Die Frage nach der Zukunft beschäftigt mich schon lange, auch beruflich und auch wissenschaftlich. Und als Bibelwissenschaftlerin habe ich dabei biblische Texte im Blick. Sehr vieles, was die Bibel über Zukunft sagt, das hat eigentlich auch oder viel mit der Gegenwart zu tun und das gilt bis heute. Dass Sie alle hier sind, dass ich hier bin, das hat vermutlich auch den Grund, dass wir uns fragen, wie es weitergehen soll, wie es weitergehen wird und was wir auch tun können. Für Christinnen und Christen haben solche Fragen immer auch mit Gott zu tun. Jesus Christus spielt eine Rolle in diesen Fragen. Als Alttestamentlerin, als Bibelwissenschaftlerin bin
ich schon lange fasziniert von den biblischen Texten, von der Vielfalt, der Schönheit, manchmal auch der Sprichkeit dieser Texte und deswegen will ich Ihnen dieses Thema Zukunft an biblischen Texten entfalten. Zukunft. So knapp ist der Vortrag überschrieben, das war auch die einzige Vorgabe des Themas. Ich weiß nicht, was Ihnen dazu einfällt. Zukunft, das ist für manche wirklich verheißungsvoll. Das klingt nach Aufbruch, nach neuen Möglichkeiten und Plänen, nach Träumen. Zukunft, das kann aber auch beängstigend sein, unberechenbar und bedrohlich. Das kann auch nach Sorgen klingen, nach Ängsten und nach vielen Befürchtungen. Für viele Menschen in Deutschland ist die Situation der letzten drei Jahre neu. Da hat sich was verändert. Seit der Corona-Pandemie, seit dem Ausbruch, dem Beginn des Krieges in der Ukraine und seit die Bedrohung durch den
Klimawandel doch für viele noch mal präsenter geworden ist. Da hat sich für viele im Lebensgefühl was verändert. Krise ist auf einmal das Wort, das überall zu hören ist. Und das gilt sicher nicht für alle und wenn man weltweit schaut, dann sieht das auch noch mal anders aus. Aber mir geht es auch immer wieder so. Und dieses Gefühl, diese Erfahrung, die haben schon viele Menschen vor uns gemacht und das hat sich in den biblischen Texten niedergeschlagen. Viele haben über Jahrhunderte bezeugt, haben weiter erzählt, haben aufgeschrieben, wie Gott und der Glaube an Gott in ihrer Lage gewirkt hat und sie auch getragen hat. Und deshalb gibt es in der Bibel ganz verschiedene Wege, mit der Zukunft umzugehen, über die Zukunft nachzudenken. Gemeinsam ist allen diesen Wegen, dass sie mit Gott
rechnen. Das ist heute nicht mehr zwangsläufig so. Wer heute über Zukunft nachdenkt und dabei Gott, Jesus Christus mit einbezieht, der hat sich irgendwie dafür entschieden. In der nächsten Stunde geht es um biblische Zukunftsvorstellungen, biblische Herausforderungen und ich will Ihnen an drei Beispielen vorstellen, wie in biblischen Texten Zukunft gedacht worden ist und als eine Zukunft, in der Gott eine entscheidende Rolle spielt. Und zwar auf ganz unterschiedliche Weise. Ich will aufzeigen, wie die Verfasser, die Verfasserinnen und möglicherweise auch die Angesprochenen, das weiß man eben nicht so genau, mit Zukunftserwartungen, mit Zukunftsbefürchtungen umgegangen sind. Dafür stelle ich Ihnen drei Texte vor und gehe immer so vor, dass ich erst den Text einmal genauer mit Ihnen anschaue, dass ich dann die Bilder im Text genauer anschaue. Keine gemalten
Bilder, sondern sprachliche Bilder, Vorstellungsbilder im Kopf. Und als feministische Theologin, als Fachfrau für Gender Studies in der Theologie interessiert mich dabei auch sehr, welche Rolle Geschlecht in solchen Bildern spielt. Danach gucken wir uns an, was sagt der Text jetzt über Zukunft und dann schließe ich nochmal mit einem kurzen Fazit ab. Das alles zielt darauf ab, dass wir überlegen, was die Texte heute für uns austragen. Mein Ziel ist es, dass Sie in meiner Textauswahl biblische Modelle kennenlernen, wie Menschen auch schon früher mit Zukunft umgegangen sind. Und darauf gehe ich dann am Schluss des Vortrags nochmal gesamt ein. All das kann uns eine Basis bieten, uns nochmal sozusagen von außen die eigene Haltung zur Zukunft, die eigenen Erwartungen und Befürchtungen anzusehen. Es wird uns vermutlich zeigen, wie anders manches in den biblischen Texten ist, aber auch wo es Parallelen gibt und welche Möglichkeiten wir haben oder
hätten, uns im Lichte Gottes zur Zukunft zu verhalten. Ich habe deshalb aus der Fülle der biblischen Texte drei sehr unterschiedliche Beispiele ausgesucht. Auf das erste werde ich etwas länger eingehen, die beiden zweiten dann kürzer anschauen. Bevor ich zu den Texten komme, noch eine Erklärung dazu, wie ich über Gott spreche. Sie wissen wahrscheinlich, dass Gott in der Bibel einen eigenen Namen hat, von dem wir aber nur die Konsonanten kennen, J-H-W-H. Das wirkt in der Forschung, in der Theologie teilweise ausgesprochen als Jahwe. Man weiß das nicht so genau, denn der Name ist schon sehr lange, also schon lange vor Christus nicht mehr ausgesprochen worden, aus Ehrfurcht vor Gottes Namen. Stattdessen wurde er ersetzt, Sie kennen das aus den deutschen Bibeln, da steht dann Herr in Großbuchstaben oder im jüdischer Tradition auch mit dem Wort Adonai. Das ist ein Kunstwort, das nur für Gott verwendet wird, nicht für Herr Maier oder Herr
Müller und das werde ich verwenden. Wenn ich also sage Adonai, dann wissen Sie, hier steht Gottes eigener Name. Und damit komme ich zum ersten Text, den ich ausgewählt habe. Das Thema ist hier die sogenannte Läuterung, also Reinigung Zion. Es geht um Gottes Gericht oder darum, dass Gott Konsequenzen folgen lässt und die Frage ist jetzt, für wen? Ich habe als erstes Beispiel eine prophetische Unheilserwartung ausgesucht und das mag manche vielleicht etwas überraschen. Es ist aber gar nicht so abwegig, denn in den sogenannten Unheils- oder Gerichtsankündigungen, da wird angekündigt, dass die Zukunft Unheil bringt, von Gott veranlasst und zwar als Folge von Ungerechtigkeit und Schuld in der Gegenwart und Vergangenheit. Der Umgang mit Zukunft ist in
solchen Texten, und da gibt es viele im Alten Testament, von mehreren Fragen bestimmt. Wer ist schuld am gegenwärtigen Zustand? Wer trägt die Verantwortung? Und wie steht es um Gerechtigkeit? Dazu kommen Befürchtungen, wie es wohl weitergehen wird. Und die Basis all dessen ist die Überzeugung, dass Gott für diesen Zusammenhang von Schuld, Verantwortung und Gerechtigkeit verantwortlich und zuständig ist und dass dieser Zusammenhang nicht zerbricht in Gegenwart und Zukunft. Ich lese Gesaja, erstes Kapitel, die Verse 21 bis 28. Die Übersetzung ist in dem Fall die Zürcher Bibel mit ganz kleinen Änderungen. Wie ist sie zur Hure geworden, die treue Stadt, die erfüllt war von Recht. Gerechtigkeit war da in der Nacht und nun Mörder. Dein Silber
ist zur Schlacke geworden, dein Wein ist mit Wasser gepanscht, deine Anführer sind Störrisch und Kumpane von Dieben. Jeder liebt Bestechung und jagt Geschenken nach. Der Weise verschaffen sie nicht Recht und der Rechtsstreit der Witwe gelangt nicht vor sie. Darum spruch des Herrn Adonai, der Herrscher des starken Israels, wehe. Ich werde mich an meinen Gegnern rächen und an meinen Feinden werde ich Rache nehmen und ich will meine Hand gegen dich wenden, um deine Schlacke wie mit Lauge zu läutern und all dein Blei will ich wegschaffen und ich will deine Richter zurückbringen, wie es war und deine Ratgeber wie am Anfang. Danach wird man dich Stadt der Gerechtigkeit nennen, treue Stadt, Zion wird losgekauft werden durch Recht und seine Bekehrten mit Gerechtigkeit. Die Abtrünnigen und
die Sünder aber brechen zusammen und die Adonai verlassen, kommen um. Soweit dieser erste Textausschnitt aus dem ersten Kapitel des Jesaja-Buches, eine Unheilsankündigung. Ich will Ihnen den Text als erstes etwas genauer vorstellen. Hier spricht eine prophetische Stimme, teilweise ausdrücklich im Namen Adonais, das lässt sich mir nicht so ganz klar sagen. Es geht darum, was mit Zion Jerusalem passiert ist und was das für Folgen haben wird. Die Adressat in dieser Rede ist die Stadt Zion Jerusalem, die wird jetzt aber angesprochen als Frau, beziehungsweise in sehr klischeehaften Frauenrollen, dazu später mehr. Der Aufmacher sind Gegensätze, die Hure und die Treue, einst voller Recht und Gerechtigkeit und jetzt werden die Leute als Mörder bezeichnet.
Die Anklage wird dann illustriert und dabei wird deutlich, dass nicht alle gleich sind in dieser Situation, sind auch nicht alle gleich schuldig. Die Anführer, könnte auch Fürsten sein oder Honoratioren, würde man heute vielleicht sagen, die werden als Mörder bezeichnet, als räuberisch, bestechlich. Alles was wertvoll ist, was wertvoll war, das wird weggenommen. Silber wird zur Schlacke und in den Wein kommt Wasser. Die Witwen und Weisen dagegen, das sind die Opfer vor Gericht, die nicht zu ihrem Recht kommen. Und bisher, das merken Sie schon, geht es um die Gegenwart. Die prophetische Stimme beschreibt diese Gegenwart ziemlich schonungslos. Das sind ja ganz wenige Sätze bisher. Und dann folgt aber die Zukunfts- oder eben Unheilsankündigung, das sind dann die folgenden Verse, ab Vers 24. Und da wird jetzt gesagt, was Gott deshalb tun wird. Das ist das
klassische deshalb, damit fängt das dann immer an. Auch diese Ankündigung ist jetzt an die Stadt Zion insgesamt gerichtet und sie unterscheidet zwischen einer Zukunft für die Gegner, die Abtrünnigen, die Sünder und der Zukunft für die Stadt insgesamt, nachdem diese gereinigt ist. Der Text verwendet hier das Bild der Läuterung von Ärzten, also das Ausschmelzen. Das hat immer wieder mit Feuer zu tun und das ist in der Bibel ein altes Gerichtsmotiv. Das Blein, also das was was wert ist, das wird weggenommen und zusammenbrechen werden die, die sich schuldig gemacht haben, die also Vergehen begangen haben. Und danach steht Zion wieder als Stadt der Gerechtigkeit da, als treue Stadt. Zion wird dann wörtlich, da heißt es eigentlich losgekauft, das ist ein Begriff aus der Sklaverei oder aus der Gefangenschaft. Also Zion wird losgekauft, wird befreit, wird erlöst
sein. Diese prophetische Stimme, die prangert an, was in der Gegenwart falsch läuft und was das für Konsequenzen haben wird und zwar für die Täter, die Täterinnen und aber auch eben für die Stadt insgesamt. Im Text geht es darum nicht in erster Linie um eine Ankündigung von Vernichtung oder Schrecken. Der Text zielt vielmehr auf Umkehr. In Vers 27, da kommt das sogar wörtlich vor, sie haben es vorhin gehört, wie ich gelesen habe, habe ich gelesen, deine Bekehrten. Wörtlich steht da eigentlich deine Umgekehrten, das sagt man nur im Deutschen nicht, also die, die zu dir wieder umgekehrt sind. Im Text wird also bestehendes oder geschehendes Unrecht verarbeitet und der Schwerpunkt liegt erstmal auf der Gegenwart. Der Text hat eine starke ethische Perspektive auf gegenwärtiges, auf zukünftiges Verhalten, also die Frage, wie geht es hier eigentlich zu und wie soll
es hier eigentlich zugehen? Gott ist Richter, das heißt Gott sorgt für Gerechtigkeit. Gott ist aktiv für eine andere gerechte Ordnung, die Leben möglich macht und zwar, weil Gott zuständig ist dafür, Garant dafür ist für diesen Zusammenhang aus Gerechtigkeit, Gottes Verantwortung. Die Unheilsankündigung die ich Ihnen hier vorstelle, ist damit eine Auseinandersetzung mit dem gegenwärtigen Zustand und mit dem Wunsch, wie die Zukunft werden soll, was die Zukunft bringen soll und ich hatte vorhin schon gesagt, die Bilder in den Texten sind mir wichtig und damit komme ich zum nächsten Punkt und wir sehen uns die Bilder etwas genauer an. Denn die Zukunfts- und Unheilsankündigung wird in so sprachlichen Bildern vermittelt und die sind gegendert, das heißt die sind geschlechtlich bestimmt von Geschlechterrollen geprägt. Der Text funktioniert damit, das heißt es lohnt sich,
das auch zu durchdringen, um besser zu verstehen, wie dieser Text funktioniert. Die angesprochene ist Zion Jerusalem, das heißt sie ist Stadt und Frau, das kennen wahrscheinlich einige von Ihnen aus den Adventsliedern, Tochter Zion, da ist dieses immer drin, die Stadt wird angesprochen wie eine Frau, man nennt das Personifikation, das heißt die Stadt wird im Text wie eine Person behandelt, das heißt sie handelt, sie hat Gefühle, sie hat Beziehungen, das ist eine metaphorische Redeweise, mit der die Zukunft hier ganz anders vermittelt werden kann. Zion wird in vielen prophetischen Texten, in einem Treue, in einem Eheverhältnis zu Adonai gezeigt und zwar mit allen emotionalen Aspekten, die das so hat, das heißt dazu gehört Liebe, Fürsorge, Treue, Eifersucht und in der Zeit des alten Testaments, des alten Orients, gehören dazu auch die rechtlichen
Ansprüche eines Mannes auf seine Frau. Das ist heute anders und da merken Sie schon, dass diese Bilder eben in einer bestimmten Zeit entstanden sind, die man auch im Kopf behalten muss. Zugleich, und das ist die Stärke dieser Redeweise, bleibt immer im Blick, dass es eben nicht um eine Frau geht, sondern es geht um die ganze Stadt und alle Bewohnerinnen der Stadt, was die Frau erleidet, darunter leidet die ganze Stadt und ihre Rettung ist die Rettung aller, der Stadt und ihrer Bewohner, Bewohnerinnen. Diese Art zu reden, diese Rhetorik, die hat einen großen Vorteil, eine große Stärke, weil die emotionale Seite der Beziehung zu Gott, der Anklagen, der Ungerechtigkeit, aber auch der Drohung, die kann man sich dadurch viel besser vorstellen. Das Ganze hat aber auch einen Nachteil, denn diese Art zu reden, die arbeitet mit Klischees und auch schon in der antiken Rede, denn die Fuhre in den alttestamentlichen Texten, Hebräisch ist das die Sonar, das ist was anderes
als eine prostituierte Häute. Der Begriff bezeichnet, soweit man das weiß, also alle Frauen, die eigenständig, auch sexuell eigenständig gelebt haben, das war nicht vorgesehen. Damals, da leben wir heute in anderen Verhältnissen, das kann man nicht mehr vergleichen. Damals schon wurde das Wort als Schimpfwort verwendet und zwar für Leute, die sich von Gott abgewandt haben, da ging es eben eigentlich nicht mehr um Sexualität und Geschlechtsverkehr. Das heißt, wir haben hier ein Wort, das starke Emotionen weckt, das aber in einer bestimmten historischen Situation auch schon gebunden ist. Die Angeklagten im Text, das sind, wie heißt es im Text, die Anführer, die Diebeskumpane. Ob das jetzt alles Männer waren, ist die Frage, das wissen wir nicht. Im Hebräischen gibt es wie im Deutschen das generische Maskulinum, das heißt, eine Gruppe
Männer und Frauen wird grammatisch männlich bezeichnet. Das Lehrerkollegium ist ein gutes Beispiel. Sie alle wissen, dass es Lehrerinnen und Lehrer gibt. Also, darum wissen wir nicht, ob die Anführer, die Diebeskumpane, alle Männer waren. Auch die Abtrünnigen, die Sünder, aber auch die Richter und die Ratgeber, waren das alles Männer? Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass die Frauen der führenden Schichten an den ungerechten Verhältnissen der Stadt so gar nicht beteiligt waren. Das wäre so ein erster Gedanke zu überlegen, wo tauchen hier Frauen und Männer in allen Bereichen dieses Textes auf. Es gibt andere Texte, andere Stellen, wo Frauen auch explizit in der Oberschicht als mitverantwortlich benannt werden. Die Opfer in Jesaja 1, das sind jetzt ausdrücklich die Witwen und Weisen. Und die sind wirklich ein Sinnbild für die Opfer von Ungerechtigkeit in alttestamentlichen Texten, für die, die unter die Räder kommen. Das hat seinen
Grund darin, dass in der antiken Gesellschaft sie am ehesten schutzlos waren und arm waren. Wenn ein Mann starb, dann hatte die Frau oft keinen Besitz mehr und war darauf angewiesen, dass eben entweder die Kinder, wenn sie welche hatte, sich gekümmert haben oder die Familie des Mannes oder die eigene sie irgendwie mitversorgt hat. Und das konnte besser und schlechter kloppen. Und dazu kam das auf, im alten Israel, im alten Orient, Witwen durchaus Rechte hatten, aber also vergleichbar wäre vielleicht, wenn man heute sagt, da braucht man dann einen guten Anwalt. Einen guten Anwalt konnten sie sich nicht leisten. Sprich, Witwen hatten eben oft keine Fürsprecher, um das, was ihnen Zustand auch einzuklagen. Das heißt es hier auch im Text, der Weise verschaffen sie nicht Recht und der Rechtsstreit der Witwe gelangt nicht vor sie. Das wird dann ziemlich einleuchtend, was damit gemeint ist. Sicher gab es auch Arme und Männer, auch Männer, die rechtlich schlecht
gestellt waren. Aber das Symbol sozusagen, das Icon für die Benachteiligten, das ist weiblich. Das sind im Alten Testament die Witwen und Weisen und diese werden jetzt in der Unhalsankündigung unterschieden von den Tätern. Die Ankündigung trifft jetzt alle, aber eben nicht alle gleich. Bis jetzt habe ich kaum über die Zukunft und viel über die Gegenwart des Textes geredet. Jetzt aber wieder, jetzt kommen wir wieder zur Zukunft. Am Anfang habe ich kurz angesprochen, dass in den letzten Jahren, Monaten hier in Deutschland viele das Gefühl hatten, alles ändert sich. Der Begriff Krise wird ein Dauerbegriff und die Frage nach Zukunft und auch nach Zukunft mit Gott ist für viele auch wieder dringender geworden. Und ich denke, so war es wahrscheinlich auch, als dieser Bibeltext, also dieses erste Kapitel des Jesaja-Buches entstanden ist. Die Texte stammen ja alle aus einer konkreten historischen Situation, in die sie dann erstmal
hineinsprechen. Sie wurden dann weiter überliefert in immer neue Situationen, sonst wären sie jetzt nicht alle hier und ich auch nicht. Aber sie sind immer erstmal in einer bestimmten Situation entstanden. Unser Text Jesaja 1, der gehört ziemlich sicher zu einer literarischen Rahmung um das Jesaja-Buch und ist deswegen wahrscheinlich ein bisschen jünger als das restliche Buch. Man vermutet so, dass der im fünften Jahrhundert vor verfasst wurde, vielleicht auch im vierten Jahrhundert vor Christus, das wäre dann so zwischen 600 und 500 vielleicht bis 400 vor, in einer Zeit, in der dieses Zukunftsthema wirklich gebrannt hat. Und die verbreiterte Annahme in der Forschung ist, dass damals in Israel-Palästina sehr unterschiedliche Gruppen miteinander klarkommen mussten. Die einen waren zurückgekehrt aus dem sogenannten Exil. Vielleicht wissen sie, die Babylonier hatten Israel besiegt und hatten vor allem die Oberschicht,
also alle die was hatten, die was konnten, die was wussten, nach Babylonien verschleppt. Exil ist deshalb auch nicht ganz der richtige Begriff. Heute spricht man von forced migration, also erzwungener Migration, Verschleppung. Die waren in Babylonien und wie dann die Perser an die Macht kamen, dann sind die teilweise zurückgekehrt nach ungefähr 50 Jahren und trafen jetzt auf die Bevölkerung, die im Land geblieben ist oder bleiben musste und sozusagen in einem zerstörten Nachkriegsland versucht hat, irgendwie klarzukommen. Sie können sich wahrscheinlich vorstellen, dass das Konflikte gab. Die Situation war schwierig und man musste jetzt unter schwierigen wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen sich irgendwie zusammenfinden. Und wie die Zukunft sich entwickeln würde, das war wohl allen unklar und das war auch der Punkt der Auseinandersetzung, denn was früher
mal selbstverständlich gegolten hatte, das stand jetzt alles in Frage. Es ist typisch für die Texte im Jesaja-Buch aus dieser Zeit, dass sie recht eindeutig unterscheiden zwischen Gerechten und Ungerechten. Wer zu Adonai gehört, das hat sich in dieser neuen Situation, zumindest in diesen Texten, nicht mehr daran entschieden, wer zum Volk gehört in erster Linie, sondern wer sich zu den Regeln, den geboten Adonais hält, wer sich um Adonais Gerechtigkeit kümmert. Und Sie sehen hier, das ist eine Linie entlang derer, man versucht hat, die Zukunft neu auszurichten. Und man merkt in den Texten, dass das alles ziemlich umstritten war. Hinter der Zukunftserwartung, wie wir sie in diesem Text sehen, da steht eine Denkfigur und zwar das, was Leute tun und wie es ihnen ergeht, dass das zusammenhängt. Inzwischen wird das in der Forschung auch so benannt, der Tun-Ergehen-Zusammenhang oder
auch Tat-Folge-Zusammenhang. Darin äußert sich die Gewissheit und damit verbunden aber auch die Hoffnung, dass Vergangenes und gegenwärtiges Handeln und zukünftiges Ergehen einander entsprechen. In vielen Texten des Alten Testaments ist das ein Erklärungsmuster, ein Beschreibungsmuster. Das wurde aber nie als ein starres Schema verstanden oder eine Gesetzmäßigkeit, dass man jetzt behauptet hätte, darüber kann man die Zukunft exakt vorhersagen. Vielmehr wird durch dieses Denkmuster zukünftiges Geschehen theologisch erklärt und verarbeitet, und zwar oft solches, das de facto eigentlich schon geschehen ist. Gleichzeitig werden damit aber auch die Folgen menschlichen Handelns für die Zukunft aufgezeigt. Sie kennen das wahrscheinlich alle. Bis heute versucht man auch Kindern beizubringen. Es sind Kinder hier, die das auch wissen. Was du tust, hat Folgen. Wenn du so handelst, wird das Konsequenzen haben und die wirst du zu
spüren bekommen. Aber alle, auch Kinder, wissen, dass das nicht immer so ist, dass die Täter eben öfter davonkommen und dass jemand anders die Folgen trägt. Alle wissen, dass Tun und Ergehen nicht immer zusammenhängen. Aber alle wissen, dass, wenn es gerecht zugehen soll, das eigentlich so sein muss. Die Zukunft im Alten Testament wird oft so beschrieben und mit Gott in Verbindung gebracht und mit dieser Hoffnung, Gott möge dafür zuständig sein, dafür einstehen, dass dieser Zusammenhang nicht zerbricht und Gerechtigkeit erhalten bleibt. Der Zusammenhang von Tun und Ergehen ist folglich nicht irgendwie blauäugig oder ein Ausdruck von Naivität, sondern die Überzeugung, wie Gottes Gerechtigkeit sein sollte. Es ist also nicht unbedingt eine Beobachtung, sondern auch eine Glaubensaussage und auch eine Zukunftsansage. Und wenn man jetzt bedenkt,
dass es in der Bibel eben oft gar nicht um Einzelne geht, sondern um Familien, um Völker, um Stämme, also um kollektive Größen, dann spiegelt sich darin auch noch die Erfahrung, dass oft das Verhalten, das Handeln weniger einen Schaden anrichtet, den dann alle tragen und der dann die Zukunft der ganzen Gruppe bestimmt. In Jesaja 1 klingt das darin an, dass als erstes die Stadt als Ganze betroffen ist. Die muss geläutert werden, die muss gereinigt werden, bevor die Ungerechten sozusagen ausgeschieden oder ausgeschmolzen sind. Und bei einem so späten Text wie unserem Kapitel, da sind jetzt konkrete Kriegserfahrungen wahrscheinlich schon ein paar Jahrzehnte her. Und trotzdem klingen sie noch an. Feuer, Zerstörung gegen die ganze Stadt gerichtet, das kennen manche noch. Sie können das so ein bisschen zurückrechnen, wenn so ein Krieg 50 Jahre her ist. Das ist lang, aber noch nicht ewig. Und während aber in Jesaja sind jetzt fast zwei
verschiedene Zukunftsansagen für die Stadt als Einzelne und für die Stadt als Ganze und für die Täterinnen und Täter angekündigt. In älteren Texten, da ist diese Erinnerung, dass die Schuld Einzelner die Gemeinschaft trifft, noch wesentlich präsenter. Da ist oft noch viel deutlicher, dass die Zukunft aller eben davon betroffen ist, was die Führenden oft getan haben. Ich fasse zum Abschluss dieses ersten Textes nochmal die wichtigen Punkte zusammen. Eine Zukunftsankündigung wie die in Jesaja 1 klingt erst mal bedrohlich. Wehe heißt es im Text. Ich werde mich an meinen Gegnern rächen und an meinen Feinden werde ich Rache nehmen. Die Ankündigung argumentiert mit dem Zusammenhang von Tun und Ergehen. Denen, die Schuld tragen, wird die Zukunft Vernichtung bringen, so die Ankündigung, dem Rest aber Gerechtigkeit. Der Maßstab für all
das sind Recht und Gerechtigkeit und die Treue zu Gott. Und das wird untrennbar zusammengedacht. In den Unheilsankündigungen der biblischen Prophetenbücher kann man also meistens annehmen, dass dieses Unheil teilweise schon eingetreten ist, teilweise schon die Gegenwart bestimmt. Es geht also nicht um eine Zukunftsschau, sondern um eine kritische Betrachtung der gegenwärtigen Verhältnisse, dass jetzt die Ankündigung zeigt, wohin das führen wird und will damit vor allem eben diese Umkehr, diese Verhaltensänderung bewirken. Das ist das erste biblische Modell, wie man mit Zukunft umgehen, wie man sich verhalten kann zur Zukunft und dabei die Verbindung von Gott mitdenkt. Was bedeutet jetzt Zukunft in solchen Texten? Befürchtung, Erwartung, Hoffnung, Auseinandersetzung mit den Folgen des eigenen Handelns, des Handelns in der eigenen
Gesellschaft, Generation. Texte wie diese lenken den Blick auf die Folgen des Handelns, aber auch auf die Opfer dieser Folgen. Und hier nimmt die prophetische Rede durchaus soziale und auch Geschlechterunterschiede auf. Die prophetischen Texte bringen in die Zukunftserwartungen aber ein, dass Gott Teil dieser Entwicklung ist und dass Gottesgerechtigkeit eine Rolle spielen wird. Für mich ist dieses Muster gegenwärtig hilfreich, wenn ich über den Klimawandel und die drohenden Folgen nachdenke. Und zwar, weil es Zusammenhänge von Verantwortung und Konsequenzen mitbedenkt und deutlich macht, weil es die Unterschiede zwischen Tätern, Täterinnen und Opfern nennt und weil es mich auch zwingt, auch über kommende Generationen, über die Folgen für kommende Generationen nachzudenken. Was den Krieg in der Ukraine angeht, finde ich es weit schwieriger,
war weit komplexer. Auch da finde ich diesen Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen und Gottes Zuständigkeit für diesen Zusammenhang hilfreich. Es hilft mir allerdings auch, wenn ich mir klar mache, dass die Leute, die solche Texte geschrieben haben, auch oft nicht wussten, wie die Zukunft weitergehen soll, auch wussten, dass die Welt eben nicht immer wie nach dem Tun-Ergehen-Zusammenhang wirklich funktioniert. Und trotzdem haben sie es von Gott erhofft, es möge so sein, es möge Gerechtigkeit herrschen. Hinter den Unheilsankündigungen steht eine zweifache Zukunftshoffnung, nämlich dass Umkehr immer wieder möglich ist und auch immer noch möglich ist, dass die Dinge sich verändern lassen, dass Menschen sich ändern können und dass Gott für Gerechtigkeit sorgen wird, auch wenn die Welt nicht so aussieht. Beides hat Jesus in seiner Verkündigung stark
gemacht, den Ruf zur Umkehr und Gottes Gerechtigkeit, die im Reich Gottes schon anbrechen soll und der einst vollendet werden soll. Und da merken sie, dass hier eben eine Linie sich durchzieht von den Texten, die ich ihnen vorstelle, in die Botschaft des Neuen Testaments. Ich komme damit zum zweiten Text. Wir bleiben noch einen Moment bei Jesaja. Es geht jetzt darum, dass eine gute Zukunft mit Gott möglich ist, auch wenn irgendwie keiner dran glaubt, dass das Wiedererwarten geschieht und wir sind im 49. Kapitel des Jesaja Buches, Verse 14 bis 21. Das ist jetzt das Gegenteil, das ist jetzt nämlich eine Heilsankündigung, so heißt es theologisch. Und da sind wir schon beim ersten Problem, weil der Begriff Heil ist heutzutage schwierig. Es gibt ihn noch als Adjektiv Heil und Kaputt, Heil und ganz. Als Nomen ist er eigentlich vor allem theologisch. Politisch hat
er als Hauptwort inzwischen ausgedient. Das heißt, die Frage, wie würden Sie Heil für die Zukunft beschreiben, ist gar nicht so einfach. Eine gute Zukunft, eine glückliche Zeit. Heil könnte bedeuten, dass es allen gut geht, dass alle gut aufgehoben sind, dass Gerechtigkeit und Friede herrschen, beieinander, bei Gott. In den sogenannten Heilsankündigungen im Jesaja Buch, da wird eine heile, eine gute Zukunft angekündigt. Und das Gute liegt darin, in diesen Texten, dass Gott und die Angesprochenen überhaupt wieder in Beziehung treten können. Aus diesen Texten kann man raushören, dass die Angesprochenen das anders sehen. Also dieser Zwiespalt, den es vermutlich auch damals gab in der Gesellschaft, der ist in diesen Texten ziemlich gut hörbar. Die Angesprochenen haben, so klingen die Texte, nicht mehr dran geglaubt, dass die Lage sich bessert und eine Beziehung
mit Gott vielleicht auch eigentlich aufgegeben. Ich lese Ihnen wieder ein Stück aus dem Jesaja Buch, aus dem 49. Kapitel, Verse 14 bis 21. Zion sprach, Verlassen hat mich Adonai, der Herr hat mich vergessen. Vergäße eine Frau ihren Säugling ohne Erbarmen das Kind ihres Mutterleibes? Selbst wenn diese doch vergäße ich aber, ich vergesse dich nicht. Sieh, in die Handflächen habe ich dich eingezeichnet, deine Mauern sind vor mir immerzu, deine Erbauer sind hergeeilt, die dich zerstört und verwüstet haben, werden von dir abziehen. Hebe deinen Blick ringsum und sie, sie alle haben sich versammelt, sind gekommen zu dir. So wahr ich lebe, spruch Adonais, ja du wirst sie alle wie Schmuck anlegen und sie umbinden wie eine Braut. Ja, deine Ruinen und deine Verwüstung und das Land deiner Zerstörung. Ja, jetzt bist du
zu eng für die Einwohnerschaft. Es entfernen sich, die dich zugrunde gerichtet haben. Die Kinder deiner Kinderlosigkeit werden dir noch in den Ohren liegen. Zu eng ist mir der Ort, mach mir Platz, ich will hier wohnen. Und du wirst sagen in deinem Herzen, wer hat mir diese geboren? Ich war kinderlos und unfruchtbar, vertrieben und verlassen und diese, wer hat sie großgezogen? Siehe, ich war allein übrig, diese, wo waren sie? Sie haben es vielleicht schon gemerkt, beim Hören dieser Text ist es fast wie ein dramatischer Dialog, fast wie auf der Bühne. Zion Jerusalem hat zuerst das Wort, den Rest des Abschnitts antwortet dann Adonai in einer prophetischen Rede, nimmt aber immer wieder
Zitate Zions auf. Zion wirft Adonai vor, sie verlassen zu haben, wie eine Mutter ihr Baby. Und Adonai antwortet mit der Versicherung, er sei zuverlässig, selbst wenn diese doch vergesse, ich aber ich vergesse dich nicht. Und der ganze folgende Text ist dann an die Stadt Frau Zion gerichtet, die Adonai vorher angeklagt hat. Der Text vermittelt und zwar wieder in sehr vielen Bildern beides, nämlich die Zusagen für eine gute hoffnungsvolle Zukunft und zugleich aber auch den Eindruck, wie desolat die Situation möglicherweise war. Das Setting dieses Textes, dieses dramatischen Dialogs, das ist Jerusalem nach der Eroberung, nach der Zerstörung durch die Babylonier und zwar gegen Ende dieser sogenannten Exilszeit. Es ist eine zerstörte, eine verlassene Stadt, auch wenn der Text selber jetzt wahrscheinlich später und rückblickend
geschrieben ist, aber das ist so das Setting des Dialogs. Die Gottesrede setzt jetzt gegen diese Wahrnehmung der Lage, eine ganz andere Zukunftsaussicht, behauptet nämlich, dass eigentlich schon fast die Gegenwart sei, fast schon Wirklichkeit sei, was hier dargestellt wird. Gott versichert dieser zerstörten, dieser verwüsteten Stadt, dass die Zerstörer schon abziehen und der Wiederaufbau unmittelbar bevorsteht. Zion soll selber sehen, sagt die Rede, so als hätte Zion bisher einfach nicht richtig hingeschaut, nicht wahrgenommen, was um sie her geschieht. Und Sie haben es vielleicht auch beim Lesen vorhin gemerkt, im Text sind sogar die Sätze teilweise kaputt. Die brechen einfach ab und spiegeln damit diese zerstörte, diese Ruinen Situation auch noch wieder. Es ist also nicht so eindeutig, was Zion da sieht, wenn sie die Augen hebt und sich umschaut. Diese angeblichen Massen von Wiederaufbauhelfern oder eben eine trostlose
Nachkriegsruinenstadt, in der noch nicht sicher ist, ob die Verwüster und Zerstörer wirklich weg sind. Gegen Zions Wahrnehmung der Lage setzt der Text jetzt die Ankündigung einer Zukunft, die angeblich schon angefangen hat. Zion hat den Eindruck, sie sei Gott verlassen und Gott hält dagegen, dass Gott selbst Zion nie vergessen hat, dass Ende von Bedrohung und Gewalt, der Wiederaufbau stehen unmittelbar bevor und so viele Bewohner, Bewohnerinnen kommen jetzt zurück, dass es zu eng wird. Der Text lässt ahnen, dass das Gegenüber, also die Adressatinnen und Adressaten dieses Textes, davon nicht unbedingt überzeugt waren. Und wir sehen uns wieder jetzt im nächsten Schritt genauer die Bilder an, mit denen das jetzt ausgedrückt wird und die haben diesmal sogar noch mehr mit Gender, mit Geschlechterrollen zu tun. Es geht wieder um die Stadt als Frau, die kennen sie jetzt schon aus dem vorigen Text. Und hier geht es ganz stark um den Gegensatz zwischen der Kinderlosen
und der Mutter. Die Stadt als Frau ist das Motiv, das den ganzen Text bestimmt, aber die Bilder, die wechseln schneller, als man gucken kann in diesem Text. Das ist typisch Jesaja übrigens. Zion fühlt sich gottverlassen wie ein Säugling, von seiner Mutter verlassen. Im nächsten Vers, wenige Verse später, sie ist die zerstörte und verwüstete Stadt oder aber die zergründegerichtete, verwüstete Frau. Beides wird im alten Testament über Frauen und über Städte vor allem im Krieg gesagt. Sie ist die Stadt, die wieder aufgebaut wird, die sich schön macht wie eine Braut. Sie ist auf einmal die Mutter vieler Kinder, obwohl sie kinderlos war und es werden dann gleich mehrere Gründe dafür aufgezählt. Sie war unfruchtbar, vertrieben, verlassen, allein. Und wieder erinnere ich daran, diese Bilder stammen aus einer bestimmten Zeit, aus der Antike, dem alten Israel, dem alten
Orient. Und wir werfen einen Blick auf die Gesellschaft dieser Zeit, um das besser zu verstehen oder einzuordnen. Die traditionelle Rolle einer Frau damals war Mutter und Ehefrau, auch wenn natürlich auch damals nicht alle diesem Ideal entsprochen haben. Unfruchtbarkeit und Kinderlosigkeit waren deshalb für Frauen ein großes Problem, denn Kinder bedeuteten soziales Ansehen und für Frauen noch mehr als für Männer auch Altersvorsorge. Eine vertriebene oder verlassene Frau entsprach im allerweitesten Sinne etwa einer Geschiedenen. Ohne soziales Ansehen, oft unversorgt, musste sie sehen, wovon sie leben konnte. Es gab aber auch damals Frauen, die Berufe hatten und etliche hatten jedoch als Geschiedene nur die Möglichkeit, wie die Witwe zur Familie zurückzukehren, wenn sie da willkommen waren oder bei der Familie zu bleiben oder sie waren wirklich bitter, bitter arm. Und das alles, kinderlos, unfruchtbar, vertrieben, allein,
verlassen, das zählt sie und auf und sie ist einsam übrig geblieben. Und hinter dieser ganzen Vorstellung der Kinderlosigkeit, da steht jetzt vermutlich die Nachkriegserfahrung einer massiv dezimierten Bevölkerung in Jerusalem. Nach dem Krieg durch die Babylonier, viele sind umgekommen in dem Krieg, viele sind geflohen und viele wurden verschleppt. Das heißt, Jerusalem war erst mal ganz verlassen und dann einfach sehr, sehr leer. Und plötzlich, so der Text, ist alles voller Kinder, ihrer Kinder, so viele, dass der Platz nicht ausreicht. Und hier sehen Sie jetzt wieder diese Durchsichtigkeit der Bilder zwischen Stadt und Frau. Die Frau in einer Zeit, in der viele Kinder haben, was Gutes war und die Stadt, die eben Bewohnerinnen und Bewohner gebraucht hat. Der Kontext des Krieges, der Eroberung, der Zerstörung, der klingt hier immer wieder an, aber er wird jetzt nicht mehr ausdrücklich genannt. Die Täter bleiben in dieser Ankündigung
eigentlich am Rande. Sie werden mehr erwähnt, als dass sie benannt werden. Es liegt nahe, dass es im Zusammenhang des Krieges um Männer gegen Soldaten, Eroberer, Plünderer, Vergewaltiger, das hat sich bis heute nicht grundsätzlich geändert. Und wieder ist die Stärke der Rede von der Stadt und als Frau und der Frau als Stadt, dass hier diese emotionale Dimension ganz stark wird. Wie schwierig die Lage war und wie wenig überzeugend wohl die Ankündigung war, das wird meiner Meinung nach in diesem Text sehr gut ausgemalt. Das Problem ist wieder, dass der Text mit Frauenbildern und deren Wertung arbeitet, die heute so nicht mehr gelten. Braut und Mutter als positive Erwartungen und im Gegensatz dazu die Kinderlose und Geschiedene als Bild der hoffnungslos igkeit. Das ist heute anders. Das Leben als Geschiedene, als Verwittete, als Kinderlose und
als Singles, das kann heute ebenfalls glücklich und heil sein. Das Bild der Vergewaltigten, der zu Grunde gerichteten Frau im Krieg, das ist leider bis heute aktuell. Allerdings werden in diesem Text auch damit die Opfer des Krieges allein als weiblich deklariert und wir wissen heute, dass auch das nicht stimmt. Sie haben also hier wieder einen Einblick in die Herkunft der sprachlichen Bilder bekommen und so ein bisschen gemerkt, wie die wirken, also stark emotional. Und dadurch wird wieder besser verständlich, was das soll, also was das auch soll, um diese Zukunft anzukündigen. Und ich komme zurück zur Zukunftsankündigung. Der Textabschnitt unterscheidet sich vom Vorigen im Hinblick auf die Zukunftserwartung und zwar ganz grundsätzlich. Bemerkenswert ist der Anfang des Textes. Hier geht es nicht um Schuld und Verantwortung, sondern hier klagt Zion als Stadt Gott an. Da ist jetzt sozusagen die Anklagerichtung umgedreht.
Und es geht nicht um die Schuld Zions, sondern es geht um Gottes Verantwortung für die Gegenwart und Vergangenheit. Das ist typisch für diese Texte, die späteren Texte im Jesaja-Buch, aber dass eine weibliche Stimme Gott so ausdrücklich anklagt, das ist ganz selten in der Bibel. Das ist wirklich ungewöhnlich. Die Zukunftserwartungen, die sollen mit diesem Text erst geweckt werden. Und dafür sind jetzt zwei Strategien in der Kommunikation erkennbar. An manchen Stellen wird versichert, dass es so kommen wird, ganz, ganz bestimmt, wie versprochen. Hier wird also angekündigt, was die Adressatinnen und Adressaten sich gar nicht so richtig vorstellen können. Teilweise klingt das auch nicht logisch. Es ist noch nicht so, aber es wird so kommen, sagen die Texte. An anderen Stellen, da erwägt die Rede den Eindruck, als wäre es schon so. Es
hat schon angefangen, man muss nur genau hinschauen. Und da ist schon viel Überzeugungskraft nötig und deswegen wird immer wieder betont, wie zuverlässig Gott ist. Ich fasse also kurz zusammen, worum es in diesem zweiten Textabschnitt ging. Die Kommunikation in diesem Text, die kreist umzieren, umziehens Beziehung zu Gott und sie soll ermutigen, sie soll trösten und sie soll vor allem den Blick wieder weiten. Das Ganze kann man als eine Zukunftsankündigung für Desillusionierte lesen. Nachdem alle Institutionen, alle Strukturen, die einst mal als sicher galten, weggebrochen sind. Und Gott wird als der Garant für diese gute Zukunft dargestellt. Das hängt aber in diesem Text alles an einer stabilen Beziehung zu Gott. Und die soll jetzt wieder möglich werden. Der Text arbeitet ganz stark mit Kontrasten von erlebter Gegenwart und angeblich bereits sicherer
Zukunft. Die Stadtfrau-Metaphorik, die vermittelt wieder diese emotionale Dimension der Anklagen und Ankündigungen. Wenn wir in die Gegenwart schauen, dann wäre für mich hier nötig, nach neuen Bildern zu suchen, die diese Emotionen auch vermitteln, aber unserer Gesellschaft, unserer Zeit angemessener sind. Ich hatte ja gesagt, ich stelle Ihnen biblische Modelle vor, mit der Zukunft umzugehen. Was ist also das jetzt für ein Modell, diese Heilsankündigung? Für mich strahlt sie großes Gottvertrauen aus. Allerdings das Gottvertrauen der Sprecher, nicht der angesprochenen. Die wirken weniger überzeugt. Und das hat für mich was Entlastendes. Es macht nämlich deutlich, dass es auch schon immer Leute gab, die sich nicht vorstellen konnten, wie es weitergehen soll. Die sich nicht vorstellen konnten, dass Gott wirklich noch da ist, wenn alles, was sie
gekannt haben, nicht mehr gilt, nicht mehr funktioniert, nicht mehr weitergeht. Und angesichts der Umbrüche, die gesellschaftlich zurzeit erkennbar sind, die manche von Ihnen, von uns erleben, angesichts der großen Umbrüche, die ich zum Beispiel in der Kirche im Moment wahrnehme, da bin ich eigentlich ganz froh um solche Bilder, die vermitteln, ja, da gab es immer schon Leute, die wussten auch nicht, wie das gehen soll. Und die Texte vermitteln die Möglichkeit oder das Modell zu glauben, dass die Zukunft gut wird und dass da schon ein Anfang gemacht ist. Das wäre meiner Meinung nach die Konsequenz aus solchen Heilsankündigungen. Das kann man blauäugig nehmen. Wenn man sich aber klar macht, dass alle prophetischen Texte eigentlich immer die Gegenwart in den Blick nehmen, dann kann es auch befreien, nämlich die Zukunft jetzt schon im Lichte Gottes auch in Angriff zu nehmen. Ich habe Ihnen also ein erstes Modell vorgestellt,
über biblisch über Zukunft zu sprechen. Das war die Unheilsankündigung mit dem Tun-Ergehen- Zusammenhang und dem Fokus auf Gottes Gerechtigkeit. Da war das Thema Umkehr zentral. In diesem zweiten Modell jetzt der Heilsankündigung ging es um Gottes Versprechen einer guten heilen Zukunft, die die Wahrnehmung der Gegenwart schon verändern kann. Und das dritte Modell, das ich Ihnen jetzt noch vorstelle, ist eigentlich gar kein Zukunftsmodell. Es ist eigentlich viel mehr ein Text, in dem es darum geht, wie die Gegenwart aussehen soll, tut sie aber nicht. Und hier gehe ich jetzt ins Neue Testament zu Paulus. Paulus hat in seiner Tätigkeit und in seinen Briefen Vorstellungen entwickelt, wie Gemeinde Jesu Christi aussehen soll. Die Frage ist bei dem, was er da entwirft, ist das unmöglich oder ist das utopisch? Und das ist ein Unterschied, der hat seinen Grund. Es geht um einen ganz bekannten Text. Es geht um den Brief an die
Gemeinde in Galatien, den Galaterbrief, Kapitel 3, die Verse 26 bis 29. Paulus geht es um die Einheit in Christus. Das ist eine Formulierung, die Paulus ganz häufig verwendet, die aber eigentlich ziemlich kompakt ist. Die muss man sich immer erst mal erschließen. In diesem Abschnitt im Galaterbrief spricht Paulus, wie gesagt, nicht eigentlich über die Zukunft. Er spricht über einen erwünschten Gegenwartzustand, den er aber, bisschen wie im vorigen Text, gegen die erlebte Realität setzt. Also wieder dieser Kontrast zwischen, wie erleben Leute ihre Zeit und wie soll es denn sein. Der Brief und auch das, was wir über die Zeit wissen, zeigt, dass Paulus Vorstellungen von einer Gemeinschaft von Christus Anhängerinnen und Anhängern ziemlich im Gegensatz stand zu dem, was damals üblich, auch was damals wichtig war. Und ich lese aus dem Brief an die Gemeinde in Galatien im dritten Kapitel, wieder aus der Zürcher Bibel. Denn ihr seid alle Söhne und Töchter
Gottes durch den Glauben in Christus Jesus. Ihr alle nämlich, die ihr auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen. Da ist weder Jude noch Grieche, weder Sklave noch Freier. Da ist nicht männlich noch weiblich. Denn ihr seid alle eins in Christus Jesus. Wenn ihr aber Christus gehört, dann seid ihr Nachkommen Abrahams und gemäß der Verheißung seine Erben. In diesem Abschnitt, ja im ganzen Brief, kämpft oder argumentiert Paulus gegen andere jüdische Christus Anhängerinnen und Anhänger, die wohl ganz selbstverständlich davon ausgegangen sind, dass alle, die zur Gemeinschaft gehören, auch die jüdischen Regeln befolgen müssen. Im Galaterbrief geht es dabei vor allem um die Beschneidung an anderen Stellen, auch um Speise- und Reinheitsgebote. Und da muss man sich jetzt klarmachen, wir sind in der Geschichte des Christentums wirklich früh. Wir sind in den
50er Jahren des ersten Jahrhunderts, also wenige Jahrzehnte nach dem Tod Jesu Christi, nach der Auferstehung. Und die Christus Anhängerinnen und Anhänger, die waren eine art jüdische Sekte oder Sondergruppe. Ein Christentum in dem Sinne gab es noch gar nicht. Das kam erst. Und von daher ist es gar nicht so erstaunlich, dass die, die aus dem Judentum heraus sich jetzt zu Christus bekannt haben, selbstverständlich davon ausgegangen sind, dass man die Regeln weiter befolgt, wie seit Jahrhunderten. Jetzt gab es aber andere, die kamen aus den sogenannten Völkern, also nicht aus Israel, die kamen aus griechischen, römischen Kulten und für die gab es kein Früher, indem sie die jüdischen Regeln schon befolgt hatten. Und es war Paulus großes Anliegen, das zusammenzubringen. Für die Jüdinnen und Juden waren Beschneidungen, Speisegebote, Reinheitsgebote, sogenannte
Identitätszeichen, Identity Marker, die in der Exilszeit entstanden sind. Das ist was, das kann man überall machen, auch ohne Tempel, auch ohne eigenes Land und immer noch. Damit zeigen, wir gehören zu unserem Gott. Und das hat aber natürlich auch immer was mit Grenzen zu tun, mit Abgrenzung. Wir grenzen uns ab. Und Paulus ging es eben um diese Grenzen. Und er begründete seine Vorstellung, warum diese Grenzen nicht nötig sind innerhalb der Christusgemeinschaft. Und zwar begründete er das dreifach. Ich will also wieder mit Ihnen den Text nochmal genauer anschauen. Also sein erstes Argument, alle angesprochenen sind Kinder Gottes, also Töchter und Söhne Gottes, und schon deshalb gehören sie alle zusammen als Geschwister. Und das führt er jetzt in unserem Kapitel gar nicht so sehr aus, sondern hier argumentiert er, ganz Theologe, von der Schrift her, von der Thora. Im ersten Buch Mose, in der Genesis, im zwölften Kapitel, da sagt Gott zu
Abraham, segnen will ich dich, die dich segnen. Wer dich aber schmäht, den will ich verfluchen. Und Segen sollen durch dich erlangen alle Sippen der Erde. Das heißt, über Abraham können alle Völker, auch die Nichtjüdinnen, die Nichtjuden zu Gott gehören. Und von Abraham heißt es, er glaubte Gott. Steht auch in der Genesis, im ersten Buch Mose. Und damit wird jetzt der Weg für Menschen aus allen Völkern, solche wie uns übrigens, wird es möglich zu Gott zu kommen, an Gott zu glauben. Und hier können Sie sehen, dass Paulus eben wirklich ein jüdischer Schriftgelehrter war, der seine Schriften sehr gut kannte und das, was ihm so wichtig war, höchst intelligent und hieb- und stichfest an der Schrift argumentiert hat. Das ist also der zweite Teil des Arguments. Und dann zum Abschluss kehrt er noch mal zu den Kindern zurück und sagt, alle sind Erben Abrahams
und Erben von ihm die Verheißung. Und durch diese Argumente, man könnte fast schon sagen, durch diesen Kniff können jetzt alle, auch die Nichtjüdinnen zu Gott gehören. Eine Sache ist dabei ganz wichtig. Es geht Paulus um eine Weitung, um eine Öffnung, dass die Jüdinnen und Juden zu Gott gehören. Das stellt er nirgends in Frage. Also hier wird niemand abgelöst, sondern es geht wirklich darum, wer noch dazugehören kann. Alle können also Kinder und Erben Gottes sein. Und dann kommt ein weiteres bildhaftes Argument dazu. Alle angesprochenen sind Getaufte und haben Christus angezogen. Kleider machen Leute und entsprechend hier alle Christinnen und Christen tragen das Gleiche und unterscheiden sich dadurch schon mal nicht. Sie sind also alle gleich. Die Grenzen, die in der Welt gelten, Kleider machen Leute, die gelten hier nicht, die werden dadurch übertrumpft sozusagen. Christuszugehörigkeit sticht. Dieser Text arbeitet auch mit Bildern
und es geht wieder weniger stark. Es geht um Geschlechterrollen. Denn hier kommt jetzt diese ganz berühmte Aussage, da ist weder Jude noch Grieche, weder Sklave noch Freier, da ist nicht männlich und weiblich, denn ihr seid alle eins in Christus Jesus. Alle Zugehörigkeiten mit den Grenzen, die sie in der Gesellschaft, in der Religion, in der Familie mit sich bringen, die sollen in Christus aufgehoben werden. Und diese Argumentation im Galaterbrief, die bezieht sich jetzt auf die jüdisch-griechische Grenze, wobei klar war, dass es auch viele griechische Jüdinnen und Juden gab. Aber Paulus geht es eben um die, die keine Jüdinnen waren und die, die aus dem Judenturm kommen. Nicht Jude, nicht Grieche, das umfasst als ein sogenannter Märchismus die ganze Welt. Ein Märchismus, das kennen sie, wenn ein Schiff mit Mann und Maus untergeht, heißt alles. Das heißt nicht Jude, nicht Grieche, heißt alle. Sie alle gehören dazu. Das heißt, das Trennende,
das in Jesus Christus aufgehoben ist, das betrifft beide Seiten. Bei den Juden die Grenze zu den Völkern und bei den Griechen geht es um die Kulte für andere Gottheiten. In den Briefen wird deutlich, dass in den Gemeinden, das war eine Stärke dieser jungen Christusbewegung, da kamen Menschen aus allen sozialen Schichten zusammen und das war im römischen Reich ganz ungewöhnlich. Die hatten sonst nichts miteinander zu tun. Sklavinnen, Sklaven und Freie, das bedeutet, in diesen Gemeinden, da war eine Freiheit möglich, auch wenn die Realität in der restlichen Welt ganz anders aussah. Die Meinungen gehen auseinander, wie weit Paulus damit auch Forderungen für die gesamte Gesellschaft gestellt hat. Auf alle Fälle war das die Folge, dass es auch Forderungen für die ganze Gesellschaft daraus entstanden sind. Aus Paulus' Briefen geht außerdem hervor, was inzwischen auch sonst gut belegt ist. In diesen frühen Gemeinden haben Frauen und Männer Leitungsaufgaben übernommen,
Gemeinde organisiert, geleitet, Dinge möglich gemacht. Und daher die Formulierung, nicht männlich, hier war es möglich, auch traditionelle, auch im römischen Reich sehr feste Geschlechterrollen zu überschreiten. Und es ist sicher kein Zufall, dass Paulus hier die Adjektivformulierung verwendet, männlich und weiblich. Ich habe es vorhin selber falsch vorgelesen. Da steht männlich und weiblich und das steht nämlich auch im Schöpfungstext. Im ersten Mose, da steht Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie. Und Paulus selber schreibt dann weiter hinten in dem Brief, hier ist neue Schöpfung. Also wieder ganz der Theologe macht er deutlich, in diesen Christusgemeinden ist Schöpfung wirklich nochmal neu entfaltet und dieses Einssein in Christus, das ist ein Merkmal dieser neuen Schöpfung. Es ist ziemlich überzeugend,
finde ich, dass Paulus Vision von dieser Art von Gemeinde von Anfang an eben auch in die Gesellschaft, in diese stark hierarchische römische Gesellschaft gewirkt hat. Ist also die Frage, ist das jetzt eine Zukunftsvision? Im Gallaterbrief wird deutlich, dass Paulus für die Christengemeinden insgesamt eine Zukunft entwirft, in der die üblichen Trennungen nicht gelten. Er steht damit im Widerspruch zu dem, was damalige Welt sozial geprägt hat, nämlich das Römische Reich. Da war die Zugehörigkeit extrem wichtig. Man lud die Leute ein, die irgendwie auf der gleichen Schicht waren oder wichtiger waren. Man gehörte zu bestimmten Gruppen und es war ausgesprochen wichtig, das auch festzulegen, dass bestimmte den sozialen Status, statusübergreifende Kontakte waren ungewöhnlich oder sonst eben von der großen Hierarchie geprägt, dass jemand sich dem anderen unterordnet. Ja, und das galt auch für Geschlechterrollen. Und auch aus dem Judentum
wissen wir aus den Briefen des Paulus, dass doch die Frage, wie man jetzt mit den anderen umgeht, also mit den Christusanhängerinnen, die keine Juden waren, dass auch das ein Problem waren. Also auch da die Frage, wie sehr kann man über diese Grenzen gehen? Immer wieder in der Antike die Frage, wer darf mit wem essen? Und Essen war eben schon, wir kennen das wahrscheinlich, Essen ist was, das ist gesellig, da wird aber auch Kontakt hergestellt, Netzwerken funktioniert so und das war im Römischen Reich ganz extrem, dass Geschäfte auch da gemacht wurden. Also diese Frage, wer darf mit wem? Im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth, da werden verschiedene soziale Gruppierungen auch benannt und da wird deutlich, dass auch das eben nicht einfach war, wenn die einen beim Abend mal sich satt essen und tafeln und bis die anderen von der Arbeit kommen, sind die ersten schon betrunken, salopp gesagt. Das zeigt, dass eben soziale Spannungen auch innerhalb dieser Gemeinden
ein Problem waren. Und dagegen sagt eben Paulus, in Christus sind Unterschiede, soziale Unterschiede, Volkszugehörigkeit, Religion, geschlechtsspezifische Unterschiede, das ist alles da drin aufgenommen, aufgehoben, im wahrsten Sinne des Wortes, so wie wirklich gut aufgehoben. Die Gemeinde, die Paulus hier entwirft, die ist visionär. Sie fordert alle auf, über ihre Grenzen zu gehen und sie wissen selber, das ist immer für manche leichter als für andere, auch für manche attraktiver als für andere. Paulus erwartet es aber von allen und der begründet es wieder streng theologisch, also mit der Schrift und der argumentiert hier sehr leidenschaftlich. Ich fasse auch das noch ganz kurz zusammen. Paulus entwirft die christliche Gemeinde mit utopisch visionärem Charakter, würde ich sagen. Doch die Briefe mit ihrer Dringlichkeit und auch die Beispiele, die er in den Briefen so bringt, die zeigen, teilweise ist das schon verwirklicht, sozusagen Best Practice
Beispiele gibt es schon, trotz der großen Widerstände in der Gesellschaft außenrum. Das, was Paulus da macht, das könnte man heute als eine christlich-theologisch begründet Diversität nennen, Diversity, die bei Paulus Gender, soziale, ethnische und religiöse Kategorien umfasst. Heute würde man auch noch weitere dazu rechnen. Disability, Behinderung ist eine so eine Kategorie oder alter. Paulus argumentiert klar theologisch, das gefällt mir sehr gut und die Unbedingtheit, mit der er das hier vorstellt, die finde ich faszinierend. Das ist eine Haltung zur Zukunft, die ich wirklich attraktiv finde und die macht deutlich, dass visionär utopisch eben nicht unmöglich bedeutet. Und damit komme ich zum Schluss und dann auch noch mal in die Gegenwart. Ich habe in dem Durchgang drei Modelle vorgestellt aus der Bibel, sich zur Zukunft zu verhalten. Das
erste die prophetische Unheilsankündigung, die Zukunft verbunden sieht mit gegenwärtigen Handeln, die davon ausgeht, dass Gott Konsequenzen folgen lässt. Und der Maßstab für all das sind Gottes Recht und Gerechtigkeit und die Treue zu Gott. Frauenleben, Frauenbilder kommen da in unterschiedlicher Weise vor. Zukunftsängste, Zukunftsbefürchtungen der Gegenwart finden in solchen Texten auch heute ihr Echo. Die Frage, ob Gott eigentlich wirksam in der Geschichte ist und wenn ja, wie eigentlich, die entzündet sich an solchen Texten immer wieder. Das zweite Modell ist die Ankündigung der heilvollen guten Zukunft, die vermutlich aber im Gegensatz zur aktuell erlebten Situation stammt. Der Dreh- und Angelpunkt der Argumentation ist die stabile Beziehung zu Gott, die nämlich für die Angesprochenen möglich ist. Für die Gegenwart, für heute,
sich parallelen in diesen fiktiven Angesprochenen. In Zion, Jerusalem, die nämlich erlebt hat, dass bestehende Institutionen bestehende Sicherheiten wegbrechen. Wichtig finde ich, zu diesem Text aber auch zu überlegen, wie sähe Frauen Wirklichkeit heute aus, das angemessene, weniger klischeehaft zu vermitteln, was in den Texten vermittelt wird. Texte wie diese, wie dieses 49. Kapitel bei Jesaja, die regen an zu überlegen, wie heute utopisch visionäre Zukunftsvorstellungen als Kontrast zur Gegenwart aussehen könnten und welche Rolle Gottes Zuverlässigkeit darin spielt. Das dritte Modell war das von Paulus, seine Vision einer Gemeinde oder Gemeinschaft von Christinnen und Christen, in der Grenzen keine Rolle spielen. Wohlwissend, dass es diese Grenzen gibt. Gemeinden heute sind davon oft weit entfernt. Was Paulus hier vorstellt ist Diversität und die Unbedingtheit, mit der er das hier als Fakt
vertritt und verargumentiert. Das finde ich höchst ansprechend. Alle drei Texte haben gemeinsam, dass sie vor allem auf die Gegenwart ausgerichtet sind. Als Zukunftsorakel sowie das Bleigießen an Silvester sind sie jetzt alle ungeeignet. Und wie fast alle biblischen Texte handeln sie zwar von Zukunft, dienen aber nicht dazu, vorauszusagen, was nächste Woche und nächstes Jahr passiert. Sie sprechen über die Zukunft und das ist ein Merkmal der Texte, dass sie im Blick auf die Zukunft über die Gegenwart sprechen. Oder umgekehrt, dass sie deutlich machen, wenn es um Zukunft geht, dann muss man in der Gegenwart anfangen. Das andere Merkmal der Zukunftstexte ist, dass sie utopisch sind, aber nicht unrealistisch. Der Widerspruch zwischen der heilen Zukunft voller Gerechtigkeit, die Gott verspricht und der Gegenwart, die oft so ganz
anders aussieht, der ist in allen Texten zu spüren. Ich erinnere an die scharfe Kritik, die Verurteilungen der Täterinnen im Jesaja, im ersten Kapitel, die jedoch zu einer Stadt voller Gerechtigkeit führen soll. Ich erinnere daran, wie in Jesaja 49 der Stadt eine heile Beziehung mit Gott angekündigt wird und eine Stadt voller Leben, während die Stadt wohl was ganz anderes sieht. Und ich erinnere an Paulus, der die Gemeinde vor Augen hat, in der nicht Jude, nicht Grieche, nicht Sklave, nicht Freier, nicht männlich und weiblich ist und das im Römischen Reich. Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes umfasst all diese Widersprüche. Sie umfasst Zukunft und Gegenwart und zwar eine Gegenwart, die durch die Verheißung Gottes schon verändert ist, aber eben noch nicht vollendet. In der Ankündigung dieser Worthaustagung stand die Frage, welche Kraft der christliche Glaube angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten ja sogar Abgründe haben kann. Zukunftstexte wie die, die ich Ihnen hier vorgestellt habe, zeigen,
dass es immer so war. Christinnen und Christen haben bezeugt und geglaubt, dass Gottes Zukunft möglich ist mitten im Leben und mitten in einer Welt voller Widersprüche, auch Schwierigkeiten und Gefahren. Nach allem, was wir wissen, haben die prophetischen Unhalsankündigungen soziales Unrecht nicht abgeschafft, aber sie haben immer wieder dafür gesorgt, dass Unrecht als solches sichtbar wird. So wie Jesaja 49 klingt, war mit der prophetischen Unhalsankündigung nicht alle Kriegszerstörungen beseitigt, aber eine Beziehung zu Gott und eine veränderte Haltung zur Zukunft ist wieder möglich geworden. Und die Geschichtsschreibung des Römischen Reiches lässt uns wissen, dass mit Paulus Vorstellungen seiner Gemeinde ohne Hierarchien die Hierarchien der Gesellschaft weiter bestanden haben. Und trotzdem gibt es bis heute Kirchen, Gemeinden,
Christinnen und Christen, die ein christliches Leben in gleichberechtigter Vielfalt leben und möglich machen. Die Kraft solcher biblischen Zukunftstexte entfaltet sich schon in der Gegenwart und zwar, weil sie eine Perspektive für die Zukunft bieten. Und ich wünsche Ihnen und uns allen, dass die Geistkraft Gottes diese Wirkung entfalten möge, unter uns hier heute am Pfingsten und dann auch, wenn Sie, wenn wir alle wieder nach Hause gehen. Ich danke Ihnen.
Zukunft | 13.6.1
Da wird ein geliebter Mensch schwer krank, ein Kind stirbt, der Partner trennt sich, die Firma geht pleite – manchmal stürzt uns das Leben in tiefe Verzweiflung. Wie kann es dann weitergehen? Was sollen wir tun, wenn es keine Ausweg zu geben scheint? Gibt es noch Hoffnung darauf, dass das Leben irgendwann wieder leichter wird? Für Christen haben diese Fragen nach der Zukunft auch immer mit Gott zu tun. Antworten suchen sie häufig in der Bibel. Die Theologin Uta Schmidt blickt auf die Zukunft, die uns allen bevorsteht, die für manche beängstigend, für andere verheißungsvoll ist, die aber kein Mensch kennt. Diese Gefühle angesichts der Zukunft kannten natürlich auch die Menschen in den Jahrtausenden vor uns, von ihnen erzählt auch die Bibel. Anhand dreier Bibeltexte erklärt Schmidt, was es bedeutet, wenn in der Zukunft Unheil angekündigt wird, wenn Gott eine gute Zukunft verspricht und wenn die Zukunft so ganz anders aussehen soll als die Gegenwart.
Als Professorin für Feministische Theologie blickt Schmidt bei der großen Frage nach Zukunft auch immer auf die große Frage danach, wie Frauen in der Bibel dargestellt werden. Und natürlich, welche Parallelen diese Texte und ihr Bild der Geschlechter zu unserer Gegenwart haben.