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Jetzt am Nachmittag kommt eine der berühmtesten, tiefsten, verblüffendsten Geschichten der Bibel zur Sprache, die Geschichte von der Schlange. Es geht darum, der Schlange auf die Schliche zu kommen. Diese Geschichte steht in Genesis 3, 1 bis 7 und Carlo wird uns den Text jetzt vorlesen. So. Aber die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Jahwe Gott gemacht hatte. Sie sprach zu der Frau, hat Gott tatsächlich gesagt, nicht von allen Bäumen im Garten sollt ihr essen? Da sprach die Frau zur Schlange, wir dürfen von den Früchten der Bäume im Garten essen.

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Aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt, esst nicht davon. Rührt sie auch nicht an, damit ihr nicht sterbt. Da sprach die Schlange zur Frau, ihr werdet keineswegs sterben. Gott weiß an dem Tag, an dem ihr davon esst, werden eure Augen aufgehen. Ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und schlecht ist. Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen war und dass er eine Lust für die Augen war und verlockend, weil er klug macht. Und sie nahm von seiner Frucht und aß. Und sie gab auch ihrem Mann, der bei ihr war. Und er aß auch. Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, dass sie nackt waren. Da hefteten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen.

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Dankeschön. Die Geschichte von der Schlange ist eine der berühmtesten Erzählungen der Bibel. Es gibt eine empirische Untersuchung, welche biblischen Geschichten sind heute für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Bundesbürgerinnen und Bundesbürger noch die bekanntesten. Das Ergebnis ist, am bekanntesten sind die beiden Weihnachtsgeschichten, die Sternforscher und als ein Gebot ausging von Kaiser Augustus. Bekannt sind zwei Gleichnisse Jesu, vom verlorenen Sohn und vom barmherzigen Samaritaner. Und fünftens die Geschichte von der Schlange. Also diese fünf Geschichten sind heute die bekanntesten Geschichten, die fast jeder Mensch irgendwie schon mal gehört hat. Dann kommt ein großer Abstand. Dann kommt die Geschichte von David und Goliath und Josef und seine Brüder.

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Und dann nimmt es stark ab. Also wir stehen jetzt vor einer der berühmtesten Geschichten der Bibel. Sie ist nicht zu Unrecht so berühmt. Denn schon sprachlich gesehen ist diese kurze Erzählung, sie ist im Hebräischen kürzer wie im Deutschen, schon sprachlich gesehen ist sie ein Meisterwerk. In wenigen einfachen anschaulichen Sätzen ein Phänomen auf den Punkt zu bringen, das sehr untergründig, komplex und schwer durchschaubar ist. Das ist schon eine große Leistung. Aber noch beeindruckender ist der Inhalt dieser Geschichte. Diese Geschichte erzählt von einem Geschehen, das immer abläuft in jedem Jahr, in jedem Erdteil, auch heute in Weimar oder wo ihr eben seid. Dieser Vorgang kommt immer wieder vor, seit Jahrtausenden, überall wo Menschen sind.

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Für die alten Völker war die Schlange immer schon etwas Besonderes. Sie war fremd, unheimlich und geheimnisvoll zugleich. Der Körper der Schlange war kalt, wodurch der Körper aller Haustiere, aller Tiere und auch wir, wir wärmen uns ja auch gegenseitig, wenn zwei beieinander liegen und so weiter. Also unser Körper ist warm, der Körper unserer Haustiere auch. Der Körper der Kamele, der Pferde, der Esel, der Schafe und Ziegen, aber der Körper der Schlange ist kalt. Die Schlange hat keine Beine. Wie kann man sich fortbewegen ohne Beine? Und die Schlangen im heißen Orient bewegen sich wahnsinnig schnell fort.

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Also biologisch gesehen, die Schlangen sind wechselwarme Tiere. Je heißer, desto schneller können sie sich bewegen. Die Schlange schleicht immer. Wer noch die Nazi-Zeit kennt, der kennt ja Schmittchen-Schleicher. Wir Menschen schleichen hin und wieder, Indianer und so weiter, manche Löwen, manche Tiere schleichen sich auch an, aber die Schlange ist der professionelle Schleicher. Die Schlange hat eine gespaltene Zunge. Sie brüllt nie, sie zischt. Aber ihr Zischen ist gefährlicher, wie alles Gebrüll. Und von den anderen Tieren wusste man, wo sie wohnen, von der Schlange nicht. Es gab noch kein Teleobjektiv, keine Nachtfotografie und so weiter. Die Menschen wussten nicht, wo die Schlange eigentlich wohnt, wie sie lebt.

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Sie greift immer aus dem Hinterhalt an, von hinten her, schnappt zu und zack, ist sie weg. Im offenen Gelände ist die Schlange der Erzfeind des Menschen. Und stellt euch mal vor, so eine jüngere Frau am Bach wäscht gerade so ein bisschen ihre Kleider, ihr zweijähriges Kind am Gebüschrand schreit laut, sie dreht sich um und sieht gerade noch eine Schlange wegschlängeln. Da ist aber wirklich Schluss mit lustig und die Zoobesuchsgefühle, die wir manchmal haben, treten da nicht auf. Und in diesem Zusammenhang zeigt sich die große Klugheit der Schlange. Es heißt in dieser Erzählung, die Schlange aber war listiger als alle anderen Tiere des Feldes. Sie war listiger als alle anderen Tiere des Feldes. Da jedes Kind und jeder Orientale wusste, dass die Schlange das klügste Lebewesen ist, das wusste jeder.

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Warum? Die Schlange ist das einzige im Orient bekannte Lebewesen, das töten kann, ohne mechanische Gewalt anzuwenden. Das kann kein Löwe und kein Krokodil. Ein Löwe zerflettert dich, der reißt da gleich rum und dein Kopf baumelt, das Gedärm hängt raus. Das ist ein wahnsinniger mechanischer Aufwand. Und wenn du ins Maul von einem Krokodil gerätst, da siehst du anschließend auch nicht mehr gut aus. Aber wenn die Schlange dich beißt, das ist so ein kleiner roter Punkt, du bist eigentlich nicht verletzt, es ist eigentlich gar nichts passiert, aber nach einiger Zeit tritt der Tod ein. Der Biss der Schlange hat nicht den Sinn, das Opfer zu verletzen, sondern der Zweck des Schlangenbisses ist das Injizieren von einem Tropfen Gift.

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Und dieser Tropfen hat eine so ungeheure Macht, Kraft, dass auch der stärkste Mann keine Chance hat. Nach einer gewissen Zeit tritt der Tod ein. Und da in der Antike noch keine naturwissenschaftliche Chemie, kein naturwissenschaftliches Denken gab, waren die Menschen natürlich der Überzeugung, die Schlange weiß, wie man einen Tropfen herstellt, und der tötet dich ohne Gewaltanwendung. Das weiß kein Mensch und auch sonst kein Lebewesen. In der Antike wusste der Mensch nicht, wie man Gift herstellt. Er konnte nur Tiergift oder Pflanzengift für seine Zwecke verwenden, aber er konnte Gift so nicht selber herstellen. Kleopatra hat natürlich so ein Schlangengehege gehabt und die Sklaven mussten immer mal mit so einem Stecken,

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dass die Schlange so zupackt, war natürlich eine gewisse Verlustquote unter den Sklaven, aber so hatte man die Tropfengift abgezackt und dann hat Kleopatra sie an passender Stelle eingesetzt. Also man war darauf angewiesen, dass man Pflanzengift oder Tiergift verwendet, man konnte aber Gift nicht selber herstellen. Also die Schlange hat ein Wissen, wie man solche Tropfen herstellt. Kleopatra und andere haben sogar gesehen, diese Tropfen sind völlig durchsichtig, es ist irgendwie gar nichts drin. Und dann gibt es noch eine andere Erfahrung im Orient, die die Menschen immer wieder im Alltag gemacht haben, auf offenem Feld und offenem Gelände. Man findet immer wieder eine Schlangenhaut. Aha, die Schlange kann ihre eigene Haut verlassen und sich eine neue zulegen. Würde ich übrigens auch gern. Meine ist auch nicht mehr ganz das, was sie mal war.

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Also ich weiß nicht, wie das geht. Ich würde also auch gern meine Haut verlassen und mir eine jüngere zulegen. Aber wir können das nicht, aber die Schlange kann es. Und das bedeutete für die Menschen, die Schlange kann nicht nur den Tod bei anderen Menschen herbeiführen, sie kann auch den Tod bei sich selber hinausschieben. Sie altert nicht, sie kann sich immer wieder verjüngen. Deswegen war die Schlange das klügste Lebewesen. Der Begriff Harum heißt in der Bibel klug, er kann aber auch listig heißen. Also ich weiß nicht, so 30, 40 Mal kommt dieser Begriff Harum vor und in 80, 90 Prozent der Fälle ist er völlig positiv. Im Hierbuch zum Beispiel kommt er eigentlich nur positiv vor. Harum heißt einfach klug. Aber an einigen Stellen der Bibel, auch außerhalb dieser Erzählung, heißt Harum so wie raffiniert, raffiniert, listig.

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Wenn du raffiniert sein willst, musst du auch irgendwie klug sein, aber du wendest deine Klugheit auf eine ungute Weise an. Also man könnte diesen ersten Satz durchaus übersetzen, die Schlange war klüger als alle anderen Tiere. Also das ist der Grund, den jeder wusste. Und deswegen ist die Schlange durchaus auch positiv klug, denn sie kann einerseits den Tod bei sich selber überwinden, immer wieder zumindest hinauszögern, aber andererseits ist sie der Erzfeind des Menschen und kann andere töten. Diese eine positive Seite, die Schlange hat Möglichkeiten, den Tod hinauszuschieben, so klug ist sie. Deswegen haben Apotheker und Ärzte bis heute eine Schlange an ihrem Schild. Das ist die positive Bedeutung. Und die Klugheit der Schlange war im Orient sprichwörtlich berühmt. Es heißt auch im Neuen Testament, seid klug wie die Schlangen.

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Gut, deswegen braucht man hier nicht auf den Teufel gehen. Wo steht denn hier was vom Teufel? Ich bitte euch. Tun wir mal das kurz auch klären. Also die Klugheit ist schon eine gefährliche Form der Klugheit, das stimmt. Aber vom Teufel ist hier nicht die Rede. Ich will euch mal ein paar ganz wichtige Basisinformationen geben. In der ganzen biblischen Urgeschichte, heute sagt man zu Recht, sie geht von 1. Mose 1 bis 9, bis zum Ende der Sintflutgeschichte. Ich werde am Sonntag darauf ein bisschen eingehen. Dann kommt Turmbau zu Babel, Völkertafel, das ist eine Übergangsgeschichte zu Abraham. Aber die Urgeschichte, die eine besondere Geschichte ist, ist keine normale Geschichte, es ist eine Urgeschichte. Die geht drei Kapitel 1 bis 3 und drei Kapitel Sintflut. Die Sintflut ist genau gleich lang, 1 bis 3 und 7 bis 9.

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Beides ist gleich wichtig. Und beides zusammen ist urgeschehen. Mehr will ich jetzt mal dazu nicht sagen. Also in der ganzen Urgeschichte kommt niemals der Teufel vor. Jetzt machen wir mal weiter. Im ganzen ersten Buch Mose kommt niemals der Teufel vor, nie. Jetzt machen wir mal weiter. In der gesamten Thora in den fünf Büchern Mose kommt niemals der Teufel vor. Keine einzige Stelle. In der gesamten Thora, ja warum soll er dann hier vorkommen? Das ist ja völlig absurd. Der Teufel kommt im gesamten Alten Testament in der jüdischen Bibel nur dreimal vor, an drei Stellen. Die sind alle ganz spät nach dem babylonischen Exil. Die älteste Stelle ist das Hierbuch. Da gibt es so ein Gespräch zwischen Gott und dem Teufel, die machen da so eine Art Wette über Hierb.

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Das ist die älteste Stelle. Dann gibt es eine Stelle im Sahariabuch, die ist ein bisschen jünger. Und noch jünger ist eine Stelle im Erste Chronikabuch. Das sind die drei Stellen, wo Satanas vorkommt. Das hebräische Wort für Teufel. Diabolus ist das griechische Wort für Teufel. Also das hebräische Satanas kommt dreimal vor, Hierbuch, Saharia, Erste Chronika. In keiner dieser drei Stellen ist er eine Schlange. Nirgendwo. Ja also wieso soll es dann hier sein? Die Kirchenväter und Martin Luther haben gesagt, ja weil die Schlange listiger ist. Wieso sollen die Schlangen listiger sein? Das ist die List des Teufels. Nein, diesen Kunstgriff brauchen wir gar nicht. Weil die Schlange ist als Tier des Glücks. Das weiß ja jeder. Also es ist nicht nötig hier auf den Teufel zu kommen. Erst viel später im Neuen Testament in der Johanneseffenbarung, da heißt es zweimal der Teufel die alte Schlange.

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Aber ich bitte euch, das ist 500 oder 800 Jahre später. Am Ende vom Neuen Testament. Man kann doch nicht von diesen zwei Stellen, die können wir auch besprechen, aber nicht heute, man kann ja nicht von diesen Stellen, zack, diese Erzählung erklären. Man muss jede Erzählung aus sich selber heraus erklären. Das ist das Eigenrecht eines Textes. Ich kann einen Text nur aus dem Text erklären. Und nicht nur pingpong von irgendwo her. 800 Jahre später. Also hat nichts mit dem Teufel zu tun. Indirekt schon, denn es geht hier schon um was Böses. Es geht hier schon um Raffinesse. Also die Schlange war das klügste Lebewesen, denn sie kann töten ohne mechanische Gewalt anzuwenden. Und deswegen wird hier auch die Schlange gewählt. Und nicht ein Krokodil oder ein Löwe oder ein Eichhörnchen.

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Das ist schon sehr bewusst eine Schlange. Weil die Sünde wirkt wie Gift. Wie Gift. Lautlos. Ohne großen mechanischen Aufwand. Schleichend, sanft und dann bist du tot. Die Sünde braucht auch kein großes Gebrüll. Merkst gar nicht viel. So ein kleiner roter Punkt ist eigentlich gar nichts passiert. Die Sünde wirkt wie Gift. Und deswegen ist hier die Schlange. Worin besteht das Gift der Schlange in dieser Geschichte? Ja, in ihren Worten. In ihren Worten. Ihre Worte wirken wie Gift. Das wollen wir gleich merken. Die wirken auf Eva. Also es kommt überhaupt nicht auf die Gestalt der Schlange an. Sondern wenn ihr mal den Text noch mal lest, fast 80 Prozent von diesem Text ist Dialog. Es ist ein Dialogtext.

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Es kommt auf die Worte der Schlange an. Also konzentrieren wir uns bitte auf die Worte. Und lassen alle religiöse, sinnlose Spekuliererei, haben wir keine Zeit für so einen Unsinn. Aber die Worte der Schlange, die müssen wir genau angucken. Dann gibt es noch ein paar andere Basic-Informationen. Es gibt im Orient, auch in der Bibel, öfters Geschichten, wo Tiere und Pflanzen reden. Es gibt auch in der Bibel die Jothams-Fabel, da reden die Bäume. Also es gibt Pflanzenfabeln, es gibt Tierfabeln. Es gibt Geschichten, wo Tiere reden. Die reden immer so wie Menschen. Eigentlich sind das Dinge, die bei Menschen ablaufen. Das ist bei allen diesen Geschichten so. Tiere können ja nicht reden. Eine Schlange kann natürlich auch nicht reden. Eine Schlange, die redet und die auf diesem Niveau redet mit Eva, ist natürlich ein Mensch. Es gibt ja in dieser Geschichte nur Adam und die Tiere.

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Und reden kann nur der Mensch. Und der Mensch gibt ja den Tieren ihren Namen, auch der Schlange. Da hat Adam auch den Namen gegeben. Und jetzt müsst ihr schon den Bibeltext versuchen, ernst zu nehmen, weil dadurch kommen wir am weitesten. Ich möchte, wenn es irgendwie geht, einen Bibeltext ernster nehmen wie alle anderen. Ich sage nicht, dass ich das hinkriege, aber es wäre mein Wunsch. Also ihr braucht keine Sorge haben, dass ich einen Bibeltext nicht ernst nehme. Die Sorge braucht ihr nicht haben. Also nehmen wir mal den Bibeltext ernst. Es heißt, aber die Schlange war klüger oder listiger als alle Tiere des Feldes. Dieser Komparativ listiger meint im Hebräischen immer innerhalb dieser Bezugsgröße. Also deswegen kann man auch übersetzen, die Schlange war listiger als alle anderen Tiere des Feldes. So ist es tausendprozentig gemeint nach der hebräischen Grammatik. Der Komparativ ist immer zu der Bezugsgröße, die genannt wird.

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Also ist die Schlange selber auch ein Tier des Feldes. Er steht doch da. Wo steht es, dass das eine jenseitige Gestalt ist? Wie kommt man da drauf? Nein, die Sünde beginnt in der Schöpfung. Hier ist nicht irgendwie aus dem Jenseits irgendwas. Es gibt ja in der Urgeschichte gar kein Jenseits. In der Erzählung ist schon da ein Jenseits. Also fantasiert hier bitte nicht rum, sondern lernt es, diese Erzählung ernst zu nehmen. Und wenn ihr das lernt, da wackeln euch die Ohren. Da werdet ihr was lernen. Also die Schlange steht hier stellvertretend für eine raffinierte, destruktive, böse Form der Klugheit unter Menschen. Und eine letzte Hinweise in der orientalischen Erzähltechnik, die man kennen muss.

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Gibt es nirgendwo die Möglichkeit auf einen inneren Dialog? Diese erzähltechnische Möglichkeit ist im Alten Orient unbekannt. Es gibt nicht einen einzigen Text, wo sozusagen das innere Ringen im Innern eines Menschen in einem inneren Dialog dargestellt wird. Diese Möglichkeit ist unbekannt im Alten Orient. Dieses stilistische Element tritt erst wesentlich später auf, im Hellenismus, bei Kirchenvater Augustinus und so weiter. Es gibt also im Alten Orient nur die Möglichkeit, ein inneres Ringen in einem Menschen oder ein Ringen zwischen einem Menschen und einem Menschen, der mit mir spricht, in einen äußeren Dialog zu verwandeln. Ein orientalischer Leser weiß schon, dass die Schlange nicht spricht, sondern das wird sofort so verstanden, entweder ist es ein Kämpfen in dem Menschen selber oder der Mensch spricht mit einem Menschen.

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Also es sind menschliche, es sind Gedanken und Sätze, die in Menschen entstehen. Entweder in einem Menschen selber, kann tausendfach so gemeint sein, oder durch ein Gespräch, dass ein Mensch mich so verführt. Ich kann mich selber auch ein Stück verführen. Dann vielleicht noch die Vorbemerkung, wie es zu so einem Gedanken kommt, wie das Misstrauen gegen Gott auf einmal da ist, das wird nicht erklärt. Und darin steckt das Niveau dieser Erzählung, dass sie darüber nichts sagt. Ihr wisst ja, es gibt kein Leaut, es gibt keine Leerzeilen, es gibt keine Kapitleinteilung. Der Text heißt, und sie waren ein Fleisch, und der Mensch und seine Frau waren nackt, aber schämten sich nicht, aber die Schlange war listiger als alle. Geht hintereinander weg, zack, auf einmal sind diese Gedanken da. War doch gerade noch Garten Eden und es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.

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Also wie kann so ein Gedanke überhaupt entstehen? Kein Wort darüber. Was die Bibel nicht erklären kann, das erklärt sie auch nicht. Das ist ihre Qualität. Woher das Böse kommt, weiß niemand. Das ist ein Geheimnis. Wir wissen über das Böse weniger wie über Gott. Wir wissen auch über Gott wenig, aber über das Böse wissen wir noch weniger. Also darin besteht ja gerade die wirkliche Gefährlichkeit des Bösen, die viele Leute nicht aushalten. Und deswegen tun sie dann so Ableitungsversuche machen. Die stimmen biblisch alle, überhaupt nicht, mit so gefallenen Morgenstern und so weiter. Wenn man die Texte liest, sind alles politische Texte über Großkönige. Aber jetzt bleiben wir mal hier bei dieser Erzählung. Hier müsste doch was an Erklärung stehen und nicht 40 Kapitel später irgendwo.

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Nein, die Erzählung verzichtet auf jeden Versuch. Wenn wir mal genau wissen, woher EZ kommt, dann haben wir ein Mittel dagegen. Solange wir das nicht genau wissen, haben wir auch keine sicheren Mittel dagegen. Und darin besteht gerade die Gefährlichkeit des Bösen, dass du keine Chance hast, Entstehungsgründe zu analysieren. Da müsstest du ja über dem Bösen stehen. Wenn du da deine Forschungen über das Böse... Oh, liebe Zeit. Nein, diese Erzählung, weise wie sie ist, beschränkt sich auf die praktische Frage, und die ist ja wichtig. Wie wirkt das Böse? Und worin besteht das Böse? Oder besser andersrum gesagt, worin besteht eigentlich das Böse? Das ist wichtig. Und wie wirkt es? Also, ihr Lieben, konzentriert euch doch besser darauf.

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Jetzt steige ich mal in die Erzählung ein. Die Schlange beginnt das Gespräch mit einer Frage. Ich hätte da mal eine Frage. Also, sie beginnt das Gespräch mit einer Frage. Sollte Gott tatsächlich gesagt haben, nicht von allen Bäumen im Garten dürft ihr essen? So geht das Gespräch los. Und wenn wir der Schlange auf die Schliche kommen wollen, nicht woher sie kommt, sondern wie sie arbeitet, da können wir auf die Schliche kommen, dank dieser Erzählung. Sie ist die erste und vielleicht einzige Erzählung, die das durchschaut. Also, wir müssen uns diese Frage jetzt wirklich genau angucken. Sollte Gott tatsächlich gesagt haben, nicht von allen Bäumen im Garten dürft ihr essen?

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Also, wir müssen das jetzt mal vergleichen mit dem, was Gott wirklich gesagt hat. Das haben wir ja schon behandelt. Ich kann das jetzt alles voraussetzen. Der erste Satz von Gott ist ja, von allen Bäumen im Garten darfst du essen. Das ist der erste Satz. Und nachdem der einen Punkt hat und fertig ist, jetzt kommt ein zweiter Satz. Nur von dem einen oder aber von dem einen Baum mitten im Garten darfst du nicht essen. Da sollst du nicht essen, sonst stirbst du. Sonst ziehst du dir den Tod selber zu. Und das will ich nicht. Also, was macht die Schlange in ihrer atemberaubenden Klugheit aus diesen Gottes Worten? Es sind ja zwei Gottessätze und die vermischt die Schlange. Luther, der das sehr tief erkannt hat, sagt, die Schlange vermischt Evangelium und Gesetz.

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Und damit ist alles kaputt. Wenn du Evangelium und Gesetz vermischt, dann hast du nur noch Gesetz. Das Gesetz geht nicht kaputt. Gesetzliche Leute wird es immer geben. Aber das Evangelium geht schnell den Bach runter. Das Evangelium ist eine sensible Größe. Also, die Schlange bringt das Evangelium zum Verschwinden. Du kannst jetzt nicht mehr sagen, zuerst hat Gott gesagt, von allen Bäumen im Garten kannst du essen. Ja, da kommt Freude auf, Faszination, Staunen über diese Zusage. Gott ist mir mein Glück, meine Zuversicht, mein Gewinn in diesem Satz. Und nicht ein Gefahr für mein Glück und Gefahr für meine Zuversicht. Nein, Gott ist mein Glück und mein Gewinn. Schau interessant, wie die Schlange von Gott redet. Bis zu dieser Stelle heißt es immer Jahwe Elohim. Jedes Mal.

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Aber die Schlange sagt nur noch Elohim. Weil Jahwe nimmt die nicht in den Mund. Sie will ja das Evangelium verdunkeln. Die großzügige Freigabe, die Faszination, die Begeisterung an Gott. Wenn du von Gott nicht mehr begeistert bist und fasziniert bist, ist eh alles kaputt. Da helfen dir landeskirchliche Ordnungen auch nichts mehr. Also die Schlange bringt erstmal die große, klare, eindeutige Zusage, die ja unser Glück und Gewinn ist, bringt sie zum Verschwinden. Das erste Wort ist jetzt nicht. Das ist das erste, was Gott sagt. Jetzt wird Gott kleinlich, streng, verbietend, schillernd. Musst aufpassen, also so um Gott kannst du auch nicht mehr vertrauen. Das heißt, die Schlange untergräbt das Vertrauen am entscheidenden Punkt.

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Sie bringt die Zusage Gottes, die überraschende, große, wo er voll einschenkt, die bringt sie zum Verschwinden und deswegen auch den Namen Jahwe. Jahwe heißt ja, ich bin für dich da. Ja, den Namen kann die Schlange nicht sagen. Sie redet nur neutral von Gott. Also werten wir mal das aus, was hier passiert. Hier können wir lernen, wie eine Abwendung von Gott beginnt. Das ist ein wichtiger, spannender Augenblick. Das falsche Bild von Gott bewirkt die Abwendung von Gott. Hier wird Gott kleinlicher, strenger, er gönnt dir das nicht. Und da musst du auf, dann wirst du missbrauchisch. Suche mir das Glück lieber nach meinen eigenen Interessen. Der weiß man nicht genau, der schwätzt dauernd dazwischen irgendwie. Man weiß nicht genau, was er einem wirklich gönnt. Der gönnt mir nicht, dass ich mein Leben genießen will.

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Also da muss ich den abschalten. Also es entsteht Misstrauen. Es ist aber ein falsches Bild von Gott. Also ich sage mal ganz radikal. Der Mensch wendet sich von einem Gott ab, den es gar nicht gibt. Schon ein bisschen tragisch. Weil jeder Mensch, der sich von Gott abwendet, hat ein Bild von Gott, das ihn dazu bringt, dass er sich von dem abwendet. Und dieses Bild stimmt nicht. Er wendet sich von einem verdunkelten Gott ab. Und dann passiert es. Gut, das ist der erste Punkt. Der Punkt, an dem die Schlange ansetzt, ist zunächst mal, ihr werdet gleich merken, das ist nochmal ein anderer Punkt, aber zunächst mal ist es das Evangelium, die Zusage. Die Schlange vernebelt die Zusage.

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Der erste Satz Gottes kann nicht mehr wirken für sich. Und Freude auslösen. Er wird ja vermischt. Kennt ihr die religiösen Gruppen, die mit diesem Mischmasch arbeiten? Wo sofort auch immer Pflicht, Gebote, du musst das, du musst aufpassen. Also alles wird gleich moralisiert. Die große ungeahnte großzügige Freiheit, sei spontan, sei unbeschwert. Es gehört alles dir. Habe alles für dich hingestellt. Jetzt kannst du mal per Abenteuer durch den Garten eden. Freu dich, entdecke. Habe alles für dich ausgedacht. Es gibt nicht allzu viele religiöse Gruppen, die in dieser Atmosphäre leben. Die Schlange hat ihr volles Werk getan. Jetzt ist interessant, wie die Eva antwortet.

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Sie antwortet, Carlo, du korrigierst mich, wenn ich es irgendwie nicht genau treffe. Sie antwortet, wir dürfen von den Bäumen im Garten essen. Aber von dem Baum mitten im Garten hat Gott, auch bloß noch Gott, Eva übernimmt schon die Sprachregelung der Schlange, aber von dem einen Baum mitten im Garten hat Gott gesagt, esst nicht davon, rührt ihn auch nicht an, hat Gott ja gar nicht gesagt, damit ihr nicht sterbt. Ich muss Eva loben, die verteilt, irgendwie versucht sie Gott noch, sie kippt nicht gleich um, sie sagt, wir dürfen von den Bäumen im Garten essen, aber. Das heißt, Eva, obwohl sie nach der Erzähltechnik noch gar nicht Originalzeugin war, ist ja nur Adam, aber Adam hat es ihr offensichtlich ziemlich korrekt weitergegeben.

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Im Prinzip weiß sie Bescheid. Wir dürfen von den Bäumen im Garten essen, aber von dem einen. Also sie will, sie merkt das ist Evangelium, das ist was Schönes und was, ja, es gibt wirklich eine Grenze für die Freiheit, aber erst kommt mal die Freiheit und dann die Grenze und nicht ständig immer nur Grenzen. Also sie hat irgendwie noch ein Gespür, sie versucht den ersten Satz vom zweiten Satz noch freizuhalten, aber es gelingt ihr nicht mehr gescheit. Und jetzt ist interessant, erzähltechnisch, Meisterwerk, ein einziges Wort lässt Eva weg. Also sie übernimmt schon mal die Sprachregelung, damit merkt man schon, eigentlich ist jetzt schon alles entschieden. Jetzt sind die Würfel bereits gefallen, die Schlange merkt es auch. Aber interessant ist, dass der Erzähler ein Wort streicht, sehr bewusst. Es heißt im Originaltext von allen Bäumen im Garten dürft ihr essen.

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Und das Wort alle sagt Eva nicht mehr. Sie sagt nur, sie stellt das mehr so faktisch fest, wir dürfen von den Bäumen, aber das alle, das ist das Staunen, die Bewunderung, die Dankbarkeit, die Atmosphäre steckt in dem Wort alle, guck mal das alles und das ist weg. Und wenn das Staunen und die Faszination weg ist, ist alles kaputt. Alles was jetzt kommt, das kommt. Dann ist noch interessant, dass Eva sagt, rührt es auch nicht an. Also sie macht ja Gott jetzt geradezu strenger, das hat er ja gar nicht gesagt. Jeder tiefen Psychologe weiß, warum sie das sagt. Weil sie kurz davor ist, es zu machen. Das spürt sie selber. Sie versucht sich irgendwie nur selber zu bremsen. Sie versucht den Baum jetzt doppelt zu schützen. Das sind schon Vorboten, dass sie gleich kippt.

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Also das Gift hat schon ganz schön gewirkt. Jetzt kommt die zweite Äußerung der Schlange. Mehr brauche es nicht, es läuft immer so ab. Die Schlange merkt, die Wirkung ist getan, der Biss ist gesessen. Es tritt dann schon mal der Tod ein. Und jetzt verlässt sie die Frageform. Jetzt behauptet sie. Der erste Teil ihrer Behauptung ist eine glatte Bestreitung von Gott. Also jetzt geht es ans Eingemachte, stimmt gar nicht, was der sagt. Und dann arbeitet sie selber mit Zusagen. Die Schlange weiß, dass der Mensch durch positive Ziele gewonnen werden will. Das weiß die Propaganda, das weiß die Werbung. Der Mensch möchte positiv gewonnen werden. Aber zunächst mal die Bestreitung. Wahnsinn, Wahnsinn. Die Schlange sagt, ihr werdet bestimmt nicht sterben.

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Wow, wieso sagt denn die ihr? Die kalkuliert Adam bereits ein. Die redet doch nur mit der Schlange. Ah, die weiß, der kippt sowieso gleich. Der schwätzt ja kein Wort. Also die kalkuliert den sowieso. Der ist leichter. Also ihr, sie sagt ihr, ihr werdet bestimmt nicht sterben. Die sterben ja auch dann gar nicht. Sondern Gott weiß, das ist jetzt eine glatte Unterstellung, ein sehr tieferes Misstrauen, der weiß, der weiß, dass wenn ihr das macht, dann geht euer Leben erst richtig los. Jetzt verspricht sie Zugewinn an Lebensqualität. Weil der Mensch, der Sünder, die Nefesh von uns, wir haben Angst zu kurzzukommen. Die große Angst des Sünders ist, ihr könnt zu kurz kommen im Leben. Da hat der Sünder wirklich Angst. Wir kommen auf die Angst noch.

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Die Angst ist hier ein Schlüsselfenomen. Wer sich voreinander schämt, der hat voreinander Angst. Also sie sagt, Gott weiß, wenn ihr davon esst, werden euch die Augen aufgehen. Also ihr kriegt jetzt einen Durchblick. Und dann habt ihr die Sache im Griff. Dann habt ihr das Leben da. Kommt ihr auf den Kick. Das wird ein Leben. Gut, also sie verheißt jetzt. Sie weiß, der Mensch ist ein Kind der Verheißung. Jetzt, Eva guckt den Baum an, mit allen Sinnen sieht, dass er verlockend ist anzusehen. Dass er gut zu essen ist, klug macht. Die Frau will klug werden. Interessant. Und dann greift sie zu. Also sie hat alle ihre Sinne beieinander. Sie wird nicht vergewaltigt. Sie ist eigentlich nicht unter Druck.

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Ich darf euch öffentlich verkündigen, wir sündigen immer gern. Also man greift sie zu. In guter Erwartung. Man könnte sagen, sie hat es eigentlich gut gemeint. Sie erhofft sich was. Jetzt will ich an der Stelle sagen, worin ich noch die Qualität dieser Erzählung sehe. Die Tat selber, wahnsinnig kurz, und sie griff danach und aß. Drei Prozent von dem Text oder fünf Prozent. Die Vorgeschichte zu dieser Tat ist 80, 90 Prozent. Und das ist die Qualität. Es kommt nämlich ihr Lieben gar nicht entscheidend auf die Tat selber an, obwohl die schon wichtig ist. Aber ich sage euch, die Vorgeschichte ist wichtiger. Und das ist der Beginn von Sensibilität, Einfühlungsvermögen und Verstehen. Viele Menschen, auch religiöse Menschen,

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sind tatfixiert. Hast du schon gehört, die Frau Müller von nebenan ist fremdgegangen. Wie es dazu kommt, das interessiert dich nicht. Das kapieren die ja auch gar nicht. Die Selbstgerechten sind rein, jetzt ist sie übertreten, war ja verboten, jetzt hast du es gemacht. Nein, die Qualität dieser Geschichte ist, die Vorgeschichte ist entscheidend. Kapiert das mal. Wenn ihr das kapiert, dass die Vorgeschichte 80 Prozent Raum einnimmt, wird euer Zusammenleben völlig anders. Und dann ist auch interessant, sie nimmt also die Frucht und jetzt heißt es in dem Bibeltext, ich kann nichts dafür, ihr lieben Herren der Schöpfung, ich sage euch, ihr könnt es drehen und wenden, wie ihr wollt. Gut sehen wir da nicht aus. Jetzt gibt also die Frau dem Mann,

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und jetzt steht er dabei, der die ganze Zeit neben ihr stand. Und der ist arm. Kein Wort, dass er mal eingegriffen hätte oder Eva davon abgehalten hätte oder dass er selber gezögert hat. Adam, der erste Mitesser. Der Kerle kippt um in 0, nix. Es gibt fromme Kinderbibeln, da kommt Adam abends heim, des unschulzlamm, und Eva gibt ihm der Apfel, und er weiß ja von nix und ist da halt. Bibelfälschung im Dienste des Patriarchats. Aber er stand die ganze Zeit daneben. Die Herren der Schöpfung, gut sehen wir nicht aus. Was hat die Kirche und was hat die fromme Welt in dieser Geschichte gemacht? Frauenbeleidigungen. Aber die Geschichte hat eine ganz andere Qualität,

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das ist schon Männerbeleidigung. Also jetzt müssen wir uns an der Stelle auch mal fragen, warum wendet sich eigentlich die Schlange an die Frau? Das ist eine wichtige Frage. Da sagen natürlich die Machos dieser Welt, muslimische Machos, jüdische Machos und christliche Machos, die denken im Prinzip gleich. Alle autoritären Säcke dieser Welt vitalisieren den Koran oder die Thora oder die Bibel in ihrem Interesse. Danke. Also, warum wendet sich die Schlange an die Frau? Ja, da sagen natürlich die Leute, das liegt an der Weiblichkeit der Frau. Die Weiblichkeit ist dem Bösen gegenüber schwächer. Sie ist das Einfallstor des Bösen. Gibt es viele Kirchenwetter. Es gibt auch jüdische Lehrer, die das sagen. Es gibt auch muslimische Lehrer, die das sagen. Da sind sie alle gleich. Also die Frau ist das schwache Geschlecht, weiß man ja.

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Wegen Eva ist die Sünde in die Welt gekommen. Ja, warum wendet sich die Schlange an die Frau? Schauen wir mal in diese Erzählung hinein. Ich habe sie vielleicht 2000 Mal gelesen. Ich werde sie sicher noch einmal 2000 Mal lesen. Oder je länger ich halt noch lebe. Ich werde sie sicher noch oft lesen. Denn ich habe den Eindruck, ich stehe selber auch noch am Anfang. Diese Erzählung ist unergründlich. Unergründlich. Ja, es gibt nirgendwo in diesen beiden Kapiteln, ich habe es nirgendwo gefunden, habe schon viele Leute gefragt, keiner hat was gefunden, nirgendwo gibt es einen Hinweis darauf, dass die Schlange sich deshalb an die Frau wendet, weil sie eine Frau ist. Also, dass die Weiblichkeit, es steht nirgends. Es gibt aber erzähltechnisch einen klaren Grund, den natürlich die konservative Männerwelt niemals beachtet hat. Wollen sie ja auch nicht. Was man nicht sehen will, das sieht man auch nicht.

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Man liest ja auch die Bibel mit Klubsch-Augen. Sondern es ist ganz klar, Eva ist nicht die Originalzeugin. Gott hat ja das, ich argumentiere jetzt mal erzähltechnisch, aber das muss man jetzt mal an der Stelle, Eva war ja noch gar nicht da. Also, das heißt, Eva kann den genauen Inhalt des Gebotes nur von Adam übermittelt bekommen haben, und deswegen wendet sich die Schlange an die Eva. Sie ist in dem Fall wirklich das schwächere Teil, aber nicht wegen ihrem Geschlecht, hat damit ja gar nichts zu tun, sondern weil sie nicht die Originalzeugin war. Das ist der Grund. Und der einzige Grund, den man jemals gefunden hat, und der hängt mit der Erzählung zusammen, das ist ein echter Grund, und einen anderen gibt es nicht. Da könnte man ja Mail schreiben, wenn man einen anderen gefunden hat. Aber ich bin da ganz gedroßt, dass keine Mail kommt. Okay, also, so weit mal. Aber jetzt geht es weiter.

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Und als die beiden davon gegessen haben, jetzt gehen ihnen tatsächlich die Augen auf. Der Erzähler wird jetzt sarkastisch. Das ist das Stilmittel der Ironie. Was entdecken sie denn jetzt? Schaut mal vor, die Erzählung würde hier abbrechen. Und da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, wenn jetzt hier aus Versehen die Erzählung... Mensch, schade, schade, jetzt geht es ja los. Es geht schon los, aber der Schuss geht nach hinten los. Sie erkennen, dass sie was zu verbergen haben. Das erkennen sie. Wow, das hat sie sich ganz anders vorgestellt. Das ist ein Kippbild, sage ich euch. Sie erkannten, beide ja, dass sie nackt waren. Aha, waren ja schon vorher auch nackt.

44:02
Aber sie erkannten, dass es jetzt peinlich ist, nackt zu sein. Jetzt auf einmal ist man nicht mehr nackt. Das war doch das Ziel der Schöpfung. Das Ziel der Schöpfung wird jetzt peinlich. Und jetzt ist sehr interessant, diese Nacktheit, um die geht es. Es gibt ja oft so vorher und nachher. Abnahmediät, vorher, nachher. Gucken wir mal hier, vorher, nachher. Sie waren nackt und schämten sich nicht. Sie erkannten, dass sie nackt waren und machten sich Röcke aus... Wie heißt das? Feigenblätter. Feigenblätter und Schürzen aus Feigenblättern. Wie heißt es genau? Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen. Sie wollen jetzt nicht mehr nackt sein. Die Folge tritt als erstes sofort ein.

45:02
Beide sofort Konsens, sie reagieren genau gleich. Muss man nicht viel reden, Feigenblätter her, zudecken. Dann kommt Gott durch den Garten und sagt, Adam, wo bist du? Ich stelle mir das schade, leider haben wir nicht den Tonfall. Ich glaube nicht, dass er sagt, Adam, wo bist du? Ich stelle mir eher so vor, Adam, wo bist du denn? Eher so. Adam, ich hörte dich durch den Garten gehen und ich versteckte mich, weil ich nackt bin. Also nicht einmal die Feigenblätter helfen ihm jetzt. Er versteckt sich, weil er... Schon wieder das Wort nackt. Das hat schon wirklich eine Schlüsselrolle. Ganz am Ende der Erzählung macht Gott selber für die Menschen Röcke aus Fell. Also dieses Phänomen der Nacktheit ist hier schon der Schlüssel. Ja, wenden wir uns nochmal der Nacktheit zu. Also was bewirkt der Griff nach diesem Baum, nach Überzeugung dieses Erzählers?

46:06
Er bewirkt, dass du dich verbirgst, dass du bluffst, dass du deine Schwachstellen zudeckst. Warum machst du das? Es ist nicht mehr gut, ganz offen zu sein. Warum eigentlich nicht mehr? Bis jetzt war es doch das Schönste. Stell dir mal vor, du bist ganz offen, unverhüllt. So müsste man das Wort nackt sagen. Du bist ganz unverhüllt, körperlich und auch dein Personenzentrum. Aber du siehst keine Gefahr, du musst dich nicht schämen, es ist dir nichts peinlich. Da ist Heimat. Wo du dich nicht mehr schämen musst, dort ist deine Heimat. Aber jetzt schämen sie sich. Sie schämen sich. Warum schämt man sich eigentlich, wenn man ein Sünder ist? Warum schämt man sich, wenn man nach diesem Baum greift? Also das versuche ich jetzt mal auf den Punkt zu bringen.

47:04
Der Baum ist ja der Baum der Erkenntnis des Guten und Schlechten. Und wenn du jetzt nach diesem Baum greifst, tritt folgendes ein. Das Gute verändert sich. Es ist nämlich jetzt das, was für dich vorteilhaft ist. Das ist das Gute. Das Gute ist dein Vorteil. Aber wenn du jetzt durch diesen Griff das Gute egozentrisch siehst, das Gute ist das, was mir Vorteile bringt, dann ist das beim anderen auch so. Für den ist das Gute auch sein Vorteil, seine Karriere, sein guter Platz, sein Outfit. Jetzt musst du aufpassen. Weil wenn der andere das Gute so versteht, dass es sein Vorteil ist, jetzt musst du deine Schwachstelle aber schnell zumachen, weil wenn der andere das Gute als seinen Vorteil versteht,

48:02
dann wird es gefährlich. Der Sünder versteht unter dem Guten erst mal das, was für ihn gut ist. Jahwe Elohim aber denkt im Interesse von uns allen. Es wäre vielleicht doch besser gewesen, die Unterscheidung von Gutem und Schlechtem Gott zu überlassen, der an uns alle denkt, gleichermaßen, im Interesse von uns allen, als dass wir danach greifen und wir das jetzt verwalten. Und da schämen wir uns dann. Ich muss jetzt noch mal auf das Schamgefühl zurückkommen. Das Schamgefühl ist eine sehr rätselhafte Sache. Die Tiefenpsychologie und die Psychologie, wir haben ja mehrere Psychologen bei uns an der Hochschule, sagen unisono, wir wissen nicht, woher das Schamgefühl kommt. Niemand weiß es. Niemand weiß es. Es ist ein Rätsel. Aber es kommt ziemlich früh. Und das Schamgefühl ist nur bei Menschen, Tiere schämen sich nicht.

49:03
Sie haben ja auch keine Kleider. Wenn die Katze vom Tisch herunterspringt, weil sie am Salami rumgenascht hat und jemand kommt rein, dann schämt die sich nicht. Die hat einfach Angst vor Strafen, die weiß, was jetzt los ist. Nur wir Menschen können uns schämen. Und wenn wir uns schämen, oder modern gesprochen, wenn uns etwas verdammt peinlich ist, das hast du schon erlebt, wenn dir etwas wahnsinnig peinlich ist, da fühlst du dich nicht besonders glücklich. Also wir schämen uns aller möglichen Dinge. Wir schämen uns unserer Ungeschicklichkeit, unserer Unbildung. Wir schämen uns schlechter Gedanken und schlechter Taten. Eigentlich könnte man doch sagen, warum schämen wir uns eigentlich? Ich habe mal eine Frage. Warum schämt ihr euch eigentlich? Warum schäme ich mich eigentlich? Ich würde sagen, wir haben doch alle unsere schlechten Seiten. Du hast eine schlechte Seite, du hast eine schlechte Seite,

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ich habe meine schlechte Seite. Also brauchen wir uns doch nicht zu schämen. Wir haben doch alle unsere schlechten Seiten. Aber das funktioniert nicht, sage ich euch. Warum eigentlich nicht? Warum nicht? Es ist doch keiner von uns wirklich besser als der andere. Warum schämen wir uns voreinander? Kann ich euch sagen. Wir schämen uns voreinander aus Erfahrung. Aus Erfahrung. Und die beginnt bei Zweijährigen. Weil wir aus Erfahrung wissen, was passiert, wenn die Mitwelt hinter alles kommt, was ich mache. Gott sei Dank noch nicht hinter die Gedanken. Das wäre dann aber wirklich, wenn ich jetzt losgehe. Weil wir haben Angst, dass dabei was herauskommt, was auf andere einen lächerlichen Eindruck macht. Ihr könnt mir schon vorstellen, dass ich hin und wieder einiges tue, das wüsste, das fändet ihr verdammt lächerlich. Das wäre mir peinlich. Oder auch, auf manches wärt ihr vielleicht neidisch, da kann ich auch nichts davon kaufen, über manches wärt ihr vielleicht empört und erschüttert,

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dass der Siggi Zimmer, hätte man nicht gedacht von dem. Ist ja auch gut, dass ihr es nicht wisst. Also aus Erfahrung wissen wir, die Umwelt würde da nicht besonders freundschaftlich reagieren. Manche Leute, die uns nicht leiden können, ich sag euch, für die wäre das ein gefundenes Fressen. Die würden das bei passender Gelegenheit mal verwenden. Aber auch andere, die uns gut leiden können, manche wären einfach überfordert. Die könnten mit meinen Sorgen, ich höre mir oft Sorgen von Menschen an, und ich sag euch, manchmal habe ich mit mir selber genug, ich habe ja auch eigene Sorgen. Das erleben wir auch oft. Jetzt mache ich ein seelisches Striptisch, aber der andere, der hat mit sich selber genug zu tun, der kann sich doch gar nicht in meine Lage versetzen. Also mein seelisches Striptiv läuft ins Hole. Und manche sind auch regelrecht gleichgültig, das sind Rizzierte, kein Pappala Papp, was mit mir los ist.

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Und das ist so die Bandbreite. Manche würden es gegen mich verwenden, manche würden überfordert sein, manche wären enttäuscht, manche wären neidisch, und manche wären völlig teilnahmslos. Ja, da verstecke ich mir lieber. Und so kommt es, dass wir alle bluffen. Wir alle sind Weltmeister im Bluffen. Ist hier jemand in diesem Raum, guckt mir jemand im Internet zu, der nicht blufft, meldet euch bei mir. Gibt es einen Menschen, der nicht blufft? Glaube ich nicht. Und in diesem Wir-Bluffen-Alle, da steckt die Sünde. Dass wir bluffen, dass wir eine Fassade aufbauen, dass wir eine Rolle spielen, eine Maske aufsetzen, eine biedere, eine selbstsichere, dabei sind wir gar nicht selbstsicher, das meine ich alles mit Bluff. Wir sind nicht unverhüllt. Wer von uns kann es sich leisten,

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offen auszusprechen, was er über andere denkt? Wer macht das? Wer denkt seine intimsten erotischen Sehnsüchte an die große Glocke? Vielleicht ein paar gestörte. Wer spricht über seine intimsten Ängste? Irgendwie schaffen wir das nicht. Warum nicht? Wir haben Angst vor dem Durchschautwerden, oder genauer, wir haben Angst vor dem Verletztwerden. Wir haben Angst, dass wir schwer verletzt werden. Und das ist der Griff nach diesem Baum. Denn wenn wir nach diesem Baum greifen, wenn wir entscheiden, was gut ist, es ist immer erst ich, aber beim anderen auch. Und in allem, was wir äußern, je sensibler es wird, desto gefährlicher wird das Gelände. Was haben sich Menschen schon gegenseitig verletzt? Mir fällt gerade ein Beispiel ein. Ich musste in einer Kirchengemeinde vor vielen Jahren,

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wo ich war wie K. und Pfafferweser, musste ich einen Mann beerdigen, der sich in der Garage erhängt hat. Und seine Tochter hatte zwei Wochen vorher Konfirmation bei mir. So war also meine Konfirmantin. Zwei Wochen später findet sie ihren eigenen Papa in der Garage erhängt an der Garagendecke. Ich habe später dann, ich habe ein bisschen mich unterhalten, habe später gehört, dass bei einer Familienfeier, Konfirmationsfeier, bei den Familienfeiern, das sind ja mit so die brisantesten, sagt so eine engere Verwandte, die ihn ja kennt, du laut, laut durch den Raum, du warst ja schon immer ein Niete. Zwei Wochen später erhängt er sich. So können sich Menschen verletzen. Ist nicht immer so schlimm. In einem Schulbus sagt eine Achtklässlerin zu einer Sechsklässlerin, wenn ich so aussehe wie du, dann hätte ich mich schon längst umgebracht.

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So geht es so. Also, ich meine, da ist man lieber ruhig, weil wir können schnell verletzt werden. Und das wird ja auch anerkannt in einer modernen Demokratie, dass jeder Mensch einen geschützten Privatbereich braucht, wo er vor dem Zugriff der Öffentlichkeit geschützt ist. Deswegen Telefongeheimnis, Briefgeheimnis. In der Bundesrepublik hat jeder Teenager, Junge und Mädchen, ab dem 14. Geburtstag das Recht auf ein Kinderzimmer, das er abschließen kann. Das ist ein Recht für 14-Jährige, dass man ihnen einen Schlüssel gibt und dass der Papa nicht einfach reinkommt bei der 14-jährigen Tochter. Die darf auch die Tür abschließen. Dann klopft der Papa, Regina, darf ich rein? Gerne, Papa, komm rein. Das ist der Schutz der Privatsphäre. Ab 14 wird er immer stärker. Und Kant sagt einmal, wer das Recht auf Geheimnis bestreitet, dass der Mensch ein Recht auf Geheimnis hat,

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der ist ein Hochverräter der Menschheit. Recht hat er. Also, wir brauchen, aus dieser Gefahr heraus, brauchen wir einen geschützten Rückzugsbereich, einen Privatbereich, wo wir vor dem Zugriff des Krähengerichts geschützt werden. Aber so richtig das alles ist, ich bejahe das ja, ich bin ja ein Demokrat und ich bejahe den neuzeitlichen demokratischen Rechtsstaat und bejahe diese Schutzbestimmungen, ist es nicht trotz allem traurig, dass wir sie brauchen. Ist es nicht das Zeichen für einen schweren Schaden, dass wir uns voreinander schützen müssen? Und das ist nach dieser Erzählung der Schaden. Die Sünde zeigt sich empirisch. Die Sünde ist keine religiöse, blöde Behauptung, sondern in dem Wort Sünde, wo viele sagen, was ist denn Sünde? Ja, das ist was ganz Praktisches, das spürst du jeden Tag,

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nämlich, dass du bluffen musst, dass du eine Rolle spielen musst, dass du Maske haben musst, dass du nicht offen und ehrlich zu anderen Leuten reden kannst. Du musst immer diplomatisch bleiben, darauf achten, was kann ich hier sagen, was kann ich da sagen. Unter Freunden kann man offener werden, aber auch da gibt es Grenzen. In der Ehe kann man noch offener werden, aber auch da, es gibt auch in der Ehe durchaus noch ein Recht auf Geheimnis. Musst du nicht alles wissen. Es wird schon gestattet, es ist ja nicht gleich ein Geheimnis gegen dich. Vielleicht braucht auch der Ehepartner einen Schutz. Also wir kommen über diesen Punkt nicht hinaus. Also die Tragik dieses Griffes nach der Baum ist, wenn die Entscheidung, was gut und schlecht fürs Leben ist, langfristig tatsächlich, in die Hand des Menschen gerät, treibt es uns auf Distanz.

58:01
Werden wir Gegner, sickert das Misstrauen ein, müssen wir unsere Schwachstellen verstecken und wir schämen uns voreinander. Und wer sich voreinander schämt, der hat voreinander Angst. Es wird immer wieder listige Menschen geben, die listig sind. Und es sind die, die an ihren Vorteil denken. Und es wird immer Menschen geben, die besonders listig sein wollen. Die gibt es immer, die sterben nicht aus. I. I. möchte besonders listig sein. Aber weise ist es, nicht listig, sondern weise, wenn wir die Entscheidung über das lebensförderliche und das lebensbeschädigende Gott überlassen, im Interesse an uns allen. Und diese Erkenntnis, dass wir in diesem Leben vor dem Tod unser Innerstes nicht entriegeln können, nicht offenlegen können,

59:01
nicht in den Wunden der Welt, nicht in den Wunden der Welt, sondern in den Wunden der Welt. Und das ist das, was Gottfried Benn in einem beeindruckenden Gedicht ausgedrückt. Lies es mal bitte laut und langsam vor. Die vielen Dinge, die du tief versiegelst, durch deine Tage trägst in dir allein, die du auch in Gesprächen nie entriegelst, die so erlittenen, darin du heimlich gehst, die kannst du erst in jener Sphäre lösen, in der du stirbst und auferstehst. Ich stimme diesem Gedicht zu. Der Sünder kann vor seinem Tod vieles nicht entriegeln. Er braucht die Feigenblätter bei seinen Schwachstellen. Jetzt komme ich noch auf einen letzten und für mich wichtigsten Punkt. Also blicken wir mal auf diese Geschichte zurück.

60:03
Am Ende spielt die Angst eine auffallende Rolle. Kaum der Griff nach dem Baum, schon bedecke ich meine Schwachstellen. Nacktheit kann ich mir nicht mehr leisten. Also das ist ein großes Phänomen der Angst. Bleiben wir mal bei der Angst. Die Lebensangst, die Daseinsangst spielt für uns Menschen eine ganz schicksalhafte Rolle. Die Schlange setzt bei einem bestimmten Punkt ein. Nämlich einerseits bringt sie das Evangelium, die Zusage zum Verschwinden. Darüber redet sie gar nicht. Aber worauf sie hinweist, ist auf ein Verbot. Nicht von allen Bäumen. Also sie geht noch mal auf dieses Verbot zurück. Die Zusage nicht aber auf das Verbot. Gehen wir noch mal zu diesem Verbot. Da sagt Gott aber nach dieser großen Freigabe,

61:03
wir haben ja keinen Mangel, wir haben ja genug, aber von dem einen Baum mitten im Garten sollst du nicht essen. Denn wenn du von ihm isst, an dem Tag, an dem du von ihm isst, wirst du sterben. Jetzt ist das Wort Sterben da und damit eine Gefahr. Es könnte sein, dass du stirbst. Auf einmal durch dieses Verbot wird ausgedrückt, das Leben des Menschen hat eine Gefahr. Es hat eine tödliche Gefahr. Greift er nicht hin, es könnte tödlich sein. Und jetzt kommt eine Angst. Das ist aber noch nicht eine sündige Angst, das ist eine kreatürliche Angst. Die kommt durch dieses Verbot. Ich will euch jetzt mal versuchen zu erklären, warum. Dieses Verbot drückt irgendwie aus, du, das Leben ist kein Kinderspiel. Greif nicht danach, da gehst du kaputt.

62:00
Das wäre ein Fehler, das wäre ein schwerer Fehler. Mach es besser nicht. Und dadurch wird ausgedrückt in dieser orientalischen Bildersprache, das Leben ist gefährdet. Das ist tatsächlich so. Und jeder Mensch spürt, Mensch, Meier, ich könnte auch scheitern. Ich kann ja tun und lassen, was ich will, ich habe einen freien Willen und so weiter. Aber der Mensch spürt, ich könnte in aller Freiheit das Falsche tun. Ich kann mein Leben gestalten, aber vielleicht merke ich, dass ich es verunstaltet habe. Und ich kenne Leute, die auf ihr Leben zurückblicken depressiv, weil sie sagen, eigentlich habe ich 30 Jahre lang, ich kann es aber nicht mehr, was habe ich für Gespräche geführt. Der Mensch spürt, ich bin selber ein Problem, ich könnte es selbst falsch machen. Der Mensch spürt, dass er sich selber eine Gefahr ist, weil das Leben ist kein Kinderspiel. Der Mensch spürt, ich könnte auch scheitern.

63:01
Und es sind ja auch schon viele gescheitert. Und der Mensch spürt es und da kommt eine Angst auf. Das ist die kreatürliche Angst, die niemand erspart bleibt. Ich habe sie auch. Weil das Verbot drückt aus, es gibt wirklich eine Gefahr im Leben. Das Leben ist nicht automatisch ICE, Luxuswagen, und da gehst du mal so durchs Leben. Nein, du kannst ganz ordentlich stolpern. Das Leben kann ganz scheiße daneben gehen. Und die Gefahr sehen wir. Wir spüren sie. Man kann sie mal zudecken, drei, vier Jahre, dann kommt sie wieder hoch. Und zwar ist es eine Gefahr, von der wir manchmal relativ deutlich spüren, die sind wir selber. Ich selber bin auch ein Problem. Wir vertrauen auch manchmal uns selber nicht. Ich könnte einen Fehler machen. Es ist noch nicht ausgemacht, ob ich in den nächsten fünf Jahren schwere Fehler mache. Und diese Angst schmerzt.

64:00
Sie tut uns weh. Jede Angst schmerzt. Und diesen Schmerz wollen wir loswerden. Oder zumindest bewältigen. So weit ist alles gut, das ist im Leben so. Leute, ich habe auch meine Daseinsängste. Ich will sie auch loswerden oder wenigstens bewältigen. Das ist die kreatürliche Daseinsangst, die jeder wache Mensch, der sich nicht in Drogen, Alkohol oder sonst wie durch Zerstreue, amüsiert. Aber jeder Mensch hat diese kreatürliche Daseinsangst, denn in dem Verbot wird ausgedrückt, es könnte tödlich werden. Und jetzt kommt die Schlange und macht Folgendes. Die Schlange sagt, du bist gar nicht das größte Problem für dich. Gott ist das Problem. Die Schlange verlagert die Angst auf Gott.

65:00
Die Schlange sagt in Wahrheit, ich sage dir mal, wie du deine Lebensangst am besten bearbeiten kannst. Schieb sie auf Gott. Wehr dich einfach gegen Gott, das lenkt ab von dir. Die Schlange sagt, Gott ist das Problem. Der gönnt dir das nicht. Du bist nicht dein Hauptproblem. Die Schlange sagt, du bist nicht dein Hauptproblem, sondern Gott. Ich sage dir aber, du bist dein Hauptproblem. Du, nicht Gott. Du bist das Problem, du bist eine Gefahr. Und glaub bloß nicht, dass du deine Lebensangst dadurch wegkriegst, dass du religionskritisch wirst. Dadurch kannst du deine Daseinsangst nicht angemessen bearbeiten, sondern du musst erkennen, dass du selber das Problem deines Lebens bist und nicht Gott. Wenn du aber erkennst, dass du selber dein größtes Problem bist, dann kannst du beginnen, deine Lebensangst angemessen zu bearbeiten.

66:05
Wenn du aber sagst, Gott bedroht mein Glück, Gott gönnt mir meine Karriere, meine Geldgier und alles Mögliche nicht, dann wirst du misstrauisch gegen Gott. Aber wenn du Gott nicht mehr vertraust, wem denn dann? Gott bedroht doch gar nicht dein Glück, sondern Gott ist dein Glück. Wenn du das Gefühl hast, dass Gott gegen dich ist, wer kann dann für dich sein?

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Die Sache mit der Schlange (Genesis 3, 1–7) 7 3.3.3

6. Vortrag zu Genesis 2 von Worthaus 3 – Weimar: 31. Mai 2013 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

»Der Apfel, den Frau Eva brach, uns zuzog alles Ungemach«, so lautet ein deutsches Sprichwort. Die Geschichte von Eva, der Schlange und der Frucht am Baum der Erkenntnis ist eine der bekanntesten Bibel-Geschichten überhaupt – und eine der fehlinterpretiertesten obendrein. Siegfried Zimmer klärt zentrale Fragen rund um den sogenannten Südenfall auf: Ist die Schlange der Teufel? Ist die Frau besonders schuldig? Was ist überhaupt Sünde? Warum macht dem Menschen das Sündigen so eine Freude? Der Griff nach dem Baum zwängt den Menschen hinter Masken und in Rollen, weckt die Angst vor dem Verletztwerden, schürt Misstrauen, macht den Großmütigen zu einem scheinbar kleinlichen Gott. Die Schlange hat Giftzähne – die Sünde auch.