Ich habe bei der gestrigen Überblicksvorlesung begonnen, damit, dass Jesus eine neue Anrede für Gott gebraucht hat, die bisher kein Mensch gebraucht hat. Dahinter steckt eine bestimmte Gotteserfahrung, die ihm veranlasst hat, eine neue Anrede für Gott zu wählen. In der damaligen Zeit wurde Gott sehr oft als König, als Herr, als Schöpfer, als Gebieter der Welten, auch als Vater, zwar nicht sehr oft, aber es kam vor, angeredet. Das heißt, die jüdische Religion hatte einen reichen Schatz an Gebeten und Gottesanreden. Jesus hat aber an diesen Schatz nicht direkt angeknüpft, sondern er hat eine neue Anrede
gewählt, obwohl er in seinem Volk ja viele gute Anreden Gottes hatte, auf die er hätte zurückgreifen können. Und diese neue Anrede heißt aramäisch Abba. Ton liegt auf der zweiten Silbe. Abba ist eine schwedische Popgruppe und Abba ist eine aramäische Gottesbezeichnung. Und diese Bezeichnung Abba kommt in der Bibel dreimal vor, nämlich in der Gethsemane Perikope, in der Jesus ringt und seiner letzten Nacht dir gelebt hat, sagt er, Abba, alles ist dir möglich, lass diesen Kelch an mir vorübergehen, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und dann gibt es in zwei Paulusbriefen mitten in einem griechischen Brief an die Römer und an die Galater auf einmal den Satz, wir sind nicht Knechte, wir haben keinen knechtischen Geist empfangen, sondern wir haben einen kindlichen Geist der Freiheit empfangen, der zu Gott
ruft Abba. Und wenn Paulus noch Jahrzehnte später in Schreiben an Gemeinden diesen aramäisches Wort als bekannt voraussetzt, er übersetzt es gar nicht, dann kann man aus diesen drei Stellen rückschließen, dass die Gottesanrede Abba für Jesus völlig typisch war und völlig neu. Ich werde jetzt auf diese Vorlesung, ich kann jetzt nicht mehr groß darauf eingehen, ich will nur ein Beispiel noch erzählen, das mir mal klar gemacht hat, wie wichtig die Anrede ist. So wie man jemand anredet oder wie man Götter anredet, das ist von enormer Bedeutung, das sind praktisch so wie Vorzeichen vor der Klammer in der Mathematik, die Anrede entscheidet eigentlich schon fast alles. Wie darf ich sie anreden, Herr Stadtpfarrer, Herr Generalleutnant, Herr Direktor, Pharao wurde angeredet, o großer Nebensche, ranre, du Herr der Schönheit, glanz der Sonne, geliebter
der Wahrheit, durch den wir leben, also ganze Titulatur und dann konnte man ja sagen, was man will. Also die Anredeform ist enorm wichtig, die Namen der Götter, die zeigen das Wesen der Götter. Mir ist ein Beispiel eingefallen, das will ich euch noch erzählen, weil es ein bisschen, ich finde es für mich halt sehr lustig. Ich war mal Direktor einer Fachakademie, habe mehr verdient wie heute. Und als dieser, der in Schweinfurt war, als Direktor der Fachakademie für Sozialpädagogik in Schweinfurt, und da habe ich so ein Direktorenzimmer gehabt, das war voller Imponiergehabe, Möbel. Ich habe dazu Nato-Konferenzraum gesagt, weil die Studenten wurden schon verschüchtert durch einen ganz langen Tisch. Ich saß hier und zwei Meter, drei Meter entfernt, ein Student der mit mir reden wollte. Also Abstand wurde richtig schon.
Ich konnte in dem Mobiliar nichts ändern, habe mich totunwohl gefühlt. Manchmal ging die Tür auf in dieses Direktoratszimmer, es kam jemand rein und sagte, Herr Direktor. Und ich sag euch, die Körperhaltung, die Gesprächsthemen, die Atmosphäre war dementsprechend. Hin und wieder ging die Tür auf, es klopfte und es kam jemand rein und sagte, Herr Zimmer. Es war manchmal schon ein bisschen andere Körperhaltung, andere Gesprächsthemen, andere Atmosphäre. Es kam auch vor, dass es klopfte, die Tür ging auf und jemand sagte, Siggi, ich sag euch, völlig andere Körperhaltung, völlig andere Gesprächsthemen, ganz andere Atmosphäre. Es kam auch vor, dass es klopfte, die Tür ging auf und sagte jemand, Schätzchen, völlig andere Körperhaltung, andere Gesprächsthemen, andere Atmosphäre. Also ich will damit nur sagen, wie du jemand anredest, das entscheidet.
Und es ist eben kein Zufall, dass Jesus eine neue Anrede, Abba, gewählt hat. Abba ist die große Form, die Zärtlichkeitsform von Av, Vater. Es hat nie ein Jude Gott mit Abba angeredet. Es ist ein sehr intimes, sehr vertrautes, musst du keine Bücklinge machen, ist nicht wie vor einem Einwohnermeldeamt. Kannst du dich ganz an und kannst du dich frei fühlen, fühl dich frei. Paulus sagt, kommt in allem Freimut zu Gott, das heißt Paresia. Paresia heißt, brauchst nicht schüchtern sein, sei unbeschwert. Kannst dich frei, spontan verhalten. Also wenn du zu Gott Abba redest, brauchst du nicht schüchtern sein. Kannst dich frei, spontan verhalten. Es ist kein Imponiergehabe. Es ist nicht die Spitze eines totalitären Systems. Es ist kein himmlischer Polizist. Es ist kein Generalleutnant.
Es ist ein, der Grund aller Wirklichkeit ist etwas Zärtliches. Kannst du dich verstanden fühlen, kannst du Urvertrauen entwickeln. Also das Wort Abba steht eigentlich schon für alles. Man könnte fast sagen, Menschen aller Völker und aller Kulturen, begreift einfach Abba, dann habt ihr alles begriffen. Gut, ich hab das ganz bewusst als Einstieg gewählt, dass man Jesus verstehen lernt über seine neue Gottesanrede. Das halte ich für den tiefsten und den besten Zugang. Denn so wie Jesus zu Gott gesprochen hat, das zeigt, wie er zu ihm steht. Das Gebet ist der Ernstfall des Glaubens. Und deswegen finde ich die Gottesanrede das alleraufschlussreichste.
Und man darf es nie wieder verraten. Man darf im Christentum nichts tun, wodurch Abba bekleckert wird, eingeschränkt wird, zurückgenommen wird. Man darf auch übers Weltgericht nie so reden, dass Abba verunglärt wird. Im Weltgericht zeigt sich Abba. Alles, was zum christlichen Glauben gehört, ist von Abba her zu verstehen. Das ist der Schlüssel. Alle christlichen Gruppen, in dem, was sie lehren und tun, prüfe ich gern darauf hin, ist es noch 100 Prozent Abba. Gut, jetzt gibt es bei dem öffentlichen Auftreten Jesu noch einen zweiten Schlüssel. Es gibt eigentlich zwei Schlüssel, wenn man das gesamte öffentliche Auftreten Jesu verstehen will. Der erste und wichtigste Schlüssel, da folge ich bestimmten Bibelwissenschaftlern, ist der Schlüssel Abba.
Der zweite Schlüssel aber ist Malkuth-Yahweh, heißt es im Hebräischen. Im Griechischen heißt es Basileia-TU. Und im Deutschen heißt es Reich Gottes. Jesus verkündigte das Reich Gottes. Das war sein zentrales Thema. Das kann ich Ihnen gleich belegen. Wenn jemand fragt, was war eigentlich das zentrale Thema, da kann man nicht sagen Abba, das ist ja in dem Sinne kein Thema. Und wenn Jesus über Gott geredet hat mit anderen Menschen, dann hat er ganz normal Vater gesagt. Ihr habt übrigens ein Arbeitsblatt, da sind die wichtigsten Vater-Aussagen wörtlich drauf. Und da sehen Sie, wenn Jesus von Gott als Vater redet, geht es ihm nicht um die autoritäre, patriarchalische, männliche Herrschaft, sondern wenn Jesus von Vater redet, meint er Nähe, Fürsorge, Geborgenheit, Zärtlichkeit.
Das ist sein Vater-Erfahrung. Lest mal diese Texte durch, die in den Arbeitsblättern sind. Jesu-Aussagen über Vater. Sie merken auch, wenn Jesus über Vater redet, es ist Abba, er nennt ihn ja Abba. Gut, jetzt will ich diesen zweiten Schlüssel behandeln, nämlich Reich Gottes. Ich frage oft Studierende, was ist überhaupt das zentrale Thema, um das sich bei Jesus alles dreht, von dem man auch alles erklären kann. Also Abba und Reich Gottes, das sind die zwei Seiten der gleichen Münze. Das sind die beiden Schlüssel. Abba ist mehr der innere Schlüssel, aus dem Gebet heraus. Und Reich Gottes ist mehr der Verkündigungsschlüssel. So verkündigt Jesus es. Ich sag mal ein paar Stellen, damit ihr merkt, es geht alles um Reich Gottes. Im Markusevangelium beginnt das Markusevangelium im Kapitel 1 mit dem Thema des Markusevangeliums.
Das Thema heißt, die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen, kehrt um und glaubt an diese gute Nachricht. Die Zeit ist erfüllt. Warum? Weil das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Weil das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist. Dieser Ausdruck, nahe herbeigekommen, ist ganz typisch. Er ist ein seltenes Wort im Aramäischen und im Griechischen, aber ist ganz sorgfältig gewählt. Herbeigekommen heißt, es kommt von woanders her. Das Reich Gottes kommt zur Welt. Es entsteht nicht in der Welt. Es ist nicht Teil dieser Welt. Es kommt sozusagen von weit her. Aber es kommt zur Welt, so wie ein Kind. Ein Kind kommt auch zur Welt. Das Reich Gottes kommt auch zur Welt. Es ist nicht von der Welt. Und dann, es ist nahe herbeigekommen, das beste Beispiel ist, wenn ein Zug in den Bahnhof einfährt.
Ich bin früher immer knapp zum Bahnhof gelaufen als Schüler. Merkt auch jetzt schon, ich komme immer sehr knapp, meistens fünf Minuten später. Also fünf Minuten früher, ich weiß gar nicht, wie das geht. Ich komme entweder genau pünktlich oder eben paar Minuten später. Das habe ich schon so eintrainiert. Ich bin immer, wenn der Pfiff der Lokomotive von Blüterhausen ertönte, das war noch Dampflok damals, dann wusste ich, jetzt fährt der Zug in Blüterhausen ab, ich habe fünf Minuten, und dann bin ich im Dauerlauf zum Bahnhof. Und wenn ich noch 50 Meter weg bin, ist der Zug eingefahren. Aber bis der gehalten hat, war ich genau dort. Also nicht fünf Minuten zu früh. Aber auf jeden Fall der einfahrende Zug, da waren die Schranken. Und da ist der Zug noch gefahren, nicht mehr schnell, weil er hält ja gleich in 50 Meter. Und das genau ist gemeint, nahe herbeigekommen. Heißt, der Zug fährt in der Bahnhof ein. Er steht noch nicht. Aber er ist schon da. Er ist schon da.
Er ist im Kommen. Dann zum Beispiel, sagt Jesus, trachtet am Ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit. Das ist also ein gerechtes Reich. Dann wird euch alles andere im Leben automatisch zufallen. Das ist ein Spruch, gell? Trachtet, also öffnet euch oder interessiert euch an erster Stelle für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. Alles andere wird klappen. Oder die berühmte Bergpredigt, die berühmteste, wichtigste Rede Jesu. Seelig ihr Armen. Das ist der erste Satz der Bergpredigt. Das Eingangstor, denn euch gehört das Reich Gottes. Vom Reich Gottes ist in den synoptischen Evangelien über 100-mal die Rede. Also, das Reich Gottes ist das zentrale Thema Jesu. Um das dreht sich alles. Ich war mal vor einiger Zeit in der Filmakademie im Blauen Engel.
Das ist die Kneipe von der Filmakademie. Da waren so ein paar Filmstudenten neben mir. Oh, oh, oh. Das wird wieder. Am besten ist drauf pusten. Also, da habe ich... Da waren am Nebentisch einige Studierende von der Filmakademie. Und da sagt so ein 25-Jähriger so halblaut, ich hab's einfach gehört, gell? Mensch, ich hab mein Thema noch nicht gefunden. Soll ich Märchenfilm machen oder Werbefilm? Ich hab mein Thema noch nicht gefunden. Ich weiß nicht, hast du eigentlich schon dein Thema gefunden? Ich meine mal dein Lebensthema. Kannst du für einen dir sagen, ich hab mein Thema gefunden? Also, Jesus war ein Mann, der hat sein Thema gefunden. Sein Thema war das Reich Gottes. Kurze Erklärung, was damit gemeint ist. Der Begriff Reich Gottes versteht man in keiner Kultur der Welt.
Wenn du einem Römer sagst, ist das Reich Gottes schon gekommen, versteht Bahnhof, gell? Wenn du es einem Griechen sagst, einem Ägypter sagst, einem Babylonier sagst, einem Asyler sagst, der Ausdruck Reich Gottes ist nur im Judentum verständlich. Und zwar ist es also, es ist ein spezifisch jüdischer Ausdruck. Jeder Jude, jedes jüdische Kind zur Zeit Jesu weiß, was das Reich Gottes ist. Und auch der Ausdruck Reich Gottes in den Evangelien nie erklärt. Brauchen wir nicht, das weiß jeder. Also, Jesus erfindet dieses Wort nicht. Es ist nicht ein Wort, das er geschaffen hat, sondern das er aufgreift. Es ist bereits ein wichtiges Wort in der jüdischen Religion. Es kommt aus dem Alten Testament. Und noch genauer, es kommt aus den Propheten. Es ist ein prophetischer Zentralausdruck. Und zwar erst bei den Propheten, die das babylonische Exil erleben.
Jerusalem wird zerstört, 587 vor Christus, großer Untergang. Vielleicht habt ihr den Film Hitler gesehen, der Untergang. Das war für das Judentum ein Untergang. Jerusalem zerstört, Königtum zerstört, gelobte Land zerstört, Tempel zerstört, alles zerstört. Normalerweise hört da eine Religion in der Antike auf. Wenn alles zerstört ist, übernimmt man die Religion der Siegermacht. Denn die Götter waren stärker. Es ist ein Wunder bis heute, dass die jüdische Religion neu kreiert wird im Untergang. Alle anderen antiken Religionen hören im Untergang auf. Die jüdische Religion ist eine Religion aus dem Untergang. Das ist das Besondere an dieser Religion. Und im Untergang, im babylonischen Exil, treten Exilspropheten auf.
Die heißen Deutero Jesaja, Trito Jesaja und auch Hesekiel. Und diese Propheten des babylonischen Exils kreieren das Wort Reich Gottes, Malkuth, Malkuth Jahweh. Malkuth, Reich, ist sowohl, ist ein Doppelbegriff. Man muss zwei Übersetzungen wählen. Basileia im Griechischen genau gleich, ist auch ein Doppelbegriff. Malkuth heißt einmal das Gebiet, in dem Gottes Wille gilt und vollzogen wird. Das kann man übersetzen mit Reich. Das Reich des Augustus ist eben das Gebiet, wo der Wille des Augustus vollzogen wird. Und so ist Malkuth Jahweh das Gebiet, wo der Wille Gottes vollzogen wird, wo er gilt und in die Tat umgesetzt wird. Aber Malkuth hat auch eine zweite Bedeutung, und das ist der Akt des Herrschens. Also einmal ist es das Territorium, in dem ein Wille gilt,
aber es ist auch gleichzeitig ein dynamischer Begriff, nicht nur ein territorialer Begriff. Es ist auch der Akt der Willensausübung. Gut, was meinen diese israelitischen Propheten, die diesen Begriff erstmalig in der Welt geschaffen haben? Sie meinen damit Folgendes, und darauf baut Jesus auf. Sie meinen, Gott war schon immer der Schöpfer der Welt. Ja, das gilt schon immer. Er ist immer schon der Eigentümer der Erde. Aber sein Wille wird noch nicht richtig vollzogen. Er ist da irgendwo im Himmel. Man kann aber noch nicht sagen, dass die Erde sein Reich ist. Kann man noch nicht sagen. Es gibt die Erde, und die Erde ist sein Eigentum. Aber er wird irgendwann mal in der Geschichte zeigen, dass er da ist. Bis jetzt sieht man ihn noch nicht richtig. Und die Propheten sagen, Gott wird mal in die Geschichte eingreifen, das muss er auch mal. Er muss mal den Menschen auch politisch zeigen, dass sein Wille gut ist, und wenn sein Wille vollzogen wird,
dass die Menschen glücklich werden überall auf der Erde. Die Erde hat so viele Möglichkeiten, wenn es auch noch gerecht zugeht und nach dem Willen zugeht, könnten die Menschen auf der Erde sehr glücklich leben. Das muss Gott irgendwann mal zeigen. Dieser Begriff Reich Gottes ist also ein Hoffnungsbegriff, ein Sehnsuchtsbegriff. Es wird die Zeit kommen, und das war gerade die aufbauende Botschaft im Untergang. Das ist die Botschaft, die irgendwie bewirkt hat, wir schmeißen den Löffel nicht weg, wir geben nicht auf, wir werden jetzt nicht Babylonisch, wir assimilieren uns nicht, wir warten auf das Reich Gottes. Diese Botschaft hat Israel wieder aus dem Sumpf rausgezogen. Was meinen diese Propheten mit dem Ausdruck mal Kut-Jachweh oder Basileia-TU oder Reich Gottes? Sie meinen im Kern Folgendes. Die Reiche dieser Welt,
ob ägyptisch, Babylonisch, persisch, völlig egal, auch die Bundesrepublik Deutschland, die Reiche dieser Welt sind alle korrupt. Sie sind alle machtgierig. Sie bevorzugen alle die Reichen. Sie sind alle ungerecht. Die Armen haben nichts zu lachen. Es wird viel zu viel mit Gewalt durchgesetzt. Es gibt sehr viel Neid und Hass und Machtgier und Ellenbogengesellschaft. Die Welt ist nicht in Ordnung. Die Welt ist schwer geschädigt. Und die Menschen werden in eigener Kraft diese Schädigung nicht beheben können. Kein Reich kann die schwersten Schäden der Machtgier, der Geldgier, der Korruption, der Ungerechtigkeit, der Verachtung der Kranken und Armen und viel Folter und viel andere schlimme Dinge.
Kein Reich dieser Welt wird es beheben können. Keine Universität wird ein Impfstoff gegen Geldgier und Machtgier entwickeln können. Die Menschheit ist schwer geschädigt und sie kann es selber nicht beheben. Und wir setzen auf menschliche Behebungskraft nicht unsere Hoffnung. Das ist der Realismus der israelitischen Propheten. Es gibt eine solche Botschaft vom Reich Gottes nirgendwo auf der Welt außerhalb von Israel. Also, aber Gott wird einmal eingreifen, und das Reich Gottes ist ein Anti-Reich, ein Alternativreich. Es ist nicht nach Art der Reiche dieser Welt. Es ist fundamental anders. Man darf es nicht verwechseln, da läuft es ganz anders. Das sind die, die auf der Hierarchie und in der Rang-Skala und in der Status-Skala der Reiche dieser Welt ganz unten sind. Das sind die bevorzugten,
die mit besonderer Aufmerksamkeit beachtet werden. Das Reich Gottes kommt in erster Linie für die Armen, nicht auf Kosten der Armen. Es kommt in erster Linie für sie. Sie werden im Reich Gottes sich wohlfühlen. Das ist die Botschaft vom Reich Gottes. Und deswegen war der Ausdruck mal Kut Yachveh oder Basileia TU im Judentum zur Zeit Jesu der größte Sehnsuchtsbegriff, der positivste Begriff der jüdischen Religion. Ein Ausdruck der Sehnsucht und der Hoffnung. Das Reich Gottes kommt für alle Verletzten, die von den Reichen dieser Welt beschädigt wurden, die Wunden lecken. Das Reich Gottes wird keinen neuen Wunden zufügen. Es wird die Verletzungen dieser Welt nicht noch ausbauen, sondern es wird die Verletzungen dieser Welt heilen.
Und diesen Begriff macht Jesus zu seinem zentralen Begriff. Und sagt, jetzt geht's los. Das ist schon ein Hammer. Niemals hat ein Prophet Deut. Jesaja, Tritt. Jesaja, Hezekiel, Sacharia, Haggai, Reichgottes Propheten, niemand von denen hätte sich eingebildet, das waren bescheidene Leute, zu sagen, mit mir geht's los. Niemals steht irgendwo geschrieben, das Reich Gottes ist jetzt nahe herbeigekommen. Und zwar, indem ich auftrete. Also entweder ist so ein Typ reichlich bekloppt und hat viel zu große Schuhe sich angezogen, oder es ist auf jeden Fall schon kühn. Die wichtigsten Dinge, die Jesus sagt, zum Beispiel Abba oder Malkuth Jahweh, ist jetzt endgültig im Kommen. Nach der Reichgottes gibt's nix mehr. Die Zeit, in der das Reich Gottes kommt, ist die endgültige Zeit.
Alle entscheidenden Dinge, die Jesus gesagt hat, stehen nirgendwo geschrieben. Die stehen in keinem Buch. Die sagt er freihändig. Woher weiß denn der, dass das Reich Gottes jetzt gerade kommt? Wo steht das geschrieben? Das kannst du in keiner Heiligen Schrift nachgucken. Das sagt er halt. Also da steckt schon ein Anspruch dahinter. Ich sag mal, nur ein anderes Beispiel. Gibt's eine Auferstehung der Toten? Das war im Judentum um Schritten. Die Satuzeer sagen, papala, pap, das gibt's nicht. Und Pharisäer sagen, doch, es gibt es. Und dann verwickeln die Satuzeer in Jerusalem Jesus in ein Gespräch. Wie siehst du's mit der Auferstehung der Toten? Dann sagt Jesus erst mal, die Kinder, die Söhne dieser Welt heiraten und werden geheiratet. Aber diejenigen, die gewürdigt worden sind, jener Welt teilhaftig zu werden, die heiraten nicht mehr
und werden nicht mehr geheiratet. Also ist ja eine ganz völlig andere Welt. Und dann erst zitiert Jesus die Heilige Schrift und bringt jetzt irgendein Schriftzitat. Aber bevor Jesus die Heilige Schrift zitiert, sagt er das, was er denkt. Damit stellt er sich eigentlich vor die Heilige Schrift. Er versteht, Jesus versteht die Heilige Schrift besser als die Heilige Schrift sich selber versteht. Das heißt ja auch mal im Matthäusevangelium, dass er die Schrift erfüllt. Die Schrift selber kann sich nicht erfüllen. Der, der die Schrift erfüllt, das heißt, zum Ziel bringt, der steht über der Heiligen Schrift. Und das merkt man schon an seiner Reichgottesverkündigung. Wenn Jesus sagt, lasst die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Reich Gottes, wo steht es geschrieben? Nirgends auf der Welt. Nirgends. Hat auch noch nie jemand im Alten Testament gesagt. Also, ich will nur das Phänomen Jesus deutlich machen.
Alle entscheidenden Dinge stehen nirgends. Nirgends. Die sagt er freiherndig. Gut, so weit also. Das Reich Gottes beginnt jetzt mit Jesus. Mit Reich Gottes ist nicht der Himmel gemeint, die Seligkeit nach dem Tod. Sehr viele religiöse Gruppen, auch im Christentum, spiritualisieren die Evangelien. Da meint man dann, Reich Gottes beginnt nach dem Tod. Nein, das Reich Gottes ist eine massive, sichtbare Veränderung der gesellschaftlich, politisch, irdischen Verhältnisse. Das Reich Gottes ist eine Größe, die hier in der Gegenwart, in der Gesellschaft zu tiefen Veränderungen führt. Reich Gottes beginnt nicht im Himmel. Es beginnt mit der Verkündigung Jesu. Es ist eine praktische Veränderung in der Gegenwart. Reale gesellschaftliche Strukturveränderung. Also, das darf man nicht spiritualisieren. Ich habe eine Erleuchtung in meinem Herzen. Das ist noch nicht Reich Gottes.
Reich Gottes ist kein meditativer Erleuchtungsvorgang. Er ist eine tiefe gesellschaftliche Veränderung. Jetzt will ich an dieser Stelle... Ich will einen kleinen Überblick... Ich schaffe das natürlich in einer Vorlesung nicht möglich. Ich versuche einfach mal, so ein paar Grunddaten des öffentlichen Wirkens Jesu an euch vorüberziehen zu lassen. Morgen werde ich einen Punkt vertiefen, Jesus und die Kinder. Das ist eine von einer ganzen Reihe von wichtigen Punkten. Im Reich Gottes haben Kinder eine ganz andere Rolle. Man geht ganz anders mit Kindern um. Aber auch mit Frauen. Aber auch mit Aussätzigen, mit Kranken. Das sind alles irdische Veränderungen. Ja, also, das Reich Gottes ist das zentrale Thema Jesu. Das ist die neue Zeit, die mit ihm anbricht. Die große Wende zum Guten. Ich will an der Stelle auch noch eine andere, ganz grundsätzliche Überlegung einbauen.
Wenn man sich ein Gesamtverständnis, ein Gesamtbild von Jesus aus Nazareth machen will, und das müssen wir alle, wir brauchen irgendwie ein Gesamtverständnis. Da kann man natürlich lange dran arbeiten. Das entwickelt sich auch. Aber es ist sehr wichtig, welchen Reim sollen wir uns insgesamt auf ihn machen? Wenn wir ein Gesamtverständnis Jesu entwickeln wollen, sind drei Dinge entscheidend wichtig. Sein öffentliches Wirken, auch dass wir uns in diesen Tagen beschränken. Sein Tod und seine Auferweckung. Das sind die drei entscheidenden Aspekte, mit denen man sich beschäftigen muss, wenn wir der Frage, dem Geheimnis nachgehen, wer war und wer ist dieser Mensch? Wenn wir dieser Frage nachgehen,
ist sein öffentliches Wirken, sein Tod und seine Auferweckung die entscheidenden Dinge. Und deswegen will ich mal an der Stelle, obwohl es weit über unsere drei Tage hinausgeht, ich geh gleich wieder zum öffentlichen Wirken zurück, aber einmal so einen Gesamtüberblick. Wie sollen wir sein öffentliches Wirken, sein Tod und seine Auferweckung zueinander in Beziehung setzen? Sind die alle drei gleich wichtig? Oder wie, oder was, oder warum? Es gibt in der Christenheit da zwei große Einseitigkeiten, die beide schwer einseitig sind und nicht wirklich weiterführen. Die eine Einseitigkeit geht so, religiös wirklich entscheidend wichtig ist sein Tod und seine Auferstehung. Jesus starb für alle Menschen, er starb für die Sünden von allen Menschen, das ist heilsentscheidend. Und seine Auferweckung, Jesus ist für uns auferweckt worden, und die Auferweckung zeigt, dass er der Retter der Welt ist. Also wirklich geistlich, religiös,
letztlich entscheidet sich alles an Tod und Auferweckung. Ich sag's mal ein bisschen mit theologischen, klassischen Worten, die Heilsbedeutung Jesu konzentriert sich in Tod und Auferweckung. Diese schwere Einseitigkeit ist leider im apostolischen Glaubensbekenntnis voll drin. Das geht nämlich so los, ich glaube an Gott den Vater, und dann ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn. Der ist geboren von der Jungfrau Maria, aber gezeugt vom Heiligen Geist, ist also die Geburt. Und der nächste Satz gelitten unter Pontius Pilatus. Man fragt sich, hat der Typ gar nicht gelebt? Ist der gleich nach seiner Geburt gestorben? Im apostolischen Glaubensbekenntnis kommt kein Piep über das öffentliche Wirken. Das apostolische Glaubensbekenntnis springt von der Geburt zu Pontius Pilatus. Warum? Das ist das berühmteste Glaubensbekenntnis der Christenheit. Das ist aber wirklich ein schwerer Fehler. Ich schätze dieses Glaubensbekenntnis schon,
aber es hat ein paar große Macken. Die größte Macke ist, dass das öffentliche Wirken als unbedeutend eingestuft wird. Lohnt sich kein einziger Satz drüber. Warum ist das so im apostolischen Glaubensbekenntnis? Weil die Leute, die das geschaffen haben, große Lehrer der alten Kirche im vierten, fünften Jahrhundert, die waren Überzeugung, die Heilsbedeutung des Todes Jesu konzentriert sich sein Tod und Auferweckung. Jesus ist für uns gestorben, und die Auferweckung überwindet den Tod. Damit ist alles klar. Alles andere ist weniger wichtig. Warum ist diese Verhältnissetzung von öffentlichem Wirken, Tod und Auferweckung, warum ist die nicht gut? Das ist schwer falsch. Warum? Ich will das kurz begründen, in einer Minute. Wenn Jesus in seinem öffentlichen Wirken gesagt hätte, im Reich Gottes sollen sich die Arme da nicht so aufregen, die sollen mal schön stillhalten, und Reichtum ist ein schöner Segen,
dann hätte Jesus von Nazareth von mir aus achtmal gekreuzigt und 24mal auferweckt werden können. Ich würde ihm nicht mal der kleine Finger reichen. Wenn Jesus gesagt hätte, Kinder sind im Reich Gottes eigentlich relativ unwichtig, wichtig wird man erst als Erwachsener, dann hätte Jesus von mir aus sechsmal gekreuzigt und 14mal auferweckt werden können. Ich würde ihm nicht der kleine Finger reichen. Und das zeigt, dass es so nicht geht. Ja, Tod Jesu ist sehr wichtig, Auferweckung Jesu ist sehr wichtig, aber es kommt ganz drauf an, was der öffentlich gesagt hat, der gekreuzigt worden ist. Und was der vorher öffentlich gesagt hat, den Gott von den Toten auferweckt. Man darf die Bedeutung Jesu Christi nicht in seinen Tod und in seine Auferweckung isoliert konzentrieren. Jetzt gibt es aber auch eine ganz andere Einseitigkeit, die erlebe ich an der PH immer wieder,
erlebt man auch in der Universitätstheologie oder sonst auch irgendwo. Das geht ungefähr so, ich bin fasziniert vom historischen Jesus. Wie der mit Kindern umgegangen ist, mit Frauen, aber auch mit Aussätzigen und seine Bergpredigt, bin ich fasziniert, seine Gleichnisse. Supergut, so barmherziger Samaritaner und so. Ich find's auch gut. Es gibt Studenten, die sagen, ich bin von Jesus aus Nazareth fasziniert. Das reicht für meinen Glauben. Aber diese komische Kreuzigung, das ist ein bisschen blutig. Und Auferweckung, das weiß ich nicht, ob das nicht auch ein bisschen eine Erfindung ist. So eine Hoffnungsfigur. Die Jünger haben dann doch schlack gemacht, dass ihr großer Star so peinlich beseitigt wurde. Und dann haben sie sich da so ein Hoffnungsbild kompensiert. Also, Herr Zimmer, ich muss Ihnen wirklich sagen, die Gleichnisse und die Bergpredigt, das reicht mir für meinen Religionsunterricht.
Ich kann mit seinem Tod und seiner Auferweckung beim besten Willen entschuldigen Sie bitte, ich kann damit aber nicht viel anfangen. Das ist die andere Einseitigkeit. Was sagt man dann denen? Da sage ich, ich bin auch fasziniert vom historischen Jesus. Auch die Gleichnisse find ich auch gut. Ich kann lernen, eigentlich reicht es für den Glaube. Habt ihr schon recht. Ich eröffne da keinen Religionskrieg. Aber ich sage dann manchmal diesen Studenten, wisst ihr, ohne die Auferweckung Jesu gäb's ganz ein neues Testament gar nicht. Da wisstet ihr gar nichts über den historischen Jesus. Ihr könntet gar nicht fasziniert sein. Dass ihr vom historischen Jesus fasziniert sein könnt, das verdankt ihr seiner Auferweckung. Denn erst nach Ostern wurden christliche Gemeinden gegründet. Gäb's überhaupt das Christentum, wenn Jesu, sagen wir mal,
mit 75 Jahren an Altersschwäche gestorben wäre? Hätt's da ein Christentum gegeben? Du kannst mit seinem Tod nichts anfangen, gut, ist okay, du hast ja noch ein paar Semester vor dir, aber bleib offen, ob du vielleicht nicht doch mal was damit anfangen kannst. Aber ich sage mal, dem sein Tod ist ein sehr eigenartiger Tod. Der ist sehr früh gestorben, auf eine sehr merkwürdige Weise. Kein anderer ist so gestorben. Alle Evangelien reden von seinem Tod. Was schon auch Taufe und Abendmahl haben mit seinem Tod zu tun. Das wäre eigentlich schon ein bisschen schade, wenn mit dem gar nichts anfangen kannst. Weil die Evangelien, die vom historischen Jesus fasziniert sind, die sind aber auch von seinem Tod und seiner Auferweckung fasziniert. Gut, also jetzt kommen wir mal wieder drauf zurück. Wir bewegen uns hier im öffentlichen Wirken Jesu. Und wenn wir uns auf den Weg machen zu einem Gesamtverständnis, ist sein öffentliches Wirken erst mal grundlegend. Und vom öffentlichen Wirken her ergibt sich sein Tod und seine Auferweckung.
Aber in der Tat, von seiner Auferweckung her, siehst du die Bergpredigt noch mal ganz anders. Dann ist es die Bergpredigt dessen, den Gott als Ersten von den Toten auferweckt hat. Und das haben auch seine Gleichnisse noch mal ein anderes Gewicht. Die sind ja eh schon faszinierend. Aber wenn das auch noch die Gleichnisse von dem sind, den Gott von den Toten auferweckt hat, vielleicht weil er diese Gleichnisse so gesagt hat. Also die Sachen hängen unheimlich zusammen. Also dieser Punkt will ich so beschließen. Das Geheimnis des Mannes aus Nazareth steckt in gleichen Teilen, die man nicht einseitig links oder rechts abwerten darf, das Geheimnis dieses Mannes steckt in seinem öffentlichen Wirken, in seinem Tod und in seiner Auferweckung. Alle drei sind entscheidend. Gut, jetzt schlagt mal das Arbeitsblatt auf, die Zuwendung Jesu. Das müsst ihr irgendwo haben. Ich schätze mal, das könnte so Arbeitsblatt 12, 13 sein.
Guckt mal nach. 12. Ich habe also bis jetzt zwei Schlüssel zum Zugang zu diesem Phänomen kurz gestreift. Das ist die Gottesanrede Abba und sein zentrales Verkündigungswort, Sehnsuchtswort der jüdischen, prophetischen Religion, Reich Gottes, Antireich, Alternativreich. Das heißt, dass die Verletzungen dieser Welt nicht vermehrt, sondern heilt. Was folgt aus diesen beiden Schlüsseln? Also das ganze öffentliche Auftreten Jesu ist die Folge seiner Abba-Erfahrung und die Folge seiner Reichgotteserkenntnis. Aus diesen beiden Erkenntnissen ergibt sich alles, was Jesus gesagt und getan hat. Jetzt will ich mal den Schwerpunkt auf den Lebensstil Jesu legen. Also nicht auf die Bergpredigt, das ist genauso wichtig.
Man kann in drei Tagen das nicht alles schaffen. Wir beobachten mal den Lebensstil Jesu. Ich gehe mal aus von einem Grundraster der Bielefelder Alltagsoziologie, Schütz und andere. Es gibt also eine Bielefelder Alltagsoziologie, die ist schon in den 60er-Jahren entwickelt worden. Die hat einige enorme Stärken. Ich sage das mal ganz salopp, weil ich wende deren Raster jetzt hier an. Weil der passt wahnsinnig gut. Die Bielefelder Alltagsoziologie sagt, der Alltag ist das Wichtigste für den Menschen. Es gibt Menschen, die sind so gebildet, die sind so tief gebildet, die tauchen bald gar nicht mehr an der Oberfläche auf. Die können nicht mal eine Fahrkarte lösen. Ich muss auch vorsichtig sein mit meinem Verhältnis zur Technik. Aber trotzdem, ich möchte eigentlich ein ganz normaler Alltagsmensch sein. Also die europäische, hegelsche, kantsche Bildung, die idealistische Bildung, da sind die Leute so gebildet, da wird der Alltag völlig unterschätzt.
Aber der Alltag ist die Welt, in der sich das entscheidet. Nicht in minimal Chopin Klavierkonzerte, höre ich ja unheimlich gerne, aber das kann auch Kompensation sein und Ventil sein. Das Leben entscheidet sich in den Millionen kleinen Kontakten im Alltag. Das ist die Entdeckung der Bielefelder Alltagsoziologie. Der Alltag ist unsere Welt. Und im Alltag gibt es in den Gesellschaften tiefe Risse. Tiefe Risse. Und ich sag euch mal, die Bielefelder Alltagsoziologie hat noch ein paar mehr Risse, aber die spielen in der Zeit Jesu keine Rolle. Aber ich sag Ihnen mal, so tiefe Kluft im Alltag, wo die Millionen Kleinkontakte stattfinden, es gibt die Kluft zwischen Arm und Reich. Leben die in der gleichen Welt? Haben die die gleichen Interessen? Reich und Arm, das ist doch eine dermaßen Kluft. Dann gibt es die Kluft zwischen Männern und Frauen.
Habt ihr vielleicht auch schon gemerkt. Reden wir mal ehrlich, kann ein Mann eine Frau verstehen? Weiß nicht. Kann eine Frau einen Mann verstehen? Ich bin 64 Jahre alt, ich weiß es nicht. Weil ich sag euch, der Unterschied ist sehr tief. Also, es ist eine echte Kluft. Dann gibt es die Kluft zwischen Kindern und Erwachsenen. Wie viel Formen der Kinderfeindlichkeit? In der Bundesrepublik heute, im Jahr 2011, leben 84.000 Kinder auf der Straße. In der Bundesrepublik, jetzt im Jahr 2011. 84.000 Kinder, keine Eltern, keine Heimat, leben auf der Straße. Auch gar nicht zu reden von den Straßenkindern in Bukarest und Moskau. Also, die Kinderfeindlichkeit dieser Gesellschaft. Dann gibt es aber auch Gesunde und Kranke. Die Welt der dauerhaft Kranken, der chronisch Kranken. Der geistig und körperlich schwer Behinderten. Die haben ganz andere Sorgen.
Dann die Welt der gesellschaftlich Anerkannten, Gerechten heißt es im Neuen Testament. Und die Welt der gesellschaftlich Nicht-Anerkannten, der Sünder. Sünder ist ein Begriff für gesellschaftlich Nicht-Anerkannt. Das sind keine rechte Leute. In denen hat ein etablierter Mensch keine Kontakte. Das macht man nicht. Man sucht sich seine Bekannte gleich und gleichgesellschaftlich gern. Und dann gibt es noch die Kluft zwischen den Ortsansässigen und den Fremden. Im Schwaberländle musst du schon 20 Jahre in einem Ort wohnen und in zwei Vereinen sein, bis du langsam integriert bist. Also, die Kluft zwischen den Ortsansässigen und den Fremden. Zurzeit Jesu, die Kluft zwischen einem erwählten Volk und den Römern und Griechen, die sich da aufhalten. Das sind nach der Bielefelder Alltagsoziologie die tiefen Klüfte, die eine Gesellschaft auszeichnen.
Oder belasten, müssen wir besser sagen. Und die Leute, die da abgewertet sind, reich und arm, Jesus, in diesen Klüften will ich mal Jesus beobachten. Was bringt seine Abba-Erfahrung? Was bringt seine Reich-Gottes-Botschaft? Wie wirkt sie sich aus? Was bringt's? Der Schwab fragt euch mal ganz pragmatisch, was bringt's? Und diese Frage ist hochberechtigt. Was bringt's? Also, wie verhält sich Jesus in diesen sechs Rissen? Reich und Arm, Frau und Mann, Kind und Erwachsener, Gerechter und Sünder, Gesunde und Kranke, Zugehörige und Fremde, Ausländer. Das ist jetzt mal die Latte, die ich an ihn anlege. Jetzt schaut mal dieses Arbeitsblatt an, die Zuwendung Jesu. Da sind diese Risse alle drauf. Und ich habe alle Bibelstellen, die es gibt, in den synoptischen Evangelien hier mal alle zusammengestellt.
Da habe ich ein paar Wochen dran gearbeitet. Da habt ihr den kompletten Überblick über die Zuwendungslust Jesu. Denn er hat sich in diesen Rissen bewährt. Er hat die Menschen, die abgewertet wurden, wieder aufgewertet. Er hat einfach die Abwertungsvorgänge rückgängig gemacht, soweit er selber konnte. Er hat sich denen zugewandt, die abgewertet waren. Und das zeichnet diesen Mann aus. Für mich, Siggy Zimmer, ist das Verlockende an diesem Mann seine Zuwendungslust und seine Zuwendungskraft. Da frage ich mich wirklich, woher hat er die? Der ist doch ganz normal, ein Nazarit in dem Kuhnest aufgewachsen. In der Männergesellschaft. Woher hat er das? Oder anders gefragt, Nächstenliebe ist ja im Tiefsten,
wenn man es jetzt wirklich mal praktisch nimmt, nicht religiös, nicht diakonisch. Nächstenliebe ist eine Frage des Interesses. Interessierst du dich für den Anderen? Das Verblüffende an Jesus ist sein Interesse an den Menschen. Nicht, dass er übers Wasser gelaufen ist. Da kann man sich mal bei anderer Gelegenheit unterhalten. Aber das Wunder Jesu ist seine Zuwendungslust und seine Zuwendungskraft. Seine Kontaktfreudigkeit, sein Interesse an den Menschen. Er wollte mit den Sündern erst mal essen gehen. Erst mal Tischgemeinschaft. Weil es gibt viele Sachen, die kannst du dem anderen nur sagen, wenn du am gleichen Tisch sitzt. Du kannst die nicht von einem Tisch zum anderen hinüberrufen. Das kannst du nicht. Und die Sünder haben das gemerkt, der fühlt sich bei uns wohl. Der kommt gern, der bleibt länger, als er müsste.
Das ist auch noch von uns. Und irgendwie bringt der Gott mit. Und wenn Gott so ist wie der, wenn der seinen Lebensstil wirklich von Gott hat, dann müssen wir völlig neu anfangen. Die frome Juden interessieren sich nicht für uns. Und die Kirchgänger auch nicht. Da hat der kein Schilaner blicken lassen. Die fühlen sich ja nicht wohl, wenn wir kommen. Aber du kommst zu uns. Und wenn Gott so ist wie du, dann ändert sich ja alles. Und so hat er diese Leute gewonnen. Erst mal über die Tischgemeinschaft. Der wollte erst mal mit uns essen gehen. Also, das ist diese Zuwendungspalette. Ich will daraus ein bisschen was sagen. Und morgen den großen Schwerpunkt Jesus und die Kinder, heute eher den Schwerpunkt Jesus und die Armen. Aber bevor ich das sage, möchte ich noch Folgendes grundsätzlich sagen. Wie kommt ein Mensch zum Glauben?
Das weiß ich auch nicht. Das ist ein Wunder. Es gibt tausend Millionen Arten, wie ein Mensch zum Glauben kommt. Ich meine jetzt mal auch zum christlichen Glauben. Allerdings etwas Grundsätzliches will ich sagen. Die beste und tiefste Art, zum christlichen Glauben zu kommen, ist die Zuwendungslust und Zuwendungskraft Jesu. Dass du beeindruckt bist von dieser Palette, die ihr hier vor euch habt. Wenn euch das nicht zum Glauben bringt, frage ich mich, was dann? Was dann? Das ist das Attraktivste, das Menschlichste, das in unserem Glauben wohnt. Die Zuwendungslust und die Zuwendungskraft. Das Interesse an den Menschen. Das hat mich zum Glauben gebracht. Das kann ich nicht so sagen, aber ich kann sagen, das hält mich seit Jahren am Glauben. Mir hat vor Kurzem ein Student gesagt, kommt aus Amerika, war in einem atheistischen Literaturseminar,
sehr frommer Mann, SMD. Und kommt, Herr Zimmer, ich bin nicht christlich, ich war in Amerika in einem atheistischen Literaturseminar, ich sage Ihnen, Herr Zimmer, da geht's ganz anders ab. Da kommen Argumente, und jetzt bin ich platt. Herr Zimmer, ich kann nicht mehr richtig glauben. In der Sprechstunde, Herr Zimmer, ich möchte mal unter vier Augen mit Ihnen reden, sagen Sie es nicht weiter, gell? Ihr kennt ja den Herrn nicht, gell? Er ist ja ganz anonym. Herr Zimmer, ich möchte Sie jetzt mal wirklich fragen, was hält eigentlich Sie am Glauben? Ich habe gemerkt, dass mein SMD-Glauben ziemlich schnell flutschi-flutschi geht, wenn da mal eine gescheite atheistische Literatur kommt. Da geht bei mir das weg wie der Eisblock in der Sonne, wie Butter in der Sonne. Herr Zimmer, was hält eigentlich Sie am Glauben? Sie kennen doch auch die atheistische Literatur. Ich sage, ja, wahrscheinlich besser als Sie. Aber doch trotzdem sage ich, ja. Man sagt doch, warum? Ich sage, wegen der Zuwendungslust Jesu.
Deswegen, glaube ich. Die finde ich bei Kafka nicht, bei Precht auch nicht. Hat sich einer Ihrer Literaten so viel Zeit in seinem Terminkalender genommen für aussätzige, kranke, weinende Kinder wie dieser Mann? Wenn Sie mir den zeigen, den Atheist, dann komme ich in Schwierigkeiten. Aber ich glaube wegen der Zuwendungslust Jesu. Ich glaube nicht mal wegen der Kreuzigung und der Auferweckung, aber schon auch. Aber entscheidend. Ohne das würde mir Kreuzigung und Auferweckung nicht viel... Das reicht nicht, gell? Aber dass der, der so mit dem Menschen umgegangen ist, dass den Gott bestätigt hat, das ist gut. Das ist gut. Gut, also das war... Jetzt fasse ich noch mal zusammen. Die Gottesanrede, die Reich-Gottes-Botschaft. Und aus dem heraus entwickelt sich der Lebensstil Jesu, der sich konkret zuspitzt an diesen sechs Rissen.
Es gibt noch zwei andere Bausteine, die hier nicht drauf sind. Wie verhält sich Jesus eigentlich zu seiner eigenen leiblichen Familie? Und wie verhält sich Jesus zu seinen Jüngern und Jüngerinnen? Diese beiden Bausteine kommen noch dazu. Dann haben wir die gesamte Palette von acht entscheidenden Bausteinen, wie wir den öffentlichen Lebensstil Jesu prüfen können, beobachten können, sein Verhältnis zu seiner eigenen Familie, dann seine Verhältnisse... Er ist nicht das einsame religiöse Genie, sondern hat sehr früh einen Schülerkreis um sich herum gesammelt und hat viel Zeit investiert. Im Kontakt, im Zusammenleben mit Männern und Frauen. Jesus ist mit verheirateten und unverheirateten Frauen und Männern unterwegs gewesen. Ich kenn sonst niemanden im Judentum.
Selbst sogar eine Frau des Ministerialbeamten Sousa vom herrhodianischen Hof ist mit Jesus unterwegs gewesen. Also was da dahintersteckt, weiß ich auch nicht. Es war aber eine verheiratete Frau mit einem hohen Ministerialbeamten am Hofe des Herodes, gehörte zu den Juden. Zu den Jüngeren Jesu und war mit ihm unterwegs. Mal schön auf die Uhr gucken. Martin, wie viel Zeit hab ich? Realistisch? Nein, also konkrete Angaben. Halbe Stunde. Halbe Stunde, halbe Stunde, ja. Also ich fange jetzt mal an, Jesus und seine eigene Familie. Und dann bringe ich noch den Baustein Jesus und die Armen. Ich hab so das Gefühl, das ist irgendwie für heute gut. Jesus und seine eigene Familie. Jetzt muss ich euch leider einiges zumuten, tut mir jetzt schon ein bisschen leid. Aber ich darf euch versichern, ich bin nicht schuld, es steht so im Markusevangelium. Das Markusevangelium ist das älteste Evangelium.
Und es hat zwei Texte, die können niemals Erfindung sein. Niemals, gell? Die anderen auch nicht. Aber die Texte, die sind. Und die will ich euch jetzt mal vorlesen. Weil wenn ihr zum Phänomen Jesu ein bisschen näher vordringen wollt, ist das jetzt ein wichtiger Text. Der steht in Markus 3, Vers 20 bis 21. Markus 3, Vers 20 bis 21. Ihr habt ihn leider nirgends, schade. Ich lese ihn euch vor, Markus 3, Vers 20 bis 21. Dieser Text steht nur im Markusevangelium. Als Matthäus diesen Text las, hat er die Pfoten davon gelassen. Nix davon übernommen. Als Lukas diesen Text las, Pfoten weg. Das war ihnen zu heikel.
Dann geht dieser Text in Matthäus 3, Vers 20 bis 21 weiter. In Matthäus 3, 31 bis 35. Dazwischen wurde dann später was eingeschoben. Aber diese Begebenheit, um die es geht, geht eigentlich nahtlos weiter dann in Vers 31 bis 35. Diesen Text bringen Matthäus und Lukas, aber stark abgemildert. Aber Markus 3, 20 bis 21, nothing. Und den lese ich jetzt mal vor. Jesus ging ins Haus. Und wieder kamen so viele Menschen zusammen. Martin, musst du mal schön vorlesen. Der Text ist leider zu klein. Oder Alina. Der Text ist so klein, dass ich ihn nicht lesen kann. Lies mir diesen Text vor und sprich ins Mikrofon. Jesus ging ein ins Haus. Nein, Quatsch. Nochmal. Jesus ging in ein Haus. Und wieder kamen so viele Menschen zusammen,
dass er und die Jünger nicht einmal mehr essen konnten. Als seine Angehörigen davon hörten, machten sie sich auf den Weg, um ihn mit Gewalt zurückzuholen. Denn sie sagten, er ist von Sinnen. Gut. Also, Jesus ist von Sinnen. Und sie haben ihn von Sinnen ausgesucht. Also, Jesus geht in ein Haus. Man merkt indirekt, es muss in Nazareth gewesen sein. Weil seine Angehörige kommen. Er geht in ein Haus, er geht aber nicht ins Haus seiner eigenen Familie. Jetzt kommt der Kerl immer wieder nach Nazareth, war Monate weg. Sagt es denen nicht mal, geht in ein Haus. Und da kommen so viele Leute zusammen, dass er nicht mal ein Scheitabend essen kann. Und dann sagt man ihm, da kommt Maria und deine Brüder. Die kamen und wollten ihn mit Gewalt wieder packen.
Denn Luther, das ist Luther-Übersetzung, denn sie sprachen, er ist von Sinnen. Das ist aber wohltemperiertes Klavier. Das heißt im Griechischen, das ist ein Fachausdruck, denn sie sagten, er ist geistesgestört. Das ist der Fachausdruck, der Typ ist übergeschnappt. Der ist verrückt geworden. Den müssen wir jetzt unter familiäre Kontrolle bringen. Der Zinnober da in der Gegend rum schafft nichts mehr, lässt seine Witwe im Stich. Seine Mutter, die inzwischen Witwe ist, ist der älteste Sohn. Der ist für seine Witwe zuständig, stromert aber in der Gegend rum, kommt hier in ein Haus. Könnt ihr euch vorstellen, was da im Hintergrund passiert sein muss? Und jetzt kommt also Maria und die Seinen und wollen ihn mit Gewalt packen, denn sie sagen, der Typ ist geistesgestört. Diesen Text übernimmt niemand. Weil nämlich Matthäus und Lukas Evangelium eine Marienverehrung haben.
Und du kannst keine Marienverehrung haben mit dem Text. Das geht nicht. Der Text wird auch in der katholischen Kirche kaum zur Kenntnis genommen. Also, jetzt geht es aber weiter in Markus 3, 31 bis 35. Also ihr müsst euch vorstellen, Jesus ist ein Nazareth, hat da irgendwo seine Freundinnen und Freunde und die ganzen Jesus-Anhänger kommen zusammen, das Haus ist gerammelt voll. Und jetzt kommt Maria, die haben mitgekriegt, dein Sohn ist wieder da. Peinlich, peinlich. Jetzt kommt sie und sagt, jetzt ist Schluss mit lustig. Komm, nimm die Brüder mit. Vier Brüder, das müsste reichen, um ihn mit Gewalt wieder einzukaschen. Und jetzt versuche ich doch... Hei, hei, hei, ich versuche, den anderen Text zu lesen. Hoffentlich kriege ich es hin. Jetzt geht es so weiter. Da kamen seine Mutter und seine Brüder. Sie blieben vor der Haustür stehen und ließen ihn herausrufen.
Peinlich, peinlich. Ließen ihn herausrufen. Es saßen viele Leute um ihn herum. Und man sagte zu ihm, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und lassen dich rufen. Da sah Jesus die an, die um ihn saßen und sagte, wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Ihr seid meine Mutter und meine Brüder. Evangelium des Markus, Gottes Wort. Also Jesus muss einen brachial schweren Konflikt gehabt haben mit seiner Familie. Jesus wollte eine neue Familie gründen, eine neue Familie. Derer, die den Willen Gottes tun. Und er muss bei seiner Zuwendungslust und seiner Zuwendungskraft, ist der Mann nicht einfach softy.
Er ist knallhart. Er ist knallhart zu seiner eigenen Familie. Irgendwie gehört es zu seiner Zuwendungslust und seiner Zuwendungskraft zu den Armen, zu den Kindern, zu den Mondsüchtigen und zu den Aussetzigen, dass er sich nicht von seinem Fleisch und Blut dirigieren lässt. Fetterless-Wirtschaft bei Jesus gibt es wirklich nicht. Also zu dem Phänomen, Jesus aus Nazareth gehört, dass er nicht mal seine eigene Familie hat ihn anerkannt. Es gibt in Markus 6 noch mal eine Stelle, Markus 6, 1 bis 6. Die sag ich euch jetzt sinngemäß. Jesus kam wieder mal nach Nazareth. Er ist immer wieder mal in so einen Heimatort gegangen. Und dann heißt es, er konnte nicht viele Wunder tun wegen ihres Unglaubens. Und dann sagt Jesus, da ist das nicht der Mariensohn,
dessen Bruder Jakobus, Joses, Simon und Judas unter uns wohnen. Da werden die Geschwister alle namentlich genannt in dieser einzigen Stelle. Und da heißt es, dass Jesus sagt, der Prophet gilt nichts. Und jetzt zählt er auf, in seiner eigenen Familie, in seinem Vaterhaus und in seiner Vaterstadt. Da gilt der eigene Prophet nichts. Und der Text hört dann auf, er konnte nicht viele Wunder tun, um ihres Unglaubens willen. Und da ist Maria und die Brüder und die Schwestern voll mit gemeint. Und dieser Markus-6-Text ist der letzte Text, in dem Maria im Markus-Evangelium vorkommt. Danach kommt sie nicht mehr vor. Das heißt, Markus 3 und Markus 6 sind die einzigen Stellen im Markus-Evangelium zur leiblichen Familie Jesu. Da darf ich euch sagen, da hat's geknallt. Dahinter stecken schwerste Verwerfungen. Nach der Auferweckung Jesu,
allerdings heißt es in Apostelgeschichte 1, Vers 14, Maria, seine Mutter, seine Brüder und seine Schwestern zogen nach Jerusalem und wurden Mitglieder der Jerusalemer Urgemeinde. Maria und die Brüder Jesu haben Pfingsten miterlebt. Bevor Pfingsten geschieht, zieht Maria und seine Brüder und Schwestern nach Jerusalem. Weil einer der Auferstehungszeugen Jakobus ist, nämlich der leibliche Bruder Jesu. Er erschien als Erstes dem Petrus, dann den Zwölfen, dann 500 Brüdern, auf einmal, von denen manche noch leben, viele noch leben, dann erschien er dem Jakobus und dann allen Aposteln. Das ist die Aufzählung. Und der Jakobus, das ist der Jakobus, der ihn hier packen will und mit Gewalt heimholen will, ist der leibliche Bruder Jesu. Und Jesus hat einen seiner leiblichen Brüder in der Auferweckung persönlich gewonnen. Und dadurch zieht die Familie nach Jerusalem. Aber vor der Auferweckung Jesu schwerste Konflikte.
Also, das ist der erste Baustein. Ich halte ihn für sehr wichtig, weil er im kirchlichen Leben völlig runtergebuttert wird, weil man ihn kaum kennt. Aber das wirft ein Licht auf diesen Mann. Er hat sich von Fleisch und Blut nicht dirigieren lassen. Er musste wohl dieser Mensch mit solcher herzlichen Erbarmen, der solche Gleichnisse wie dem amherzigen Samaritaner formulieren konnte, der musste sich knallhart seinen eigenen Weg erkämpfen gegen seine Familie, die ihn managen wollte und auf konventionelle Normen zurückbringen wollte. Das hat er nicht zugelassen. Und jetzt ein weiterer kleiner Baustein, das Thema Armut und Reichtum bei diesem Mann aus Nazareth. Ich will mal zunächst einiges Allgemeine zur wirtschaftlichen Lage sagen in Palästina des ersten Jahrhunderts. Es ist sehr wichtig, dass wir über die wirtschaftliche Situation zur Zeit Jesu Bescheid wissen.
Denn nur wenn wir darüber gut qualifiziert, gründlich, sodass wir gefühlsmäßig daran teilnehmen können, Bescheid wissen, haben wir praktisch den Resonanzboden, die Rahmenbedingungen für die Botschaft Jesu. Denn Jesus wandte sich ja an die Menschen in dieser Lage. Und wenn wir mitfühlen wollen, wie die Worte Jesu in den Ohren der damaligen Menschen geglungen haben, müssen wir die wirtschaftliche Lage dieser Menschen kennen. Und die finden wir nicht im Alten Testament. Du kannst die Bibels Alte Testament hundertmal rauf und runter lesen. Darin findest du nicht die wirtschaftliche Lage Jesu. Das musst du wissenschaftlich erforschen. Da kannst du in der Bibel lesen, so viel du willst. Also hat man gesagt, wir müssen die wirtschaftliche Lage in Palästina zur Zeit Jesu erforschen. Jetzt schlag mal das Arbeitsblatt auf,
die Schichten der antiken Gesellschaft. Findet das jemand die Nummer? 13. Ich sag's jetzt auswendig, und ihr schaut einfach drauf. Wir müssen mal grundlegend lernen, wie ist eine antike Gesellschaft aufgebaut? Das ist ganz wichtig, damit man die Worte Jesu bewusster aufnehmen kann. In wirtschaftlich normalen Zeiten... Man muss in der Antike unterscheiden zwischen wirtschaftlich stabilen Zeiten oder stabilen Gesellschaften und wirtschaftlich instabilen Zeiten, wenn bestimmte Gesellschaften in einen Verelendungsprozess geraten. Da ändern sich die Dinge. Also in wirtschaftlich normalen Zeiten ist eine antike Gesellschaft so aufgebaut, sie hat ungefähr fünf Prozent Oberschicht. Kann mal vier sein, kann sechs sein, kann mal dreieinhalb sein, aber so um den Dreh rum. Fünf Prozent der Menschen gehören zur Oberschicht. Die nennt man Menschen der Muse, die müssen nie arbeiten. Die haben alles reichlich. Die können sich den sieben freien Künsten zuwenden,
so wie Sokrates und Platon. Kannst auf die Jagd gehen, kannst Literatur lesen, kannst philosophieren. Philosophieren kannst du nur in der Oberschicht. Also eine antike Gesellschaft hat fünf Prozent Oberschicht Menschen der Muse. Macht sich keiner die Fresse, die sind nur dreckig. Die müssen nicht arbeiten. Ihr Leben lang haben die nie gearbeitet. Deswegen heißt es, die freien Künste, die werden dann auch Maler. Fünf Prozent Mittelschicht. Die Menschen müssen arbeiten, aber sie haben Goldschmied zum Beispiel Schreiber oder Ministerialbeamte. Die sind nicht Oberschicht, aber sie sind Mittelschicht. Die müssen arbeiten, aber haben alles reichlich. Sie müssen nicht sparen. Das sind in der Regel auch fünf Prozent. Großhandelskaufleute gehören zur Oberschicht. Aber so mittelgroße Kaufmannsbetriebe, Goldschmiede, Kunsthandwerker, wo's gut läuft, das ist so Mittelschicht.
Die haben einen gewissen Wohlstand. Aber 60 Prozent... Jetzt werden wir halt... Ähm... 80 Prozent. 80 Prozent, guckt nach, ob's stimmt. Die müsst ihr eigentlich auswendig wissen. 80 Prozent der Menschen sind Unterschicht. Kleinbauern, Kleinhandwerker, Tagelöhner, Sklaven. Es gibt eine obere Unterschicht und eine untere Unterschicht. Obere Unterschicht sind einfach Handwerker, normale Handwerker, Kleinbauern. Untere Unterschicht sind Tagelöhner und Sklaven. Gut, das sind 80 Prozent. Jetzt gibt's aber noch unter der Unterschicht die Entwurzelten, heißen die. Das sind Bettler, geistig, körperlich Behinderte, die müssen betteln. Also in der Unterschicht kommst du noch übers Leben, musst dauernd schaffen, hast kein Wochenende, im Schabbat musst du eigentlich auch schaffen. Also die Unterschichtsleute schaffen immer, müssen immer sparen,
sind alle Vegetarier, kein Mensch in der Unterschicht, isst Fleisch, Fleisch isst du nur in der Oberschicht und in der Mittelschicht. Das sind alles Pflanzenfresser in der Unterschicht. Also das ist der normale Aufbau. Und zehn Prozent ist Entwurzelte. Karl Marx würde sagen Lumpenproletariat. Mit denen kannst du nicht einmal eine Revolution machen. Also diese zehn Prozent heißen in den Evangelien ptochoi, arme. Wenn Jesus in der Bergpredigt sagt, selig ihr ptochoi, ihr Armen, isch net die Unterschicht gemeint. Da kommt er ja selber her. Und die Fischer von Segenetsa, die sind alle Unterschicht. Aber das sind keine ptochoi, das sind penetes. Das heißt kleine Leute, so bezeichnet man die Unterschicht. Also der Fachausdruck für Unterschicht heißt penetes, dreimal E, gell? Penetes, da kommt übrigens das Wort Penetrant her. Unterschicht hat was Penetrantes für Oberschichtsleute. Sind penetrant.
Also penetes. Aber die Unterschicht sind ptochoi. Und Jesus sagt, selig ihr ptochoi. Das ist eine echte Provokation. Gut, wenn aber jetzt... In Palästina waren keine wirtschaftlich stabilen Verhältnisse. Ich sag euch mal das Allerwichtigste in fünf Minuten. Das ist aber 30 Jahre Forschungsarbeit von vielen habilitätslosen Menschen. Das ist eine Forschungsarbeit von vielen Habilitations- und Doktorarbeiten. Und sag ich mal in fünf Minuten das Ergebnis. Seit der römischen Besetzung ist Israel Palästina so nennen, die Römer Philistin, Philisterland. Da kommt Palästina her. Die Römer haben die Juden so demütigen wollen, dass sie gesagt haben Philisterland. Weil sie wussten, Philister sind die Intimfeinde. Und aus Philister wurde Falaster und wurde Palästina. Also eine römische Schimpfbezeichnung. Die hat sich dann eingebürgert. Also Palästina, so hieß das Land jetzt unter den Römern, bekam einen Verelendungsprozess.
Und zwar aus folgenden Gründen. Als die Römer im Jahr 64 v. Chr. diese Provinz Judá, Judajos, genommen haben, haben sie die wirtschaftlich prosperierenden Küstengebiete alle abgetrennt. Die Hafenstädte Tyros, Sidon, Caesarea, Dor, Akko, Gaza und so weiter. Diese Städte wurden abgetrennt von der Provinz Judajos, Judäa. Und das war ein schwerer Verlust, weil da kam viel Wohlstand her. Sie haben also die Küstenebene abgeschnitten vom Staat. Dann Herodes der Große wurde zum König eingesetzt. Ist selber kein Jude, das ist ein Idomer. Und dieser Herodes der Große hat eine irrsinnige Bautätigkeit angefangen. Er war der größte Bauherr der Antike. Sein eigener Palast war viel schöner wie vom Kaiser Augustus in Rom. Viel schöner. Also, das war ein bauwütiger Typ. Der hat ganze Städte gegründet. Sebaste, Caesarea, Maris hat er aus dem Boden gestampft.
Hochmoderne, wohlhabende Großstädte. Er hat ein Netz von Festungen, Masada, Machairos und andere. Er hat Jerusalem ausgebaut, einen Tempel in Jerusalem, sich einen eigenen Palast natürlich. Also, der hat eine Bautätigkeit angefangen, wie es sie seit... seit... der Pharao, wie heißt der von Moose? Der Pharao der Zweite. Ramses der Zweite. Seit Ramses der Zweite gab's keinen Bauherr, der so wütend war wie der Herodes. Und diese ganzen Baukosten hat Herodes über ein eigenes Steuersystem erhoben aus der Bevölkerung. Und das hat die nach unten gezogen. Dann hat Herodes auch eine Besitzkonzentration durchgeführt. Er hat nämlich die besten Latifundiengebiete, Yesserel-Ebene, da gab's keinen felsigen Untergrund beim Säen. Das waren wirklich wunderschöne grüne Ebenen. Die hat er an wohlhabende Millionäre, Milliardäre verkauft, die da kapitalkräftig mit dem Ding umgehen konnten.
Und die Bauern, die da gelebt haben, waren jetzt Pachtbauern. Der hat die enteignet. Er hat die besten Gebiete der Bauern enteignet, darüber kapitalkräftige Eigentümer gesetzt. Und jetzt hat er ein her kleiner Pachtbauern erzeugt. Und die sind dann abgewirtschaftet, weil die waren so dicht schon am Untergang. Wenn da eine Missernte kommt, haben die nix mehr verkraftet. Und er hat den pensionierten Generälen und Offizieren seiner Armee fette Latifundien gegeben. Und diese Besitzkonzentration hat ihn in einen Verelendungsprozess geführt. Dann kam noch dazu, dass der Kaiser Augustus, ihr kennt die Weihnachtsgeschichte, als ein Gebot ausging, der hat auch ein Steuersystem eingeführt, Kaiser Augustus. Jetzt kam zum herodianischen Steuersystem, ein römisches Steuersystem, extra außerdem. Die beiden Steuersysteme haben überhaupt nix miteinander zu tun. Und das gab Palästina voll den Rest. Diese Steuern mussten zweimal gesenkt werden, weil es ging einfach nimmer.
Und das traf natürlich nicht jeden gleich hart. Die Oberschicht und die Mittelschicht haben es verkraftet. Und statt Land war ganz unterschiedlich. Jerusalem war steuerbefreit, gab's überhaupt keine Steuern. Tempelstädte waren hoch privilegiert. Und da entstand auch ein schwerer Konflikt statt Land. Die Jerusalemer waren reiche Pfeffersäcke. Die haben davon gar nix groß mitgekriegt. Gut, und dann in den 20er-Jahren, da war Jesus schon 25 Jahre alt, in den 20er-Jahren kam es zu schweren Missernten und Hungersnöten. Die Folge war einmal, ab in die Kriminalität oder in die Bettlei, Kranke haben dann halt gebettelt und Gesunde sind in der Untergrund, Judäische wüstigen ab in die Räuberei, Wegelagerei. Und eine andere große Folge war Auswanderung. Das ist immer ein Zeichen, wenn in Irland oder in Schweden die Menschen auswandern, im Glasreich in Schweden ist 50 Prozent der Bevölkerung nach Amerika ausgewandert, die werden verhungert. Wenn die Jünger Jesu Ehren ausraufen, haben die nicht mal ein bissle Appetit,
die waren am Rande vom Hungertod. In Palästina sind Tausende von Menschen verhungert zur Zeit Jesu. Das müssen Sie wissen, glatt verhungert. Die Hälfte der Kinder war auf der Straße. Wer ein Kind aufnimmt, adoptiert, in sein Haus aufnimmt, der nimmt mich auf. Was da für Kinderbanden rumgelaufen sind, das ist Palästina zur Zeit Jesu. Und das bedeutet religiös, dass die Thora steuern, der Zehnte abgeben. Ist das eine schöne christliche, jüdische Idee? Du wirst doch dem lieben Schöpfer Himmels und der Erde von den guten Dingen, die du hast, schon Zehntel abgeben. Ja, das ist wirklich ein schöner Gedanke, solange es wirtschaftlich stabil ist. Also der Zehnte, die religiösen Thora-Steuern waren eigentlich sehr gute Absicht. Du sollst deinem Schöpfer dankbar sein und dir was abgeben. Aber nachdem die herodianische Steuerschraube geschraubt wurde, die augustäische noch dazugeschraubt wurde und Missernten waren,
da kannst du nicht am Schabbat ein Jahr dein Acker gar nicht beernten. Das schaffen die Kleinbauer nicht. Jetzt wurden also die religiösen Thora-Steuern gar nicht mehr so menschenfreundlich. Die haben die Unterschicht gar nicht mehr verkraftet. Und dann sagt jetzt die religiöse Oberschicht, das steht doch in der Bibel. Das steht doch in der Bibel. Du sollst schon Zehnte geben. Ich kann nicht so viel. Das steht doch in der Bibel. Es gab jetzt so ein EJ, entschiedenes Judentum, die sagten, das steht halt in der Heiligen Schrift. Jesus sagt aber zu den Armen nicht, das steht halt in der Heiligen Schrift. Sagt Jesus nicht. Sondern Jesus hat verstanden, dass Palästina in einem Verelendungsprozess war, in dem die guten Absichten der Heiligen Schrift konterkariert wurden. Denn die Heilige Schrift setzt wirtschaftlich gute Zeiten voraus. Wenn aber die Zeiten ganz andere sind,
kannst du nicht einfach die Heilige Schrift zitieren. Sondern du musst das Elend der Menschen ernst nehmen. Für Jesus aus Nazareth wurde das Elend der Unterschicht zur Auslegungsperspektive der Heiligen Schrift. Er hat die Heilige Schrift vom Elend seiner Menschen, seiner Zeit her verstanden. Ganz im Unterschied zu den Bibeltreuen. Und jetzt müsst ihr also wissen, Ptochos ist der Arme, Ptochoi sind die Armen. Zur Zeit Jesu waren in Palästina 30 Prozent Ptochoi. Normalerweise 10 Prozent. Zur Zeit Jesu 30 Prozent mit steigender Tendenz. Und diesen Unterschied hat Jesus ernst genommen. Er war offensichtlich vom Elend dieser Leute so erschüttert. Dass er nicht einfach Heilige Schrift zitiert. Weil er gemerkt hat, es ist Zynismus gegen den Elend dieser Menschen.
Ob das Bibeltreue jemals begreifen werden? Ich weiß es nicht. Aber Jesus hat es begriffen. Und jetzt möchte ich nur die drei ersten Sätze der Bergpredigt zitieren. Nach dem Lukasevangelium. Bitte nicht nach dem Matthäusevangelium. Das ist auch gut, aber der hat einen anderen Kontext. Die ursprüngliche Bergpredigt steht im Lukasevangelium. Und da heißen die ersten drei Seligpreisungen, ich weiß sie auswendig, heißen so. Selig ihr Ptochoi. Also ich übersetze jetzt mal realistisch. Selig ihr Entwurzelten. Das sind nicht Fischer und Unterschicht gemeint. Selig ihr Entwurzelten. Denn euch gehört das Reich Gottes. Selig ihr Hungernden. Denn ihr werdet satt werden. Selig ihr Weinenden. Denn ihr werdet lachen. Ich sag mal die drei Sätze noch mal.
Das ist die ganze Botschaft Jesu. Alles andere ist Kommentar. Selig ihr Entwurzelten. Euch gehört das Reich Gottes. Selig ihr Hungernden. Ihr werdet satt werden. Selig ihr Weinenden. Ihr werdet lachen. Jetzt ganz kurz, weil es so wichtig ist, muss ich die Punkte klären. Was heißt selig? Selig hat nichts mit der himmlischen Seligkeit zu tun. Das heißt makarios. Im Griechischen, im Hebräischen gibt es den gleichen Ausdruck. Das ist eine Gratulationsformel. Also hat nichts mit Seligkeit zu tun. Das ist einfach eine schlechte Übersetzung. Das heißt, ich gratuliere dir. Bischof Makarios auf Zypern, der heißt einfach der Gratulierte. Man gratuliert zum Abitur, man gratuliert zum ersten Doktortitel, man gratuliert zur Geburt eines Sohnes, zur Geburt einer Tochter. Eher nett, gell? Also man gratuliert halt, wenn jemand sehr gesegnet wurde. Da sagt man selig, gell? Makarios. Also es ist eine Gratulationsformel.
Also ich übersetze jetzt mal ein bisschen realistischer. Ich gratuliere... nicht ich. Zu gratulieren ist euch Entwurzelten, weil euch das Reich Gottes gehört. Zu gratulieren ist euch Hungernden, denn ihr werdet satt werden. Zu gratulieren ist euch Weinenden, denn ihr werdet lachen. Und dann sagt er etwas später, wehe euch Reichen. Das ist ein Weheruf. Denn ihr habt euren Lohn dahin. Ob die Volkskirchen das noch heute verkraften oder aber auch die erweckten Freikirchler, ob sie da noch Jesus nachfolgen? Wer Jesus nachfolgen will, muss Thema Armut und Reichtum zum ersten Thema machen. Denn es gibt kein anderes Thema in den synoptischen Evangelien, das so stark eine Rolle spielt wie das Thema Reich und Arm. Du kannst nicht Gott dienen und den Mammon. Jesus ist der erste Jude, der es so sagt. Kümmert euch nicht um irdische Schätze, kümmert euch um himmlische Schätze. Es ist schwerer, dass ein Kamel durch einen Stecknadel geht,
wie ein Reich ans Reich Gottes kommt. Der reiche Jüngling, der reiche Mann und der arme Lazarus. Das Gleichnis vom Weltgericht. Ihr habt mich besucht, ihr habt mich begleitet, ihr habt mir zu essen gegeben. Die erste Predigt Jesu in Nazareth heißt, Gott hat mich gesalbt, er hat mich gesandt, den Blinden ein sehendes Auge zu geben, den Gefangenen die Freiheit und den Armen das Evangelium zu verkündigen. Hinzu kommen alle Krankengeschichten, schwerkranke sind alle arm, alle Exorzismen. Wer dämonisch belastet ist, der war bettelarm. Der hat keine Fortbildungskurse machen können. Also alle Krankenheilungen, alle körperlich-geistig Behinderten und alle Exorzismen gehören zum Bereich härtester Armut. Die müssen alle dazugezählt werden. Und da ist es vollkommen klar, das erste wichtigste Thema,
dessen der Abba Erfahrung gemacht hat, dessen der vom Reich Gottes spricht und seiner eigenen Mutter sagt, ich mach nicht so, wie du denkst, ich mach's ganz anders. Das erste Thema von diesem Mann ist reich und arm. Und wenn das die Kirche nicht wiederlernt und wenn das die erweckten, bekehrten Christen nicht wiederlernen, haben sie dieses Phänomen verfehlt. Die Glaubwürdigkeit der Christen steht und fällt an diesem Punkt. Jetzt gucken wir mal diese drei Seligpreisungen mal an, also diese Gratulierformeln. Diese drei Sätze sind alle die gleichen Adressaten. Also keine volkskirchliche Bibelexegese mehr, die ist zu harmlos, wirklich gründliche Erforschung, unverstellter Blick, kein Verstellten mehr. Das heißt, selig ihr Entwurzelten, euch, spezifisch euch, euch zuerst, auf euch achtet Gott, der guckt genau, wie es euch geht. Er hat euch im Blick.
Ihr seid die bevorzugten in der Aufmerksamkeit Gottes. Für euch kommt das Reich, ihr Entwurzelten. Jesus sagt ja mal, die Huren und Dirnen gehen vor euch ins Reich Gottes. Das ist ein Satz. Ich sag den mal in Texas. Jetzt ist aber so, ihr Hungernden, das sind auch die Armen. Und die Weinenden, das sind auch die Armen. Alle drei Sätze sind die gleichen Leute. Das heißt, Jesus spricht von Armen, die aus Armut hungern und die wegen ihrer Armut weinen. Jesus meint in den Sätzen nicht Leute, die wohlhabend sind, aber die weinen auch mal, das stimmt. Ich hab auch schon Millionäre gesehen, die haben auch schon geweint. Es gibt auch Leute, die hungern mal, im Fastenmonat, in Ramadan. Es gibt schon Leute, denen es gut geht, die wissen schon auch, was Hungergefühle ist. Aber die hungern nicht aus Armut, sondern um abzunehmen. Aber die, um die es hier geht, es geht um eine Armut,
die hungert und man weint, weil man nichts mehr hat, man weint. Das sind ja alles drei die gleichen Adressaten. Es geht hier nicht um geistliches Weinen. Traurig sind Millionäre auch manchmal, aber die sind hier nicht gemeint. Und dann ist es sehr verblüffend, dass Jesus keine Jenseitshoffnungen macht. Zu gratulieren ist euch hungern, denn ihr werdet mal im Himmel, im Jenseits, oder selig ihr Weinenden. Na, na, das sind ganz irdische. Er sagt, ihr werdet satt, ihr werdet satt. Und die Weinenden, ihr werdet lachen. Das sind also überhaupt keine geistlichen Jenseitsaussagen. Das sind sehr materielle, das, was die wirklich brauchen. Interessant ist aber, beim Ersten heißt es nicht, selig ihr Armen, ihr werdet reich. Komisch, gell? Es heißt beim Zweiten, selig ihr Hungern, ihr werdet satt. Selig ihr Weinenden, ihr werdet lachen.
Das ist genau auf der Ebene eine Umgehung. Aber selig ihr Armen, Reichtum ist kein Ziel. Lasst euch nicht verführen vom Reichtum. Reichtum ist kein Wert im Reich Gottes. Selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Das ist die Kernbotschaft dieses Mannes. Ich kann nicht sagen, dass sie bequem ist. Ich bin ein Professor, ich verdiene gut. Bei mir hat sich die Religion ausgezahlt. Finanziell muss ich sagen, hat sich's gerechnet. Weiß ich schon, weiß ich schon. Ich könnte nicht sagen, dass die Botschaft mir reinläuft wie Butter. Aber unverstellter Blick, gepackt von dem Sog dieses Geheimnisses. Man kann natürlich sagen, was hat denn der liebe Jesus denen gebracht? Hat er ihnen die Brötchen geschmiert? Also da kommt natürlich jetzt... Sind die Sätze nicht zynisch? Verhömt er die nicht noch? Ja, also will ich zum Schluss nur sagen, er selber hat alles aufgegeben.
Er ist Bauhandwerker. Er ist schon nicht von der Mittelschicht, nicht von der Oberschicht. Er ist ein Mann vom Bau, aber das hat er auch noch aufgegeben. Und die Fischer sind Penetes. Die kommen nicht aus der Mittels- und Oberschicht. Und sie haben das noch aufgegeben, was sie haben. Und ich sage euch, das merken die Ptochoi. Wenn die Penetes auch noch das freiwillig aufgeben, was sie haben, das registrieren sie schon. Was hat Jesus diesen Ptochoi gegeben? Die Wertschätzung bei Gott. Dass sie nicht noch arm und sich selber verachten. Denn das Härte, das Härteste an der Armut ist die Selbstverachtung. Das ist die Schande, das Schäbige. Gott verachtet euch nicht. Jesus hat ihnen eine Selbstachtung. Aber nur der, der es glaubt.
Übrigens sagt Jesus nicht, selig die Armen, die mir nachfolgen. Er sagt auch nicht, selig die bekehrten Armen. Ich glaube, da müssen mal manche Christen wirklich lernen, die Bibel zu lesen. Jesus sagt einfach, selig ihr Armen. Unabhängig von ihrer religiösen Haltung oder ob sie mal Jesus nachfolgen. Das ist eine Zusage. Das ist ein Versprechen. Und dieses Versprechen, für die, die das Versprechen glauben, aber nur so lafide, wenn du das nicht glaubst, wirken die nicht. Aber wenn du diese Zusagen glaubst, kriegst du eine neue Würde in aller Armut. Jesus hat den Armen die Aufmerksamkeit Gottes zugesichert. Und er hat ihnen damit für die, die es glauben, eine Würde gegeben, eine Selbstachtung.
»Reich Gottes« als zentrales Thema im öffentlichen Auftreten des Jesus aus Nazareth | 1.3.2
Besucht man christliche Gotteshäuser so ist man meistens zuerst mit Jesus-Darstellungen konfrontiert, die ihn in den letzten qualvollen Stunden seines Lebens, zeigen. Schaut man sich genauer um, findet man mit Glück unter der Decke, auf Kirchenfenstern oder in den Ecken einiger Altarbilder ein paar illustrierte Episoden die Jesus schmerzbefreit und lebendig zeigen. Nun gibt sicherlich einige Gründe dafür, dass Sterben und Leiden dieses Mannes näher zu thematisieren, doch eine so dominante Zurschaustellung, die einen mitunter das Leben des Nazareners vergessen lässt, ist schon überraschend – auch wenn sie sich damit nahtlos in die Tradition christlicher Glaubensbekenntnisse einfügt.
Genau bei dieser schweren Einseitigkeit, die das Leben und Reden weit nach hinten stellt, setzt Siegfried Zimmer an, um sich dem Lebensthema von Jesus aus Nazareth zu widmen. Denn dieser Mann war ja ein Mann, der sein Thema gefunden hat und der nicht nur bereit war diesem Thema sein ganzes Leben zu widmen, sondern auch für dieses Thema seine gesamte etablierte Existenz aufzugeben.