Jetzt lese ich euch mal oder sage euch den Text dieses Gleichnisses. Es steht in Lukasevangelium Kapitel 12 und heißt, das Land eines reichen Mannes hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst, was soll ich tun? Ich habe nicht genügend Raum, wohin ich meine Früchte sammeln kann. Und er sagte, das will ich tun. Ich will meine Scheunen abreißen und neue größere bauen. Und dorthin will ich meinen Weizen und meine Güter sammeln.
Und dann kann ich zu mir sagen, du hast große Vorräte für viele Jahre. Ruh dich aus, iss und trink und sei fröhlich. Aber Gott sprach, du Narr, noch heute Nacht wird man dein Leben von dir fordern. Und wem wird das alles gehören, das du angehäuft hast? Das ist der Text dieses Gleichnisses. Ich will es nochmal sagen, weil es ist schön, wenn man einen Text zweimal hört. Man hört ihn beim zweiten Mal meistens bewusster. Das Land eines reichen Mannes hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst, was soll ich tun?
Ich habe nicht genügend Raum, wohin ich meine Früchte sammeln kann. Und er sagte, das will ich tun. Ich will meine Scheunen abbrechen und neue größere bauen. Und dorthin will ich meinen Weizen und meine Güter sammeln. Und dann kann ich zu mir sagen, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre. Ruh dich aus, iss und trink und sei fröhlich. Aber Gott sprach, du Narr, noch heute Nacht wird man dein Leben von dir fordern. Und wem wird das alles gehören, das du angehäuft hast? Jedes Gleichnis beginnt mit einem ersten Satz. Das ist der Basissatz dieses Gleichnisses.
Dieser Satz ist immer besonders wichtig, weil er vollzieht viele Weichenstellungen. Denn man kann ja jede Geschichte auf hunderterlei Weise beginnen. Aber dann kristallisiert sich eben dieser Basissatz heraus. Der Basissatz in diesem Gleichnis heißt, das Land eines reichen Mannes hatte gut getragen. Dieser Satz enthält drei Basisinformationen. Das Gleichnis spielt auf dem Land. Das ist ein räumlicher Aspekt. Das Gleichnis spielt zur Erntezeit. Das ist ein zeitlicher Aspekt. Und das Gleichnis spielt in der Oberschicht. Das ist ein gesellschaftlicher Aspekt. Da klärt dieser erste Satz schon mal ganz schön viel. Es ist gut, wenn wir mal diese drei Basisinformationen kurz bedenken. Also damals lebten die meisten Menschen auf dem Land und sie lebten von den Erträgen des Landes.
Die Erntezeit war der Höhepunkt des Jahreslaufs, Freudenzeit. Wenn alles gut gegangen ist, dann ist mit der Ernte die Versorgungslage gesichert. Den spezifischen Klang bekommt dieses Gleichnis aber erst durch dieses Adjektiv reich. Das Land eines reichen Mannes. Dieses Wort stellt klar, dieser Bauer gehört in die Oberschicht. Also bei dem Stichwort Land können wir an große Ländereien denken und bei seinem Haus an einen Gutshof. Und es heißt ja auch, dass er seine Scheunen, plural, abreißen will. Ja, das gibt es in Palästina ganz selten. In aller Regel gibt es eine Scheune.
Also der Mann gehört zur Oberschicht. Jesus verwendet in seinen Gleichnissen sehr selten Adjektive. Es gibt eine Reihe von Gleichnissen, die haben kein einziges Adjektiv. Also Jesus ist äußerst zurückhaltend mit Adjektiven. Er stellt die Personen meistens anders vor, durch das, was sie tun oder durch das, was sie reden. Dann wird auch vieles klar. Nur selten also greift er zum Adjektiv. Weil wenn man Personen durch das vorstellt, was sie tun oder sagen, das ist viel anschaulicher. Aber die wenigen Adjektive, die Jesus verwendet, die muss man dann wirklich ernst nehmen. Also dieser Mann war ein reicher Mann. Überlegen wir mal, wie viel von dem, was wir sagen und denken oder von dem, was wir überzeugt sind, hängt damit zusammen, ob wir reich sind oder nicht.
Wahrscheinlich hängt davon mehr ab, als wir denken. Und man kann sich schon fragen, kann ein armer Mann einen reichen Menschen überhaupt verstehen? Kann ein reicher Mensch einen armen Menschen wirklich verstehen? Leben die beiden wirklich in der gleichen Welt oder leben sie in verschiedenen Welten? Jetzt dieser Bauer in diesem Gleichnis, er lebt etwas sehr Erfreuliches. Ein Zuwachs. Er hat ja sowieso schon genug. Also auch wenn der eine normale Ernte hätte, wäre er ja auch sehr gut versorgt. Er ist auf diese Rekordernte nicht angewiesen. Und das ist eine interessante Situation. Ein Mensch, der sowieso schon genug hat, erhält noch einen sehr erfreulichen Zuwachs.
Wie reagiert er dabei? Dann muss man noch sagen, dieser Zuwachs ist ein ganz unschuldiger Zuwachs. Der Ernte-Reichtum gilt in der ganzen Antike als unschuldigste Form des Reichtums. Denn für eine Rekordernte kann der ja wirklich nichts dafür. Also der hat nichts Böses getan. Es ist kein Reichtum, der durch Ellenbogen oder durch raffinierte Schachtzüge, durch Übervorteilen anderer zustande gekommen ist. Dieser Bauer hat nichts genommen. Er hat etwas bekommen. Also es ist die unschuldigste Form an Reichtum. Wenn wir, da haben wir einen kleinen Zusatz, natürlich könnte man fragen, wie kommt der Bauer überhaupt zu seinen großen Ländereien?
Wie kommt es überhaupt, dass ein Mensch viel Grund und Boden hat und ein anderer weniger? Hängt das nicht auch mit Recht und Unrecht zusammen? Also diese Frage kann man stellen, die ist berechtigt, aber die spielt in diesem Gleichnis keine Rolle. Die bleibt ausgeklammert. Man geht jetzt einfach mal von diesen Ländereien aus. Wenn wir diesen Fall mal in die moderne Industriegesellschaft übertragen, könnte man zum Beispiel sagen, ein reicher Aktionär erfährt an der Wall Street, dass seine Aktien einen unerwarteten Sprung nach oben gemacht haben. Oder nehmen wir mal ein reicher Bauer, große Stücke seiner Ländereien wird Bauland und das gibt enorm Kohle. Oder ein Abteilungsleiter, der sowieso schon gut verdient, bekommt eine sehr erfreuliche Gehaltserhöhung usw.
Also mit solchen Beispielen, ein Mensch, der ohnehin genug hat, bekommt einen erfreulichen Zuwachs. Und das ist eine tiefe Situation, in der sich herausstellt, was so im Menschen ist. Es ist eine verräterische Situation, aufschlussreiche, die Jesus sehr bewusst wählt. Jetzt in seiner Situation, also es zeichnet sich eine Rekordernte ab, führt dieser Mann ein Selbstgespräch. Da dachte er bei sich selbst, was soll ich tun? Ich habe nicht genügend Raum, wohin ich meine Früchte sammeln kann. Und er sagte, das will ich tun. Ich will meine Scheunen abreißen und neue größere bauen. Und dorthin werde ich dann meinen Weizen, meine Güter sammeln. Also der Mann führt ein Selbstgespräch. Überlegt mal eure Selbstgespräche.
Selbstgespräch ist ein besonderes Stilmittel. Wenn ein Autor, ein Meister der Sprache, so wie Jesus einer war, wenn Jesus zu dem Stilmittel eines Selbstgesprächs greift, dann erreicht er damit etwas ganz Bestimmtes. Denn wir kommen ganz nahe an diesen Bauern heran. Wir können teilnehmen an seinem Innenleben, an seinen inneren Überlegungen. Also man kommt nie näher an einen Menschen heran, wie wenn man sein Selbstgespräch mithören kann. Das Selbstgespräch ist eine sehr spezifische Art von Gespräch. Denn in einem Selbstgespräch ist man nicht mehr höflich. Oder seid ihr in eurem Selbstgespräch höflich?
Man ist auch nicht taktisch, strategisch. Man ist ganz man selbst. Also im Selbstgespräch hat man eigentlich keine Fassade. Man will da keine aufbauen. Deswegen ist immer, wenn ihr ein Selbstgespräch irgendwo findet, ist das eine besondere Situation. Es gibt in allen Gleichnissen Jesu drei Selbstgespräche. Ich sage aber nicht wo. Es sind immer, guckt selber nach, es sind immer Situationen vor einer tiefen Entscheidung. Vor einer wichtigen Entscheidung berät man sich mit sich selber, man wägt ab. Gut, also dieser Bauer führt vor der Ernte natürlich ein Selbstgespräch. Als sich abzeichnet, wow, das wird nicht nur eine gute Ernte, das wird wirklich eine Rekordernte.
Meine Silos reichen dazu gar nicht aus. Jetzt muss der Mann sich wirklich überlegen, was er macht. Er kann ja diese Rekordernte nicht vergammeln lassen. Seine Familie und der liebe Gott, die würden ihm was husten. Also das muss man fachgerecht lagern. Und auf den Märkten in Galiläa kriegst du auch so eine Riesenernte auf den kleineren Märkten gar nicht los. Vor allem dann nicht, wenn allgemein eine gute Ernte ist. Also er muss sie lagern. Jetzt kann man sich ja denken, dass kein Bauer so jedes Jahr mal die Scheune abreißt oder seine, überhaupt seine ganzen Scheunen. Die können ja vom Vater, vom Großvater, vom Urgroßvater stammen. Man arbeitet mit einer Scheune, solange man kann. Vielleicht kann man sie ein bisschen vergrößern, ein bisschen anbauen. Nein, das geht alles gar nicht. Also das ist ein sehr tatkräftiger, kluger Realist.
Wenn ich mal diesen Bauer aufgrund seines Selbstgesprächs, das ist ja eine erstklassige Quelle, wenn ich den mal charakterisieren soll, muss ich sagen, sehr sympathischer Mann. Rechtzeitig kann der einer neuen Situation gerecht werden, entschlusskräftig. Also hoch sympathischer Mann. Er macht eigentlich alles richtig. Das können wir ja alles nachvollziehen. Gut, in diesem Selbstgespräch wenden wir uns mal der ersten Hälfte zu. Das Selbstgespräch gliedert sich so in zwei Hälften. In der ersten Hälfte ist der Ton planend, analysierend. Da kommt das Stichwort Sammeln zweimal vor. Das ist immer ein Erzählsignal, wenn ein Wort zweimal vorkommt. Was soll ich tun? Ich habe nicht genügend Raum, wohin ich meine Früchte sammeln kann.
Das will ich tun. Ich will meine Scheunen abreißen und neue, größere bauen. Und dahin will ich mein Weizen und meine Güter sammeln. Und dann gibt es noch ein drittes Wort ganz am Ende. Es ist das letzte Wort des Gleichnisses. Und wem wird das alles gehören, das du angehäuft hast? Könnte man auch sagen, gesammelt hast. Das ist ein sehr, sehr ähnliches Wort. Aber es geht noch ein bisschen über Sammeln hinaus. Auch bei Amos. Ihr häuft an in euren Prachtbauten. Nur so nebenbei. Also das Wort Sammeln ist hier ein Leitwort. Überlegen wir mal, Sammeln zeigt, dass zum menschlichen Leben die Wirtschaft gehört. Das Dasein des Menschen hat eine wirtschaftliche Dimension. Schon seit der Steinzeit hat der Mensch gesammelt. Die Jäger und Sammler.
Früchte, Pilze und so weiter. Und auch nach der Sesshaftwertung der Menschheit sammelt der Mensch die Erntebeträge, damit er seinen Hunger bis zur nächsten Ernte bändigen kann. Und die gesamte antike Wirtschaft ist eine Sammel- und Lagerungswirtschaft. Es gibt viele ökologische Lehrbücher, aber auch in der Bibel heißt es, gehe hin zur Ameise, du Fauler. Sei im Sommer fleißig und sammle für den Winter. Oder es heißt in den Sprüchen, rasch hochgezüchtetes Gut hält nicht lang, wer aber fleißig mit Geduld sammelt, der mehrt seinen Besitz. Also Sammeln ist ein Grundzug. Auch die Lehrer, mit denen ich zu tun habe, die sind auch Jäger und Sammler. Die sammeln gute Unterrichtsideen, die liegen immer auf der Laue.
Oh, das mache ich nächste Woche bei den Neunern auch. Die sammeln also gute Unterrichtsideen, gute Unterrichtsmaterialien. Es gibt ja die Sammelordner. Früher vor allem in den Büros. Heute heißt es Dateien, aber man sagt immer noch Sammelordner. Also jeder hat da so in seinem Computer seine Ordner, seine Sammelordner. Das Wort Sammeln, nein, das Wort Scheune, das hier steht, heißt im Griechischen Scheune Apotheke. Das Wort heißt auch Silo. Da kommt unser Wort Apotheke her, weil die Apotheke ist auch ein Silo, ist auch eine Scheune. Das ist eine Scheune mit Medikamenten. Da werden Medikamente gesammelt. Ich habe eine Bücherscheune. Vor einigen Jahren jetzt nicht mehr, ich kaufe nicht mehr so viele Bücher wie früher, aber früher habe ich gedacht, Mensch, ich muss meine Bücherscheune vergrößern, passt nicht
mehr. Oder die Banken sind auch Scheune, da wird eben Geld gesammelt. Also Sammeln ist ein tiefer Grundzug im menschlichen Dasein. Zunächst ökonomisch, aber es ist noch mehr wie ökonomisch, wir sammeln auch Pluspunkte, wir sammeln Anerkennung, wir sammeln Erfolge, wir sammeln in allen Bereichen und weil wir Sammelnde sind, sind wir Sorgende. Gut, jetzt die zweite Hälfte in diesem Selbstgespräch, da ändert sich der Ton. Also der Ton am Anfang war planend, analysierend, aber jetzt wird der Ton behaglich. Er sagt, und dann kann ich zu mir sagen, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre,
iss, trink und sei fröhlich. Also man merkt, er lässt schon mal vor seinem inneren Auge das vor sich ablaufen, auf was er zugeht. Der Mensch ist dort, der Bauer ist dort, wo viele von uns hin wollen. Nehmen wir mal diese zweite Hälfte genau unter die Lupe. Ihr dürft gerne davon ausgehen, dass jedes Wort ganz genau überlegt ist. Also in der zweiten Hälfte sagt der Bauer, dann kann ich zu mir sagen, ruhe dich aus. Das ist einerseits erholend gemeint, aber es ist tiefer. Der Mann fühlt sich sicher, abgesichert. Er hat jetzt einen großen Vorrat, das ist seine Sicherheit.
Du hast einen großen Vorrat für viele Jahre. Also das erste, an was er denkt, ist, ich habe einen großen Vorrat für viele Jahre. Also er fühlt sich abgesichert. Hier wird das Sicherheitsbedürfnis des Menschen artikuliert. Der Mann ist also dort, wo viele von uns hin wollen, er fühlt sich abgesichert. Und dieses Sicherheitsbedürfnis, lasst uns das mal ein bisschen analysieren. Jeder Mensch hat ein enormes Bedürfnis nach Sicherheit. Das war schon in der Antike so, aber in der Moderne ist es noch stärker geworden. Warum? Weil die moderne Industriegesellschaft in bestimmter Hinsicht sind des Risiko-Gesellschaften. Deswegen gibt es in der Moderne zum ersten Mal Versicherungen.
Das gibt es in der Antike nicht. Antike hat keine Versicherungen. Wir lassen uns versichern gegen Krankheit, Invalidität, Tod, alles mögliche, Arbeitslosigkeit. Und die Versicherungen lassen sich ihrerseits rückversichern. Also Sicherheitsdenken in allen Bereichen. Wenn heranwachsende junge Erwachsene ihre Berufswünsche äußern den Eltern gegenüber und die so exotische Ideen haben, da machen sich die Eltern Sorgen. Und sie raten ihren Kindern in aller Regel zu sicheren Berufen. Ich habe vor kurzem mit einer jüngeren Frau gesprochen, die hat jahrelang auf dem Zollamt in Ludwigsburg gearbeitet. Und da habe ich gesagt, wie sind Sie denn da drauf? Jetzt ist sie ausgebüxt nach USA. Sie war vielleicht so 28, sie hatte irgendwie die Nase vom Zollamt gestrichen voll.
Und da habe ich gesagt, wie sind Sie denn auf Zollamt gekommen? Das hat mein Vater mir geraten, das sei sicher. So sind halt die Eltern. Wenn der Sohn sagt, die will Schauspieler werden, oh. Und auch in Beziehungsfragen, in Liebesdingen soll es Leute geben, die gehen da auf Nummer sicher. Auch die Themen Sicherheit am Arbeitsplatz, Sicherheit der Arbeitsplätze, Sicherheit der Währung, das sind politische Dauerbrenner. Oder auch viele gesundheitliche Impfungen, Vorsorge, Untersuchungen, alles aus einem gewissen Sicherheitsbedürfnis. Die Banden geben Kredite nach abgestuften Sicherungen, zumindest oft. Und wenn wir was auf dem Konto haben, das gibt uns auch ein Gefühl der Sicherheit. Und besonders krass ist das Sicherheitsdenken, Rüstung, Rüstungsforschung, Militär.
Also Sicherheitsdenken auf allen Ebenen. Aber dieses Selbstgespräch geht über das Sicherheitsdenken hinaus. Denn unser Sicherheitsbedürfnis ist so geartet, dass Sicherheit für uns nicht das Ziel ist, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Das Leben soll mehr sein als sicher. Sicher, das ist die Voraussetzung dafür, dass wir unser Leben feiern können. Das Leben soll Freude machen. Wir wollen unser Leben genießen. Und genau so ist es in dem Selbstgespräch. Der Bauer ist hochgradig typisch für jedermann. Also kann ich zu mir sagen, du hast jetzt einen großen Vorrat für viele Jahre. Ruh dich aus, iss, trink und sei fröhlich. Also jetzt kommt das eigentliche Ziel, das ist, kann man sagen, die Lebensfreude.
Ziehe fröhlich durch dein Leben. Was Höheres gibt es nicht. Steht auch schon in der Bibel, ist ja auch sehr unschuldig, ist ja schön, ist ja nichts Schlechtes. In Prediger 3 heißt es, ich habe gelernt, dass es das Beste ist, sich gütlich zu tun, essen, trinken und fröhlich sein. Das ist eine gute Gabe Gottes. Der Berliner sagt jute jabe jottes. Das ist also eine gute Gabe Gottes. Essen, trinken und fröhlich sein, steht schon in der Bibel. Der Mann hat ja nichts Schlechtes gemacht. Im Gegenteil, der Mann, das ist eine gewisse Lebenskunst, der ist gar nicht habgierig, sondern der ist gar kein Nimmersatt. Er schützt zufrieden. Also da steckt eine gewisse Lebenskunst drin. Ich muss aus gegebenem Anlass sagen, wir müssen sehr aufpassen, wie wir mit Negativfiguren in der Bibel umgehen.
Wir dürfen die Negativfiguren in der Bibel nicht noch negativer machen, wie sie sind. Das ist immer primi, so große Wirkungen erzielen, indem man die Dinge übertreibt. Gerade bei Negativfiguren seid da besonders vorsichtig. Ist das eine Negativfigur? Also da wird oft im Kinderkirche und was ich da schon alles gehört habe im Religionsunterricht, der ist geizig, das steht doch gar nicht da, oder dass er ein Wucher sei, das ist alles Blödsinn, alles erfunden, alles nur Vorurteile, oder dass er als reicher Mann die damals üblichen Almosen den Armen nicht gegeben hat, das steht doch gar nicht da. Und was der Mann macht, das würde ja jeder von uns machen, das ist ja vollkommen richtig, das geht ja gar nicht anders. Er kann ja die Ernte nicht vergammeln lassen. Also ich bitte euch, und jetzt hat er eine ganz unschuldige Lebensfreude. Also auch dieser Zug will ich mal ein paar Worte dazu sagen.
Die Sicherheit ist in unserem Lebensgefühl nur die Ausgangsbasis, damit wir uns am Leben freuen können. Aber das Ziel ist die Lebensfreude. Aber die Lebensfreude hat gewisse Voraussetzungen, denn in der Unsicherheit kannst du dich auch nicht so richtig freuen. Also die Sicherheit ist ein Mittel zum Zweck, ist eine Ausgangsbasis, eine Voraussetzung. Und deswegen wartet der Mensch immer wieder in seiner Hoffnung, dass sich jetzt wieder mal eine Voraussetzung erfüllt, damit es dann zur Lebensfreude kommen kann. Dann sagt der Mensch schon von klein auf, wenn ich erstmal das Dreirädle habe, wenn ich erstmal das Fahrrad habe, wenn ich erstmal ein Motorrad habe, wenn ich erstmal ein Auto habe, wenn ich erstmal das Abitur habe, wenn ich erstmal verbeamtet bin, wenn ich erstmal meine Doktorarbeit fertig habe, wenn ich erstmal Kinder habe, wenn ich erstmal in Pension
komme. Also irgendwie wartet der Mensch immer so drauf, wenn diese Voraussetzungen für seine Sicherheit gegeben sind. So ist eben der Mensch. Dieses Gleichnis hat einen unheimlich treffsicheren Blick für Grundbedürfnisse unseres Lebens. Sie sind alle in diesem, oder nicht alle, aber einige wesentliche, sind in diesem Selbstgespräch gespiegelt. An dieser Stelle passiert wirklich etwas Schreckliches, Schock, unerwartet. Das Selbstgespräch wird unterbrochen. Aber Gott sprach, du Nar, heute Nacht wird man dein Leben von dir fordern und wem wird das alles gehören, was du dir angehäuft hast.
Also das ist eine unerwartete Unterbrechung. Gott meldet sich, er stört durch Zwischenrufe und das tut er ja öfters. Auf einmal redet er und wenn Gott zu reden beginnt, dann stimmen unsere Theorien nicht mehr. Erstmal fällt auf, dass das ja krass unhöflich ist. Was hat der Mann gemacht? Der hat doch nichts Böses getan, er hat nichts Kriminelles gemacht. Und auch wenn er die eine oder andere Macke hat, die haben wir ja auch alle. Muss man ja nicht gleich, wie sagt der, du Nar, also modernes Deutsch könnte man auch sagen, du Idiot. Ja, das irritiert schon. Er sitzt ja da bei seinen Planungen, die hochberechtigt sind und wird unterbrochen und hört eine Stimme, die sagt, du Idiot. Stell dir mal vor, du sitzt am Schreibtisch, machst deine gründlichen, seriösen, ehrwürdigen
Planungen in Fürsorge für die Familie, was du alles planschst, gewisse Sicherheitsspannen einbauen, damit die Lebensfreude einziehen kann, sitzt du also so an deinem Schreibtisch und dann hörst du eine Stimme, du Idiot. Ich meine, das irritiert. Das irritiert vor allem dann, wenn man merkt, das ist die Stimme Gottes. Dann merkst du nämlich, dass Gott völlig anders denkt wie du. Es wird dir da in Sekunden bewusst, dass der völlig andere Maßstäbe hat. Ja, und wo bleibt die Höflichkeit? Also Gott redet so, das haben wir ja auch bei den Gerichtsprofeten des Alten Testaments gelernt, Gott redet öfters kurz, grob und unhöflich. Damit müsst ihr rechnen. Er redet nicht nach dem Mund. Allerdings möchte ich auch hinweisen, zu wem Gott so frech redet.
Nicht zu einem Kind, nicht zu einer Frau, nicht zu armen, deprimierten Menschen oder einer schüchternen Oma. Er redet so grobklotzig zu einem reichen Hauspatriarchen. Und denen tut es ja vielleicht mal gut, wenn sie einen groben Widerstand erleben. Tut denen vielleicht ganz gut. Also auf jeden Fall heißt es in der Bibel, wir leben von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes kommt. Wir leben auch von diesem Wort, kurz und grob, das aus dem Munde Gottes kommt. Deswegen bleiben wir mal ganz cool, was können wir aus diesem Wort lernen. Das Gleichnis endet ja mit einer Frage, wieder mal offener Schluss. Jesus liebt die offenen Schlüsse. Auf Publikum such dir deinen eigenen Schluss.
Also wem wird das gehören, was du angehäuft hast? Das ist ja eine Frage. Also eine Frage will ja zum Nachdenken bringen. Also eine Frage will eine positive Anregung sein, will uns stimulieren zum Nachdenken. Also es geht in diesem Gleichnis nicht um Angstmache, Bedrohung, sondern Nachdenklichkeit. Denk mal nach, wem wird das gehören, was du da die ganze Zeit angesammelt hast. Gut, also jetzt wollen wir uns mal überlegen, was können wir aus diesem Gleichnis lernen. Das Gleichnis zielt ja auf die Realität des Todes. Noch heute Nacht wird man dein Leben von dir fordern. Es geht also hier irgendwie um den Tod. Und dieses Gleichnis, wenn man es charakterisiert, es gibt mehrere solche Gleichnisse Jesu, dieses Gleichnis ist weisheitlich geprägt.
Ich habe ja ganz am Anfang der Tagung gesagt, die weisheitlichen Religionen sind Taoismus und Konfuzianismus, die setzen vor allem auf Weisheit. Weisheit braucht keine Offenbarung, nur Nachdenklichkeit. Denk mal, denk mal gründlich nach. Halt mal die Luft an und denk nach. Also Weisheit klärt die Dinge durch Nachdenken. In Märchen, Fabeln, Parabeln, in Sprichwörtern äußert sie sich. Und es gibt ja auch in der Bibel die Sprüche, die Sprichwörter, Prediger, Hiob, sind alles Weisheitsbücher. Und Jesus war auch ein Weisheitslehrer. Sein Hauptpunkt war, das Reich Gottes ist herbeigekommen. Er ist also ein Prophet, er sagt das Reich Gottes an. Aber neben dem Prophet ist er auch Weisheitslehrer und analysiert Grundzüge des menschlichen Daseins. Das macht Jesus auch. Also es ist ein weisheitliches Gleichnis.
Schauen wir mal überhaupt in die Weisheit der Völker beim Thema Tod. Alle Völker haben Weisheit entwickelt und diese Weisheit der Völker unterscheiden sie von der Torheit. Gott hätte auch sagen können, du Tor. Also der Ausdruck du Nar ist einfach das Gegenteil von einem weisen Menschen. Also alle Völker haben eine Weisheit entwickelt und die ist sehr ähnlich. Vor allem die orientalische Weisheit ist sehr ähnlich in allen orientalischen Völkern. Die israelitische Weisheit ist sehr ähnlich wie die orientalische Weisheit insgesamt. Sie hat aber eigene Elemente, weil nur in Israel es Monotheismus gab. Der Glaube an einen einzigen Gott, unsichtbaren Gott, der keine Frau hat, keine Kinder zeugt, der ganz transcendent ist, von dem man keine Bilder machen sollte, aber jeden siebten Tag uns frei gibt. Also das ist der israelitische Gott und das ist ein Unikum.
Und weil Israel so einen einzigartigen Gottesglauben hat, merkt man auch in der Weisheit Israel, dass an ein paar Punkten haben sie doch so ihre spezifischen Farben. Aber gehen wir mal allgemein in die Weisheit der Völker über den Tod. In allen Völkern gibt es das Memento Mori, denke daran, dass du sterben wirst. Memento Mori, Gedenke des Todes. Dieses Memento Mori, Gedenke des Todes, gibt es in allen Kulturen der Welt. Es gibt also viele Geschichten, die das uns nahelegen. Es ist richtig eine Kultur des Memento Mori. Und das zeigt schon, dass die Menschen aller Kulturen dazu neigen, die Tatsache des Todes ein bisschen zu unterschätzen. Vor allem die Tatsache des eigenen Todes. Das unterschätzen wir gern ein bisschen.
Das ist vor allem auch in der Moderne noch viel stärker geworden, weil wir moderne Menschen hören sehr viel vom Tod fremder Menschen durch die Medien. Unsere Nachrichten sind ja leider oft meistens schlechte Nachrichten. Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht, sagt man. Ich finde das ein furchtbares Motto. Warum eigentlich dieser Sieg des Negativen? Aber lassen wir mal. Also in unseren normalen Presse- und Fernsehnachrichten hören wir zahlreiche Katastrophenmeldungen, den Tod fremder Menschen, auch vieler fremder Menschen, von 140 fremden Menschen. Das hören wir viel öfters in der Antike. Gibt's kein Zeitung, gibt's kein Fernsehen, die hören gar keine Flutwasserkatastrophe in Bangladesch und so weiter. Und dass da ein Brand in Norddeutschland mit fünf Toten, man fragt sich wirklich, muss
ich das wissen? Hilft mir das irgendwie? Also die Ideologie unserer Nachrichten ist eine fürchterliche Ideologie. Jetzt tun sie am Ende auch eine kleine gute Nachricht bringen im ZDF und so. Schön, das finde ich gut, gell. Aber dieser Sieg des Negativen, könnte man das? Egal. Auf jeden Fall, wir hören sehr oft vom Tod fremder Menschen. Jetzt ist wichtig, am Tod fremder Menschen, vor allem zahlreicher fremder Menschen, können wir nicht reifen. Wenn wir die Katastrophenmeldung hören, dass Flugzeugabsturz, 143 Tote, sind wir nur hilflos. Es löst keinen Trauerprozess aus. Die technische Katastrophenmeldung hilft uns nicht. Es wird ja auch sehr technisch formuliert, endlich der Flugschreiber, ist alles wichtig, allerwichtig ist der Flugschreiber und dann weiß man warum und dann kann man es in der
Zukunft vielleicht vermeiden. Ist schon berechtigt, aber diese technische Art es darzustellen, stellen Sie sich mal vor, in der Tagesschau würde ein Überlebender selber sprechen, nicht ein professioneller Nachrichtensprecher, sondern ein Betroffener oder ein Angehöriger. Der würde das ja ganz anders berichten. Das würde auch in uns eher etwas auslösen. Gut, wir haben aber wenig Erfahrung mit dem Sterben eines ganz nahen Menschen, der zu unserem engsten Umfeld gehört. Wenn wir dieses Sterben wochenlang und monatelang miterleben, also nicht plötzlicher Unfalltod, wo man sich nicht verabschieden kann, ist auch ein schwieriger Fall, aber in der Antike erlebte man wenig technische Nachrichten über fremde Tote in Indien und so weiter, davon blieben die verschont. Sie hatten aber in Ihrem eigenen Dorf ein Drittel Ihrer eigenen Geschwister ist gestorben,
hatten 18 Kinder, davon sind 6, bis zum achten Lebensjahr gestorben. In der Nachbarschaft noch viel mehr bei deren Kindern. Dann sind aber auch viele Verwandte gestorben, vielleicht die eigene Mutter gestorben und Sie selber waren auch dreimal am Rande des Todes. Also ein 14-jähriger Junge in der Antike hat eine vielfache Todeserfahrung von einem 40-jährigen Mann heute. Ein 40-jähriger Mann heute ist in der Regel völlig hilflos. Der hat seine Katastrophenmeldungen, mit denen er nichts anfangen kann, er hat aber kein Training, keine Todeserfahrung, dass er mehrere Sterbende über Wochen und Monate begleitet hat. Das würde einen Reifungsprozess auslösen, ein Trauerprozess. Und trauern geht nur weg durch trauern, anders nicht. Und das verändert uns.
Also tiefe Trauerprozesse sind Reifungsprozesse. Also dieses Memento mori ist bei uns eigentlich dringender wie in der Antike, weil die Antike hatte viel mehr Todeserfahrung. Trotzdem haben sie dieses Memento mori, eine Kultur des Gedenkes des Todes, weil sie gemerkt haben, wir unterschätzen die Tatsache des Todes, dass wir begrenzt und sterblich sind. Und wir Moderne noch viel mehr. Es gibt in 1000 Einer Nacht ein Märchen, da sagt ein König, jetzt habe ich eigentlich alles erreicht, ein glückliches Leben steht mir bevor. Und in dieser Nacht kam der Todesengel und holte ihn. Also auch in diesem Märchen wird schon genau gespürt die Vermessenheit des Menschen, der meint, dass er über seine Zeitdauer irgendwie managen könnte. Und viele andere, ein ägyptisches Sprichwort sagt, überlege dir gut, ob du viel Zeit
und Mühe deines Lebens aufwenden willst, um reich zu werden. Überlege es dir gut. Denn der Reichtum ist eine labile Sache. Er fliegt oft weg wie eine Gans. Überlegt euch gut, ob ihr reich werden wollt. Überlegt euch gut, wie viel Fleiß und Mühe und Gesundheit eures Lebens ihr dafür einsetzen wollt. In Schillers Wilhelm Tell singen die barmherzigen Brüder, der Tod tritt plötzlich an ihn heran, so Landfoggt ist gestorben, es ist ihm keine Frist gegeben, der Tod reißt ihn mitten aus der Bahn und aus dem vollen Leben. Und Hugo von Hoffmannsthalts Jedermann ist auch eine so memento mori Geschichte. Einen letzten Punkt will ich jetzt noch erwähnen und dann komme ich zurück in dieses Gleichnis. Aber es ist gut, dass wir mal so eine Rundum-Tour hatten.
Es gibt zwei Philosophen im 20. Jahrhundert, die sich sehr tief mit dem Tod beschäftigt haben. Einer ist Heidegger in seinem Buch Sein und Zeit und der andere ist Levinas, ein jüdischer französischer Philosoph. Ich will mal von Heidegger in wenigen Worten sagen, was dieser Mann, der hoch, Sein und Zeit ist eines der berühmtesten philosophischen Bücher des 20. Jahrhunderts, völlig zu Recht. Und er hat über den Tod folgende Erkenntnisse gewonnen. Martin Heidegger. Der Tod ist nicht nur ein Ereignis am Ende unseres Lebens, sondern jeder Tag unseres Lebens bringt uns dem Tod einen Tag näher. Das heißt, wir leben immer schon im Vorhof des Todes. Wir leben ein Leben zum Tode. Unsere Zeit ist Verfallszeit. Die Zeit vergeht. Und sobald wir atmen können, können wir sterben.
Jeder lebende, schon ein Säugling, ist alt genug, um zu sterben. Der Preis, dass wir atmen können, ist, dass wir sterben können. Dann sagt Martin Heidegger, der Tod ist uns immer fremd. Wir können ihn nicht trainieren. Wir können ihn nicht ausprobieren, mal so probeweise kennenlernen. Wir werden nie sagen können, wir werden nie eine Geschichte schreiben können, die beginnt, als ich einmal gestorben war. Das werden wir nie sagen können. Der Tod ist uns immer fremd. Wir können über das innere Erleben des Todes nicht verfügen, in der Regel auch nicht über den Zeitpunkt. Aber selbst ein Mensch, sagt Heidegger, der seinen Zeitpunkt selber bestimmen will, weil er mündig sein will, ich setze meinem Leben selber ein Ende, er kann das innere Erleben
des Todes nicht vorher wissen. Der Tod ist unausweichlich, er ist das einzig sichere. Nur der Tod ist todsicher. Und damit ist er eigentlich das Realste. Und wir sind gegen den Tod wehrlos. Wir können uns nicht wehren. Das empört uns. Wir protestieren gegen den Tod. Wir können ihn nicht so einfach annehmen. Wenn Epicur sagt, Todesfurcht ist Unsinn, ja, das kann er ruhig sagen, das hat sich emotional nicht durchsetzen lassen. Gut, wir können noch fragen, was macht eigentlich der Mensch, wenn er den Tod ernst nehmen muss? Es gibt nämlich Situationen, sagen wir heute in Syrien, die Kinder haben jeden Tag den Tod vor sich. Wie reagieren eigentlich Menschen, die den Tod ernst nehmen müssen, weil er mit Sicherheit oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf sie zukommt? Also sagen wir mal Pestepidemien oder Kriegszeiten.
Und da zeigt sich, dass es drei Reaktionsweisen des Menschen gibt, wenn er das Memento mori zwangsweise ernst nehmen muss. Das erste ist, dass wir in Trauer, in Melancholie, in Verzweiflung, in Depression verfallen. Satre sagt, wir hocken am Rande des Nichts. Unser Leben ist ein Hocken. Wir hocken am Rande des Nichts. Das kann ganz schön melancholisch werden. Die andere Reaktionsweise ist, dass wir tapfer sind, wir tun unsere Pflicht, wir tun unseren Dienst. Wir lassen uns da deswegen nicht stoppen, also so ein tapferes, heroisches Durchhalten, diese Möglichkeit gibt es auch. Und das dritte klassischer Fall im Decamerone, Pestzeiten in einer italienischen Stadt. Die Leute, die noch leben, 80 Prozent sind schon an der Pest gestorben und die überlebenden
Bürger der Oberschicht leben sich völlig aus, streifen alle Hemmungen ab. Nur noch die Lust, wir leben ja eh nur noch wenige Wochen und Monate, die kosten wir aber tüchtig aus. Da könnte man dann auch sagen, lasst uns essen und trinken und fröhlich sein, denn morgen sind wir tot. Also es kommt eigentlich aufs Gleiche raus wie dieser Bauer, der ja auch sagt, obwohl er gesichert ist. Und daran merkt man, das Ernstnehmen des Todes allein hilft uns nicht weiter. Es kann zur gleichen Haltung führen wie die Haltung dieses Bauern, der sich ja unheimlich abgesichert fühlt. So, in der Bibel gibt es auch ein memento mori, aber doch deutlich anders in Israel. Hier unterscheidet sich die Weisheit Israels sehr deutlich von der orientalischen Weisheit und es hängt mit dem Gottesglauben zusammen.
In Israel gibt es ein memento mori, aber nicht als ein eigenständiges isoliertes Thema, sondern nur eng verbunden mit Gott. Die Zeit ist in Israel nicht nur Verfallszeit und vergehende Zeit wie bei Heidegger, das ist sie auch, aber sie ist in erster Linie geschenkte Zeit, gewährte Zeit. Und in Gebeten wird das memento mori ganz deutlich in den Blick genommen, Herr lehre mich Bedenken, dass ich sterben muss oder dass wir sterben müssen, Psalm 90, Herr lehre uns Bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden. Oder, Herr lehre mich, dass ich davon muss, dass mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss. Oder, Herr, nur eine bannbreite Spannbreite sind meine Tage vor dir. Also die Begrenztheit unseres Lebens, unsere Sterblichkeit wird voll in den Blick genommen,
aber immer im Bezug auf Gott. Es geht der Bibel nicht darum, dass der Mensch die Begrenztheit und seine Sterblichkeit ernst nimmt, sondern es geht der Bibel darum, dass er im Ernstnehmen seiner Begrenztheit und Sterblichkeit zu Gott findet, dass er Gott ernst nimmt. Der Tod ist eine Grenze in der Bibel, die Gott setzt. Die Macht des Todes ist ein Hinweis auf die Souveränität Gottes. Also in der Bibel geht es darum, wie können wir den Tod so bedenken, dass wir nicht ängstlich, nicht ausgelassen und nicht heroisch werden, sondern klug. Wie können wir den Tod so bedenken, dass wir klug werden? Das ist die Frage in der Bibel. Jetzt gehen wir mal zu dem Gleichnis, weil Jesus steckt ganz in dieser weisheitlichen
Tradition. Dieses Gleichnis hat zwei eigentümliche Akzente, die ganz spezifisch sind. Also in der Schluss… Gott sagt, du Narr und dann sagt er, noch heute Nacht wird man dein Leben von dir fordern. Das ist zunächst mal wie in anderen Memento Mori Geschichten, gerade der plötzliche Tod, Wilhelm Tell, der plötzliche Tod ist der schreckliche Tod und der zeigt, dass wir auf dünnem Eis gehen, dass die Fäden sehr dünn sind, dass wir hier kein Sicherheitskonzept haben, die Wand ist sehr dünn. Also das ist aber allgemeine Erkenntnis in der Memento Mori Kultur, die aber Jesus hier auch aufgreift. Aber es ist interessant, dass diese göttliche Stimme nicht Angst macht. Also wie stirbt er denn, also die Todesumstände und die Todesursache oder dass es eine Strafe
wäre, nichts davon. Also die göttliche Stimme, da geht es nicht darum, dass hier Angst erzeugt wird, es geht um was anderes, dass wir klug werden. Und da gibt es zwei Hinweise, die will ich jetzt bis zum Schluss verfolgen. Einmal wird der Tod angekündigt, das ist ganz außergewöhnlich, auch in tausend einer Nacht heißt es nur, aber in der Nacht holte diesen König, diesen vermessenen König, holte der Todesengel ihn ab. Aber hier wird der Tod angekündigt. Es wird dem Tod ein Termin gesetzt von dieser Stimme, nämlich heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Die Kurzfristigkeit ist natürlich auch im Kontrast, viele Jahre, jetzt hast du einen großen Vorrat für viele Jahre und jetzt heißt es heute Nacht.
Also das ist schon auch ein bewusster Kontrast, aber das Entscheidende ist, es gibt jemand, der dem Tod Termine setzen kann. Und der, der dem Tod Termine setzen kann, hat Macht über den Tod. Wie viel Macht muss der haben, der dem Tod Termine setzen kann? Und deswegen sieht Jesus in dem Tod keine eigene Macht, keine Konkurrenz für Gott, keine Gegenmacht außerhalb von Gott, sondern der Tod repräsentiert die Macht Gottes. Er steht unter seiner Macht. Gott ist der, der dem Tod seine Termine gibt. Und der ist für uns wichtiger als der Tod. Wir begegnen im Tod einer Grenze, die Gott setzt. Und deswegen wichtiger als die Grenze ist der, der sie setzt. Und das andere Eigentümliche ist das Wort fordern, apai teo, das ist ein Fachausdruck
im Griechischen, apai teo, ein Fachausdruck. Heute Nacht wird man dein Leben von dir fordern. Dieses Wort fordern ist kein autoritäres fordern, so wie ein Dieb sagt, Geldbeutel her. Nein, so ein fordern ist es nicht. Es ist ein rechtmäßiges fordern bei einem Darlehen, das man zurück, das man zurück haben will, das einem rechtmäßig dazusteht. Apai teo ist das rechtmäßige fordern eines Eigentümers über ein Darlehen, das er gewährt hat. Und dieses Wort lehrt uns, dass wir nicht der Eigentümer unseres Lebens sind. Das Leben gehört nicht uns. An der Todesgrenze wird uns bewusst, dass uns schon das ganze Leben nicht gehört hat. Gott ist der Eigentümer des Lebens.
Er ist der Herr des Todes und der Eigentümer des Lebens. Gott ist nicht nur der Herr des Todes, sondern auch der Eigentümer des Lebens. Und deswegen ist schon manchen an der Todesgrenze bewusst geworden, dass eigentlich das ganze Leben immer schon mit Gott zu tun hat. Diese letzte Frage ist eine ganz tiefe, bohrende Frage. Möge sie euch für den Rest eures Lebens begleiten. Nämlich denkt mal nach, wem wird das alles gehören, was du angehäuft hast? Nehmen wir mal mit anhäufen alles Materielle und Finanzielle, aber auch alles andere, was wir anhäufen, Statussymbole, alles was du dir erarbeitet hast, alles was zu dir gehört, alles was du hast, dein Besitz im weitesten Sinn.
Wer bist du eigentlich, wenn du alles verlierst, was du dir erworben hast? Wer bist du dann noch? Wenn in dem, was du dir erworben hast, deine Identität ist, dann hast du keine Identität mehr, wenn du stirbst. Der Tod ist der große Substraktionsvorgang, der entkleidet dich von allem, was du hast. Er zieht alles ab, was du angehäuft hast. Und wer bist du ohne das Angehäufte, bist du dann noch jemand? Das ist eine bohrende Frage. Das ist die Frage nach Haben und Sein. Wer bist du, wenn du nichts mehr hast von dem, was du dir im Leben erworben hast? Was ist dann deine Identität? Nämlich in dem, was wir uns erwerben, finanziell, materiell und auch weit darüber hinaus, Titel
und alles Mögliche. In diesem, was wir uns da anhäufen, sitzen unsere Illusionen, unsere Lebenslügen, unsere Götter. Der Tod entkleidet uns von unseren Lebenslügen, von unseren Illusionen. Im Tod macht niemand Gott mehr Konkurrenz, aber im Leben hat Gott viele Konkurrenten, die ihm zum Verschwinden bringen, die sich an seine Stelle treten, die sagen, Gott ist unwirklicher, brauchst du doch alles gar nicht. In dem, was du dir anhäuft, sitzen deine Götter, deine Lebenslügen, deine Illusionen. Kannst du von Gott desillusioniert werden? Kannst du schon rechtzeitig deine Illusionen fahren lassen, nicht erst im Tod? Warum ist eigentlich der Bauer ein Narr? Auch ein Bauer, der dieses Gleichnis ganz ernst nimmt, müsste trotzdem so handeln,
wie dieser Bauer gehandelt hat. Denn der Bauer hat vollkommen richtig gehandelt. Man darf gar nicht anders handeln, wie dieser Bauer. Also selbst jetzt nach meinem Vortrag würde ich genauso handeln, wie dieser Bauer. Aber das Problem sitzt woanders. Das Problem ist nicht die Handlung dieses Bauern an sich, die war völlig richtig, selbstverständlich, sondern das Problem ist, dass in dieser Handlung eine Lüge steckt. Dass der Mann sich in seiner goldrichtigen Handlung etwas vormacht. Dass er sich selber belügt, dass er vom Wohlstand sich absichern lassen will und seine Lebensfreude geben will. Er verwechselt Lebensmittel mit dem Leben. Keine Lebensmittel können dich absichern und dein Leben ausfüllen. Das kann nur der Schöpfer aller Dinge.
Der Wahn, die Illusion, die Lebenslüge dieses Bauern ist, dass er sich von dieser Handlung zu viel versprochen hat. Er wollte vom Wohlstand das bekommen, was man nur von Gott bekommen kann. Und das ist eine tiefe Lüge. An unsere Lebenslüge kommen wir verdammt schwer heran. Viel schwerer, weil an so Einzellügen, so Einzellügen finden wir schnell, auch bei anderen und bei uns. Aber die Lüge im Ganzen, die merkt man nicht so schnell wie eine konkrete Einzellüge. Viele rechnen im Einzelnen richtig, aber im Ganzen falsch. Sie sind Realisten des Geldes, aber Illusionisten des Lebens. Sie täuschen sich im Grundsätzlichen. Sie lassen sich von Göttern, von den falschen Dingen das zuspielen, was du dir nur von Gott zuspielen lassen kannst.
Und zu dieser Selbstprüfung, wer bist du ohne dein Angehäuftes? Wer bist du dann noch? Lässt du dir von diesen Dingen die Sicherheit und die Freude deines Lebens zuspielen, dann bist du in einer tiefen Lüge, dann bist du ein Idiot. Und zu dieser kritischen Selbstprüfung will dieses Gleichnis uns ermuntern und fordert uns heraus. Rechtzeitig.
Das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lukas 12, 16–20) | 5.6.2
Willkommen auf einer kurzen Reise in die Lebenswirklichkeit eines von Gott gesegneten Menschen, dem es erst richtig gut und dann noch viel besser geht. Dieser Mann, der im Leben nichts falsch und in der beschriebenen Geschichte alles richtig macht, ist wirklich zu bedauern – schließlich wird sein Leben am Ende von ihm gefordert. Man fragt sich die ganze Zeit, warum er am Ende eine so fette Rechnung präsentiert bekommt? Es ist unbegreiflich und irgendwie auch verstörend.
Der Gleichniserzähler aus Nazareth gibt sich redlich Mühe, diesen Kornbauern als guten Typen darzustellen. Er hat seinen Reichtum nicht auf krummen Wegen erlangt. Er wird unverdient und ohne sein Zutun geradewegs von Gott mit einem immensen Wohlstand überschüttet. Und dann handelt er auch noch ökonomisch weise und weitsichtig. Geht’s noch besser? Und hatte er überhaupt eine andere Wahl?
Siegfried Zimmer gibt am Ende des Vortrags unzweifelhaft zu Protokoll, dass er jederzeit genauso handeln würde wie dieser Bauer. Ist es deshalb nun an der Zeit über ein fortgeschrittenes Stadium von geistiger Umnachtung des Referenten zu spekulieren? Oder ist es tatsächlich möglich, dass man im Leben in jedem einzelnen Schritt richtig rechnet und am Ende das Gesamtergebnis doch nicht stimmt? Wer hierauf eine Antwort haben möchte, sollte genau die Ohren spitzen. Denn in diesem Vortrag gibt es sie.