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Das Gebet Das Gebet. Das Gebet gibt es in allen Religionen, in allen Völkern. Der Mensch betet. Beten ist nichts Konservatives und Beten ist nicht fromm. Beten ist der Ernstfall des Glaubens. Man kann nicht Jude sein oder Christ sein oder Muslime sein, ohne zu beten. Das ist völlig unmöglich. Wichtiger als über Gott zu reden, ist es mit ihm zu reden. Es gibt eine Dogmatik in deutscher Sprache. Es gibt viele Dogmatiken, zurzeit schätze ich mal zehn bis zwanzig Dogmatiken, meistens für Theologiestudenten geschrieben. Eine, also die beste, also auch für Sie, weil es nur ein Band ist.

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Es gibt ja auch Dogmatiken, die haben zwanzig Bände oder fünf Bände und sie kosten dann hunderte von Euros. Aber meines Erachtens die beste Dogmatik deutscher Sprache zurzeit ist von Wilfried Herle. Er war vorletztes Jahr im Worthaus dabei, hat gesprochen, war Professor für Systematische Theologie an der Universität Heidelberg, ist jetzt im hohen Stand wie ich, ich vermute wir sind ungefähr gleich alt. Und er hat ein Buch geschrieben, das heißt einfach Dogmatik und ist jetzt in der vierten Auflage. Und auch wir alle PH-Kollegen, obwohl wir große Unterschiede haben theologisch, das ist auch gut so, man lernt im Pluralismus viel mehr als wenn alle so ähnlich denken. Also was ich von meinen Kollegen gelernt und profitiert habe, weil wir uns nicht schonen und jeder von uns anders denkt. Und das bringt uns alle weiter. Diese gleichgebügelten und glattgebügelten biblischen Ausbildungsstätten,

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wo man so denken muss wie die anderen, wie soll man denn da weiterkommen. Gut, also von allen unseren Kollegen stimmen wir überein, die Dogmatik von Herle ist die beste zurzeit. Kaufen Sie sich die, Sie werden da ein Jahr brauchen, können da nicht so durchblättern, aber da lernen Sie immens. Brauchen nicht alle Kapitel lesen, sind leider viele Fremdwörter drin, aber Sie werden trotzdem, machen Sie es, mutig verwandeln. Ja, aber eine andere Dogmatik, die hat drei Bände, ist sehr teuer, ist schwer zu lesen von Gerhard Ebeling, aber sie ist super gut, eine der besten im 20. Jahrhundert. Und dieser Gerhard Ebeling beginnt mit dem Kapitel Gebet, die Bedeutung des Gebets. Und da steht drin, eine Theologie, die nicht ins Gebet führt, ist keine Theologie.

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Eine Theologie, die man studiert und danach betet man weniger als vorher, ist eine kranke und schlechte Theologie. Nur das ist eine Theologie, die ins Gebet führt und uns zum Blühen bringt. Und im Leben es sich dann so verhält, wichtiger als über Gott zu reden, ist es mit ihm zu reden. Jetzt aber konzentriere ich mich auf Beten mit Kindern. Ich konzentriere mich da auf bestimmte Dinge, also so wie ich es auch in einem religionspädagogischen Seminar an der PH öfters vorgetragen habe. Das heißt, ich werde nicht zu stark in Einzelheiten gehen, ich bin eben ein Dozent. Ich konzentriere mich mehr auf die grundsätzlichen Dinge. Erwarten Sie also jetzt nicht ein praktisches, detailreiches Training und viele Beispiele, ich versuche schon viele so zu bringen,

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aber der Schwerpunkt ist eine lehrmäßige, grundsätzliche Darstellung. Erster Baustein, Beweggründe für ein freiwilliges und befreiendes Beten. Das ist der erste Baustein. Beweggründe, also Sie können auch sagen Motivation, Motive für ein freiwilliges Beten und ein befreiendes Beten. Weil unter Gebet verstehe ich nur etwas, was man innerlich wünscht und begehrt, etwas Erfreuliches, nach dem man sich strebt. Gebet kann niemals durch Pflicht oder schlechtes Gewissen, hast du auch stille Zeit gemacht. Es gibt auch Kinderzeitschriften, ich nenne bewusst keine Namen, die gehen davon aus, dass ein Kind, ich denke da ist die Grundschulzeit gemeint, die Zeitschrift geht weniger in den Kindergartenbereich, aber Grundschulzeit und 5. und 6. Klasse.

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Also diese Zeitschrift geht davon aus, dass ein Kind jeden Tag stille Zeit macht und vermittelt auch ein schlechtes Gewissen, wenn du mal einen Tag keine stille Zeit machst, denn Gott begegnet dir vor allem in der stillen Zeit. Das ist die Zeit und ich kenne zig Jugendliche, die ihre gesamte Jugendzeit in diesen konservativ frommen Gruppen herumgelaufen sind, mit schlechtem Gewissen, allein weil sie die stille Zeit meistens nicht täglich gemacht haben. Läuft man schon bedrückt rum. Was ist das für ein plumpes Geschäft mit den Schuldgefühlen der Kinder und Jugendlichen. Man kann von Kindern und Jugendlichen heute, es gibt solche Kinder ja schon, aber dass man in einer Zeitschrift, die eine Auflage von vielen, vielen Tausend hat, dass man die Meinung einfach so unterschwellig,

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also das Normale ist, du machst jeden Tag gleich stille Zeit, sonst wirst du dich als Christ nicht richtig gut entwickeln und Gott ist auch ein Stück traurig über dich. So beginnt diese schleichende Seuche. Ein Gebet, das man aus innerem Pflichtgefühl sich verpflichtet fühlt, ist eher eine Beleidigung für Gott. Martin Luther hat einmal gesagt, die pflichtgemäße Teilnahme am Abendmahl ist eine Beleidigung für Gott. Wir sollen zum Abendmahl gehen aus Lust und Leidenschaft und beten, so hat Klaus Douglas, ein sehr guter Buchautor in der hessischen Landeskirche, Klaus Douglas hat ein Buch geschrieben, beten mit Lust und Leidenschaft. Darüber wird er in Belde in Stuttgart in dem Gospelhaus Gottesdiensten, wo ich mit engagiert bin, wird er eine Predigt halten.

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Beten aus Lust und Leidenschaft. Im Islam muss man, wenn man ein anständiger, gottgehorsamer Muslime ist, fünfmal beten. Ich bin ein Freund des Islam, habe viele Freunde und Freundinnen, die Muslime sind, habe sehr gute Erfahrungen gemacht. Es gibt natürlich auch die fürchterlichen Verbrecher, das ist eine Perversion, das hat mit Religion ja nichts zu tun. Aber es ist schon ein tiefes Problem und in diesen interreligiösen Seminaren, die ich jetzt fast zehn Jahre lang gemacht habe mit Muslime, an der PH Ludwigsburg kann man auch islamische Theologie studieren, es gibt also evangelische Theologie, katholische Theologie und muslimische Theologie. Und wir arbeiten recht eng zusammen, verstehen uns auch ganz gut. Und da haben wir darüber diskutiert, ist es gut, wenn man Pflichtgebet hat, für den Islam ist es gut.

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Muslime beten auch außerhalb dieser fünfmal, das sind dann die freien Gebete, aber sie sind verpflichtet fünfmal zu beten. Und ich habe die Muslime gefragt, auch die türkische Dozentin und andere, warum empfindet ihr das richtig so, dass man fünfmal am Tag beten sollte? Natürlich wenn man krank ist oder auf Reisen, es gibt auch schöne Ausnahmen, aber wenn man kann, soll man es. Dann sagen meine muslimischen Kommilitonen oder Studierenden, weil Gebete ja nicht nur aus Lust und Laune sein sollen, auch andere Dinge, die uns wichtig sind, gewöhnen wir uns ja auch an. Der Mensch hat so viele Gewohnheiten, auch schlechte Gewohnheiten, warum soll er nicht eine gute haben, fünfmal am Tag beten? Und sie sagen, wir machen das nicht einfach zähneknirschend aus blöder Pflicht. Schon, man muss den inneren Schweinehund besiegen, das nennt man ja Dschihad, wenn man den inneren Schweinehund besiegt

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und statt faul und bequem und träge fleißig und engagiert ist. Das ist die Grundbedeutung von Dschihad. Ja, also wir müssen schon unseren inneren Schweinehund überwinden, öfters, aber insgesamt, Herr Zimmer, sind wir glücklich und froh, dass wir in einer Religion leben, in der man fünfmal am Tag verpflichtet ist, wenn man gehor- samt zu Gott ist, zu beten. Darauf habe ich immer wieder so gesagt, aha, das nehme ich mit großem Respekt zur Kenntnis, denn faul und träge und das Gebet nur ein Luxus ist, wenn man mal Laune hat, nein, das ist auch christlich zu wenig. Ich bevorzuge aber trotzdem, dass wir keine Verpflichtung zu einer gewissen Zahl von Gebeten am Tag haben. Ich würde das nicht gut finden, ich bin froh, dass ich als Christ das nicht muss, weil ein Gebet sollte wirklich aus einer Freiheit entstehen.

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Sie würden dann sagen, ja, es ist auch eine Freiheit, wir nehmen das ja freiwillig und so. Also ich will damit nur sagen, es ist eine tiefe, komplexe Frage, sollen wir uns zu einer guten Gewohnheit disziplinieren und an Gott fünfmal am Tag intensiv denken, aus Treue und Achtung, oder setzen wir mehr auf Freiwilligkeit? Wir beten dann unregelmäßig. Ich würde überhaupt sagen, mein Gebetsleben hat sich oft stark verändert. In den letzten Jahren, wenn ich das mal einfach so sagen darf, bete ich 20, 30, 40, 50, 60, 70 Mal am Tag, aber immer nur kurz. Also so eine Kontaktaufnahme nach oben, immer mich vergewissern, gehen wir zusammen durchs Leben,

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immer wieder mal Kurzbotschaften und dann innige Bitten oder sonstige. Also fünfmal kann auch wenig sein. Also Beweggründe für ein freiwilliges und befreiendes Beten. An diese Beweggründe, die gesund sind, also in der wissenschaftlichen Religionspädagogik unterscheidet man zwischen einer gesunden Religiosität und einer kranken Religiosität. Die gibt es auch. Jesus Christus kann auf eine gesunde Weise im Mittelpunkt des Glaubens stehen und auf eine kranke Weise. Ich bin dafür, dass auf eine gesunde Weise im Mittelpunkt steht. Also es gibt Beweggründe, wo man auf eine gesunde Weise an kindliche Motive und Bedürfnisse anknüpfen kann, so dass es eine befreiende Wirkung hat und zu einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung beiträgt.

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Eine gesunde Religiosität ist nur die, die eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung fördert und nicht behindert. Also was sind das für Motive? Das erste Motiv ist das Bedürfnis eines Kindes, eine Liebe, die man empfangen hat, auch zu erwidern. Das ist ein echtes, gesundes Bedürfnis, eine empfangene Liebe zu erwidern. Dieses Bedürfnis ist sehr eng verwandt mit Dankbarkeit. Das hebräische Wort für Lieben ist kein romantisches Wort. Ich muss bei der Feindesliebe in meine Feinde nicht verknallt sein. Ich muss auch meine Feinde nicht mit romantischen Gefühlen belegen, sondern Feindesliebe ist etwas sehr Nüchternes und Aktives. Schade ihnen nicht, tue ihnen Gutes, tu was. Es geht hier nicht um romantische Liebesgefühle.

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Das Wort Lieben im Hebräischen ist erstens mal im Tun. Wer sagt, dass er Blumen liebt und sie nicht gießt, der lügt. Liebe erweist sich im Tun und ist sehr eng verbunden mit dem Gefühl der Dankbarkeit. Wenn Jesus sagt, bei dem Gleichnis mit den zwei Schuldnern, wer wird ihn am meisten lieben, könnte man auch übersetzen, wer wird am meisten dankbar sein? Der, der am meisten Schulden erlassen bekommen hat. Liebe ist in der Bibel noch nicht romantisch. Eine empfangene Liebe zu erwidern, das ist ein echtes Bedürfnis. Ich gehe jetzt mal vom Normalfall aus, dass Eltern ihre Kinder lieben und die Kinder das auch deutlich spüren. Eltern können viele Fehler machen, machen ja auch viele Fehler. Es kann auch mal Streit geben und sich die Dinge verhaken.

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Aber wenn die Chemie grundsätzlich stimmt, wenn die Kinder spüren, Papa und Mama, die freuen sich so, dass ich da bin, dann verkraften die Kinder auch viel weniger Schönes. Eltern können Folgendes bewusst kultivieren über Jahre hinweg, dass sie, wenn sie merken, dass die Kinder sich in ihrer Liebe gerade besonders wohlfühlen, geborgen fühlen, also irgendwas Schönes ist passiert. Und das merkt man ja auch, Kinder umarmen dann mal spontan die Mama und drücken ihr einen Kuss auf die Wange oder eben tausend ähnliche Dinge. Wenn man merkt, ein Kind ist innerlich glücklich getragen von meiner elterlichen Liebe und spürt das wie eine Nahrung, dann kann man sagen, bei guten Gelegenheiten mit Fingerspitzengefühl, bloß nichts Inflationäres, aber bei schönen Gelegenheiten, meine Liebe, die kommt von Gott.

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Das muss man ausdrücklich so sagen, weil Kinder können das nicht verbinden. Das ist schön, wenn man sich so liebt. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass folgender Satz bei Kindern ganz lange haften bleibt und gute Wirkungen hat. Immer wenn man sich lieb hat, spürt man auch Gott. Immer. Denn Gott ist die Liebe. Da tauchen die Kinder auf, sage ich euch. Immer wenn man sich lieb hat, spürt man auch Gott. Deswegen kannst du Gott oft spüren. Und die Eltern können sagen, das ist die gleiche Liebe, die du jetzt spürst, die hat Gott für dich auch, der, der alles geschaffen hat, aber er hat von der Liebe noch viel mehr als wir. Also so können Eltern ausdrücklich bei passender, guter Gelegenheit, geschmackvoll,

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Gott ist etwas Kostbares, auch nicht too much, too often und too soon, sind nach den drei großen Fehlern nach Goldman der religiösen Erziehung, die drei großen Fehler, too soon, too much, too often. Also auch hier lieber andere Statement, aber die Kinder vergessen es nicht. Gut, also so kann man anleiten, dass die Kinder in der Liebe der Eltern die Liebe Gottes spüren und beides miteinander verbinden. Dann kann in den Kindern das Bedürfnis entstehen, Gott zu danken. Das zweite, der zweite Motiv für die Dankbarkeit ist Dank für die Zuverlässigkeit der Schöpfung und die Wohltaten der Schöpfung.

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Zuverlässigkeit habe ich ja schon gestreift. Wenn man Kinder stark machen will, muss man sie tief gründen in Zuverlässigkeiten. Nicht, um sie die Schokoladenseiten des Lebens zu fixieren, gar nicht, sondern damit sie stark werden gegenüber dem Dunklen. Im Lehrplan in Baden-Württemberg war in den 90er Jahren noch die einzige Geschichte von Adam und Eva, war der Sündenfall. Ja, der Garten Eden und dann haben wir in der Lehrplankommission gesagt, also das geht nicht. Wir müssen anfangen mit dem Garten Eden, mit dem Schönen, nicht um die Sünde kleinzureden, sondern um die Sünde ihres Angesichts schauen zu können, sie zugeben zu können. Wir müssen im Garten Eden gegründet sein, im Glück, in dem guten Schöpferwillen Gottes, damit wir das andere verkraften. Und deswegen darf man nicht mit der Sünde anfangen. Diese kinderfeindliche Lehrplanentscheidung, die hat man in Baden-Württemberg durch meinen energischen Einspruch geändert.

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Da bin ich heute noch stolz drauf. Also die Dankbarkeit für die Zuverlässigkeit und Wohltaten der Schöpfung. Die Zuverlässigkeiten habe ich heute Morgen genannt, aber auch die Wohltaten, dass Gott Nährstoffe, Wasser, Sauerstoff sind prinzipiell für alle Menschen reichlich da. Gott hat an das alles gedacht. Er ist der verlässliche, fürsorgliche Gott. Und da kann in den Kindern eine tiefe Dankbarkeit entstehen und gefördert werden. Und das kann dann zum Gebet führen. Das will ein Kind dann auch ausdrücken. Also der erste Beweggrund ist die Dankbarkeit, eine empfangene Liebe zu erwidern. Die Liebe der Eltern, die mit Gott eng verbunden ist. Die Eltern haben ihre Liebe von Gott. Und Gott ist die Quelle jeder Liebe. Gott ist die Quelle allen Gutes.

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Alles Gute kommt von Gott. Alle Liebe kommt von Gott. Und Dankbarkeit für die Wohltaten und Schönheiten und Zuverlässigkeiten der Schöpfung. Das ist der erste Beweggrund. Der zweite Beweggrund für freiwilliges und befreiendes Beten ist das Bedürfnis der Kinder, einer Bewunderung Ausdruck zu verleihen. Dieses Bedürfnis kann genauso stark sein, also es ist keine Reihenfolge jetzt diese vier Gründe. Die ersten drei sind alle entscheidend und bereichern sich gegenseitig. Man kann nicht sagen, der Grund ist wichtiger wie der. Der zweite Grund also ist, Kinder wollen bewundern. Sie wollen staunen. Kinder wollen verehren. Und Kinder wollen fasziniert sein. Das Wort heilig, Kadosch oder Hagios in Griechisch, hat die Urbedeutung von Faszinosum.

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Das was mich fasziniert, das wird mir heilig, wird etwas Besonderes. Die ersten Christen haben sich Heilige genannt. Die kannten das Wort Christen noch gar nicht. Paulus kennt das Wort Christen noch nicht. Er weiß gar nicht, was das ist. Er verwendet es nie, sondern er sagt, ich schreibe an die Heiligen in ganz Achaia, Korintherbrief. Oder er sammelt Geld für die Heiligen in Jerusalem. Also die erste Selbstbezeichnung der Christen ist Heilige. Christen ist eine Fremdbezeichnung durch römische Verwaltungsspezialisten, die gemerkt haben, da entsteht eine neue religiöse Gruppe. Das sind nicht einfach mehr Juden. Das ist schon etwas anderes als Judentum, da kommen ganz neue Punkte auf, die können wir nicht mehr Juden nennen. Wir nennen sie Christianoi, Christianer. Und aus diesem Begriff entwickelt sich langsam die Selbstbezeichnung Christen.

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Aber das erste, in der Bibel findet sich diese Selbstbezeichnung sehr spät, zum ersten Mal in der Apostelgeschichte. Aber als die geschrieben wurde, war Paulus schon tot. Also Heilige. Und was sind Heilige? Es gibt ja auch Heilige Kühe, Heilige Bäche, Heilige Sonne. Also die Heiligkeitserfahrung ist universal, interreligiös. Die Christen haben für sich selber ein Wort gewählt, das sie nicht erfunden haben, sondern das die Christen verbindet mit allen Menschen, die Heiligkeitserfahrungen gemacht haben. Wenn wir also das Spezifische des Christentums ausdrücken wollen, wer sind wir eigentlich? Christen ist ja noch nicht erfahrungsorientiert, sondern Christen sagt nur, wir orientieren uns oder wir folgen einem Christus nach. Aber wenn der Christus langweilig wäre, dann wäre das Ganze ziemlich langweilig.

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Und wenn der Christus ein Spieser wäre, dann wären wir eine Spiesergesellschaft. Also man muss schon noch erfahrungsmäßig klären, was bedeutet das für die Lebensfreude oder so. Ja, also deswegen haben die Christen gesagt, wir sind Heilige. Heilige heisst, wir sind zutiefst ergriffen und fasziniert von Gott und dem, den Gott gesandt hat, seinen Sohn. Also an der Stelle haben wir eine klare Priorität, wir sind Ergriffene, weil wir von Gott, weil wir von Jesus fasziniert sind. Also ich will damit nur sagen, die künftige Kirche muss die Faszinationserfahrung der Kinder und Jugendlichen zurückerobern. Die ist völlig verloren gegangen. Wenn wir sagen, die Heiligen, der Kircher, dann weiß gar kein Mensch mehr, was los ist. Aber es geht darum, von Gott fasziniert zu sein, ergriffen zu sein. Und zwar so stark, dass alles andere in zweiter und dritter Linie kommen.

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Also die Bewunderung ist in der Religionspädagogik, zumindest so wie ich sie vertrete, von größter Bedeutung. Sie können Gott eigentlich nicht näher kommen, als wenn sie ihn bewundern. Die Bewunderung ist ein angemessenes Eintrittstor in die Gemeinschaft mit Gott. Die Bewunderung. Also, und deswegen haben wir da etwas sehr Tiefes und Wichtiges und Gesundes. Kinder erleben alles Schöne und Neue sehr frisch. Und sie staunen. Und ich bin der Überzeugung, jede Neugier und jedes Staunen eines Kindes ist ein tiefes Gotteslob. Also es geht darum, die Neugier der Kinder, ihre Entdeckerlust, ihre Aufmerksamkeit, ihre Erlebnisfähigkeit,

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ihre Sensibilität gezielt und bewusst zu fördern. Dass sie die Schöpfung bewundern. Gott hat 72.000 Spinnenarten geschaffen. 72.000 Spinnen. Kann man bewundern. Da bleibt einem die Luft weg. Kein Atemzug, den wir atmen, ist genau gleich wie der andere. Überhaupt, dass wir atmen, wir leben Zug um Zug, es eröffnen sich sofort Geheimnisse zum Staunen und Bewundern. Kostet kein Geld, wenn man auf seinen eigenen Atem achtet. Alles andere ist teuer. Aber die Dinge, von denen die Bewunderung und das Staunen, ein Wassertropfen, meine eigenen Finger und so weiter, kostet in der Religionspädagogik gar kein Geld. Also das Motiv einer Bewunderung Ausdruck zu geben, bedeutet aber,

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Gott als den Bewundernswürdigen, der so viele schöne Ideen hat, was hat der alles für Ideen gehabt? Und er hat auch die Kraft, sie in die Tat umzusetzen. Kann man nur bewundern. Mich hat mal ein alter Baptist gefragt, über 80 Jahre, Herr Zimmer, können Sie mal das Wort anbeten übersetzen? Ihr habt das noch von niemand erklärt bekommen. Anbeten heisst einfach bewundern. Warum? Zufrieden. Gut, also das Motiv einer Bewunderung Ausdruck zu geben im Gebet. Oh Gott, was hast du alles für Einfälle gehabt, für Ideen bei den Schlangen, bei den Tieren, die ganzen Sandsteine, Sandkörner in der Sahara.

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Gut, also das ist das zweite Motiv. Und wenn ihr da intensiv mit Liedern, mit Erzählungen, mit meditativen Übungen, da habt ihr was zu tun. Wir sind berufen zur Faszination und zum Staunen. Und wenn das die Kinder spüren, dass Gott sie zur Faszination und zum Staunen beruft, werden sie beten und ihrer Freude Ausdruck geben. Das dritte Motiv ist das Bedürfnis, sich anzuvertrauen und mitzuteilen. Kinder lieben es und sie brauchen es, sich anzuvertrauen, alles zu sagen und mitzuteilen. Das machen sie natürlich nur bei Menschen, die sie mögen. Und wo sie dann auch wissen, die hören auch zu und die interessieren sich dafür, es ist ihnen wichtig. Und dann kann man sagen, weisst du, Gott kannst du alles sagen. Mir hat hier in Weimar eine junge Frau, will keine nähere Angaben machen,

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gesagt, sie kann sich an ein Gebet aus der Kindheit zurückerinnern. Da hat sie Gott anvertraut, dass sie der Oma eine Schokolade aus der Schublade geklaut hat. Das kann man Gott anvertrauen. Lieber Gott, ich habe letzte Woche der Mama einen Euro aus dem Geldbeutel geklaut. Er weiß, dass es nicht gut ist, aber er weiß auch, Gott kann man das sagen. Dem kannst du wirklich alles sagen. Er versteht dich besser als alle Menschen. Das ist ein Motiv, sich anzuvertrauen und mitzuteilen. Deswegen ist das erzählende Gebet die Urform des kindlichen Betens. Die beste Zeit zum Beten ist abends, nicht die einzige, aber die beste Zeit ist abends, vor dem Einschlafen spürt ein Kind viel Geheimnisvolles. Der Gang in den Schlaf ist für Kinder viel mythischer als für sie.

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Es ist wie ein Rückzug aus dem Leben. Werde ich auch wirklich wieder aufwachen? Sie merken, Sie wachen schon wieder auf. Kinder haben oft auch Angst, einzuschlafen, weil das Leben geht weg, sie sehen nichts mehr. Also, das kann man, jetzt habe ich gerade den Faden verloren gehabt. Also in der Abendstunde noch etwas Schönes lesen, beten und dann einfach Gott erzählen, was heute so war. Lieber Gott, heute Morgen das Frühstück war super, die Mama war gut drauf. Und dann allerdings habe ich mich mit meinem Bruder gestritten. Ich habe fünfmal auf meine Tafel gehauen, bis sie kaputt war. Ich habe so eine Wut gehabt. Verstehst du das? Und so erzählt man, so eine Art Tagesschau am Abend. Das ist die Urform des Betens. Gott, einfach erzählen, was heute so war.

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Gut, und das vierte Motiv ist Übereinstimmung mit den Eltern. Kinder werden auch beten, weil Eltern beten. Niemand lernt alleine Glauben, niemand. Kinder am allerwenigsten. Sie brauchen das Modell der Eltern. Und bei Kindern ist es auch so, dass sie nur über Handlungen Haltungen aufbauen können. Sie handeln operational, in ihren Operationen baut sich was auf. Das ist so eine pragmatische Ebene. Im Handeln baut sich in Kindern eine Haltung auf. Also auch eine Haltung gegenüber Gott, gegenüber dem Gebet, Bedarf der Handlungen. Also ich sage es mal nochmal. Die Motive, die uns zur Verfügung stehen als Erzieher, Erzieherinnen, sind vier Bedürfnisse, an die wir anknüpfen können.

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Auf gesunde Weise und das wird eine gesunde Wirkung haben. Das Bedürfnis der Kinder, eine Liebe, die sie empfangen haben, zu erwidern, beziehungsweise eine Dankbarkeit gegenüber der Schöpfung ihrer Zuverlässigkeit und ihren Wohltaten. Zweitens, das Bedürfnis, einer Bewunderung Ausdruck zu verleihen. Drittens, das Bedürfnis, sich jemandem anzuvertrauen und mitzuteilen. Und viertens, das Bedürfnis nach Übereinstimmung mit den Eltern, nach Nachahmung, Imitatio der Eltern. Das sind die vier. Ich nenne aber das vierte an vierter Stelle, aber es hat durchaus seine Berechtigung, aber es sollte nicht dominant sein. Zweitens, ich wende mich jetzt an Pädagogen, die nicht religiös sind oder einfach,

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ist eine Erziehung zum Gebet pädagogisch legitim? Ist es pädagogisch verantwortbar? Da haben manche Pädagogen auch ihre Sorgen, kann ich auch verstehen. Ich finde ja auch nicht jede Gebetserziehung gut und richtig. Da kann man auch viel falsch machen. Aber ist ein gesunder, ein freiwilliges, befreiendes Beten pädagogisch legitim unter pädagogischen Gesichtspunkten? Da möchte ich auch vier Gesichtspunkte nennen. Erstens mal, Beten ist eine frühe Förderung des Sprechens und Denkens. Das Beten kann ein Training, eine Hilfe sein im freien Sprechen und Denken. Nämlich im freien Gebet und das freie Gebet ist das Ziel des Betens. Nicht auswendig gelernte Gebete oder nachgesprochene Gebete.

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Die haben auch ihren Sinn, das werden wir noch draufkommen. Aber die Basis des Betens ist das freie Gebet. Kinder sollen nicht Gebete lernen, sondern beten lernen. Also das freie Beten ist auch eine Sprachübung. Und es ist eine frühe Form des Nachdenkens, die man nicht unterschätzen soll. Denn im Beten tritt das Kind heraus aus dem Vor-sich-hin-leben und in den Tag hinein stolpern. Im Beten wird der Tag schon nachdenklich verarbeitet. Im Beten übt das Kind einen Überblick über etwas zu gewinnen. Und das ist enorm wichtig. Also im Beten lernt ein Kind auch indirekt, so by the way, zu unterscheiden zwischen dem, was ich selber ändern kann und soll,

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und dem, was ich nicht ändern kann und soll, und was ich in aller Gelassenheit Gott überlassen kann. Das ist eine Form des Differenzierens und Unterscheidens. Wir Erwachsene sollen Gott nicht um etwas bitten, was wir selber tun können. Soll man nicht. Deswegen zum Beispiel ein Gebet, lieber Gott beschütze mich auf dem Weg im Kindergarten, ist mäßig gut. Besser ist, lieber Gott, hilf mir aufmerksam über die Straße zu gehen. Vielleicht der eigene Anteil mit dabei. Hilf mir aufmerksam zu werden. Das Gebet ist fünfmal besser. Gut, also es ist eine frühe Form des Sprechens und Denkens. Im Gebet überlegt sich ein Kind, was will ich Gott sagen?

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Was ist wichtig genug, was ist mir wichtig genug, dass ich es Gott mitteile? Es ist also ein bewertendes Nachdenken. Sprach- und Denkentwicklung gehört zu den größten Aufgaben der Grundschule. Da fände ich aber Beten ein sehr guter Beitrag dazu. Zweitens, Beten verstärkt die Mündigkeit des Kindes gegenüber den Eltern. Man könnte sagen, es fördert die Emanzipation, Beten. Nämlich einmal relativiert das Beten die Macht der Eltern. Der Dichter Heppel hat einmal gesagt, auf einmal verwandelte sich das angelernte Geplappern,

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er meint Gebet zu Gott, in ein echtes ängstliches Gebet und da war die Nabelschnur zu meinen Eltern zerrissen. Es kam bald so weit, dass ich mich bei Gott über meine Eltern zu beklagen begann. Kann man, kann man. Das können die Eltern gar nicht mehr verhindern. Die Eltern können in das Gebet der Kinder gar nicht hineinregieren. Die haben ihr eigenes Gebetsleben mit Gott. Also wie gesagt, sie bekennen ja sogar auch ihre Untaten gegenüber Oma und Mama. Das sagen sie nicht der Mama, aber Gott sagen sie es. Kann ja dann sein, dass es deswegen auch der Mama ist, weiß man nicht, weiß man nicht. Also auf jeden Fall, im Beten lernt ein Kind Ich sagen, auch unabhängig von den Eltern. Es relativiert die Macht der Eltern. Die Eltern haben da keine Kontrollmöglichkeit mehr. Was sagt denn der, was sagst du schon du Kleiner über mich bei Gott?

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Das werde ich gerade dir noch sagen. Und zweitens, das Gebet relativiert das Maß an Liebe und Gerechtigkeit, zu denen die Eltern in der Lage sind. Die Eltern geben den Kindern viel, viel Gutes, aber die Kinder vermissen auch bei den Eltern viel. Die Eltern haben zu wenig Zeit und sie können sich zu wenig in die Kinder hineindenken. Und es gibt auch blöden Streit und oft finden die Kinder auch die Eltern gemein. Oma könnte gerade auf den Mund schießen. Muss die Oma auch lernen, das kommt vor, davor nicht zu persönlich nehmen. Ja, also und da kann ein Kind lernen, aber Gott hat mehr Zeit, versteht mich besser. Es heißt mal in einem Psalm Wort Vater und Mutter verlassen mich, aber Gott nimmt mich auf.

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Und das stimmt. Also das Gebet, das freie persönliche, echte existenzielle Gebet ist ein Eigenleben der Kinder, das durch die Eltern nicht mehr gesteuert werden kann. Und das ist eine sehr wichtige Erfahrung. Drittens, gegenüber der Pädagogik, Gebeten ist ein Ausdruck des Urvertrauens, das jeder Mensch ja braucht. Und wenn er betet, das ist in der Regel ein Ausdruck eines Vertrauensverhältnisses zu Gott und auch Ausdruck des sich an Vertrauens. Und in dieser Weise ist das Gebet, hat es eine Entlastungsfunktion von den Zwängen des Lebens, den Sorgen und Ängsten. Ein Gebet hat echte entlastende Wirkung von den Belastungen der Schule, vom Leistungsdruck.

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Kann man schon mal über den Scheiß Leistungsdruck bei Gott sich mal auskotzen. Und der Meinung sein, der versteht es aber schon, der nimmt es schon ernst. Also das Gebet kann eine Heimaterfahrung sein, eine echte Entlastungserfahrung. Schon allein, dass sich jemand alles sagen kann, ist schon unabhängig vom Inhalt, was ich dann sage, auch immer schon ein Zeichen der Vergebung. Weil ich kann es ihm sagen und er wird es verstehen, er findet nicht alles gut, was ich mache. Aber Gott will auch nicht das brave Kind, Gott weiss, dass Kinder auch streiten müssen, dass Kinder auch Wutanfälle kriegen, dass Kinder Angst haben und ihre Eltern anlügen. Gott liebt nicht nur die braven Kinder, er liebt alle Kinder der Welt. Und das vierte pädagogische, das habe ich als Zustimmung interpretiert,

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die vierte ist wieder auch eine gewisse Gewöhnung zum Gebet, ist pädagogisch verantwortbar, wenn man es nicht übertreibt. Also es ist immer eine Frage vom gesunden Maß. Denn auch Gewohnheiten sind wichtig, Gewohnheiten aufzubauen. Da muss man eben eine Balance finden, da gibt es kein Rezept, muss jeder selber in der Familie, im Kindergarten, in der Schule finden. Eine Balance finden zwischen einer Gewohnheit, die auch eine Hilfe ist und einer, wo es zu viel wird, wo es dann eine Pflicht wird. Gut, das sind gegenüber der Pädagogik eine Erziehung, eine gesunde Erziehung zum Gebet, zum freiwilligen und befreienden Beten, ist pädagogisch auch in einem atheistischen Staat pädagogisch verantwortbar.

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Es schadet den Kindern pädagogisch nicht, sondern rein pädagogisch gesehen sind da wertvolle Möglichkeiten. Jetzt will ich drittens ein paar Hinweise sagen, wie kann man Kindergebete formulieren? Also es gibt ja viele schriftliche Kindergebete, Kinder brauchen auch, sei notwendig, unbedingt nicht, denn Grundlage ist das freie Beten, das erzählende Gebet. Aber wenn Kinder mal tief aufgeregt sind und in einer Krise sind und ihre Gedanken nicht sammeln können, können vorformulierte Gebete schon eine große Hilfe sein. Aber sie dürfen nicht auf Kosten des freien Betens gehen. Also ich habe mal in einem Einkaufszentrum, da liegen ja so im Kassenbereich immer auch Kinderbücher, billige Kinderbücher und auch Gebetsbücher, ich habe mal für 50 Euro sieben oder acht Gebetsbücher gekauft,

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ich will keine Werbung machen, also in irgendeinem großen Einkaufszentrum, hat so einen üblichen Namen, da habe ich also für 50 Euro zehn oder noch mehr Gebetsbücher, ist allerdings ziemlicher Schrott, was da drin steht. Aber man muss auch wissen, es gibt viele Menschen, die betreten nie eine anspruchsvolle Buchhandlung. Und da kaufen die Kindergebete für 2,80 Euro im Einkaufszentrum und die werden dann auf die Kinder losgelassen. Also ein paar allgemeine Hinweise. Erstens, es sind zwölf Kriterien. Erstens, Kindergebete sollen so formuliert sein, dass sie von den Kindern innerlich bejaht werden. Und dann auch mit innerer Beteiligung mitgebetet werden. Kindergebete, die Kinder innerlich blöd finden und komisch finden, was soll das bringen?

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Also sie müssen eine Sprache haben, wo die Kinder innerlich bejaht und auch verstehen. Gut, was bedeutet das? Kinder müssen die Wörter in dem Gebet verstehen. Natürlich, es gibt auch das Vaterunser und der Psalm 23, da bin ich durchaus auch dafür, dass Grundschulkinder das Vaterunser lernen. Und den 23. Psalm, aber da muss man auch jedes Wort mit den Kindern erklären, was damit gemeint ist. Man kann diese Wörter, diese biblischen Vokabeln mit den Kindern lernen wie Englischvokabeln. Und wenn sie dann alles verstehen, beten sie das auch natürlich viel lieber. Gut, also aber biblische Gebete muss man alle den Kindern erst einmal erklären. Es gibt, glaube ich, kein einziges Gebet, längeres Gebet, das man einfach Kindern so vorsetzen kann. Die Bibel ist ja kein Buch für Kinder, die Bibel ist ein Buch von Erwachsenen für Erwachsene und sie kann Kindern sehr schaden.

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Danke. Dann werden sie schon ihre Erfahrungen gemacht haben, wenn sie jetzt so deutlich Ja sagen. Also Kindergebete sollen so formuliert sein, dass Kinder sie innerlich bejahen, annehmen können, sich an ihnen freuen können und mit innerer Beteiligung mitbeten können. Das bedeutet, Kindergebete sollten aus der Erfahrungswelt der Kinder stammen, auch aus ihrer Perspektive formuliert sein. Lieber Gott, das Haus wird dunkel, ich sehe Schatten an der Wand. Das ist aus der Perspektive der Kinder. Das sind Kindergebete, der Rest ist Erwachsenengebete, die die Kinder halt fressen müssen. Kindergebete sollen aus der Perspektive der Kinder sein. Ja, und aus ihrer Erfahrungswelt ihre Ängste, Sorgen, ihre Sehnsüchte, ihre Bedürfnisse enthalten.

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Das ist das Erste. Zweitens, Kindergebete sollen zwar von der Erfahrungswelt der Kinder ausgehen, aber sie sollen nicht bei ihnen stehen bleiben. Das ist immer nur um das Kind und die Geschwister und Papa und Mama und dann vielleicht noch die Oma und dann vielleicht noch die Nachbarn. Nein, auch der weltweite Horizont. Man kann in Gebeten Bildung vermitteln, in vorformulierten Gebeten. Man kann in Gebeten den Horizont der Kinder erweitern, aber man sollte immer von ihm ausgehen. Aber man sollte auch Industrie und Technik und den sozialen Bereich in Gebete einfließen lassen. Nicht immer nur Kuh und Pferd und Bauernhof. Also Kindergebete sollen von der Erfahrungswelt der Kinder ausgehen, aber sie behutsam auch erweitern. Und Dinge ins Blickfeld rücken, an die die Kinder von sich aus nicht denken.

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Drittens, Kindergebete sollen so formuliert sein, dass sie auch vor dem Gewissen der Erwachsenen wahr sind und vor dem christlichen Glauben. Lieber Gott, du gibst zu Essen allen Menschen in der Welt. Das stimmt doch gar nicht. Das ist ein Satz aus dem Kindergebet, da kann man nur als Erwachsener sagen, das ist eine Schundliteratur. Also Gebete müssen vor dem Gewissen der Erwachsenen und des christlichen Glaubens wahr sein. Dann Gebete für Kinder sollten so formuliert sein, dass ein Kind in seiner Selbstwertschätzung, in seiner Selbstannahme gestärkt und gefördert wird. Und nicht die Kleinheit und Schwachheit, ich bin ein schwaches Kind und ohne dich kann ich sowieso gar nicht. Ein Kind soll hier nicht als arm und klein und schwach in den Gebeten dargestellt werden, sondern das muss man vermeiden.

46:14
Dass Kinder sich selber gerne akzeptieren im jetzigen Stadium, was sie schon als 2-, 3-jährige alles können, dass Gott nicht zum Strohhalm wird. Dann die Allgegenwart, die Gegenwart Gottes soll in Kindergebeten nicht bedrohlich geschildert werden, sondern beschützend. Auch nicht Gott sieht alles, auch was du unter der Bettecke machst und so weiter. Gott ist kein Kontrolleur und kein Polizist. Diese schwarze Pädagogik, die Jahrhunderte üblich war und diese eisern disziplinierte, asketische Christenheit, hat Gott eben als den großen Aufpasser. Auch Gott als Erziehungsmittel. In Kindergebeten darf Gott kein Erziehungsmittel sein, das älterlichen Interessen dient oder bürgerlichen Interessen. Lieber Gott, mach mich brav und fleißig.

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So hätte es gern der Landrat und der Landtag und der Unternehmer. Also in Gebeten nicht bürgerliche, politische oder älterliche Interessen durchsetzen wollen mit der Hilfe von Gott und von Gebeten. Das sieht Gott nicht gern. Er sagt doch lieber, das sehe ich nicht gern, das reicht doch. Also nicht Gott einsetzen als Erziehungsmittel. Ich möchte in dem Zusammenhang mal sagen, ich habe das glaube ich schon mal in einem Vortrag gesagt, weiß ich selber nicht mehr, könnte ja auch auf den Hörboxen ein Vortrag sein, weiß ich nicht mehr, dass das vierte Gebot du sollst Vater und Mutter ehren überhaupt nichts mit Kindererziehung zu tun hat. Gar nichts. 0,0. Bibelmanipulation in bester Absicht. Und in Jahrhunderten der Kirche, mir hat mal ein traditioneller Theologe gesagt, will keinen Namen nennen, Herr Zimmer, was 2000 Jahre lang richtig war, kann doch heute nicht falsch sein. Sagt doch. Zum Beispiel, dass man das vierte Gebot jahrhundertelang für älterliche Interessen missbraucht hat.

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Auch die Judenfeindschaft geht 2000 Jahre lang, ist aber falsch. Oder die Ketzer, der Umgang mit Inquisition und Ketzer, es gibt durchaus viele Dinge, die 2000 Jahre lang Tradition waren, es ist aber eine schlechte Tradition. Also das vierte Gebot, wie alle Gebote sind an erwachsene Männer gerichtet. Ursprünglich sind die zehn Gebote nur an Männer gerichtet, weil das Du ist immer das gleiche Du. Und im zehnten Gebot heißt es, du sollst sie nicht lassen gelüsten deiner nächsten Frau. Da ist keine lesbische Beziehung gemeint, sondern ein Mann soll sie einer Frau nicht gelüsten. Also ist es ein Mann und das gilt für alle anderen Gebote auch. Ich will damit nicht sagen, weil im Judentum sagt man, die Gebote gelten nur den Männern, weil sie nur über ihre freie Zeit verfügen können. Frauen sind ja im Dienst der Männer, er ist der Hausherr und die Frau steht unter ihm.

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Also kann die Frau gar nicht über ihre Zeit frei verfügen. Und deswegen, die Verbote schon eher, aber jetzt sagen wir mal, die zehn Gebote richten sich ursprünglich wirklich nur an erwachsene Männer, die auch Grundbesitz haben. Du sollst sie nicht lassen gelüsten deines nächsten Hofeselrind. Ja, dann musst du dein Hof und deinen Rind und deinen Esel haben. Das heißt, die zehn Gebote setzen ein wirtschaftlich stabile Zeit voraus. Was in den Geboten völlig fehlt, ist bricht den Hungrigen dein Brot. Das wäre mal ein positives Gebot. Die zehn Gebote sind ja nur eine Vermeidungsethik. Tu das nicht, tu das nicht und tu das nicht. Das kann ja nicht mehr sein als eine Minimalethik. Allerdings ist das auch wichtig. Die zehn Gebote sind schon wichtig als Minimalethik. Also die und jene Dinge, die solltest du vermeiden. Aber was solltest du tun? Ja, bei Vater und Mutter ist es positiv, aber die nächsten sind negativ. Also auf jeden Fall, du sollst Vater und Mutter ehren, richtet sich an erwachsene Männer,

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die ihre 70, 80 Jahre alten Väter und Mütter jetzt bitte ehren sollen. Denn in einer antiken Gesellschaft haben die alten Menschen keine Versicherung, es gibt keine Rente oder sowas. Sie hängen voll als Last an den erwachsenen Kindern. Und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Notzeiten, konnten die alten Menschen eine echte Belastung sein. Und dann ist man nicht mehr ganz so freundlich zu seiner 80-jährigen Mutter im Orient. Also das vierte Gebot schützt alte Menschen und richtet sich an Erwachsene. Aber was hat die Kirche draus gemacht? Ob katholisch, evangelisch, freikirchlich, da gibt es keinen Unterschied. Die zwei Riesen, Papa, Mama und der Superriese im Himmel, drei Riesen gegen so einen Kleinen. Also ich bin der Papa, ich bin die Mama und Gott will. Also drei Riesen gegen ein Kind.

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Ich habe zur Christiane, meiner Tochter damals, vielleicht vier, fünf, sechs Jahre alt, gesagt, du wenn wir mal Streit haben, du und ich, kannst du ganz sicher sein, dass Gott auf deiner Seite steht. Denn er ist ein Gott der Kinder. Das fand sie einen sympathischen Zugang. Gut, also Gebete sollen so formuliert sein, dass sie aus der Kinderwelt sind, dass Kinder sie innerlich bejahen können, dass sie das Selbstwertgefühl der Kinder stärken und nicht niederdrücken, dass die Gebete auch vor dem Wahrheitsgewissen der Erwachsenen und des christlichen Glaubens und der Wissenschaft wahr sind. Das muss wirklich wahr sein. Sie sollen die Gegenwart Gottes nicht bedrohlich zeichnen, sondern beschützend. Und sie sollen Gott nicht als Erziehungsmittel für elterliche Interessen oder für bürgerliche Interessen

52:11
oder für wirtschaftliche Interessen der fleißige, brave Untertan und den in christlichen Beten heranzüchten. Das ist eigentlich nicht der Sinn der christlichen Kindererziehung. Gut, also Kindergebete sollten auch keine Idealvorstellungen zu viel an Frömmigkeit abverlangen. Du, Jesus allein und so weiter. Kinder merken ja, das stimmt doch gar nicht. Oder jeden Tag solltest du stille Zeit machen. Ihr möchtet mal 100.000 Kinder und Jugendliche in diesen Gruppen fragen, habt ihr es gemacht? Aber mit schlechtem Gewissen. Nein, bei freiem Gebet darfst du auch nicht beten. Erwachsene sollen nicht fragen, hast du gestern auch gebetet? Hast du eine stille Zeit gemacht? Das ist Schnüffelei. Also, gut, dann Kindergebete. Jule, sag mal noch ein paar.

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Keine heile Welt. Keine heile Welt, nicht konfliktfrei, sondern auch in Gebeten formulieren, dass es in der Familie, in der Gemeinde oder in der Schulklasse auch Streit gibt und dass es Konflikte gibt zwischen Lehrer oder sonst irgendwie, die man schwer lösen kann. Also auch in Gebeten können die schwereren Seiten des Lebens in Worte gefasst werden. Diese verniedlichende Sprache Blümelein und Kindlein, alle weglassen, es ist auch nicht der Wauwau, sondern der Hund. Und es ist nicht die Miau, sondern die Katze. Und es ist nicht der Raab, sondern der heißt einfach Rabe. Also diese kindertümliche Sprache. Jetzt kommt ein wichtiger Punkt. Zeichen einer nicht guten Gebetserziehung ist, wenn gereimte Gebete überwiegen. Jule, kannst du mal schön hochkommen? Also gereimte Gebete kann man schon machen, aber sie sollen nicht 80, 90 Prozent aller Gebete umfassen in einem Gebetsbuch, Kindergebetsbuch.

54:17
Reime kann dann etwas sehr Reizvolles sein und Kinder lieben dann auch Reime, weil das hat was Reizendes irgendwie, wenn sie das wirklich auch gut verstehen. Also Reime nicht mit unverständlichen Wörtern, dann ärgert man sich eher dann. Also Reime können schon sein, denn sie machen Kindern auch Spaß, man kann sich es besser merken. Aber wenn sie dominieren, tritt das Problem auf, was ist denn das für eine komische Person im Himmel, mit der man sich fast nur gereimt unterhalten kann. Da kriegt Gott wirklich was Künstliches, Weltfremdes. Ich habe also in so einem Einkaufszentrum zehn Kindergebetsbücher, alle so drei Euro rum. Und der Inhalt ist aber auch dementsprechend.

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Lies mal die ersten sieben, haben wir mal gesagt. Es sind da 30 Gebete drauf, die schaffen jetzt nicht alle. Aber komm mal hier ran. Vater, wir haben zu essen, gib auch den hungernden Brot, so wie du uns nicht vergessen. Trage dein Licht in die Not. Zwei Einwände, gereimt, kann man ja mal, aber eben nicht zu viel. Und trage dein Licht in die Not. Also da ist die eigene Verantwortung, also wird Gott ein bisschen zugeschrieben, mach du mal. Jetzt in ganz wenigen Worten. Hauptzweck ist, dass Sie hören, die Gedichte sind alle gereimt oder fast alle. Alle guten Gaben, alles was wir haben, kommt, oh Gott, von dir. Wir danken dir dafür. Amen. Das hast du gut gemacht. Also es ist ein klassisches Gebet, das ist wirklich okay, aber es ist eben auch gereimt. Weiter. Jedes Tierlein hat sein Essen, jedes Blümlein trinkt von dir, hast auch uns heute nicht vergessen.

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Lieber Gott, wir danken dir. Kitsch. Der selbst den Spatzen gibt zu essen, hat seine Menschen nicht vergessen, er gibt das rechte Lebensbrot und macht uns frei von aller Not. Ist falsch, ist unwahr. Gott macht uns nicht frei von aller Not. Das ist gelogen, also das geht schon gar nicht. Und gereimt. Gott, mein Freund, ich komme zu dir, ich weiß, du kannst mich hören. Gott, mein Freund, sei du bei mir, dich darf ich immer stören. Erstens mal, Gott als Freund finde ich okay, weil Kinder haben ein sehr intensives Verhältnis zu Gleichaltrigen, aber Gott ist schon auch der Vater. Gut, das widerspricht sich ja nicht. Jemand hat gesagt, ich habe zu meinem Freund aber ein besseres Verhältnis, so wie zu meinem Vater. Gibt es gerne.

57:19
Gott als Freund zu bezeichnen ist okay, aber die Grenze dieses Ausdrucks ist, der Freund ist meistens der Gleichaltrige, der ist auf Augenhöhe mit mir, aber der Vater im Himmel ist nicht auf Augenhöhe mit mir. Aber liest man noch mal dieses Gebet, da war noch was anderes. Das, was wir gerade hatten? Ja, das gerade eben. Gott, mein Freund, ich komme zu dir, ich weiß, du kannst mich hören. Gott, mein Freund, sei du bei mir, dich darf ich immer stören. Ja, man stört doch Gott gar nicht. Also das Wort stören finde ich auch zu negativ. Nein, er heisst mich ja, willkommen und freut sich. Gut, haben wir noch eins gehabt. Ein gereimtes? Ja, vielleicht noch ein gereimtes, dann haben wir die Nase voll. Komm Herr Jesus, sei unser Gast und segne uns, was du uns beschert hast. Auch ein berühmtes Gebet, gereimt, wie gesagt, man kann schon 10, 20 Prozent der Gebete können gereimt sein, aber nicht 80, 90 Prozent.

58:19
Bei dem, komm Herr Jesus, sei unser Gast, will ich nur sagen, das ist nicht eine Herabwürdigung Jesu. Da hat mal jemand gesagt, Jesus ist doch nicht nur unser Gast, der ist doch unser König. Nein, das ist hier sehr ehrenvoll gemeint, denn der Gast ist König. Das ist die orientalische Gastfreundlichkeit. Es dreht sich alles um den Gast. Das wollte ich hier nur mal sagen, ist also nicht abschätzig gemeint, sondern durch. Jetzt da unten gibt es auch ein paar Gebete, da merkt man, da versucht einer ein bisschen was Neueres. So links unten da. Erstmal, guter Gott, wir sitzen alle um einen gedeckten Tisch. Wir gehören zusammen. Wir sind miteinander und mit dir verbunden. Du lässt alles wachsen. Wir danken dir. Finde ich gut. Es ist verbal, die Kinder verstehen es und es ist nicht gereimt.

59:12
Das ist das erste Gebet, nicht gereimt. Auch wenn man zu Kanonen singt oder wenn man in der Gemeinde irgendwo ein Gebet spricht, sprecht doch mal keine gereimten Gebete. Vor allem, wenn es Kinder und Jugendliche sind. Und dann dieses links unten, das fällt ein bisschen aus dem Rahmen. Nochmal gereimt. Alle Lichter gehen aus. Dunkel ist das ganze Haus. Ich sehe Schatten an der Wand. Dunkel ist das ganze Land. Meine Eltern sind nicht fern. Sie sind bei mir. Ich habe sie gern. Ich höre sie von meiner Tür. Gott, ich danke dir dafür. Ist zwar gereimt, aber gut. Gibt es auch. Okay, also so weit mal. Das Gebetgebet darf bei Kindern ruhig dominieren. Wir können nicht so weit gehen, zu sagen, Bittgebete sind alle irgendwie leicht egoistisch, immer so meine Wünsche. Als ob Bittgebet geistlich nicht so wertvoll sei wie Dankgebet oder Fürbitte.

60:20
So weit dürfen wir nicht gehen. Bittgebet sind legitim. Karl Barth, der große Theologe, hat am Ende eines Dogmatikbandes, seine Dogmatik hat über zwanzig, also in der Urfassung über zwölf Bände. Und da sagt er am Ende eines Bandes, der Mensch kann nichts Höheres und Würdevolleres tun, als Gott zu bitten. Das ist das Höchste, was der Mensch tun kann. Und da hat er recht. Also das Vaterunser sind nur Bittgebete. Also Lobpreis in allen Ehren, Lobpreis ist okay, aber Bittgebete sind schon legitim und Fürbitte auch. Gut, also bei Kindern dürfen Bittgebete dominieren,

61:11
weil das entspricht dem Wesen der Kinder. Sie sind noch sehr mit sich selber verbunden. Man könnte aber dann behutsam auch Dankgebete fördern oder Fürbitte. Oder am besten auch erzählendes Gebet als die Grundlage aller Gebete. Gebete im kleineren Kinderalter fangen als erzählendes Gebet an. Gut, Humor, ja, kann man im Gebet humorvoll sein. Ein Kind betete einmal, lieber Gott, ich bin ein kleines Zwiebelchen, nimm mir das nicht Ibelchen. Das fand ich auch wirklich wieder erstaunlich, so frühe literarische Begabung. Ja, oder mehr Galgenhumor, ein Soldat betete in Verdun, Gott, wenn es dich gibt, errette, wenn du es kannst, meine Seele, wenn ich eine habe.

62:22
Das ist mehr schwarzer Humor. Also man kann schon versuchen, Julia, du hast glaube ich ein Gebet, kannst du es mal laut sagen, einfach auch ohne Mikrofon? Ja, ja, Moment, der Humor, jetzt, Gott, ich habe was verloren, nimm mich nicht bei meinen Ohren, gib mir eine Hundenase oder gib mir Katzenaugen, die am allerbesten taugen, wenn man etwas suchen muss, lass mich finden, danke, Schluss. Gut, also ist auch so ein Beispiel, das Kinder lesen sollen, dass der Humor auch nicht unbedingt verboten ist. Jetzt, ich schließe mit folgendem Baustein, kindliches Beten hat auch bestimmte Gefährdungen, vor allem drei Gefährdungen.

63:12
Da sind Kinder schneller dabei, als wir Erwachsene denken. Also erste Gefährdung ist die magische Gefährdung, dass man das Gebet magisch versteht. Kinder leben noch in einem gewissen magischen Alter, wenn man das so ausdrücken will, ist es natürlich eine Erwachsenensprache, ich finde es nicht gut, wenn die Erwachsenen mit ihren Begriffen das bezeichnen, aber jetzt mal bei der Erwachsenen-Sprache, das ist nicht gut, wenn die Erwachsenen mit ihren Begriffen das bezeichnen, aber jetzt mal bei dem Magischen, die magische Fixierung ist eine Gefährdung kindlichen Betens. Und zwar, was versteht man unter Magie? Magisch meint, dass ein Mensch in einer Religion der Überzeugung ist, wenn ich einen bestimmten Ablauf technisch genau so mache, dann funktioniert es. Also ich muss sieben Mal rechts herum gehen, drei Mal links herum gehen,

64:12
dann in der Mitte eine Kerze anzünden und dann zweimal sagen Abba, Katabra, dann funktioniert es. Das ist magisch. Also magisch meint, dass ich technische Möglichkeiten habe, auf die Götter, auf das Jenseits Einfluss zu nehmen, indem ich ganz genau den Ablauf mache. Und weil Kinder Rituale lieben und auch Sicherheit, Stabilität schätzen, kann es beim Gebet dazu kommen, dass ein Kind denkt, ich habe mal einen Einfall, dass immer wenn sie im Bett liegt, links liegt, und auf diese Stelle, auf dieses Bild guckt, da war das Kind der Überzeugung, dann würden die Gebete besonders gut. Also da wären Erwachsener gar nicht drauf gekommen. Also in einer bestimmten Körperhaltung oder wenn ich bestimmte Worte sage oder ein bestimmtes Ritual, Kerze anzünden, also das kann in solche düsteren Bereiche gehen, dass man dann meint, daran liegt es.

65:15
Da ist theologische Aufklärung einfach wichtig durch die Erwachsenen. Wir können keinen Einfluss auf Gott nehmen. Wir können Gott schon bitten und er nimmt unsere Bitten ernst, aber wir können Gott auch durch unsere Bitten nicht einfach fernsteuern. Wir haben keine Macht über Gott. Wir können Gott nicht zwingen. Wir brauchen das auch gar nicht, das ist gar nicht nötig. Also das ist die magische Fixierung, dass dann auch wirklich Wiederholungszwänge immer zur gleichen Zeit und dass dann Kinder wirklich eine Regelmäßigkeit anwöhnen, die aber letztlich nicht gut ist. Was kann man da helfen? Verschiedene Gebetsformen, ob ich so bete oder so bete oder so bete, das ist also alles gut, wechseln wir halt ab. Also nicht ständig fahrig abwechseln, aber so auflockern. Die Christenheit hat eine Vielfalt von Gebetsformen und die dürfen wir schon nutzen.

66:16
Dass ein Kind spürt, man kann im Liegen beten, im Sitzen beten, im Stehen beten, man kann im Bett beten, im Freien beten, in der Haltung, in der Haltung, darauf kommt es nicht entscheidend an. Und wir können Gott nicht, weil Kinder haben auch so Allmachts-Omnipotenz-Fantasien, dass sie meinen, ich will doch mal sehen, ob ich meinen Papa nicht rumkriege und wenn ich da 17 mal so schreie, dann lässt er schon nach. Also dass ich Gott auf Winkel weiche, ich halte da mal diese Regel genau ein. Also da kann auch wirklich so ein sturer kindlicher Machtwille mitspielen. Das muss man ein bisschen beobachten. Ist selten, aber kommt vor. Die zweite Fixierung ist die Wunsch- und Triebfixierung. Also Gebet ist die Maschine, wie ich meine Wünsche an Gott bringe und ich möchte die Skischuhe und ich möchte das und das.

67:14
Da wird also das Gebet auch ein Mittel zum Zweck, wegen der egoistischen Wünsche. Da muss man schon sagen, Gebetzerhöhung ist nicht das Gleiche wie Wunscherfüllung. Auch wir Eltern, wenn wir die Bitten unserer Kinder ernst nehmen, können wir sie nicht immer erfüllen, auch um das Kindeswillen. Also man muss schon Kindern sehr früh sagen, Gebeten werden nicht einfach so erfüllt, wie du es meinst. Jesus betet mal im Garten Gethsemane und bittet Gott, lass diesen Kelch an mir vorübergehen, aber dann endet das Gebet, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und dieser Satz muss unter jedem christlichen Gebet stehen können. Sie müssen jedes christliche Gebet abschließen können mit dem Satz, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Wenn der Satz zu ihrem Gebet nicht mehr gut passt, ist das Gebet nicht gut.

68:12
Also dass Kinder eine Wunsch- und Triebbefriedigung über das Gebet wollen, da muss man auch sagen, Gott ist kein Wunschautomat und kein Selbstbedienungsladen und wir fördern das erzählende Gebet, weil da merkt man einfach, dass man überhaupt bei Gott ist und mit ihm reden kann, schon unser Zusammensein ist schön, man muss nicht dauernd Wünsche haben. Und die dritte Gefährdung ist Gebet als Pflicht, das durch schlechtes Gewissen erzeugt wird. Betest du auch regelmäßig, sonst ist Gott traurig über dich, hast du gebetet. Gebet wird zur Pflicht und zur Leistung und da ist auch Aufklärung nötig, das will Gott gar nicht. Er will, dass wir aus Lust und Liebe kommen. Mir fällt zum Schluss ein Beispiel ein, das ich Ihnen erzählen will. Ich war mal Direktor einer Fachakademie in Schweinfurt.

69:14
Eine Fachakademie in Schweinfurt ist so etwas wie eine Fachschule für Sozialpädagogik, ist ein bisschen höherwertiger, aber im Großen und Ganzen ungefähr gleich. Wir bildeten also Erzieherinnen, aber auch Heimerzieher und so weiter aus. Und ich war, da war ich vielleicht so 40 Jahre alt, war ich in einem Anerkennungsjahr nach der Zeit als Erzieherin Ausbildung, kommt ein Anerkennungsjahr und da gab es auch so Lehrproben ein bisschen. Da habe ich es selten gemacht, aber manchmal hat es mich interessiert. Da saß ich also Anfang Dezember, sagen wir mal so fünfter, achter Dezember um den Dreh rum in einem Kindergarten in Schweinfurt und die Erzieherin machte irgendwie eine Stunde, ich weiß gar nicht mehr, was sie behandelt hat, und die Kinder saßen im Sitzkreis. Ich saß ganz hinten, dass ich möglichst wenig störe.

70:12
Und dann fängt es an zu schneien mit dicken fetten Wolken, also erstaunlich früh, also Schneeflocken nicht wollten, mit dicken Schneeflocken. Es hat wunderschön ausgesehen. Ich habe es gesehen, habe gemerkt, die Kinder haben es noch gar nicht gemerkt, aber man sieht, was passiert. Ein Kind sieht es, interessiert sich überhaupt nicht, was sie da vorne macht. Andere Kinder sehen es auch. Die ersten Kinder gehen einfach an die ganz breite Fensterscheibe, wie Kindergärten an einer Wand haben, die ja eine riesige Scheibe, die ganze Wand. Alle Kinder stehen auf, die Erzieherin ist allein und quetschen ihre Nasen an und gucken diese Schneeflocken an. Es ist ein Augenblick der Faszination. Jetzt steht die Erzieherin auf, geht auch ans Fenster, guckt sich die Schneeflocken an und sagt, lieber Gott ist das schön.

71:15
Bin ich anschließend zu ihr hin, sie haben eine Eins wegen diesem Satz. Die restliche Stunde ist mir schnurzegal, aber sie haben einen Augenblick der Faszination ausdrücklich mit Gott in Verbindung gebracht. Schöner geht es nicht mehr. Kann mehr bringen als drei Milliarden runtergeleierte Tischgebete. Also bringen Sie doch bei entsprechenden Situationen der tiefen Faszination Gott ins Spiel. Jedes Erlebnis des Schönen kann zu einem Hinweis werden zu dem, der das Schöne schuf.

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Mit Kindern beten | 7.2.3

Worthaus 7 – Weimar: 29. April 2017 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Fromme Familien beten vor dem Essen – soweit bekannt. Manchmal sitzen nicht-fromme Freunde betreten am Tisch und lassen das kurze Gespräch mit Gott über sich ergehen. Oder sind froh, dass sie auch ein Gebet beisteuern können: »Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast.« Was man eben früher so beten musste. Hier würde Siegfried Zimmer wahrscheinlich aufschreien: Ein Gebet aus Pflichtgefühl ist eine Beleidigung für Gott! Und: Gebete sollten nur in Ausnahmefällen gereimt werden! Was es sonst noch über das Beten mit Kindern zu wissen gibt, bringt Zimmer in diesem Vortrag unterhaltsam und treffsicher auf den Punkt: Dass Gebete zutiefst kindliche Bedürfnisse befriedigen, dass Gebete Denken und Sprechen fördern und damit auch für nicht-fromme Kinder wichtig sind. Und dass die beste Unterweisung im Gebet manchmal einfach nur ist, das Schneetreiben vor dem Fenster zu bewundern.