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Ich habe ein sehr brisantes, fundamental wichtiges Thema, nämlich ich behandle die Frage, gibt es einen strafenden Gott? Zu Beginn mache ich mal etwas, was ich so noch nicht gemacht habe. Torsten wird jetzt einen Text vorlesen und in diesem Text ist eine Deutung des Kreuzes Todes Jesu. Also welche Bedeutung, welche Rolle, welche Heilsbedeutung hat der Tod Jesu? Zu dieser Frage liest Torsten jetzt eine Deutung vor und ihr sollt euch folgendes fragen,

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also ihr, die ihr hier seid und auch ihr, die ihr irgendwo jetzt diese Videoaufnahme hört, fragt euch mal folgendes. Möglichkeit 1, ich stimme dieser Deutung zu. Möglichkeit 2, ich stimme dieser Deutung überwiegend zu. Also das bedeutet, da ist viel richtiges, aber manches ist auch nicht ganz so, also ich stimme ihr überwiegend zu. Die dritte Möglichkeit, ihr habt nur eine, ihr müsst euch entscheiden, die dritte Möglichkeit lautet, ich stimme dieser Deutung überwiegend nicht zu, das heißt, da sind ein paar Sachen richtig, aber die Mehrzahl ist eher falsch. Und die vierte Bedeutung heißt, ich stimme dieser Deutung überhaupt nicht zu. Also ich sage dir vier Möglichkeiten, ich stimme dieser Deutung zu, ich stimme dieser Deutung überwiegend zu,

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ich stimme dieser Deutung überwiegend nicht zu und ich lehne diese Deutung ab. Das fragt ihr euch und wenn es fertig ist, könnt ihr euch mal zu zweit ganz kurz unterhalten, was hast denn du und was habe ich, und dann geht der Vortrag los. Also Torsten, bitteschön. Alle Menschen stehen als Sünder und Gottlose unter dem Zorn Gottes. Denn Gott kann die Sünde nicht einfach übersehen oder hinnehmen. Seine Gerechtigkeit verlangt eine der Schuld des Menschen entsprechende Strafe. Da die Sünde eine unerhörte Beleidigung und Entehrung des Heiligen Gottes ist, kann die angemessene Strafe nur der ewige Tod des Sünders sein. Soll es dennoch für den Sünder eine Rettung geben, so muss diese so beschaffen sein, dass zugleich der Heilige und gerechte Gott zu seinem Recht kommt. Gott kann sich erst dann dem sündigen Menschen in vergebender Gnade zuwenden und ihm neues Leben eröffnen,

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wenn zuvor seiner Gerechtigkeit Genüge getan ist. Da der Sünder von sich aus dazu nicht in der Lage ist, tritt der menschgewordene und sündlose Gottessohn für ihn ein, indem er sich selbst Gott zum Opfer darbringt. Mit seinem Tod am Kreuz genügt Jesus der Gerechtigkeit Gottes und bewirkt so, dass Gott dem Sünder nicht länger zürnt, sondern sich seiner erbarmt und ihm vergibt. Der Kreuzestod ist ein Sühne- und Versöhnungsgeschehen, weil er den zornigen Gott durch das stellvertretende Sühneopfer Jesu mit dem Menschen versöhnt. Tauscht euch mal, also erst jeder entscheidet sich für sich ganz einsam, Modell 1, 2, 3 oder 4. Kann ruhig schnell geschehen, das erfährt ja kaum jemand. Und jetzt tauscht euch mal aus.

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Ich habe diesen Text an der Pädagogischen Hochschule über viele Jahre hinweg immer wieder verteilt. Ich habe also viele hundert Multiple-Choice-Kreuze dann gekriegt, vielleicht tausend oder so im Laufe von zehn, fünfzehn Jahren. Und so ganz grob war folgender Grundtatbestand, also hat mich ein bisschen verblüfft, der Möglichkeit 1, ich stimme dieser Deutung zu, haben also auf die Jahre hin hochgerechnet, ungefähr 25 Prozent der Theologie-Studierenden haben da ihr Kreuz hin gemacht. Bei Modell 2, ich stimme der Deutung überwiegend zu, auch ungefähr 25 Prozent. Bei der Möglichkeit 3, ich stimme ihr nicht zu, auch ungefähr 25 Prozent. Und bei der Antwort, ich stimme ihr gar nicht zu, ich lehne sie ab, auch ungefähr 25 Prozent.

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Also pro Semester waren da Schwankungen drin, das habe ich jetzt nicht so einzeln, aber im Gesamtergebnis verteilen sich die Antworten bei diesen 20- bis 25-Jährigen, die Abitur haben und freiwillig evangelische Theologie studieren für Religionslehrer. So ungefähr, das war das Ergebnis der letzten zehn oder 15 Jahre. Gut, ich will ausgehen von einem merkwürdigen Tatbestand. Schaut man sich einmal die deutschen Bibelübersetzungen darauf hin, genau an, wie oft das Wort Strafe oder Strafen vorkommt, ist man wirklich überrascht.

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Ich sage euch mal drei Ergebnisse. In der Einheitsübersetzung, das ist eine relativ häufige, viel benutzte Übersetzung, Einheitsübersetzung heißt, im Neuen Testament stammt die Übersetzung von evangelischen und katholischen Theologen. Im Alten Testament war diese ökumenische Besetzung nicht mehr da, waren nur katholische Theologen, also daher kommt der Begriff Einheitsübersetzung. In der Einheitsübersetzung kommen die Worte Strafe oder Strafen ungefähr 200 Mal vor, ziemlich genau. In der Elberfelder Bibel kommen ungefähr 50 Mal vor, Strafe und Strafen. In der revidierten Lutherübersetzung, nicht in der ganz Neuen, die gab es da noch nicht, sondern eben die, die vorher als revidiert galt, kommen Strafe, Strafe 39 Mal vor.

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Also bei diesen drei Stichproben ist man merkwürdig berührt. 200 Mal, 50 Mal, 39 Mal. Jetzt wird man noch verblüffter, wenn man sich bei all diesen Fällen anschaut, welches hebräische Wort bei diesen 200 Mal oder 50 Mal oder 39 Mal mit Strafe oder Strafen übersetzt wird. Ergebnis, es sind im Hebräischen über 30 verschiedene Wörter, über 30. Manche häufiger und manche nicht ganz so häufiger, es ist ganz breit gestreut. Wie kann man sich einen solchen Sachverhalt, der ist ja nun wirklich, der kann ja kein Zufall sein, er schreit nach einer Antwort. Ja, die Antwort ist ganz einfach.

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Es gibt im hebräischen, im biblischen Hebräisch, nicht das moderne Hebräisch im heutigen Staat Israel, da ist es natürlich anders, aber in der Bibel, im biblischen Hebräisch gibt es kein Wort für Strafe oder Strafen. Das Wort gibt es nicht. Und deswegen ist diese wahnsinnige Streuung von 39 bis 200, und zwar werden irgendwelche 30 Verben oder Substantive herangezogen, die werden eben mit Strafe oder Strafen übersetzt. Also dieser Tatbestand kann kein Mensch vom Tisch wischen. Er ruft nach einer gründlichen Analyse ein Phänomen des in der westlichen Welt, in griechischen Kultur, römischen Kultur, germanischen Kultur, europäischen, abendländischen Kultur,

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eine große Rolle spielt, das Phänomen Strafe. Für dieses grundlegende Phänomen in der westlichen Kultur gibt es im hebräischen kein Wort. Aber bei uns, stellen wir mal vor, wir sprechen vom Strafrecht. Also ein großer, ein beträchtlicher Teil unseres Rechts, eigentlich der fast brisanteste Teil, den nennen wir Strafrecht. Es gibt einen Strafvollzug, es gibt eine Strafvollzugsbehörde. Also, und denken wir mal dran, ein Gerichtsurteil ist selbst noch in unserer säkularen Gesellschaft, ein Gerichtsurteil hat immer noch so die Aura des Besonderen. Das Gericht kommt herein, man steht auf, dann der Richter verkündet, liest das Urteil vor

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und beginnt im Namen des Volkes. Und die Richter haben eine Robe, also so ein Gerichtsurteil, das ist schon was. Ja, also bei der Strafe, wo spielt die bei uns eine Rolle? Es gibt im pädagogischen Bereich Strafen im Bereich der Familie und der Schule und es gibt im staatlichen Bereich die Strafe, Geldstrafe, Disziplinarstrafe, Freiheitsstrafe und Strafvollzug. Gehen wir mal ganz kurz zur Strafe in der Pädagogik, also bei Eltern oder in der Schule. Man sagt heute überwiegend, ganz auf Strafe verzichten wird man nicht können, wir müssen realistisch sein, aber man erkennt, Strafen ist was sehr Ambivalentes.

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Kann Strafen heilen, kann Strafen versöhnen. Jetzt blähen wir mal im Pädagogischen sehr schwer, denn Strafe fügt ja Leid zu und es gibt ja in unserer Welt, glaube ich, ohnehin schon mehr als genug Leid. Und dieses Mehr, sowohl EH als auch EE, dieses Mehr an Leid jetzt noch bewusst steigern durch Strafleid, das muss man sich schon gut überlegen. Also in der heutigen Erziehungswissenschaft sagt man zum Beispiel, also Strafe kann man oft vermeiden durch bessere Handlungsweisen, bessere Information, bessere Erinnerungen, jemand rechtzeitig an was erinnern oder auch ermahnen. Man muss ja nicht gleich strafen. Viel Strafen kommt aus der Fantasielosigkeit, weil man sich nicht die Mühe macht, das anders vielleicht hinzukriegen.

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Wenn man die Strafen abzieht, die aus einer gewissen Fantasielosigkeit kommen oder aus einem Mangel an Selbstbeherrschung, dann würde man einen großen Teil der Strafe abziehen müssen. Trotzdem, es bleibt sozusagen dieser heikle Rest, man wird auf Strafe nicht verzichten können. Ich habe meiner Tochter also einmal, glaube ich, eine wirklich schallende, schmerzhafte Ohrfeige gegeben, ganz bewusst. Ich habe es auch nicht bereut, weil sie um ein Haar wieder aus dieser großen Tür rausgegangen wäre, wo unmittelbar davor eine Straße mit Lastwagen und... also es wäre lebensgefährlich gewesen. Ja, also man kann pädagogisch sagen, man sollte nur dann strafen, wenn keine andere Möglichkeit mehr sonst gegeben ist.

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Und man sollte strafen nur, wenn es um sehr wichtige Dinge geht, also in dem Fall körperliche Unversehrtheit. Also wenn es um sehr wichtige Dinge geht und wenn es keine andere Möglichkeit gibt, ist es so eine Möglichkeit, auf die wir dann vielleicht doch nicht verzichten können. In der Schule ist es im Prinzip ähnlich. Gehen wir mal in das staatliche Strafen. In Baden-Württemberg, dem Bundesland, aus dem ich komme, wenn man auch die kleineren Vollzugsanstalten hinzunimmt, sind es so ungefähr 30 Strafvollzugsanstalten oder Justizvollzugsanstalten, kosten Hunderte von Millionen Euro. Und jetzt überlegen wir mal, der Strafvollzug, kann diese Strafe heilen? Kann sie dem Frieden dienen? Kann sie versöhnen?

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Natürlich müssen wir ja fragen, haben wir eine Alternative? Muss man auch fragen. Also ich will einfach mal so ein paar Fakten ins Blickfeld rücken. Ungefähr 92 Prozent aller Gefängnisinsassen, Frauengefängnis, Männergefängnis, sind viel mehr Männergefängnisse wie Frauengefängnisse, ungefähr das Verhältnis 4 zu 1, in der Psychiatrie übrigens andersrum. Vierfache Frauen und ein, also Männer tragen die Aggression meistens mehr nach außen, Frauen oft eher nach innen. Also 92 Prozent aller Gefängnisinsassen in der BRD sind Hauptschüler oder Sonderschüler oder haben gar keinen Schulabschluss. 92 Prozent. Vier bis fünf oder sechs Prozent haben Realschulabschluss. Zwei Prozent aller Gefängnisinsassen haben Abitur.

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Dann möchte ich sagen, die Rückfallquote in der BRD in den letzten Jahren und Jahrzehnten liegt auf jeden Fall über 50 Prozent. Manchmal regional bei 60 Prozent, so in dem Bereich, machen wir sogar noch ein bisschen drüber. Das heißt also, mehr als die Hälfte der Gefängnisinsassen landet wieder im Gefängnis. Dann möchte ich einen anderen Aspekt erwähnen. Man misst ja die Strafe zu. Also in der Sprache der Justiz heißt es Strafzumessung. Und diese Strafzumessung soll in einem Rechtsstaat, der eine gewisse zivilisatorische Höhe hat, die Strafe soll gerecht sein.

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Und das muss angemessen sein. Also und deswegen bedarf es da großer Sorgfalt. Es bedarf einer Strafzumessung. Du bekommst dreieinhalb Jahre Gefängnis. Du bekommst sieben Jahre Gefängnis. Du bekommst fünf Monate und so weiter. Jetzt möchte ich aber feststellen, was keinen Fachmann bezweifelt. Ich will es nur mal jetzt betonen. Diese Strafzumessung ist irgendwie ein Märchen. Es handelt sich hier um ein Märchen. Ich will mal sagen, warum das ein Märchen ist. Es gibt keine Möglichkeit, ein Verbrechen, eine sittliche Übeltat umzurechnen auf eine zeitliche Schiene. Also wie rechne ich eine unmoralische, verbrecherische, kriminelle Tat?

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Wie rechne ich die um auf eine Zeitschiene? Wie macht man das? Darf ich euch sagen, das weiß niemand. Es gibt keine Universität auf der Welt, die jemals behauptet hat, ich habe ein Verfahren entwickelt, wie man aus einem sittlichen Delikt eine zeitliche Dauer objektiv gerecht angemessen berechnen kann. Es gibt überhaupt keine Möglichkeit dazu. Also diese scheinbare Sorgfalt abwägen und dann kommt man auf 3,5 Jahre basiert nur auf den traditionellen Vorgaben, wie das bisher so gehandhabt wurde. Oder es gibt dann eben Bundesgerichtshof, der dann bestimmte Eckwerte setzt. Aber man kann es nicht umrechnen. Also dieser Mythos einer Straflogik ist wirklich ein Mythos.

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Man kann auch feststellen, dass CDU-regierte Länder im Schnitt ein bisschen schärfer bestrafen wie SPD-regierte Länder oder Grüne. Es gibt also auch erkennbare Unterschiede. Es gibt auch einen großen empirischen Fall. Ich sage das nicht um die Richter unserer Gesellschaft, die kennen das selber auch. Es ist keine billige Kritik, sondern es ist eine Trauer. Es ist eine traurige Bilanz, unter der wir eigentlich nur leiden können. Also man hat mal in einem Großversuch, ich glaube 800 Richtern der Bundesrepublik, hat man den gleichen Fall vorgelegt. Also sie haben alle genau den gleichen Text gehabt. Also ein Delikt wurde beschrieben in zehn oder zwölf Sätzen. Mehr hat man nicht gewusst. Und die Richter haben jetzt, man hat die Richter, es ist ein wissenschaftlicher Versuch. Das Urteil der Richter schwandte dermaßen zwischen fast Freilassen bis hin zu hohen Gefängnisstrafen.

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Also es war unglaublich ernüchternd, wie stark das richterliche Urteil hier variiert. Gut, wir können uns ja auch fragen, die Menschen, die ein Gefängnis verlassen, sie haben ihre Strafe hinter sich, sind sie versöhnter, sind sie dem Frieden näher? Können sie jetzt integriert werden, besser als vorher oder so? Also wenn man solche Fragen stellt, dann weiß man, es ist ein ganz schwieriges Gelände. Gut, wenn man das so bedenkt und man hört, dass in der Bibel es gar kein Wort für Strafe gibt, es gibt in der Bibel auch keine Polizei.

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Also mit Bibel meine ich jetzt mal immer in erster Linie die jüdische Bibel, die hebräisch geschriebene jüdische Bibel. Sie ist ja auch das Fundament des Neuen Testaments. Das Neue Testament ist nicht die Steigerung des Alten, sondern das Neue Testament fußt auf dem Alten. Viele grundlegende Dinge werden eben in der hebräischen Bibel grundgelegt. Also es gibt in der hebräischen Bibel keine Polizei, es gibt keinen Strafvollzug, es gibt kein Gefängnis. Joseph war mal im Gefängnis, aber das war in Ägypten. In Ägypten gab es Gefängnisse. Es gibt in der hebräischen Bibel auch gar keine Geld- oder Vermögensstrafe, das gibt es gar nicht. Es gibt schon, dass jemand verpflichtet ist, ein Gut zurückzugeben oder Schadenersatz. Sagen wir mal, wenn Kunstraub, ich spring mal in die Gegenwart, beim Kunstraub besteht ja doch wohl die Lösung darin, dass man der geraubten Kunst dem eigentlichen Eigentümer wieder zurückgibt.

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Das ist ja keine Strafe in dem Sinn, sondern das ist wirklich eine Wiedergutmachung. Man erlebt manchen Menschen also auf, dass er die Schädigung, die er jemandem zugefügt hat, finanziell oder vom Vermögen, wiedergutmacht. Das ist aber keine juristische Geld- oder Vermögensstrafe. Es gibt auch keine Freiheitsstrafe in der hebräischen Bibel. Vom Wesen des Rechts kann es das gar nicht geben. Jeremia war zwar mal eingesperrt, aber das ist keine Freiheitsstrafe gewesen. Die entsteht erst im ausgehenden Mittelalter in der Neuzeit. Nein, der König hat sich so über den Jeremia geärgert, dass er ihn jetzt mal vorübergehend festgesetzt hat. Das ist keine Strafpraxis. Das hat der König also mal so durchgeführt. Dann bei den körperlichen Strafen gehen wir mal das durch. Ja, es gibt eine Stelle in der Thora Deuteronomium 25, 5. Mose 25.

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Da heißt es, dass er der schuldige Schläge verdient hat. Und es heißt dabei, aber man soll bei 40 spätestens aufhören, weil sonst vielleicht die Ehre und Würde des Geschlagenen kaputt geht. Also ich finde 40 auch ganz ordentlich viel. Es war aber nicht eine Peitsche oder so wie später bei den Römern, sondern irgendwie ein Stock. Aber trotzdem, es wird auch gleich begrenzt. Es gibt noch eine zweite Stelle Deuteronomium 22. Da heißt es nur Züchtigen. Und wir können nicht sagen, was damit genauer gemeint ist. Verstümmelungsstrafen waren im Orient sehr häufig. Im Krotex Hammurabi gibt es sehr viele Verstümmelungsstrafen. In der Thora gibt es eine einzige Stelle, 5. Mose 25, Vers 11.

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Da heißt es, wenn zwei Männer miteinander streiten, also wirklich um Tod und Leben kämpfen, und einer der beiden Männer, da steht die Ehefrau des Mannes daneben und guckt zu. Und wenn diese Frau dann eingreift, indem sie die Geschlechtsteile des anderen Menschen packt und wohl gemeint ist, daran rumreißt, dann soll man dieser Frau die Hand abhacken. Es gibt also eine Stelle in der Thora mit Handabhacken. Das spielt ja dann im Koran und in der Scharia eine noch wesentlich größere Rolle. Aber ansonsten, es gibt keine Geld- und Vermögensstrafe, es gibt keine Freiheitsstrafe. Es gibt eine Stelle mit Prügelstrafe, aber mit der Grenze. In der Erziehung allerdings darf man Kinder, soll man Kinder schlagen, damit sie züchtig werden und so weiter.

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Jetzt bleiben wir aber mal beim staatlichen Strafen. Ja, also es ist eine erstaunliche Eindämmung. Es gibt Todesstrafen, meistens Steinigung, ganz selten Verbrennen, das gibt es kaum. Und Steinigung ist meistens die Strafe. Es geht so, auf sechs, sieben Delikte steht diese Strafe. Wir sollten trotzdem Strafe in Anführungszeichen setzen, weil es gibt das Wort Strafe nicht und Strafen und es gibt die Idee des Strafens gar nicht. Also so tief müssen wir gehen. Also wenn wir da Todesstrafe sagen, ist es trotzdem in der hebräischen Bibel erst mal mit Anführungszeichen zu versehen. Ich werde das gleich nachher noch genauer sagen. Ja, was ist eigentlich der Sinn dieser Strafen in Anführungszeichen oder überhaupt der rechtlichen verbindlichen Setzungen?

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Es ist eine Art Friedenspflicht. Die Thora möchte allen erwachsenen Mitgliedern sagen, ihr habt alle eine Friedenspflicht. Eine blühende Gemeinschaft muss man schützen. Wir dürfen eine blühende Gemeinschaft nicht den Verbrechern aussetzen. Also die Gemeinschaft hat ein Recht auf Schutz. Und wer die Stabilität der Familie, der Sibbe, des Dorfes ernsthaft gefährdet, der kriegt solche Reaktionen. Man müsste, und jetzt komme ich auf das Thema, man müsste sagen, diese rechtlichen Bestimmungen sind Tatfolgen, die sich rechtlich auswirken. Das ist aber ein Sonderfall. Also es handelt sich um Tatfolgen, die im Bereich des Rechts ausdrücklich eine Wirkung haben.

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Ist ein Sonderfall. So, also jetzt versuche ich vielleicht, viele von Ihnen hören das jetzt vielleicht zum ersten Mal. Auch ich habe es im Universitätsstudium zum ersten Mal gehört und habe geahnt, was da jetzt alles sich ändert. Es ist wie, wenn man ein Netz an einem Punkt hochzieht und das ganze Netz kommt da jetzt. Also ich versuche jetzt mal den ersten Schritt. Es gibt in der hebräischen Bibel kein Strafdenken. Grundsätzlich nicht. Besonders anstelle, da wo bei uns dieses grundlegende Phänomen mit diesem Aura des Gerichtsurteils und der Robe und des Strafvollzugs, an der Stelle gibt es in der Bibel ein anderes Modell und das nennt man Tatfolgedenken.

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Tatfolgedenken. Vor einigen Jahrzehnten hieß es noch tun, ergehen, Zusammenhang. Das Gleiche gemeint. Es gab zwei Alttestamentler. Klaus Koch damals in Hamburg hat in seiner Doktorarbeit, die bahnbrechend war, 1956 zum ersten Mal diese Zusammenhänge erkannt. Und auch ein dänischer Alttestamentler Fahlkren. Unabhängig voneinander sind sie so in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts sind sie darauf gestoßen. Luther kannte das nicht und die Reformatoren nicht, die pädistischen Väter nicht. Es war nicht bekannt. Also es gibt in der Bibel ein Tatfolgedenken und das will ich jetzt versuchen, in einem ersten Schritt mal vorzustellen. Es bedarf dann vieler weiterer Vorträge, die darauf dann aufbauen.

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Aber irgendwo muss man mal anfangen. Erster Gesichtspunkt. Jetzt erläutere ich dieses biblische Tatfolgedenken, das also bis 1956, 1960 in Europa vollkommen unbekannt war. Nach biblischer Auffassung hat jede Tat eine ihr gemäße Folge. Und erst diese Folgen machen eine Tat vollständig. Schillem heißt es. Es hängt auch zusammen mit Schalom. Schalom heißt auch, ich bin vollständig befriedet. Also das Wort Schillem, das Adjektiv, heißt einfach vollständig. Also jede Tat hat die ihr gemäßen Folgen, die sind in der Tat schon angelegt.

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Und dann wirkt sich diese Tat aus. Also jede Tat setzt unweigerlich etwas in Gang. Sie wirkt sich aus. Sie ist folgenreich. Die Taten des Menschen und der Menschen bestimmen in gewisser Weise die Zukunft. Es ergeben sich daraus Konsequenzen. Solche Taten wirken sich aus, vor allem erst mal auf den Täter selber. Er ist irgendwie dann auch das Ergebnis, ein großes Stück, nicht voll, aber seine Taten wirken sich aus. Aber es wirkt sich auch auf sein Zusammenleben mit den Menschen aus. Es wirkt sich auf die ganze Gemeinschaft aus und manchmal sogar auf die Natur, auf die Schöpfung. Wir beginnen heute seit einer gewissen Zeit, bemerken wir, dass wir eigentlich in den Preis eines Industrieprodukts

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die Wirkungen einrechnen müssten, die dieses Industrieprodukt schädigend auf Luft, Wasser und auf die Schöpfung sich auswirkt. Eigentlich müssten wir beim Preis diese Folgen mit einrechnen. Dann wären manche Industrieprodukte wahrscheinlich fünfmal so teuer. Das ist aber dieses Tat-Volkedenken. Oder wenn wir sagen, vertrauensbildende Maßnahmen. Das ist jetzt positiv gesehen, ja. Also wir wissen um diese Zusammenhänge, wenn man bestimmte Handlungen geht, wenn man ein neuer Chef ist und so. Und dann erstmal vertrauensbildende Maßnahmen, dass erstmal Vertrauen wachsen kann. Also diese Maßnahmen, diese Handlungen haben die Folge, dass das Vertrauen wächst. Es gibt solche Handlungen mit Tatfolgen beim Einzelnen, hauptsächlich erstmal beim Einzelnen.

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Die werden vor allem im Buch der Sprüche, auch im Prediger und in den Psalmen sehr stark berücksichtigt. Die Tatfolgen von Taten Einzelner. Aber es kann auch das Königshaus sein oder die Oberschicht oder ein ganzes Volk. Also die Tatfolge kann als Subjekt einen Einzelnen haben, eine Familie, eine Sippe, eine Institution oder eine Gesellschaft. Alles hat so seine Tatfolgen. Das ist der erste Punkt. Jetzt kommt der zweite Punkt. Eine Tat und ihre Folgen hängen auf das Ängste zusammen. Man kann sogar sagen, die Folge ist die Tat. Die Folge ist nichts anderes, es ist das Wesen der Tat.

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Also zum Beispiel heißt es im Buch der Sprüche, die Sünde ist der Leute Verderben. Das Verderben ist schon auch die Folge, aber die Folge ist schon in der Sünde drin. Es genügt bei diesem Tatfolgedenk nicht zu sagen, die Folge resultiert aus der Tat. Es ist gar nicht eng genug oder die Folge entsteht aus der Tat. Es ist ein Versuch, diese enge Zusammengehörigkeit auszudrücken, aber da ist oft noch die Unterscheidung von Ursache und Wirkung drin, die hier so nicht gemeint ist, denn Ursache Wirkung im europäischen Geistesleben ist kausal gemeint. Also ich sage mal, im Pkw gibt es einen Verbrennungsmotor, da finden irgendwelche Verbrennungen statt und die Wirkung ist, dass das Kraftfahrzeug sich in Bewegung setzt.

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Ja, das ist schon ein großer Unterschied, einmal handelt es sich um Verbrennung und dann um eine Bewegung. Aber trotzdem ist es Ursache Wirkung. Also die Wirkung kann auf einer ganz anderen Ebene liegen wie die Ursache, das kann aber die Tatfolge nicht. Es gibt drei besondere Sprachbilder in der Bibel, wo dieses Tatfolgedenken am stärksten ausgedrückt wird. Das ist einmal das Bild von Saat und Ernte. Das heißt, im Galaterbrief, im Neuen Testament, das Tatfolgedenken ist im Alten und im Neuen Testament das Gleiche. Das Neue Testament hat genauso Tatfolgedenken wie das Alte, ist so grundlegend. Also im Neuen Testament der Galaterbrief, für einen lutherischen Theologen ist der Galaterbrief und der Römerbrief, haben die beste Theologie. Also Luther war ein Fan vom Römerbrief und vom Galaterbrief. Paulinische Rechtfertigungslehre ist am klarsten im Römerbrief und im Galaterbrief.

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Also der Galaterbrief steht auf der Spitze der reformatorischen Theologie. Und in diesem Galater 6 Vers 7 heißt es, irrt euch nicht. Gott lässt sich nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten. Die Übersetzung ist nicht besonders gut, die von Luther. Man müsste besser so übersetzen. Irrt euch nicht. Gott ist kein Spielzeug. Was der Mensch sät, das wird er ernten. Und dieser Ausdruck Gott ist kein Spielzeug meint, es ist kein Spiel. Euer Leben ist kein Spiel. Natürlich gibt es Sprachspiele und Spielende Kind, ist schon klar. Aber auf der Ebene, die ich meine, da gibt es ein Ernst des Lebens. Gott ist kein Spielzeug. Er steht auch für den Ernst und die Einmaligkeit des Lebens.

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Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben und dann das Gericht. Es ist kein Spielzeug. Gut, und dieses Wort Ernte wird ganz oft angewandt. Oder auch, wer Wind sät, wird Sturm ernten. Also auch die Bilder von Saat und Frucht, Saat und Ernte oder Samen und Frucht. Nehmen wir mal Saat und Ernte, Getreideernte. Ja, der Samen ist auch schon Getreide, ist auch Getreide. Und die Ernte ist auch Getreide. Also da geht es nicht um Ursache, Wirkung, sondern der Same ist schon Getreide. Der Same ist genauso Getreide wie der fertige Halm, nur also später. Also mit diesen Bildern wird auch ausgedrückt, dass die Folge der Tat meistens nicht sofort kommt, sondern es dauert seine Zeit. Also Saat und Ernte, Samen und Frucht.

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Wenn Jesus sagt, an den Früchten sollt ihr sie erkennen, das Tat-Folgedenken. An den Folgen der Tat werdet ihr sie erkennen. Die Früchte, das ist das, was auskommt, die Konsequenzen. Und dann gibt es noch das Bild vom Weg, gemeint ist der Lebensweg. Mit Lebensweg ist so gemeint, der Mensch bestimmt in seinen Taten über seinen eigenen Lebensweg. Das sind noch andere Faktoren, aber meine eigenen Taten sammeln sich zu einer bestimmten Art von Lebensführung. Und das ist dann der Lebensweg. Der ergibt sich auch zu einem erheblichen Teil aus meinen Taten. Gut, also jetzt haben wir zwei Aspekte. Jede Tat hat ihre Folgen und erst die Folgen machen die Tat vollständig. Die Folgen gehören zur Tat. Der Zusammenhang ist so eng, dass mit dem Wort resultieren oder entstehen, das noch kaum richtig erfasst werden kann.

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Jetzt kommt der dritte Aspekt. Die Folge einer Tat kann man nicht als Strafe bezeichnen. Das geht nicht. Man kann die Folge einer Tat auch nicht als Vergeltung bezeichnen. Und man kann sie auch nicht als Verurteilung bezeichnen. Also in der Tat entscheidet ja der Täter selber über sich selber. Also zumindest zu einem erheblichen Teil. Ich will nicht sagen, dass es alles danach geht. Aber jede Tat hat ihre Folgen und das hat eine ganz schöne Wirkung im Laufe der Zeit. Also die Tatfolge ist ja das, was der Mensch selber mit seiner Tat bewirkt. Das kann man nicht Strafe nennen oder Vergeltung. Das Wort Strafe im europäischen Denken, das es also wie gesagt in der hebräischen Bibel gar nicht gibt.

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Die hebräische Bibel hat keine Strafidee. Überhaupt nicht. Was meint ihr, was ihr da umlernen müsst? Also was ist eine Strafe für uns Europäer? Eine Strafe ist eine Sanktion, also eine Härte, Strafleid, Sanktion, die ein anderer, der die Macht oder die Legalität dazu hat, über mir verhängt. Also Strafe kommt immer von außen. Von demjenigen, sei es der Vater, die Mutter, der Lehrer, die Lehrerin oder der Richter. Also von jemandem außerhalb von mir, der eigentlich streng genommen gar nicht beteiligt ist. Zunächst mal streng genommen Unbeteiligter. Und der, sagen wir mal, wenn es die Eltern sind, der überlegt sich eine Strafe oder die Mutter oder der Lehrer, die Lehrerin.

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Und der Richter hat gewisse Vorgaben im bürgerlichen Gesetzbuch, im Strafrecht und so weiter. Also er orientiert sich an einer vorgegebenen Rechtsordnung. Und die Strafe, so gesehen, ist eine Verletzung des Rechts. Und diese Verletzung des Rechts wird durch die Strafe vergolden. Das muss er büßen. Das wirst du mir büßen. Und er muss dann eine Sühne leisten. Also Sühne in diesem europäischen Strafdenken ist in der Bibel völlig anders. Das Wort Sühne in der Bibel ist das Gegenteil fast von dem, was wir unter Sühne verstehen. Also Sühne ist immer etwas, was der Täter zu bringen hat. Die Strafe ist sozusagen seine Sühne. Das ist der Preis, den er zu bezahlen hat. Und dann sind sozusagen die Rechnungen beglichen. Die Verletzung einer Rechtsordnung verlangt eine Strafe. Dann kommt sozusagen die Redensart auf, Strafe muss sein.

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Man darf sich wirklich mal fragen, wo steht denn das? Muss Strafe wirklich sein? Gut, also die Folgen einer Tat kann man nicht als Strafe oder Vergeltung oder Verurteilung bezeichnen, weil ja die Folge der Tat unmittelbar aus der Tat sich ergibt. Da braucht man keine Aktivität eines Richters. Die Ernte wird zur Ernte. Da muss ein Jurist nichts machen. Also die Folge aus der Tat ergibt sich unmittelbar aus dem Wesen der Tat. Da muss man keine Instanz dazwischen schalten, die nach ihrem Ermessen sich eine Sanktion ausdenkt oder aus einem Normenbestand herüberholt und dann dieser Tat zumisst. Das braucht man nicht. Auch dieses differenzierte Strafen, halbes Jahr Gefängnis, ein Jahr Gefängnis, zwei Jahre Gefängnis,

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vier Millionen Strafgelder, eine Million, achtzig Euro und so, das ist in dem Tat-Vollgedenken so eine Litanei genauer Differenzierungen. Es passt gar nicht zu den Tat-Vollgedenken. Ich will mal ein Beispiel sagen. Ich habe an einem feuchten Novembertag meiner damaligen noch sehr kleinen Tochter, vielleicht war im Kindergartenalter vier, fünf Jahre alt, die wollte an einem kalten, regnerischen Novembertag zu ihrer Freundin gehen und zieht sich ihr Lieblingskleidchen, Sommerkleidchen an und will mit dem 300 Meter weit zur Freundin gehen. Jetzt hätte ich sagen können, ich habe die Versuchungen gespürt, aber ich habe es weggedrückt, ich hätte jetzt sagen können, Chrissy, wenn du dich nicht warm anziehst, darfst du eine Woche keinen Fernseher gucken.

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Das ist eine Strafe. Ich habe ihr aber gesagt, Chrissy, wenn du dich nicht warm anziehst, wirst du dich erkälten. Das ist die Tat-Folge. Und um diesen Unterschied geht es. Die Antwort Chrissy, wenn du dich nicht warm anziehst, wirst du dich erkälten, hat ein anderes Niveau, eine andere Qualität, wie der Daumendrauf-Sanktion. Das erste, Chrissy, wenn du dich nicht warm anziehst, kannst du eine Woche lang nicht mehr Fernsehen gucken, ist eine Drohung. Wenn ich sage, Chrissy, wenn du dich nicht warm anziehst, wirst du dich erkälten, das ist eine Warnung. Ihr Lieben, wir müssen den Unterschied von Drohung und Warnung tief lernen. In der Bibel ist sie ganz tief empfunden. Drohen aus einer Drohung entsteht nichts Gutes. Eine Drohung kann die Liebe in dieser Welt nicht steigern.

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Eine Drohung setzt unter Druck, verhindert mündige Prozesse. Eine Warnung emanzipiert, eine Warnung klärt auf. Ich will dir rechtzeitig sagen, was auf dem Spiel steht. Dann kannst du realitätsnäher dir deine Gedanken machen. Wenn es in der Paradiesgeschichte heißt, von diesem Baum sollst du nicht essen, denn an dem Tag, an dem du von ihm isst, heißt es jetzt gut übersetzt, wirst du sterben. Blöde Übersetzungen, die keine Ahnung haben, sagen, sollst du sterben. Sie machen aus einer Warnung eine Drohung. Nein, das ist die Tatfolge. Wenn du dich von der Sünde ernährst, dann holst du dir selber den Tod rein. Nehmen wir mal die sogenannte Vertreibung aus dem Paradies.

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In Jahrhunderten traditioneller Volkskirchentheologie Strafe. Die Strafe der Vertreibung. Nein, nein, es hat überhaupt nichts mit Strafe zu tun. Es gibt kein Strafdenken in der hebräischen Bibel, sondern Eva und Adam greifen nach dieser Frucht. Erst Eva, dann Adam, aber gleich mit. Und jetzt haben beide von der Frucht gegessen, also bildlich gesagt, oder sie haben gesündigt. Und jetzt kommt die Folge, das wird sofort erzählt. Jetzt hören sie Schritte im Paradiesgarten, Gott nähert sich. Was machen die? Ab hinter die Büsche. Sie hauen ab und verstecken sich. Das ist die Folge der Tat. Wenn du dich auf die Sünde einlässt, wie immer im Einzelnen, wird die Folge sein, du fühlst dich in der Nähe Gottes nicht mehr so wohl.

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Die Nähe Gottes wird für dich jetzt problematisch. Du hast ein Bedürfnis, dich zu verstecken. Das ist die Folge der Sünde. Dieses Laufen hinter die Büsche ist doch keine Strafe. Das machen ja die selber. Wenn du aber immer, wenn Gott kommt, hinter die Büsche gehst, dann bist du nicht mehr im Garten Eden. Du hast dich selber aus dem Garten hinaus gehandelt. Die sogenannte Vertreibung aus dem Paradies ist nur die Ratifizierung, die Sichtbarmachung, man nennt es dann theologisch Heimsuchung, werde ich noch erklären. Es wird hier nur sichtbar gemacht, was der Mensch sich selber geschaffen hat. Er hat sich selber aus dem Garten Eden hinaus gesündigt. Das sieht man an dieser Tatfolge. Wenn man das nicht berücksichtigt, sagt man, strafen der Gott. Oder nehmen wir mal die sogenannten Strafsprüche,

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so hat man sie ja hundertelang genannt, es hat mit Strafe aber gar nichts zu tun. Also Gott sagte zur Schlange, auf dem Boden sollst du kriechen und der Mensch wird dich auf den Kopf stoßen, das heißt nicht den Kopf zertreten, und du wirst ihn dafür in die Ferse stoßen. Man muss das sehr genau hebräisch übersetzen, das ist ganz bewusst der gleiche Vorgang. Was ist damit gemeint als Tatfolge der Sünde, dass zwischen Tier und Mensch, Schlange oder dem Bösen, das Schlange ist ja der Symbol fürs Böse, es wird ein ewiger Kampf sein. Der Mensch versucht das Böse zu bewältigen, aber gerade dann, wenn er meinte, er hat den Kopf zerschlagen, sticht das Böse ihm, gerade dann. Gerade dann, wenn man meint, ich habe das Böse im Griff, schleckt das Böse zurück. Und so wird es jahrhundertelang gehen. Also dieser Spruch hat überhaupt nichts mit Strafe zu tun. Die Tatfolge im Blick auf das Böse, personifiziert in der Schlange,

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es wird ein ewiger Kampf sein zwischen dem Mensch und dem Bösen. Der Mensch versucht, das Böse zu treffen, aber es wird ihm nie gelingen. Es bleibt bei diesem Ewigen hin und her. Dann sagen wir mal, bei der Frau übersetzen, die Übersetzungen, die keine Ahnung haben, du wirst dich nach dem Mann verlangen und der Mann soll über dir Herr sein. Soll, als ob das Patriarchat, die Herrschaft des Mannes, dem Willen Gottes entspräche. Nein, er wird über dich herrschen. So wie man auch übersetzt, du wirst an dem Tag sterben, nicht du sollst. Das wäre eine Sanktion, dann mache ich dich tot. Nein, nein, du machst dich selber tot. Also der Mann wird über dich herrschen. Das ist die Tatfolge. Hier wird das Patriarchat als einer der wichtigsten Ausdrucksformen der Sünde gesehen. Vorher heißt es ja, der Mann wird Vater und Mutter verlassen

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und seiner Frau anhängen. Das wäre es gewesen. Gut, gehen wir mal noch eins weiter. Ich kann jetzt nicht die ganze Bibel durchgehen. Kein und Abel. Nach dem Mord an Abel sagt Gott, unstetig wirst du sein dein Leben lang. Es ist keine Strafe, es ist die Tatfolge. Wenn jemand einen Mord begeht, also vielleicht ist es beim Berufskiller noch mal anders, lassen wir mal weg, an sowas wird ja hier nicht gedacht. Wer einen Mord begeht, der wird unruhig. Er muss immer was kaschieren. Er ist wie ein Flüchtiger. Mir hat mal ein Mörder gesagt, also ich sage besser, ein Mann, der einen Mord begangen hat, ich war mit ihm befreundet viele Jahre, der hat zu mir gesagt, weißt du, Sigi, die acht Jahre Zuchthaus waren ein Kindergarten. Gegen mein Gewissen. Er hatte seine Freundin im Auto erwürgt aus Eifersucht.

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Es hat ihm schon zwei Minuten danach so furchtbar leid getan. Er hat dieser Kuno vor einigen Jahren gestorben. Er war unstet sein Leben lang. Es ist keine Strafe. Gut, also erstens jede Tat hat die irrgemäßen Folgen. Erst die Folgen machen eine Tat vollständig. Zweitens der Zusammenhang zwischen Tat und Folge ist so eng, dass man mit Ursache Wirkung, Kausaldenken, das gar nicht erfassen kann. Eine Tatfolge darf man nicht mit Strafe übersetzen, Vergeltung oder Verurteilung. Das wird eine babylonische Sprachverwirrung. Was man sich selber, der schießt sich sozusagen selber ins Bein. Wir schaden uns selber und anderen mit. Viertens, diese Tatfolgen, den können wir uns niemals entziehen, niemals.

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Wir werden immer dafür verantwortlich sein. Die Liebe Gottes, die entscheidend ist, wenn wir gleich darauf kommen, ändert daran gar nichts. Die Liebe Gottes, auf die wir uns verlassen können, Gott sei Dank, ändert nichts daran, dass der Ernst des Lebens, dass du für deine Taten verantwortlich bist. Daran ändert die Liebe Gottes nichts. Und wie kommt es eigentlich, dass eine Tat Folgen hat? Könnte man nicht das Leben auch so schaffen, dass das Leben immer unverbindlich ist? Ich kann machen, was ich will, es hat gar keine Folgen. Jede Tat ist ein isoliertes Atom. Ja, nein, das wäre eben kein Leben. Jetzt berühren wir ein Geheimnis, das keiner lüften kann. In der Schöpfungsrealität hat Gottes Leben so eingerichtet, dass aus der Tat Folgen hervorgehen. Er hätte vielleicht auch eine Schöpfung schaffen können,

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eine Art von Leben, wo jede Tat ein isoliertes Atom ist und wo man für nichts verantwortlich ist. Aber so was wäre kein Leben, wie es die Bibel versteht. Dem Leben gehört eine Verbindlichkeit zu, ein Ernst. Und das hat Gott in die Schöpfungsrealität, diese Zusammenhänge hat Gott so geschaffen. Es gehört zur Verbindlichkeit der Schöpfung, dass wir für die Folgen unserer Taten verantwortlich sind. Jetzt, fünfter Gesichtspunkt. Es ist nicht so, dass mit diesem Tat-Folgedenken jetzt alles erklärt werden kann. Also Gott sorgt zwar dafür, dass aus den Taten wirklich Folgen entstehen. Das ist unsere Verantwortung, es bleiben immer noch meine Folgen. Aber Gott wirkt da auf eine geheimnisvolle Weise mit, weil er diese Zusammenhänge in die Schöpfung eingesetzt hat.

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So hat er Leben definiert. Und ein anderes Leben kennen wir nicht. Aber Gott selber ist jetzt nicht ein Knecht des Tat-Folgedenkens. Alle seine liebevollen Dinge, die hängen gar nicht mit dem Tat-Folgedenken zusammen, sondern dass er Abraham beruft, das hat Abraham nicht verdient, dass er die hebräischen Fohnarbeiter rausholt. Also alles, was Gott sich ausdenkt in seiner Barmherzigkeit und Liebe, ist unabhängig vom Tat-Folgedenken. Aber hebt das Tat-Folgedenken auch nicht auf. Wir bleiben immer für die Folgen unserer Taten verantwortlich. Was heißt denn Verantwortung? Verantwortung heißt, dass ich mir die Folgen dessen, was ich tue, mir vor Augen führe und sie verantworte. Das heißt Verantwortung. Also Verantwortung biblisch ist immer die Verantwortung der Folgen der Taten. Was soll denn Verantwortung sonst sein? Jetzt in den jüngeren alttestamentlichen Schriften,

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so nach dem babylonischen Exil, die machen auch eine gewisse Entwicklung durch. Wird erkannt, dass dieses Tat-Folgedenken niemand auf der Welt einsichtig ist. Man kann das nicht an der Geschichte ablesen, dann müsste es guten Menschen gut gehen und schlechten Menschen schlecht. Nein, es wird jetzt immer deutlicher erkannt, es gibt schlechte Menschen, denen geht es verdammt gut und es gibt gute Menschen, denen geht es verdammt schlecht. Das heißt, dieser Tat-Folge-Zusammenhang ist unseren Augen, unserer Wahrnehmung nicht zugänglich. Wir überblicken diese Dinge nicht. Und kein irdischer Richter kann im Sinne des Tat-Folge-Zusammenhangs das urteilen. Nein, ein Richter kann immer nur gemäß der rechtlichen positiven Bestimmungen in seiner Kultur, hier urteilt ein Sünder über einen Sünder und nicht ein Gerechter über Ungerechte. Also in einem Gerichtsverfahren können wir immer nur sagen,

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ein Sünder verurteilt einen Sünder, aber nicht ein Gerechter verurteilt einen Ungerechten. Also Wohlzugsbeamte und Richter sind genauso Sünder wie Schlafgefangene. Wir sind alle Sünder. Gut, aber also auf jeden Fall, Gott ist nicht nur ein Knecht dieses Tat-Folge-Zusammenhangs. Und vor allem, wir überblicken es nicht. Deswegen entsteht jetzt langsam aber sicher der Gedanke, das Tat-Folge-Denken kann erst in einem Weltgericht nach diesem Leben Gott selber durchführen. Denn Tat-Folge-Zusammenhang durchschaut nur Gott. Aber eher, du schaust ihn. Und dann wird auch immer deutlicher, man muss mit diesem Tat-Folge-Denken sehr sorgfältig umgehen. Man kann da völlig missbräuchlich sein. Du kannst ein Tat-Folge-Denken niemals umkehren, indem du in die Vergangenheit guckst. Das Tat-Folge-Denken ist nur verantwortlich nach vorne gerichtet.

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Also ich sehe einen Blinden. Was hat der wohl getan, dass er blind wird? Also im Johannesevangelium fragen die Jünger am Teich Chiloa, da sehen Sie einen Blinden, Meister, hat er gesündigt oder seine Eltern? Das ist Tat-Folge-Denken in die Vergangenheit gekehrt. Und das führt zu fürchterlichem Unrecht. Eltzkranke waren das besondere Sünder. Und Jesus sagt, nein, weder er hat gesündigt noch seine Eltern. Also er will damit sagen, nein, die haben auch nicht mehr gesündigt. So dürft ihr das nicht sehen. Oder Lukas 13, da wird Jesus mal gefragt, der Turm von Chiloa ist eingestürzt, wohl überraschend, und hat ein paar Menschen erschlagen. Das ist ja fürchterlicher Zufall. Jetzt plumpsen da Steine runter und zwei, drei Leute sind tot. Und dann fragen Sie, waren das besondere Sünder? Und da sagt Jesus auch, hört mit dem Scheiß auf.

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Also Tat-Folge-Denken darfst du ethisch nur nach vorne sehen, wenn ich jetzt etwas tue, was können, soweit ich es verantwortlich abschätzen kann, die Folgen sein? Das ist Verantwortungsethik. Also man darf sie nur nach vorne ausrichten. Und man darf nicht meinen, dass man es übersieht oder dass die Dinge innerhalb der Geschichte sich alle gerecht auflösen, als ob die Weltgeschichte das Weltgericht wäre. Nein, leider überhaupt nicht. Gut, jetzt kommt noch ein ganz wichtiger Punkt. Die Hauptursache, dass in die hebräische Bibel ein Strafdenken von außen eingedrungen ist, ist die Septuaginta. Man hat im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr., also ungefähr von 250 bis 100, ganz grob, in diesen 150 Jahren wurde die hebräische Bibel

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ins Griechische übersetzt. Das war die größte Übersetzungsarbeit der gesamten Antike, also Riesenarbeit. Warum? Weil viele Juden außerhalb von Palästina wohnten. In Palästina war es sehr ärmlich, Verelendungsprozesse, haben sich wieder verloren, es sohn die Leute sich in der Fremde eine neue Existenz aufgebaut. In Alexandrien lebten fast so viele Juden wie in Palästina. Und diese Juden in Ägypten und sonst wo, die haben selber bald nicht mehr hebräisch können. Die konnten ihre eigene Bibel nicht mehr lesen. Deren Muttersprache war jetzt schon griechisch. Und jetzt wurde es immer dringender, wir müssen die hebräische Bibel ins Griechische übersetzen. Und diese Septuaginta, diese griechische Bibel, ist für die westliche Kultur von fundamentaler Bedeutung. Paulus und die anderen Autoren zitieren immer aus der Septuaginta. Und die Christen in Athen oder Rom oder Thessaloniki oder Philippi,

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die kennen ja alle nicht hebräisch. Deren Bibel war überall die Septuaginta. Also die Septuaginta war die Bibel der griechisch sprechenden Ur-Christenheit. Und jetzt bei dieser Übersetzung entsteht eine tiefe Verschiebung. Zum Beispiel die Worte Schilem vollständig machen oder auch Hechib zurücklenken, die Wirkung auf dein Ei, so wie du gehandelt hast, wirst du gehandelt werden. Das heißt ja auch mal in der Bergprädipie, wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden. Das ist alles Tatfolge denken. Solche Begriffe übersetzen sie mit apoditone mit vergelten. Oder den Begriff ekäb, der Begriff ekäb, also es geht hier um viele, viele Vokabeln. Ekäb heißt eigentlich Heimsuchung oder auch Konsequenz oder Folge oder Ergebnis.

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Übersetzen sie mit antrapodoni mit Lohn, mit Lohn. Rakam, Rache übersetzen sie mit dike, Strafe. Da kommt jetzt das Wort rein. Also die Septuaginta trägt ein juristisches, juristisches Vergeltungs- und Strafdenken in die hebräische Bibel hinein. Und damit wird das hebräische Tatfolgedenken kaum mehr erkennbar. Es wird praktisch unerkenntlich gemacht. Und da sehr viele hebräische Verben eine Doppelbedeutung haben, nämlich eine Handlung und die Folge der Handlung, die gleich mit gemeint ist, so was gibt es ja in den indogermanischen Sprachen nicht, diese Doppelsinnigkeit sehr vieler. Alle Hebräischen Verben für positives moralisches Handeln haben immer mit gemeint, Segen, Gesundheit, Wohlergehen,

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ist immer diese Dimension dabei. Oder eben eine gute Tat hat gute Wirkungen, eine schädliche, schlechte Tat hat schädigende Wirkung. Diese Doppelsinnigkeit wurde bei der Septuaginta nicht sinngemäß ins Griechische übertragen, wäre wahrscheinlich auch gar nicht so leicht gewesen. Gut, jetzt kommt der letzte Punkt. Im Weltgericht, das Weltgericht hat überhaupt nichts mit Strafe zu tun. Das Weltgericht ist die Konfrontation mit den Folgen meiner Taten, unserer Taten. Ich werde im Weltgericht nicht mit etwas Fremdem konfrontiert, sagen wir mal mit einer Sanktion, die sich ein beleidigter Gott ausgedacht hat. Nein, ich werde im Weltgericht mit mir selber konfrontiert.

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Und ich werde im Weltgericht erkennen, dass niemand anders am Gericht schuldig ist wie ich selber. Dass ich selber mir das Gericht zugezogen habe. Und diese Tatfolgen werden nicht einfach durchgestrichen, es gehört zu unserer Würde, dass wir schuldig werden können. Ein Tier kann nicht schuldig werden. Es gehört zu unserer Würde, dass wir verantwortlich sind. Das gehört zu unserer Mündigkeit. Die Liebe Gottes macht uns nicht infantil, tut immer alles auslöschen. Mit dem Vergebungsbombardement. Nein, nein, die Liebe macht uns realitätsgerecht. Also wir können uns auf die Liebe Gottes verlassen. Gerade weil wir uns auf die Liebe Gottes verlassen können, können wir dem ins Auge sehen, was ich und meine Familie oder mein Ort oder wie immer,

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was wir angerichtet haben. Darüber werden wir volle Selbsterkenntnis bekommen. Und das nimmt uns niemand ab, auch die Liebe Gottes nicht. Denn die Liebe Gottes will den erwachsenen, mündigen Menschen. Aber den liebt sie auch. Das heißt, Gott in seiner Liebe bewertet uns jetzt nicht nur danach. Wir werden das erkennen und sozusagen frei gesprochen, nicht aus Mangel an Beweisen, wir werden frei gesprochen aus erwiesener Schuld, aus der Liebe Gottes heraus. Jetzt zum Schluss will ich auf diesen Text eingehen, den Torsten am Anfang vorgelesen hat. Es ist ein sehr komplexer Text. Man nennt dieses Modell die Satisfaktionslehre, Genugtuung. Begründet hat sie Anselm von Canterbury, so 1100 rum. Wobei Anselm von Canterbury selber durchaus relativ differenziert gedacht hat.

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Aber seine Schüler, seine Epigonen im Laufe der Wirkungsgeschichte ist dieses Modell so dann wirksam geworden. Zu diesem Modell kann man biblisch nur sagen, wir lehnen es durch und durch ab. Es ist an diesem Modell nichts richtig. Selbst das, was richtig sein könnte, wird in diesem Zusammenhang auch falsch. Es gibt im Falschen nichts Richtiges, weil die Gesamtzusammenhänge gehen ganz in die Irre. Im Satisfationsdenken geht man von der Sünde aus, also nicht von der Liebe Gottes und vom Geschöpfsein, Gott liebt seine Geschöpfe, nein, man geht von der Sünde aus. Und die Sünde ist eine Beleidigung für die Ehre Gottes. Und die so eine schwere Beleidigung, dass eigentlich die Todesstrafe ewiger Tod,

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aber Erlösung ist dann Aufhebung der Todesstrafe. Nein, nein, ihr Leben, Erlösung ist viel mehr als diese Straflogik. Und jetzt ist es so, also der Sünder hat den ewigen Tod verdient, er müsste jetzt eigentlich bestraft werden, er hätte diese Strafe verdient, aber Gott will eben den Tod des Sünders nicht. Was kann er machen? Der Sünder selber kann die Sühne nicht leisten, also schickt er den sündlosen Gottessohn und der opfert sich stellvertretend. Und damit sind die Rechnungen beglichen. So ein Verrechnungsmodell, dieses Verrechnungsmodell ist durch und durch unbiblisch. Es klingt nur so. Ich sag mal die wichtigsten Fehler. In diesem Modell ist Gott das Problem. Gott wird versöhnt. Der Gottessohn bringt ein Sühnopfer seinem Vater, damit der zornige Gott jetzt besänftigt wird und vergeben kann.

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Also das Sühnopfer, die Begriffe gibt es in der Bibel, aber sie sind ganz anders gemeint. Sühnopfer bringt also der Sohn, eigentlich hätten es ja die Sünder bringen müssen, aber die können es nicht, also bringt es stellvertretend der Sohn. Und das Opfer gilt seinem Vater, der Vater nimmt das Opfer an und damit wird seiner seine Gerechtigkeitsordnung Genüge getan. Also Gott ist hier der Empfänger. Nein, in der Bibel wird der Mensch mit Gott versöhnt, aber nicht Gott mit dem Menschen. Also Paulus sagt in 2. Oktober in der Fünf von den Römer, lasst euch versöhnen mit Gott. Gott, heißt es im 2. Oktober in der Fünf, Gott versöhnte die Welt mit sich. Gott muss niemand versöhnen. Schon dass allein Jesus schickt auf diese Erde entstammt seiner Liebe. Also Golgatha ist nicht so gemeint, dass man Gott hier umstimmt,

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vom zornigen Gott auf den sanftmütigen Gott. Nein, Gott war auch vorher schon, Gottes Wesen ist die Liebe vorher und nachher. Das andere, was ganz gefährlich ist in diesem Modell, dieses Verrechnungsmodell konzentriert die Wirkung Jesu, die Geschichte Jesu ganz auf den Tod. Was Jesus vorher gemacht hat, sein Lebensstil, dieser Pfeffer, dieser Mut, diese Zivilcourage, sein Umgang mit Armen, mit Kranken, mit Frauen, mit Sündern, ja, schon gut, aber sein Tod. Oder sagen wir mal die Bergpredigt, die Gleichnisse, eigentlich, man kann es schon, die werden alle entwertet. Das Entscheidende ist nur im Tod. Das heißt, der Tod Jesu wird isoliert von seinem öffentlichen Auftreten.

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Und das darf man nicht, denn der Tod Jesu ist ja innergeschichtlich die Konsequenz seines Auftretens. Warum? Warum wurde er verurteilt vom Hohen Rat und römischer Militärjustiz? Leider gibt es im Deutschen nur das Wort Opfer. Es ist ein sehr schillerndes Wort. Im Englischen unterscheidet man zwischen Victim, ist ein Opfer, und Sacrifice. Victim ist ein Opfer von etwas, Verkehrsopfer, Kriminalitätsopfer. Und Sacrifice ist ein Opfer für etwas. Wir müssen Jesu Tod erst mal als Victim würdigen. Jesus ist erst mal ein Opfer der römischen Militärbehörde geworden und er ist gefoltert worden. Also, es ist ein... Wenn wir sofort mit Sacrifice arbeiten, dann haben wir ein Modell, da muss Jesus halt ans Kreuz. Ob der vorher einen Tag tätig war, oder eine Woche, oder ein Jahr,

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ja, kann man mal... Aber ist im Prinzip egal, der muss halt ans Kreuz. Und da wird verrechnet. Also dieses Modell löst sich völlig aus den historischen Realitäten. Den Personen aus Fleisch und Blut, mit denen Jesus es im Prozess und so weiter zu tun hatte. Es ist ein Sandkastenspiel. Also so hat man in den Jahrhunderten des Abendlands das Christusverständnis und das Gottesverständnis hineingezwängt in eine Straflogik. Als ob Gott die Strafe nötig hätte. Im Grunde genommen muss man sagen, in diesem Modell ist Gott gar nicht mehr der Herr. Er ist eigentlich ein Knecht einer Straflogik. Denn am Ende muss Gott eben diese Straflogik erfüllen.

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Und damit seiner Gerechtigkeit Genüge tun. Diese Vorstellung, dass es irgendeine Art Gerechtigkeitsordnung gäbe, wo sollte denn das sein? Im irdischen gibt es so Recht, aber es ist ja irdisches Recht. Aber dass es irgendwie eine heilige, göttliche Rechtsordnung gäbe oder Gerechtigkeitsordnung gäbe, die man erst erfüllen muss, bevor Gott verzeihen kann, ist ein Märchen. In allen Büchern, wenn ihr lest, Gott muss, auch in diesem Text, Gott kann nicht. Da müsst ihr ganz vorsichtig werden. In diesem Modell kann Gott gar nicht anders als seinen Sohn auf die Welt. Er kann gar nicht anders, er muss das so machen. Und der bringt dann das Opfer, er bezahlt die Rechnung. Also Jesus wird da verkürzt auf einen Typ, der die Rechnung bezahlt. Ja, aber die Lösung ist doch viel, viel mehr.

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Es ist eine Befreiung nach vorne gerichtet, nicht nur der Abgleich einer Rechnung. Also Gott wird hier ein Knecht und die Straflogik ist wirklich der Herr. Aus diesem Modell, ihr Lieben, müssen wir, dürfen wir Jubilate ganz aussteigen. Dieses Modell verdirbt das Evangelium und den liebenden Gott im Kern.

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Gibt es einen strafenden Gott? | 8.6.1

Worthaus Pop-Up – Wipperfürth: 3. August 2018 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Gott sieht alles, weiß alles, und wenn sich jemand danebenbenimmt, kommt der alte Mann mit dem weißen Bart und bestraft den bösen Sünder. So stellen sich immer noch viele (Nicht-)Christen das Verhältnis zwischen Gott und Menschen vor. Dabei gibt es in der hebräischen Bibel nicht einmal ein Wort für »Strafe«. Denn Gottes Job ist es nicht, den Menschen durch drastische Strafen zu einem besseren Wesen zu erziehen. Warum glauben dann so viele an einen strafenden Gott? Siegfried Zimmer klärt auf, wie sich das Verständnis von Sünde und Konsequenz im Laufe der Geschichte des Juden- und Christentums verschoben hat. Er erklärt, was wirklich die Folge von Sünde ist. Und warum nicht einmal das Weltgericht am Ende aller Zeiten etwas mit Strafe zu tun hat.