Diesen Vortrag geht es um Augustinus von Hippo als Bibelausleger der Geist und der Buchstabe. Das ist der vierte Teil meiner Reihe zur Geschichte der Bibelauslegung. Im ersten Teil ging es um das zweite Jahrhundert nach Christus, eine Zeit in Gehrung, eine Zeit, wo vieles noch unklar war, überhaupt kein neutecermennlicher Kanon, nicht mal ein Begriff davon, Auseinandersetzungen mit Heresien, mit Strömungen, mit großer Unsicherheit, wird das Christentum überhaupt überleben, aber auch ein Jahrhundert der Klärungen. Erste Säulen entstehen, ein erster Grundriss eines Kanons, das Bischofsamt, Glaubensbekenntnis, solche Dinge entstehen. Das dritte Jahrhundert, eine Zeit großer Bedrückung, der Verfolgung,
der Christenverfolgung durch Kaiser, aber auch der intellektuellen Infragestellung, Herausforderung, Kritik und eine Zeit der Selbstbehauptung. Wachstum trotz Krisen, trotz Verfolgung, trotz Abfall und Scheitern, aber auch geistiges Intellektuelles wachsen. Ein annehmende Herausforderung, den christlichen Glauben geistig intellektuell zu vertreten, in diakonisch darzustellen als Glaube der Nächstenliebe und als missionarische Bewegung, die offenbar nicht aufzuhalten ist. Im vierten Jahrhundert, das große Jahrhundert der Konsolidierung, das Christentum wird zu erlaubten Religionen, schließlich zur Reichsreligion. Das Christentum findet sich, formuliert seine grundlegenden Bekenntnisse in Nicea und Konstantinopel. Bekannte große Kirchenväter machen erste Klärungen, was geglaubt wird, was verbindlich ist für alle.
Der neuthessener männliche Kanon, wie wir ihn heute kennen, wird quasi fixiert, mehr oder weniger. Und jetzt sind wir im fünften Jahrhundert, einem Jahrhundert ungeheurer Abbrüche, einem Jahrhundert großer Transformation. Fünfte Jahrhundert, das Jahrhundert, wo die großen Völkerwanderungen über das Römische Reich hineinbrechen. Um 400 herum, das Römische Reich steht in Blüte. Es ist riesig, es erstreckt sich über drei Kontinente Asien, Afrika, Europa. Es ist in verschiedensten Sprachen und Kulturen angekommen. Das Christentum mit ihm. Alles ist großartig, alles ist glänzend, alles ist wundervoll. 410 nach Christus stehen die Goten in Rom verwüsten und plündern die Stadt unter Alerich. Das hat es fast ein Jahrtausend nicht gegeben. Das ist ein ungeheurer Schock, ein Wackeln aller Fundamente. Es gibt noch Heiden, die sagen,
1000 Jahre lang wächst Rom und blüht und gedeiht und wird immer mächtiger. Kaum wird das Christentum Staatsreligion. 20 Jahre später wird Rom von wilden Horden eingenommen, überfallen, ausgebeutet, geblündet. Da sieht man doch, die alten Götter rächen sich. Das ist alles eine katastrophale Fehlentscheidung mit diesem neuen Christengott. Das kann alles nicht so sein. Es ist auch für Christen eine Anfechtung. Was ist los? Warum kommen da lauter Völker? Warum sind da Hunden, hört man ständig, aus dem Osten, die schieben, die drücken. Alle möglichen anderen Völker, Germanen und anderes, setzen sich in Bewegung. Vandalen fallen ein in Frankreich, in Nordafrika. Goten drücken, später Langobaden. Das römische Reich im Westen geht mehr oder weniger unter langsam und in Zeitlupe. Wenn man Ost-Rom mitrechnet, kann man sagen, es fällt 1000 Jahre lang. Aber es fällt. Alle sehen, dass es fällt. Es ist der größte Einschnitt der Geschichte, die wir überblicken
überhaupt. Größer wahrscheinlich als die Weltkriege, die bei allem Schrecken was passiert. Weniger radikal verändern die Struktur von Kulturen und Staaten und Ländern. Das fünfte Jahrhundert ist eine einzigartige Umbruchzeit. Was geschieht mit der Bibel in dieser Zeit? Wie wird die Bibel ausgelegt? An wem kann man sich also ein bisschen festmachen, wenn es darum geht, Geschichte der Bibelauslegung im fünften Jahrhundert? Ja, es kann nur eingehen. Klar, wer ist der Christ, den man kennt im fünften Jahrhundert? Wenn man ein bisschen in der Geschichte sich fragt, was kenne ich denn da so? Augustinus von Hippo. Augustinus von Hippo ist nicht nur irgendein Christ, der auch wichtig ist. Er ist auch nicht nur der Wichtigste im fünften Jahrhundert. Da gab es doch viele Wichtige und so. Da gab es doch Leo von Rom oder Kirill von Alexandrien. Und wenn
man mal fragen würde, was weißt du denn über die? Bei den meisten wäre es schnell Schluss. Ich fürchte, die wenigsten würden auch wirklich rufen. Und was ist mit Leo und Kirill? Augustin überragt alle anderen und alles andere dermaßen, wie es in keinem anderen Jahrhundert eigentlich so eindeutig war. Ich würde sagen, Augustin ist für das abendländische Christentum die wirkmächtigste und bedeutendste Figur in der zweitausendjährigen Christentumsgeschichte insgesamt. Immer schwer zu messen, wer ist der Größte und Wichtigste und so. Man kann sagen, aber wie soll man ihn vergleichen, was weiß ich, mit einem Heiligen wie Franz von Anzisi oder einer Mystikerin wie Teresa von Avila oder einem Musiker wie Johannes Sebastian Bach. Die sind doch auch Giganten. Ist alles richtig. Darum habe ich ja gesagt, der Wirkmächtigste. Augustin ist derjenige, wo im fünften Jahrhundert viele Fäden zusammenlaufen. Die Geschichte des bisherigen Christentums, die Geschichte der
Kanonwerdung, die Geschichte der Theologie, die Geschichte des Mönchtums, die Geschichte der Frömmigkeit, der Kulturauffassung, all das überblickt er, sammelt er, kennt er, vieles wird bei ihm zusammengefügt und von ihm gegen Fäden aus über diese Zeit der großen Transformation hinaus im sechsten, siebten, achten Jahrhundert ist ja, sind die meisten Teile der der alten Welt auf einem Stand weit hinter dem, was im alten Rom längst mal erreicht war. Es ist ja eine Zeit der kulturellen Rückentwicklung in vielerlei Hinsicht. Augustin ist der Große, der Intellektuelle, der Theologe, der Denker, an dem sich die nächsten Jahrhunderte immer wieder neu ausrichten werden, orientieren werden. Er ist der große Erbe der alten Welt und Begründer einer neuen Welt. Das,
was man viel später das christliche Mittelalter nennen wird. Er ist dafür die Achsenfigur schlechthin. Man könnte sagen, er steht am Ende der Antike und am Beginn des christlichen Mittelalters und wir haben von ihm unendlich viel Literatur, Texte, Überlassenschaften, diejenigen, die alles gelesen haben, was Augustin je geschrieben haben. Naja, die passen in jeden mittleren Seminarraum. Das sind nicht viele. Es ist unendlich viel, was von ihm überliefert ist. Augustin und die Bibel, das ist auch eine spannende Geschichte. Ich werde zunächst einmal Augustins Lebensweg erzählen und zwar so erzählen, dass es immer wieder darum geht, naja und was war das Verhältnis zur Bibel? Was waren da Weichenstellungen? Was hat sich da getan? Und dann werde ich zweitens etwas sagen über sein Bibelverständnis, über die Anleitung, die er gegeben hat zur Auslegung der Bibel. Ich werde mich dabei vor allem orientieren an seinem Werk De Doctrina Christiana. Über die
christliche Wissenschaft könnte man übersetzen. Ein grundlegendes Werk. Es ist im Grunde überwiegend ein Werk darüber, wie man die Bibel verstehen und auslegen und auch predigen kann. Es ist in dieser Form nochmal ein neues Niveau einer Hermeneutik der Bibel. Hermeneutik der Bibel konnte man bei originell schon finden. Das gibt es schon länger. Aber ein großes Buch über das Thema so umfassend auch darin ist Augustin bahnbrechend für viele Jahrhunderte, im Grunde für weit über ein Jahrtausend. Lassen wir uns ein wenig durch sein Leben führen. Dafür sind die Bedingungen auch verhältnismäßig gut. Er hat ein Werk geschrieben Bekenntnisse, Confessionis, wo er seine Lebensgeschichte erzählt. Es ist ein großes Gebet dieses Buchs. Er zählt diese Geschichte Gott und sich selbst. Und auch wir können das heute noch lesen. Sie ist in allen Weltsprachen vorhanden, kostenlos im
Internet. Man kann sie kaufen für wenig Geld. Das war eine Empfehlung. Und diesem Leitfaden werde ich folgen mit der Frage immer wieder und die Bibel. Was spielt da eine Rolle? Augustin kommt aus Nordafrika. Dass er aus Nordafrika kommt, sollte einen nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Römer ist. Er ist Römer, Nordafrika. Hipporegius gehört zum Römischen Reich. Es ist traditionsreiches römisches Gebiet. Er wird in römischer Kultur groß. Seine Mutter heißt Monika. Die wird noch eine gewisse Rolle spielen in unserer Geschichte. Monika ist christlichen Glaubens, der Vater nicht. Der Vater ist Heide. Eine gewisse Grundspannung ist in der Familie angelegt. Augustin wird als Kind nicht getauft. Das war noch nicht allgemein verbreitet. Das war noch nicht üblich. Er erfährt durch seine Mutter christliche Erziehung in einer Zeit, in einer Welt, wo das aber jetzt kein
Automatismus ist, dass man Christ wird, in der Kirche Mitglied werden. Das ist schon auch noch etwas Anspruchsvolles. Man durchläuft ein Katechumenat. Man muss sich der Sache sehr sicher sein. Man muss nicht mehr mit Verfolgung rechnen. Später eher im Gegenteil. Aber er macht sich auf diesem Weg stark christlich geprägt, aber auch im Wissen, es gibt noch eine andere Welt. Es gibt noch eine heidnische Welt, eine philosophische Welt, eine geistige Welt, die auch ihre Reichtümer und ihre Schätze, auch ihre Heiligtümer, ihre anderen religiösen Angebote hat. Und zwischen weit beidem wird er groß. Augustin ist ein gelehriger, bildungshungriger, junger Mensch. Nach Schulzeit und anderem beginnt er ein Studium. Carthago. Er studiert Rhetorik. Er will Redner werden. War ein einflussreicher Berufsstand damals. Mit 18 ist er auf der Suche. Er fragt sich,
erwachsen, was kann ich glauben, was kann ich wissen, worum geht es? Ihm prägt damals eine Schrift von Cicero sehr stark. Hortensius, leider nicht erhalten. Sie prägt ihn sehr stark. Sie setzt ihn auf einem Weg nach der Wahrheit zu fragen. Er möchte verstehen. Er möchte wissen, was Menschen wissen können. Er möchte die Wahrheit erkennen. Und er möchte nicht irgendwie blind was glauben, irgendwas abnicken. Das ist ihm zu einfach. Das ist ihm zu primitiv. Er will nachdenken, lesen, verstehen, Erkenntnis, Weisheit und Wahrheit erfahren. Und so schaut er sich um und lernt Philosophie kennen, lernt verschiedene Religionen kennen. Und natürlich kennt er auch das Christentum. Und er hat mit dem Christentum schlicht ein Problem. Man könnte sagen, er hat ja ein Bündel von Problemen. Das eine Problem ist ganz schlicht dies. Die Bibel macht ihm keinen
großartigen Eindruck. Er liest die Bibel, er hört die biblischen Geschichten. Er weiß, seine Mutter liebt das. Seine Mutter wünscht sich sehr stark, dass er Christ wird. Viele lieben dies Buch, aber er liest es. Es wird ihm gesagt, es ist Gottes Wort. Es ist ein vollkommenes Buch. Es ist göttlich. Und er denkt sich, ja, es ist nicht so schlau wie Cicero. Es kommt mir nicht göttlich vor. Ich habe Cicero gelesen. Der macht mir einen klügeren Eindruck. Der kann besser mit der Sprache umgehen. Das ist differenzierter. Das ist gründlicher. Das ist kritischer. Das ist klüger. Das ist umfassender. Das ist irgendwie auch klarer. Ich lese da Geschichten von Menschen, die sind Hirten eigentlich. Was machen die, die rennen da rum? Und dann züchten sie Schafe und dann nimmt einer dem anderen die Schafe weg und dann hat er noch mehr Schafe. Dann hat er eine Frau, kriegt aber sofort noch eine Frau.
Dann reicht ihm der, dann hat er vier. Dann kriegt er viele Kinder. Was ist das? Es gibt ja auch viele Lebensbeschreibungen von Philosophen. Die haben für die Wahrheit gelebt. Die haben für Erkenntnis gelebt. Die haben Bücher geschrieben. Welche Bücher hat Abraham geschrieben? Welche Weisheiten hat Jakob geprägt? Was ist hinterlassen worden von Isaac? Was ist mit denen? David, er hat Gebete geschrieben. Er hat viele Frauen gehabt. Er hat Kriege geführt. Hat er nachgedacht? Schön erbietet. Er lobt Gott. Er klagt. Alles wunderbar. Aber ich muss ihn doch messen an dem, was es so gibt. Und jetzt, wenn ich von Zizero herkomme, denke ich mir, nee, die Bibel macht mir nicht den Eindruck, göttlicher, vollkommener, perfekter, wahrer zu sein. Sie wirkt irgendwie geringer in mancherlei Hinsicht. Es überzeugt mich nicht. Es ist zu ungeistig. Es ist zu irdisch, zu weltlich,
zu viel Sex and Crime, zu viel Kriege, zu viel Rache und so. Jesus finde ich gut. Ja, ja, Jesus beeindruckt mich. Ja. Und aber ihn jetzt allein, also nee, das Gesamtpaket hat zu viel Komisches. Und eine Sache, die er zum Beispiel komisch findet, ist das ganze Rätsel des Bösen. Das kriegt er nicht klar. Er sagt sich, das Böse macht mir einen sehr realen Eindruck. Es passiert. Wo kommt es her? Wenn Gott der eine ist, der alles geschaffen hat, ja, warum entgleist ihm die Welt dermaßen? Wie kann das sein? Und was ist das überhaupt für eine Geschichte? Da macht er eine vollkommene Welt. Was ist das da für ein quatschendes Tier am Anfang? Was hat er da zu suchen, wenn die Welt vollkommen ist? Dann hat er da Menschen, die machen Fehler angeblich,
Früchtchen werden gestohlen und so weiter. Ja, und jetzt? Jetzt soll ich glauben, dass deswegen im Grunde alles Weitere und dann werden sie mit dem Tod bestraft und sie werden der Gemeinschaft Gottes beraubt, ihre Kinder auch. Warum die Kinder auch? Was haben die getan? Und dann kommen Krankheiten und seitdem kann man Leukämie kriegen und schreckliche Hauterkrankungen. Und seitdem gibt es auch Vulkane und Erdbeben. Es macht mir keinen schlüssigen Eindruck. Ich weiß nicht. Ich finde es nicht logisch, wenn Gott vollkommen ist. Warum schafft er keine vollkommene Welt? Warum ist das möglich, dass so ein Riss in dieser Welt geschieht? Und wenn dieser Riss entstanden ist, warum wird er nicht kleiner? Und warum kriegt Gott das nicht in den Griff? Angeblich hat er das in Jesus in den Griff gekriegt. Das sehe ich nicht immer. Das sehe ich auch nicht bei den Christen. Ich kriege diese ganzen Fragen nicht zusammen. Er kriegt diese zentrale, inhaltliche Frage für
sich nicht befriedigend geklärt. Und die Bibel als solches stößt ihn immer wieder ab, dass ihm viele Geschichten nicht auf dem Niveau gedacht zu sein scheinen, wie in der griechisch-römischen Philosophie, die ihm zugänglich ist. Und wenn das Buch Gottes geringer, schlechter, weniger überzeugend, weniger moralisch integer ist als das, was Gott-Sucher auch sonst nicht überlegt haben, ja, dann ist es vielleicht nicht Gottes Buch. Augustin war nie Atheist, war keiner damals. Also es war für ihn immer klar, Gott, das göttliche Transzendenz, das Ewige, das ist Realität. Also sich eine rein materialistische Welt vorstellen, das war für ihn keine Option. Nur das Christentum war eben auch nicht das einzige, was es gibt. Augustin schließt sich in dieser Zeit einer
anderen religiösen Strömung an, dem sogenannten Manichäismus. Manichäismus, was kompliciert ist, ist eine syncretistische religiöse Bewegung. Mani war Perser im dritten Jahrhundert nach Christus. Und er hat sich gesagt, gibt viele Religionen, mir jetzt eine auszusuchen. Mix it, Baby, ich mach das Beste, ich mach was daraus, hab selbst irgendwie noch das Gefühl, eine gewisse Erleuchtung oder so zu empfangen zu haben. Es ist ja, die fanden Gott, natürlich, die haben an Gott geglaubt, die fanden auch Jesus großartig und hatten aber ihre eigene Weise, die bisherige jüdisch-christlich- heidnisch-persische-zoroastrische Religionsgeschichte in ein neues Gesamtsystem zu bringen. Das braucht man jetzt nicht ausführlich. Was dabei wichtig ist, die eine Grundproblematik Augustins wird im
Kern von Anfang an ernst genommen und beantwortet, woher kommt das Böse? Es ist gleich ewig. Es gibt immer schon den Kampf gut gegen böse. Die Welt ist immer schon Licht und Finsternis. Gut und böse, schwarz und weiß, das ist das Gesetz des Seins. Das muss man nicht fragen, wo es herkommt. Im Christentum sagt man am Anfang alles Eins, alles gut, alles vollkommen, alles perfekt, nur Gott. Ja, dann kriegt man Fragen, wenn man die Welt sieht. Manichäismus sagt, du siehst die Welt und sieh, das was du siehst ist Ergebnis des ewigen Kampfes. Und am Anfang war es völlig getrennt und so. Dann ist es vermischt und wir sind in einer Zeit, wo der Kampf von Gut und Böse stattfindet. Und wir glauben an den Sieg des Guten und es wird ewig getrennt sein, aber der Dualismus ist ewig. Und damit ist die Frage für Augustin geklärt. Es ist eine bessere Antwort. Das ist logisch,
darauf kann ich mich einstellen. So, und das zweite, Manichäismus hat so ein bisschen auch so gesagt, ja, Christen, das sind halt so einfache Gläubige. Den Christen, den erzählt man was, dann nicken die brav. Sie haben Bischöfe, sie haben Hirten, sie werden auf so ein Schäfchen Glauben dressiert. Sie haben heilige Schriften, sie sagen ja und Amen und so. Und da steckt vieles drin, wo der denkende Mensch sagen muss, dafür sind wir zu viel Kultur, zu viel Bildung, das ist nicht unser. Das alte Testament ist dieses Ansehens nicht würdig, Punkt. So haben die Maniche ja das gesagt. Sie boten eine Religion für denkende Menschen, eine intellektuelle Religion. Das war ihr Anspruch, nicht irgendwie etwas abzulicken, sondern echte Erkenntnis, wie die Welt beschaffen ist und wie das funktioniert. Manis Schriften hatten den Anspruch, da einfach tiefgründiger zu sein als diese alte, sammeltlichen Erzählungen von Frauen suchen und Frauen verlieren.
Und dann ist ein Esel weg und man kommt als König zurück und was soll das alles, lieber? Na, das kann keine Heilsgeschichte sein. So, und Augustin lebt acht, neun Jahre als Anhänger in dieser Religion und eine Zeit lang ist es gut. Eine Zeit lang ist es gut. Denn er kriegt Fragen. Er fragt weiter und manches ist auch nicht gut und er überlegt, wie das sein kann. Er wird immer klüger. Er liest heimlich andere Philosophenbücher, die maniche her sagen, ja du bist ein super Typ, wir freuen uns, du gehörst auch zu uns bei den Christen, da ist ja gar nichts, bei uns darfst du fragen und so. Antworten, ja jetzt sind wir auch alles so mittlere Lichter, aber unser Bischof Faustus, wenn du den triffst, der wird dich da nochmal in höhere Weisheit. Und das wird so ein Punkt, dass Augustin sagt, ich muss hier die Elite nochmal sprechen und so. Ich habe ein paar Sachen noch nicht verstanden. So, dann trifft er diesen Führer, der maniche Faustus und es wird für
Augustin eine riesige Enttäuschung, weil er hat inzwischen weitere Bücher gelesen, er kommt mit Texten, mit Fragen, mit Problemen. Der Faustus sagt, ja habe ich gehört, dass das gibt, habe ich auch noch nicht gelesen. Wüsste ich jetzt nicht. Ja, so und für Augustin ist es eine ungeheure Enttäuschung, weil er das Gefühl hatte, das ist der richtige Weg, hier wird nachgedacht und so. Ich bin halt noch nicht an der Adresse, wo alles gewusst wird. Er merkt mehr und mehr, die gibt es gar nicht. Er ist irgendwann enttäuscht und merkt, das ist auch mehr Schein als Sein. Sie werden damit nicht einfach glauben, hier kriegst du echte Erkenntnisse, wie sich alles fällt. Am Ende muss man doch irgendwie glauben. Also auch bei denen, auch bei denen kriegt man nicht die Dinge so erklärt, dass es klar ist, aber deswegen war ich doch bei denen, weil ich das nicht wollte. So, und er fängt sich langsam an, von ihnen zu lösen. Er entdeckt eine weitere philosophische Strömung.
Die platonische Akademie hat in ihrer Spätzeit eine interessante Entwicklung genommen. Platonische Akademie hat sich mehr und mehr in einer skeptischen Richtung entwickelt. Die Kernthese der Skepsis ist, also für für Alltagsbewältigung, man weiß schon, ob Tag oder Nacht ist. So, man weiß schon ungefähr, ob man wach ist oder schläft, man kann sich kneifen zu Not. Aber große Fragen erlauben kein Wissen. Große letzte Fragen, für die ist unser Geist nicht eingestellt. Und wir können grübeln und es versuchen und Systeme entwickeln und so weiter. Und es sind immer unsere Systeme und unsere Versuche. Und der Weise erkennt am Ende, dass er das Ganze nicht sich anschaulich machen kann. Das Ganze übersteigt uns. Die großen Fragen sind zu komplex für uns. Und darum muss der Weise, er muss natürlich
anfangen, darüber nachzudenken. Das ist schon richtig. Und er wird am Ende sein Urteil zurückhalten. Und er wird vieles offen lassen können, in offener Schwebe aushalten, dass die Dinge nicht klärbar sind, nicht greifbar werden, durch Sprache nicht in den Griff zu kriegen sind. Und das ist Weisheit. Das ist tiefste Erkenntnis, die Einsicht in die Grenzen des Erkennbaren, dass es im Grunde nur lebenspraktisches, hinreichendes Überlebenswissen gibt, aber kein Durchschauen, letzter Rätsel und Fragen. Und Augustin, er war jetzt so Mitte, Ende 20. In diesem Alter fühlt man sich ja unendlich klug. Und er hat auch echt viel gedacht und gelesen. Er dachte, das ist jetzt schon das Geilste und so. Ich habe jetzt echt viel durch und es sind viele, viele sind so dogmatisch und sie wissen Bescheid, glauben sie. Und wenn man mal bisschen kratzt und bisschen klopft, zack, die Leute machen sich alles was vor. Und dieser ganze
Dogmatismus, ich bin es, leid. Na, man weiß nicht. Vieles weiß man nicht. Und das ist Weisheit, da hinzukommen. So, in dieser Phase ist er, zwischendurch hat er Karriere gemacht, er ist nach Mailand gekommen, große römische Stadt, Kaiserstadt, Hof, große Abteilung. Er ist Redner, er hält Festreden, er schreibt Reden. Also geht ihm gut und hat Selbstüberlegung. Er kann viel werden, er kann noch hochkommen. So, jetzt sind wir in Mailand. Wir sind in Mailand in den 380er Jahren. Das Christentum hat inzwischen ganz andere Standing, das muss man ja auch sagen. Reichsreligion. Es wird mehr und mehr, naja, erwartet. Um der Karriere willen ist Christsein schon so das Ding. Also das ist schon so die Partei, wo man drin sein sollte, wenn man was werden will. Davon lässt sich ein Intellektueller jetzt nicht
beeindrucken, das ist klar. Das wäre jetzt kein Grund. Aber das Christentum ist so real und mächtig, man geht jetzt auch nicht mehr einfach so dran vorbei. In Mailand ist Ambrosius Bischof. Ambrosius hält dort seine Predigten und Augustin hört den, muss man schon nochmal hören. Also der hat es raus, in jeder Hinsicht. Auch als Rhetoriker, der nicht an den christlichen Gott glauben will. Also ist es allein rhetorisch ein Genuss. Man kann da hingehen und sagen, komm red du mal, ich hab da meine eigenen skeptische Einsicht. Aber er macht es gut. Er macht es gut, es ist ein Schauspiel. Das sollte man sich antun. Augustin setzt sich dahin, ist zunächst von der Rhetorik fasziniert und denkt sich, der kann was, da lernen wir alle noch was, das ist richtig gut. Und womit er nicht gerechnet hat, Ambrosius fasziniert ihn auch durch seine Bibelauslebung. Im Grunde war
der Stand für ihn schon noch, also ich verwerf jetzt da nicht an Viehhirten und Könige und Richter und Riesen und Simson, du lieber Himmel. Das sind keine Glaubensvorbilder für mich, nein. So, das ist nach wie vor sein Stand. Und nun hört er auf einmal, wie Ambrosius biblische Geschichten auslegt. Und Ambrosius sagt ganz offen der Gemeinde, liebe Gemeinde, wir haben diese Geschichte gerade gehört, wenn man das wortwörtlich von Gott so verstehen würde, das wäre traurig, das wäre unwürdig. Als hätte Gott wirklich zu tun mit Kinderkriegen und Sex haben und Land verteilen und Land verlieren, als würde es darum gehen. Diese irdischen Dinge, das ist nur die Oberfläche. Wenn wir das für das wesentliche Kernanliegen der Bibel halten würden, ja das wäre der Idee Gottes unwürdig. In der Bibel geht es um viel, viel tiefere Dinge, als man auf dem
ersten Blick meint. Sagt Augustin, bin ich mal gespannt. Ambrosius legt die Bibel nun aus, in meinem Vortrag über Origines habe ich es dargestellt, es war eine verbreitete Überzeugung, dass viele Geschichtenerzählungen in der Bibel einen historischen Sinn haben, einen Erzählsinn, einen wörtlichen Sinn, das was da berichtet wird. Und das Ganze hat immer auch einen symbolischen Sinn, einen tiefen geistlichen Sinn, man könnte sagen einen philosophischen Sinn, einen geistlichen Sinn, einen theologischen Sinn und um den geht es, machen wir uns das an einer Geschichte deutlich, der Geschichte von Adam und Eva. Jetzt waren in dieser Zeit, Ende des vierten Jahrhunderts, stand da niemand auf dem Platz und sagte, ich habe das Gefühl, es könnte sich hier um einen Mythos halten, jedenfalls wirkt das für mich nicht wie ein historischer Bericht. Das waren keine Debatten des vierten Jahrhunderts, da kam kein Mensch drauf das so zu machen. Natürlich gab es
bereits Theologen, die gesagt haben, ja aber es ist keine Geschichte, die sich so ereignet hat, also es gab es, aber das war nicht das Hauptthema und für viele sagten, ja sagst du, wirkt mir so, als wäre das aber doch so gemeint. Nein, Ambrosius lässt das so als Geschichte und sagt, ja aber jetzt hier an der Oberfläche zu bleiben, also seien wir ehrlich, ein nacktes Menschenmädchen und ein Schlangentier unterhalten sich über ein Früchtchen, das Früchtchen wird gegessen von einem zweiten nackten Männlein und das ist irgendwie, kann man verstehen, wenn Heiden sagen, ist jetzt keine umwerfende Geschichte, also ich habe platonische Mythen gehört, die haben mich mehr geflasht. Augustin denkt sich, ja stimmt, also ich zum Beispiel, jetzt werde ich langsam richtig interessiert, wie das weitergehen wird und Ambrosius sagt, ja wir müssen doch die Geschichte verstehen, worum geht es denn hier? So, was ist denn hier eine Frau und ein Mann? Es geht hier
um den Menschen. Diese Geschichte handelt davon, wer wir Menschen sind und wir Menschen sind zweipolige Wesen, wir sind der Welt zugewandt, der Welt mit Pflanzen und Tieren, dem Sichtbaren, dem Riech und Hörbaren und wir sind dem Göttlichen zugewandt, dem Geistigen, dem Moralischen und da sind wir zwischengestellt. Wir sind Wesen wie die Tiere, nackt, körperlich, Hunger, Durst, Sehnsucht, Geschmack und wir sind geistige Tiere. Keine Tiere mehr, geistige Wesen wie Götter und Engel und Mächte und für uns gibt es Gut und Böse und Ordnungen, die verbindlich sind und wir sehen den Menschen nun in dieser Spannung zwischen dem Göttlichen und dem Sinnlichen, dem wahrhaft Menschlichen und
dem Tierischen und nun sehen wir, wie der Mensch seiner Sinnesnatur nach angesprochen wird durch die Verlockungen des Dinglichen, des Kreatürlichen, des Schönen und Leckeren. Denn was ist die Frau anders als in Begriff der menschlichen Öffnung hin auf das Sinnliche, auf Lust und Unlust, auf das, was schön ist und gefällt und was ist das Männliche anders als das Geistige, Moralische, Erhabene, das was eigentlich bestimmt ist, das Sinnliche in irgendeiner Weise zu integrieren, aber zu führen und was ist jetzt unsere Bestimmung als Wesen dazwischen? Na ja, möglichst nicht zerrissen zu werden. Der Mensch kann zerrissen werden zwischen dem, was er begehrt, was ihn lockt, aber auch was ihm Angst macht, was er bedrohlich findet und dem, was ihm als gut und wahr und
gerecht einleuchtet. Und es gibt nichts Schlimmeres als das Gefühl zerrissen zu sein, mit sich selbst im Streit zu sein. Und diese Geschichte erzählt unser Allah drama, dass der Mensch seiner sinnlichen Natur nach verstrickt wird in das reine Begehren so, dass kein Geist mehr sichtbar ist, kein Gewissen. So und dass die Frau ist, heißt der Mensch neigt sich auf die Seite seiner Fleisch- und Triebnatur und dann gibt sie ihrem Mann, das heißt das Denken lässt sich instrumentalisieren vom Begehren, von Angst und Gier und Sucht und der Mensch fällt aus seiner Mittelpunktposition hinaus. Er ist nicht mehr hineingesetzt zwischen das Göttliche und Irdische, um sich da vor Gott zu behaupten und zu bewähren. Er ist gefallen. Er ist gefallen und all die Folgen, die das nach sich zieht, erleben wir alle in unserem Leben. Wie schrecklich es ist, Sklave seiner Sinne und Süchte,
seiner Trieben und Begierden zu sein, bis dahin, dass unser Geist anfängt, das zu rechtfertigen. Oder wir mit uns selbst in Widerspruch geraten in diesen Streit. Und Augustin sagte sich holler die Waldwehe oder er sagte sonst was, aber er sagte Respekt. Zum ersten Mal gibt mir diese Geschichte richtig zu denken. Ich komme ins Nachdenken und finde das faszinierend und verstehe auf einmal, diese Geschichte kann man so erzählen, dass jedes Kind sie versteht irgendwie. Und man kann diese Geschichte so erzählen, dass sie eine Frage des Menschenbildes ist. Der Frage des woher und wohin, wer will ich sein und wer bin ich und wie gehe ich mit diesem Zwiespalt um, wenn ich das erfahre. Und so oder ähnlich oder anders legte Ambrosius die Bibel aus und irgendwann sagte
Augustinus, der eine Punkt, der mich vom christlichen Glauben abgehalten hat, hat sich erledigt und ich sehe, man kann intellektuell redlich Christ sein. Ich habe das unterschätzt. Ich habe die Texte für flach gehalten. Jetzt sehe ich, sie haben ungeahnte Tiefe und das Famose ist ja, sie haben eine ansprechende Oberflächenseite, irgendwie ist ja auch interessant und nett und spannend und eine Tiefendimension, die mit den größten geistigen Diskussionen, die wir führen, in der Sprache der Bilder das Ganze immer noch mal weiterführt und auf Gott hin öffnet. Es gelingt ihm noch nicht sofort mit der ganzen Bibel klarzukommen. Er spricht mit Ambrosius, der lobt ihn auch und sagt super, bleiben wir dran und es geht wirklich. Es liegt zum Beispiel am Prophet Jesaja. Augustin probiert es, er kommt dann aber doch nicht so klar, er merkt es ist schwierig,
aber er denkt, es kann an mir liegen. Es ist nicht leicht. Also man liest so ein Buch wie Jesaja nicht einfach mal so durch und sagt, habe ich alles verstanden, kein Problem. Kann ja jeder mal probieren, gerade mal. Aber er merkt, es macht Sinn, es zu probieren und manche Tür tut sich vielleicht auch erst nach Wochen oder Jahren auf. Augustin liest weiter, er hat nach wie vor das mit den Bösen, das ist nicht so einfach. Bei den Manichäern ist er gefühlt raus oder er ist auch raus irgendwann. Ja, irgendwann erneuert er seinen Status in der Kirche, er geht wieder ins Katechumenat, er sagt, ich bin noch nicht sicher, ich bin noch nicht dabei, aber irgendwie, ich möchte verstehen und vielleicht könnte ich glauben und irgendwie so als Taufanwärter, als Bewerber, als jemand,
der nachdenkt und lernen verstehen will, sehe ich mich nun doch wieder. Er bekommt von einem Freund in der damaligen Zeit dann Bücher von den Platonikern geschenkt, wir würden heute sagen, viele Neu-Platoniker, von christlichen Freunden inzwischen auch, die sagen, guck mal, lies mal diese Neu-Platoniker, die haben eigentlich ganz interessante Ideen, auch für den christlichen Glauben. Jetzt ist das alles sehr kompliziert, sagen wir sehr kurz. Das eine Ding war ja, das Christentum am Anfang, alles gut, Gott perfekt, vollkommen, wo kommt das Böse her, schwierig. Das andere, gut und böse, zwei ewige Prinzipien. Irgendwie ist die Frage, wo kommt das Böse her, klar, aber warum ist das von Anfang an, auch nicht so einfach. Neu-Platoniker sagen, am Anfang ist das eine, das Göttliche, am Anfang ist das Sein, das Sein ist gut und wahr und das Böse, das Böse ist jetzt keine ebenbürtige, attikate zweite Position, kein Dualismus, kein
Gegeneinander zweier Prinzipien. Das Böse ist im Grunde ein Mangel an Gutem, ein Mangel am Sein, ein Herausfallen aus der guten Seinsordnung, eine Verwirbelung, eine Abwendung, eine Minderung an Sein und Gutem, so dass wir, naja, wir haben zweierlei, wir haben diesen Kampf, wenn man so will, aber es ist kein ewiger Kampf, sondern es gibt das Gute und einen Abfall davon. Es gibt das Sein und eine Minderung, eine Seins- und Wertminderung an echtem Sein, so beschreiben die das, und seine christlichen Freunde sagen, guck mal, die sind klüger als die Manicheer. Das ist extrem tief durchdacht, da steckt tausend Jahre platonische Tradition hinter und ist das nicht,
kann man das Christentum nicht auch so verstehen? Ist das nicht im Grunde eine Weise zu verstehen, dass am Anfang Gott der Schöpfer gut und dann gibt es einen Abfall von Gott. Es gibt diesen Mangel an Gutem, aber das ist nichts, was Bestand hat, das ist keine absolute Gegenmacht, das ist ein Mangel, eine Flucht, ein Sturz, eine Minderung, eine Trübung, ein Schatten, aber es verhält sich eigentlich wie Licht und Finsternis so, dass es Licht gibt und Finsternis ist schlicht der Mangel an Licht, aber nichts eigenes, keine eigene Quelle des Finsterseins. Und so könnte man doch im Grunde ja den Sündenfall verstehen und Augustin denkt, ja, könnte man und ehrlich gesagt ist mein zweites Problem jetzt auch weg und das man könnte Christ sein. Meine Gegengründe sind mir ein bisschen aus
der Hand gefallen, man könnte Christ sein. So und Augustin denkt sich, man könnte Christ sein und Jesus fand ich auch schon immer gut und wie macht man es dann? Wie wird man Christ? Und jetzt hat Augustin ein etwas spezielles Problem, was sehr schwer zu erklären ist im 21. Jahrhundert. Er hatte lange eine Lebensgefährtin, eine Frau, er hatte mit ihr auch ein Kind, Adiodatus, der läuft auch rum, spricht und so, leben auch zusammen. So und das war, also er beschreibt das als schreckliche Gräuel und Unzucht und sonst wie, es war im römischen Reich aber wirklich normal oder üblich, es war eine Lebensgefährtin, eine Lebenspartnerschaft würde man so sagen. Die Mutter war sehr traurig, sie war immer überhaupt auch viel traurig und so und sagte, ja wenigstens ein christliches Mädchen mir zuliebe, man hört auf seine Eltern, es ist die Antike, man hört wirklich auf sie und so und er lässt sich auch darauf ein, aber das Mädchen, was sie für ihn bereit hat, ist noch ein bisschen jung
und ach und so und er merkt, es macht ihm aber auch zu schaffen, es quält ihn. Und damals so richtig gläubig werden, hieß für viele, asketisch leben, Verzicht auf Sexualität und Ehe überhaupt. Das sind eigentlich, sagen wir erstmal die Posterboys, derjenigen, die hochreligiös waren, also das sind so Geschichten von Leuten, die in die Wüste gehen und sagen, ich brauche nie wieder Sex, weil ich habe alles, alles im Herrn, allen Frieden, allem Glück, alle Erfüllung und im Freundeskreis, christlich, augustinisch und so, die sagen, wow, das sind Beter und Schweiger und Fastenriesen und so und ja, es zieht Augustin an, weil diese Menschen radikal für Gott allein leben. Und das Verrückte ist, erkennt das aus der Philosophie, große Philosophen haben es eigentlich ähnlich gesagt. Erkennt das, aber naja, große Philosophen und jetzt nicht noch deren Putzfrau und der
Schwager oder so, sondern das waren große Geister. Im Christentum gab es lauter 15-jährige Mädchen, die sagten, allein für den Herrn, immer, treu, ewig, ganz, mit Haut und Haar, möchte ich für Jesus leben und so. Und das war für viele Menschen wahnsinnig beeindruckend. Alte und junge Frauen und Männer, Mädchen und Jungs, Arme und Reiche, Sklaven und Freien waren bereit, alles für Gott zu geben. Und ein Freund sagte zu Augustin, du, ich möchte es eigentlich auch, ich möchte ganz für Gott und nicht heiraten und so, machst du mit? Und Augustin sagt, ja, aber guck mal, ich habe ein Kind, ich habe eine Frau und ich kann es mir nicht vorstellen. Ja, aber warum kannst du es nicht vorstellen? Und Augustin sagt, ja guck mal, ich bin seit zehn Jahren, ehrlich gesagt, mit einer Frau zusammen. In unserem Jahrhundert spricht man nicht im Detail darüber, aber ehrlich gesagt, ich kann es mir nicht vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen zu sagen, nie wieder. So, und er
kämpft, weil er irgendwie denkt, warum kann ich mir das nicht vorstellen? Was bindet mich, was fesselt mich denn da? Und Augustin fixiert sich irgendwann auf diese Frage, könnte ich so ganz für Gott leben, dass ich nicht heiraten, nicht irgendeine Geliebte, gar keine Frau, könnte ich ganz für Gott leben, könnte ich das? Und es macht ihn verrückt, dass er irgendwie das Gefühl hat, das Fleisch schreit, nein, never, du kennst es schon so lange, du wirst es nicht schaffen, du wirst es nie schaffen, nie wieder irgendwie eine Frau anzufassen. Es entsteht ein großes Ringen und überhaupt und wieder Geschichten, da hat jemand Amt und Würde und Geld und alles hinter sich gelassen. Er wird jemand, der nur noch in Armut für den Herrn leben möchte. Alle sagen, wow, und Augustin sagt, es ist großartig, aber ich könnte es nicht, was ist los mit mir? Es gibt dann eine berühmte Geschichte, die meisten, die den Namen Augustin je gehört haben,
werden diese Geschichte auch kennen. Er ist in einem Garten bei einem Freund und es zerreißt ihn, weil er irgendwo merkt, ich bin gebunden, ich bin nicht frei, ich komme nicht klar. Und er zieht sich zurück und wirft sich im Garten auf den Boden und ringt und klagt und schreit seine Zerrissenheit vor Gott raus. Und dann hört er irgendwie so einen Sing-Sang, wo Kinder spielen und Sing-Sang auf Deutsch wäre dann nimm und lies, nimm und lies, nimm und lies, also tolle Legge. So und vielleicht war der erste Impuls ganz ungeheiligt, dass er ja fast schreien wollte, Mensch, verdammt, dann nimm und lies doch endlich, Mann, sei doch mal ruhig, man muss doch mal hier Krise haben können und so. Aber er gibt dem Impuls schon nicht mehr nach und denkt sich, was ist das für ein Kinderspiel? Ich habe ja einen Sohn, ich kenne Kinderspiele, ich kenne keine Kinderspiele, wo man sagt nimm und lies, nimm und lies. Und er hat sich davor beschäftigt
mit Antonius, einem großen Schweigerbeter Wüstenmönch, der kam in die Kirche und hörte das Gleiche vom reichen Jüngling, geh hin, verkaufe alles, was du hast und folge mir nach. Antonius war reich, ging hin, verkaufte alles, was er hatte, folgte Jesus nach und wurde eine Säule der Kirche und ein Heiliger und er bewirkte unendlich viel durch sein Opfer und Augustin denkt, Moment, Moment, Moment, es kann es sein, dass Gott mich ruft, kann es sein, er läuft zurück zur Bank, wo sein Freund sitzt, er greift die Bibel, er schlägt sie auf, das erste, was er liest, ist Römer 13, 13, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Tucherei, nicht in Meid und Hader Leben, sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt. Und Augustin schlägt die Bibel zu und sagt, das ist es. Und er beschreibt, es war
eine Erleuchtung, die ihn mit Licht überflutet hat und es war von Stunde an für ihn klar, ja zu Jesus, ja zum Glauben, ja zu einem Leben in Askese, keine Frau mehr, nie wieder Sex, keine Familie, ganz und gar für Gott leben, das ist es. Der Freund schließt sich sofort an, bekehrt sich auch mit, beide sagen und jetzt lassen wir uns taufen. Und das erste, was wir machen, ist, wir sagen es meine Mutter. Mutter Monika ist recht berühmt, sie war christliche Mutter Augustins und dass ihr Bub in eine Sekte geht, manichäer, es hat sie zerrissen und sie hat geweint und geweint und gebetet und gebetet und geweint und gebetet und hat Seelsorge befragt und gesagt, was kann ich tun, kann ich mehr fasten, was soll ich opfern, habt ihr Bücher, was hilft? Sie ging den ersten schon richtig auf
die Nerven vielleicht. Ambrosius hat sie irgendwann genommen und gesagt, hier Monika komm, lass es gut sein. Ein Sohn so vieler Tränen kann gar nicht verloren gehen und Monika sagte, in dem Moment war es ihr so, als hätte Gott ihr das gesagt und sie hatte fortan Frieden und war irgendwie sicher, mein Junge wird zum Glauben kommen. Ambrosius hat es gesagt, wenn Gott durch den nicht spricht, ja was dann? Und sie hatte Frieden. So und jetzt kommt Augustin zur Mutter und sagt, Mutter ich bin durch, ich bin gläubig, sie kann es erst nicht glauben. Er erkennt sich, er erzählt ihr die Geschichte. Die Freude wächst und wächst, sie fängt an zu jubeln, sie fängt an zu tanzen. Hätts damals schon das Lied One Moment in Time von Whitney Houston gegeben, sie hätte die ganze Nacht darauf abgerockt. Seligkeit, Jubel, Trubel, Feiern. So, sie ist, sie stirbt auch bald danach.
Sie ist durch, sie hat dafür gelebt, sie kann nicht mehr. Alles was sie je geträumt, gewünscht, erwartet hat, ist wahr. Sie hat noch selige Gespräche mit ihrem Sohn, beide reden über himmlische Freude, über ewiges Sein bei Gott, beide erleben eine Entrückung, gleichzeitig, wo sich ihre Seelen mit dem Herz Gottes berühren voller Liebe. Beide sagen, komm ist gut, sie stirbt bald danach, wird noch beerdigt. Augustin geht zurück nach Nordafrika, das weitere Leben lassen wir sein Leben sein. Er wird recht bald danach in der Gemeinde zum Priester ernannt, war damals jetzt nicht, jetzt lernst du erstmal alle antike Sprachen, die konnte man ja mit bisschen Glück schon und auch überhaupt kein Studium, sondern der Bischof sagte irgendwie zur Gemeinde hier, liebe Leute, ihr kennt unseren Augustin, großer Beta, kluger Kopf, ich hab irgendwie Bock den zum Priester zu machen, Gegenrede, alle sagen ja Priester und so. Er wird
durch Akklamation, er will erstmal gar nicht, aber daran erkennt man immer die Guten, sie wollen erstmal gar nicht, er wird Priester. Bald auch Bischof von Hipporegio, da er echt ein großes Gehirn hatte und auch ein tiefes Herz und so wird er dann bald Bischof, der geistliche Führer von Nordafrika. Er wird für 30 Jahre die bestimmende Gestalt im Westen, für die Ostkirche gilt das übrigens nie, man ist schon ein bisschen sprachlich auseinander, Latein, Griechisch und so, aber im Westen überragt er mehr oder weniger alles, was es gibt. Er stirbt dann 430 zu einer Zeit als Hipporegio von den Vandalen belagert wird, die gab es wirklich und die haben in Hipporegio alles kurz und klein gehauen, wie das so ihr Ruf war, vielleicht auch ein bisschen weniger, aber ein bisschen haben sie ihren Ruf sich auch erarbeitet, also sein Leben endet hinein in diese großen Verschiebungen und Katastrophen der Völkerungswanderungszeit hinein, aber sein Erbe,
sein Werk, seine Schriften überdauern bis heute. Zweite Hälfte des Vortrags, die Hermeneutik von Augustin, wie er sie zusammenfasst in De Doctrina Christiana. Wir haben gesehen, Augustin hat mit der Bibel was durch, er hat frühe Vertrautheit mit den Geschichten, frühes Angezogensein von Bibelgeschichten, Jesus fand er immer gut, das fand ja die Manichäer von Jesus auch gut, das war nicht der Punkt, die Juden sagten, lasst ihn ein Jude sein, schon finden wir ihn eigentlich auch ganz gut oder so. So und es gab aber auch diese anderen Geschichten, so die ihm abschreckten, abgestoßen haben und durch mehrere Entwicklungsschritte hindurch lernt er die Bibel zu verstehen, zu respektieren und auszulegen und das fasste in diesem großen Buch zusammen, das werde ich jetzt versuchen kurz zusammenzufassen. Es ist in vier Büchern aufgeteilt, die ersten
drei Bücher sind Ende des vierten Jahrhunderts geschrieben, 30 Jahre später hat er noch einen weiteren Band angefügt. Das erste Buch beginnt mit der grundlegenden Unterscheidung von es gibt Zeichen und es gibt Dinge. Er sagt ganz allgemein, wir wollen verstehen, wie man die Bibel verstehen kann. Okay, so wie kann man Sachen verstehen, was sind die Grundbausteine, jetzt machen wir uns erst mal klar, es gibt Sachen und es gibt Zeichen. So das ist das eine und Zeichen sind auch Dinge, Zeichen sind aber die Dinge, die auf andere Dinge verweisen. So jedes Schild Notausgang ist ein Ding, ich sehe gerade eins Notausgang Schild verweist aber auf den Notausgang, das ist ein Zeichen, es ist auch ein Ding, aber das Ding, was auf andere Dinge verweist, ist ein Zeichen. So und Sprache ist natürlich das Zeichensystem schlechthin, aber auch Bilder und Symbole und vielerlei
funktioniert ähnlich und da müssen wir uns orientieren und nun sagt er ja, wann kann man Zeichen gebrauchen, wenn man die Sachen kennt. Ein Notausgangsschild, du lieber Himmel, googelt eins, guckt es euch an, stellt euch irgendeinen vor, der gerade aus einer Gegend kommt, wo mit Häusern und Notausgängen das alles nicht mehr geholfen hätte oder der vier Jahre alt ist und auch nicht, wird er bei Betrachten dieses Bildes sich das angucken und sagen, dieses Schild will mich anleiten zum Notausgang zu kommen, wenn das Haus brennt, vielleicht nicht. Erst dann, wenn man irgendwie eine Idee hat, was das ist, ein Notausgang, erst dann funktioniert es. Das heißt Zeichen sind eine Ebene der Kommunikation, die dann greift, die dann funktioniert, wenn die Menschen mit den Sachen, die bezeichnet werden, in irgendeiner Weise auch ein Erkenntnis, ein Verstehen haben. Darum sagt
Augustin, niemand lernt durch die Zeichen eine Sache kennen, wenn er der Sache selbst nicht irgendwie begegnet. Ich habe die Biografie ausführlich erzählt, wir werden sie öfter brauchen, kennen Augustin hatte keinen Mangel an der Zeichenkenntnis des Christentums. Er hat schon nur das Gefühl, er kriegt die Zeichen nicht sortiert, das funktioniert nicht. Er kriegt damit Gott nicht erkannt. Da in dem Maße, wie er Gott kennenlernt, werden ihm auch die Zeichen plausibler, sodass er sagt, ja, wir müssen die Sache verstehen. Was ist denn die Sache des Christentums? Worum geht es da? Jetzt könnte man sehr viel über Sachen sagen und Augustin sagt, lass uns auch noch mal ganz grundlegend drangehen, es gibt Sachen, es gibt unendlich viele Sachen und jetzt schlage ich eine einfache Unterscheidung vor. Menschen haben zweierlei Verhältnis zu Sachen, ein Gebrauchendes und ein Genießenes.
In unserer Sprache könnten wir das jetzt sehr schlicht übersetzen. Viele Dinge, Sachen sind für uns Mittel, andere sind Zwecke. Worin unterscheiden sich die beiden Weltzugänge? Der eine Weltzugang gebraucht Dinge, verwendet sie, instrumentalisiert sie, sie sind im Mittel zum Zweck. Man hat sie um etwas anderes willen und andere Dinge sind nicht Mittel zum Zweck, sie sind für uns selbst Zweck. In dieser anderen Sprache, das eine gebrauchen wir, das andere genießen wir. Und das Ganze unterlegt Augustin nun mit einer grundlegenden anthropologischen Innovation, die hat eine lange Vorgeschichte, das ist alles richtig und so und Augustin ist aber derjenige, der das besonders stark zuspitzt. Er sagt, was ist der tiefste Drangantrieb, die tiefste Strömung, die uns
Menschen in irgendeiner Weise bestimmt? Die Grundkraft menschlichen Daseins ist die Liebe. Wir sind Liebende, immer schon. Wir müssen nicht die Liebe lernen, wir müssen lernen, was zu lieben lohnt. Alle Menschen lieben. Was heißt lieben? Naja, lieben heißt haben wollen, lieben heißt schön finden, lieben heißt mit vereinigt werden wollen, damit irgendwie in Berührung sein. Lieben ist ein Bejahen, ein Guteisen, ein Bewundern. Das alles ist lieben und wir kennen es als Drang, als Trieb, als Sehnsucht, als Wunsch. Jeder Wunsch, jeder Drang, jede Sehnsucht, all das ist im Grunde ein sich regender Liebe, die sich auf irgendetwas setzt. So und dann sagt Augustin und nicht alles ist es wert. Man kann mit seiner Liebe haften bleiben an Dingen, die man möchte und bejaht und
liebt und so weiter und aus seiner Lebensgeschichte liegt ihm das wahnsinnig nahe zu sagen, man kann haften bleiben an schönen Körpern, an Lust, an Leidenschaft, an Sexualität, natürlich auch am am Saufen, am Trinken, am Essen, am Luxus. Man kann das alles so und wird danach streben und wird sich dafür verbiegen und wird versuchen viel Geld zu kriegen, um sich das leisten zu können oder seine Chancen vielleicht auf dem Heiratsmarkt, Beziehungsmarkt zu steigern. Geld ist klassisch ein Mittel, braucht man für anderes und so und Augustin sagt ja und es gibt Dinge, die nicht satt machen. Es gibt ein Haben und Genießen wollen, bei dem die Lehre nur noch spürbarer wird. So und darum wird man da so maßlos. Man muss sich im Grunde fragen, was stillt denn welches Begehren und
welches Liebesverlangen in uns? Das ist die Grundfrage des Lebens und es gibt Dinge, die sollten Menschen nur gebrauchen. Geld sollte man ein freies Verhältnis zu haben, wenn man sein Herz dran hängt. Wenn ein Geldverlust in Verzweiflung treibt, ist das das Ergebnis einer fatalen Selbstbindung an etwas, was nicht satt macht. Es ist tragisch, es kann Geld nicht. Geld macht auch nicht glücklich, nie genug. Es gibt so wenig Menschen, die sagen, ach jetzt bin ich schon Milliardär, jetzt ist echt genug, jetzt gebe ich erstmal 90 Prozent ab, ja pervers, macht ja keiner. So weil ihn sofort einfällt, ja mein Nachbar, der ist Multi-Milliardär, was bin ich für eine arme Sau irgendwie, ich bin fast pleite im Grunde verglichen mit dem. Das ist irgendwie tief in uns
drin, die Dinge können nicht satt machen, wenn wir mit dem falschen Antrieb drauf und dran uns festgemacht haben, wir sollten ein freies Verhältnis dazu haben und dann kann man es auch haben und dann kann man es auch gebrauchen und dann ist es auch in Ordnung, aber naja, diese Freiheit bräuchte es. Das war ja Augustins Krise, er merkte es in seiner späten Jugend, dieses unfreie Verhältnis in der Frauen- und Sex- und Beziehungsfrage, das er merkte, könnte ich es loslassen um etwas zu hören, niemals, aber eigentlich müsste ich doch. So gebrauchen und lieben und er spielt diese Frage durch und sagt, worin findet denn menschliche Liebe genug? Naja, nicht in etwas, was kleiner ist als wir. Wenn wir unser Lieben letztlich anbinden wollen an Besitz, an Geld, an Macht, an Lust, an
Vergnügen, an Leckereien, dann wenden wir uns nach unten und wir werden nicht satt, wir werden nicht erfüllt, wir werden nicht ganz, es wird unser Herz nicht so durchleuchten, dass wir Frieden und Ruhe haben, wir werden ruhelos bleiben. So und in seiner Zeit muss er jetzt nicht ewig sagen, jetzt stellen wir uns mal die Frage, ob es einen Gott gibt, sondern er kann sagen, wir wissen alle, dass es Gott gibt und wir wissen, allein Gott ist genug. Nirgendwo findet ein Herz genug als in Gott und wenn wir Glück suchen, dann findet unser Herz sein Glück allein in Gott. Sein Lebensbericht wird Augustin so einleiten mit den Worten, du hast uns zu dir hingeschaffen und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir. Das ist für Augustin ein Fundamentalsatz, baut auf auf die Grunderfahrung der Unruhe, dass ich nicht im
Frieden bin, nicht in Harmonie, nicht gestillt, nicht ganz, nicht heil, kein Schalom. So und dieses Suchen nach Glück, nach Frieden, diese Liebe, die unterwegs ist, wird allein in Gott ankommen, allein in Gott ist solcher Frieden. So, das leitet Augustin anthropologisch ab, er unterscheidet hier die verschiedenen Stufen dessen, was liebeswürdig ist und nicht und er sagt, die ganze Kunst des menschlichen Lebens besteht darin zu gebrauchen, was zum Gebrauch da ist und zu genießen, was zum Genießen da ist. Gott allein findet unsere Liebe, Halt und Heimat und Gott allein können wir genießen. Naja und andere Menschen, andere Menschen auch, sofern sie Gottes Ebenbild sind. Darum finden wir einen Vorgeschmack
der Gemeinschaft mit Gott in der Gemeinschaft mit anderen Menschen, mit Freunden, mit unseren Eltern, mit unseren Kindern. Menschen kann man genießen, das Problem ist, wenn wir sie genießen abgetrennt von Gott. Lieber Himmel, Menschen sind sterblich. Das kann man nicht empfehlen. Den Mensch wahrhaft genießen kann man nur in Gott, im Wissen, dass wir alle Gott gehören und in Gott zueinander für die Ewigkeit bestimmt sind, so wir uns auf Gott ausrichten und so kann man auch den Menschen in Gott genießen und in gewisser Weise sich selbst auch. Das Ganze ist jetzt eine Frage der Rangfolge, der Ordnung. Und Augustin kann den Sündenfall mit diesem Schema sehr schlicht erklären. Der Mensch war dazu bestimmt, alle Dinge dieser Welt zu gebrauchen und Gott zu genießen und das Ebenbild Gottes zu
genießen und zu lieben in Gott und gut, das ist der Sinn des Lebens. Und was geschieht im Abfall des Menschen von Gott? Eine Zerstörung dieser Ordnung der Liebe. Nun sucht der Mensch in den Dingen der Welt völligen Genuss. Das heißt, er vertauscht die Gottesliebe mit der Selbstliebe. Er wird selbstsüchtig in einer Weise, dass er genießen will, was zum Gebrauch da ist. Darin verliert er seine Freiheit und er fängt an, Gott noch zu gebrauchen, um zu bekommen, was er möchte, das sind alles Formen falscher Religion. Jeder Aberglaube, jede Magie, jede Astrologie, jedes heretische Konstrukt versucht, selbst Gott noch zu instrumentalisieren, zu gebrauchen zu eigenem Zwecken, zur Steigerung des Selbstwerts oder der Macht oder des Erfolgs oder der Geltung oder wie auch immer. Und das ist Sünde. Die Vertauschung von Gottesliebe und Selbstliebe, der Verlust,
der Geborgenheit in Gott. Und der Mensch, der so aus der Ordnung der Liebe herausfällt, wird ewig ungestillt und unruhig sein oder sein Herz an etwas hängen und eine Zeit lang sich die Illusion aufbauen, darin genug zu haben. Der Tod und Krankheit und Leid werden ihm zeigen, dass es eine Täuschung war. Es gibt illusionäre Phasen, wo man glaubt, wir hatten es doch so schön und man hat nicht zu Ende gedacht und zu Ende geschaut. Darum ist die eine Sache, die nottut, Gott, der dreieinige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ihn allein zu lieben ist des menschlichen Bestimmungen. Wie komme ich dahin? Na ja, gar nicht. Diese aufstrebende, suchende Liebe des Menschen kommt nur da zum Ziel, wo sie von Gottesliebe berührt wird, die eine herabsteigende,
erbarmende, verzeihende Liebe ist. In der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, in seinem Opfer am Kreuz, da geht Gott die radikale Gegenbewegung zu dem, was unseren Fall ausmacht. Wo der Mensch Gott sein will, da wird Gott zum Mensch, um den Mensch aus seiner selbstverstrickten, angemaßten Göttlichkeit herauszureißen, dass er wieder Mensch wird, der allein in der Liebe Gottes genug findet. Und das ist das Christentum. Das ist die ganze Sache des Christentums. Die gilt es zu verstehen, zu glauben, zu erkennen, darin erleuchtet zu werden. Davon handelt die ganze Bibel. Das ist das ganze Thema der Bibel. Und ja, die Bibel redet davon, wie
kommt man jetzt da rein? Wie kommt man in den inner Circle, dass man das nicht nur so sagt, das ist ja ganz interessant, was der Augustinus gesagt hat. Hab ich das richtig verstanden? Der Augustinus war der erste Denker der Menschheitsgeschichte, der die Liebe als Grundkraft des menschlichen Wesens und Daseins beschrieben hat. Ja, kann man so, das ist interessant. Da hätte ich jetzt nicht gedacht, dass die Christen so. Also man kann das so gebrauchen als Bildungsgut, wo man sagt, ja fühle ich mich schon gepinselt, jetzt habe ich irgendwie ein bisschen mehr verstanden. Wie kommt man denn in den inner Circle? Was ist der inner Circle? Naja, zu verstehen, zu glauben, zu spüren, dass diese Liebe Gottes in Christus einem trifft. Und Augustinus sagt, das erkennst du nicht mehr, wie du einen mathematischen Beweis als wahr erkennst. Das leuchtet dir nicht mehr ein, wie ein Syllogismus, eine
Schlussfolgerung, eine Conclusio, wie ein, das leuchtet dir nicht einfach ein, dass du sagst, ah jetzt sehe ich. So, sondern das es dir einleuchtet, ist ein Schritt, eine Bewegung des Herzens. Liebe ist eine Bewegung des Willens. Man könnte jetzt sagen, eine Entscheidung, man darf das nicht zu flach verstehen. Es ist nicht eine Entscheidung zu sagen, ich kapiere zwar kein Wort, aber ich entscheide mich jetzt dafür, dass du glaubst, das wäre jetzt nicht das, was er meint. Also du musst schon irgendwie ein bisschen verstehen und hören und diese ganze Zeichenwelt vor Augen haben. Und alles intellektuelle Nachvollziehen dieser Sätze sind noch nicht. Du brauchst den Schritt des Herzens, das Ja der Liebe, die persönliche Einwilligung, das ist schon noch etwas. Und für Augustin ist es am Ende auch ein Gehorchen,
ein Gehorchen dem Gebot Gottes, liebe mich von ganzem Herzen. Jetzt könnte man sagen, ja, man kann doch nicht auf Gehorsam lieben. Ja, aber Gott sagt es so. Irgendwie schon. Weil es gar nicht ganz ist, Liebe vielleicht nochmal zu flach verstanden. Es braucht diesen Impuls, dieses Liebe mich. So und dann kannst du ja sagen und das ist nicht gegen das Verstehen, aber es kommt zum Verstehen hinzu. Das heißt, es ist schon auch eine Autorität da drin. Eine Autorität, die du anerkennst und der du dich beugst. Und darauf wird Augustin Wert legen. Er sagt, das Christentum ist keine reine Philosophie, die dir einleuchtet wie eine logische Schlussfolgerung, sondern im Christentum begegnet dir eine lebendige Autorität, der du dich fügst, anschließt, anhängst, für die du dich öffnest. Und er überlegt,
ja, aber wie wird mir die Bibel zur Autorität? Ich kenne das ja. Meine Mutter hat mir tausendmal gesagt, lies das Buch, es ist heilig, es ist göttlich. Ich habe reingeguckt und Schnüttchen umgezogen, wie Kind, was Gemüse auf den Teller gepackt bekommt und irgendwie mochte ich nicht und so. Und wie komme ich denn jetzt da dahin irgendwie? Und er sagt dann später, na, was hat denn bei mir funktioniert? Das Vorbild von Gläubigen, die Kirche. Ich habe die Kirche kennengelernt, habe Menschen wie Ambrosius kennengelernt, meine Freunde, Gläubige, Intellektuelle und ich sah ihr Vorbild. Und dieses Vorbild hat mich beeindruckt und ich habe, ja, er sagt es so, ich hätte der Bibel kein Vertrauen entgegengebracht, wenn die Kirche mich dazu
nicht aufgefordert und bewogen hätte. Es ist eine Sache des Vorbilds und es ist ein schlichtes Sich-der-Autorität-Beugen in Übereinstimmung mit Erkennen und Suchen und Führung. Und fühlen, darum ist die Vertrauenswürdigkeit des kirchlichen Zeugnisses aber auch so wesentlich, so notwendig. Und diese Bedeutung der Autorität ist für Augustins Wahrheitsverständnis an dieser Stelle schon auch nochmal wesentlich. Glaube ist mehr als reine Erkenntnis, es ist auch Anerkenntnis. So, das ist die Sache. Das ist gut und schön. Und nun sagt er, jetzt wollen wir die Bibel verstehen und wir glauben, dass die Bibel von diesem Gott handelt und dass sie wahr ist, dass die Bibel das Zeichenensemble ist, was Gott uns in die Hand gibt. Und Augustin sagt weiter, diese Bibel besteht aus göttlichen Schriften. Die Kanonfrage ist ja noch nicht
lange vorbei, Augustin weiß auch, da gibt es durchaus Probleme. So, und er sagt seinen Hörern und, liebe Christen, ich würde jetzt schon von euch erwarten, lest die Bibel durch, ganz. Das schreibt er auch vor größeren Hörern, also er hat schon die Erwartung, Christen sollten ganz Leser der Bibel sein. Und er sagt dann, lest zuerst die Schriften, die in allen Kirchen und immer schon anerkannt sind als kanonisch, das sind die wichtigsten. Und dann gibt es ein paar Schriften, manche sind nicht überall anerkannt oder nicht seit Langem oder sind hier und da auch umstritten. Die lest auch, wenn die meisten oder wichtigsten Schriften sie anerkennen. Aber die überall Anerkannten sind wichtiger und von dem her werden die anderen ausgelegt. Also, sehr, sehr schlicht, Johannes Evangelium und Römerbrief haben mehr Gewicht als Jakobusbrief und Johannisoffenbarung. Das ist für Augustin selbstverständlich und er sagt aber, er liest das Ganze, es ist Gottes Wort. Und für Augustin hängt damit
auch zusammen, Gottes Wort ist ohne Fehler und ohne Widersprüche. Beides ist ihm sehr wichtig, die Bibel ist ohne Widersprüche, der Heilige Geist hat ein ganzes draus gemacht und es ist auch fehlerlos. Er kann auch irrtumslos sagen, unfehlbar, wie man will. Jetzt könnte man sagen, Hoppla, Schluck. Moment, war der Fundamentalist der Augustinos, weil heute würden das doch so die Maßstäbe sein, die man mit diesem bösen F-Wort bezeichnen würde. Jetzt muss man jetzt Folgendes sagen. Mit dem F-Wort bezeichnen wir heute Strömungen, die ab dem 19. 20. Jahrhundert in dieser Weise überhaupt existieren, weil heutige Menschen, die sich auf diese Augustinus-Zitate berufen, das machen sie teilweise durchaus, natürlich in einer anderen Welt leben. In einer Welt, wo Naturwissenschaften, Geschichtswissenschaften
und so weiter sich in ganz anderer Weise verselbstständigt haben. Es macht jetzt keinen Sinn, Augustinus, der in der Spätantike da sitzt und so, zu messen an Selbstverständlichkeiten und Einsichten und Grundvoraussetzungen der Aufklärung und der Neuzeit und so. Trotzdem, historisch ist es ganz schlicht so, Augustinus macht das sehr klar. Die Bibel ist ohne Fehler und ohne Widersprüche. Zugleich muss man auch sagen, Augustinus ist ein biblischer Theologe durch und durch. Dass er die Bibel so hoch wertet, hat nichts damit zu tun, dass er nur die Bibel allein gelten lässt. Er sagt, wir müssen die Bibel jetzt natürlich einordnen in unsere Weltzugänge, die wir so haben. Es gibt Physik, es gibt Ethik, es gibt Logik und das ist auch alles wichtig und richtig und das entfaltet er ausführlich in Doctrina
Christiana. Der Unterschied damals und heute, damals waren das verschiedene Räume in einem Haus. Wir leben in einer Welt, wo das verschiedene Häuser sind. Wenn man Glück hat in einer Stadt, wenn man Pech hat nicht, das ist die moderne Debatte. Darauf werden wir ausführlich kommen. Das ist mein vierter Vortrag über die Geschichte der Bibelauslegung. Wir werden ausführlich in der Neuzeit, in der moderne Entstehung der historisch-kritischen Methode und so weiter. Dann werden sich die Dinge verändern. Dann wird auch der Fundamentalismus eine Gegenposition sein gegen eine Ausgangslage, die sich radikal verändert hat gegenüber der, die Augustin vorfand und das ist natürlich dann eine völlig neue Konstellation. So, also Augustinus fängt an mit einem steilen Bibelverständnis. Sie ist fehlerlos und widerspruchsfrei und dann ja, er hat sie oft gelesen. Er weiß, es gibt Schwierigkeiten, es gibt dunkle Stellen, es gibt unterschiedliche Auslegungen. Also es gibt da genug, was man noch sagen kann.
Und Augustinus sagt, wir brauchen schlicht Regeln, ein Instrumentarium, ein Grundverständnis davon, wie man mit der Bibel umgeht. Das ist wesentlich. Dass die Bibel ohne Fehler und ohne Widersprüche ist, heißt nicht, dass jeder, der Bock hat, da irgendwelche Thesen sagt und sagt Gottes Wort und so weiter. Das geht gar nicht, sondern jetzt muss man natürlich die ganze Bibel durch und durch verstehen im Blick auf ihre Sache, im Horizont ihrer Geschichte, im Gespräch mit der ganzen Kirche und dann kommen wir weiter. Augustin formuliert sehr, sehr viele Grundsätze und Regeln. Ich werde jetzt für das grundsätzliche Verständnis der biblischen Wahrheit sechs nennen und dann vier Punkte nochmal extra ausführen für die Bedeutung der Bibel als moralische Autorität. Mit den ersten sechs machen wir es jetzt nicht so lange. Das erste, was er sagte, also die Bibel, du solltest die Sprachen
kennen. So Augustin sprach ein bisschen Griechisch, er war da kein Riese. Also er konnte Griechisch, ja schon. Er konnte Griechisch, er schrieb in Latein, das war seine Sprache und er kam mit dem Griechischen zu Recht, klar. Hebräisch war es nicht dolle. Also es gibt in der alten Kirche Gebildetere als er in dieser Hinsicht. Aber er kennt es selbstverständlich an, also in diesen Dingen, ohne die Sprachen, wirst du aus zweiter Hand leben. Ist ja auch keine Schande, nur dann weißt du, was dir da möglich sein wird. Das ist wichtig, denn in den Sprachen entscheidet sich die Grundbedeutung von Wörtern, von Sätzen, von Zeiten, von Satzverschachtlungen, ohne da irgendwie einen Einblick zu haben, wirst du dazu nichts Definitives sagen können. Der zweite Punkt ist, du brauchst natürlich auch ganz schlicht Sachkenntnis. In der Bibel
ist die Rede davon, wie man Tempel baut und welche Stoffe man dabei verwendet, welche Tiere man isst und welche Tiere man nicht isst und wie Kriege geführt werden und dies und das nehmen wir allein die Speisevorschriften. Wenn du in einer Zelle groß wirst und alle Möglichkeiten der Welt hast, die Bibel rauf und runter zu lesen mit Lexika, aber nie außerhalb deiner Zelle war, du wirst mit den Speisevorschriften echte Probleme haben und du wirst mit deinem Gefängniswärter auch nicht gut klarkommen, wenn du den Gefängniswärter fragst, ist das das und das Tier und du sagst am hebräisch Worte und er dich fragen wird, wie sah es aus, was ist es für ein Tier und du sagst, keine Ahnung, ich sitze hier in meiner Zelle, ich kenne die ganzen Tiere nicht, die ganzen Speisevorschriften werden dich umbringen. Du kommst mit Speisevorschriften nur klar, wenn du einigermaßen eine Ziege vom Schaf unterscheiden kannst. Wenn du irgendwie grundsätzlich in der Wirklichkeit was weißt, du kannst aus der Bibel nicht alles wissen, was sie dir mitteilen möchte, extrahieren, herausziehen,
wenn du nicht die Welt kennst, von der die Rede ist. Es geht gar nicht. Du musst irgendwie eine Idee haben von Flüssen und Städten und Ländern, von Tieren und Vögeln und Gedanken und Begriffen, also du brauchst Sprachkenntnis und du brauchst Sachkenntnis im Blick auf die Sachverhalte, die da besprochen werden. Du brauchst drittens Geschichtskkenntnis. Du musst einigermaßen was wissen, dass die Zeit läuft und dass da verschiedene Epochen sind und verschiedene Königreiche und verschiedene Großreiche und du musst ungefähr ein Gefühl haben, Augustin, sagst wir brauchen es doch aus apologetischen Gründen. Was machst du denn, wenn jemand kommt und sagt, alles was in der Bibel steht ist bei Platon abgeschrieben? Ja, aber was machst du dann? Doof gucken, Weinkampf kriegen und sagen, bäh und das ist ja alles doof. Dann brauchst du ungefähr eine Peilung, in der du sagst, ja, aber jetzt
sind wir mal ehrlich. Platon war Schüler des Sokrates. Sokrates hat in den Perserkriegen mitgekämpft. Perserkriege, so jetzt schlagen wir mal die Bibel auf. Buch Esra, Buch Esra, Persien, Persisches Großreich, Esra liest die Thoramose. Also das was in der Bibel steht ist viel, viel älter, weil wir können die Geschichte der Griechen und die Geschichte Israels in ein weltgeschichtliches Verhältnis setzen und wir kriegen schon ziemlich klar, was ist früh und was ist spät und wir kriegen das einigermaßen sortiert und das brauchst du und du kommst mit dem Ganzen nicht zurecht. Wenn du Ägypta, Assyria, Babylonia, Persia, Griechen und Römer nicht mal unterscheiden kannst, dann vergiss das alte Testament, vergiss alles eigentlich, also du brauchst eine Grundidee davon. Das alles ist für Augustin selbstverständlich und er geht davon aus, alle die jetzt intellektuell verantwortet für sich über den christlichen
Glauben nachdenken und reden, werden sich in irgendeiner Weise darauf einlassen müssen. Ist jetzt klar, dass du mit dieser Rede nicht in den Kindergottesdienst gehst und die Kinder quälst oder so, das ist ja völlig klar. Das ist nicht deren Anspruch, auch nicht das Maß, was für die gilt, aber für erwachsene nachdenkliche Menschen geht Augustin davon aus, sollte man darüber nachgedacht haben. Dann ist es bei jedem Satz, bei jeder These schlicht wichtig und die Herausforderung, du musst die Sätze im Kontext verstehen. Du kannst nicht mit Sätzen rumfuchteln, du kannst nicht mit Sätzen irgendwelche Gebäude aufbauen, jeder Satz steht in seinem Kontext und den musst du kennen. Da musst du wissen, ist das positiv gemeint oder negativ. Wenn du dich auf das Buch Hiob beziehst, solltest du einigermaßen wissen, ob die Rede, aus der heraus du zitierst, am Ende von Gott ein Lob bekommt oder grundsätzlich
abgewatscht wird. Solltest du wissen. Das ist irgendwie schon nützlich und gut. Für jeden Satz brauchst du den Kontext unmittelbar darum herum und du brauchst auch den gesamten Kanon. Du musst alles innerhalb der ganzen Bibel verstehen und zu jeder Frage, zu der du eine Äußerung findest, gucken, was wird denn in der Bibel noch dazu gesagt. So und der letzte, sechste und wichtigste Punkt in meiner verkürzten Aufzählung ist, du musst natürlich immer schlicht nach der Mitte fragen. Was ist die Sache der Bibel? Und die Sache der Bibel ist der dreieinige Gott, der in Jesus Christus seine Liebe zeigt, um uns verlorende Menschen wieder zu Liebenden umzuwandeln. Das ist die Sache. Davon handelt alles. Was damit im Einklang steht, ist Sinn der Bibel. Was dem widerspricht, ist eine Fehlauslegung der Bibel. Augustin ist davon überzeugt, dass dieser Sache in der Bibel nichts widersprechen kann. Aber
Auslegungen von vielen biblischen Texten können im Widerspruch mit dieser Sache geraten. So, ich habe das jetzt kurz zusammengefasst, um für den zweiten Punkt noch Zeit zu haben, die moralischen Anweisungen der Bibel. Wie ist es damit? Denn das sind Sachen, die Augustin schon teilweise Kummer gemacht haben in seiner Jugend. Also er hat ja selbst beziehungstechnischen Leben geführt, wo er gesagt hat, für einen normalen Römer bin ich hier im guten Mittelfeld, meine Mutter weint, aber sie war nah am Wasser gebaut, ich weiß das. Aber mich irritiert in der Bibel, ich finde da Glaubensväter, die sind unter meinem normalen Römer-Niveau. Was ist los mit so einem wie Jakob? Das, das, das sind zu viele Frauen. Das geht gar nicht. David, zu viele Frauen. Warum singen wir seine Lieder? Da stimmt doch was nicht. Der hat einen ganzen Haarrem. Was ist das denn so? Und das hat ihm Kummer gemacht. Und paar Sachen fand er auch echt grausam, paar Gebote und so. Darum ist es ein Thema, was ihn beschäftigt.
Denn er ist davon überzeugt, die Bibel ist göttlich. Und manches Vorbild, manche Geschichte, manches Gebot macht einen untergöttlichen Eindruck. Wie gehen wir damit um? Vier Punkte möchte ich benennen. Erster Punkt. Du musst schon sehr schauen, an wen wendet sich ein Text? An wen? Manches ist für einen Menschen so bestimmt. Also Abraham und Isaac. Wenn ich seinen Sohn zu schlachten, das ist völlig singulär. Da kann man sich auch viel zu einfallen lassen, bleibt ein schwieriger Text. Aber grundsätzlich ist völlig klar, man sollte morgens nicht wach werden mit der Frage, müsste ich heute auch meinen Sohn schlachten, um dem Herrn wohlgefällig zu sein. Das ist überhaupt kein Thema. Das ist völlig singulär. Dieser Text ist eine Herausforderung für die Exegese. Und wenn man ihn hindeutet auf das, was Gott
in Christus getan hat, dass er seinen Sohn für uns gibt, dann ist man auf dem Königsweg. Aber das ist null Vorbild und Gebot, was man sich irgendwie nehmen müsste. Manches ist für manche Menschen formuliert. Für Israel in der Wüste oder für Israel im Exil oder für Israel in nachexilischer Zeit. Was weiß ich, trennt euch von euren Frauen und Kindern, lasst euch scheiden und so. Esranemia, diese Zeit, das ist singulär. Ein solches Scheidungsgebot. Also viele Gebote, Vorbilder, Regeln sind bezogen auf besondere Menschen, Gruppen oder Situationen. Ein zweiter Punkt, den Augustin betont, manches, da hat man das Gefühl, da waren die alle irgendwie so drauf oder so. Also viele Väter hatten mehr als eine Frau, die Tora setzt das voraus, dass das machen die guten Römer, machen das nicht, was ist
los? Und er sagt, hier muss man sich jetzt mal Folgendes klarmachen. Gott ist gerecht und seine Gerechtigkeit ist ewig und sein Wille und das, was gut bei Gott ist, das bleibt ewig eins. Und die Zeiten ändern sich. Das Ding ist nicht, dass Gott sich ändert. So ein Gedanken ist für Augustin völlig unnachvollziehbar, aber die Zeiten ändern sich. Und Augustin ist der Überzeugung, wir können das vielleicht nicht immer nachhalten, aber von der Erzväterzeit bis heute, die Zeit hat sich geändert. Die Kultur ist anders geworden. Und darum war es damals aus welchen Gründen auch immer gut, Augustin hatte da durchaus Überlegung, er sagt, Israel, das Ding war Kinder, Kinder, Kinder, man muss Kinder kriegen. So und dann ist, kannst du sagen, die Einehe ist fantastisch und so, aber Kinder, Kinder, Kinder, da kommst
du auf andere Ideen und auf andere Dinge und dann ist das gut in dieser Situation und in dieser Kultur und diesen Voraussetzungen und später ist es eben anders. Maßstäbe sind kulturell wandelbar, flexibel. Wir ahnen, das ist ein Riesenthema, das ist ein sehr interessantes Thema, darum ist es spannend, dass Augustin darauf eingeht, er tut sich auch nicht ganz leicht damit, er sagt schon, ja, aber das und das ist immer falsch und das und das ist auch immer verboten und so und anderes, ja, wo es in der Bibel mal so und mal so ist, also kultureller Wandel ist real, er existiert und das müssen wir zur Kenntnis nehmen und dann kann man auch nicht sagen, die Erzväter waren primitiv oder so, sondern sie waren in ihrer Zeit Gottgehorsam und Gott hat seinen Willen für diesen kulturellen Zusammenhang so formuliert und wenn es gute Gründe gibt, dass das heute nicht mehr so funktioniert, dann ist es heute anders. Ja, was mag es da für gute Gründe geben? Da sagt Augustin, der dritte Punkt, was ist denn die goldene Regel? Was ist der Schlüssel?
Was ist das, was immer gilt? Die große Wahrheit ist die Liebe Gottes, das ist der Inbegriff aller Dogmatik und es ist das Zentrum aller Ethik. Kein Gebot Gottes ist gegen die Liebe. Jedes Gebot Gottes ist eine Konkretion von Liebe und manches mag uns hart erscheinen, das heißt jetzt hier nicht heile, heile Seele und nur kuscheln und so, manchmal schimpfen, strafen, ausgrenzen und so notwendiger Schritt auf dem Weg der Liebe. Grundsätzlich aber muss klar sein, ein Gebot muss sich verstehen können im Einklang mit dem, was die Liebe erfordert. Die Liebe, die demnächst nicht schadet, die Liebe, die dient, die Liebe, die nicht selbstsichtig ist, die Liebe, die aufbaut und stärkt und gedeihen lässt und niemals unterdrückt oder tötet oder verachtet, das ist der Maßstab, der gilt. Und Augustin
sagt, das ist im Grunde so. Bei den meisten, nimm die zehn Gebote, nimm sie alle, jedes Gebot kannst du übersetzen in eine Regel der Liebe. Warum klauen wir nicht? Ja du beklaust keinen, den du liebst. Beim Töten müssen wir also gar nicht anfangen. Selbst üble Nachrede, das machst du nicht, weil es die Liebe verletzt. Jeder Verstoß gegen die zehn Gebote, Verstöß gegen die Liebe, so ist es überall. Und Augustin sagt, man muss dann aber auch damit rechnen, dass manche Gebote, da kriegt man es nicht hin. So und dann muss man aber damit rechnen, dass diese Gebote in einem übertragenen Sinne gemeint sind, dass sie eine geistliche Bedeutung haben. Ist sehr interessant. Man hätte ja sagen können, dann sind die Gebote eben falsch, dann ignorierst du sie. Das ist für Augustin aber völlig unmöglich, weil er sagt, die Bibel ist ohne Fehler und ohne Widersprüche. Dann geht er
lieber davon aus, dass es Gebote gibt, die so wie sie dastehen, keinen Sinn machen. Und dann muss man sie eben in übertragener, geistlicher Weise verstehen. Nehmen wir einen Beispiel aus dem Neuen Testament. Paulus sagt das, in der Thurau steht, du sollst dem Ochsen, der da drischt, das Maul nicht verbinden. Das kann man sagen, ich weiß nicht, wann ich zuletzt auf die Idee gekommen bin, einem drischenden Ochsen das Maul zu verbinden. Also, was meint er? Vielleicht hat Paulus sich das auch gefragt und Paulus selbst stellt die Frage, sorgt sich Gott um Ochsen? Das ist eine rhetorische Frage. Offensichtlich erwartet Paulus die Antwort, nee. Und Paulus sagt, er sorgt sich um unsre Willen, um unsre Willen ist das geschrieben. Und Paulus gibt diesem Gebot dann die Deutung, Gott will, dass diejenigen, die das Evangelium verkündigen mit ihrem ganzen Leben, von der Gemeinde dafür
auch bezahlt werden. Das ist eine steile Auslegung, aber Paulus sieht das durch im ersten Gründerbrief und ist ein schönes Beispiel für Augustin, der sagen würde, ja, so was kann vorkommen. Und Gott macht es, um uns auch manchmal zu demütigen, zu überraschen, um uns wachzuhalten, so dass wir nicht einfach da alles runterlesen. Es gibt Gebote in der Bibel, die machen wortwörtlich, werden die komisch oder schlecht oder schlimm oder schädlich. Dann musst du dich fragen, worauf läuft es hinaus? Was könnte der Sinn dabei sein? So, und das ist dieser vierte Punkt jetzt in meiner Zählung. Also die Liebe ist der Schlüssel. Das war der dritte Punkt für alles. So, und wenn du das Gefühl hast mit Geboten, da passt es nicht, ist der vierte Punkt, dann musst du nach einer übertragenen Bedeutung dieser Gebote fragen. Und man kann hier schon an, was weiß ich, Landnahme denken. Also da gab es in der ganzen alten Kirche
immer die Frage, sollte Gott gesagt haben, du sollst die Völker alle ausrotten, Frauen und Kinder auch, auch die Kinder, aber die schreien doch nein, töte sie alle, wo viele auch gesagt haben, also ja, Strafen für Verbrecher, das ist ein Grausam, das ist nicht gerecht. So, und immer wieder kam man auf die Idee, wortwörtlich verstanden, kriegen wir es nicht in Übereinstimmung mit einem Gott der Gerechtigkeit und der Güte? Was ist denn die Bedeutung? Es geht um den geistlichen Kampf, den geistlichen Kampf, dass der Mensch in sich das Böse nicht duldet und dass er auch nicht Lieblingssünden schont und ihm im Kleinmaße so ein bisschen korrupt kann ja nicht schaden oder so. Nein, bisschen Verlogenheit kann ja nicht schaden, doch. Also du musst übel an die Wurzel gehen. So nimmst du das ganze Land ein. Das ist in der alten Kirche im Mittelalter immer wieder der Sinn, weil man gesagt hat, ja, das kann
so wörtlich nicht, so meint er das hier. Und Augustin zeigt, in der Bibel gibt es eine Reihe von Geboten, da sehen wir sofort, dass sie nicht wörtlich gemeint sind, sondern übertragen, hofft man. Also wenn Jesus sagt, wenn dein linkes Auge dich verführt oder deine rechte Hand, dann reiß es raus oder hack es ab, es ist besser, dass du einäuglich ins Reich Gottes eingehst. Also da kommt ja Gott sei Dank nie oder überhaupt kaum einer oder so auf die Idee, wirklich sich in sein Auge zu packen, sondern alle verstehen Jesus redet hier übertragen. Du musst den Versuchungsherd im Grunde schon meiden. So das musst du von Anfang an machen. Wenn du weißt, du hast ein Problem, wenn du in Juwelierläden bist, du musst was mitgehen lassen, geh nicht in Juwelierläden. Dann hast du dein Auge rausgerissen, dann ist alles gut, dann hast du schon hingekriegt. Oder wenn Paulus sagt, du sollst über dem Haupt deines Feindes glühende Kohlen sammeln, dann sollst du dich nicht verhalten wie Gregor
Clegane, der seinen Bruder in die glühende Asche drückt und drückt und drückt. Nein, du sollst nicht das Böse mit Bösem bekämpfen, sondern du sollst ihn gut behandeln, das ist ein Bild dafür, mag er doch schlechtes Gewissen kriegen. So, also es gibt solche Beispiele und da ist sofort klar, das ist übertragende Redeweise, das ist nicht wörtlich und davon geht Augustin aus, so muss man es mit der Bibel machen. Wenn ein Gebot nicht mit der Liebe in Übereinstimmung zu bringen ist, kann es nicht wörtlich gemeint sein, da müssen wir fragen, was es eben geistlich heißt. Ich bin beinahe am Ende und möchte Bilanz ziehen. Augustin, was kann er heute für uns bedeuten? Wenn wir die Alten historisch würdigen, tun wir das immer als Zwerge auf ihren Schultern und so sollte das jede Wissenschaft
auch tun und wir würden ja schon auch von jedem Musikwissenschaftler erwarten, dass er nicht über Beethoven mosert, weil er noch keine Zwölftonmusik konsequent durchgezogen hat, das wäre alles Quatschen und so. Und bei einem Mann wie Augustin zu sagen, Augustin, der war antidemokratisch, der war kein Feminist, er hat die Evolutionslehre niemals akzeptiert, also ist Kinderkram. Das ist unreflektierter Anachronismus. Augustin steht mit den Vandalen vor der Tür, das ist einfach Spätantike und insofern kann man die Leute nicht im Ernst kritisieren an dem, was angewachsen ist als Wissen. Wenn wir glauben bestimmte Dinge besser zu wissen als die Alten, wofür es gute Gründe gibt, sollten wir immer das Bewusstsein behalten,
dass wir ihnen überlegen sind, insofern wir auf ihren Schultern stehen und weiter schauen. In der Regel sind wir fast alle nach wie vor Zwerge verglichen mit solchen Leuten wie Augustinus. Und manchmal ist es aber auch so, dass wir das, was zu würdigen ist, auch im Bewusstsein halten müssen und zugleich auch sagen müssen, wo die Probleme sind. Ich möchte es kurz halten, was ist bei Augustin bis heute eindrücklich? Er entwickelt eine Bibel-Theologie, großartigen Zuschnitts, sein Denken ist durch und durch biblisch und wird nie biblizistisch, weil er in seinem Bibeldenken niemals den Respekt vor den Wissenschaften seiner Zeit verliert. Im Gegenteil, er bleibt im engen Gespräch mit der Philosophie, mit der Rhetorik, mit den Geschichtswissenschaften, den Naturwissenschaften, das ist für ihn alles wesentlich. Glaube und Denken gehören zusammen.
Als Bibel-Theologe bleibt er jemand, der der Wahrheit verpflichtet ist. Bis heute eindrücklich seine christocentrische Auffassung von der Offenbarung Gottes, des dreieinigen Gottes, das ist die Sache. Nicht die Bibel ist Gegenstand des Glaubens, sondern die Bibel zeugt vom dreieinigen Gott, um ihn geht es. Dann drittens, der Geist ist unverzichtbar, um die Sache zu verstehen. Die Bibel ist Zeichen, die Bibel ist Buchstabe. Augustin bringt es auf diese Formulierung Buchstabe und Geist, er kann sie manchmal verwenden im Sinne von Gesetz und Evangelium, von Forderung und Verheißung. Er kann aber auch grundsätzlich reden vom Zeichen, was auf Gott verweist und dem Geist, der uns die Wahrheit erschließt. Und dieser ganzheitliche, spirituelle Zugang zu Bibel ist für Augustin völlig unverzichtbar. Bei ihm ist Denken, Beten, Gottesdienst feiern, Bekennen, Nachfolge,
gelebte Liebe ein Zusammenhang. Da kann man nicht nur Gehirnchrist sein, man sollte auch möglichst nicht nur Tatchrist sein, Denken halt so viel es geht, wäre schon auch schön. Dieser spirituelle Zusammenhang, diese geistliche Dimension ist für ihn wesentlich. Und viertens, die Liebe zum Zentrum der Theologie gemacht zu haben, naja, das ist schon Augustin. Irgendwas fiel jedem zu Liebe ein, auch der Väter davor, aber niemand hat so starke Gott ist die Liebe zum Mitte des Christentums gemacht und daran ist Augustin bis heute ungeheuer anregend. Ich hatte angekündigt, als Zwerge auf den Schultern der Großen haben wir manchmal auch das Bedürfnis zu sagen, wir haben jetzt um die nächste Ecke geblickt, folgende Problemmeldung möchten wir jetzt auch loswerden. Augustin hat
einen eingeschränkten Sinn für die Geschichtlichkeit der Bibel. Ich habe das, was bei ihm zu holen, ist jetzt stark gemacht. Also alles, was ich da habe ich rausgekratzt und so, jetzt muss man aber auch schlicht sagen, in seiner eigenen Exegese macht er das nicht so viel und gründlich, er ist schon sehr zufrieden, wenn er bei biblischen Texten raushaut, was ihm einleuchtet und das Bewusstsein, die Zeit ändert sich, Kulturen ändern sich, Werte, Maßstäbe sind in einem gewissen Fluss, das ist oft nicht zentral für ihn. Auch die alten Sprachen nicht. Von Augustin konnte eine Bewegung ausgehen, die im Grunde desinteressierter wird an historischer Exegese. Ich messe ihn dabei nicht am 18. Jahrhundert, das wäre ungerecht und anachronistisch, ich messe ihn an dem, was bei Origines, bei den Antiochenern, bei Hieronymus und anderen deutlich ist, Augustin ist in gewisser Hinsicht ein kleiner
Rückschritt in der geschichtlichen Wahrnehmung des Christentums, er ist sehr auf das Ewige und Absolute ausgerichtet. Ein zweites Problem, Augustin hat wenig Sinn für Ambivalenz, für Ambiguität, für Vielfalt. Wahrheit in Vielfalt, das ist nicht so seins, er will schon das eine, er will schon Klarheit, er will Formeln und er streitet sehr viel gegen manche, wo wir heute sagen würden, die haben es auch verdient und er war nicht immer fair, er war nicht immer fair, er konnte nicht andere Zungenschläge, andere Traditionen, andere Zugänge zum Glauben wertschätzen und würdigen. Es kriegt etwas rigoroses bei ihm und von Augustin geht eine lange Entwicklung aus, das ganze Mittelalter, die in diesem druckvoller Weise auf Einheit dringt, die problematisch wird. Damit zusammenhängt drittens das Moment des
Autoritären, ich habe es mittendrin mal dargestellt, die Autorität der Bibel, die Autorität der Bischöfe, die Autorität des Amtes, da ist was dran. Ich habe es ja so dargestellt, dass es einem vielleicht einleucht, dass da irgendwas dran ist und bei Augustin hat das sehr problematische Konsequenzen. Er ist je länger, je mehr dahin gekommen, Druck und Zwang gegenüber Gegnern für legitim zu halten. Donatisten waren eine Strömung der damaligen Zeit, die sagten, wir können keine Priester, Bischöfe akzeptieren, die wir als unwürdig empfinden, die nicht richtig gläubig sind, die nicht ordentlich leben, dann gründen wir lieber unsere eigene Vereinigung und dann sind wir raus, wenn die nicht alle nach unseren Maßstäben handeln. Es war eine große Bewegung und für Augustin war das nicht eine theologische Frage, wo er gesagt hat, jetzt lass uns mal reden und ich schreibe Bücher und ihr schreibt
Bücher, sondern er war bereit, ja auch die Polizei und die Armee zu schicken, die auszugrenzen, die zu unterdrücken, sie auch zu zwingen, sie mit Zwang zu bekehren. Er berief sich dabei auf das Gleichnis, wo Jesus erzählt, großes Festmahl schickt zu den Zäunen und Hecken und nötigt sie hereinzukommen. Kokete intrare und Augustin verwendet dies Wort, nötigt sie hereinzukommen, wir laden ein, wir freuen uns über jeden, der kommt, die anderen nötigen wir und es ist besser zum Glauben gezwungen zu werden, als ungläubig ewig verloren zu gehen. Er hätte diesen Gedanken nicht haben sollen, finde ich jetzt so in aller Stichtheit, weil das ein Gedanke ist, der eine tausendjährige Geschichte von Inquisition, Ketzerverfolgung, Hexenverbrennung, nicht sofort angestoßen hat, aber diese Logik ist
gewuchert, diese Logik im Zweifelsfall ist die Freiheit keinen Respekt wert, wenn sie sich vom Glauben emanzipiert, darum Druck, darum sofort Kindertaufe nach Augustin, ist das die Regel, Erbssünde, wir sind tief im Bösen verstrickt, sofort Kindertaufe und hier müssen alle gläubig sein oder du kannst hier nicht Bürger sein. Diese Drucks- und Zwangsgeschichte ist etwas, was Augustin anstößt. Ich habe mir Mühe gegeben, ihn positiv darzustellen, am Ende glaube ich, sind wir es uns und unserem Gewissen schuldig, diese gravierenden Probleme zu benennen. Er ist nicht schuld an allem, was spätere Generationen daraus machen, aber er ist nun mal so weichen stellend geworden, dass man es nicht verschweigen kann, dass seine Weichenstellung eine solche Christenheit ermöglicht haben. Das Ganze ist und bleibt eine Zwergenrede. Ich rede so lange über
Augustin, weil ich wirklich möchte, dass man ihn liest, dass er es wert ist, gelesen zu werden, aber wer ihn unkritisch verherrlicht, provoziert am Ende, dass Menschen mit guten Gründen sich radikal von ihm abwenden. Augustinus war ein Theologe, dem die Wahrheit und Liebe über alles ging. So sehr, dass er seine eigene Erkenntnis dessen, was Wahrheit und Liebe ausmacht, teilweise umsetzen konnte oder glaubte zu müssen auf Kosten der Liebe und auf Kosten der Wahrheit. Das hat erhebliche Folgekosten für die Christentumsgeschichte mit sich gebracht. Auch sein Bibelverständnis ist von einer solchen inneren Neigung zum Autoritären, zum Zwangvollen nicht frei. Darum ist er einer, dem man in kritischer Treue befragen kann, was sich von ihm lernen lässt. Und das ist unendlich viel in dieser Suche nach Wahrheit und Liebe. Und um der Wahrheit und Liebe willen muss
man ihn hier und da auch tapfer widersprechen.
Augustinus und sein Weg zur Bibel | 9.12.1
Rund 400 Jahre sind seit Jesu Auferstehung vergangen, die ersten Christen haben sich über drei Kontinente ausgebreitet, selbst Kaiser glauben inzwischen an den Mann am Kreuz. Das 5. Jahrhundert ist geprägt von ungeheuren Umbrüchen, großen Völkerwanderungen und dem Untergang des Römischen Reichs. Inmitten dieser Tumulte lebte Augustinus von Hippo im heutigen Algerien, Sohn einer Christin und eines Heiden, erst Lebemann, dann Mönch, eine der bedeutendsten Figuren in der 2000-jährigen Geschichte des Christentums. Dabei hat das Christentum anfangs wenig Eindruck auf ihn gemacht. Er war fasziniert von der Philosophie, fand Cicero schlauer als Petrus. Zumal das Christentum eine entscheidende Frage nicht beantworten konnte: Warum hat Gott die Welt nicht im Griff? Hätte er die Kontrolle, gäbe es doch nicht so viel Böses. Oder? Es ist die Frage, die so alt ist wie der Glaube an einen liebenden Gott. Thorsten Dietz nimmt Augustinus Leben und Lehre auseinander, erklärt, wie aus dem jungen Vater mit unehelichem Sohn ein Gläubiger ohne Zweifel werden konnte und wie er den Glauben an Gott mit dem Wissen um das Böse in Einklang bringt. Dietz bleibt aber nicht unkritisch und verschweigt nicht, welche – nicht immer positiven – Auswirkungen Augustinus‘ Lehre für das Christentum hatte.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«.