Heute Nachmittag spreche ich zum Thema der Prozess. Warum ist Jesus gestorben? Ist Jesus für uns gestorben? Das ist mehr oder weniger das dritte oder vierte Mal, dass wir in diesen Tagen darüber nachdenken. Was glauben da Christen? Was ist da so üblich? Was kann man, darf man, muss man, sollte man, sollte man auf keinen Fall sich da annehmen? Und ja, das ist keine leichte Frage. Die Frage ist nicht deswegen nicht leicht, weil sie irgendwie kompliziert ist, sondern weil man damit irgendwie auf kontaminiertes Gebiet kommt. Man kommt in Gefilde, wo Gespräche schnell ungemütlich werden. Und Gebiete sind dann insgesamt schwierig, wenn es nicht nur so ist, dass man sagt, also die Wiese ist eigentlich safe, alles ist gut, aber da ganz rechts am Rand, da wird es
so ein bisschen sumpfig, halt dich da fern, ansonsten lauf, alles gut. Ein schwieriges Gelände ist, da hast du nicht nur eine Ecke, wo es schwierig ist, sondern da musst du vorne aufpassen und hinten und links und rechts und überall. Musst du damit rechnen, dass irgendwer gereizt ist oder so oder Wut kriegt oder nervös wird oder so. Und das ist bei diesem Thema so. Es gibt Menschen, die sagen, ja dieser Jesus, ordentlicher Kerl, also ich finde vieles ganz gut, aber das Christentum, was die daraus gemacht haben, also boah, wenn ich das schon sehe, Kreuz und Blut und Folter und so, ich finde es an sich eine ganz, ganz doofe Idee, so einen Sterbenden oder Toten sich an Wände zu nageln, ist mir völlig unsympathisch, habe doch gar keinen Respekt für und gar kein Verständnis, also ich finde es einfach eine kranke Idee. Und wenn du da versuchst zu erklären, dass dir das irgendwie wichtig ist, dann sagen die nicht, Entschuldigung, ist dir wichtig, ja, das war nicht so gemeint oder so. Nee, dann ärgern die sich darüber, dass dir das wichtig ist,
warum du so doof bist, so etwas zu verlängern. So, dass was, weiß ich, ihre Enkel auch noch damit rechnen müssen, einen zu Tode gefolterten, ansehen zu müssen, nur weil sie in ein bayerisches Finanzamt oder sonst wo reinkommen. So, und dieses Problem aber hat man nicht nur in einer Richtung. Es gibt auch gläubige Menschen, die bei dem Thema eine nicht unerhebliche Grundnervosität haben, die sehr genau aufpassen, ob die richtigen Worte kommen. Und wenn du da irgendwas erklärst und du tust es von Herzen und du machst es ehrlich und du ringst um Worte und du glaubst, du hast wirklich gesagt und du hast aber irgendwie vergessen, das Blut zu erwähnen, sind die nicht glücklich. Und dann kannst du nicht sagen, ja, das meinte ich auch. Ja, warum hast du es nicht gesagt? So, also das gibt es. Es ist ein schwieriges Gelände und ich glaube, man muss das verstehen lernen. Es ist ein schwieriges Gelände, weil es für unterschiedliche
Menschen zentral ist, weil es sie ungeheuer anzieht und fasziniert und trägt und tröstet oder abschreckt und abstößt und verwirrt und alle Ekelschranken hochgehen lässt. Darum ist das so schwierig. Bei so heißen Themen ist man immer gut beraten, wenn man irgendeine Kühlungstechnologie bereithalten kann, um so ein bisschen die Energie raus zu saugen. Eine wunderbare Kühlungstechnologie ist es ganz schlicht das, was historische Wissenschaften tun. Einfach mal ein bisschen auf Gedanken schauen, wie die sich historisch entwickelt haben. Also jetzt keine Predigt über das Wort vom Kreuz, auch keine andächtige Meditation zur Kreuzestheologie, sondern eine Reihe von wissenschaftlichen, historischen Betrachtungen zur Deutung des Kreuzes. Fangen wir ganz schlicht an.
Was ist denn die klassische Sicht auf das Kreuz Jesu? Was ist die traditionelle Lehre vom Kreuzestod Jesu in den letzten 2000 Jahren? Die richtige Antwort ist, sowas gibt es gar nicht. Sowas gibt es überhaupt nicht. Und das ist jetzt nicht nur so eine Meinung oder so, das ist absolut so. An dieser Frage entscheidet sich schon, ob sich Menschen da überhaupt mal ein bisschen mit beschäftigt haben oder nicht. Es gibt überhaupt keine einhellige, durchgängige, ständige und ewige Lehre vom Kreuz Jesu. In den ersten 1000 Jahren des Christentums wurde kein einziges Buch zur Frage geschrieben, welche Bedeutung der Kreuzestod Jesu für uns hat. Wussten das alle hier? Manche gucken so, als wäre das nicht der Fall. Das ist so. Das war die ersten 1000 Jahre lang,
wenn wir per Zeitreise zurück kämen, irgendwohin. Die Leute würden uns viel erzählen können über trinitarische Auseinandersetzungen und über das Ringen, wer Jesus ist und wie er Mensch wurde und wie Gottheit und Menschheit und all das sich zueinander verhalten. Aber Kreuzestod, welche Bedeutung das genau hat, kein Buch, keine Debatte, kein Bekenntnis, nichts. Es war sehr, sehr lange Zeit etwas, was in den Evangelien erzählt wurde. Es wurde gefeiert im Kirchenjahr. Es wurden die Geschichten, Begriffe, das kommt vor in den Predigten. Aber es hat sich nie das Bedürfnis zusammengeballt. Wir machen daraus jetzt mal eine Abhandlung, eine Lehre, eine Theorie, eine geschlossene Darstellung. Das ist in den ersten 1000 Jahren nicht passiert. Man merkt es
ja auch an den Glaubensbekenntnissen. Viele werden das apostolische Glaubensbekenntnis kennen, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes. Wir sehen, das ist alles sehr, sagen wir mal, deutungsarm. Nur es wird genannt und damit wird nicht eine bestimmte Lehre verbunden, sondern man bekennt sich zu Jesus Christus, wie man sich zu Gott, dem Vater und zum Heiligen Geist bekennt. So, und es werden die Eckdaten seines Handelns genannt, aber es wird keine Lehre festgeschrieben. Das apostolische Glaubensbekenntnis, sehr komplizierte Geschichte, hat frühe Anfänge bis ins zweite Jahrhundert zurück. Taufbekenntnis wächst dann lange, lange, lange, ist im Grunde erst in der Spätantike fertig. Gewichtiger ist ja das Niceno Constantinopolitanum. Um das so sagen zu können, muss man ein bisschen üben, habe ich auch gemacht. Also eine Bekenntnis von 381, das Niceno Constantinopolitanum, das ist wichtig. Niceno Constantinopolitanum, jetzt könnt ihr es
aber alle. Mann, Mann, Mann, ganz wichtig. So, das ist ein bisschen ausführlicher. Ich lese euch mal die entscheidende Passage dazu vor. Da lautet es, für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus. Und ihr seht schnell, wo hier der Schwerpunkt liegt. Menschwerdung, das ist das Thema. Inkarnation für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel angekommen, hat Fleisch angenommen, Inkarnation, Heiliger Geist, Jungfrau Maria, Mensch geworden, Inkarnation, Menschwerdung. Das wird mit mehreren Ausdrücken beschrieben, alles, was es gab, zusammen. Und dann, er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus. Das für uns. Wird nochmal aufgegriffen, eine Wiederholung direkt dafür. Für uns Menschen und
zu unserem Heil, so ist die Einleitung. So, und die Inkarnation ist der Schwerpunkt. Das ist die Mitte des Glaubens. Darum geht es eigentlich. Und beim Gekreuzigt wird einfach nochmal das für uns wiederholt. Darum ging es in der Alten Kirche. Jetzt macht man sich wundern und sagt, ja Moment, kann doch gar nicht sein. Die hatten doch die Bibel, die haben doch Passionsgeschichte gehabt, die haben doch irgendwie auch mal da gefeiert und so Karfreitag. Jetzt muss man wissen, die großen Feste waren Weihnachten und Ostern so. Und Karfreitag hat noch eine große steile Karriere vor sich gehabt, aber war nicht so im Zentrum, wurde aber auch gefeiert. Naja, man hat die Dinge genannt. Vergebung, Versöhnung, für uns gestorben. Das wurde genannt, aber man hatte nicht das Bedürfnis, die Situation zu sagen, kann man das mal erklären? Was ist die genaue Bedeutung? Was ist die genaue Lehre? Es gibt Ansätze dazu, daraus eine Theorie zu entwickeln,
zu fragen, warum ist Jesus für uns gestorben? Jetzt ist es nicht so einfach. Jetzt bräuchte ich Fußnoten, habe ich hier nicht. Okay, also es gibt eine häufig vorkommende, weit verbreitete Anschauungsweise, von der man aber nicht sagen kann, die hätten alle immer und überall. Also sie war im Osten bei den griechischen Kirchenvätern sehr verbreitet und sie wurde auch im Westen aufgerufen, auch da. Und die funktionierte so. Man sagte, warum ist Jesus für uns gestorben? Naja, er hat sein Leben als Lösegeld gegeben für uns. Wir haben viele Stellen noch im Ohr. Diese Stelle ist glaube ich in jedem zweiten Vortrag gekommen. Markus 1045, er hat sein Leben als Lösegeld für uns gegeben oder er hat uns frei gekauft. Ihr seid teuer, er kauft. So und er hat einen teuren Preis bezahlt für uns und die Menschen fragten, ja, wer hat das Geld denn gekriegt? So also,
wovon genau hat Jesus uns frei gekauft? Und daraus entstand dann eine Theorie und sagte, ja, wer kommt denn da jetzt in Frage? Also der Teufel. So, der Teufel. Und warum der Teufel? Naja, die Idee war die, die Menschen sind in Sünde gefallen. Der Teufel hat sie verführt. Und dadurch, dass der Teufel die Menschen verführt hat, am Anfang und uns alle und immer, sind wir ihm zu eigen geworden. Wir waren Gottes Eigentum, Gottes Geschöpfe. Wir gehörten Gott und Gott hat uns die Freiheit gegeben und wir haben sie missbraucht, dazu uns für die Sünde zu entscheiden, für ein Leben in Aufruhr und Selbstsucht. Und damit sind wir dem Teufel verfallen. Wir gehören dem Teufel und er begleicht seine Schulden immer. Er wird uns dafür belohnen mit Tod und Hölle und ewige
Pein. So, das heißt, wir sind verfallen an Sünde, Tod, Teufel und Hölle. Wir haben unsere Gotteskindschaft quasi verloren. Wir sind ihm zu eigen geworden und nicht mehr Gottes Eigentum. So, und das sieht Gott und es jammert ihn und es zerreißt ihm das Herz. Und Gottes Plan ist, uns loszukaufen, uns freizukaufen. Und jetzt kann er uns da nicht einfach wegnehmen irgendwie, ne? Also es ist schon irgendwie ein Deal. So, wir haben unser Leben selbst an den Teufel verscheuert durch die Sünde. Er belohnt uns mit lauter böse Lust und Macht und was er glaubt, so zu haben, also lauter Schales leeres Zeugs. Und das ist in gewisser Hinsicht ein legaler Rechtsanspruch, den er jetzt auf uns hat. Und in dieser Situation, wo es Gott zerreißt und wo
er seine Barmherzigkeit und seine Liebe spürt, dass er uns eigentlich erlösen möchte, tut er das Unsagbare. Er kauft uns frei, sodass er uns austauscht gegen seinen unschuldigen Sohn. Das ist die Vorstellung. Gott bietet dem Teufel ein Tauschgeschäft an. Gib mir diese vielen Millionen kleinen Kinder und du bekommst meinen Sohn, so meinen eingeborenen Sohn, mein einziges Kind, unschuldig und göttlich und mächtig und du sollst ihn haben und mit ihm tun, was du willst, aber gib mir diese meine Geschöpfe wieder. Und der Teufel platzt fast vor Lachen, weil mehr geht gar nicht. Er sagt sofort Deal und der Austausch findet statt. Aber oh weh, Gott war listig. Und
wir haben ja gehört in der jüdischen Exegese oder so ist listig sein nicht schlimm, listig sein ist da richtig gut. Gott hat dem Teufel nicht gesagt, dass der Sohn Gottes nichts ist, was man mal sich so eben einverleibt. So, das heißt, Jesus wird dem Teufel übergeben und er wird gefoltert und er wird gekreuzigt und er stirbt. Er wird dem Teufel übergeben, aber dann entdeckt Herr Teufel, dass er diesen Jesus gar nicht halten kann. Es ist Gottes Sohn, er ist Gott gleich und er ist so, so mächtig und so rein und so heilig, dass es den Teufel zerreißt. Im Grunde war Jesus wie ein Köder, ein Köder. Die Menschheit Christi war ein Köder und der Teufel hat sich gierig drauf gestürzt. Und da, wo er Jesus verschlingt in den Tod, merkt er auf einmal, dass da ein Angelhaken
drin ist, den der Teufel nicht mehr los wird. Und dieser Angelhaken, diese Gottheit und ewige Macht Christi zerreißt den Teufel. Und Christus sprengt die Ketten. Er wird frei. Er bricht quasi ein in die höllischen Tiefen. Er befreit da Adam und Eva, die ganzen Verdammten. Er sagt kommt raus, kommt raus und und so und dann ziehen die alle hoch und und so und Jesus ist nicht zu halten. Er steht auf, er lebt und der Teufel ist tödlich verwundet. Er liegt im Grunde im Sterben, in 2000 Jahren inzwischen und er hat wenig Zeit, er hat wenig Zeit. Er ist wütend und er versucht sich jetzt noch zu rechnen an allen, die er kriegt. Aber im Grunde hat er das Spiel verloren. Der dumme Teufel. Gott hat ihn betrogen. Christus hat ihn reingelegt. Christus hat ihn erwischt. So, so hat man das gesehen. Und ja, jetzt kann man sagen, wie sind die darauf gekommen? Ich habe die Stellen genannt.
Jesus gibt sein Leben als Lösegeld für die vielen. Wir sind teuer erkauft. 1. Unter 6. 1. Pretus 1.18. Das kostbare Blut Jesu war der Preis dafür. Christus hat uns freigekauft, offenbarungen ein, zwei Stellen. Jesus hat die Kirche erworben durch sein Blut. Er hat bezahlt und wie und warum? Dafür ist der Sohn Gottes gekommen, um die Werke des Teufels zu zerstören. 1. Johannesbrief. Und wenn man erst mal diese Brille aufsetzt, das ist ja auch eine Brille, ein Deutungsmuster. So, man kommt auf eine Spur. Man sieht da bezahlt, freigekauft, erworben, gewonnen, Teufel. So, und wenn man dann, dann kommen immer mehr Stellen. Dann sieht man auf einmal, Versuchung Jesu. Der Teufel versucht, dann heißt es im Evangelium, er verließ ihn eine Zeit lang. So, und dann sieht man auf einmal in der Passionsgeschichte, die Jünger laufen weg,
Jesus wird gefangen genommen und Jesus sagt, dies ist eure Stunde und die der Macht der Finsternis. Und man sagt, passt, alles passt. So ist es. Das steht in der Bibel überall, dutzende von Stellen. Das ist die Lösung. Deswegen habt ihr die ja alle im Kindergottesdienst auch gelernt. Manche schon, sehe ich, das ist interessant. Gut, manche schon. Ja, das ist eine Geschichte, die hat einen langen Atem gehabt. Also jemand, der das zum Beispiel gern auch aufgegriffen hat, ist kein Geringerer als Martin Luther. Martin Luther hat das gern und oft gemacht. Er hat das so in Vorlesungen, aber auch in Predigten, auch in Liedern gemacht. Nur ganz kurz. Dies berühmte Lied nun freut euch, liebe Christengemein. Wer das kennt, eines der größten und bekanntesten Lutherlieder, nur mal zwei Stufen daraus. Da heißt es, der Vater dem Sohn gehorsam ward. Er kam zu mir auf Erden
von einer Jungfrau rein und zahlt, er sollte mein Bruder werden. Geheimlich führt er seinen Gewalt. Er ging in meiner Armgestalt, den Teufel wollte er fangen. Jesus ist im Grunde so eine Art Geheim- Agent. Wir sind bei CSI Jerusalem. Geheimlich führt er seinen Gewalt und so. Er lässt nichts merken. Er tut so, als wäre er arm und schwach und könnte sich gar nicht wehren und so, weil er muss den Teufel reinlegen. So und dann ist es wie bei 24 und alle coolen Serien, die man so guckt und so eine Geiselnahme. Wir sind die Geisel, wir sind gefangen, wir liegen da, die Folterknechte glühen, das Eisen und so. Und auf einmal kommt der Geheimagent, kommt CSI Jerusalem und kommt zu uns und sagt, lass ihn gehen, ich biete mich an. Ich bin ein viel besseres, viel bessere Geisel und so. Lass sie alle frei. Und in dem Moment, wo wir befreit werden, kommt er ganz nah zu uns und flüstert. Und so geht jetzt die nächste Lutherstrophe. Wir hören das jetzt mal so Geisel,
kurz vor der Befreiung. Der Jesus als Geheimagent flüstert uns zu. Er sprach zu mir, halt dich an mich. Es soll dir jetzt gelingen. Ich gebe mich selber ganz für dich. Da will ich für dich ringen, denn ich bin dein und du bist mein und wo ich bleib, da sollst du sein und soll der Feind nicht scheiden. So und wir sind frei und der Teufel jubelt und Jesus zack. So, niemals, niemals wirst du mich besiegen und Geiselbefreiung und den Teufel besiegen. Und diese Grundidee, die wird irgendwie immer weiter gestrickt. Wer kennt CS Lewis Narnia, der König von Narnia? Joa, ist die Mehrheit, die satte Mehrheit und die Geschichte hat große Zukunft. Vielleicht habt ihr gehört, Netflix hat sich Narnia gekrallt. Panik bei Netflix. Amazon hat den Herrn der Ringe. Disney
hat fast alles. Da musst du Netflix zusehen. Narnia kommt bei Netflix nochmal richtig groß. Das gönne ich auch allen und Aslan zumal und Lucy gönne ich auch. Super. So und wer das kennt, das sind ja offenbar viele. Der König von Narnia. Ganze Geschichte brauchen wir jetzt nicht. Eine Tür tut sich auf, eine Kindergruppe ist in einer anderen Welt, wie das so ist und so. Gute und böse, sprechende Tiere, gute heldenhafte Löwen, alles super. Und ein Junge heißt Edmund. Der macht einen Fehler, weil der wird ein bisschen freundlich angesprochen von so einer Frau und der hat irgendwie ein bisschen Eifersucht und Neid und Geschwister und ich bin Einzelkind, ich habe keine Ahnung, aber meine Kinder sagen mir, mit Geschwistern ist nicht immer leicht. So, glaubt jetzt mal, also der Edmund würde sagen, ist nicht immer leicht und so. Und als da so eine Frau geschlichen kommt und in honigsüßen Worten ihm irgendwie was sagt oder so, da hat er eine schwache Stunde, er macht Sachen, könnte man sagen, die falsch sind. So ja und dann aber es kommt alles anscheinend
auf einem guten Weg und man kommt zu einem Löwen namens Aslan. Jeder merkt, der meinem Kinder Gottesdienst war, der ist ein bisschen Jesus mäßig. Irgendwie komme ich auf die Idee, der ist ein bisschen Jesus mäßig und dann sonst wie. Und dann wirkt das so nach verfrühtem Happy End und so. Und auf einmal sind die Kinder und Aslan und alle haben sich gefunden in dieser Welt, kommt die Hexe angeschlichen und sagt zu Aslan, dieser Junge gehört mir. Wie, warum? Ja, der hat was getan, so dass er mir im Grunde gehört. Und Edmund ist ein Schnüttchen und es ist wahr und die Tränen kommen ihm und da ist wirklich was dran. So und die Kinder gucken Aslan an und sagen, du kannst jetzt in Stücke reißen oder so und die Party geht weiter. Aber Aslan hat inzwischen reichlich Melancholie, weil er sagt, es ist wahr, Edmund hat Dinge getan, die gegen die Ordnung,
gegen die Gerechtigkeit waren, die nicht gut waren. Und diese Hexe hat ein Recht auf ihn. Er gehört ihr. Aber sie soll ihn nicht bekommen, denn ich gebe mich als Lösegeld für diesen Jungen. So und dann holt sie dämonische Tiere und Mächte und so weiter und dann schleppt sie Aslan ab und dann wird er gefoltert und er wird geschoren und gequält und jubelt und am Ende bringt ihn die Hexe um und explodiert fast vor Glück und glaubt, jetzt hat sie es geschafft und dann das Ganze. Also du kannst Aslan nicht umbringen. So er ist zu stark und die Hexe reingelegt worden, betrogen. Im Grunde eine große narrative Darstellung dieser alten Geschichte vom Teufels trug. Und funktioniert irgendwie. Man lernt das Tier lieben. Also man sagt Sonnenlobe, also unsichtbaren Freund hatte ich auch mal, aber der hält keinen Vergleich aus mit Aslan. Das ist die Krönung.
Nur eine ganz schlichte Frage. Stimmt das denn? Also ist das das, was in der Bibel steht? Ist es das? Ist das die ewige, allzeit gültige, eine biblische Lehre in allen biblischen Büchern, wie wir sie auch jeden Sonntag in der Kirche gepredigt hören? Ich glaube, die meisten ahnen es. Nee, ist es nicht. Gar nicht. Es ist nirgendwo, nirgendwo gibt es auch nur zwei, drei Verse am Stück, die diesen Erzählbogen darstellen. Und wir sehen, was ist hier passiert? Hier sind eine Reihe von Aussagen, eine zweistellige Anzahl von biblischen Aussagen, Motiven, Bilder, Metaphern, die sind genommen worden. Und daraus wurde eine vereinheitlichte Theorie gebaut. So und diese vereinheitlichte Theorie als solche gibt es nirgendwo in der Bibel. Es gibt die Versatzstücke, nicht alle. Und dann ist das so, wie unser Gehirn das tut. Also wir
kennen das alles, Buchstaben, Salat an der Tafel oder so. Und schon sehen wir da Worte. Zack, zack, zack. Die stehen da gar nicht. Aber wir ergänzen das im Kopf. So ist das mit diesen Bausteinen auch passiert. Wer war der erste, der klar und deutlich und gründlich gesagt hat, ich will nicht nerven, aber es steht so nicht in der Bibel. Das gibt es gar nicht so. Derjenige, der diese Lehre, sagen wir mal, endgültig entthront hat oder destabilisiert hat oder ihr mindestens die Pole-Position streitig gemacht hat, das ist der frühmittelalterliche Theologe Anselm von Canterbury. Jetzt ist der Name gefallen, der wird uns ein bisschen begleiten. Anselm von Canterbury, ein Theologe, der für viele theologische Gedankenansätze sehr wichtig ist, Ende des 11. Jahrhunderts. Zu der Zeit, wo die Kreuzzüge beginnen, ist das sehr, sehr, sehr lange Zeit her. Der hat das erste große klassische Werk über diese Frage
verfasst, Jesu Kreuzestod. Sie heißt noch sehr interessant, diese Abhandlung. Sie heißt Kur Deus Homo. Warum wurde Gott Mensch? Und das ist ein Gamechanger. Es gibt kaum ein so zentrales Werk in der Theologiegeschichte, denn der Titel nimmt noch die ganze Logik des ersten Jahrtausends auf, Kur Deus Homo. Warum wurde Gott Mensch? Darum hat es sich tausend Jahre gedreht und die ganze Antwort des Buches aber ist im Grunde, um für uns zu sterben, um sein Leben am Kreuz für uns zu opfern und das ist eine totale Wasserscheide. Von da an tritt die Inkarnation, die Menschwerdung, alles was damit zusammenhängt, zurück. Man leugnet das nicht, man sagt alles super, die Väter waren heilige Läutchen und so, aber mehr und mehr wird zentral Kreuz. Sühne, Stellvertretung, Versöhnung, all solche Wörter, für die es oft in den alten
Debatten gar kein Äquivalent gibt. Man hat das gar nicht so diskutiert. All die genannten waren nicht das große Thema. So, diesen Anselm, den müssen wir uns jetzt ein bisschen anschauen. Dieser Anselm, wer kennt den? Also die meisten normalen Menschen würden sagen, haben ihn noch nie gehört. Leute, die so ein bisschen stärker in den Sog des Christentums geraten haben den Namen schon mal gehört, die meisten mit einem kritischen Unterton. Der hat heute einen etwas problematischen Ruf. Viele werfen ihm das heute vor, dass er dem Christentum diese radikale Wende gegeben hat hin auf Sühne, Stellvertretung, Kreuzes Tod, Opfer und so und sind da irgendwie unzufrieden. Darum das erste schon auch noch mal sehen. Anselm ist unzufrieden mit dieser ganzen Teufels-Deal-Idee.
So diese Vorstellung, dass im Grunde die Welt zwei Herren hat, Gott und der Teufel und da laufen Deals und da laufen Hinterzimmerabsprachen und da muss man da verhandeln und dann ist der Teufel so mächtig, dass man ihn nur mit List und Betrug irgendwie reinlegt und der Kampf setzt sich fort auf den Rücken der Schwächsten, die er doch noch erwischt und so. Es ist so dualistisch. So eine bipolare Welt, wo der Teufel nicht ganz, aber in der Nähe von Augenhöhe mit Gottes und das sind alles Sachen, wo Anselm sagt, Leute, der Teufel hat kein Recht auf gar nichts. Was ist das denn für eine Vorstellung, dass Gott zum Teufel kommt und sagt, gib mir meine Geschöpfe wieder und er sagt, nö, die gehören mir, da habe ich ein Recht drauf und Gott sagt, ach so, schade. Was ist das für eine Welt. Das ist im Grunde etwas, was Anselm mit diesem Buch auch klärt. So geht es einfach nicht. Eine solche dualistische Konzeption ist irgendwie in der Gotteslehre und in vielerlei Hinsicht völlig
unzureichend. So, was setzt Anselm an die Stelle dieser Teufels Betrugstheorie? Es gibt manche, die sagen, ja, aber was der gesagt hat, könnte man so zusammenfassen. Jesus Christus ist zu einem Opfer gemacht worden, um einen zornigen Gott zu beschwichtigen. Er habe am Kreuz ein unschuldiges Opfer als unschuldiges Opfer die Strafe für die Verbrechen anderer bezahlt zur Sühnung eines gestrenken Gottes. Hat das schon mal jemand so gehört von euch, so ähnlich? Es nicken sehr viele und sagen ja, ich lese noch mal vor. Jesus Christus sei zu einem Opfer gemacht worden, um einen zornigen Gott zu beschwichtigen. Er habe am Kreuz sich selbst als unschuldiges Opfer für die Strafe als Strafe für die Verbrechen der anderen gemacht, um einen gestrenken Gott zu sühnen. Das hat Anselm nicht gelernt. Das hat er einfach so nicht gelernt. Was er gelernt hat, ist nicht
unproblematisch. Darum dreht sich dieser Vortrag hier. Aber das hier, das ist nicht mal problematisch. Das ist gar nichts. Das, was ich hier gerade, ich habe das ja vorgelesen, ich habe das vorgelesen als Zitat aus dem Buch des evangelikalen Theologen John Stott. John Stott war der bedeutendste evangelikale Theologe des 20. Jahrhunderts, wer diese Zähne kennt, wird den Namen mal gehört haben. Sehr bedeutsam. Lausanne 74, John Stott ist die Autorität schlechthin. Er hat ein großes Buch geschrieben über das Kreuz, das Kreuz Jesu, in vielen Sprachen, auch in Deutsch, mit großem Belobing. Das war Zitat aus diesem Buch von John Stott. Und John Stott erzählt das so und dann sagt er dazu, das, was ich gerade vorgelesen habe, sind heidnische Vorstellungen von Sühnungen, überzogen mit einem nur hauchdünnen christlichen Furnier. Und er hoffe, dass es kaum jemanden gibt,
der so etwas Furchtbares denkt. Dass einige von euch genickt haben und ja gesagt haben, macht mich ein bisschen ratlos. Weil das ist nicht mal konservativ. Das ist nur daneben. Das ist ganz, ganz jenseits von allem. Das ist auch nicht evangelikal. Das ist richtig Kult. Das ist was ganz, ganz Merkwürdiges. Also was Ansel nicht gelehrt, nicht vertreten, nicht geschrieben hat und auch sonst keiner, der irgendwie in seiner Nachfolge stand, ist die Vorstellung, dass Gott so wütend und so zornig ist und eine Stimme in ihm flüstert, ich würde gerne vergeben, ich würde gerne vergeben. Aber die lautere Stimme sagt, ich kann nicht vergeben. Ich muss meinen Zorn ausagieren. Ich muss besänftigt werden und alle gucken verzweifelt in die Runde, bis Jesus seufzt und sagt, okay, ich opfer mich. Und so. Hauptsache, dass Gott Rache nimmt und Vergeltung
und dass er seinen Zorn ausagiert. Wenn er seinen Zorn nicht ausagiert, wenn er den nicht los wird, dann kann er nicht mehr lieb werden. Das ist überhaupt, das ist unchristlich oder antichristlich oder gar nichts. Das hat nichts mit Anselm zu tun und das lehrt auch kein seriöser konservativer Theologe. Man sollte Anselm nicht unterstellen, sowas gelehrt zu haben. Das hat er nicht. Jetzt machen wir uns ein bisschen mehr klar, was hat er denn dann gelehrt? Warum habe ich das schon mal so gehört? Ja, man schreibt es ihm manchmal nämlich zu. Also das man kann da googeln, Anselm, Kreuz, Blut und so. Und da sagt man Anselm von Canterbury, Mittelalter, furchtbar und so. Der hat da Menschen Opfer. Gott muss besänftigt werden wie ein Moloch und so. Aber nein, das ist wirklich weit, weit entfernt von dem, was Anselm wirklich geschrieben hat. Was hat er geschrieben? Auch kurz gefasst. Also wir reden jetzt hier von einem Buch, nicht von einem kurzen Podcast oder kurz gefasst ein Buch. Was hat er geschrieben? Wahr ist, Anselm sieht Gott in einem Dilemma. Und das
Dilemma ist dies. Gott ist der Schöpfer der Menschen. Und die große Idee war, Menschen zu schaffen aus Liebe und in Liebe, als Gegenüber, als Partner, als Menschen, die Gott in Dankbarkeit und Vertrauen und Liebe gegenüberstehen und dazu nicht gezwungen werden, keinen Marionetten. Das war der Plan. Und die Menschen sind gefallen. Sie haben sich von Gott abgewandt. Sie haben sich voneinander abgewandt. Sie sind schuldig geworden. Und Gott sieht es und er ist traurig und er ist zerrissen, weil er wirklich in einem Dilemma ist. Er sieht, dass die Menschen ihr Leben zerstören. Er sieht, dass sie den Folgen ihres eigenen Handelns verfallen. Und gleichzeitig möchte er sie erlösen, möchte er sie in irgendeiner Form retten. Und in dieser Situation kein Teufel als Gegenüber,
nichts. Kein Deal, keine Geschäfte, keine CSI-Befreiungsaktion. Nein, Gott allein handelt und sagt, ich will die Menschen trotzdem retten. Ich will mich ihrer erbahmen. Ich will sie erlösen. Ich will sie aus Liebe in irgendeiner Weise retten und versöhnen. Jetzt könnte man sagen, ja, mach mal. Mach mal, dann sag ich verzeih euch. So, und dann sagt aber Anselm, Gott ist gerecht und er meint es nicht so, wie es in schlechten Theorien ist, so als hätte Gott zwei völlig unterschiedliche Seelenanteilen, als hätte er so ein Dr. Jekyll und Mr. Hyde Problem. Das hat Gott nicht. Das ist nicht Gottes Problem, dass er Good Cop und Bad Cop in einer Person ist. Das ist alles überhaupt nicht das Ding. Nein, Gott ist gerecht und Gerechtigkeit steht natürlich in vollem
Einklang mit Liebe. Ungerechtigkeit steht im Gegensatz zu Liebe, nicht Gerechtigkeit. Wenn ich in einem Bereich, für den ich mich zuständig weiß, Eltern, Lehrer, wenn ich da Ungerechtigkeit sehe und sage, ich verzeihe euch oder so, dann ist das nicht liebevoll. Nicht für denjenigen, der an der Ungerechtigkeit leidet. Also es gibt keinen Gegensatz zwischen Gerechtigkeit und Liebe. Das ist nicht das Problem. Aber Gerechtigkeit steht schlicht für eine Ordnung, dass alles Tun, so oder so seine Konsequenz hat. Und wenn ich jemandem 10 Euro stehle und ich merke, das war ungerecht, dann kann ich nicht sagen, das war ungerecht, tut mir leid und von den 10 Euro essen gehen. Das ist nicht das Ding. Also muss ich schon wieder gut machen. Doch normal. Also mit so einer Logik arbeitet Ansel. Man geht davon aus, Gott hat eine Gerechtigkeit Ordnung gesetzt, eine Wohlordnung.
Das ist sein Wille und sein Wille ist gut und sein Wille ist den Einklang mit der Liebe. Überhaupt keine Spannung, überhaupt kein inneren Tumult bei Gott. Aber die schlichte Logik ist auch, alles hat seine Konsequenzen und diese Konsequenzen werden vollzogen und alles negative Bedarf eines Ausgleichs, einer Wiedergutmachung. Ansel hat das mit einem Gedanken zusammengebracht, der heute besonders unsympathisch wirkt. Er hat auch gesagt, die besondere Schwere der Schuld bei den Menschen ist darin begründet, dass sie durch ihre Sünde Gott in seiner Ehre verletzt haben. Auch das ist manchmal dem Anselm sehr zum Nachteil ausgelegt worden. Man sagte dann, ja, er hat Gott als beleidigte Leberwurst geschildert, der empört ist und gekränkt und beleidigt und so nicht verzeihen kann, weil er so in seiner Ehre gekränkt ist. Auch das ist nicht Anselm. Anselm unterscheidet
sehr genau zwischen der Ehre, die Gott in sich selbst hat, seiner ewigen göttlichen himmlischen Ehre, die können wir überhaupt nicht verletzen. So und der Ehre, die ihm auf Erden zukommt, die Ererbietung. Und das ist jetzt ein sehr spezifischer frühmittelalterlicher lateinisch germanischer Gedanke. Die Anerkennung der Ehre von Amtsfiguren ist schlechthin entscheidend, um die soziale Ordnung einer Gesellschaft zu bewahren. Damit ist gemeint, die Anerkennung einer Ehre des Polizisten oder Richters oder Lehrer oder Mutter oder Vater oder was auch immer. Wenn du die Ehre eines Menschen nicht respektierst, wenn du deine Mutter unfletig beleidigst und verschmähst und verspottest, dann richtest du erheblichen Schaden an. So kannst du nicht sagen,
ich habe da fast nichts gemacht, ich habe da hier keinen umgebracht und nichts geklaut und so. Die Verletzung der Ehre ist extrem gewichtig in dieser Kultur, wurde sehr hochtaxiert, weil wenn die Ehre eines Menschen nicht mehr intakt ist, ist das etwas, wo die gesamte Wohlordnung der Gesellschaft dran leidet. Das ist sehr zeitspezifisch. Ansonsten geht es also nicht darum, dass Gott als Privatperson so total beleidigt ist und auf Rache sind und sagt, ich muss strafen, ich muss zuschlagen, ich muss, das war ich so gar nicht. Gott sieht, wenn seine Ehre auf Erden nicht respektiert ist, dann ist die Gültigkeit der Gerechtigkeitsordnung insgesamt fragwürdig geworden. Ja und wem schadet so was? So was schadet den Schwachen. Den Schwachen schadet das. Die Starken kommen immer gut damit klar, dass internationale Gerichtshöfe nicht geehrt werden. Nehmen wir das für heutige Beispiele.
Internationale Gesetze, internationale Gerichtshöfe, internationale, was weiß ich, Menschenrechtskonventionen, wenn so etwas nicht in Ehren gehalten wird, wenn man darüber spottet und sagt so ein Blödsinn und so, dann ist das immer etwas, wo die Starken von profitieren und die Schwachen leiden daran. Und in diesem Sinne geht es Gott durchaus auch um seine Ehre im Sinne, dass die Gerechtigkeitsordnung der Welt daran hängt. So und in dieser Situation hat Gott seinen Liebeswillen, die Menschen zu retten. Aber er sieht auch ganz realistisch, es ist viel kaputt gemacht worden. Viel Gewalt, viel Lüge, viel Unrecht, viel vergreifen. Es ist sehr viel kaputt gemacht worden. Und da kann man nicht einfach sagen, schwamm drüber, weil dadurch die Gerechtigkeit
als solche entwertet würde. Und ich empfehle diesen Gedanken tief nachwirken zu lassen. Ich werde gleich viele kritische Punkte auch gegen Anselm haben. Ich mache ihn aber erstmal hier nicht zum Pappkameraden, sondern so stark, wie ich irgendwie kann. So, ich empfehle das mal sehr ernst zu nehmen. Wir sind hier in Tübingen. Württembergerischer Pietismus seit dem 18. Jahrhundert, alle großen Pietisten waren im Grunde Vertreter der Alphasöhnung. So Bengel, Oettinger bis hin zu Blumenhardt, bis hin ins 20. Jahrhundert. Viele große württembergische Pietisten waren für Alphasöhnung. Aber haben die gesagt, alle machen hier, was sie wollen, und am Ende kommen alle in den Himmel, alles gut und so. All die württembergischen Pietisten haben natürlich gesagt, jeder Mensch wird in irgendeiner Weise die Konsequenzen seines Handelns auch noch mal spüren. Wir alle werden vor dem Thron Gottes offenbar. Und das, was wir an Leid zugefügt haben,
wird uns Leid tun. Und überlegt mal, ob ihr da völlig gegen sein könntet. So, jemand, der euch etwas angetan hat und dann der große Schwamm drüber, alles ist vergeben und es tut ihm nicht mal Leid. Er hat nicht im Ansatz ein wenig die schmerzliche Erkenntnis, wie sehr es euch verletzt oder gequält hat. Könnte man das wollen? Ich kenne keinen, also nicht mal irgendeinen Alphasöhnungslehrer, der gesagt hat, doch, ich will überhaupt gar keine Strafe, gar nichts, kein Leid, kein gar nichts. All die haben gesagt, es geht gar nicht anders, dass es uns leidtut. Die Alphasöhnungsvertreter haben nur gesagt, es ist doch völlig ungerecht, zeitliches Böse durch ewige Qual zu beantworten. Das wäre so ungerechtig, das könnte niemals im Gottes Sinne sein. So,
also Anselms Gott hat an dieser Stelle ein ernstes Problem. Liebe und Gerechtigkeit sind kein Gegensatz. Es sind nicht zwei völlig verschiedene Seiten seiner Person, sondern es gehört zusammen und die Gerechtigkeitsordnung und die Liebe zum Einzelnen haben hier einfach in der medizinischen Situation was ganz Konflikthaftes. Denn so Anselm, er sagt, die Menschen können nicht wieder gut tun, was sie getan haben. Was du getan hast, kannst du im letzten nie wieder gut tun. Wenn man sagt, es tut mir leid, du spürst den Schmerz ein wenig selbst, es tut dir leid, aber es ist jetzt auch keine Lösung, wenn du dir das selber auch zufügst und geht das immer weiter und irgendwann sind wir alle weg. Du kannst es nicht richtig wieder gut machen, was du getan hast,
da gibt es gar kein Maß für. Und Anselm sagt, Gott ist in seiner tiefsten Person mit Liebe, er ist Gerechtigkeit und er ist Weisheit. Und in seiner hohen Weisheit hat Gott für dieses Problem eine Lösung gefunden. Denn das Problem ist so, Menschen haben es ja verbockt und Menschen müssten es wieder gut machen oder die Strafe dafür erleiden. Und Gott will nicht, dass sie die Strafe erleiden, weil er sie liebt und sie können es nicht wieder gut machen, weil sie nur Menschen sind. Und wie kriegt man das hin, dass etwas geschieht, was Menschen tun müssen und nur ein Gott tun kann, indem ein Gott Mensch an ihre Stelle tritt und Gottes Liebe gegenüber seinen Geschöpfen ganz und gar verkörpert und durch sein Leiden, durch das Tragen des Todes wieder gut macht,
was Menschen getan haben. Das ist Anselms Theorie im Kern. Satisfaktio heißt Genugtuung wieder gut machen, stellvertretendes Erleiden dessen, was sich die Menschen zugezogen haben durch ihre Sünden. Und weil es der Gott Mensch ist, hat sein Leiden so ungeheures Gewicht, dass es Erlösung bedeutet für jeden Menschen, der sich dem nicht verschließt, der sich dem nicht verweigert. Menschen können nichts dazu tun. Niemand muss irgendetwas dazu tun. Es wird angeboten, es wird verkündigt, es wird in der Taufe ausgeteilt, in den Sakramenten. Und wer sich dem nicht verschließt und verweigert, dem ist dieser unendliche Reichtum der Liebe Gottes erschlossen und der ist mit Gott versöhnt und wieder Gottes Kind. So, Anselm von Canterbury. Ich habe mir Mühe gegeben, das so stark wie
möglich zu machen, Pappkameraden aufzustellen und die dann abzuwatschen. Also wer Spaß hat, okay, aber ich finde es nicht so erquicklich. Jetzt haben wir, finde ich, etwas im Raum, wo ihr hoffentlich merkt, das ist jetzt nicht unseriös oder so. Das ist 11. Jahrhundert. Da ist wirklich jemand was überlegt und man könnte jetzt viele Bibelstellen und so dazu. Wir müssen nur gucken. Ihr kennt sie, ihr wisst sie, ihr macht euch Gedanken dazu. Ja, ist es das jetzt? Jetzt könnte man sagen, okay, ich habe immer gedacht, ich glaube an die Lehre vom Kreuz des Todes im Christentum, die seit 2000 Jahren von allen Christen gelehrt wurde. Jetzt sehe ich, vielleicht habe ich mich echt verdammt, vielleicht sind es nur 1000 Jahre, aber immerhin, da bin ich dabei. 1000 Jahre ist ja jetzt auch schon wirklich schön, also ist das jetzt die Lösung. So, jetzt fange ich an mit Anselm ein wenig ins Gespräch zu kommen und möchte es so machen.
Man muss sich ja klar machen, was hat Anselm getan? Er hat die erste umfassende, relativ geschlossene Theorie entwickelt, die erklären möchte, dieses biblische Dei, dieses Muss, warum musste Jesus sterben? Das ist in dieser Form wirklich der erste große Wurf und an dem hat man sich lange abgearbeitet. Wo genau kann man das in der Bibel noch mal so schön nachlesen, wie ich es gerade erklärt habe? So, also je besser die Bibelkenntnis bei euch ist, desto eher habt ihr das Gefühl, man kann verstehen, wie man auf die Ideen kommt, aber so richtig wüsste man jetzt nicht so irgendeinen Abschnitt, wo das komplett steht. Nee, das ist so nicht. Und es ist aber jetzt eine ganz komplizierte Kiste und meine These wird jetzt sein, es wiederholt sich eigentlich
das, was wir beim Teufelsbetrug schon kennengelernt haben. Da ist eine Theorie und die ist irgendwie rund und die ist rational und die ist umfassend und in diese Theorie sind lauter Bibelstellen eingebaut, ganz viele und alles ist jetzt da irgendwie drin, so gestorben für unsere Sünden und Loskauf und Sühne und all diese ganzen Sachen haben wir jetzt und die Behauptung ist, diese ganzen vielen Bibelstellen lehren diese Theorie. So ist es nicht. Diese Theorie sammelt die ganzen Bibelstellen ein. Sie ist im Grunde eine konstruktive, neue, innovative Entwicklung, eine Theorie, die es so 1000 Jahre vorher nicht gegeben hat, die man so in der Bibel auch nicht findet. Und da steckt schon auch ein Problem drin. Wenn du diese Theorie erst mal kaufst, dann wirst du in der Bibel immer alles hinlesen auf diese Theorie und du wirst ständig Verse
finden, wo du das Gefühl hast, deine Theorie wird bestätigt. Du wirst aber auch ganz viele Verse überlesen. Du hast dann eine Brille auf und du läufst mit dieser Brille durch die Bibel und du machst immer lauter Likes, wo du es findest und andere Sachen siehst du nicht. Du wirst dir die Bibel radikal verarmen durch den Willen zur Lehre, durch den Willen zur Theorie, dass du das möglichst geschlossen hast. Und das wirft Probleme auf. So, ich halte jetzt hier mal was hoch. Die jenigen, die das jetzt im Podcast hören oder nur akustisch vor Ohren haben, ich halte jetzt hier gerade einen bunten Blumenstrauß hoch. Die ersten lachen. Dass das ein bunter Blumenstrauß ist, sieht man nur im Glauben. Das ist ja klar. Wer das auf YouTube sieht, das ist schon ein Glaubenstest.
Also die Gläubigen sehen jetzt einen bunten Blumenstrauß. Na gucken, ob das passt bis zum Ende des Vortrags und ihr Podcast denkt euch ein, denkt euch, viel schöner vielleicht als ich in der Hand habe. Also ich habe hier einen bunten Blumenstrauß und ich möchte diesen bunten Blumenstrauß jetzt einfach mal hier als Metapher einführen. Was finden wir in der Bibel? Was finden wir da wirklich? Ich finde ja, das Niceno Constantinopolitanum, weil es so schön war, das Niceno Constantinopolitanum macht das richtig gut. Denn was ist da die Botschaft? Die Botschaft ist Gott für uns, Jesus für uns, Jesus zu unserem Heil. Das sind die großen Bekenntnisse und guckt euch an Luthers kleinen Katechismus zu Jesus Christus, guckt euch Heidelberger Katechismus an. Es ist immer dieses Jesus für uns. Es geht um eine Botschaft der Liebe. Es geht um eine
Botschaft der radikalen Barmherzigkeit. Es geht um eine Liebeserklärung. Es geht darum, was man manchmal mit einem Blumenstrauß ausdrückt. Ein großes für dich, ein großes Ja. Und das findet man mit fast jeder Brille im Neuen Testament auf fast jeder Seite. Und das findet man aber so bunt wie diesen Blumenstrauß. Also für die, die es im Glauben sehen natürlich. So bunt wie dieser Blumenstrauß im Glauben betrachtet. So bunt ist das. Ganz unterschiedliche Blumen, ganz unterschiedliche Farben, ganz unterschiedliche Größen. So, so findet man es im Neuen Testament. Keine große vereinheitlichte Theorie. Und das halte ich für wesentlich. Ich halte es für wesentlich, diese Fülle und diesen Reichtum offen und bereit zu halten. Und nicht das hier quasi als so einen
Ikea-Karton betrachten und sagen, ich muss jetzt daraus ein Blumenbouquet basteln. Ich muss jetzt da irgendeine Formation bringen, weil so ist es Rohmaterial. So ist es reiner Bastelstoff. So kann man damit nichts anfangen. Man muss aus diesen Blumen jetzt richtig was basteln. Etwas mit Ecken und Kanten. So etwas Theorieförmiges. Denn das passiert. In diesen beiden Theorieeinwürfen wurden im Grunde manche Blumen rausgenommen und dann wurden sie geknickt und gebogen und geknotet und gerungen. Und dann hatte man was rundes oder eckiges oder kantiges. Man hatte eine ganz klare Form. Und manche Blumen hat man einfach fallen lassen, manche irgendwie Blüten abgerissen und den Stängel verknotet und irgendwie und vieles fällt dann einfach unter dem Tisch. Und das ist eine ungeheure Verarmung. Es scheint offenbar manchen Menschen leichter zu fallen, Theorien zuzustimmen als Liebe anzunehmen. Ich sage das als sehr großer Theorienliebhaber. Ich
verdiene meine Brötchen mit Theorien. Theorien sind präzise. Theorien sind griffig. Sie haben geklärte Vokabeln und all die sind kohärent. Und Theorien können auch eine große Verführung sein. All das, was eine Theorie leistet an Griffigkeit und Durchsichtigkeit und so weiter, bezahlt man manchmal mit Lebensfernen. Bezahlt man damit, dass man der bunten Fülle des Lebens manchmal nicht mehr gerecht wird. Und das ist hier der Fall. Und ich möchte jetzt hier eine Gewinn- und Verlustrechnung ein wenig durchführen. Anselm hat schon wirklich was geleistet. Also man sollte ihn hier nicht als Prügelknaben irgendwie durchführen durch die neuere Theologiegeschichte. Das hat er nicht verdient. Alle, die das mal wirklich das ganze Buch gelesen haben,
werden sich eines gewissen Respekts nicht erwehren können. Und er hat eine problematische Entwicklung angestoßen, eine sehr problematische. Diese Entwicklung wurde noch problematischer durch Anselms Rezeption in der Reformationszeit. In der Reformationszeit, müssen wir nämlich sehen, Anselm war, ich sag mal, Marktführer für Erklärungsansätze Kreuzes Tod Jesu. Bei allen mittelalterlichen scholastischen Summen, Theologien hat man sich auf Anselm bezogen. Das war keine Frage, das haben alle gemacht. Und man hat aber auch ältere Modelle und dies und das und so mit geschleppt. In der Reformationszeit, Luther vor allem Calvin, findet nochmal eine ziemliche Konzentration statt. Worauf? Eine Konzentration auf das stellvertretende Strafleiden Christi. Wir sind so ein bisschen in der Nähe von Anselm. Man muss aber sehen, dass die Reformatoren Anselm
hier nochmal radikalisieren. An welcher Stelle? So, dass sie also bei Anselm ist im Grunde der entscheidende Punkt, dass Jesus sein Leben gibt an unserer Stelle. Das ist entscheidend. Er gibt sein Leben für uns. Und in der Reformation wird das aber ausgebaut. Wir haben nun 500 Jahre erlebt und wer die Kunstgeschichte so ein bisschen kennt, alte Bilder von Christus, der hängt da nicht elend am Kreuz, der schwebt mehr so wie ein auferstandener König über der Welt. Und im Spätmittelalter wird der gekreuzigte Christus immer niedriger, elender, grausamer zugerichtet. Wer mal in Colmar war, Isenheimer Altar, da ist man schon so ziemlich am absoluten Extrem von Elend und Grausam und so gefoltert sein. Und das war in der gesamten Frömmigkeit eine Entwicklung, den Schmerz und
das Leid Jesu immer drastischer sich auszumalen. Und für die Reformatoren war das eine entscheidende Einsicht oder Botschaft. Christus hat am Kreuz unsere Strafe getragen. Er hat am Kreuz das erlitten, was wir verdient haben. Und Kontext, Kontext, Kontext. Die Reformatoren haben diesen Gedanken ausgebaut in einer Zeit extremer Strafangst, extremer Höllenangst. Luther, der frühe Luther wurde vor Höllenangst fast wahnsinnig. Und es ging vielen so in einer Zeit extremer Strafangst, ungeheurer Höllenangst. War es für viele wahnsinnig befreiend, die Botschaft zu hören. Hab keine Angst vor dieser höllischen Strafe, denn Christus hat sie an deiner Stelle erlitten. Das war eine befreiende Botschaft, genau hineingezielt in Menschen mit
extremer Straf- und Höllenangst. Und das hat man immer weiter ausgebaut. Heidelberger Katholikismus, vielleicht haben wir Reformierte unter uns oder jemand hat das mal gehört. Heidelberger Katholikismus macht das zum Beispiel bei der Höllenfahrt Christi deutlich. Da ist die Frage nicht, was bedeutet, dass Christus zur Hölle gefahren ist. Jetzt muss man sehen, Reformierte und Lutheraner glauben da unterschiedliche Dinge. Das wissen, glaube ich, gar nicht viele. Die sind abgestiegen in das Reich des Todes im Glaubensbekenntnis. Wenn man Leute mal verwirren will, muss man sie fragen, wie verstehst du das eigentlich? Lutherisch oder reformiert? Müsste mal probieren. Die Lutheraner verstehen nämlich unter ihn abgestiegen in das Reich des Todes, dass da die Auferstehung beginnt und Christus anfängt, die Hölle zu plündern. Er ist eigentlich durch und jetzt geht er dahin und räumt auf und holt da die alten Erzväter und so ans Tageslicht. So ein bisschen aber ist man
sich nicht ganz sicher. Aber Luther kann das so auslegen. Die Kalvinisten glauben nicht, dass so was passiert ist. Die sind da zu humanistisch für. Die entmythologisieren das, machen die ganz heimlich. Nein, und sagen der Ausdruck niedergefahren zur Hölle bezieht sich für sie symbolisch auf die Kreuzigung Jesu. Und im Heidelberger Katholikismus heißt es, was glaubst du, warum ist Christus zur Hölle niedergefahren? Antwort, dass ich auch in meinen furchtbarsten Anfechtungen vergewissert bin, dass mein Herr Jesus Christus durch seine unaussprechliche Angst und Schmerzen meine Angst und Pein getragen hat. Radikale Zuspitzung. Jesus geht am Kreuz durch die Hölle und alles, was er leidet, die Geißelung. Und das ist nicht mal Peitschenhiebe. Das ist extrem brutal. Die
Geißelung, die Kreuzigung, diese grauenhafte, entwürdigende Folter, an der du zerbrechen sollst. Und dann kommt noch obendrauf die Gottesfinsternis. Dass Jesus betet, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Das legen die Reformatoren oft so aus. Jesus wird nicht nur in die Hand seiner Feinde gelegt. Selbst Gott zieht sich zurück. Gott wird zum Mega-Dementor für alle, die Harry Potter kennen. Gott zieht sich zurück und er saugt aus Jesus allen Trost, alle Freude, alle Gewissheit, alles raus. Und Jesus wird in die tiefste Hölle gestürzt. Und dieses mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ist ein unendliches Schmerz, ein unendliches inneres seelisches Leiden, grauenhafter Angst, entsetzlicher Schmerz am Körper und viel schlimmer noch in der Seele. Und darin trägt Jesus
deine Schuld und erleidet deine Strafe. So, und das war, Luther kann sagen, süßes Evangelium für alle, die in schrecklichsten Anfechtungen sind, die so etwas erleiden. Ich mache Mut, wenn man kann, wenn man durch solche Gedanken nicht zu getriggert ist, sich da hinein zu vorsetzen. Könnt ihr euch das vorstellen, dass das für Menschen ein zutiefst tröstlicher Gedanke ist? Auch gerade betroffen in Verzweiflung und Angst und Leere und dann sich das so klar zu machen, Jesus tritt an meine Seite. Und alles, was ich erleide und je erlitten habe und was immer kommen mag, hat Jesus für mich getragen und er trägt es mit mir. Und ich kann mich jetzt an ihn klammern und er wird mich herausreißen, so gewiss wie er auferstanden ist. So gewiss wird er mich aus dieser höllischen Leere und Verzweiflung heraus befreien. Natürlich ist das ein ungeheuer kräftiger und tröstlicher Gedanke für alle,
die in dieser Straf- und Höllenangst sich befinden. Was ist dann aber die Folge? Ist die Folge dann die, dass du ständig Menschen so erziehen musst, dass sie solche Höllenangst erleben, damit Jesus ihnen helfen kann? Ich fürchte, das hat man manchmal so gedacht und gar nicht selten so gemacht. Und da wird es aber komisch. Wenn das die Lehre ist, wenn das die Konsequenzen dieser Lehre sind, das heißt, wir müssen alle so erziehen, dass sie in solcher Strafangst kommen, sonst kann Jesus sie ja gar nicht trösten. Da stimmt dann irgendwie was nicht. Und an der Stelle muss man ja auch sagen, das mit der Höllenfahrt ist nicht biblisch. Kalvinisten können sich sowas gar nicht vorstellen, aber es ist nicht biblisch, diese Idee. So, das sind einfach tröstliche Innovationen, die man in
seelsorgerliche Ausnahmezeitalter hat. Aber zu sagen, das ist jetzt ewige Lehre und das steht da in der Bibel und das müssen wir so lehren und wir müssen alle Menschen auch dahin kriegen, ist einfach nicht der Fall. Wo liegt das Problem? Das Problem liegt da, dass hier aus dem bunten Blumenstrauß im Grunde versucht wurde, eine einfarbige, geschlossene, eckige oder kantige Theorie zu machen und alles andere fiel weg. Und ich möchte jetzt ein paar Probleme benennen dieser juristischen, juridischen Satisfaktionslehre. Oh, das könnte jetzt sehr lang werden, aber ich werde dann mit der Zeit schneller werden. Also man könnte jetzt da viele Probleme nennen. Ich nenne jetzt erst mal das erste. Der erste wirkliche Fehlgriff ist, dass man glaubt, mit dieser juridischen, diesem juridischen Rahmen alles einfach adoptieren zu können, was in der Bibel
mit Opfern, mit Sühne zu tun hat. Das war lange in der Kirchengeschichte. Ganz lange dachte man, ja, Opfer und Sühne und das Slamm Gottes, das der Sünde der Welt trägt und der hohe Priester, der sich das alles ansäen. Da sind tausende von Belege. Die ganze Bibel überall steht im Grunde unsere wunderbare Lehre. Der ganze Opferkult ist im Grunde Darstellung, was wir gerade hatten. Das ist überhaupt nicht so, überhaupt nicht so. Und das sind Sachen, die man erst in den letzten 50 Jahren der Exegese besser und besser und genauer und klarer herausgestellt hat. Der Opferkult in Israel ist viel komplexer. Die einzelnen Modelle, die einzelnen Opferformen sind ganz unterschiedlich. An der Stelle auch grundsätzlich mal die Kombination konservativ und biblisch. Das haut nicht gut hin. Da muss man sich entscheiden. Wenn man konservativ möglichst etwas denken will,
was mindestens tausend Jahre alt ist, dann sollte man nicht so oft in der Bibel lesen. Man wird nur verwirrt. Ist nicht gut. Und wenn man Bibel viel liest, muss man damit rechnen, dass man ständig auf neue Gedanken kommt, ständig neue Entwicklungen. Man kann nicht gut konservativ und biblisch sein. Da muss man sich ein bisschen entscheiden. Ich entscheide mich für biblisch, muss ich sagen. Also man kann wahnsinnig viel lernen über Sühne und Opfer im Alten und im Neuen Testament. Das ist alles überhaupt nicht abgedeckt mit dem, was der Ansatz tut. Ich habe jetzt nicht die Profession, das auch nur ansatzweise so schön zu erklären, wie es sein müsste. Man bräuchte hier mehrere Vorträge von Alt- und Neutestamenten. Ich weise nur darauf hin. Es ist völliger Konsens, dass die biblischen Opfertexte, vor allem im Buch Leviticus, eine signifikant andere Logik haben, als es viele
andere Opferkulte in der Umwelt Israels haben. In vielen Opferkulten gibt es tatsächlich die Vorstellung, dass eine zürnende Gottheit besänftigt wird dadurch, dass man ihr ein Opfer bringt und dann kann sie ihre Wut oder ihr Erbedürfnis oder sonst wie wieder austoben. Also es funktioniert nach dem Mittel, nach dem Motto Do ud des. Ich gebe dir, damit du mir gibst. Das ist in vielen Opferlogiken ein Gesetz. Nicht so in der biblischen Süne Vorstellung. Es ist nicht die Idee, dass da Menschen zum Tempel kommen und Gott etwas geben, um ihn wieder lieb zu machen. Es gibt zwei Stellen, wo das Buch Leviticus ist da spröder, als wir gerne hätten in unserer erklärungswütigen Zeit. Das Buch Leviticus sagt Machen ist tausendmal Erklären. Da ist auch schon was dran. Ein bisschen mehr
Erklärung hätte man sich vielleicht gewünscht. Aber Leviticus beschreibt Mach, Mach, Mach, Mach, Mach. Es gibt ganz wenige Stellen, wo Erklärungsansätze aufblitzen. Leviticus 1017 und Leviticus 1711. Diesen beiden Stellen wird sehr klar formuliert. Der ganze Opferkult, die ganze Süne Möglichkeit ist eine Gabe Gottes an den Sünder. Nicht Menschen versöhnen Gott, sondern Gott versöhnt Menschen. Und der Süne Kult ist eine von Gott gegebener Weg, sich vor Gott einzufinden, sich schuldig zu bekennen und durch Gottes Barmherzigkeit getrennt zu werden von den Tatfolgen der Sphäre, die man sich als Sünder zugesogen hat. Es ist ein Versöhnungshandeln Gottes, ein Befreiungshandeln. Es ist ein Heilshandeln. Und da ist 0,0 bei. Ja, jetzt musst du Gott wieder versöhnen. Der ist sauer, der kocht verbut. Du musst den beschwichtigen. Das
ist überhaupt nicht. Und hier müsste man viele Stellen im Neuen Testament, die kriegt man völlig falsch aufgedröselt, wenn man sie mit einer anselmistischen Brille betrachtet. Das machen gute Exegeten. Ich weise darauf hin. Das ist absoluter Konsens, dass man mit Anselm nicht einfach sagen kann immer Blut, Süne, Lamm, Opfer, alles Anselm. Das ist diese Theorie. Es ist sie nicht, gar nicht. Ein zweites Problem, das war das kultische Problem, das Opferproblem. Das zweite Problem nenne ich das strafteoretische Problem. Das hat es ein bisschen in sich. Wir haben ja gerade gesehen, was macht Anselm? Wenn man ihm wohl will, sagt man, Anselm war ein genialer Theologe, denn er hat eine Fehlstellung in dieser Lehre, eine Jahrhunderte alte korrigiert. Er hat den Teufel als Gegenspieler, Gott sei Dank, macht es. Er hat das Christentum, er hat es rationalisiert. Und
das muss man nicht sofort kritisch hören. Er hat Glaube zu einer vernünftigen Angelegenheit gemacht. Das ist für ihn ein ein wesentliches Anliegen. Gott hat uns den Verstand gegeben zu regem Gebrauch und nicht zu kann weg. So und er sagt, es ist der Ehre Gottes dienlich, wenn wir ihn mit unserem Verstand anbeten. Und da kommt was bei rum. So und so hat er versucht zu erklären. Und da kam er auf diese Theorieform. Und diese Theorieform ist drittens, das wäre die dritte Stärke, höchst kontextsensibel, denn er nimmt die Sprache des lateinisch germanischen Rechtsraums in Anspruch. Das heißt, er kontextualisiert das in die höhere Welt seiner Zeit hinein. Das ist eine extreme Leistung. So und dann müsste man aber sagen, gerade dieser Kontextualisierung Aspekt ist mehr und mehr zu einem Problem angelaufen. Für Anselm war die Alternative in Schuldfragen Strafe und oder Wiedergutmachung. Und Strafe hatte eine ganz schlichte Vergeltungslogik. So,
es wird vergolten. Jemand, der Böses getan hat, kriegt Böses zugefügt. Und das ist eine alte Logik, die ist gerade im Alten Testament nicht überall vorauszusetzen. Das ist im Alten Testament anders. So, das sind mehr die Folgen einer Tat, die auf einen Menschen kommen. So, aber in vielen Bereichen römische Rechtsdenken und so weiter ist schon eine eine Straflogik, die letztlich auf Vergeltung hinausläuft. Das, was du anderen zugefügt hast, wird dir vergolten. Das wirst du mir büßen. Das muss man ganz schlicht sehen. Ab dem 18. Jahrhundert, Vorgeschichte und so weiter, aber im 18. Jahrhundert fängt es an zu kippen. Im 20. Jahrhundert hinein kippt es auf breiter Front. Gibt es eine große Abkehr von dieser Strafidee? Die gibt es schon noch in westlichen
Ländern, aber in den meisten westlichen Ländern, im liberalen aufgeklärten Westen, hält man diese Straflogik für primitiv, für untersittlich. Und man kommt auf die Idee, man möchte fast mit Paulus sagen, es ist für eine Gesellschaft nicht gut, Böses mit Bösen zu überwinden. Das ist an sich nicht gut. Ein Staat sollte sich dem, was er bekämpfen will, nicht gleichstellen. Wir können diejenigen, die gegen die öffentliche Ordnung oponieren, nicht in der Weise bekämpfen, wie sie uns bekämpfen. Es geht nicht. Ein Staat muss sich in seinen tiefsten Grundsätzen selbst humanisieren und Rache und Vergeltung haben im Strafrecht, im modernen Strafrecht, nicht zu suchen. Im modernen Strafrecht ist dieser alte Vergeltungs- und Rachegedanke der Strafe weitgehend kritisiert, marginalisiert, minimiert. Es geht vielleicht nicht ganz weg, aber sehr stark zurückgedrängt.
Strafe in der Moderne bedeutet erstens Abschreckung. Warum haben wir heute noch ein Strafgesetzbuch? Ja, ein funktionierender Rechtsstaat, der Sanktionen verhängt, hat ganz schlicht eine Art Generalprävention. Das Interessante dabei ist ja, nicht grausame Strafen schrecken Menschen von irgendwas ab, sondern Hauptsache, es wird überhaupt eine Strafe vollzogen. Das ist so ein klassischer, grässlicher Irrtum, dass manche Staaten glauben, je schlimmer die Strafe, desto mehr nehmen die Leute sich zusammen. Hilft überhaupt nichts. Je mehr Menschen damit rechnen müssen, erwischt zu werden, desto mehr nehmen die sich auch zusammen. Und da ist aber nicht die Schwere der Strafe entscheidend, aber diese Generalprävention. Du musst mit Konsequenzen rechnen, das ist wesentlich. Dann wird unter Strafe auch verstanden,
Resozialisierung. Das klappt in der Praxis am allerschlechtesten. Darum bleiben wir da nicht so lange, sonst werden wir nur traurig. Aber die Idee wäre, moderne Strafrecht müsste irgendwie ein ganz trauriges Thema. Und drittens schlicht auch Schutz der Bevölkerung. Bei manchen Menschen ist es aus irgendwelchen traurigen Gründen ganz gut, wenn die irgendwie nicht da sind, wo man, egal, das ist alles traurig. So, und wenn man das aber mal verstanden hat und dann von Anselm von Canterbury hört und Leute einen erklären, so ist unser Gott, da ist ein Problem. Das ist ein vormoderter, unaufgeklärter, archaischer Vergeltungsgott. Das ist nicht State of the Art des modernen Strafrechts. Und das ist vor allem auch ein Kontextualisierungsproblem, gerade Anselm, der diesen Strafgedanken so stark betont. Wo ist das im Neuen Testament? Wo ist das? So, manche sagen dann, ja, aber hier sei er 53, steht die Strafe liegt auf ihm. Jetzt wäre schön
hebräisch können. Komplizierte Stelle. Das Wort Strafe gibt es gar nicht eins zu eins. Das Wort, was da steht in der Septuaginta, wird das mit Paideia übersetzt, Erziehung. Alles nicht so leicht. Diese stellvertretende Strafleitungstheorie, wo ist es im Neuen Testament? Such, such, such, es ist nicht zu finden. Es ist ein anselmistisches Problem, was die Reformatoren radikalisiert haben, gut kontextualisiert in gewisser Hinsicht, aber heute, heute abstoßend, abschreckend, kontraproduktiv, weil es nicht mehr auf der Höhe modernen strafteoretischen Denkens ist. Und es geht immer weiter. Nächstes Problem. Drittes Problem, das möchte ich jetzt mal das Kohärenzproblem nennen und zwar Kohärenz zwischen der jesuanischen Ethik und einer solchen anselmistchen
Dogmatik. Es ist ja nichts so intuitiv attraktiv für ganz viele Menschen wie jesuanische Ethik. Da ziehen Sozialisten und Buddhisten, Juden und Muslime und Humanisten und hast du nicht gesehen, den Hut vor. Diese Haltung des Gewaltverzichts, der der Preisgabe von Privilegien und Statusansprüchen, diese radikale Barmherzigkeit, Nächstenliebe, Feindesliebe. Es ist ein solches ehrfurchtsgebietendes Licht und eine solche, ein solcher Glanz von Güte und Erbarmen. Das hat keine schlechte Presse. Wenn Menschen sagen, ja Christen werden heute immer mehr verspottet und sonst, wie ja manche betteln auch drum. Diese Gedanken Jesu werden heute nicht verspottet. Das ist einfach nicht so. Niemand verspottet das. Und es ist ein eigener großer Vortrag,
aber ihr wisst da genug. Nehmen wir diese auf den Kern der Nächsten und Feindesliebe konzentrierte Haltung der Barmherzigkeit, der Zuwendung zu den Armen und Geringen unter Statusverzicht und all diese ganzen Dinge. So und das findet ja seine Fortsetzung auch im Neuen Testament. Philippa Hymnos seid unter euch so gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht. So, wie er nicht daran festgehalten hat, Gott zu sein, sich erniedrigt, entäußert, Mensch geworden, alles gegeben. So auch ihr lebt in der Liebe, wie er euch geliebt hat. Überwindet nicht Böses mit Bösen, sondern mit Gutem. Das ist ja christliche Ethik bei Jesus, bei Paulus, überall. So und jetzt gucken wir mal. Es ist irgendwie so das komische Gefühl. Warum genau empfiehlt Gott seinen Kindern das Ethos eines radikalen Gewaltverzichts,
Verzicht auf Rache, Verzicht auf Strafe? Frage, wie oft muss ich vergeben? Siebenmal? Nein, siebenmal, siebzigmal. Darf ich wenigstens ihn bisschen verhauen und dann verzeihen? Nein. So, also warum ist das so glasklar? Verzicht auf Strafe, Verzicht auf Rache, Verzicht auf Vergeltung. Und warum hat man manchmal das Gefühl in der Dogmatik, nimmt sich Gott lauter Dinge raus, die nach der Ethik für Christen eigentlich irgendwie nicht gehen, irgendwie nicht so optimal sind. Warum geht das irgendwie nicht so? Machen wir es uns an einem krassen Beispiel deutlich. Nehmen wir die Geschichte vom verlorenen Sohn. So, der verlorene Sohn macht seinem Vater Kummer. Und wir brauchen das gar nicht ganz erzählen, kennen alles. Er kommt wieder so und möchte wieder bei seinem Vater ankommen. So, und was soll der Vater jetzt machen? Na ja, was er macht,
ist völlig verstörend. Er sagt, na klar, komm, umarmt ihn, küsst ihn einfach so, ohne Strafe, ohne alles. Stellen wir uns vor, ihr seid irgendwie Vorstand einer Gesellschaft, die Kinderbibeln herausgibt. Und ihr kriegt einen Brief, in dem steht, ja, Kinderbibel, da wird ja vieles ein bisschen freier gemacht. Es soll die Kinder ja einführen in die christliche Wahrheit, kindgerecht und so weiter. Und in der bisherigen Kinderbibel habe ich immer das Gefühl gehabt, im Gleichnis vom verlorenen Sohn wird der Vater in einer Weise dargestellt, wie es nicht der 2000 Jahre alten Kreuzestheologie des Christentums entspricht. Kann man das nicht zu erzieherischen Zwecken so ein bisschen verbessern? So in der Art, dass der Vater dann, also nur für die Kinderbibel, wenn das tatsächlich da so steht, ist schade, aber dann lassen wir es für die Erwachsenen, die können ja damit umgehen, die kennen ja die Kreuzestheologie und so, aber die Kinder, die es noch nicht kennen, bevor die da auf dumme Gedanken kommen, dass man einfach dann so ein
bisschen einbaut, dass der Vater sagt, ja, aber einfach wieder aufnehmen kann ich dich nicht. Du hast mir ganz schön Kummer gemacht und das Geld ist weg. Was denkst du dir? Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich jetzt hier meinen Ring dir wieder gebe und Schuhe und dann feiern wir und so. Dein Bruder wär schlinksauer. Es wäre auch nicht gerecht. Es wäre ungerecht, verstehst du doch wohl. Dann müssen wir schon irgendwie Strafe oder Wiedergutmachung einführen. So stellen wir uns die extreme Theorie vor, also das, was nicht mal Anselm ist. Der Vater steht da betroffen und sagt, ja, weißt du, wir haben immer damit gerechnet, dass du irgendwann noch mal kommst, also dein älterer Bruder und ich. Ich kann dich nicht einfach wieder annehmen, aber da wir beide dich lieben, würden wir es gerne. Und um aller Gerechtigkeit Genüge zu tun, um dich wieder anzunehmen, ist dein Bruder bereit, sich für dich zu opfern. Das ist jetzt auch nichts Persönliches,
aber es ist einfach um der Ordnung willen, dass auch alle Familien im Umkreis merken, was nicht geht. Nicht Generalprävention für alle unruhigen Söhne. Und da du mir sehr weh getan hast, wird es leider notwendig sein, dass dein älterer Bruder in grausam Foltertod stirbt. Und danach wollen wir fröhlich feiern. Ihr merkt was irgendwie. So, also diese Logik, es muss aber Strafe sein. So, da gibt es ein Kohärenzproblem. Und so ein komisches Problem, dass die anselmitische Dogmatik irgendwie so paar Lichtjahre zurück bleibt hinter der jesuanischen Ethik. Zweifelsfall, würde ich sagen. Jede Dogmatik, die nicht in irgendeiner guten Übereinstimmung mit der jesuanischen Ethik steht, kann nicht richtig sein, kann nicht stimmen. Da besteht ein großes Problem
und da sind manche Theorien wirklich völlig merkbefreit. Sie machen Gott zu einem juridisch denkenden. Strafe muss sein, Fetischisten, in einer Weise, wie es vielen Gleichnissen Jesu direkt widerspricht und wie es auch mit der jesuanischen Ethik der Feindesliebe nicht übereinzukriegen ist. Ich muss jetzt hier schneller machen, ich muss schneller machen. Die juridische Theorie hat auch das große Problem, dass sie viele zentrale biblische Aussagen gar nicht aufgreifen kann. Aussagen, dass Glaube an Christus bedeutet, in die Gemeinschaft seines Leidens und in die Kraft seiner Auferstehung einzutreten. Es gibt einen breiten Kranz von Versen und Texten, wo Erlösung stattfindet durch Teilhabe, durch Teilhabe an Jesu Weg. In diesem Juridischen ist es völlig raus.
Die Strafe ist vollstreckt, die wird das mitgeteilt. Akzeptierst du das? Nimmst du Jesus an als dein Herrn und Erlöser, der deine Strafe getragen hat? Ja, wäre ich blöd für ihn nicht. Okay, dann ist es durch und jetzt halte ich an die Regeln. Das ist, wenn man sagen würde, das anselbische Schema, wenn man sagen würde, ja es ist ja nur eine Perspektive unter ganz vielen, mir hat es halt geholfen, dann sind wir sofort in einer anderen Welt. Also wenn Leute sagen, ja und das gibt es auch und das gibt es auch und es gibt viele Perspektiven und die Blume gibt es auch noch, dann sind wir sofort in einer anderen Welt. Wir können da noch diskutieren über Suboptimalitäten bei Anselm, aber wenn man das reduziert auf eine mögliche historisch wirkungsvolle Perspektive, wird alles anders. Der Anspruch war ja immer, es ist die Theorie, die erschöpfende Theorie, die im Wesentlichen alle Bibelferse eigentlich verbraucht hat und du sollst keine andere Theorie
haben neben mir. Und darum diese Punkte, dann ist es wirklich schlimm. So, dass das irgendwo ja große Wahrheitsmomente hat, ja völlig klar, aber der Ausschließigkeitsanspruch dieser Perspektive ist einfach unmöglich. Ich nenne einen letzten Punkt, das nenne ich das Osterproblem. Man braucht gar kein Ostern in dieser Theorie. So überflüssig. So, also Tod, die Strafe ist bezahlt, das war es, er ist gekommen, um zu sterben. So und was soll er jetzt auferstehen? Er kann ja auch vom Himmel sagen, da bin ich wieder, war schlimm bei euch, aber jetzt ist es durch. Also er muss nicht auferweckt werden von den Toten. Und da sage ich ja noch mal länger was zu Auferweckung, morgen sogar. Das spielt eine große Rolle und es ist zentral in den Evangelien bei Paulus, er ist um unseres Willens gestorben und an unserer Stelle auferstanden. Christus lebt mit ihm auch wir, er ist für uns auferstanden, wie er für uns gestorben ist. Das kriegt diese Theorie
mit ihrer Straffizierung gar nicht reingepreist. Sie macht die Auferstehung überflüssig. Sie macht auch diesen neuen Äon überflüssig, dass in der Auferstehung die neue Welt beginnt. Diese Zeitenwende, all das ist gar nicht drin. So und das ist ein Problem einer exklusiven Theorie. So, es gibt nicht wenige Theologen, die aus diesen und anderen Gründen, ich mache ja jetzt schon schnell, gesagt haben, diese Anselmsche Theorie gehört ins Museum. Wir können sie geschichtlich nachvollziehen, sie ist heute nicht mehr brauchbar. Manche gehen weiter und sagen, die ganze juridische Sprache ist nicht mehr brauchbar. Die entscheidende Botschaft des Ganzen ist doch eine Botschaft der Liebe. Eine Botschaft der Liebe, das für dich, für uns, für dich gegeben. Jesus Christus, der mich geliebt hat und hat sein Leben für mich dahin gegeben, Galater 1. Das muss die Botschaft sein. Und diese ganze Juristerei, Rechnen reichte schon. Muss dann
nur sterben oder vorher gefoltert werden und so. Das ist irgendwie ganz, ganz merkwürdig. Darum gibt es eine breite Strömung in der neueren Theologie, die sagt, wir müssen die juridische Sprache raus aus dem Christentum, völlig raus. Jetzt sage ich ja öfter mal, das Gegenteil von völlig falsch ist selten völlig richtig. Ich wechsle jetzt wieder die Dynamik. Erst mache ich Anselm Stark, dann mecke ich rum. Jetzt möchte ich wieder, wieder Dynamik wechseln. Ich möchte jetzt ein kleines Plädoyer dafür machen, die juridische Sprache nicht einfach zu löschen. Was ist der Sinn juridischer Sprache? Was ist der Sinn des Rechtssystems? Was tut es? Das Rechtssystem, was wir in unseren Landen und vielerorts kennen, leistet zweierlei. Es sichert Frieden und Freiheit. Recht ist eminenter Friedenschutz. Recht schützt vor Faustrecht. Recht unterbindet die Kette von Vergeltung, Rache und Gegenrache. Ohne Recht kann keine menschliche
Gesellschaft überleben. Ohne Recht sind wir alle am Ende. Man kann das Recht nicht hoch genug schätzen und man sollte sich sehr ernsthaft fürchten vor alle, die den Rechtsstaat angreifen. Das Recht ist wesentlich. Recht klärt Konflikte und oft kann man sagen, ja, aber das Strafrecht bringt es nicht. Manchmal ein neues Unrecht und es gehört zur reife freier Bürger einzusehen, dass man manchmal ein Gerichtsurteil tragen muss, wo man das tiefe Gefühl hat, es ist nicht richtig, es ist nicht optimal. Aber zur reifen, einsichtfreier Bürger gehört die Erkenntnis, dass Rechtssicherheit ein höheres Gut ist als der individuelle Vor- oder Nachteil in einem singulären Verfahren. Jede Form von Blutrache oder Faustrecht ist tausendmal schlimmer als ein
Rechtssystem, dem auch Fehler unterlaufen können, weil eben Menschen beteiligt sind. Das Recht sichert auch Freiheit. Im Recht wirst du als Rechtssubjekt angesprochen. Du hast Rechte und die werden geschützt und du hast Pflichten und deine Pflichten bemessen sich haarklein nach den Rechten deiner Mitmenschen. Recht ist eine zutiefst soziale Verkörperung der Freiheitsordnung einer Gesellschaft, die die Menschenwürde des Einzelnen und damit seine unveräußerlichen Rechte anerkennt. Es kann nicht richtig sein, wenn wir Theologen sagen, ja, alles was mit Recht und Jura und so, das finden wir doof, weg, raus oder so. Kann nicht stimmen. Und es kommt Rechtssprache im Neuen Testament ja vor. Ich möchte jetzt kurz zusammenfassen, wo kommt es vor? Denn was ist Anselms Fehler? Anselms Fehler ist, die gesamte Erlösungslehre juridisch aufziehen zu wollen. Das funktioniert nicht. Da ist wirklich die Liebe dann weg oder so. Nein, aber es kommt ja
Rechtssprache vor. Wo kommt sie vor? Letztlich in zweierlei Hinsicht. Sie kommt vor in der Einsicht, dass Menschen schuldig sind vor Gott und da, dass Menschen freigesprochen sind vor Gott. Und das wird in juristischer Sprache formuliert. Und diese, ich sage lieber juridische Sprache, ist ja auch sehr naheliegend. Es ist ein Prozess. Jesus stirbt in einem Prozess, in einem komplizierten Prozess, in einem teils irrugulären, in einem teils sonderbaren Prozess. Aber es ist ein Prozess. Und es ist so naheliegend, diese juridischen Kategorien zu haben. Die Evangelien erzählen, aber hören wir, wie Lukas das zum Beispiel erzählt. Da heißt es 23, 24 Pilatus urteilte und er ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten. Aber Jesus übergab er
ihren Willen. So dies Urteil und man sieht auf einmal, der Unschuldige wird bestraft und der Schuldige wird freigesprochen. Und es wird nicht kommentiert und es wird nicht ausgedeutet, aber es ist diese juridische Ordnung da. Und jetzt nur wenige Verse. Es gibt dies Motiv am Kreuz. Gibt es so etwas wie, naja, Paulus kann es Fluch nennen. Im Galaterbrief zum Beispiel. Galaterbrief, mit dem Gesetz macht das deutlich. Die aus des Gesetzes Werkenleben sind unter dem Fluch, denn es heißt, verflucht sei jeder, der nicht bleibt bei allem, was geschrieben steht im Buch des Gesetzes. Dass durch das Gesetz niemand gerecht wird vor Gott ist offenbar, denn der Gerechte lebt durch Glauben. Christus hat uns losgekauft vom Fluch des Gesetzes, da er zum Fluch wurde für uns. Und wir sehen hier gesetzliche Sprache. Gesetz, Regel, Anordnung. Interessant ist hier auch, es ist nicht so lateinisch-germanische alte Straflogik, sondern Fluch ist die Verdichtung
der Tatfolgen. Und Jesus tritt an dieser Stelle, er wird zum Fluch für uns. Oder Römerbrief. Gott sammte seinen Sohn in die Gestalt des sündigen Fleisches um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch. So Gott macht Christus zur Sünde. So auch 2. Kr. 5,21 oder Römer und dann Gott verdammt die Sünde. Das Urteil, Schuldspruch, Fluch. So Kreuz steht in der Tat bei Paulus für Gericht und am Ende des Römerbriefs wird positiv formuliert, wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier der Gerechtmacht. Wer will verdammen? Christus. Jesus ist hier der gestorben ist, ja vielmehr der auch auferweckt ist, der zu Rechten Gottes ist und für uns eintritt. Wieder Gerichtssprache. Wer will beschuldigen? Wer will voll urteilen? Niemand. Denn Gott, denn Christus.
So und dann steht hier nicht, denn Christus hat stellvertretender Strafleiten vollgültig, da steht da alles gar nicht. Das ist dann die anselmitische Brille, liest das dann zwischen den Zeilen, die sagt, ha, wieder ein Beleg. Steht nicht da. Die rechtliche Sprache klärt den Schuldbruch und sie erklärt den Freispruch Gottes, das Nein und das Ja. Und ich halte das für wesentlich, denn was ist der Vorteil rechtlicher Sprache gegenüber romantischer Sprache? Man könnte so sagen, ja ich werde da nicht warm mit, am liebsten habe ich die Liebesprache des Hohen Liedes. Ich bin dein und du bist mein und ewig zusammen mit dir reite ich mit Jesus durch den Sonnenuntergang meines Lebens und so. Romantische Sprache, so Lobpreis und Halleluja und Jesus, mein Bräutigam und diese ganzen Sachen. Naja, was ist in den Momenten, wo die Stimmung das nicht
hergibt? So romantische Sprache hat ihre ungeheure Kraft und alles und was ist in Fällen, wo die Stimmung, das Gefühl, das eigene Erleben solche Worte nicht decken kann? Es ist der große Wert juridischer Sprache, Sachverhalte als gültig dazu tun, völlig unabhängig davon, ob man sich gerade so fühlt oder nicht. Ein bisschen verhält sich die juridische Sprache zur romantischen Liebesprache, wie die Ehe zur Verliebtheit. Es gibt auch Menschen, die sagen, die Ehe ist mir so rechtlich, also ich fände es wäre eine Beleidigung unserer Liebe, wenn wir heiraten würden. Gibt es ja. Wenn so Leute sagen und die Kreuzestheologie finde ich auch doof, dann würde ich sagen, ja, deswegen ist es konsequent irgendwie. Ich würde aber dafür plädieren, macht doch Liebe und Recht nicht zu einem Gegensatz. Es macht Sinn, Dinge in zarter inniger Sprache, höchster Intimität
und Gefühligkeit zu sagen und manchmal auch in verbindlicher öffentlicher Sachlichkeit, so macht es juridische Sprache. Ich komme zum Schluss. Wir hatten hier diesen Blumenstrauß und haben uns daran manches erklärt und ich habe nicht mal angefangen, hier jede einzelne Blüte zu würdigen. Man könnte zehn Vorträge jetzt noch bringen. Das war noch längst nicht alles, was ich finde, was zum Thema Kreuzestheologie gehören würde. Das war ein erster kleiner Vortrag zu diesem ganzen Thema. Ich möchte aber eins noch am Schluss sagen. Zum Blumenstrauß gehört ja in der Regel auch das Wasser. So, jetzt ist Wasser etwas sehr Interessantes. H2O hat die kuriose Eigenschaft, nur unter sehr merkwürdigen Bedingungen wirklich Wasser zu sein. Ihr wisst das alles. Null Punkt, den wir bei uns haben, ist, ja, da ist noch längst nicht Schluss. Ihr wisst, der absolute
Nullpunkt, jetzt habe ich Dummchenes gerade vergessen, aber der ist ungefähr bei minus 273 oder so, googelt es einfach, aber so ungefähr in der Kante ist der absolute Nullpunkt. Ich habe versucht rauszufinden, wie hoch es auf der Skala geht. Da macht man Entdeckung. Also die Außentemperatur der Sonne, da sind wir schon bei 10.000 Grad. Innen drin schätzt man so Millionen, war noch keiner da irgendwie, aber man kann Temperaturen auch bei Extrem steigern. Jetzt macht euch das mal klar. Wasser ist Wasser. Selbst wenn wir nur die Außentemperatur der Sonne nehmen, gemessen auf einem 1-Meter-Band, weniger als ein Zentimeter, ist Wasser trinkbar. Ich möchte es jetzt mal vergleichen. Leere, leere Verkündigung muss wasserförmlich bleiben. Wir müssen die Wahrheit liquide halten. Es gibt manche Menschen, die wollen die Wahrheit knallhart, feste, mit Ecken
und Kanten. Sie wollen sie tiefgefroren. Wenn das Schöne ist, dann haben sie den ganzen Brocken in der Hand, den ganzen Eisklumpen. Man kann damit anderen noch wehtun. Und anderen, denen ist das Wasser schon zu viel. Die brauchen alles gasförmig, ganz flüchtig, ganz aufgelötet. Da ist alles schon Blut, brauche ich nicht. Opfer brauche ich auch nicht. Kreuz, nö. Jesus, bisschen Ethik, der Rest auch nicht. Und meine Empfehlung ist einfach, das als Metapher zu nehmen, haltet die Wahrheit liquide. Zu viel Theorie, eine Überdosierung von Leere, dass es fest wird und klar und eindeutig und das Ganze in der Hand ist und so. Das bringt uns um. Und du kannst Menschen so sinnlos damit schaden und wehtun. Und gerade diese toxische Idee, Gott als rachsüchtigen Wüterich darzustellen, das ist ja erst der Anfang von sehr viel Unglück. So wird ja dann auch erzogen. Und so hat man dann auch Angst
vor Gott. Und so achtet man darauf, dass man ihn nicht wütend macht. Und wenn man darauf achtet, dass man ihn nicht wütend macht, wird man immer unehrlicher mit sich selbst, weil man den Gedanken nicht ertragen kann, Fehler gemacht zu haben. Es gibt ja eine negative Konsequenz nach der anderen Nachsicht, wenn man so eine knallharte Leere braucht. Ich glaube halt auch nicht an die völlige Verflüchtigung aller Bilder, Symbole und Geschichten. Ich glaube, Menschen leben von etwas, was sie nährt und stärkt, was schmeckt, was mundet, was im richtigen Aggregatzustand ist. Nicht verflüchtigt und nicht verhärtet. So muss die Wahrheit liquide bleiben können.
Der Prozess – Warum ist Jesus gestorben? | 9.4.3
Vor allem im Süden Deutschlands hängt er in Klassenzimmern und Amtsstuben: Der gemarterte Leichnam, diese ständige Erinnerung an einen Menschen, der zu Tode gefoltert wurde. Muss das sein? Warum war dieser qualvolle Tod überhaupt nötig und warum müssen wir heute noch immer daran erinnert werden? Die Antwort ist nicht leicht. Thorsten Dietz erzählt von Anselm von Canterbury, einem der ersten Theologen, der vor rund 1000 Jahren eine Lösung suchte, um den Kreuzestod zu verstehen. Dietz erzählt, warum die Darstellung der Qual und Verzweiflung Jesu im Mittelalter noch drastischer wurde – und die Menschen darin Trost fanden. Er liefert den Hintergrund, der nötig ist, um die Predigten von Hölle, Strafe und Versöhnung zu verstehen. Denn das zu verstehen, war für frühere Christen unheimlich befreiend. Und vielleicht auch für Gläubige im 21. Jahrhundert.