normenerhebung. Wir müssen gucken, das ist bei den Juristen alles auch so. Und da haben sie ihre eigene große Kunst, das aufeinander zu beziehen. Und dann sagen sie, wenn wir an den Normen sind, die offenbar hier in Frage kommen, müssen wir immer Folgendes machen. Wir müssen ein Gesetz dem Wortlaut nach erst mal grammatisch auslegen und fragen, was ist da gemeint? Wer fällt unter diese Regel? Das ist für Juristen ganz entscheidend. Subsumption eines Falles unter einer Norm. Darauf läuft es hinaus. Und darum muss die Norm sehr exakt und genau befragt werden. Und der zweite Punkt ist dann der,

54:03
dass man schon ein bisschen gucken muss, von wann ist das Gesetz? Wann ist das entlassen worden? Und was war grammatisch in der Sprache gemeint? So manchmal sind in Gesetzestexten altertübliche Wörter. Man muss dann so ein bisschen schauen, was ist gemeint? Man braucht neben der grammatischen Auslegung auch eine historische Auslegung. Und das muss einander ergänzen, so den Wortlaut ganz genau verstehen und auch so ein bisschen schauen, auf wen bezieht sich das? Wer kann damit betroffen sein vom Wortlaut her? Ich möchte am Beispiel der Bibel mal ein kleines Beispiel durchführen, was auch zeigt, wie kompliziert das sein kann. Also klar, im Ersten Mose 1 steht Gott schuf den Menschen männlich und weiblich als Mann und Frau. Das ist der Wortlaut. Und jetzt kann man darüber ein bisschen grammatisch arbeiten. Und wir schenken uns das männlich, weiblich, Mann und Frau. Tun wir

55:01
mal so, als wäre das so klar, wie es auch irgendwie klar ist. Und jetzt ist die spannende Frage, was bedeutet dies, wenn man das auf heutige Fragen, auf heutige Sachverhalte bezieht? Und da gibt es Christen, die sagen Gott schuf Mann und Frau. Das heißt, Menschen, die man heute intersexuell oder transsexuell nennt, sind nicht vorgesehen. Als Ebenbild Gottes ist man Mann oder Frau. Es werden keine weiteren Optionen angeboten. Jede Idee weiterer Geschlechter, weiterer Unordentlichkeiten und so ist nicht vorgesehen, ist nicht nach dem Bilde Gottes, ist nicht nach dem Willen Gottes, kommt da nicht vor. Da muss man natürlich fragen, ist das etwas, was für die Schreiber, die Ersthörer dieses Wortes logisch war? Das Wort sagt, es gibt Mann und Frau. Das heißt, alles, was da nicht zu passt, lehnt ihr bitte ab. Ihr könnt dann diskutieren, ist das eine Illusion,

56:04
ist es eine Krankheit, ist es eine Behinderung, kommt das durch schlechte Ernährung oder direkt vom Teufel oder wie auch immer oder könnt ihr lange diskutieren. Aber lehnt es bitte ab, so, das ist die Norm. Wenn man da einigermaßen sich mit beschäftigt, Gott-Ebenbildlichkeit, merkt man, das ist eine Frage, die überhaupt nicht in der damaligen Zeit erörtert, erwogen oder diskutiert wurde. Wenn man ein bisschen schaut, historische Auslegung, wird man Folgendes feststellen. Was war in der Umwelt des Alten Testaments, in der Umwelt, was war denn da Bild Gottes? Bild Gottes war, wenn überhaupt, der Pharao, der König, der Herrscher. Der Herrscher, der war das Abbild Gottes, der war der Repräsentant, der war der Stellvertreter, der wurde auf Statuen dargestellt,

57:00
riesengroß, dass alle merken, das ist das Bild, der hat die Macht. So, wenn das der Umwelt ist, wir sind jetzt wieder bei der 3D-Brille, wer sich erinnert. Wenn das so ein Hintergrund des Verständnisses ist, was passiert denn dann mit dem Verstehen von 1. Mose 1? Hier ist das Bild Gottes nicht mehr der König, sondern der Mann und nicht nur der Mann, sondern auch die Frau. Hier wird diese Würde, diese Hoheit, diese Ehre, dieses Abbild Gottes sein, rausgenommen aus so einem elitären, hierarchischen Sinn. Es wird radikal erweitert auf alle. Es wird auf alle Menschen erweitert, Mann und Frau. Und da muss man sich natürlich fragen, entspricht es der Intention eines solchen Wortes dazu gebraucht zu werden, Menschen davon auszuschließen und zu sagen,

58:06
ihr seid hier nicht gemeint. So wie ihr seid, seid ihr nicht Gottes Ebenbild. So wie ihr seid, seid ihr nicht Geschöpfe nach seinem Willen. So ein Beispiel, grammatische historische Auslegung, man muss schon genau hinschauen. Jetzt kann man dazu sagen, das ist ein Problem, was sich bei den Juristen manchmal stellt. Es stellt sich bei ihnen aber selten. Warum? Weil Recht ständig fortgebildet wird. Das große Zauberwort ist Rechtsfortbildung. Juristen machen immer wieder die Erfahrung, dass ein Sachverhalt auftritt. Und dann wird geguckt und sie stellen fest, wir haben keine Rechtsnormen, die diesen Sachverhalt bis jetzt präzise erfassen. Und was heißt das? Auftrag an den Gesetzgeber. Wir brauchen Rechtsfortbildung. Wir brauchen eine

59:03
Klärung der Gesetzeslage. Und das geschieht und geschieht und geschieht. Die letzte Bundesregierung hat, ich kann mich täuschen, aber ich meine, gehört zu haben, 500 Veränderungen von Gesetzen vorgenommen. Ganz viele Fälle. Das Grundgesetz wurde wieder und wieder und wieder und wieder an vielen Stellen verändert in dem Bereich, der veränderlich ist. BGB, StGB, ständig, ständig treiben wir Rechtsfortbildung, weil es die ständige Erfahrung ist im Gerichtswesen. Neue Fragen sind in der bisherigen Rechtsordnung noch nicht erfasst und können nicht eindeutig beantwortet werden. Und das ist für den Gebrauch der Bibel natürlich das ungeheure Problem. So Texte zu nehmen, die zweieinhalbtausend, dreitausend Jahre alt sind und sagen, diese Texte sind eindeutig für jeden heutigen Sachverhalt. Fragt mal Juristen, ob sie so Texte haben. Ausführliche Gesetzbestimmung,

60:08
da passt was nicht. Da passt irgendwas nicht. Und wenn man sich Christen anschaut, naja, die Vielfalt der Auslegung zeigt natürlich, da passt was nicht. Es kann so nicht sein. Und was natürlich geschieht, ist, dass Auslegungen immer weiter entwickelt werden. Christentum ist es halt so, bestimmte Änderungen finden statt auf der Ebene der Rechtsauslegung, denn eine Rechtsfortbildung, also eine Weiterschreibung des Alten und Neuen Testament ist aus absolut notwendigen Gründen nicht denkbar. Sollte man nicht dran rühren. Also findet eine Fortschreibung des Rechtsverständnisses auf der Ebene der Auslegung statt. Das muss auch so sein. Dann ist es aber natürlich schwierig, wenn manche Christen sagen, was störe mich Auslegung? Ich bleibe allein beim Wort. Und das Wort ist immer eindeutig und für jeden Fall, der mir passieren kann, hat das Wort eine

61:02
klare Antwort. Dass man dann in Streit gerät, ist kein Wunder. Da passt was nicht. Grammatische und historische Auslegung. Das ist erst mal das kleine Einmaleins, was so in der Rechtsauslegung betrieben werden muss. Das große Einmaleins ist dann drittens systematische Auslegung. Und systematische Auslegung ist für die Christen ganz schlicht. Es gibt verschiedene Normen. Die Fälle sind schon kompliziert und oft ist in einem Fall werden mehrere Normen berührt. Welche Norm gilt denn jetzt? Welche Norm ist höhergewichtig? Und das ist eine ständige Frage. So, es gibt ein neues Gesetz, BGB. Und wenn einem das nicht gefällt, sagt man, wir brauchen eine Normenkontrollklage. Das Bundesverfassungsgericht muss klären, ist dieses neue Gesetz kompatibel mit dem Grundgesetz?

62:00
Und hier ist die juristische Logik relativ klar. Es gibt verbindliche Vereinbarungen, schriftliche Verträge und so weiter. Die sind gültig. Wichtiger sind staatliches Gesetz, BGB, StGB. Wenn ein Vertrag gesetzeswidrig ist, dann wird der Vertrag ungültig. So, das ist diese konkrete Rechtsebene, Grundrechte. Das Grundgesetz ist höherwertig als Einzelgesetze im BGB, StGB und so weiter und so weiter. Europarecht, internationales Recht ist höherwertig als Bundesrecht. Also ich komme aus Hessen. Ich hoffe jeden Morgen inständig, dass in Hessen keine Revolution ausbricht und die sagen irgendwann Hurra, Hessen ist selbstständig. Wir hätten das Problem, in der Hessischen Verfassung gibt es noch die Todesstrafe. Die gibt es da noch, hat man da irgendwie mal so reingeschrieben und dann immer vergessen, die da rauszuholen,

63:03
weil man sagt, naja, Bundesrecht schlägt Landesrecht, lassen wir mal. Irgendwann ist da schon mal Zeit für eine Rechtsfortbildung, weil ist ja schon ein komischer Pickel im Papier, finde ich. Aber ist so ein Beispiel, so Verträge, Landesrecht, Bundesrecht, Grundrechte, Euro. So, wie ist das in der Bibel? Das ist Stoff für viele Vorträge. Ich möchte nur darauf hinweisen, naja, in der Bibel ist das so. In der Bibel steht nicht jede Regel auf einer Ebene. Warum? Ah ja, es steht da. Jesus selbst stellt die Frage nach dem höchsten Gebot. Da kann man nicht sagen, was fragst du so? Es gibt kein höchstes Gebot, alle Gebote sind gleich wichtig. Nein, es gibt die Frage nach dem höchsten Gebot. Sie wird beantwortet. Sie wird in vielen Stellen des Neuen Testaments beantwortet mit dem Hinweis auf die Liebe, die in Einzelfragen andere Gesetze

64:02
außer Kraft setzt, wenn ein Befolgen anderer Gesetze der Liebe nicht genügen würde. Beispiel Sabbatrecht, die Heilungen am Sabbat, so wo Jesus ausdrücklich sagt, der Sabbat muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt und in der Notlage nichts gegen den Sabbat, aber das tritt außer Kraft. Dann ist die Liebe wichtiger. Andere Stellen, Paulus, Römer 14 sagt, das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Friede, Gerechtigkeit und Freude im Heiligen Geist. Frieden und Gerechtigkeit sind wichtiger als Meinungsunterschiede in der Einhaltung von Speisevorschriften und Fastenvorschriften. Oder Jesus Matthäus 23, wo er sagt, ihr Schriftgelehrten, gibt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz beiseite, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und den Glauben. Also die Bibel macht das. Und es sind

65:04
ein paar Dinge, die besondere Bedeutung haben. In den Beispielen, die wir gerade hatten, sind es die Liebe, sind es die Gerechtigkeit, ist es das Streben nach Frieden, ist es die Barmherzigkeit. Das sind Metaregeln und die sind wichtiger als andere. So, das ist ein Überblicksvortrag. Hier kann man stundenlang weitermachen und das ist nicht ohne. Und darüber sollte man weiter nachdenken. Juristische Auslegung heißt grammatische, historische Auslegung, systematische Auslegung und systematische Auslegung in der Bibel hieß dann natürlich zu fragen, was sind die höchsten Gebote. Was sind die grundlegenden Prinzipien, an denen man sich orientiert, die die anderen nicht ablösen, aber im Zweifelsfall verhelfen dazu, mit anderen Geboten richtig umzugehen und die auch entsprechend mal außer Kraft zu setzen. Das vierte Gebot bei den Juristen ist die teleologische Ausbildung, die ganz schlicht nach dem Zweck einer Regel fragt. Nicht nur nach dem Wortlaut, sondern nach dem Zweck.

66:04
Das klingt erst mal nach so einem Taschenspielertrick, so dass man denkt, ja wie, du willst den Wortlaut ignorieren und irgendetwas anderes tun nach dem Zweck. Naja, die meisten Christen, fast alle, ehrlich gesagt, tun das oft. So, wenn sie in ihrer Losung lesen, begrüßt einander mit dem Heiligen Kust, dann ist ja auch nicht so, dass sie tief durchatmen und sagen, da müssen die Geschwister heute durch und ab jetzt immer und so. Sondern sie wissen ganz genau, so in ihrer Kultur heißt das Händedruck, vielleicht Umarmung, freundlich, so und ohne Küssen. Weil, so es sei denn, du emigrierst nach Frankreich und du gewöhnst dich wieder dran und ist dann auch schön und so. Aber man kann das. Man versteht das instinktiv. Der Apostel schreibt hier nicht die ewige Ordnung des Küssens fest,

67:00
so, sondern der Zweck ist, begrüßt einander halt freundlich. Oder wenn es heißt, erhebt die Hände zum Gebet. Dann gibt es manche, die sagen ja und so und andere, denen da ganz schumerant wird und die das irgendwie nicht mögen und so. Und die kommen zum Vers klar und sagen, der Apostel möchte nicht sagen, dass wir unsere Hände erheben sollen. Also er tut das so, aber er meint das eigentlich nicht. Er meint, dass wir beten sollen und unserem Gebet den körperlichen Ausdruck verleihen, der in unserer Kultur dafür üblich ist. Und wenn wir irgendwann das Händefalten ins Herz geschlossen haben, als stünde es in der Bibel und irgendwann Rücken, Knie oder Hüfte haben und das sich aufs Angesicht werfen irgendwie, haben wir da Seelenfrieden und machen das nicht mehr. Teleologische Ausbildung, Auslegung. Ich denke, weitere Erläuterungen brauchen wir dazu nicht. Das ist

68:04
selbstverständlich. Klar ist auch, kann man lange Vorträge halten durch viele Beispiele durchgehen. So, das war ein drittes Modell. Und ich denke, also wenn das so das Standardmodell wäre, wo alle wüssten, so läuft's, so geht's. Wir werden in einer anderen Gesamtsituation des Christentums mit weniger Gift und mit mehr Gesprächen statt Verkätzerungen und mehr aufeinander hören. Wir hätten kluge, interessante Auseinandersetzungen. Wir wüssten, dass es immer eine Sache der Auslegung ist, aus der Bibel Normen zu gewinnen. Und wir würden immer auch verstehen, das ist manchmal ganz anspruchsvoll. Und da brauchen wir unser aller gemeinsame Intelligenz. Und da brauchen wir Theologen, die uns zur Grammatik und zur Geschichte was sagen können. Wir kämen nicht mehr auf die Idee zu sagen, wofür brauche ich Theologen, wenn ich jeden Morgen meine Losung

69:05
habe. Die brauche ich doch gar nicht. Ich habe doch hier das Wort Gottes auf Deutsch. Da will ich doch nicht nervös gemacht werden mit irgendeinem blassen Typ, der mir da was aus der Antike verkaufen will oder so. Wenn man ungefähr verstanden hätte, dann wüsste man, Bibelauslegung ist nicht das Privileg eines jeden Einzelnen, der da das pepstliche Amt der voll gültigen Bibelauslegung für sich beanspruchen kann, sondern Bibelauslegung ist etwas, was die ganze Gemeinde betrifft und wo die ganze Gemeinde mit ihrem Sachverstand gefordert ist. Und da bringen manche ihren Sachverstand ein in grammatischen und historischen Fragen und anderen bringen ihren Sachverstand einschließlich in Sachkenntnis, dass sie eine bestimmte Situation wirklich verstehen, dass sie Mediziner sind und wirklich wissen, welche Fragen sich manchmal an der Grenze stellen,

70:05
an der Grenze zwischen Tod und Leben, was da wirklich passiert und wie die Situation ist, bevor man mit ganz klaren Normen so tut, als wäre alles ganz klar. Wir wären weit, wenn das so wäre, meines Erachtens nicht weit genug. Darum möchte ich noch einen Schritt weiter gehen und ein viertes Modell vorstellen. Ein viertes Modell, kurz und knapp. Dies vierte Modell soll das jetzt, was bisher zwar nicht ersetzen, es soll hinzukommen, es soll an die Seite dessen treten. Also was wir hier gerade hatten, grammatische und historische Auslegung, systematische Auslegung, Gewichtung, teleologische Auslegung, frei nach dem Zweck, das ist schon jetzt mal für zum Merken gedacht, zum Probieren oder so. Einfach im wirklichen Leben, wenn man die Bibel liest und mal Fragen hat und so, so ein bisschen sich selbst daran hindert, immer zu früh fertig zu sein und doch daneben zu liegen und so. Da kann man was mitnehmen. Ich möchte aber einfach jetzt mal

71:03
die Punkte nennen oder den entscheidenden Punkt nennen, an dem es hakt. Der Punkt ist schon die Sache mit der fehlenden Rechtsfortbildung. Die Welt ändert sich so schrecklich. Und sie verschiebt sich in einen Bereich hinein, der im Grunde nicht mehr abgedeckt ist, wo wir auf einmal raus sind aus dem, was die Bibel beschreibt. Man kann das am Beispiel der Sklaverei wieder festmachen. Man kann natürlich sagen, okay, ich als Sklavenbesitzer verstehe durchaus, dass Christen sagen, ich verstehe das alles und so, dass das in der Bibel gibt. Und ich möchte aus meinem christlichen Gewissen heraus aber keine Sklaven. Warum? Weil die Liebe zum Menschen mir wichtiger ist und ist das mit dem Onesimus im Philemonbrief nicht ein Wink und darum verzichte ich auf Sklaven. So, und dann wird der Sklavenbesitzer sagen, du bist ein wunderbarer Christ, das ist ganz großartig.

72:02
Und du kannst es dir wahrscheinlich auch leisten. Vielleicht hast du geerbt. Ich nicht. So, und mach es doch. Verzichte doch auf Sklaven. Wir brauchen keinen Streit. Aber lass mir halt meine Sklaven. Du kannst aus der Bibel nicht, nie und nimmer beweisen, dass Sklaverei verboten werden muss. Na ja, und das hat man aber gewollt und das hat man gemacht. So, und das ist ein ganz anderer Schritt. So, das kriegst du schwer aus der Bibel raus. Und ich denke, auch mit diesem Schema kriegst du es nicht so gut raus. Natürlich kannst du sagen, die Liebe und die Gerechtigkeit und die Barmherzigkeit und so weiter führen uns dahin, dass wir irgendwann sagen, wir wollen Sklaverei verbieten. Könnte man sagen, ja gut, aber kleine Frage. Warum glaubst du, dass du heute besser verstehst, was Liebe und Gerechtigkeit ist, als der Apostel Paulus? Wenn das so wäre, hätte

73:06
der das nicht verstehen müssen, wäre der nicht in der Bringschuld gewesen, in internen Briefen in der Gemeinde mal Klartext zu reden und zu sagen, hier passt auf, wir wollen unauffällig leben, stilles, ruhiges Leben, passen uns an, wir machen keine Revolution. Aber also für uns muss klar sein, die Agenda ist, Sklaverei muss weg. Wir brauchen ein bisschen Geduld, Römerreich, alles schwierig, wir wollen hier nicht bekloppten Eindruck machen und so. Aber die Richtung ist doch völlig klar, das muss raus. Schreibt er so nicht. Und die Idee scheint ihm nicht gekommen zu sein, dass es geht. Und man kann sie auch nicht eindeutig zwingend aus der Bibel herleiten. Und so ist es mit vielen anderen Dingen. Natürlich kann man sagen, ich finde es großartig, dass mein Nachbar seine Frau behandelt, als wäre sie ihm ebenbürtig. Das finde ich fantastisch. Und irgendwie kämen die klar,

74:02
kommen die klar. Also ich und meine Elsa, das wäre nicht gut. Das wäre, also ich habe auch einen Beruf, ich hätte ja die Zeit gar nicht. Ständig mit der diskutiere und so. Und wenn ich der morgens klare Ansagen gebe, dann ist die glücklich. Und abends, wenn ich wiederkomme, ist alles schön. Und der geht es richtig gut. Und wenn ich meinen Nachbarn und seine Ute da sehe, die sind nicht immer glücklich. Habe ich nicht das Gefühl. Und der darf das ja machen. So und wir halten es anders. So und meine Elsa weiß auch, manchmal hat sie so Fehler gemacht, ich hause ganz leicht. Aber so, das hat noch nie unserer Ehe geschadet. So, da würde man sagen, nee. Nee. Also ist nicht gut. So, man würde Elsa die Adresse vom Frauenhaus heimlich mal irgendwie

75:04
zustecken und sagen, nee. So Kinder so. Man kann natürlich sagen, ich finde es wunderbar, dass unsere Nachbarn Kinder haben, die sie irgendwie groß kriegen ohne Schläge. Und ich gebe zu, deren Kinder, die haben auch noch keine Katze heimlich ertränkt und so und die stehlen auch nicht in der Nachbarschaft und so. Ja, mein Gott, haben Sie Glück gehabt. Haben Sie Glück gehabt. So, mein Bub wird der nicht regelmäßig spürbar wieder lernen, was geht und was nicht geht. Wir hätten hier Tohu wa Bohu. Ist halt so. So und natürlich dürfen meine Nachbarn ihre Blagen verzerrteln. Können sie ja machen. So irgendwie. Irgendwas wird aus denen schon werden. Nur niemand soll mir das Recht absprechen, mein Bub nach biblischen Grundsätzen zu erziehen. Und natürlich gehören dazu Schläge. Und das klingt dann großzügig, aber wir leben ja in einer Welt,

76:05
der Vater würde sagen, in einer solchen kranken Welt, die mir das verbietet. Naja, ich finde das gut. Ich finde das gut, dass es verboten ist. Und das ist aber etwas, also du kannst aus der Bibel auf die Idee kommen, ich möchte das wahnsinnige Experiment probieren, meine Kinder ungeschlagen groß werden zu lassen. Und du kriegst vielleicht ein gutes Gewissen dahin, dass du sagst, vielleicht ist es erlaubt. Es wird schwieriger zu sagen, ich lese meine Bibel so, dass man das Schlagen von Kindern verbieten sollte. Dann stehst du im Widerspruch zu manchem, was da steht. So und der Punkt ist jetzt, an irgendeiner Stelle geht es ja allen Christen so, dass sie in der Abschaffung von Obrigkeit, in der Abschaffung von Sklaverei, in der Aufwertung der Frau, in der Öffentlichkeit, im Umgang mit Kindern, im Umgang mit Kleidungsfragen in einer anderen Welt leben als in der des Neuen

77:03
Testaments und wie damit jetzt umgehen. Ich möchte euch dafür ein Schema vorschlagen, was es auch im konservativen, im evangelikalen, theologischen Bereich gibt. Und hier nimmt man ernst, es gibt kulturellen Wandel und es ist nicht möglich, neutestamentliches Leben ehrlich, eins zu eins in allen Facetten zu kopieren. Und es ist jetzt eine schlichte Metapher, die hier angeboten wird, die geht so, man sagt, die Bibel ist nicht einfach ein Rezeptbuch. Wir müssen die Bibel lesen wie ein Drama. Die Bibel ist ein Drama und jetzt kann man das Schema variieren. Es gibt einen ersten Akt in diesem Drama, da wird die Schöpfung beschrieben. Manche sagen, der zweite Akt ist dann der Sündenfall, der Bruch zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Gott. Ich würde

78:03
an der Stelle vorschlagen, daraus auch einen ersten Akt zu machen. Der erste Akt ist der Segen am Anfang, das Ja, die Schöpfung und der Riss und der Bruch. Es ist eine falsche Vorstellung, so zu tun, als hätten wir mal goldenes Zeitalter, alles schön, Vulkane, sind nur Blumen draus gewachsen, Erdbeben wären nie passiert und dann so eine blöde Geschichte mit komischem Obst und auf einmal Erdbeben, Meteoriten schlagen ein, Vulkane. Das ist nicht mit unserer Weltkenntnis gar nicht, nicht in Übereinstimmung zu bringen. Und das würde ich auch alles, alles nicht so versuchen. Und so, also ich lese die Urgeschichte als der doppelte Ursprung des Menschen, seine Bestimmung zum Guten, zur Gottesgemeinschaft und von Anfang an die Gebrochenheit, die Verführbarkeit, der Riss,

79:00
die schiefe Ebene so. Und dann kann man das weitermachen. So ist die Bibel, zweiter Akt, so Gott, er wählt ein Volk, er stellt sich vor, seinen Charakter, sein Wesen, seine Barmherzigkeit, seine Gerechtigkeit, der Exodus. Und da ist vieles, vieles drin, was bis heute inspiriert, vieles, was bis heute ganz entscheidende Impulse gibt, dass Gott einer ist, der auf der Seite der Armen steht, der Ausgegrenzten, der Unterdrückten, dass Gott einer ist, der in die Freiheit führt, dem die am Herzen liegen, die sonst unten sind. Dritter Akt, Jesus Christus, die Liebe Gottes in Person, die Erlösung, die Befreiung zu einem Leben, Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit und die Berufung zu einem Leben in der Liebe. Das bedingungslose Ja, was Gott in Christus spricht, ist der Grundton meines Lebens. Und von diesem Grundton her singe ich mein Lebenslied und

80:07
versuche alles, was ich sehe und höre, auf diesen Grundton zu beziehen und von dieser Liebe her und von dieser Barmherzigkeit und von diesem Ja her auf Menschen zuzugehen. Und dann vierter Akt, die Geschichte der Kirche und neue Herausforderung, neue Entwicklung. Und dann ist das Besondere an der Bibel, sie ist ein Fragment. Wir haben da den vierten Akt, der beginnt, Apostelgeschichte, paar Briefe und wir sehen, oha, da kommt jetzt immer Neues. Die sind am Anfang noch im Tempel, bei den Juden und man ahnt schon, irgendwas läuft da schief, das geht auseinander. Irgendwann sind sie da nicht mehr. Ja, und dann Fragment. So, und dann kann man sagen, sagen manche, es gibt noch ein klein Fragment vom fünften Akt. Das ist Gottes Welt. So Gott wird abwischen alle Tränen. Gott wird unter ihnen wohnen und sie werden ein Volk sein und Gott wird mit ihnen sein. Und dann kommt

81:03
Gottes unendliche Geschichte der Liebe im fünften großen Akt. Das ist das Ziel. Und wir sind jetzt im vierten Akt. Und was müssen wir tun? Wir können nicht so tun, als könnten wir die Logik und die Regel vom zweiten Akt einfach immer wieder weiterspielen. Wir können auch nicht so tun, als wäre mit dem dritten Akt oder mit dem vierten Akt alles im Grunde schon geklärt und das würden wir wieder und wieder und wieder wiederholen. So ist die Bibel nicht. Die Bibel erzählt eine Geschichte und es geht weiter und es entstehen neue Herausforderungen und neue Krisen und ganz neue Problemlagen. Und ich muss dieses Stück weiterspielen. Ich muss dieses Stück verstehen. Ich muss es verinnerlicht haben. Was ist der rote Faden? Was sind die Grundlinien? Ich muss es verstehen. Ich muss es weiterspielen. Und das heißt auch, es kann und darf Veränderungen geben. Es darf Neues passieren. Es heißt aber auch, es darf natürlich kein totaler Bruch im Stück sein.

82:08
So es muss noch irgendwie passen zu dem, was da steht. Also Beispiel eine Kirche, die nicht auf der Seite der Armen steht, der Ausgegrenzten, der Unterdrückten, hat das bisherige Stück nicht verstanden. Sie spielt falsches Theater. So das gibt's. Das Kirche ihre eigene Berufung verfehlt, verliert, wenn sie glaubt, auf der Seite der Mächtigen stehen zu müssen und nicht auf der Seite der Armen. So und das muss passen. Das muss stimmen. Jetzt könnten wir viele Dramen durchgehen, viele Stücke. Jetzt haben wir alle das Problem. Es gibt nicht mehr so den Kanon. Wenn ich jetzt sagen würde, denkt an Shakespeare oder denkt an Goethe, wäre alles so ein bisschen schwierig. Wir könnten es jetzt mit Harry Potter durchspielen. Ich mach's mal mit einem aktuellen Stück, was ein

83:00
bisschen den Vorteil hat. Es hat im Moment jetzt, wo ich hier rede, denselben Status wie die Bibel. Der vorletzte Akt hat begonnen. Jetzt muss man gucken. Game of Thrones. Game of Thrones. Also jetzt bin ich in der großen Spannung. Ich weiß nicht, wie es weitergeht und so. Und ich hab bestimmte Dinge aber gelernt, wie das bisherige Stück war. Und ich habe gelernt, es kann sich viel verändern. Es kann viel passieren. Schurken können zu Helden werden. Helden können straucheln. Nur das kann passieren. Es kann nicht alles passieren. Also die, die jetzt schon Insider sind oder irgendwie etwas werden, da gibt's so eine Cersei Lannister. Das ist so eine, die nebenbei mal eine halbe Stadt umbringt, um sich an einem Schweinepriester zu rächen. Und dann treibt sie auch ihren eigenen Sohn in den Selbstmord und ist da aber schnell drüber weg. So, ich weiß ja nicht, wie es weitergeht. Aber wenn die mir im letzten Teil verkauft wird als eine, die sich

84:02
wandelt zur Mutter Theresa von King's Landing, dann würde ich sagen, ihr habt das Stück versaut. Das lasse ich euch nicht durchgehen. Nie. So, anderes Beispiel einer, der heißt Jon Snow und in einer Welt, wo es fast nur grau gibt, ist das der letzte, wo man hofft, das ist vielleicht einer, der den Weg des Guten durchzieht. Und wenn der jetzt auf einmal anfängt, was weiß ich, seine Schwester zur Begrüßung zu vergewaltigen, würde ich sagen, nein, das hättet ihr niemals gedurft. Ihr habt es versaut. Das ist, nein, das lasse ich euch nicht durchgehen. So, aber natürlich kommt manchmal Veränderung. Jamie Lannister, das ist so ein Typ, der zur Not auch mal Kinder umbringt oder seine Schwester zur Begrüßung vergewaltigt und ist auch einer, den man erst als Oberschurke hassen lernt. Und dann staunt man Staffel für Staffel über so eine Art Menschwerdung.

85:02
So, also Dinge ändern sich. Sie können sich ändern. Und das ist aber manchmal schwer abzuschätzen, so in welche Richtung geht es weiter? Nicht alles ist möglich. Man kann aus der Bibel nicht alles machen. Aber manchmal muss man in einer neuen Zeit, in einer neuen Herausforderung zu anderen Einschätzungen kommen und darin das bisherige Stück weiterdenken. Man muss erklären können, warum man nicht aus dem Stück, aus dem Drama Gottes mit uns aussteigt, sondern gewiss ist, dass das Stück so weitergeht, weil es bisher so und so und so gelaufen ist. Das waren vier Modelle, die Bibel auszulegen. Vier Modelle. Das erste vergessen wir sofort wieder. Wir haben Respekt vor dem großen Weg der alten Kirche des Mittelalters, der Reformation mit ihrer naturrechtlichen Deutung und sagen gleichzeitig, es ist zu viel passiert, als dass das noch ginge.

86:04
Die Welt hat sich weitergedreht. Sie hat sich als Geschichte erwiesen, die nicht in den Griff zu kriegen ist mit der Idee einer ewigen unveränderlichen moralischen Ordnung. So etwas gibt es auch in der Bibel schon nicht. Und diese anspruchsvolleren Modelle, ich habe jetzt den Grundansatz erklärt. Ich glaube aber, es ist lohnt, so weiterzudenken. Denn naja, was leistet dies? Zum einen glaube ich, die Bibel stiftet Orientierung. Die Bibel stiftet Orientierung nicht nur Blödsinn wie in diesem Jakebrief. Auf die Bibel hören heißt, ein Herz zu entdecken für die, die am Rande stehen. Heißt, Mitgefühl zu entwickeln. Heißt, nach Gerechtigkeit zu erfragen. Heißt, nicht satt zu sein, zu sagen, mir geht's gut, ist doch egal, was gerade woanders ist. Die Bibel verändert Menschenkulturen zum Guten. Und gleichzeitig hilft

87:07
dieses Schema auch damit klarzukommen, dass in der Bibel Sachen stehen, die heute nicht mehr passen. Und es fällt vielen Christen schwer, das so zu sagen. Sie sagen, ja, aber ist doch Gottes Wort. Da kann man doch nicht sagen, passt so nicht. Du kannst es dann nicht sagen, wenn du nicht bereit bist zu akzeptieren, dass Geschichte, Kultur, Menschen sich ändern. Und dieses Schema des Dramas hilft zu sagen, das, was da steht, ist Gottes Weg mit Menschen in der Antike. Und es ist ein gutes Wort. Es ist ein gutes Gesetz. Und in einer neuen Zeit, in einer neuen Epoche müssen Dinge weiter gedacht werden, weiter entwickelt werden, weil es sonst das gute Wort, das es sein sollte, so nicht mehr sein kann. Und wir finden in der Bibel genug Impulse, die biblische Botschaft so weiter

88:05
zu denken, dass sie auf heutige Fragen passt. Hinzusagen möchte ich auch, das ist ein Bereich, wo man nicht mehr hundertprozentige Sicherheit haben kann wie in der Logik. Man kann sich täuschen. Ich fürchte, es gibt Menschen, die aus Angst, sich zu täuschen, lieber irgendetwas Unkompliziertes, Einfaches, Schlichtes nehmen, wo sie das Gefühl festhalten können. Ich habe, bin immer auf der sicheren Seite. Das, finde ich, passt nicht ins Drama der Bibel hinein. Da muss man manchmal einen eigenen Schritt riskieren. Da muss man manchmal neue Gedanken wagen. Da muss man manchmal sein Herz öffnen und sich auf neue Herausforderungen anders einlassen als vor 100 oder 200 Jahren. Darum dieses geschichtliche Auslegungsmodell, mit der wir der Bibel gerechter

89:00
werden als mit allen anderen zeitlosen Modellen, die es vorher gab.

Alles anzeigen
Ausblenden

Aus der Bibel ethische Maßstäbe gewinnen: Die Bedeutung des kulturellen Wandels | 7.9.2

Worthaus Sommerakademie – Hilchenbach: 28. Juli 2017 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Wenn das Gesetz Gottes für immer gültig ist, darf man dann seine Tochter in die Sklaverei verkaufen? Im Garten einen Stier opfern? Den Nachbarn steinigen, wenn der am Samstag zur Arbeit geht? Solche Überlegungen klingen natürlich so absurd, dass auch Christen darüber lachen. Oder sich ärgern. Oder beides. Thorsten Dietz klärt auf, wie diese alten Gebote zu verstehen sind, wie Christen die Gebote der Bibel befolgen können und wie Regeln, deren Befolgung einen heute ins Gefängnis bringen würde, noch immer aktuell sein können. Denn für den, der sie richtig versteht, sind die biblischen Texte trotz mancher düsteren Geschichte heute noch ein Licht in der Dunkelheit, ein Halt, wenn alles ins Schwanken gerät, und ein Wegweiser durchs Leben.