Die Neuerungen im israelitischen Sklavenrecht. Diese Neuerungen haben eine so grundlegende Bedeutung und die Sklaven haben ihrerseits eine so grundlegende Bedeutung in den antiken Gesellschaften, dass ich erstmal einige Vorübungen mit euch machen will, damit ihr gefühlsmäßig empathisch diese Dinge miterleben könnt. Es geht mir deswegen zu Beginn um das Lebensgefühl der Menschen im dritten, zweiten und ersten Jahrtausend vor Christus im vorderen Orient. Diese Menschen hatten ein anderes Lebensgefühl als ihr und das will ich mal ein
bisschen zu spüren geben. Der Hauptunterschied zwischen dem Lebensgefühl der altorientalischen Menschen im dritten, zweiten, ersten Jahrtausend und euch besteht im Blick jetzt auf das, was für uns wichtig ist, in folgendem Umstand. Die Menschen damals hatten einen anderen Augenkontakt zum Himmel, denn sie waren überwiegend im Freien. Selbst nachts war es oft so warm, dass man auf den Dächern der Häuser schlief und tagsüber war man eigentlich mit wenigen Ausnahmen, sind ja akrarische Länder, Hirten und Bauern, man war ständig im Freien und man schaute immer wieder 20, 40, 100 mal pro Tag zum Himmel hoch und zwar zum ganzen Himmel, nicht zu Ausschnitten. Wenn man in Manhattan
läuft oder in Ludwigsburg zur S-Bahn geht, dann habe ich in der Leonberger Straße immer so ein Ausschnitt vom Himmel, Schierhäuser und Dahäuser, aber die hatten immer den ganzen Himmel. Und in diesem Umstand, dass die orientalischen Menschen der damaligen Zeit einen anderen Blickkontakt zum Himmel hatten als wir heute, in diesem Umstand stecken ganz tiefe Konsequenzen, die uns allen unbewusst sind. Wenn man jeden Tag zum Himmel hochguckt und in der Nacht auch, die kannten auch die Sterne, die Sternbilder, kannte jedes Kind im Orient, dann erwächst im Laufe der Monate und Jahre ein bestimmtes Lebensgefühl. Das kann nur erwachsen, wenn man jeden Tag, Monate, Jahre vielfachen Augenkontakt zum Himmel als Ganzen hat. Nur dann ist dieses Lebensgefühl möglich.
Van der Loof, ein Religionsphänomenologe aus den Niederlanden, hat ein berühmtes Standardwerk geschrieben, Religionsphänomenologie, und er nennt dieses Lebensgefühl ontokratisch. Es gibt in der Antike ein ontokratisches Lebensgefühl, das haben wir heute nicht mehr. Nämlich, wenn man jeden Tag nach oben guckt, dann wird einem immer klarer und gewisser, der Himmel ändert sich nie. Es gibt immer Vormittag, Mittag, Nachmittag und Abend. Und in der Tat, das gibt es ja auch heute noch. Und es gibt immer Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Und die Sonne geht immer im Osten auf und im Westen unter. Und zwar jeden Tag. Die vergisst nie, dass sie mal vier Tage nicht aufgeht. Also kann sie sich darauf verlassen. Und dass der Mond in der Nacht kommt, da kann sie sich auch drauf verlassen. Die
Wolken ziehen zwar hin und her, aber ändert nichts an den Planeten. Man kannte auch die die sichtbaren Sterne und auch die Planeten. Man konnte sogar die Bahnen der Planeten, konnte man in Babylon schon berechnen. Also der Himmel ändert sich eigentlich nie. Die Grundrhythmen der Natur, morgens, mittags, abends und dann wird es dunkel. Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Das ist eine ewige Ordnung. Und auch eine wunderschöne Ordnung. Der Kosmos ist auch schön. Und das ist das ontokratische Lebensgefühl. Der Kosmos ändert sich nie. Er ist wunderschön. Er ist Ausdruck des Willens der Götter. Die Götter haben das so gemacht. Es ist eine ewige, schöne, sakrale Weltordnung. Und das wird immer so sein. Das ist das ontokratische Lebensgefühl. Jetzt, zu diesem
ontokratischen Lebensgefühl gehört nicht nur der Kosmos und die Natur und ihre ewigen schönen Rhythmen, sondern gehört auch der Staat. Kosmos, Natur und Staat ist eine Einheit. Der Staat gehört auch zur ewigen, göttlichen, sakralen Weltordnung. Und auch der Aufbau des Staates, das wird immer so sein. Also oben ist der Pharao, gehen wir mal nach Ägypten. Dann kommen so die Eliteschichten, kleine Mittelschicht, Goldschmiede und Schreiber und so. Und dann eine riesige Unterschicht. Und dann die Sklaven. Ja, völlig klar. Die Sklaven sind ein Bestandteil der ewigen, göttlichen, schönen, sakralen Weltordnung. Und das wird immer so sein. Also ein Staat ohne Sklaven, ich sage, das kann sich kein Mensch vorstellen. Selbst Spartakus, der einzige wirklich große und am Anfang
erfolgreiches Sklavenaufstand, selbst Spartakus konnte sich eine Welt ohne Sklaven nicht vorstellen. Der wollte nur die anderen versklaven. Er wollte die Sklaven umherum zu den Herren machen und die Herren versklaven. Aber eine Welt ohne Sklaven war auch für Spartakus vollkommen ausgeschlossen. Und auch Plato, einer der genialsten Philosophen der Menschheit, hat einmal eine Utopie geschrieben, wie er sich den idealen Staat vorstellt. Nach Platons Meinung war Athen schon mal gar nicht schlecht, eine gewisse schon Demokratie in Ansätzen. Aber er hat schon gesagt, also Athen ist noch nicht der ideale Staat. Also schrieb er eine Schrift, wie er sich den idealen Staat vorstellt. Ja, der hat selbstverständlich Sklaven. Also auch Platon konnte sich eine Gesellschaft ohne Sklaven absolut
nicht vorstellen. Also, dass es Sklaven gab, ist selbstverständlich. Ist ein unverzichtbarer Bestandteil der ewigen sakralen Weltordnung. Und dann hört ein Mann auf dem Sinai eine Stimme aus einem Dornbusch, ausgerechnet aus einem Dornbusch. Hältst du dir im Kopf nicht aus, dass sich Gott ausgerechnet über einen Dornbusch meldet? Ja, und diese Stimme sagt, ich habe das Elend der hebräischen Zwangsarbeiter, kann man auch sagen Sklaven, weil zwischen Zwangsarbeitern und Sklaven ist ungefähr das Gleiche. Und das heißt ja auch später, ich habe dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus. Man kann Ägypten in einem Satz charakterisieren, so zumindest die Stimme aus dem Busch. Sie nennt
nämlich diese Kulturmacht einfach das Sklavenhaus. Und da habe ich euch rausgeholt, denn ich will keine Sklaven. Also in diesem ontokratischen Lebensgefühl, dass alle Kulturen, alle Völker, alle Kinder, alle Erwachsenen, alle Männer, Frauen, alle Philosophen, haben alle ein ontokratisches Lebensgefühl. Und jetzt hört da ein Mann eine Stimme aus dem Busch, die sagt, das Leben dieser Sklaven ist ein Elend, ist nicht ein ewiger Bestandteil der sakralen schönen Weltordnung, nein, das ist ein Elend. Und ihre Existenz ist ein Leiden. Und ich kenne ihre Schmerzen. Ja, was heißt denn Elend? Was heißt denn Leiden? Was heißt denn Schmerzen? Das ist doch die ewige, gute, göttliche, sakrale, schöne Weltordnung. Die wird es doch immer geben. Also die Stimme
aus dem Busch duckt sich nicht vor der ewigen, sakralen Weltordnung, sondern sie tritt gegen sie an. Und das gab es noch nie. Und diese hebräischen Zwangsarbeiter verdanken ihre Befreiung nicht sich selber. Darüber waren sie sich immer im Klaren. Wir sind das Ergebnis des Widerstandes unseres Gottes gegen die Herren dieser Welt. Wir sind das Ergebnis. Und dieses hebräische Volk, diese Exodusgruppe, die in den Bergregionen des samarischen und judeischen Berglandes gesiedelt haben, die leiten in der Sklavengesetzgebung und in der Sklavenhalterideologie leiten Reformen ein, die es in keinem Nachbarvolk, weder bei den Griechen, Römern, Chinesen, Indern,
Azteken, Inkas, Mayas, überall Sklaven leiten Reformen ein, die es nirgendwo bei einem Volk auch nur annähernd, auch nur von Ferne eine Parallele gibt. In 150 Jahren Forschung hat man keine Parallele gefunden. Auch die Sklavenhaltung im Mittelalter und die Sklaven der christlichen Plantagenbesitzer in den Südstaaten, die durch Menschenraub Afrikaner, die Hälfte ist in der Überfahrt gestorben, christliche Sklavenhaltung, unglaublich. Also diese Reformen, die in der Gesetzgebung des israelitischen Rechts eingeleitet wurden, haben auch keinerlei Parallele im Mittelalter
und bis ins 18. Jahrhundert im christlichen Europa und in den USA. Jetzt wollen wir uns mal diese unglaublichen Neuerungen, bei denen die Kirche und die Christenheit jahrhundertelang kein Millimeter erkannt hat, immer nur gesagt hat, ah die Juden mit ihren blöden Gesetzen. Und selbst Martin Luther, den ich durchaus sehr schätze, der aber auch seine großen blinden Flecken hatte, der hat gesagt, das ist der Juden-Sachsenspiegel. Der Sachsenspiegel ist halt so die Gesetzgebung der Sachsen und jedes Volk hat halt auch seine Gesetze und die Thora, das ist halt der Juden-Sachsenspiegel, der interessiert mich gar nicht. Die zehn Gebote, okay, die sind wichtig, aber der Rest hält Martin Luther für sehr unwichtig. Da war der liebe Martin Luther aber wirklich sehr blind, weil er konnte noch nicht historisch denken. Das muss man ihm
auch ein Stück weit zugute halten. Aber dieses 3D-Bild, von der Thossen Dietz spricht, das stand Luther auch noch nicht zur Verfügung. Er wusste noch nicht von der historischen Bedingtheit aller Kulturen und Gesellschaften. Also wir werden jetzt mal mit der 3D-Brille das israelitische Recht anschauen und die Neuerungen im israelitischen Sklavenrecht. Ich differenziere jetzt wieder zwischen Bundesbuch, die erste Rechtsammlung Exodus, 2. Mose, 20 bis 23, ausgehendes 8. Jahrhundert, dann das Deuteronomium, das 5. Buch Mose in seinem großen Mittelteil, ausgehendes 7. Jahrhundert und dann das Heiligkeitsgesetz Leviticus 17 bis 26 im Exil, also Mitte des 6. Jahrhunderts, ausgehendes
8., ausgehendes 7., Mitte des 6. Jahrhunderts. Und dann werden Sie merken, diese Weiterentwicklungen. Wenn man sagt, alles stammt von Mose, kann man gar nichts erkennen. Man kann nichts von dem, was ich jetzt betone, was so kostbar und wertvoll ist, man kann nichts davon erkennen. Wenn man sagt, ist alles gleichzeitig geschrieben, schon in der Wüste, da kann man diese Entwicklungen gar nicht, man entdeckt sie gar nicht. Gut, man muss zunächst mal unterscheiden zwischen israelitischen Sklaven und Sklavinnen, wenn ich jetzt aus Versehen immer wieder mal Sklaven sage, ich meine immer Sklavinnen und Sklaven, immer beide Geschlechter. Also man muss unterscheiden zwischen israelitischen oder hebräischen Sklaven und Sklaven und nicht israelitischen, meistens kanaanäischen Sklaven
und Sklaven. Also Teil A, die Gesetzgebung der Thora für die israelitischen Sklaven und Sklaven. Erstens einmal, ganz klar in der gesamten Thora ist, dass es für Gott diesen Unterschied gar nicht gibt zwischen Freien und Sklaven. Für Gott sind alle Menschen gleich wertvoll, er unterscheidet nicht zwischen Freien und Sklaven. Die israelitischen Sklaven und Sklaven gehören genauso zum erwählten Volk, zum Bundesvolk wie die freien Israeliten auch. Die Zusagen, die Promissiones, die Segensverheißungen gelten für die Sklaven genauso wie für alle anderen und sie können natürlich an allen
Festen gleichwertig mit den Freien teilnehmen. Also dieser soziologische Unterschied, wie immer dann er entsteht oder zu bewerten ist, in Gottes Augen spielt er keine Rolle. Das ist in der Thora völlig klar. Das war in allen anderen Nachbarvölkern anders, denn die Staatsreligion eines Staates, eines Reiches hört immer an den Grenzen des Staates auf und im anderen Staat sind andere Götter, die haben ihre Staatsreligion. Und die Staatsreligion der altorientalischen Kulturmächte Sumerer, Babylonier, Assyrer, Kananer, Hethiter, Ägypter, Perser, Griechen und Römer. Das sind die großen Kulturmächte des Mittelmeerraumes und des Vorderen Orients. Das sind immer Staatsreligionen, die Tempel sind Staatstempel, der König ist der Chef über die Staatstempel, er bezahlt die Priester,
er lässt die Tempel renovieren. Also alle die Staatsreligion untersteht dem König und die Staatsreligion gilt nur den staatstragenden Schichten. Also nicht für Sklaven natürlich, die Sklaven haben da nichts verloren. Das einzige, was sie tun müssen, ist alles bauen. Alle Tempel der Antike sind von Sklaven erbaut worden. Was meint ihr, wie viele tausend Millionen Peitschenhiebe, Knochenbrüche, wie viele Tote zum Bau der Tempel und der Paläste ja da hat man die Sklaven gebraucht. Aber dann war Schluss an den Riten und Gebräuchen und Gottesdiensten der Staatsreligionen. Da durften Sklaven nicht teilnehmen. Über die Religion der damaligen Sklaven wissen wir ganz wenig, weil da gibt es gar keine schriftlichen Quellen. Das interessiert ja die Elite auch nicht. Die religiösen Quellen über die offiziellen Religionen, das sind immer nur die Staatsreligionen der
staatstragenden Schichten. Also in der Thora für Gott hat dieser Unterschied keine Bedeutung. Zweitens in der Sklavengesetzgebung der Thora überwindet die Thora Schritt für Schritt das Sachrecht und unterlegt den Sklavengesetzen ein Personenrecht. Aber in allen anderen Staaten, China, Indien, Azteken, Maias und diese mächtige Sumerer Asyl-Gravillone will ich immer alle aufzählen. Also in allen diesen großen Kulturvölkern sind die Sklaven nicht Personen, juristisch gesehen. Man hat schon gewusst, das sind auch Menschen. Aber juristisch gesehen sind es keine Personen, sondern Sachen. Sie unterliegen dem Eigentumsrecht und das werden Sie merken, was das für Folgen hat. Aber in der Thora als einziger Schrift der Antike wird das Sachrecht
für Sklaven überwunden. Aber auch nicht sofort, weil das ist tief eingefleischt. Im Bundesbuch der ältesten Rechtssammlung ausgehend des 8. Jahrhunderts gibt es noch drei Bestimmungen, wo die Sklaven noch als Sache gelten und noch nicht als Person. Aber ab dem Deuteronomium wird das Sachrecht überwunden. Solche Bestimmungen, die es im Bundesbuch noch gibt, wo das Bundesbuch auch sehr erstaunlich ist in anderen, aber sie kann das Sachrecht noch nicht überwinden. Aber das Deuteronomium hat es völlig überwunden und das Heiligkeitsgesetz noch stärker. Wenn man jetzt sagt, Mose hat alles geschrieben und Gott hat alles Mose eingegeben, aha, also dann hat Gott in 2. Mose 21 Vers 4, Vers 20 bis 21 und Vers 32, ach da hat Gott die Sklaven noch als Sache angesehen,
als Eigentum. Und dann im 5. Buch Mose, da nicht mehr. Wie zu welcher Blindheit führt diese leichtsinnige, oberflächliche Sicht der Bibel, die keine sachliche Kompetenz hat. Du kannst einfach, das fällt dir dann auch gar nicht auf. Oder hat sich da Mose selber entwickelt oder hat sich da Gott entwickelt. Also wir hören mal die drei Stellen im Bundesbuch, da werden Sklaven noch als Sache behandelt. Zweites Buch Mose 21, 4. Hat ihm dagegen sein Herr eine Frau gegeben und sie hat ihm Söhne oder Töchter geboren. So soll die Frau samt ihren Kindern ihrem Herrn gehören. Er soll allein entlassen werden. Zweites Buch Mose 21 Vers 20 und 21. Wenn jemand seinen Sklaven oder
seine Sklavin mit dem Stocke schlägt, sodass sie ihm unter der Hand sterben, so soll er bestraft werden. Bleiben sie aber am Leben noch ein oder zwei Tage, so soll er nicht bestraft werden, denn es ist sein Geld. Zweites Mose 21 Vers 32. Stößt das Rind einen Sklaven oder eine Sklavin, so soll der Besitzer ihrem Herrn 30 Lot Silber zahlen, das Rind aber soll man steinigen. Dankeschön. Also diese drei Stellen aus dem ausgehenden achten Jahrhundert sind eindeutig Sachrecht. Wenn also ein israelitischer Sklave mit einer israelitischen Sklavin verheiratet wird,
dann werden sie auch beide entlassen. Das ist in den Versen vorher. Ein Ehepaar soll man nicht trennen. Gebiert aber die Frau praktisch dem Sklavenherrn Kinder, dann ist das Eigentum des Besitzers. Hier ist der Sklavenherr auch noch Besitzer. Das Wort Besitzer wird nämlich ab dem Deuteronomium vermieden. Es gibt den Herrn über den Sklaven, aber das ist nicht der Besitzer der Sklaven. Die Sklaven sind ab dem Deuteronomium nicht mehr Eigentum ihrer Herren, sie sind Eigentum Gottes. Aber hier, die Kinder werden ja in der Sklavenzeit geboren, die gehören dem Besitzer. Dann, es gibt im Bundesbuch noch das Züchtigungsrecht der Sklavenbesitzer. Wirklich stockhebe, das geht ordentlich zur Sache, da stirbt schon mal ein Drittel oder ein Viertel, die sterben unter der Hand. Gut, wenn sie unter der Hand sterben, das schädigt ja eher nur sich
selber, das ist ja sein Eigentum. Und wenn die noch ein, zwei Tage leben, dann geht der Besitzer straflos aus, er schädigt ja nur sich selber. Also, hier sind die Sklaven ganz klar Sache. Aber das gibt es dann ab dem Deuteronomium nicht mehr. Also, ab dem Deuteronomium sind Sklaven, auch juristisch unterliegen sie dem Personenrecht, zum ersten Mal in der Antike. Das ist natürlich kulturell eine unglaubliche Innovation, jüdischer Sachsenspiegel. Also, das Personenrecht, die Sklaven heißen jetzt Volksgenossen oder eure Brüder. Es wird an die Solidarität mit den
israelitischen Sklavinnen und Sklaven appelliert, denke daran, dass du selbst Sklave warst in Ägypten. Gut, also es wird das Sachrecht überwunden. Dann drittens, alle Sklavengesetze der Thora, alle. Es gibt also vor allem im Bundesbuch im Kapitel 21 sehr viele gesetzliche Regelungen 10, 20, 25, ich habe es nicht gezählt. Also Kapitel 21 im Bundesbuch, Zweiter Mose, dann im Deuteronomium Kapitel 15 und andere Kapitel, auch eine eine ganze Latte an Sklavengesetzen und im Heiligkeitsgesetz auch. Alle Gesetze ohne eine einzige Ausnahme haben immer das Interesse der Sklaven und Sklaven im Blick, nicht ihrer Besitzer oder später ihrer Herren. Alle Gesetze
sind immer im Interesse der Sklaven und Sklaven. So eine könnt ihr nachkontrollieren, müsst ihr mal lesen, dass ihr das mal ein bisschen biblisch werdet. Wo stecken die Qualitäten der Bibel? Die sind ja ungeheure, beeindruckt mich zutiefst. Also haben das Interesse der Sklaven und Sklaven im Auge. Selbst solche merkwürdigen Bestimmungen, wie Britta sie gleich vorlesen wird, die kommen euch jetzt als moderne Mitteleuropäer komisch vor und ungerecht. Ja, das liegt aber nicht an den Texten, sondern an euch. Also selbst solche scheinbar komischen Texte haben ganz die Interessen in dem Fall der Sklavin im Blick, auch schon im Bundesbuch. Im Bundesbuch sind Sklaven noch Sache,
aber trotzdem schon ungewöhnliche Reformen. Also das Bundesbuch kann sich noch nicht von allem lösen, aber 100 Jahre später kann man sich lösen. Wenn Mose alles, also ich will nur damit sagen, damit macht man sich selber inkompetent. Man schadet sich ja nur selber. Also diese merkwürdigen Regelungen im Bundesbuch, Kapitel 21, 7 bis 11. Zweiter Mose 21, 7 bis 11. Verkauft jemand seine Tochter als Sklavin, so soll sie nicht entlassen werden wie die Sklaven. Gefällt sie ihrem Herrn nicht, nachdem er ihr beigewohnt hat, so soll er sie loskaufen lassen. Doch ist er nicht befugt, sie an fremde Leute zu verkaufen, indem er treulos an ihr handelt. Bestimmt er sie aber für seinen Sohn, so soll er sie nach dem Töchterrecht ausstatten. Nimmt er sich noch eine andere Frau, so soll er jener an der Nahrung,
der Kleidung und dem ehrlichen Umgang nichts entziehen. Erfüllt er diese drei Pflichten nicht, so wird sie ohne weiteres frei, ohne Entgelt. Das sind unerhörte Sätze. Das aller erstaunlichste, niemand hat dafür wirklich eine Erklärung, weil es so erstaunlich ist, es heißt im Vers 8, handelt er der Sklaven, hier noch der Sklavenbesitzer im Bundesbuch, später nicht mehr, handelt der Sklavenbesitzer treulos an dieser Sklavin. Das gibt es in der ganzen Antike nicht, diesen Satz. Treulos bei einer Sklavin, das ist eine ungeheure Aufwertung.
Also wenn es zum Geschlechtsverkehr kommt, dann wertet es diese Frau sofort auf. Wenn er zum Geschlechtsverkehr mit einem der Söhne kommt, dann unterliegt sie ab jetzt dem Tochterrecht. Sie muss gleichgestellt werden den leiblichen Töchtern. Und wenn er selber noch eine Frau nimmt, dann wird sie zur Nebenfrau. Also hat sie auch einen rechtlichen Schutz. Er muss in Kleidung und Nahrung sie seriös versorgen und wenn sie selber sexuelle Befriedigung will, dann hat er es ihr auch zu gönnen. Also Grundversorgung in sexueller Befriedigung in Kleidung und Nahrung. Also er kann nicht einfach Sex mit einer Sklavin haben, was in der ganzen Welt natürlich das Allernormalste war. Jede Sklavin in jedem der Kulturmächte hat zu jeder Zeit zur Verfügung
zu stehen, ohne irgendwelche Treulos. Das ist ja lächerlich für antikes Empfinden. Also die Leitperspektive ist das Interesse der Sklavinnen und Sklaven. Er kann sie auch nicht einfach weiterverkaufen, geht nicht. So wie ein überdrüssiges Objekt. Also das ist schon sehr erstaunlich. Der vierte Punkt ist in Israel schon ab dem Bundesbuch, der Punkt ist ab dem Bundesbuch, darf ein israelitischer Sklave, eine israelitische Sklavin nie länger als sechs Jahre Sklavin sein. Nie länger. Also es gibt keine israelitischen Sklaven oder Sklaven, die lebenslang Sklaven sind, es sei denn, dass sie es ausdrücklich wünschen und dafür gibt es Gründe. Also nicht alle Sklaven und Sklaven wollen nach sechs Jahren freigelassen werden. Vielleicht ist ihr Sippenverband zerstört, vielleicht wissen sie
gar nicht wohin, dann wäre die Freilassung für sie eine Strafe. Also wenn sie aber freigelassen werden wollen, dann sind sie freizulassen und zwar ohne Ablösesumme, ohne Entgelt, kostenlos. Und da gibt es aber eine Verbesserung im Deutonomium. Im Deutonomium heißt es, werden deine Sklavinnen oder Sklaven nach sechs Jahren freigelassen, da kommt jetzt eine sehr interessante Formulierung, die sage ich jetzt mal auswendig, dann genügt es nicht, dass sie dir nichts mehr zahlen müssen, sondern du sollst ihnen eine Stadthilfe gewähren, damit sie neu durchstarten können. Du sollst von deinen Schafen, von deiner Tenne und von deiner Kelter ihnen so viel geben, wie der Herr dich gesegnet hat. Also es wird richtig zur Gewissensfrage. Du bist doch ein gesegneter Mensch,
also bist du jetzt sehr wohlhabend, dann bitte statte sie dementsprechend aus. Hier wird also nicht zähneknirschend, die muss man halt nach sechs Jahren freilassen, weil der blöde Gott es will oder so. Nicht zähneknirschend sollst du die nach sechs Jahren, sondern dankbar, dass du so gesegnet bist. Und aus dieser Dankbarkeit heraus prüfe dich mal in deinem Gewissen, wie du die Sklavinnen und Sklaven, die sechs Jahre für dich geschuftet haben, was du denen mitgeben willst als Stadthilfe. So was gibt es im Bundesbuch noch nicht. Da merkt man, dass das Deuteronomium in 100 Jahren, dass da eine ganz schöne Entwicklung ist. Und die wird unsichtbar gemacht in einer fundamentalistischen Bibelsicht. Deswegen wird hier die Bibel kaputtgeschlagen. Gut, also nach sechs Jahren, deswegen können auch keine Israeliten von Geburt an Sklaven sein, es sei denn, dass die Sklaven
freiwillig, weil das ihnen vielleicht gibt es ja auch sehr charakterlich sehr ordentliche Sklavenherren, bei denen man sich sogar wohlfühlt, wenn das Hausklaven sind und nicht Bergbergsklaven, gibt es riesige Unterschiede. Da kann sein, dass einer sagt, ich bleibe lieber bei dir, als in eine unkalkulierbare Freiheit, in der ich kaputtgehen kann. Mit diesem Fall wird auch gerechnet. Also es kann der Sklave und die Sklavin selber entscheiden. Dann fünfter Punkt, zwischen einem israelitischen Sklaven oder Sklavin und einem freien Lohnarbeiter gibt es kaum Unterschiede. Deswegen kann man sich fragen, soll man eigentlich die israelitischen Sklaven und Sklavin überhaupt noch Sklaven und Sklavin nennen? Ist das Wort noch passend, wenn man sieht, wie in den anderen Kulturen die Sklaven und Sklavin gehalten wurden? Kann man fragen, aber das Wort wird
beibehalten. Es gibt auch zwei Unterschiede zwischen einem israelitischen Sklaven und Sklavin und einem freien Lohnarbeiter. Beide entstehen so im achten Jahrhundert. In der vorstaatlichen Zeit, besser antistaatlichen Zeit, in den Bergregionen Samarias und Judeas gab es keine Sklaven. Die Sklaven in Israel entstehen erst mit der Staatenbildung. Im Gefolge von David und Salamo kommt es jetzt zu einer Sklavenschicht auch in Israel. Gut, also auf jeden Fall die Unterschiede zum freien Lohnarbeiter sind zwei. Ein Sklave oder eine Sklavin verkaufen sich selbst in die Sklaverei, wenn es israelitische sind. Das ist eigentlich der Hauptgrund, der in 90 Prozent und mehr der Fälle die Ursache ist, denn sie sind so überschuldet, diese 90 Prozent Kleinbauern, Kleinhandwerker, Kleinpächter, die
rutschen sehr schnell in die Verelendung ab. Und dann bleibt ihnen juristisch kaum noch eine andere Möglichkeit, wie sich selber in die Sklaverei zu verkaufen. Also ein freier Lohnarbeiter entsteht nicht dadurch, dass er sich verkauft. Man kann den auch nicht kaufen. Man kann nur Sklaven kaufen, aber nicht freie Lohnarbeiter. Und die Sklavinnen und Sklaven haben kein Kündigungsrecht innerhalb dieser sechs Jahre. Aber nach sechs Jahren müssen sie freigelassen werden. Noch einen kleinen Hinweis zu diesen sechs Jahren. Das ist die befreiende Kraft des Schabbat und des Schabbatjahres. Denn diese Freilassung nach sechs Jahren ist ganz unabhängig davon, wie hoch die Verschuldung war, durch die er in die Sklaverei gekommen ist. Es gibt ja vielleicht sogar Verschuldungen, die kannst du erst in acht oder zehn Jahren abarbeiten. Könnte schon sein, wenn jemand schuld ist, dass ein ganzes Gehöft abgebrannt ist oder irgendwie so. Dann arbeitest du lang. Also
unabhängig von der Ursache der Sklaverei nach sechs Jahren Freilassung ab dem Deuteronium mit gewissenserprüfter Stadthilfe. Also weder ein Verkauf noch ein Kündigungsrecht innerhalb der sechs Jahre. Aber in vielen anderen Dingen sind israelitische Sklavinnen und Sklaven dem freien Lohnarbeiter völlig gleichgestellt. Und diese Punkte will ich mal aufzählen. Erstens einmal das Schabbatruherecht gilt genauso für Sklaven und Sklaven wie für Freie. Sie haben das gleiche Recht auf das gleiche Maß an Freizeit. Das ist in der Antike vollkommen neu, denn Sklaven haben sowieso überhaupt keine Rechte. Die sind gar nicht Bestandteil des Rechts. Und sie haben überhaupt kein Recht auf Freizeit. Sie müssen ihren Herren jederzeit und wenn es sein muss nachts,
jederzeit zur Verfügung stehen. Die Frauen natürlich auch sexuell. Aber der israelitische Sklave und Sklavien haben das gleiche Recht auf Schabbatruhe, Regeneration, Aufatmen wie alle Freien. Dann israelitische Sklaven und Sklaven, wenn man jemanden tötet, wenn jemand einen Sklaven tötet, dann steht darauf die Todesstrafe. Auch wenn man einen Sklaven verstümmelt, dann muss man ihn sofort freilassen. Aber gehen wir mal zum Töten. Wer einen Sklaven tötet, ob Mord oder Totschlag ist hier irrelevant. Darauf steht die Todesstrafe. Dann wird der Sklavenherr auch getötet. Und das zeigt, dass das Leben eines Sklaven grundsätzlich den gleichen Wert hat wie das Leben aller anderen. In der Antike, im antiken Recht, in allen Rechtssammlungen ist es immer so, wer einen
Sklaven eines anderen Sklavenbesitzers tötet, der muss eine Geldbuße zahlen. Der wird nicht getötet, er ist ja selber ein Sklavenbesitzer. Aber er schädigt ja das Eigentum des anderen. Also dann muss er entweder eine Geldbuße zahlen oder ihm einen gleichwertigen Sklaven, gleiche Muskelkraft und so weiter zur Verfügung stellen. Aber rechtlich werden diese Fälle nur erfasst, wenn man den Sklaven eines anderen tötet. Wer seinen eigenen Sklaven tötet, ja das ist ja blöd, ist ja sein Geld. Schadet er sich ja nur selber. Darauf steht, das ist überhaupt kein Rechtsproblem, darauf steht keine Strafe. In der Thora aber Todesstrafe. In der Thora ist es völlig egal, ob du den Sklaven eines anderen tötest oder einen eigenen. Spielt da gar keine Rolle. Todesstrafe.
Bei der Verstümmelung ist es also so, die Verstümmelung eines Sklaven ist verboten und wer es trotzdem macht, da muss der Sklave sofort freigelassen werden. Auch wenn man dem Sklaven nur ein Zahn ausschlägt, muss der Sklave sofort freigelassen werden. Bei Verstümmelung eines Sklaven in der Antike spielt nur eine Rolle, wenn du den Sklaven eines anderen verstümmelst. Dann musst du die Hälfte des Sklavenpreises dem anderen erstatten. So ist es im Kodex Hammurabi und so das allgemein üblich. Wer den Sklaven eines anderen Sklavenbesitzers verstümmelt, muss ihm den halben Sklavenpreis zur Strafe erstatten. Wer seine eigenen Sklaven verstümmelt, ist rechtlich gar kein Problem. Aber in der Thora wird ausdrücklich gesagt, auch wenn er ihnen ein Zahn ausschlägt, bitte gleich am gleichen Tag noch freilassen. Dass eine Verstümmelung ein Recht auf Freilassung
bewirkt, ist in der Antike vollkommen unbekannt. Ich will bei dieser Gelegenheit, ich mache jetzt einen kleinen Exkurs, weil ich finde den sehr wichtig, zu dem Problem Auge um Auge, Zahn um Zahn mal etwas sagen. Viele christlich, kirchlich, abendeländischen Vorurteile, die jahrhunderte lang satt und mächtig waren und heute noch nicht ganz ausgeräumt sind, gehen ungefähr in die Richtung. Ja, das Alte Testament, vor allem im Dritten Reich, da gab es ja deutsche Christen, die wollten das Alte Testament gar nicht mehr als heilige Schrift und ganz abgewertet. Also man sagt, ich habe sogar vor ein paar Jahren es von einem Pfarrer gehört. Das ist natürlich ein besonders trauriges Beispiel. Ja, im Alten Testament geht es ja um Auge und um Auge, Zahn um Zahn. Da ist Gott ein Gott der Rache
und der Vergeltung. Ja, im Neuen Testament ist Gott auch ein Gott der Rache und der Vergeltung. Weil Rache ist theologisch etwas sehr Positives. Gott rächt die Witwen und Weisen, Gott rächt die Verschnittenen und die Vaterlosen. Rache ist immer zugunsten der Entrechteten. Heute gibt es natürlich keine Rache mehr in Rechtsstaaten. Wir können uns nicht selber rächen, wir zeigen jemanden an. Wir gehen zu den entsprechenden juristischen Instanzen. Aber zu welchen juristischen Instanzen soll denn Gott gehen? Der rächt sich natürlich selber. Oder soll Gott zur Polizei gehen? Also das ist auch eine kulturelle Verwirrung. Rache im Neuen Testament, im Alten Testament, in beiden Testamenten wird genau gleich behandelt. Paulus sagt auch, gebt Raum der Rache Gottes. Gott sei Dank ist Gott ein rächender Gott. Und er lässt die Menschenschinder nicht einfach in
Ewigkeit Sieger sein und die Verlierer in Ewigkeit Verlierer, sondern er rächt die Gefolterten und die Gedemütigen, die missbrauchten Kinder. Die wird Gott rächen. Also dieser Pfarrer hatte von diesen Zusammenhängen leider auch keine Ahnung, was es alles gibt. Und er sagte also in einem, in einem öffentlichen Schreiben, Glaubgemeindebrief, ja, im Alten Testament ist Gott ein Gott der Rache und der Vergeltung und das Auge im Auge, Zahn um Zahn. Aber im Neuen Testament ist die Feindesliebe. Ja, also so können Sie keinen christlich-jüdischen Dialog führen. Da brauchen Sie gar nicht erst anfangen. Ja, diese Formulierung Auge um Auge, Zahn um Zahn, die gibt es auf der ganzen Welt. Die ist nicht typisch jüdisch und die ist auch nicht typisch Altes Testament. Das ist das Vergeltungsrecht, das Talionsrecht. Die Strafe muss im Ausmaß der Tat auch entsprechen. Auch
Immanuel Kant hat in seiner Vergeltungstheorie gesagt, die Strafe muss gerecht sein. Und wenn die Strafe gerecht ist, dann ist sie auch genau entsprechend der Schwere der Missetat. Wir bestrafen ja einen Diebstahl nicht so schwer wie ein Mord. Gott sei Dank. Aber damit haben wir schon Vergeltungsrecht. Auch die Gericht, die Rechtsprechung der Bundesrepublik unterliegt hauptsächlich dem Vergeltungsrecht, obwohl eben mildernde Umstände heute ganz anders berücksichtigt werden. Aber indem wir schwere Missetaten schwerer bestrafen wie leichtere Missetaten. Und das müssen wir immer tun. Also das Vergeltungsrecht ist nie überholt. Das können wir nie hinter uns lassen. Wir müssen, wenn wir Strafjustiz haben, dann muss es gerecht zugehen, also maßvoll. Ja, also Auge im Auge, Zahn um Zahn ist das grundlegende Vergeltungsrecht,
Talionsrecht, das alle Kulturen der Welt damals hatten und das wir heute auch noch haben. Weil im Grundsatz dürfen wir uns davon niemals verabschieden. Aber in Israel, in der Thora steht viermal Auge im Auge, Zahn um Zahn. Das ist sehr wenig. Für das Alte Testament gilt zwar dieser Grundsatz, dieser internationale, berechtigte, interkulturelle Talionsgrundsatz, gilt in der Thora auch. Aber er ist in der Thora gar nicht so typisch wie für alle Kulturen drum herum. Für die Kulturen drum herum ist die Rechtsprechung typisch Auge im Auge, Zahn um Zahn und wird auch diese Formulierung viel öfters verwendet im babylonischen Recht, im asyrischen, wie in der Thora. Sondern in
der Thora, in der Rechtsgeschichte, wenn wir mal das israelitische Recht juristisch analysieren, im Rahmen der Rechtsgeschichte des alten Orients, da kommen wir auf völlig andere Gedanken. Da ist eine andere Innovation viel wichtiger als Auge im Auge, Zahn um Zahn. Ich möchte euch mal in einem Exkurs ein Rechtsfall kurz schildern, wo die Thora gar nicht nach Auge im Auge, Zahn um Zahn vorgeht, sondern ganz anders. Dieser Rechtsfall, den ihr gleich hören werdet, der ist typisch für die Thora, denn diesen Rechtsfall gibt es in keiner anderen Kultur. Britta liest es mal vor, wieder Bundesbuch, Kapitel 21, zweites Buch Mose, 28 bis 30. Wenn ein Rind einen Mann oder eine
Frau stößt, so dass sie sterben, so soll man das Rind steinigen und sein Fleisch nicht essen. Der Besitzer des Rindes aber bleibt straflos. War jedoch das Rind schon seit einiger Zeit stößig und sein Besitzer ist gewarnt worden und er hat es doch nicht gehütet, so soll man das Rind, wenn es einen Mann oder eine Frau tötet, steinigen und auch sein Besitzer soll getötet werden. Wird aber ein Lösegeld auferlegt, so soll er als Lösegeld für sein Leben so viel zahlen, als man ihm auferlegt. Das ist eine innovatorische Rechtsfigur, die es in keiner Kultur damals gibt. Das ist typisch Thora, nämlich, das ist kasuistisches Recht, werden verschiedene Fälle durchbuschrabiert. Es gibt also so ähnlich wie bissiger Hund, gibt es auch stösiges Rind.
Das sind so ein bisschen cholerische Rinder, die mit ihren Hörnern unerwartet auf die Leute losgehen. Und ich will das mal so drastisch sagen, wenn also dieser saublöde Nachbar da, der so ein bissiges Rind hat oder stösiges Rind, nicht richtig verwahrt, haut dieses Rind sein Hörner in den Bauch von meiner Frau und die verreckt elendlich, da hängen die Därme raus. Ich sage euch, wenn du so stirbst, ist kein schöner Tod. Und da steigt schon Zorn hoch. Dieser saublöde Typ, der hat doch gewusst, dass dieses Rind ein bisschen psychiatrisch ist, passt nicht auf und jetzt verreckt meine Frau auf der Straße in einem elenden Tod. Da zückt man schon die Todesstrafe. Aber jetzt in der Thora macht man noch einen anderen Vorschlag. Und diese Stelle ist juristisch eine Weltentdeckung,
zum ersten Mal in der Welt. Gibt es jetzt ein Rechtsbuch, die Thora, die sagt, es könnte aber sein, dass der Mann, dessen Frau da gerade vorgestern verreckt ist, wegen dem saublöden Leichtsinn, sich doch sagt, wenn ich jetzt den Besitzer autöte, da wird meine Frau auch nicht mehr gesund. Das ist auch nicht die klügste Art, wie man darauf antwortet. Und dann schlägt diese Rechtsbestimmung noch mal durch. Also gar nicht Auge um Auge. Da müsste man dem auch so ein Rind in den Wams hauen. Das wäre dann Auge um Auge. Das heißt aber auch vorher nur getötet werden. Man schreibt nicht vor, wie man ihn tötet. Also auch hier wird schon nicht mehr streng Auge um Auge zahlen und so. Nein, überleg dir mal, du könntest auf Folgendes handeln. Muss du nicht. Das heißt, will man. Aber es wird ihm eine Möglichkeit zugespielt. Du könntest auf Folgendes machen. Du legst diesem Mann ein Lösegeld auf. Die Höhe des Lösesgeldes darf
natürlich nicht der saublöde Nachbar bestimmen. Das darfst du bestimmen. Aber ich sage dir, der wird alles zahlen. Weil die Alternative ist, er wird vermutlich gesteinigt. Leg ihm ein Lösegeld auf. Das ist die Qualität der israelischen Rechtsprechung. Nicht Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das ist allgemein in der gesamten Menschheit üblich. Aber es ist nicht typisch jüdisch. Das ist typisch menschlich. Das ist einfach die Talionsvergeltung. Aber die Talionsvergeltung wird in der Thora mehrfach durch viel klügere, humanere Modelle durchbrochen. Das ist jüdische, israelitische Rechtsprechung. Und jetzt muss man allerdings sagen, hat sich das so weiterentwickelt, vermutlich, es ist nicht richtig, historisch zu greifen. Was ich jetzt sage, sind Indizien und Thesen. Aber
sie haben eine gewisse Seriosität. Aber sie sind in der alttestamentlichen Wissenschaft umstritten. Ich selber folge jenen Alttestamentlern, Grüsemann und anderen, weil mich das überzeugt. Aber man kann hier nicht von Gewissheiten reden. Also es wird ein Lösegeld eingeführt, neu in der Menschheit. Und ausgerechnet darauf beruft Jesus sich. Ich bin nicht gekommen, zu dienen zu lassen, sondern zu dienen und zu geben mein Lösegeld als Koffeer, Lösegeld für viele. Jesus pickt diese Innovation heraus. Der hat schon gewusst, auf welche Stellen er sich bezieht. Also es ging dann aber sozialgeschichtlich möglicherweise so weiter, dass dieses Lösegeld auch zur taktischen Raffinesse wurde. Dann haben eben, es entstehen ja jetzt langsam Großgrundbesitzer und dann haben
die ja viel mehr Geld. Also die hauen mal einem Sklaven, weil der nicht richtig spurt, mal drei Zähne aus. Und dann zahlen sie Lösegeld, so aus der Portokasse. Also man kann auch diese Figur dann wieder instrumentalisieren. Und wahrscheinlich das Auge um Auge, Zahn um Zahn ist bewusst dagegen erst eingeführt in der Thora, dass ein Großgrundbesitzer, wenn er seinem Sklaven den Zahn ausschlägt, bitte, dann wird jetzt dem auch ein Zahn ausgeschlagen. Und dann hört der mal auf, den Sklaven die Zähne rauszuschlagen. Und wenn er ihm ein Auge blendet, sticht, dann wird ein Auge vom Großgrundbesitzer auch geblendet. Das heißt, vermutlich nach Grüsemanns Einschätzung, und der kennt sich gut aus, der hat gute Gründe, er sagt das Auge um Auge, Zahn um Zahn ist für die Thora gar nicht so sehr typisch. Es wurde auch aufgegriffen, aber eher als sozialkritische, schichtenkritische Korrektur in
der Auseinandertriftung von Elite und Reichen und Sklaven. Ein Zahn eines Sklaven ist so viel wert wie der Zahn eines Großgrundbesitzers. Und wenn man so das Talionsrecht anwendet auf Sklavenbesitzer und Sklaven, dann schützt dieses Recht die Sklaven. Also ihr liebe abendländische Christenheit, hört doch auf mit euren dummen, aus Unbildung entstehenden Vorurteilen und lernt das Recht der Thora mal würdigen als ein Recht, von dem ihr noch viel lernen könnt. Die Bundesrepublik ist da noch nicht so weit. Gut, also das war ein Exkurs anlässlich Verstümmelung, wenn du
ein Zahn ausschlägst, musst du ihn freilassen, aber nach der Talion noch härter wird dir auch ein Zahn ausgeschlagen. Das ist noch eine Stufe härter wie freilassen. Dann weitere Rechtsbestimmungen, also kein israelitischer Sklave ist von Geburt an Sklave, es sei denn, dass innerhalb dieser sechs Jahre die Frau Kinder kriegt, dann kann es sein, dass die, weil sie in der Sklaverei geboren sind, dass sie Sklaven bleiben, wenn die Sklaven noch Sachrecht waren, da kann das mal vorkommen. Oder es kann nur vorkommen, wenn man freiwillig länger bleibt, weil man bei diesem Herrn eigentlich sich gut aufgehoben fühlt und es mir mehr Sicherheit bringt, wie eine riskante Freiheit, in der ich kaputt gehe. Dann schon, aber gegen den eigenen Willen kann kein israelitischer Mensch von Geburt an Sklave sein. Dann auch, wenn man als Ehepaar in die Sklaverei kommt, darf der Sklavenherr das
Ehepaar nicht trennen. Und dann auch eine utopische Bestimmung, nämlich, nein, es gibt noch eine andere vorneweg, man darf einem israelitischen Sklaven und Sklavin keine erniedrigenden Daueraufgaben geben, also fünf Jahre lang Latrinen putzen, das ist verboten. Also auch ein Sklave darf nicht dauernd zu erniedrigenden Arbeiten verpflichtet werden, das heißt im Hebräischen sogar zu echter Sklavenarbeit, weil Sklavenarbeit, wenn sie echt ist, ist ja eigentlich immer erniedrigend. Also man könnte diese Stelle auch so übersetzen, ein israelitischer Sklave darf nicht chronisch überwiegend zu echter Sklavenarbeit verpflichtet werden, gemeint ist zu demütigender, erniedringender. Und dann gibt es diese utopische Bestimmung, die wahrscheinlich kaum angewendet wurde. Auch die Frage, wurden tatsächlich
alle Sklaven nach sechs Jahren freigegeben und dann auch noch mit einer Ausstattung, mit einer Stadthilfe, wurde das praktiziert? Das wissen wir nicht genau. Vermutlich hat es damit auch sehr gehabert, weil Jeremiah schimpft und tobt, dass die Sklaven nicht nach sechs Jahren freigelassen werden. Also da hat sich die israelitische Oberschicht, Tora hin oder her, waren ihnen die eigenen Interessen doch wichtiger. Man kann eben diese Dinge nicht mit Gewalt durchsetzen. Also diese utopische Bestimmung nach, im siebten Jahr werden auch alle Schulden erlassen und das war wahrscheinlich sehr schwer durchsetzbar und dann wenigstens alle 49 Jahre im Jubeljahr, im Erlassjahr, im Schabbatjahr, im Quadrat. Aber das ist der Wille Gottes. Wenn israelische Eliteleute, reiche Großgrundbesitzer, Großhandelskaufleute, militärische Führer, wenn sie ihre Sklaven nicht nach sechs Jahren
freigelassen haben, dann wissen sie wenigstens, dass sie sündigen. Und das ist dem Willen Gottes nicht entspricht. Das war in Israel dann wenigstens klar. Vermutlich war das aber auf vielen egal. Jetzt will ich B. die kananeischen Sklaven oder eben die nicht-israelitischen Sklaven, die hatten es schwerer, also die wurden nicht genau gleich behandelt, wie aber trotzdem erstaunlich gut, aber nicht so gut wie die israelitischen. Wie kommt es zu kananeischen Sklaven? Die meisten ausländischen Sklaven waren Kananeische, könnten aber auch Moabiter und andere gewesen sein. Ja, einmal durch Kriegsgefangene. David und seine Nachfolger haben ja auch Angriffskriege geführt, die eigentlich nach dem theologischen Exodus-Recht nicht möglich sind. Krieg darf nur im äußersten Fall zur Verteidigung. Wir dürfen die Welt
nicht den Verbrechern überlassen und dann müssen wir im äußersten Notfall mit Gewalt die Schutzlosen schützen. Aber Angriffskriege, Expansionskriege, Eroberungskriege sind vom Exodus-Recht her in keiner Weise zu rechtfertigen. David hat es aber trotzdem gemacht und andere Davididen, Nachfolger auch. Da waren ihnen doch so die eigenen Interessen wichtiger. Und da hat es viele tausende Kriegsgefangene gegeben, die wurden dann alle versklavt. Das ist üblich, Kriegsgefangene wandern gleich in die Sklaverei, so war es also bei den Königen in Israel auch. Das sind dann öffentliche Sklaven, Staatssklaven, die wurden vor allem zu großen Bauprojekten. Und dann gibt es aber auch Haus-Privatsklaven, nicht-israelitische, die kann man kaufen von ausländischen Sklavenhändlern. Also es gab offensichtlich, es gab mehrere Stellen, wo man das daraus entnehmen kann. Manche Israeliten haben bei ausländischen
Sklavenhändlern, die auch zum Teil Durchreisende waren, und dann konnte man die Sklaven mal beäugen, Schultern, Oberschenkel und so weiter, hat man so ein bisschen rumgefummelt, was kosten die. Also so gab es auch nicht-israelitische Sklaven. Diese Sklaven waren teurer, weil sie nicht ganz so geschützt waren. Die waren fast doppelt so teuer, wenn man sie kauft, wie israelitische Sklaven. Jetzt ist aber sehr erstaunlich, dass im Thorarrecht auch diese, früher hat man gesagt heidnischen, aber das Wort Heide bitte überhaupt nicht mehr verwenden. Es ist ein christlich stigmatisierendes Arroganzwort, das Andersdenkende diskriminiert. Das Wort Heide gibt es in der Bibel gar nicht. Es ist eine Erfindung der Kirche, die nicht-christen abgestempelt hat als blöde Heiden. Also bitte verwendet das Wort Heiden überhaupt nicht mehr im Rest eures Lebens. Also es waren nicht-israelitische Sklaven. Gut, erstens einmal, wenn sich diese
nicht-israelitischen Sklaven auch beschneiden ließen, und es geht hier nicht um Zwangsbeschneidung, sondern wenn sie sich selber aus bestimmten Gründen, es können ja viele sein, auch taktische, auch vielleicht egoistische, aber vielleicht auch tiefreligiöse, das wird offen gelassen, wenn nicht-israelitische Sklaven sich selber aus eigenem Antrieb beschneiden lassen, können auch sie an allen israelitischen Festen gleichwertig teilnehmen. Dann ist in der Thorar sichergestellt, Menschenraub zum Gewinnen von Sklaven ist in Israel verboten, strikt, stehen schwerste Strafen drauf, bis zur Todesstrafe. Das ist ein Grund für Todesstrafe, wenn jemand Menschen raubt. Ja, aber auf den großen Sklavenmärkten in der hellenistisch-römischen Welt und in
der orientalischen Welt ist ein guter Teil durch Menschenraub, so wie auch bei den christlichen Betreide- und Plantagenbesitzern in Texas, das ist ja durch Menschenraub entstanden, hat man dann auch irgendwie gerechtfertigt. Was man alles christlich rechtfertigen kann, wird zu einem ja schwindelig. Aber bei Römern und Griechen und Persen und so weiter war das schon so, bei unterdrückten Völkern kann man schon Menschenraub begehen, das war legal, das wurde nicht unter Strafe gesetzt und dann raubt man eben mal so ein ganzes Dorf alle Menschen und schickt sie in die Sklaverei. Also das war in Israel verboten. Kein kananäischer, nicht-israelitischer Sklave ist durch Menschenraub entstanden, es sei denn, er riskiert die Todesstrafe. Eine Tötung eines nicht-israelitischen Sklaven, egal ob er der Sklave eines anderen war oder der eigene, steht darauf die Todesstrafe. Auf Verstümmelung eines nicht-israelitischen
Sklaven muss ebenfalls sofort freigelassen werden. Die Schabbathuhe gilt auch für nicht-israelitische Sklaven genau gleich. Und dann gibt es noch ein paar Spezialgesetze. Verheiratet dich, ein Sklavenherr als israelitischer Sklave mit einer nicht-israelitischen Sklavin, das war möglich juristisch, er wurde dann eben verheiratet. Dann stand auch dieses Ehepaar unter besonderem Schutz, es durfte nicht weiterverkauft oder getrennt werden. Dann ist eine sehr ungewöhnliche Bestimmung, eine ausländische Sklavin, die aus Kriegsgefangenschaft, also aus einem der Eroberungskriege der Davididen, entstanden ist. Mit einer solchen ausländischen Sklavin darf man einen Monat keinen Geschlechtsverkehr haben, weil sie trauert. Und die Trauer um
ihre verlorene Heimat und ihre verlorene Sippe hat Vorrang. So ein Gesetz gibt es nirgendwo in der Antike. Und wenn man anschließend mit ihr Geschlechtsverkehr hat, muss man sie in den Rang einer Tochter oder Nebenfrau heben und sie bedarf der geregelten Versorgung der Grundbedürfnisse. Einmalig. Und der Höhepunkt, der gleiche wie gestern, geflohene Sklaven gibt Israel nicht mehr her. Und wenn es zu den härtesten außenpolitischen Verwicklungen mit anderen Großreichen kommt. Das Land, das die befreiten Zwangsarbeiter, die Hebräer, von Gott geschenkt bekommen haben, dieses Land ist als ganzes Land ein Zufluchtsort für alle Verjagten und Fliehenden. Es wird nicht geforscht, warum wirst du verjagt und
warum fliest du? Also dieses Asylrecht. Ein Israelit muss sich immer eher mit Sklaven solidarisieren als mit Sklavenbesitzern. Das geht im Exodus-Volk nicht anders. Und da riskiert man Dauerkonflikte mit mächtigen ausländischen Sklavenbesitzern. Denn im antiken Recht stand auf Fluchthilfe oder Verstecken von Sklaven oder Nicht-mehr-Ausliefern von Sklaven schwerste Strafen. Im Kodex Hammurabi die Todesstrafe. Aber in Israel wird kein Sklave mehr ausgeliefert. Ich hoffe, dass das auch praktiziert wurde. Wir wissen es nicht. Aber dass allein diese Rechtsbestimmung gibt. Ich schließe mit einem Text aus Jesaja, ich glaube 16, 13 bis 14.
Ich möchte euch zum Schluss Jesaja 16, 13 bis 14 vortragen. Einer meiner vielen, vielen Lieblingstexte. Da sagt Jesaja, schaffe Rat, schaffe Recht. Dein Schatten soll mittags schon so lang sein wie in der Nacht. Das muss ich kurz erklären. Der Schatten heißt, das ist eine Lebenserleichterung. Denn im heißen Orient, in der Mittagshitze ist der Schatten mit das Schönste, was es gibt. Die brennende Sonne steht für die Last des Lebens, für die Eiterbeulen des Alltags, die eins erschöpfen und fertig machen. Das ist die brennende Sonne. Das ist die Last des Lebens. Aber der Schatten, wir leben im Schatten des Allerhöchsten.
Ich habe mal auf einer Reise im Negev gemerkt, die Studis sind fix und fertig, ich auch. Ich wollte ihnen eine byzantinische Kirche zeigen im Negev aus dem 6. Jahrhundert in der Mittagshitze, ich weiß nicht, 48 Grad oder so. Ich mache den Fehler nie wieder. Aber eine Studentin, die ich habe gemerkt, die ist einfach fix und fertig, sitzt da auf dem heißen Sand. Und dann habe ich mich so vor sie hingestellt, dass mein Schatten über sie fiel. Die hat die Augen zu gehabt, die hat sofort die Augen aufgemacht. Oh, Herr Zimmer, tut es gut. Also jemand Schatten geben ist eine zärtliche Handlung, ohne dass man jemand berührt. Dein Schatten sei schon mittags, wo die Sonne ja senkrecht steht, da ist der Schatten vielleicht 5 cm. Dein Schatten, Israel, sei mittags schon so lang wie in der Nacht. Und verstecke die Verjagten aus Moab und verberge die Flüchtenden, die
zu dir flüchten. Gebe die Verjagten nicht mehr her. Du sollst eine Zuflucht sein für die Verjagten vor dem Verwüster. Und Verwüster ist ein Fachausdruck im Hebräischen, mit denen die keinerlei Rücksichten mehr kennen. Die verwüsten alle gesellschaftlichen Rücksichten, die machen alles platt. Israel soll in seinem Recht als Gänze, das ganze Land, soll Zuflucht sein vor den Verwüstern dieser Welt. Israelitisches Recht. Halleluja. Jubilate. Ich möchte meinen Vortrag schließen mit einem meiner vielen Lieblingstexte aus dem Alten
Testament, aus der hebräischen Bibel, nämlich ich möchte Jesaja 16, 3 bis 4 euch zum Schluss vortragen. Gib Rat, schaffe Recht, lasse deinen Schatten schon am Mittag so lang sein wie in der Nacht. Das muss ich jetzt kurz erklären. Der Schatten ist die Entlastung von der brennenden Sonne und die brennende Sonne steht für die Last und Schwere des Lebens. Die Sonne brennt und das Leben ist hart und schwer. Aber der Schatten bietet Erholung. Ich habe mal auf einer Reise im Negev in der Mittagshitze, ich wollte den Studenten eine byzantinische Kirche zeigen und es war so heiß und eine Studentin saß völlig erschöpft auf dem Boden und dann habe ich mich so vor sie gestellt, dass mein Schatten auf sie fiel. Sie hatte die Augen zu, aber
hat sofort die Augen aufgemacht und hat gesagt, das Zimmer ist das eine Erleichterung. Wir leben alle im Schatten des Allerhöchsten und der Schatten ist etwas Zärtliches, ohne dass wir einen anderen berühren müssen. Also Israel, lass schon am Mittag deinen Schatten so lang sein wie in der Nacht. Verberge die Verjagten aus Moab bei dir und verstecke die Flüchtenden. Lass die Verjagten aus Moab bei dir herbergen finden und sei du ein Zufluchtsort für die Flüchtenden und sei eine Zuflucht gegen den Verwüster. Und die Verwüster sind die mächtigen Gewalttäter und die Rücksichtslosen, die ohne Rücksicht kaltherzig Menschen schädigen.
Israel sei ein Zufluchtsort gegen die Verwüster dieser Welt. Solche Texte sind eine Frucht des Exodus, des befreienden Gottes, der sich mit Zwangsarbeitern solidarisiert hat gegen die Herren dieser Welt. Er ist eine Gefahr für die Herren dieser Welt, aber kein Steigbügelhalter. Halleluja! Jubiläte!
Die israelitische Sozialgesetzgebung – Die Neuerungen der Thora im Sklavenrecht | 7.10.1
Es gibt Regeln, die ändern sich nie: Zum Himmel gehören Sonne, Wolken und der Wechsel von Dunkel und Licht. Zu einer Gesellschaft gehören König, Oberschicht, Unterschicht – und Sklaven. Davon jedenfalls müssen unsere Vorfahren überzeugt gewesen sein, denn bis in die Neuzeit hinein bestand die gesellschaftliche Weltordnung aus Freien und Sklaven. Und dann ist da einer, der diese Ordnung spätestens seit dem 6. Jahrhundert vor Christus infrage stellt: Gott. Seinem Volk, den Israeliten, gab er schon vor Jahrtausenden ein Regelwerk, das in der Geschichte einmalig ist und den Rechtlosen Rechte verleiht. Diese Gebote aus dem Alten Testament sollten Sklaven vor Misshandlung und Demütigung bewahren, versklavte Ehepaare vor Trennung schützen und Sklaven sogar nach wenigen Jahren Zwangsarbeit die Freiheit schenken. Es ist eine Lehre aus der Sklaverei in Ägypten: Israel soll ein Zufluchtsort für alle Vertriebenen und Versklavten sein. Ein Ort gegen die Herren dieser Welt.