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Musik Thema in diesem Vortrag ist Sören Kirkegaard. Wir haben ja eine Worthausreihe über große Theologen und da gehört Sören Kirkegaard absolut zu. Jürgen Habermas, der wohl weltweit bekannteste deutschsprachige Philosoph der letzten 50 Jahre, hat das seinem großen Lebenswerk über Glauben und Wissen noch einmal deutlich unterstrichen. Er sagte, Sören Kirkegaard ist der letzte Theologe, der nicht nur die Theologie und die Kirche, sondern auch die Philosophie und das allgemeine Denken nachhaltig geprägt und beeinflusst hat. Da muss ich als Theologe erstmal schlucken und sagen, ja sind wir seit 170 Jahren alle Ballaballer, kommt da nichts mehr oder so. Ich habe mir einfach ein bisschen gedacht, ja wie? Aber wenn man sich jetzt mal ein bisschen umschaut, ja, also es gibt auch in den letzten 170 Jahren

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kluge Köpfe, große Theologen, aber wenn das die Frage ist, Theologen, die das Denken verändert haben, das Menschenbild, die Auffassung, was es heißt, ein Mensch zu sein, dann ist in der Tat seit Kirkegaard keiner mehr, der als Theologe so einen Einfluss hatte, weit über den Bereich von Theologie oder Christentum und Kirche hinaus. Genauer wird das Thema sein Angst und Glaube oder besser Glaube und Angst. Kirkegaard hat viel geschrieben, viel gemacht, wir werden an einer zentralen Stelle mal eine Vorung unternehmen, damit aber wirklich auch einen Blick auf das Ganze bekommen. Wer war Sören Kirkegaard? Er kommt aus Dänemark, er lebt 1813 bis 1855, er hat Theologie studiert, er hat Philosophie studiert,

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er lebte weitgehend in Dänemark, er hat ein Jahr in Berlin gelebt und studiert, er stammt aus einem pietistischen Haus und er hat die Erfahrung gemacht, dass er in einer streng christlichen Erziehung sehr Gutes und sehr Schwieriges mitbekommen hat. Mit der besonderen Kombination, dass er in dieser pietistischen Erziehung Dinge mitbekommen hat, die ihn gleichzeitig irgendwo kaputt gemacht haben für ein ganzes Leben und gleichzeitig Dinge mitgegeben haben, mit der er ungeheuer Schweres auch tragen konnte. Und das ist manchmal die Schwierigkeit bei christlicher Erziehung, dass so beides ineinandersteckt. Das was dich leben lässt und was dir Kraft gibt und ohne dass du nicht sein möchtest und was dir

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gleichzeitig so beigebracht wurde, dass du Schäden bekommst, an denen du dein Leben lang zu tragen hast. Er hat die Erfahrung einer kurzen glücklichen Liebe gemacht und eines ungleich viel längeren Schmerzes darüber, dass diese Liebe sich nicht verwirklichen ließ. Er hat studiert, er hat promoviert, er hat Bücher verfasst und er war in der Lebenssituation nie arbeiten zu müssen. Er hat genug geerbt, um damit klarzukommen, das hat gute Seiten und schlechte Seiten. Er hat nie einen Beruf, ein Amt übernommen, sondern hat geschrieben. Und er hat in zehn Jahren wildesten Denkens und Schreibens ein Werk hinterlassen, an dem man sich bis jetzt weltweit abarbeitet. Und als das Geld zu Ende ging, von dem er lebte,

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hatte er noch eine große Auseinandersetzung mit der Kirche und mit der Gesellschaft und in den Medien und dann starb er. Und hinterließ ein buntes, weit gefächertes Werk, auf der einen Seite philosophische Abhandlungen, die so kompliziert sind, dass auch keiner vom Fach die mal so einfach runter liest, gleichzeitig aber auch Dutzende von Predigten, religiöse Reden, wie er manche auch nennen kann, aber auch viele Predigten, die er selten gehalten hat, aber auch, aber oft geschrieben, von denen Menschen heute noch leben und zehren können. Er hat wahnsinnig viele Tagebuchbände hinterlassen, Briefe, auch ein paar literarische Versuche. Und ich möchte ein wenig versuchen, einen Weg zu ihm zu baren mit diesem Thema Glaube und Angst. Fangen wir mit dem Stichwort Glaube an. Was ist Glaube? Und jetzt ist es bei Kierkegaard so, wie es überall ist. Kontext, Kontext, Kontext. Jetzt kommt nicht,

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was der Glaube immer ist und ewig und ein für alle Mal und so, sondern was ist Glaube für Kierkegaard in dieser Zeit? Er lebt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Was ist da die Herausforderung? Er wird in einer ungeheurig spannenden Zeit geboren und jetzt könnte man sagen, so vor der Schule oder vom Studium her, ah ja, nach der Aufklärung, würde einem so einfallen. 1813 schon geboren, ah ja, ja, ja, ja, nach der Aufklärung. Ja, lebt bis in die 50er Jahre, dann hat er ja schon, was weiß ich, 1848 Revolution und Demokratie und Sozialismus, da läuft ja alles, also einer unserer Welt. Ja, im Rückblick scheint es uns manchmal so, dass man sagt, ja, der ist ja im Grunde schon nach der großen Wasserscheide, großen Revolutionen sind alle passiert und das war in dieser Zeit aber ja alles andere als sicher. Man ging nicht 1819 in der Schule und hörte dann, herzlich willkommen, liebe Schüler,

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wir leben ja nach der Aufklärung jetzt so seit 30 Jahren, herzlich willkommen, da stand viel auf der Kippe. In der Zeit, wo Kierkegaard geboren wird, sind die großen Franzosenkriege, also muss man sagen, fast vorbei und nicht ganz vorbei, klar, Russland fällt zu, Krachen gescheitert, Wiener Kongress, dann der letzte Aufruhr, Waterloo, Napoleon, also das ist in diesen Jahren, das bestimmt die frühe Kindheit und das hatte für die damalige Gesellschaft ja ungeheure Bedeutung. War eine ungeheure Frage, was war das denn da im 18. Jahrhundert, was waren das für Revolutionen, was waren das für Zeiten, wo Könige die Köpfe abgeschlagen wurden, was waren das für wahnsinnige Ideen von Volkssouveränität, von Abschaffung der Monarchie, was ist da losgewiesen und es gab eine große Mehrheit in Mitteleuropa,

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die im Geburtszeitraum Kierkegaard 18 oder 13 und so das Gefühl hatte, Gott sei Dank ist dieser böse Alptraum vorbei, Gott hat sehr klar gesprochen, was er davon hält. Große napoleonische Armee ist nach Russland gezogen, kam auch bis Moskau, aber die Mächte des Glaubens haben gezeigt, dass sie dem Aufruhr der Gottlosigkeit und der angemaßten Selbstverherrlichung des Menschen zu widerstehen wissen. Dieser Aufruhr im Namen von Menschenrechte und Demokratie und Freiheit ist krachend gescheitert. Ein Großteil der französischen Armee, der Grand-Armee wurde aufgerieben, wurde teils in Schlachten besiegt, aber man könnte sagen, Gott selbst hat sie besiegt durch russischen Winter, durch Sümpfe, durch Flüsse und dieser Napoleon ist gestürzt

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und das war es dann auch. Heilige Allianz, das Bündnis von Thron und Altar steht, der Glaube und die Krone sind in alter Eintracht zurück und wir alle haben gelernt, der Aufruhr von unten hat keine Chance. Selbst steht dagegen, die Jahreszeiten stehen dagegen, alles steht dagegen und diese angemaßte Aufklärung war im Grunde eine ungeheure Verirrung. In den frühen Lebensjahren und Jahrzehnten Kirkegors erlebt Europa starke Erweckungsbewegungen, geistliche Aufbrüche, die alle sich im Grunde empfinden als Frühlingszeiten der Kirche, dass sie sagen, der Glaube kehrt zurück, der Unglaube schwindet, der Glaube bricht sich wieder Bahnen und Gott sei Dank leben wir in den Zeiten, wo gläubige Könige und Fürsten und gute, fromme Obrigkeit

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wieder dafür sorgt, dass Frieden einkehrt. Ja und das war eine Zeit und das waren 10, 20 Jahre, wo das ganz sicher ein Mehrheitsgefühl in Mitteleuropa gewesen ist. Und dann erlebt Kirkegors andere Jahrzehnte, die 1830er, 40er Jahre. Wir reden in Deutschland oft vom Vormärz, eine ganze Zeit nennen wir Vormärz, warum? Naja März 1848, Februar 1848, Frankreich, es ist doch eine Zeit, es ist irgendwie eine Inkubationszeit und die wachen Menschen spüren das. Viele merken das, irgendwie ist die Weltgeschichte auch noch nicht ganz beruhigt, es geht irgendwie weiter. Es gab eine Phase, da hatten viele das Gefühl, die Weltgeschichte ist an einem Ziel gekommen und gerade die Philosophie des deutschen Philosophen Hegel stand vielerorts dafür,

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gerade auch in Dänemark gab es eine große Begeisterung und dieses hegelianische Gefühl sagte, wir sind einen weiten Weg gegangen als Menschheit und sind jetzt angekommen in einer Phase großer Versöhnung. Christentum und Kultur haben endlich einen Ausgleich gefunden. Keine absolute Macht mehr der Kirche, das ist despotisch, aber auch keine gottlose Gesellschaft oder gottlose Obrigkeit, sondern eine christliche Gesellschaft, die zwischen Staat und Kirche unterscheidet, wo Glauben und Denken frei sind, aber aufeinander verbunden, die denkenden Menschen sind Gläubige, weil sie begriffen haben, dass das Christentum nicht nur irgendwas ist, auch keine Verirrung oder Krankheit wie die gottlosen Philosophen der Aufklärung dazu sagen, sondern das Christentum, die Religion ist eine objektive Gestalt des Geistes, ist eine Gestaltwerdung der Vernunft und

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völlig notwendig, völlig unverzichtbar. Und dieses Objektive, was sich im Christentum realisiert im Glauben, ist nicht vernunftfeindlich, sondern hier wirkt ein Gott der Freiheit, hier wirkt auch ein Gott, der Geist ist, der vernünftig ist und darum haben wir heute auch Philosophie und Kunst. Wir haben Idealismus und wir haben Klassik und wir haben im Grunde eine Gesellschaft, in der die Gegensätze vermittelt sind zwischen Christentum und Kultur, Glauben und Denken, Aufklärung und Romantik, Fortschritt und Tradition, Wissenschaft und Arbeitssinn der einfachen Bevölkerung und der Glaube gehört absolut dazu, er herrscht nicht mehr, er ist aber gerettet auch durch philosophische Einsicht, die erklären kann, warum alles ist, wie es ist, weiß der Glaube ist ganz unverzichtbar und wer kann,

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der begreift das auch und der versteht unsere wohlgegliederte Welt und so war 10, 20 Jahre ein Gefühl, so ist es, so kann es bleiben, jetzt ist Ruhe, jetzt ist Frieden und man nimmt erst manchmal so ein bisschen Biedermeier, weil man auch sehr zufrieden mit sich war und dann die 30er, 40er Jahre, die sterben auf einmal alle, Hegel, Goethe, Schleiermacher, okay, war mitzurechnen, ein bisschen früh Hegel und so und was kommt dann, wie macht man weiter, ja lauter so komische Geister, so Sachen wie Georg Büchner, der stirbt schon ein bisschen früher, wird gelesen, Heinrich Heine, Ludwig Feuerbach, Karl Marx, Friedrich Engels, lauter so Geister, wo so viele sagen, ja was ist denn mit denen los, es war doch eigentlich alles geklärt, jetzt können doch da nicht Leute kommen und sagen, es gibt keinen Gott, das ist ja Wahnsinn, es war doch, wir hatten doch alles im Griff, man kann doch jetzt nicht kommen und sagen, die Gesellschaft, das System ist korrupt,

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das ist doch alles ganz vernünftig, wir haben doch hier Frieden im Grunde, was ist denn da los, selbst innerhalb der Religion des Christentums, da schreibt ein Theologe, David Friedrich Strauss, ein Leben Jesu Buch und sagt, das meiste, was in der Bibel steht, was Jesus gesagt hätte, hat er gar nicht gesagt, das ist alles gar nicht so passiert vieles, es sind lauter Mythen, so der kriegt keine Stelle, der wird ausgeschlossen, halten alle für wahnsinnig, für gefährlich, er warnt davor und sagt, wer liest denn so ein Zeugs, jeder der Hegel gelesen hat, der weiß doch im Grunde, das ist alles nichts, aber es sind immer mehr Nichtse unterwegs und man kann hoffen, dass die irgendwann auch Hegel lesen oder wenigstens Schellingen oder Schleiermacher und zur Vernunft kommen, aber das passiert nicht und Kierkegaard erlebt in einer Zeit, wo das Selbstverständliche neu brüchig wird, wo eine sehr gefestigte Welt, die glaubt, das Ende der Geschichte zu sein, auf einmal merkt,

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die Welt dreht sich weiter, es war nicht das Ende der Geschichte, das war nicht das große Finale und jetzt ist nur noch Applaus, Applaus und wir leben glücklich und zufrieden in den Sonnenuntergang hinein, sondern die Welt ist in Unruhe und irgendwas scheint noch zu passieren und scheint zu kommen. Das ist die Zeit Kierkegaards und in dieser Zeit fragt er, was ist Glaube eigentlich? Die große Strömung in Dänemark sagt, Glaube gehört dazu, du bist getauft im Glauben, du wirst groß im Glauben, Glauben im Christentum ist ja Vertrauen auf Gott, ist Zustimmung zur christlichen Lehre, das ist auch etwas ganz Vernünftiges, gar nicht vernunftsfeindlich und das gehört irgendwie dazu und du kannst begreifen, dass der Glaube notwendig ist,

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du kannst es verstehen, das ist im Grunde menschlich und es ist vernünftig, es ist für die Gesellschaft wichtig, es ist für die Kultur förderlich, es ist alles in Ordnung, macht dir da mal keine Sorgen und Kierkegaard fing sich aber an Sorgen zu machen und war hin und her gerissen. Er hat eine sehr komplizierte Biografie, er ist weitgehend immer innerhalb des christlichen Glaubens gewesen und geblieben, geht aber durch abgründige Zweifel und Brüche hindurch, gerade auch in seiner Frühzeit, wo ihm das alles auf dem Spiel steht, weil er denkt, alle sagen, macht dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung, aber es gibt kluge Leute, die kluge Fragen stellen und warum tun wir so, als wäre das alles unwichtig und egal und ohne Gewicht und nicht relevant. Kierkegaard geht die großen Angebote seiner Zeit durch, das machen wir jetzt auch schnell, das Systemangebot ist ganz schlicht dies, am Glauben kann man gar nicht

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verzweifeln, denn der Glaube hat sich schließlich in der Geschichte durchgesetzt. Es ist eine geschichtliche Tatsache, es ist doch Realität, dass in Dänemark, wir sind hier quasi 100% Christen, weil wir haben Staatskirche, wir werden alle getauft und wenn du Zweifel hast, ob du Christ bist, ja guck in deine Ausweismapiere, da steht drin, du bist evangelisch-lutherisch, wie willst du das denn bezweifeln? Es gibt doch gar keinen Grund Zweifel zu kriegen, steht nicht in jedem Dorf eine Kirche, ist die Kirche nicht überall mit dabei? Warum muss man das so laut und deutlich sagen, wenn es so klar ist? Das war Kierkegaards Zweifel. Warum wird das so als absolut stabil und vernünftig dargestellt, als die Mitte, das was logisch ist und das was die Gesellschaft irgendwie auch braucht und was für jeden Einzelnen wichtig ist und überhaupt was sich ja auch durchgesetzt hat, warum braucht man ständig so eine Kultur der Vergewisserung,

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der großen geistigen Anstrengung, das nachzuweisen, der ständigen Betonung, wie selbstverständlich und wichtig der Glaube ist, wenn er doch so selbstverständlich und wichtig ist? Gibt es ein Wort aus einer Serie Game of Thrones, da sagt jemand zu einem König, ein König der sagen muss, ich bin der König, ist kein König. Je mehr man es nötig hat sich zu verteidigen, sich aufzuplustern, sich in irgendeiner Weise mit Gründen und sonst wie, dann da ist schon irgendwas passiert. Da ist schon so eine Aura des anziehenden, selbstverständlichen Geschwunden. Je mehr Gründe man braucht, um sich klar zu machen, dass etwas selbstverständlich ist, desto weniger ist es eigentlich. Und das ist Kirchgögaards großer Verdacht gegen diese Synthese, diese idealistische, hegelianische,

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bürgerliche Blase, die immer mehr Aufwand braucht, sich darin zu vergewissern, dass der Glaube eigentlich ganz selbstverständlich ist. Jetzt gibt es natürlich ein anderes Angebot und das hat Kirchgör zu Hause sogar mitbekommen, seine eigene Familie, sein Vater war strenggläubig, pietistisch, herrnhuterisch geprägt, Kirchgör kannte Altgläubige, die waren in dieser großen dänischen Gesellschaft auch gar nicht so integriert, die lagen auch gar nicht Hegel ehrlich gesagt, die fanden das alles ein bisschen kompliziert und hatten da so, und die lebten tatsächlich noch auch so ganz davor und sagten, ja, nö, das Weltchristentum heute, also nein, das ist uns auch schon zu viel Welt einfach und zu viel Philosophie und zu viel dies und das und wir glauben an die Bibel allein. Wir glauben an Gott allein und wir leben im Glauben allein und wir brauchen diese ganzen Gründe und Beweise gar nicht, das halten wir alles, das stützt unseren Glauben nicht, wir glauben das,

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was die Bibel sagt, weil sie es sagt. Und das ist jetzt eine bestimmte protestantische Form, gab andere Länder, da sagte man, ich glaube, das, was das Lehramt der Kirche mir zu glauben vorlegt, ich glaube, dass es wahr ist, daraufhin, dass das Lehramt es sagt und weil das Lehramt es sagt. Wenn man sagen würde, aber das ist doch logisch jetzt ein Zirkel, würden die sagen, hör auf mich zu verwirren, das ist ungehorsam, allein das schon so zu sagen, das ist die Autorität für mich. An diese Autorität binde ich mich und wenn du nicht bei mir bist, ja, dann verleugnest du die Autorität, die allein maßgeblich ist. Da kannst du mit Vernunft dich da, wer weiß was, aufpusten, du folgst einer anderen Autorität, die nicht Gottes ist. So, und jetzt könnte man ja sagen, in so einer Welt, ja, da ist jetzt wirklich alles klar.

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Und Kekirgau kannte sie aber gut und sagte, es ist mit diesen Leuten manchmal aber auch merkwürdig. Es kam damals schon eine liberale Bibelauslegung auf und es erschienen Bücher, die sagten, in der Bibel gibt es 13 Schriften im Neuen Testament, die dem Apostel Paulus zugeschrieben werden, die hat er aber gar nicht alle verfasst. Da gibt es Schriften drunter, die sind gar nicht von Paulus, die sind von Schülern geschrieben. Da kann man jetzt lange drüber reden, alles ein kompliziertes Thema und das war aber für die gerade beschriebene Gruppe völlig indiskutabel. Die könnten ja sagen, aha, ja, warum? Dass wir über die Gründe nochmal ein bisschen ins Gespräch kommen, was denkst du, was spricht dafür? Na, aber da kommen die nicht hin. Die sagen nicht warum. Es interessiert sie nicht die Bohne, welche Gründe es da geben könnte. Sie sagen von vornherein, das kann gar nicht sein, denn die Briefe, um die es geht, da steht ja Paulus drüber.

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Die fangen ja an mit Ich-Paulus, insofern können die ja gar nicht von jemand anders geschrieben sein. Das hätten die Historiker gesagt, Moment, dass da Ich-Paulus, das haben wir schon mitgekriegt. Das war damals einfach, Schüler wollten sich da nicht selbst wichtig machen, sondern sie hatten das Gewühl, in einer neuen Zeit auf neue Fragen, das was der Apostel gesagt hätte, in seinem Namen weiterzudenken, das war für die normal. Und das war aber jetzt kein Angebot für die Konservativen, die haben gesagt, nein, nein, nein, wenn da steht Ich-Paulus, dann ist das so. Und das glaube ich auch. Ich glaube, dass dieses Wort, die Bibel, keine Fehler hat und keine Widersprüche. Und das kann einfach nicht so stimmen. Das kann nicht von jemand anders sein. Dann wird es da nicht so stehen. Und deine ganzen Gründe, ja, jetzt müsste ich da irgendwas außerhalb der Bibel lesen, dazu habe ich weder Zeit noch Lust. Ich glaube, dass das nicht sein kann, weil dann die Bibel nicht wahr wäre.

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Jetzt könnte jemand versuchen zu argumentieren, zu sagen, du hast es jetzt gesagt, das ist aber nicht logisch, ehrlich gesagt. Also ob das wahr ist oder nicht, kannst du doch nicht davon abhängig machen, dass du glaubst, dass darin alles wahr ist. Da bist du doch in einem Zirkel befangen. Aber das Gespräch wird von dem Moment an immer unlustiger, weil es jetzt eine Bekenntnisfrage wird und die Leute können sich auch nicht beruhigen. Und wenn man ihnen das Angebot macht, sieh mal, das ist ja eigentlich doch egal. Reden wir da nicht drüber. Sonntag ist wieder Gottesdienst. Dann können wir wieder zusammen singen und beten und beim Mahl des Herrn in einer Reihe stehen und fröhlich das Sakrament empfangen. Und das ist ja auch nicht wichtig. Wirklich. Ich finde den Brief ja immer noch fantastisch. Er ist halt nicht von Paulus. Und du siehst das anders. Ich habe deine Gründe jetzt immer noch nicht verstanden, aber ist egal. Nein, aber da würden die sagen, nein, Sonntag werde ich nicht mit dir Abendmahl feiern, weil du die Autorität des Wortes Gottes bestreitest.

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Und entweder du wirst ausgeschlossen aus dieser Gemeinde, weil du nicht mehr wirklich im Glauben stehst. Ja, oder ich muss mit gläubigen Geschwistern was aufbauen, wo sowas wie du keinen Platz hat, weil es geht einfach nicht. Solche Sachen kannte Kirkegaard und völlig unabhängig von der Einzelfrage, sagte er, ist ja schon merkwürdig, wie rigoros und absolut solche Fragen, die ja für keinen Außenstehenden vom Gewicht her nachvollziehbar sind, auf einmal werden können. Er sagt, es gibt Menschen, das ist wie wenn du einen mathematischen Satz als Beweis führen kannst, wenn du da a und b und c als Kürzel nimmst. Dann kannst du a² und b² und c² in ein Verhältnis setzen. Und wenn du den Leuten sagst, jetzt mach das selber auch mal mit d, e und f. Sagen die ja, nee, mach ich nicht. Warum denn nicht? Ja, mach ich nicht, weil, nein, a, b und c.

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Aber es ändert sich ja nichts, wenn es d, e und f ist. Und nein, es müssen diese Worte sein. Es müssen diese Dinge sein. Es hat noch nie ein Bekenntnis gegeben, dass Briefe, wo Paulus drüber steht, auch wirklich von Paulus sind. Aber jetzt auf einmal wird es eine Grundsatzfrage. Es kann nur so sein. Und dafür sind die Leute zu jedem Streit, zu jedem Konflikt, zu jedem Opfer bereit. Es muss ganz klar sein, ganz objektiv, ganz ohne die Möglichkeit zu zweifeln. Das gibt es. Und damit setzt sich Kierkegaard auseinander. Und dann gibt es aber auch das Gegenteil und im selben Bereich. Es gibt Bibelkritiker, die nicht sagen, ja, das hier ist vielleicht ein bisschen anders, als man früher gedacht hat. Das ändert man an meinem Glauben jetzt aber eigentlich auch nicht. Kierkegaard kennt Leute, für die es im Grunde eine Dauergrundhaltung ist. Es ist alles anders, als man dachte.

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Es war immer schon alles falsch, was klassisch christlich war. Das ganze System alles. Und der ganze Umgang mit der Bibel ist im Grunde ein einziges Beweisverfahren, dass das klassisch konservative orthodoxe Christentum ein einziger Irrweg war. Da ist nicht mal irgendwas falsch, sondern alles. Und da scheint auch was dran zu hängen. Da ist es auch ganz wichtig, dass dann jedes einzelne Wunder und jede wichtige Figur und alles im Grunde gar nicht funktioniert. Und es ist im Grunde für manche extrem wichtig offensichtlich, dass das überhaupt nicht vertrauenswürdig ist. Dass die ganze Bibel, dass die Evangelien, dass die Thora, nehmt was ihr wollt, in irgendeiner Weise immer aufs Fazit zugeführt wird. Ja, da ist alles unsicher. Da steht nichts fest. Da ist nichts, worauf man sich irgendwie stützen kann. Da ist alles. Also es funktioniert gar nicht. Und aus Kierkegaards Sicht war das so ein bisschen spiegelverhältlich.

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Die einen brauchten die absolute Sicherheit, dass alles so ist, wie sie immer gedacht haben. Und die anderen brauchen nicht minder rigoros das Gefühl, dass alles, was man ihnen je eintrichtern wollte, von Anfang an verkehrt ist. Und dass dann nichts irgendwie zuverlässig und gut und brauchbar ist, es sind immer so alles oder nichts. Immer so 100 Prozent, immer so ganz oder gar nichts Lösung. Kierkegaard setzt sich in seinem Schrift mit diesen Haltungen auseinander und die alle drei vereint jetzt etwas sehr interessantes. Eine war hegelianische, vernünftige Synthese, die große Vermittlung, die vernünftige Mitte von Glaube und Vernunft, Christentum und Kultur. Das andere war orthodox, bibeltreu, papstreu oder ganz radikal aufgeklärt, vernünftig, naturalistisch, materialistisch, auf jeden Fall nicht religiös.

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Und das Interessante in allen drei Positionen aus Kierkegaards Sicht ist jetzt folgendes. Das, was die Betreffenden jeweils denken, hat keinen Eigenanteil von ihnen selbst nötig. Das, was sie denken, das, was sie für wahr halten, was ihre Welt sich ist, beschreiben sie als etwas rein Objektives. Es ist für sie alle drei völlig klar, dass sie die Welt im Grunde sehen, so dass sie sich zur Welt wie ein Spiegel verhalten, der eins zu eins wiedergibt, wie es ist. Es sind alles Denkende oder Glaubende der reinen und absoluten Objektivität, die schlicht anerkennen, was ist. Große Synthese, radikale Gläubigkeit, radikale nicht religiöse Aufgeklärtheit.

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Kierkegaard fand das so komisch, weil es waren in allen drei Lagern auch recht kluge Leute unterwegs. Und warum will denn keiner von denen sehen, dass es vielleicht doch nicht so leicht objektiv herstellbar ist, dass es sich allein so verhält? Warum will keiner von denen in irgendeiner Weise wahrhaben, dass sie sich da einbringen, dass sie da eine Wahl treffen, dass sie einer bestimmten Sichtweise vertrauen, dass sie in irgendeiner Weise aus sich selbst heraus da auch etwas einbringen in die Art und Weise, wie sie glauben oder denken? Alle drei bisher beschriebene Positionen verweigern im Grunde den Selbsteinsatz, eines subjektiven Vertrauens, eines Wagnisses.

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Keiner von denen ist in der Lage zu sagen, man kann die Welt so angucken, da gibt es echt gute Gründe. Und man könnte die Welt so anschauen, da gibt es auch ganz starke Sachen, das plausibel zu machen. Man könnte es vielleicht aber auch so, das leuchtet mir am wenigsten ein, aber ich kann es auch nicht widerlegen. Und ich bin hin und her gerissen und ich habe nicht zwingende, aber doch mich neigende Gründe, es so zu sehen. Und ich weiß, ich sehe es so und das ist, ich halte es für wahr und ich merke aber auch gleichzeitig, es ist ein Vertrauensschrittenwagnis. Das sind die nicht in der Lage zu. Und das ist eine große Entdeckung Kirkegaard, dass er sagt, Menschen versuchen allerlei, quasi als Weltbild, als System, als reine Objektivität klar zu bekommen. Und wenn man das alles nebeneinander sieht, merkt man eigentlich, es funktioniert gar nicht.

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Es ist ein Wagnis und Menschen entscheiden sich für Lebensanschauung, für Glaubensweisen, die sie im letzten nie 100 Prozent ableiten und begründen, sichern oder beweisen können. Und das wollen sie nicht wahr. Dieser entscheidende Erkenntnis Kirkegaard ist eine, die viel vernünftigen Leuten mit der Zeit eingeleuchtet hat, dass er hier etwas nicht verobjektivierbares waltet. Dass man Religionsfragen, dass man Weltanschauungsfragen nicht so klar bekommt wie Physik oder wie mathematische Beweise, sondern dass der existierende Mensch, die existierende Subjektivität sich in irgendeiner Weise wählend, konstruierend, wagend, vertrauend einlässt, auf Weisen die Welt zu betrachten, die es selbst nicht mehr absolut begründen und sicherstellen kann.

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Das ist die eine große Erkenntnis Kirkegaard, verbunden damit aber auch. Das anzuerkennen scheint sauschwer zu fallen. Man ist sich so gerne sicher. Man hat gerne etwas, wo man nicht mehr, nicht nur nicht zweifeln muss, sondern nicht mal zweifeln kann. Das ist das Beste. Aber kann man doch gar nicht daran zweifeln. Das ist doch völlig klar. Es ist ja völlig verrückt, es anders zu sehen. Und jetzt sind wir beim Thema, ja, da ist immer Angst im Spiel. Offenbar die Angst davor, dass man zweifeln könnte. In allen drei Positionen, offensichtlich, wird das so geschoben und gedrängt, die eigene Angst nicht wahrhaben zu wollen, es könnte auch anders sein.

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Kirkegaard über Angst viel nachgedacht und jetzt muss man sagen, haben andere vor ihm auch schon und trotzdem beginnt mit ihm eine Epoche. Er ist ein epochaler Umbruch im Angstdenken schlechthin. Wie alles bei ihm werde ich hier drastisch verkürzen, um irgendwie auf den Punkt zu kommen. Und eine Sache, die man mit Kirkegaards Namen immer verbindet, ist die Unterscheidung von Angst und Furcht. Das hat Kirkegaard reingebracht in viele wesentliche Kultursprachen. Viele Philosophen, Psychologen sind ihm dabei gefolgt. Es geht ihm um eine begriffliche Unterscheidung. Begriffliche Unterscheidung heißt nicht, ab heute pass auf, wenn du redest, dass du dich nie wieder verdust und das verwechselst. Die Alltagssprache verwendet Wörter immer nach dem Maßstab, werde ich überhaupt noch verstanden. So, und begriffliche Sprache arbeitet an Begriffswelten und Systemen, wo man einen höheren Grad an Präzision braucht. Und wenn man will, kann man versuchen, die Welt umzuziehen damit. Das ist aber nicht der Sinn.

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Es ist eine begriffliche Unterscheidung und die funktioniert jetzt folgendermaßen. Kirkegaard sagt so, es gibt viele Wörter Angst, Schrecken, Panik, Furcht, da könnte man ganz viele noch weiterbringen. Das Ganze ist immer irgendwie ein Bedrohungsgefühl. Man fühlt sich in irgendeiner Weise bedroht. Und Kirkegaard sagt nun so, es gibt eine Reihe von Bedrohungsgefühlen, die sich auf etwas beziehen. Auf einen Befund, den ich habe oder einen Schmerz und ich frage mich, was das ist oder irgendein Niesen und Schnupfen. Und ich denke, oh nein, könnte, sollte es nicht nur irgendwie, sondern gar eine Seuche. Aber auch, was weiß ich, auf etwas bin ich bestohlen worden oder ich fürchte jemandem, der mir nicht wohl gesonnen ist. Oder irgendwelche Tiere, die ich finde in meiner Wohnung oder so. Da sagt Kirkegaard, das ist Furcht. Das gegenstandsgerichtete Bedrohungsgefühl nennen wir fortan Furcht.

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Und wir fürchten viel. Und in der Alltagssprache, wer da sagt, ja, ich habe aber Angst vor Spinnen und nicht Furcht, red wie du willst. Es geht um die Begrifflichkeit. So, und dann sagt Kirkegaard, und es gibt nicht nur gegenstandsbezogene Furcht. Es gibt auch ein umfassenderes Gefühl von Bedrohung, wo man, wenn man gefragt wird, wo vor fürchtest du dich denn? Es nicht sagen kannst. Und da sagt Kirkegaard, und das möchte ich Angst nennen. Es gibt ein umfassenderes Gefühl von Bedrohung. Worauf richtet sich Angst, wenn man keinen Gegenstand benennen kann? Das ist ja jetzt völlig komisch. Und jetzt geht es nicht um eine hohe Furchtbereitschaft, also nicht das, wo wir heute sagen würden, generalisierte Angststörung, dass man ständig vor irgendwie, kaum ist mit Greta mal drei Tage nichts in den Nachrichten, hat man gar nicht mehr so schreckliche Angst vor brennenden Wäldern in Australien. Man war in Panik, aber hat man drei Tage nichts von Greta, ist vorbei.

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Aber Coronavirus oder so, man könnte sterben. Heute Nacht noch oder so. Schrecklich. Und diese große Angstbereitschaft, die sichern alles, das jetzt nicht, sondern in einem tieferen Sinne. Was ist Angst als Grundbefindlichkeit ohne Gegenstand? Und machen wir es kurz und knapp. Das ist eine Angst, die mit unserer Freiheitsnatur gegeben ist. Der Mensch ist in der besonderen Lage verglichen mit jedem Tier, dass er nie mit Autopilot klarkommt. Tiere fürchten sich wie wir und sie haben viel Grund. Und sie fürchten sich vor allerlei, sobald Bedrohung da ist. Und in der Regel sind sie danach auch ganz ruhig und kommen wieder gut klar. Und haben überhaupt ganz vieles, was sie von uns unterscheidet. Sie essen und trinken nicht zu viel.

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Sie werden nicht süchtig. Sie kriegen keine depressive Verstimmung. Sie kriegen keine Suizidalimpulse. Führen auch weniger Kriege, sind nie auf die Idee gekommen, Waffen herzustellen und so weiter. Also Tiere unterscheidet viel von uns und vieles auch zu ihrem Vorteil und zu unserem Nachteil. Und Angst unterscheidet uns von Tieren eminent, weil wir in den großen Fügungen unseres Lebenswegs immer selbst entscheiden müssen. Und dieses Phänomen kriegt man auch gar nicht neurowissenschaftlich weg. Man wird ja heute stark munitioniert mit Argumenten dafür, dass es gar keine Freiheit gibt. Dass irgendwer ganz kluges gesagt hat, ich habe sehr lange ins Gehirn geguckt und ich habe geguckt und geguckt und geguckt. Jetzt muss ich mal echt sagen, Freiheit habe ich nicht gefunden. Also gibt es das nicht. Jetzt könnte man ja sagen, halleluja. Das ist ja durchaus eine beliebte Anchauung. Es gibt ja Menschen, die das richtig lieben. Ich hörte mal von einem Mann, der eine lange Alkoholkarriere hinter sich hatte.

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Und er hat sich damit nicht nur schlecht gefühlt und miserabel und schuldig, er hat sich auch wahnsinnig geschämt und es war ganz furchtbar. Und irgendwann hörte der davon, so eine Sendung, dass man überhaupt gar nicht frei ist. Und der hat sich das überlegt und dachte irgendwann, das ist ja ganz fantastisch. Also fantastisch im Grunde, das heißt, ich kann ja gar nichts dafür. Was habe ich mich geschämt? Was habe ich mich schuldig gefühlt? Was habe ich mich schon verflucht? Was habe ich gelitten an mir, dass ich es nicht in den Griff kriege? Und da ich so viele Therapien angefangen und immer wieder abgestürzt und Leute betrogen und gelogen und so weiter. Und jetzt sehe ich eine Sendung und fühle mich wie im Himmel, weil es ist natürlich immer noch scheiße, aber ich kann nichts dafür. Und ich könnte ohne diesen Selbsthass und ohne dieses mich zu Tode schämen einfach sagen, ja ich sauf, aber ich kann nichts dafür.

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So und das hat ja was Attraktives, zu sagen, ich kann gar nichts dafür. Das ist ja durchaus schon spannend, so die eigene Biografie so angucken zu können in ganz anderer Versöhntheit. Gut und am nächsten Tag hilft dir diese ganze Erkenntnis 0, nichts bei dem was du machst. Wenn dir irgendeiner doof kommt, wenn dich einer anpöbelt, dich beleidigt und du überlegst, was mache ich jetzt? Einfach gehen, ein Gespräch anfangen oder auf die Fresse kloppen. Was hilft dir das Wissen? Egal was du tust, du konntest nichts anderes. Es hilft dir nichts. Du kannst am Tag danach wieder sagen, ich konnte nichts dafür, ich habe ihn am Ende verkloppt. Das stand schon im Grunde, das stand in meinen Gehen oder so.

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Es hilft dir im Moment nichts. Unsere Freiheitsspielräume sind ganz sicher irgendwo zwischen 1 und 0 Prozent. Das meiste was wir tun, entscheiden wir nicht frei. Völlig klar, das meiste was wir tun, ist ein Ergebnis aus Erziehung und Gruppendruck und soziale Verhältnisse, in denen wir leben und das andere von uns erwarten. So und dann gibt es aber die Punkte, manchmal schiebt und rückt keiner. Kein Instinkt nötigt und du musst echt überlegen, was du machst. Kirchberger brachte das mal auf die Formel, das Leben wird rückwärts verstanden, aber vorwärts gelebt. Und alles was du je im Leben rückwärts verstanden hast, hilft dir 0,0, wenn es um den nächsten Schritt geht, wie du leben sollst. Du kannst das Leben nicht quasi delegieren an das Wissen.

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Du musst dich entscheiden. Und die Frage, ob du frei bist oder nicht in dem was du tun wirst, frag alle Gelernten dieser Welt. Herzlichen Glückwunsch, wenn du durch bist. Wir sehen uns in ein paar Jahren wieder. Du bist völlig verwirrt und hast dann da Neurowissenschaftler, Kantianer, Juristen. Am Ende musst du dich sogar entscheiden, welche Bücher du mehr liest. Die Entscheidung nimmt dir keiner ab. Musst du selbst entscheiden, ob du die Bücher kaufst, ob du sie liest, welche du liest und ob es dich überzeugt. So Leute lassen sich davon allerlei überzeugen. Freiheit, Freiheit ist das Medium der Angst. In der Freiheit ist der Mensch an einem Punkt, wo die Dinge nicht feststehen. Und falls sie feststehen sollten, hilft es im subjektiven Moment des sich entscheiden müssen nicht. Und wenn du in diesem Moment zu viel Zeit hast, kann dir Angst werden.

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Angst davor, wie du dich entscheidest. Denn du wirst dich entscheiden. Man wird dich auch dafür verantwortlich machen. Dann kannst du nicht sagen, war ich gar nicht, waren meine Gene. Du wirst dich für deine Gene, für deinen Charakter, für deine Prägung in irgendeiner Weise haftbar machen. Angst ist das Gefühl der Freiheit. Angst ist der Schwindel der Freiheit. Und das ist alles andere als ein leichtes Gefühl. Und mit Angst umzugehen, mit Angst richtig umzugehen, ist die vielleicht größte Herausforderung des Lebens. Und da kombiniert diesen Umgang mit Angst nun durch. Das macht er jetzt sehr kompliziert. Gibt ein Buch von ihm, der Begriff Angst. Natürlich würde ich immer sagen, lesen, lesen, lesen, lesen. Muss auch gleich sagen, ich erstatte kein Geld zurück, wenn es jemand tut und damit nicht glücklich wird. Es ist ein sauschweres Buch, ehrlich gesagt.

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Also ist so ein bisschen, man muss es sich vorstellen wie Brühwürfel lutschen. Der Geschmack, also da entfaltet sich ein Geschmack, aber ich würde jetzt nicht sagen, es ist von der ersten Sekunde an wohlschmeckend und es wird immer besser oder so. Es macht dich fertig. Es ist so wahnsinnig dicht. Beim ersten Durchgang verstehst du nichts. Beim zweiten wird es ganz bisschen besser. Im Grunde weißt du aber, um für den dritten Durchgang eine größere Chance zu haben, fehlt dir jetzt ganz viel Hegel und Schelling und alles, was Kekokor sonst geschrieben hat. So ist es leider. So und jetzt werde ich euch hier nicht den Brühwürfel vorkauen. Ich schmeiße gleich drei Viertel, delegiere hier an Berufsleser. Und wenn ihr ein langes Leben und viel Zeit habt, herzlich willkommen. Und nehme jetzt paar kleine Bruchstückchen und löse sie in warmes Wasser und werde jetzt nicht das Schema eins zu eins kopieren.

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Ich werde es radikal vereinfachen. Und es wird eine Hinführung sein zu dem, was da funktioniert. Angst werden wir jetzt einfach mal ein bisschen durchdeklinieren und fangen so an. Wovor kann man Angst haben? Vor sich selbst. Wie man sich entscheiden wird, wie man mit bestimmten Lebensherausforderungen umgeht und was passieren wird. Denn im Moment der Freiheit ist die Zukunft offen. Und du weißt, irgendwas wird passieren, es geht irgendwie weiter und irgendwas wirst du dazu beitragen. Aber natürlich bist du da auch rein, in irgendwas reingeschmissen worden. Man nennt es Leben und du bist nicht der einzige Spieler am Tisch. Du weißt gar nicht, wie viele Spieler da noch sitzen. Und irgendwas wird passieren. Und es hängt ein bisschen auch an dir, aber auch nicht nur und auch an anderen Dingen. Das heißt, du kommst in so etwas rein, viel Schicksal, vielleicht ein bisschen Freiheit. Ja und das kann einem Kirche machen.

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Wie gehen wir um mit dieser Angst vor der Zukunft, vor dem Schicksal? Jetzt schließe ich mich mal einer Kirche Gor Predigt an. 1847, reden im verschiedenen Geist. Wo er das durchspielt, Angst vor dem Schicksal. Predigt, schöner Text, seht die Vögel unter dem Himmel, sie sehen nicht, sie ernten nicht und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Wir hatten ja vorhin die Tiere, haben Vögel Angst. Sobald da irgendwie eine Schlange irgendwie gesprungen kommt oder ein großer Raubvogel, können Vögel sehr Angst haben. Nimm ein Vogel in die Hand, du wirst merken, der fürchtet sich. Der hat auch Grund in deiner Hand, leider. Vor Menschen müssen Vögel große Furcht haben. Und ansonsten aber, kommt dir gut klar, man hört nicht viel von Medikamentenmissbrauch und ohne Absacker vorm Schlafengehen komme ich gar nicht zur Ruhe oder so. Die wirken auch gechillt. Und Kirche Gor erzählt in dieser Predigt jetzt aber, stellen wir uns mal vor, ein Vogel, der kriegt so humanoide Schübe, der wird wie ein Mensch.

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Eine wilde Waldtaube. So und die fängt an und ist erstmal wie ein Vogel, über den Jesu spricht, seht und erntet nicht und kommt durch und lebt. So und ist fröhlich und dankbar und die Welt ist wunderschön und sie genießt das. Das war noch gar kein Klimawandel, als die Predigt gehalten wurde. Alles großartig. So und jetzt fliegt die Waldtaube und kommt auf einmal vorbei an einem Taubenschlag und findet da zahme Haustaube. Und geht dahin, das war vielleicht falsch und sagt, ach ihr Arme, ihr seid eingesperrt. Ja, kann ich mir gar nicht vorstellen. In dem Käfig sitzt ihr, ja, muss schwer sein. War vielleicht keine gute Idee, denn die zahmen Haustaube waren klug und sagten, eingesperrt? Also ehrlich gesagt, du tust uns leid, weil wir haben hier kein Gefängnis, wir leben in Sicherheit. Guck mal da zum Haus, da sehen wir den Bauern, dem gehören wir und der seht und erntet.

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Und guck mal, was der da rein schleppt, die Scheune ist voll. Und jetzt ist Sommer und wir sind alle lustig, aber der Winter kommt. Und wenn der Winter kommt, hört manchmal der Spaß auf, es wird ernst. Und wir sehen jeden Tag, wie die Scheunen voll werden. Und wir sehen, dass Futter jetzt schon, was bis zum nächsten Sommer reichen wird. Und darum sind wir ganz, ganz glückliche Tiere. Wir leben in Sicherheit, weil wir genießen unser Leben mit einem langfristigen Horizont. Und du in deiner wunderbaren Freiheit sieh mal zu. Die Waldtaube hält das irgendwie für ein bisschen mies, das jetzt so doof zu kontern und so fliegt weiter und sagt, Blödmänner, was wissen die, die sind eingesperrt. Aber ja, sie fliegt jetzt so ein bisschen durch die Welt und so, sieht auf einmal tatsächlich ständig Bauern arbeiten. Die arbeiten von morgens bis abends, die Knechte auch und hat dunkle Erinnerungen. Winter, da war was, ja.

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Und auf einmal sieht sie das immer, hat sie nie gesehen. Und sagt, wenn ich ganz ehrlich bin, ich kann mich hineinversetzen in die Perspektive, dass es ein größeres Sicherheitsgefühl ist, zu sehen, wie man den Winter überstehen wird. Leuchtet mir jetzt ein, nicht dass ich tauschen möchte, aber es leuchtet mir ein. Ein bisschen Sicherheitspolitik ist ja immer vernünftig. Ich fange jetzt auch mal damit an, ich kann auch Vorräte sammeln. Und so fängt sie an, steht eine Stunde früher auf, sammelt, bis sie ist und so. Und sammeln sie noch ein bisschen mehr und macht sich so ein kleines Lager und sagt, ich mache mir mein eigenes Lager, ja, auch schlau, und dann habe ich die Freiheit und die Sicherheit gleichzeitig. Ja, aber schwierig und so, ne. Nach Wochen gesammelt kommt sie wieder ihr Lager, geplündert von irgendeiner anderen Wolltaube, die das auch irgendwie eine super Idee fand. Wahnsinn. Sie steht viel früher auf, denn jetzt muss sie aufholen. Und das erste Blatt, das war nicht mehr ganz grün.

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Jetzt wird man nachdenklich, sie steht viel früher auf, sammelt, aber es wird alles schlechter, wird alles schwieriger. Und irgendwann singt sie nicht mehr. Und irgendwann ist sie nicht mehr lustig. Und manchmal wacht sie auf mit einem Gefühl, man müsste es Eifersucht nennen. Diese blöden, zahmen, elenden, miesen, gemeinen Haustauschen tun ihr auf einmal nicht mehr mehr leid, sondern sie denkt, wäre vielleicht auch ein Lebensentwurf. So, und da steigert sie sich immer rein und irgendwann ist sie durch. Und irgendwann wird es Herbst und sie hat gar keine Vorräte, weil sie irgendwann auch nicht mehr konnte und irgendwie merkt, ich habe nicht mehr die Kraft. Und ich bin ein bisschen aufgerieben und bin ein bisschen wundgesorgt. Und irgendwann, in Verzweiflung, umfliegt sie ständig das Haus des Bauern und sieht, es gibt so einen Zeitpunkt, da macht er die Scheune auf und dann geht er zu den Haustauschen und holt sie raus. Und in diesem Moment, wo die Scheune auf ist, den nutzt sie, fliegt in die Scheune,

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setzt sich oben unters Dach und atmet ganz tief durch und sagt, jetzt nichts merken lassen, die werden mich aufziehen, die werden mich auslachen, ich werde die Schande in Würde tragen, aber ich bin in Sicherheit. Und in dem Moment sieht der Bauer sie und sagt, was hat denn da für eine wilde Taube? Aber passt gut, also heute Abend beim Abendessen haben wir noch ein bisschen wenig Fleisch dafür, ich drehe den Kopf um, rupfe sie und dann haben wir ein bisschen mehr lecker Abendessen. Und so kam es, dass diese Waldtaube nicht zu den Vögeln gehörte, von denen Jesus sagt, sehet die Vögel unter dem Himmel, sie sehen nicht, sie ernten nicht und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Sicherheitsangst kann verrückt machen. Das in Sicherheit sein wollen, kann einen immer tiefer in das Gefühl des nicht gesicherten Lebens verstricken. Sie hatte gar keinen Plan, dass man sich so unsicher fühlen kann, als sie noch ganz Taube war, aber diese dämlichen humanoiden Ansätze haben sie ruiniert.

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Ihr Nervenkostüm und dann ihr ganzes Leben. Und jetzt könnten wir Flora und Fauna durchmachen. Kierkegaard macht das mit einer Lilie. Gab man eine Lilie, die war so wunderschön, wie die von der Jesus sprach, seht die Lilie auf dem Felde, sie spinnen nicht und doch versorgt sie euer himmlischer Vater und sie sind schön, wie Salomo es nicht war in all seiner Seide, Herrlichkeit und Pracht. So gab es eine Lilie, die ging so und Gott freute sich jeden Morgen über sie und wäre einer vorbeigekommen, hätte er sich auch gefreut. Und die Lilie stand da und lebte im Glanz der eigenen Schönheit und freundete sich mit einem Vogel an, der immer wieder vorbeikam, der Vogel muss davor zu lange unter Menschen gewesen sein, ja, also ganz miese Eigenschaften übernommen, weil er mit der Lilie sich befreundete und dann immer so ein bisschen erzählte, was er alles mitgekriegt hat. Und so im Grunde auch sagte, also ich war neulich wieder, also habe einen Ausflug gemacht, es ist fantastisch, was woanders los ist.

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Es gibt also Flussmündungen, da ist das Leben ein Fest, da sind tausende von Vögeln und da stehen die schönsten Lilien und Rosen und Tulpen und es ist eine Pracht zu leben und es ist so schön, also manchmal muss ich dann wieder hier zu dir kommen, wo alles so ein bisschen langsam ist und klein und ja, Dorf und irgendwie nichts los. Und ich brauche das im Grunde für meine Nerven, um irgendwann wieder die Kraft zu haben, die Fülle und das Leben und alles in der ganzen Wucht zu genießen, wie es woanders ist. Die Lilie hört sich das an und sagt, ja, schön, ja und sagt, ja, und was hat das, da sind auch andere Lilien, ja, meinte er, ich meine, das sind jetzt Lilien, die sind auch noch Flussmündungen, kannst du dir gar nicht vorstellen, das ist eine fantastische Gegend, das Klima ist da auch schon ein bisschen wärmer und so, die sind natürlich viel größer und da kommen ganz andere hin und in der Gegend wachsen, also ist klar, dass die viel schöner sind als du, das ist keine Kunst und so, aber nein, ich bin ja gern hier, es ist ja schön hier,

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alles so schön schlicht und so rustikal und einfach so bodenständig hier bei dir. Ja, aber irgendwie tut das der Lilie nicht gut, sie überlegt und von dem Tag an ist sie morgens beim Wachwerden nicht bei sich, ist auch nicht mehr glücklich und hat ein Strahlen verloren, also sie strahlt nicht mehr von innen heraus, was sie ständig denkt, woanders ist mehr los, gibt andere Wiesen, die sind saftiger und woanders kommt nicht nur so ein kleiner, mieser Vogel und erzählt mir was von große Welt, woanders sind unzählige Vögel und unzählige, riecht was los, ich verpasse was und sie überlegt, was kann ich denn machen und so und sie steigert sich da rein und irgendwann sagt sie, Vogel, ich bin fertig, ich kann nicht mehr, ob wir irgendwie, kannst du mich da hinbringen, dass wenn ich da auch stehe, wenn ich werde wie die, wenn ich in dieser Mündung,

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wenn du mich hier einfach rausrubst und da hinbringst und so, vielleicht werde ich dann endlich auch wissen, was wirkliches Leben ist und der Vogel macht das und er gräbt sie aus und er nimmt sie in seinem Schnabel und sie machen sich auf einen weiten Flug und ach oh Gott, unterwegs verschmachtet die Lilie und als sie ankommt, ist sie tot und so ist sie nicht mehr die Lilie, von der Jesus gesagt hat, seht die Lilie auf dem Felde, in all ihrer Schönheit ist sie prächtiger als Salomo mit all seiner Herrlichkeit und Schönheit. Mit solchen Geschichten macht Kerköger diese These deutlich, es könnte so einfach sein, ein Leben zu führen, wo man mit sich selbst identisch ist und im Vertrauen lebt und nicht in der Angst. Im Vertrauen, dass es genau das Richtige ist, man selbst zu sein und da zu sein, wo man ist und nicht zu denken, ich könnte auch jemand anders sein oder

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jemand anders werden. Einfach eins mit sich und annehmen, was ist das eigene Leben, die eigene Geschichte und das Beste daraus machen und die Angst, dass es nicht gut genug ist und die Angst, dass es besser sein könnte, die Angst, dass man es verpasst, die Angst, dass es irgendwo grüner und saftiger und schöner und toller ist, kann einen umbringen. Das ist eine Variante, wie Angst Menschen besitzen kann und treiben, gefangen nehmen und Kerköger geht weiter durch. Das war jetzt Angst vor dem Schicksal, Angst davor, nicht mehr schön genug zu sein, Angst davor, nicht in Sicherheit genug zu sein. Es gibt natürlich auch andere Ängste, die beziehen sich darauf, was man tut. Angst vor dem Bösen, Angst vor dem Schuldigwerden. Nur ganz nebenbei, Angst vor dem Bösen, ja klar kann man auch haben vor dem, was passiert, dass man aus Angst vor dem Bösen der anderen selbst böse werden kann, dass man im Versuch, sich vor der Bosheit der anderen zu sichern und zu schützen

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und durch diese Angst auf schiefe Ebene kommt. Dafür muss man nicht hier anfangen, im 19. Jahrhundert zu sagen, ich habe da mal eine Idee. Also diese Angst ist uralt durch die ganze Bibel hindurch. Kerköger macht es ein bisschen komplizierter und sagt, man kann auch ganz schlicht Angst davor bekommen, Fehler zu machen, sich falsch zu entscheiden. Das auf ganz unterschiedlichen Stufen. Es gibt Menschen, die lernen von Anfang an, du darfst keinen Fehler machen. Fehler werden nicht verziehen. Vielleicht werden sie dir manchmal sogar offiziell verziehen, aber dann erfährst du eine Gnade, auf die du gut hättest verzichten können, weil du mit dieser Gnade unendlich klein gemacht wirst. Du solltest keine Fehler machen. Du solltest dir nicht zu Schulden kommen lassen, das ist ganz schlecht. Und Menschen in diesem Gefühl leben, keinen Fehler zu machen, nicht schuldig zu werden. Die

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können in allerlei hineinstürzen. Vor allem erstmal ganz schlicht, sie machen keine Fehler. Das wird zum Lebensprogramm, ich mache keine Fehler. Warum mache ich keine Fehler? Was schlimm wäre. Wäre schlimm, wenn ich Fehler machen würde. Das könnte man von außen sagen, aber das was du neulich gesagt hast, war schon falsch. Es gibt Leute, die es perfektionieren, dann zu sagen, nö, war nicht. So die schlecht unfähig sind, zu sagen, stimmt, da habe ich einen Fehler gemacht, tut mir leid, wollte ich nicht. Unsagbar, undenkbar, ich mache keinen Fehler. Es kann gar nicht sein, dass ich einen Fehler mache. Und dann kann man wahnsinnig klug werden, sich was vorzumachen. Man kann erklären, warum es vielleicht in einer anderen Situation falsch wäre, jemanden zu beleidigen, aber in dieser Situation für diesen Menschen, war es richtig, es war authentisch. Ich

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habe ihn gar nicht beleidigt, es war ganz authentisch. Und es war für ihn auch eine wichtige Erfahrung, dass ich ihn beleidige. Es war wirklich wichtig für ihn, weil er gespürt hat, wie authentisch ich bin. Und er könnte sich zu Herzen nehmen und dass ich ihm mal so richtig ein mitgegeben habe, schützt ja jetzt in der Zukunft vielleicht ganz viele andere, wo er sich nicht mehr so verhält. Also im Grunde, ich habe ihn gar nicht beleidigt, ich habe ihn gar nicht abgelehnt. Das war wirklich richtig, es war wirklich nötig. Und wenn man dann sagt, ja du, aber ich habe gehört, der ist am Boden zerstört, der trägt da schwer dran, wie du mit ihm umgegangen bist, man kann das weiterschieben und sagen, das ist so pervers, dass du mich jetzt zum Täter machst. Aber ich meine, ich war doch das Opfer, ich würde doch keinen beleidigen, ich doch nicht. Also dass der mich dahin getrieben hat, dass ich dazu getrieben wurde, ausfällig zu werden, das war doch die netzte Notwehr. Und ich muss ich auch ganz ehrlich sagen, dass ich dahin gekommen bin, ja warum ist es denn so? Weil mir keiner zur Seite stand.

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Also so viele Leute hätten ja auch längst mal dazwischengrätschen können, auch mal vermitteln und jetzt soll ich schuld sein, das ist das Hinterletzte. Da kann man wahnsinnig klug werden, dass man keinen Fehler gemacht hat. Wenn man da hochbegabt ist und so, ist natürlich für alle anderen Menschen nicht leicht, mit Leuten umzugehen, die keinen Fehler machen, die sich nicht zugestehen können, was falsch gemacht zu haben, aus Angst als fehlerhaft oder schuldig dazustehen. Es ist die Angst, das nicht sein zu können. Weil sie nie Gnade und Barmherzigkeit so in der Tiefe ihres Herzens erfahren haben, sie das Gefühl haben, das könnten sie auch nochmal in Anspruch nehmen. Und Kekogor steigert das. Es gibt manche, die es vielleicht manchmal akzeptieren, Fehler gemacht zu haben und dann aber sagen, nie wieder. Und ihr ganzes Leben wird auf Fehlervermeidung eingestellt,

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haben vielleicht mal erlebt, in einer bestimmten Situation, in einer Beziehung, sich falsch verhalten, ab sofort Beziehungsfasten. Nicht mehr Leute nah an sich ran lassen. Nicht mehr Verantwortung übernehmen. Mal Verantwortung gehabt, mal eine Entscheidung getroffen, war falsch, bin raus, habe ich nicht nötig, muss ich nicht, nö, ich habe ja Netflix, brauche ich nicht, nö, ich nehme keine Verantwortung mehr, nö, mache ich nicht, ich halte mich raus, ich mache keinen Fehler mehr, das tue ich mir nicht mehr an. Ich ziehe mich zurück. Besonders tragisch sind Menschen, die mit sich ehrlich sein wollen und die sagen, ich habe einen Fehler gemacht und ich habe die Neigung, es zu verkleistern und ich möchte dazu stehen und es tut mir sau weh und ich möchte keinen Fehler weitermachen natürlich, aber ich muss auch weiterleben, ich muss weiter existieren und die dann versuchen klarzukommen

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und dann aber eine Fixierung bekommen auf den Punkt, wo sie Fehler machen. Und Kierkegaard beschreibt es und das sind jetzt sehr hochstehende Menschen, die ein Gefühl dafür haben, wo ihr Schwachpunkt ist. Kierkegaard nennt verschiedene Beispiele, er nennt zum Beispiel Choleriker, die wissen ab einer bestimmten Punkt, also sie lieben Kinder, ihre eigenen zumal, aber an einem bestimmten Punkt, da kriegen sie so ein Kribbeln und haben irgendwie das Gefühl, ich müsste jetzt mal im Wald oder so und dann geht das aber nicht, weil die Kinder klein sind und dies und das und so und dann merken sie jetzt noch zwei, dreimal auf einer empfindlichen Stelle, dann explodiere ich und dann tut es mir leid, weil das paar Mal so war. Und Kierkegaard beschreibt Menschen, die im Grunde auf den Moment der Explosion zugehen und es nicht wollen und sie hoffen durch ihre Kraft, das will ich doch eigentlich gar nicht,

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es verhindern zu können und dann passiert es. Sie bereuen schon, bevor sie es tun und erleben die Ohnmacht eigener Reue. Und er beschreibt im anderen Fall Trunksucht oder Rauschmittelsucht, Abhängigkeit, wo Menschen mit ihrer angstfixierten Weise zu stachen auf das künftige Scheitern, im Grunde das Scheitern noch beschleunigen, weil sie das, was gut wäre, im Grunde nicht schaffen, dass das Gute tun, das Richtige in Beziehung, in Kontakt, ins Gespräch, ins Gegenüber, irgendwie, also dass das richtige Leben allein ist ja das, was schützt vor dem Falschen. Und die Angst, die sich aber stachenfixiert auf den möglichen Punkt eigenen Scheiterns, verhindert, dass das Richtige getan wird und verstärkt den Sog, dass man wieder abstürzt. Solche Dinge geht Kierkegaard durch bis hin

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zu einer Angst vor dem Guten. Erster war Angst vor dem Schicksal, der Freiheit, dann Angst vor der Schuld, vor dem Bösewerden. Es gibt sogar eine Angst vor dem Guten nach Kierkegaard. Er sagt, das ist das Dämonische, das ist ja das Verrückte bei den Dämonen des Neuen Testaments, dass sie zu Jesus sagen, geh weg. Wie wahnsinnig ist das denn, dass die Belasteten zu Jesus sagen, geh mir weg, verschwinde, weil er ihnen doch helfen würde. Was ist denn da, was ist das für eine Angst? Ja, man kann Therapien, die einen heilen könnten, fürchten, weil man manchmal ahnt oder spürt, durch welchen Schmerz eine Therapie hindurchführen könnte. Und irgendwann kann auch ganz schlicht der Punkt kommen, wo man Therapien fürchtet,

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weil man irgendwo ahnt, hätte ich ja vor zehn Jahren schon machen können. Das könnte man sagen, aber ist ja nicht logisch. Hättest du vor zehn Jahren machen können, wäre schlau gewesen. Es deswegen nicht zu machen, ist ja reiner Wahnsinn. Was willst du denn in fünfzig Jahren sagen dann erst? Nein, weil man sagt, hätte ich doch vor zehn Jahren mal angefangen, mich mehr um mich zu kümmern. Wenn ich jetzt damit anfange, dann ist der Gedanke ja gar nicht auszuhalten, wie doof ich war, zehn Jahre zu lang gewartet zu haben. Dann schiebe ich den Gedanken weg, weg, weg. Ich will mich auch gar nicht darauf ansprechen lassen. Nein, ich will mir nicht helfen lassen. Und Kirchegott dreht es auch weiter und sagt, eine merkwürdige Angst auch vor Religion. Die wittert er damals schon, 1840er, dass viele Angst vor Religion haben, vor Glaube. Und woran sieht man das? Die kommen nicht an den Punkt zu sagen, Religion ist irgendwas Wichtiges. Religion ist mindestens wie Kunst

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oder Sport oder Musik oder Recht, mindestens. Man kann sich damit beschäftigen, man kann sich das genau anschauen, man kann sich irgendetwas aussuchen oder auch nichts. Aber es ist doch eine interessante Sache. Und ja, das wäre eigentlich normal, völlig normal, wenn ihr außerirdische Land uns erforschen wollen. Die würden sagen, doch nicht sagen, wir erforschen alles, auch vor eurer Religion haben wir Angst. Die würden sich das angucken, weil Religion ist etwas Extrem Interessantes. Und es gibt Menschen, die können nicht mit Interesse auf Religion schauen, sie schauen in einer tiefen Haltung aus Abwehr, Aversion, Widerwillen, Ekel, Scheu, Wut. Und wenn man sie fragen würde, hast du Angst vor Religion? Dann würden sie, wenn sie sich gut im Griff haben, nein knurren. Wenn sie sich schlecht im Griff haben,

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würden sie bellen oder knurren. Weil ja irgendwie schon, irgendwie schon, das ganze Thema macht nervös, es macht aggressiv. Und die Gründe dafür sind ja schnell zusammengetragen. Es gibt extrem gute Gründe vor Religion Angst zu haben. Jetzt könnte man sich umgucken und auf die Idee kommen, es gibt ein paar Sachen, vor denen müsste man keine Angst haben. Sie könnten wahnsinnig hilfreich sein. Und selbst wenn es irgendwie nicht passt oder nicht stimmt, dass es mindestens ein schöner Traum ist, in den manche sich da einnullen, ist doch viel zu interessant, es zu ignorieren. Und Kirchegau verfolgt das sehr feinsinnig wie Menschen der Religion, der Frage nach Gott und Glaube ausweichen. Jetzt haben wir viel erzählt über Glaube und über Angst und jetzt könnte man sagen, jetzt kommt die Lösung. So, die Lösung könnte man sagen, ja, da musst du doch jetzt in zwei Minuten hier sagbar sein, Glaube und fürchte dich nicht. Das ist doch eine super Idee. Es ist einfach zu sagen,

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Glaube ist die Überwindung der Angst. Wer vertraut, wer im Vertrauen lebt und nicht in der Angst, der hat es, das musst du machen. So, und Gott als Schöpfer, als Anfang und Ende, da kannst du darauf vertrauen, dann hast du keine Angst mehr. Ja, und wer völlig falsch, wer völlig, völlig in die Irre gegangen, so einen Gegensatz aufzubauen, Glaube, dann musst du keine Angst haben. Wenn wir alles bisher beschriebener uns nochmal vor Augen führen, der Witz ist ja, es war immer die Strategie, sich die Angst vom Leibe zu halten. Was ist Glaube bei Kirchengau? Glaube ist nicht das Gegenteil von Angst, Glaube ist Angstbereitschaft. Glaube ist die Bereitschaft, die Angst zu ertragen. Glaube ist die Haltung im Vertrauen, der Angst nicht auszuweichen. Denn es gibt ja Grund, es gibt extrem gute Gründe, mulmige Gefühle

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zu haben. Wir sitzen hier in diesem Raum, andere sitzen irgendwann vor dem Computer und sagen wir mal ehrlich, wir sind irgendwie auf diesem Planeten hier gelandet und was wissen wir? Wir sind hier in einem Spiel, wir wissen zweierlei, fast alles ist unsicher, was passiert und das andere, was wir wissen, nur eine Sache ist sicher, wir kommen hier nicht lebend raus. Das ist hart, das ist ein hartes Spiel, das ist eine dystopische Versuchsanordnung, in irgendwas zu sein, alles ist unsicher, bis auf die Tatsache, dass du am Ende tot bist. Da hat man Grund, mulmige Gefühle zu bekommen. Wer macht denn sowas? Das ist ja schon ein bisschen extrem, wo wir hier gelandet sind. Insofern, es gibt Gründe für Angst. Leben ist ein Gehen, ein sich bewegen auf Eis. Es wirkt stabil, es wirkt fest, es wirkt

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wie Erde, aber wir gehen auf eine Eisfläche und da drunter sind 10.000 Meter Ozean und du kannst viele Schritte tun und nicht wissen, dass es Eis ist, du glaubst, dass es stabil ist, bis du es zum ersten Mal knacken hörst. Dann bist du in einer anderen Welt und es gibt Menschen, die hören extrem lange das Knacken nicht und lasst doch Einzelne hier durchsegeln, die es ihr Leben lang nicht knacken hören. Lass uns doch dankbar sein, dass wir an ihrer Lebensfreude ein bisschen auftanken. Die meisten hören es irgendwann knacken. Und schlimmer, manche sehen andere einbrechen. So gerade war noch einer neben ihnen und bricht einen und es passieren Dinge, die niemals passieren dürften und sie geschehen und die Welt ist eine andere geworden. Und auf einmal spürst du die 10.000 Meter Ozean unter dir und du spürst jeden Millimeter und du spürst, wie dünn das Eis ist. Und wenn du das Gefühl

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bekommen hast, wie ist das und die Durchvernunftgründe nicht mehr los, dann kannst du nicht sagen, ja, aber der hat noch nie das Knacken gehört. Wenn du es mal gehört hast. Es gibt Grund dafür, sich vor den Rissen im Eis zu fürchten, denn Menschen brechen ein. Die Lösung ist nie zu sagen, es gibt keinen Grund Angst zu haben und irgendetwas zu machen und zu tun, mit dem du völlig angstfrei sein kannst. Vertrauen ist die Bereitschaft zur Angst. Vertrauen ist Unsicherheit zu akzeptieren. Vertrauen ist ein Leben jenseits mathematischer Berechenbarkeiten. Vertrauen ist Schritte tun, wo du nicht durchrechnen kannst, alles was daraus folgen wird. Und das ist Leben. Und Vertrauen ist nicht das Gegenteil von Angst, sondern Leben trotz Angst, mit Angst, in Angst, aber so, dass das Vertrauen, der Mut, die Zuversicht immer das Entscheidende

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ist, immer ein bisschen größer ist und du handelst, nicht aus Angst. Wenn du aus Angst handelst, dann fliegst du oder schlägst du, dann läufst du weg oder trittst zu, dann handelst du aus Angst. Wenn du vertraust, dann sprichst du oder gehst Wagnüsse ein oder lässt dich auf Begegnungen ein. Und Glaube ist eine Grundhaltung eines solchen Vertrauens. Die Frage ist ja, wie kommen wir denn jetzt dahin? Und das ist der Punkt, wo Kierkegaard sagt, an der Stelle ist dieser Jesus von Nazareth so eine faszinierende Figur. Denn wenn ich mich umschau, alles was wir hier beschrieben haben, was ich gerade nacherzählt habe, es ist so wahnsinnig viel Angst gesteuert. Angst gesteuert heißt nicht, dass du die Angst spürst, du bist einen Schritt weiter, wenn du sie spürst. Wenn die Angst dich steuert, spürst du natürlich nicht die Angst, sie steuert dich, ja du gehörst ihr, dann spürst du sie

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nicht, ist ja klar. Das ist ja immer gut. Den Leuten dann zu sagen, du hast doch Angst, sagen sie nein, sie spüren es ja gar nicht, sie lassen sich von ihr steuern, dann hast du keine Angst, alles ist gut. Dieser Jesus von Nazareth handelt nie angstgesteuert. Er läuft nicht weg, er schlägt nicht zurück, er geht nicht die ganzen Abkürzungen der Wut und des ich bin raus, das macht doch euren Scheiß alleine und habe ich das nötig und wer bin ich, dass ich mir sowas hier sagen lasse und nichts davon, nichts. Dieser Jesus lebt völlig ungetrieben von Angst und jetzt kann man ganz schlicht fragen, ja warum? Ist er unser Bester? Ist er derjenige, der von uns es irgendwie rausgekriegt hat? Ist er im Grunde ein Mensch, der lebt wie ein Gott, als hätte er es alles im Griff? Das

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ist eine Idee, aber es ist natürlich eine frustrierende Erfahrung, vor allem, wenn man mehrfach erlebt hat, das schafft man nicht. Und für Kierkegaard ist das alte, rustikale, wuchtige Christentum hier ein erlösender Gedanke. Jesus ist kein Mensch, der wie ein Gott lebt, sondern er ist Gott, der sich als Mensch offenbart. In Jesus kommt mir ein Gott entgegen, der uns Menschen radikal vertraut, der sich selbst in unsere Hände gibt, der seinen Namen in unseren Mund legt, der seine Worte in unsere Hände legt, der unter uns lebt, der sich auf uns einlässt, der seinen Namen von uns missbrauchen lässt, der uns freistellt, der uns frei liebt, der dieses Zutrauen in uns hat, dass dieses wahnsinnige

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Experiment Mensch funktionieren könnte. In diesem Jesus scheint Gott auf und in diesem Jesus kommt uns Gott entgegen, nicht in der Theorie, sondern in der Tat und in Liebe. Und in diese Liebe hinein kann ich mich mit meiner Angst so bergen, dass ich sie nicht verdränge, nicht wegwünsche, sondern mit dieser Angst mich geborgen weiß in einem letzten Vertrauen, in dem ich mich nicht sichern kann. Gott ist nichts, was ich zu packen oder zu greifen bekommen, er ist nichts Endliches, in ihm begegnet uns der Unendliche. Alle anderen Lebensformen versuchen in irgendeiner Form sich in etwas Endlichem zu sichern, einer Theorie, einer eigenen Stärke, einer eigenen Fluchtstrategie, einer eigenen Geschicklichkeit, einer Weise sich die Welt zurecht zu lügen und anderen auch, irgendetwas soll mich schützen,

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irgendeine Waffe, irgendein Fluchtmittel, irgendeine Methode. So kriegst du Gott nicht. Ja, viele machen es nicht. Gott wird in solcher Weise missbraucht und der Gott, von dem dann die Rede ist, ist nie der Gott, der in Jesus Mensch wird und der dir in bedingungsloser Liebe entgegentritt und der dich will, dich Lilie, dich Vogel, dich Angsthase, dich Flüchtling, dich Fehler vermeiden wollender Fehlermacher, dich kaputtes, gestörtes etwas als geliebtes Kind anschaut und dich gesund liebt und nach Hause liebt und dem du nicht zu greifen kriegst, aber wo du sagst, ich will in dieses Unendliche hinein vertrauen und das, was mir darin eine

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Spur ist, ist es dieser Jesus und diese Geschichten und diese Worte und dieser Name. Darauf will ich zugehen. Ich bin mal vor vielen Jahren nach Kopenhagen gekommen, bin da nachts früh aus dem Hotel und bin zum Friedhof gegangen. Ich wollte Kirkegau besuchen. War jetzt ganz unspiritistisch, keine Angst, es kommt nichts Schlimmes. Aber ich bin zu seinem Grabstein gegangen, weil ich da sein wollte. Ein Grabstein ziemlich schlicht und es steht einfach darauf dänisch ungefähr, das Leben passiert alles viel und was ich möchte, ist mit Jesus ewig sprechen. So fromm, so pietistisch, so schlicht beschreibt er es, weil das Kirkegors Erfahrung ist gelingendes Leben ist immer ein Gespräch, ist immer ein Dialog. Und in Jesus habe ich das gegenübergefunden, wo das Gespräch immer weitergehen kann, durch jeden Abgrund hindurch,

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durch jede Scheitern hindurch, durch jede Schuld hindurch, durch jede Angst hindurch, durch jede Schwermut, durch jede Verzweiflung hindurch. Hört dieses Gespräch nicht auf, weil er mich immer wieder anspricht. Und ich kann sagen, was ich will und ich kann schreien, was ich will und ich kann klagen, was ich will und es bleibt ein Gespräch. Und ich bin zu diesem Grabstein hin sehr schlicht, ich wollte Danke sagen. Danke für 1000 wunderbare Stunden über seinen Büchern. Danke für 1000 Impulse voller Humor und voller Feingefühl. Danke für so viel Mitleid mit menschlicher Zerbrochenheit. Danke für so viel geistige Klarheit, für so viel Tiefe und für die radikale Bereitschaft, immer weiter zu denken, immer weiter zu fragen, immer weiter zu glauben, immer weiter zu hoffen, immer weiter zu lieben.

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Danke. Und ich habe ihm gesagt, wenn ich irgendwie kann, würde ich gerne etwas davon weitergeben und das habe ich heute auch in diesem Vortrag versucht.

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Søren Kierkegaard – Angst und Glaube | 10.1.3

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 29. Februar 2020 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Die Reihe über große Theologen geht weiter: Dieses Mal erzählt Thorsten Dietz von einem Theologen, der unser Verständnis davon, was Menschsein bedeutet, wie kaum ein anderer geprägt hat. Søren Kierkegaard beeinflusste das Denken seiner Zeit weit über Christentum und Kirche hinaus und hinterließ ein Werk, das noch heute Theologen, Philosophen und Gelehrte auf der ganzen Welt beschäftigt.
Søren Kierkegaard wurde in einer spannenden Zeit geboren, nach den großen Revolutionen des 18. Jahrhunderts, als sich Gesellschaften neu orientierten und der Glaube an Gott einen neuen Platz zwischen Vernunft und Zweifel finden musste. Doch Kierkegaards Lehre – und Dietz‘ Vortrag – geht weit über Glaubensfragen hinaus. Dietz erklärt, wie wir lernen, uns selbst zu akzeptieren. Wie wir mit der ständigen Angst, falsche Entscheidungen zu treffen, umgehen können. Und warum Gottvertrauen allein die Angst in unserem Leben nicht auflösen kann.

Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.