Die Frage der Heiligen Heiligen Mir geht es in diesem Vortrag um folgende Frage. Welche Kriterien entscheiden darüber, dass wir uns als eine christliche Persönlichkeit auf gesunde Weise entwickeln? Von was hängt es ab, soweit wir es menschlich sagen können? Also welche Kriterien entscheiden über eine gesunde oder über eine ungesunde Persönlichkeitsentwicklung? Ich bin nur für solche Glaubenspraktiken, die die Entwicklung der Persönlichkeit fördern und nicht etwa behindern. Das gibt es nämlich auch noch. Wir sind alle ein bisschen behindert, wir sind alle ein bisschen beschädigt, aber wir müssen es ja nicht noch künstlich fördern.
Das heißt, für mich ist der Begriff christlich, der sagt eigentlich nur nicht viel. Der ist für mich kein Alibi. Ich bin christlich, also habe ich recht. Ich bin christlich, also bin ich auf der richtigen Seite. Das geht mir ein bisschen zu schnell. Es gibt sehr schlechte christliche Praxis, die kann man eigentlich nur kritisieren. Es gibt mittelmäßige christliche Praxis und es gibt gute und sehr gute christliche Praxis. Also es gibt ganz schöne Qualitätsunterschiede. Es gibt einen gesunden Glauben und einen eher ungesunden Glauben. Es gibt einen reifen Glauben und einen unreifen Glauben. Es gibt einen weiten, großherzigen Glauben und einen kleinkarierten. Also der Begriff Glaube ist eine Nebelkerze. Der sagt nur nicht viel. Und da möchte ich mal ein bisschen dahinter bohren.
Also ich gehe davon aus, dass es nicht nur eine christliche Glaubenspraxis oder einen christlichen Glaubensspiel gibt. Es gibt wahnsinnig viele. Und ich bin Professor für Religionspädagogik und sage jetzt nur schon zwei, drei Mal, weil es hier gerade wichtig ist. Die wissenschaftliche Religionspädagogik kann nicht jeden christlichen Glaubensspiel unterstützen, sondern sie kann nur den christlichen Glaubensspiel unterstützen, der eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung fördert und ermöglicht. Jeden anderen christlichen Glaubensspiel muss die wissenschaftliche Religionspädagogik überprüfen, kritisieren und zu korrigieren versunken. Natürlich ist der Begriff gesund problematisch. Da stellen Sie sich sofort ein paar Fragen. Wer kann entscheiden, was psychisch, ich meine mit gesund immer psychisch gesund, nicht körperlich.
Also wer kann entscheiden, was psychisch gesund ist und was nicht? Und wie will man denn das machen? Kann man das überhaupt eine scharfe Grenze ziehen? Ist das nicht auch sehr kulturell bedingt? Diese Fragen sind alle nicht nur wichtig, die sind notwendig. Ja, in der Tat, vieles in unserem Glaubensspiel ist kulturell bedingt, völlig klar. Völlig klar ist auch die Grenze zwischen psychisch gesund und psychisch krank, kann man gar nicht genau ziehen. Hier ist mit großen Übergangsbereichen zu rechnen und so weiter. Also trotz dieser berechtigten Einwände und obwohl man unbedingt vorneweg sagen muss, der Begriff psychisch gesund, also der ist problematisch, aber er ist notwendig. Wir können auf ihn nicht verzichten, obwohl er problematisch ist.
Er darf auf keinen Fall zur Diskriminierung psychisch kranker Menschen führen. Das darf auf keinen Fall geschehen. Also der Begriff psychisch gesund darf nicht elitär benutzt werden und nicht ausgrenzend. Niemand darf ausgegrenzt werden. Trotz dieser Gefahren, die man ganz klar sehen muss, dürfen wir auf diesen Begriff nicht verzichten. Warum nicht? Es gibt kranke Religiosität und es gibt Kinder und Jugendliche, die in kleinkarierte Sekten und Sondergruppen und Hauskreise geraten, bei denen sich keine gesunde Persönlichkeitsentwicklung ereignen kann. Und deswegen brauchen wir Kriterien, weil wir diese Gefahr nicht unterschätzen dürfen. Und weil wir gegenüber diesen Kindern und Jugendlichen, aber auch gegenüber Erwachsenen eine Verantwortung haben, entweder vorbeugend, dass sie gar nicht in solche seichten Gewässer geraten oder wenn sie mal drin sind, ihnen wieder herauszuhelfen.
Und das ist eine wichtige Aufgabe und diese Aufgabe kann man nur anpacken, wenn wir Kriterien finden für den Unterschied zwischen einer psychisch gesunden Religiosität oder christlichen Glauben und einer psychisch sehr problematischen Glaubensweise. Gut, das mal zur Einstimmung. Jetzt kommt ein zweiter, ich roppe mich ein bisschen ran, bis ich dann diese Kriterien nenne. Diese Kriterien nenne ich ganz bewusst öffentlich, jetzt vor eurer Öffentlichkeit, aber auch, ich glaube, der Aufgenommen vor der Öffentlichkeit derer, die das mal hören oder vielleicht sehen. Ich habe das auch schon oft an der PH vorgetragen und in anderen Vorträgen. Also diese Kriterien, die ich Ihnen nachher vor, die ich euch nachher vor, darf ich euch mit Du anreden? Also diese Kriterien, die ich euch gleich öffentlich nennen werde, dürfen öffentlich kritisiert werden, müssen es auch.
Die müssen sich, die müssen sich öffentlich bewähren. Gut, aber jetzt roppe ich mich mit ein paar Schritten an diese wichtige Aufgabe heran. Zweiter Schritt, nachdem ich den Begriff psychisch gesund erläutert habe, muss ich eine ganz wichtige Unterscheidung einführen. Christlich gesehen, es ist eine Unterscheidung, die sich aus der biblischen Botschaft unbedingt ergibt, aber ich kann das nicht so schnell erklären. Ich setze jetzt einfach voraus, ich habe diese Unterscheidung aus der biblischen Botschaft. Übrigens auch von Martin Luther, der einer meiner großen Lehrer war, der hat diese Unterscheidung schon sehr tief durchdacht. Also wir christliche Menschen leben eigentlich auf zwei Ebenen, in zwei Dimensionen.
Die eine ist Gott gegenüber, das ist unser Gottesverhältnis. Und das andere ist der Welt gegenüber uns, mit Menschen gegenüber, aber auch der Natur und so weiter gegenüber, das ist unser Weltverhältnis. Also wir haben ein Verhältnis zu Gott und wir haben ein Verhältnis zur Welt. Und diese beiden Dimensionen sind nicht strukturgleich, die unterscheiden sich sehr tief. Sie sind beide sehr wichtig. Zum Beispiel in unserem Gottesverhältnis geht jede Erkenntnis, die wir gewinnen können, nur durch den Glauben. Es gibt nur Erkenntnisse Gott gegenüber im Glauben, andere gibt es gar nicht. Aber im Weltverhältnis geht nicht alles über den Glauben, da gehen die meisten Erkenntnisse über die Vernunft oder auch über psychologische Weisheiten und so weiter. Also da gibt es Unterschiede. Und jetzt gehört zu diesen Unterschieden, wir leben also vor Gott und wir leben vor den Menschen.
Das muss man unterscheiden, es hängt eng zusammen, aber es ist nicht das Gleiche. Und wenn wir diesen Unterschied sehr bewusst machen und verantworten und durchdenken, dass er nicht bloß so wischi-waschi ist, dann führt er uns zu einer zweiten Unterscheidung. Das ist die Unterscheidung zwischen Person und Persönlichkeit. Vor Gott sind wir Person und zwar von Anfang an, vom ersten Atemzug an. Der Säugling ist genauso Person wie ein Erwachsener. In unserem Personsein gibt es keine Entwicklung. Also deswegen rede ich auch von Persönlichkeitsentwicklung. Es gibt keine Personentwicklung. Denn zu unserem Personsein können wir selber nichts beitragen. Das ist reines Geschenk.
Das finden wir vor. Personsein heißt, wir sind von Gott geschaffen und wir sind von Gott berufen zur Gemeinschaft mit Gott. Das heißt Personsein. Wir sind von Gott geschaffen und von ihm berufen zur Gemeinschaft mit ihm. Und das ist uns vorgegeben. Das ist so. Also es gibt keine Entwicklung im Personsein. Das gibt es nicht. Vor der Welt aber, wir haben ja ein Gottesverhältnis und ein Weltverhältnis. Vor der Welt sind wir Persönlichkeit. Und in der Persönlichkeit gibt es eine Entwicklung. Und wir sollen uns entwickeln. Das gehört zum Schöpfer, will im Gottesleben, will sich entwickeln, leben, will blühen. Wir leben dazu, dass unser Leben blüht. Also in der Persönlichkeit, da können wir was dazu tun. Wir können nichts für unser Personsein tun. Aber wir können etwas für unsere Persönlichkeitsentwicklung tun.
Zunächst mal tun das unsere wichtigsten Bezugspersonen, die Eltern, Großeltern, Kindergarten, Leute, Erzieherinnen und so weiter. Wir haben wichtige Bezugspersonen und je früher sie mit uns zu tun haben, desto wichtiger ist ihr Einfluss. Aber wir können auch jetzt so in eurem Alter zwischen 20 und 50 oder irgendwie so, seid ihr, ich sehe euch ja nicht genau. Ihr könnt euch alle entwickeln. Man kann sich auch mit 60, 70 noch enorm entwickeln. Ich bin 65, immerhin. Bin zufrieden. Ich wäre vor kurzem fast mit meiner Frau tödlich verunglückt. Wir haben uns überschlagen. Und wir haben beide mit unserem Tod gerechnet. Und als wir auf dem Dach dahingeschmittert sind auf der Autobahn, mitten im vollen Verkehr, habe ich merkwürdigerweise gar nicht gebetet. Also ich habe mit jeder Sekunde gerechnet, dass ich jetzt tot bin. Und wie mein letzter Gedanke war, naja, ich bin 63.
Ich bin zufrieden. Das war mein letzter Gedanke. Aber jetzt will ich euch sagen, ich bin 65, also lebe schon zwei Jahre nach diesem Unfall. Und ich möchte in drei Jahren viel weiter sein wie jetzt. In fünf Jahren. Gut. Also wir unterscheiden jetzt zwischen Person und Persönlichkeit. Wie ihr euch als Persönlichkeit in den nächsten fünf oder zehn oder fünfzehn Jahren, gibt kein Intercity Tempo. Es ist harte Arbeit an sich selber. An eurem Personsein könnt ihr nicht arbeiten. Aber an eurer Persönlichkeit. Und es geht nur Millimeter für Millimeter. Aber nach zehn, fünfzehn Jahren merkt man den Unterschied. Gut. Also psychisch gesund und der Unterschied zwischen Person und Persönlichkeit. Jetzt gehe ich weiter in den Themenbereich herein.
Es gibt im Leben ein Urphänomen. Das heißt, mein Vortrag ist phänomenologisch angelegt. Ich gehe von Phänomenen aus, nicht von Überzeugungen. Erstmal beobachten, erstmal wahrnehmen. Aufmerksam sein. Nicht so schnell urteilen. Erstmal beobachten lernen. Also das nennt man Phänomenologie. Die Phänomenologie geht aus von Beobachtungen. Und zwar von Beobachtungen, die jeder Mensch, Buddhist, Atheist, Muslime, Christ, sonst was, wir sind alle Menschen. Also es gibt im Leben ein grundlegendes Phänomen. Mehrere, aber eines jetzt greife ich auf. Nämlich, es gibt im Leben langsam ablaufende Vorgänge. Kontinuierliche, langfristige Vorgänge. Ich nenne sie mal stetige Vorgänge.
Und es gibt im Leben unstetige Vorgänge. Da passiert dir plötzlich was. Gestern sagt meine Frau zu mir, oh da war ein Auto. Bin ich froh, dass ich dem nicht reingefahren bin. Beim Rauspaden. Jetzt schon mal vor, wir wären reingefahren, dann wären wir jetzt direkt da. Also unversehen, ungeplant, begegnet mir etwas. Begegnungen sind oft gegen mich. Ich kann sie nicht voraus berechnen. Also es gibt im Leben zwei grundlegende Aspekte. Es gibt langfristige, jahrelange Prozesse. Und es gibt plötzlich herausragende Schlüsselerlebnisse. Grenzerfahrungen. Beides gibt es. Das ist die Sprache des Lebens. Jetzt habe ich mal eine Frage an euch. Und das sollte man euch zwei, drei Minuten spontan austauschen. Folgende Frage. Was meint ihr, was ist für eure Persönlichkeitsentwicklung wichtiger?
Die langfristigen, kontinuierlichen, stetigen Prozesse, die sich über Jahre aufbauen? Oder herausragende, plötzliche Schlüsselerfahrungen, die sich unerwartet aber tief euch begegnen? Was meint ihr? Sind beide Dimensionen gleich wichtig ungefähr oder ist eine der beiden Dimensionen wichtiger? Könnt ihr euch dann noch zwei Minuten drücken. Ich will auch mal ein Beispiel skizzieren von einer relativ wichtigen philosophischen Position, die zu dieser Fragestellung genommen hat. Diese philosophische Strömung oder Position nennt man Existenzphilosophie. Das ist zum Beispiel Heidegger oder Jastros. Und es gibt eine populäre Stilart von der Existenzphilosophie. Das ist der Existenzialismus. Das ist eine literarische Strömung, die stark von der Existenzphilosophie inspiriert ist.
Das ist Camus, Sartre, Simon de Beauvoir und so weiter. Höhepunkt war so 1930 bis 1960, also so in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Existenzphilosophie ist folgender Auffassung. Der Mensch hat einen existenziellen Kern. Um den erreicht man nur in existenziellen Erlebnissen. Das macht der Mensch auf. Normalerweise 90, 95 Prozent seines Lebens dämmert der Mensch in seiner Erlebnismasse dahin im Alltagsdrott, in der Routine, in den Gewohnheiten, in den Zwängen und Banalitäten des Lebens. Toilette putzen, büten und so.
Also der große Teil unserer Erlebnismasse berührt uns nicht tiefer. Im größten Teil des Lebens leben die Menschen uneigentlich. Aufwachen zur Eigentlichkeit geht nur in Schlüsselerfahrungen, Grenzerfahrungen, in ganz tiefen Entscheidungen, wo ich entweder oder, soll ich die jetzt heiraten oder nicht, sollen wir uns trennen oder nicht, soll ich auf die PH gehen oder nicht, soll ich diese Stelle annehmen oder nicht. Also in so tiefen existenziellen Entscheidungen oder auch im Scheitern oder im Wagnis, ich wage etwas, oder es begegnet mir jemand und von der Stunde an war mein Leben anders. Also da macht der Mensch auf zur Eigentlichkeit. Deswegen hat die Existenzphilosophie kein Verhältnis gehabt zur Pädagogik.
Denn in der Pädagogik, da geht es um Üben, Lernen, sich Gewöhnen, um Bildung, das dauert jahrelang und es geht Millimeter für Millimeter. Also die Existenzphilosophie war der Meinung, es lohnt sich eigentlich nicht, sich mit der Pädagogik zu beschäftigen. Die leben ja im Uneigenlichen, so im Alltag, in diesen langfristigen Sachen, die lohnen sich eigentlich nicht. Also die Existenzphilosophie, das darf man sagen, hatte eine gewisse Geringschätzung für die langfristigen Prozesse. Und deswegen hatte sie auch kein Verhältnis zur Welt des Organischen. Ein Apfel reift heran, ein Kind wird groß, die Herde vermehrt sich. Das lohnt sich für einen Existenzialisten nicht. Die Existenzialisten waren Städter und der Wurzelboden war der Erste und der Zweite Hellkrieg.
Das waren ja Ausschlüsselereignisse, die die ganze europäische Kultur erschüttert haben. Und deswegen ist der ganze Existenzialismus eine Philosophie der Erschütterung, der Krise. Und als dann die Erfahrungen des Ersten und Zweiten Weltkriegs langsam abklangen, auch der Existenzialismus ab. Gut, also das war aber mal eine deutliche Stellungnahme zu dieser Frage, die ich euch gestellt habe. Jetzt gibt es einen berühmten Pädagogen, ich streife das alles nur kurz, ich möchte euch nur aufwärmen, weil ich bin jetzt bald mittendrin. Aber ich finde diese Annäherung sehr wichtig. Sie irgendwie regt sie euch an, das merkt ihr vielleicht. Also ein großer Pädagoge, Otto Friedrich Bollnó, hat ein Buch geschrieben, eines der genialsten Bücher des 20. Jahrhunderts.
Das Buch heißt Existenzphilosophie und Pädagogik. Und da hat Bollnó folgende Meinung, ich teile sie. Er hat gesagt, ja, die Existenzphilosophie hat schon in vielen Rechten, die sind nicht dumm, die Leute. Und die bisherige Pädagogik, so Kindergarten, Kinder sind wie Pflanzen, man muss sie begießen und dann wachsen sie halt im Kindergarten. Also das ist so gerade das Gegenteil des Existenzialismus, Kinder sind Pflanzen und man muss sie halt jahrelang gießen. Da sagt der Bollnó, also das ist das auch nicht. Also es gibt schon Scheidungen, die Oma stirbt, der Hamster stirbt, meine Freundin lässt mich im Stich, Hanna, brich doch nicht einfach wachsen und gießen, das ist wirklich Scheitern und Katastrophe. Und so hat Bollnó gesagt, die bisherige Pädagogik war zu einseitig eine Stetigkeitspädagogik, sie war blind auf dem Auge der Unstetigkeit.
Und daraus wurde dann die Regel, Störungen haben Vorrang. Wenn bei einem Kind die Mutter gestorben ist, da kannst du nicht normal weiter unterrichten. Also Störungen haben Vorrang. Also Bollnó sagt, die Pädagogik darf die unstetigen Dinge nicht weiter so vernachlässigen wie bisher, sie muss sie mit in ihr Blickfeld aufnehmen. Aber die Pädagogik darf sich niemals an diese einseitige Anthropologie, Menschenauffassung, dass der Mensch einen existenziellen Kern hat, und woher wollen denn die das wirklich wissen, und nur das, was diesen Kern erreicht, ist wichtig. Da sagt der Bollnó, nein, das ist eine schwere Einseitigkeit. Dass der Lebenslauf eines Menschen ist mehr als Schlüsselerlebnisse. Viele Höhepunkte, viele Grenzerfahrungen machen noch keine Biografie.
Was ist zwischen diesen Ereignissen? Ist es bloß unwichtiger Lehrlauf? Ist es nur uneigentlich? Nein, das ist falsch. Also sagt Bollnó, die Pädagogik muss weiterhin ihren ersten Schwerpunkt auf die langfristigen Prozesse legen. Üben, lernen, sich bilden, das bleibt das Wichtigere. Aber sie muss diese Grenzerfahrungen und die plötzlichen Dinge ernst nehmen. Gut, jetzt gehen wir mal in die Bibel heim. Jetzt fragen wir mal das Ganze in der Bibel. Die Bibel ist ja voller Leben, deswegen ist sie auch voller Widersprüche, wie das Leben halt so ist. Ihr könnt die Bibel nicht dadurch ehren, dass ihr sie glatt bügelt.
Das ist bloß euer Grundständen. Ihr dürft aber auch protestieren, wir werden ja übermorgen, werden wir uns diesen Dingen zuwenden. Also auf jeden Fall, ich möchte nur jetzt schon mal andeuten, es ist auf die Dauer nicht gut zu sagen, die Bibel soll gefälligst so sein, wie ich es gern hätte und wie meine psychische Prommenstruktur es verlangt. So soll die Bibel gefälligst sein. Das will ich so. Das ist nicht gut. Kurzfristig vielleicht schon. Gut, also wir schauen mal in die Bibel rein. Die Bibel ist voller Leben, kantig, nicht glatt gebügelt, wie das Leben halt auch nicht glatt gebügelt ist. Deswegen gibt es in der Bibel auch dieses Urphänomen, ganz klar. Es gibt in der Bibel langfristige Prozesse und plötzliche Schlüsselereignisse. So, jetzt habt ihr mal nur eine Minute Zeit.
Ihr sollt mal mit dem Nachbar, vielleicht jetzt mal mit dem anderen Nachbar wie vorher, mal nur euch ganz kurz austauschen. Legt mal eine kurze Vermutung ab. Was meint ihr, ist in der Bibel wichtiger? Theologisch wichtiger? Geistlich wichtiger? Die langfristigen Prozesse oder die plötzlich herausragenden Schlüsselereignisse? Was meint ihr? Ausdrücken wir kurz aus. ב
Das glaube ich nicht. Also gut, die Minute ist um. Martin guckt immer auf die Kur. Ich frage euch nicht, denkt selber weiter dran rum. Die Fragen sind aber sehr wichtig für eure Persönlichkeitsentwicklung. Ich sage euch, die Klärung dieser Frage, die qualifizierte Klärung, und zwar die biblisch qualifizierte Klärung dieser Frage, ist entscheidend, wie ihr euch in den nächsten zehn Jahren entwickeln werdet. Ich sage es euch. Gut, also jetzt will ich mal sagen, bevor ich diese Frage jetzt biblisch analysiere, will ich mal sagen, die kirchliche Tradition, die christliche Tradition, ich meine keine bestimmte Kirche, ich selber bin zufällig evangelisch, landeskirchlich, ist mir aber nicht sehr wichtig. Ich habe eine Solidarität mit der evangelischen Kirche,
aber ich glaube nicht, dass eine Kirche besser ist wie eine andere. Also ich bin durch und durch ökonomisch. Also nur, um das auch mal kurz klarzustellen. Also deswegen sage ich jetzt mal nicht kirchliche Tradition, da fühlen sich die Freikircher dann vielleicht ein bisschen geschont. Die will ich aber auch nicht schonen. Also deswegen sage ich mal, die christliche Tradition, vor allem die erweckliche Tradition, der ich mich durchaus zugehörig fühle, ich bin also, um das auch kurz mal so anklingen zu lassen, ein aus der karismatischen Bewegung herkommender, dem erwecklichen Christsein zugewandter Zeitgenosse.
Aber ich bin auch Professor für Religionspädagogik. Das ist eine ganz eigentümliche Mischung. Ziemlich widersprüchlich. Bitte? Ziemlich widersprüchlich. Ja, aber da sitzt doch Pfeffer drin. Genau. Ich meine, es muss kein Widerspruch sein, aber so harmonisch ist es nicht. Ich weiß nicht, wie viele, ich bin auch Theologieprofessor, bin Professor für Theologie und Religionspädagogik, ich weiß nicht, wie viele Theologieprofessoren in Deutschland es gibt, die charismatisch sind, es gibt schon ein paar, aber nicht viele. Und die sind keine typischen Charismatiker, weil sie halt auch Theologieprofessoren sind. Gut, auf jeden Fall, in diesem erwecklichen Christentum, oder überhaupt in der Tradition des Christentums, insbesondere in der Tradition des erwecklichen Christentums,
kann man folgende Tendenz feststellen in aller Freundschaft. Ich finde das auch freundschaftlich. Ich möchte überhaupt niemanden angreifen, steht mir nicht zu. Also nicht persönlich, sachlich möchte ich mich schon auseinandersetzen. Ich möchte Vorurteile angreifen, aber nicht Personen. Also im erwecklichen Christsein gibt es schon die Tendenz zu den kurzfristigen Ereignissen mit Gott. Also sagen wir mal, eine Offenbarung. Wow! Also die Bibel hat Offenbarungen und Gott hat sich offenbart. Und ich lebe aufgrund von Offenbarungen. Das müssen ja nicht gleich persönliche sein, aber aufgrund von biblischen Offenbarungen. Ja, Offenbarung ist immer was Kurzfristiges. Es gibt ja keine jahrhundertelange Offenbarung. Also das sind so kurzfristige Ereignisse. Offenbarung, Entscheidung, Bekehrung, Geistesdorfer, Umkehr, Berufung, Sendung und so weiter.
Also die zauberhaften Worte mit riesigem Fluidum sind immer ereignishaft. Die kann man bezeugen, man gibt man ein Zeugnis. Ich finde das gar nicht schlecht, wenn man das macht. Aber ich will nur sagen, die Tendenz ist ziemlich klar. Man ist also vor allem interessiert an den unstetigen Wirkungsweisen Gottes. Man ist nicht so interessiert an den unscheinbaren, langfristigen, millimeterhaften Vorgängen, wo man nicht direkt was bezeugen kann. Die findet man geistlich nicht so wichtig. Gut, zunächst muss ich sagen, diese christliche Tradition, ich habe nichts gegen Tradition, wir brauchen Tradition.
Einer meiner Lehrer hat gesagt, Tradition braucht respektvolle Kritik und kritischen Respekt. Also Tradition braucht Respekt, aber auch Kritik. Diese Tradition hat aber ihr gutes Recht. Denn sie hat eine satte, breite biblische Begründung. Die will ich jetzt mal liefern. Also ich sage nicht, dass diese Tradition falsch ist. Ich würde nur sagen, sie ist problematisch. Sie kann sehr schnell einseitig werden. Muss es nicht, aber kann. Also ich sage aber erst mal, das Recht. Diese Tradition ist zunächst einmal in großen Teilen völlig im Recht, biblisch gesehen. Und ich sage das jetzt so deutlich, nicht, dass ihr meint, ich lehne das ab. Mir geht es nachher um eine Differenzierung, dass wir dieses Schwarz-Weiß-Denken überwinden.
Weil da kommen wir nicht weiter. Da rotieren wir immer im gleichen Saft. Ich habe vor ein paar Jahren meine Bibelschulklasse, ich war auch Schüler und Lehrer auf einer finstlichen Bibelschule. Und da habe ich jetzt mal nach 30, 40 Jahren mich getroffen mit meinen Bibelschülern. Früher, jetzt sind auch alle 60, haben alle so pensionierische Renten und so. Und da habe ich drei, vier Tage mit denen getroffen. Ich bin gebetet, es war tief berührend. Ich sage das in aller Freundschaft und Liebe, aber ein bisschen traurig war ich schon. Genauso das gleiche Denken wie vor 30, 40 Jahren. Die gleiche Art von Anekdoten plus fünf mehr. Haben die sich wirklich entwickelt? Ich weiß, wie das darüber kein Urteil sprechen, aber ich war da schon traurig.
Wie ähnlich das war wie vor 40 Jahren. Gut, also aber zunächst mal das Recht. Ja, in der Bibel, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Bibel steht Gottes rettendes Handeln. Und das ist ereignishaft, plötzlich, unerwartet. Durch bricht den Alltag des Regulären, das Langfristige, die großen Taten Gottes kommen und alles. Und alles sieht anders aus und er macht alles neu. Also ich will das mal bewusst machen. Es geht los. Grundlegend, das werde ich morgen um 18 Uhr behandeln. Der Exodus, die Befreiung der hebräischen Zwangsarbeiter aus einer der damals führenden Großmacht. Auf eines Tages waren die weg. Bildige, nützliche, notwendige Arbeitskräfte. Also der Vorgang ist politisch eine Frechheit, Schädigung.
Also auf jeden Fall dieses Befreiungserlebnis ist grundlegend. Das ist der Wurzelboden unserer Hoffnung. Ähnlich war aber auch die Befreiung von Ablaham, Auszug aus Burk und Chaldea. Also das waren so die beiden großen Exodus-Erfahrungen. Die sind tatsächlich biblisch der Wurzelboden von dem, was weitergeht. Dann kommt zum Beispiel die Errettung am Schilfmeer. Also da sind ägyptische Verfolger, die Zwangsarbeiter stehen am Ufer eines großen Wassers. Todesnot, Errettung. Das ist ein Schlüsselerlebnis, unstetig. Dann kommt der Bundesschluss. Auf einmal werden die zehn Gebote übergeben am Sinai. Das dauert auch nicht 300 Jahre, sondern das war der Bundesschluss, nicht die Bundesentwicklung. Dann kommt die Wanderung durch die Wüste. Da könnte man jetzt am ehesten meinen, oh jetzt kommt eine Entwicklung.
Weil 40 Jahre, nee, nicht doch gar nicht als Entwicklung gemeint, sagen wir, dass man sagen könnte, erst kommen die fünf grundlegenden Jahre der Wüstenwanderung, darauf psychologisch aufbauen, kommen die nächsten sieben Jahre und so entwickelt sich was nicht. Da entwickelt sich gar nichts. Die gehen im Kreis rum und so weiter, wiederholen vieles. Also diese 40 Jahre sind überhaupt nicht als kontinuierliche Entwicklung zu verstehen, sondern aber irgendwann waren sie am Rande des gelobten Landes und jetzt kommt der Einzug ins gelobte Land. Und das ist wieder ein Ereignis, etwas unstetiges. Auf einmal waren sie über dem Jodan drüben. Dann leben sie in dem Land, aber es wird auch nicht wieder geschildert, wie bauen sie jahrelang eine landwirtschaftliche Struktur auf, wie bauen sie ihre Dörfer, nein, da ist kein Interesse dran, sondern die Errettung von den Feinden. Da kommen die Filister und so weiter und dann die Bedrohenden, sondern da kommen Richter und sie erretten es.
Also es ist immer das Ereignishafte. Und dann, weil die Israeliten nicht so leben, wie es dieser Heilsgeschichte, Exodus, Wüstenwanderung und so weiter entspricht, wandeln die Propheten und kündigen ein Gericht an. Gericht ist wieder ereignishaft. Oder aber auch, dass der Messias kommt. Also der rote Faden ist immer die Taten Gottes. Sie kommen plötzlich, niemand weiß genau wann, und dann sind sie skandalös, unerwartet durchbrechen, das Gewohnte. Gehen wir mal ins Neue Testament. Das Ereignis Jesu, eines Tages war er da. Er erzählt seine Geburt, das ist ein Ereignis, der wird ja nicht 15 Jahre lang geboten. Und dann, auch als Erwachsener, auf einmal wird er getauft. Was macht er denn dazwischen 30 Jahre lang? So seine Kindheitserfahrungen, Schulerfahrungen, erste Berufsjahre, keinerlei Interesse.
Er springt vom Ereignis der Geburt zum Ereignis der Taufe, Versuchen dann die Verkündigung. Was ist im Mittelpunkt der Verkündigung Jesu? Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Wieder ein Ereignis. Da passiert was. Das kommt ja nicht 1000 Jahre lang, sondern jetzt mit meinem Auftreten kommt das Reich Gottes. Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann könnt ihr daran erkennen, dass das Reich Gottes jetzt zu euch gekommen ist. Und dann kommt Kreuz und Auferstehung. Das sind ja wieder Ereignisse am dritten Tag. Dann kommt die Ausgießung des Geistes, dann kommt die Sammlung der Gemeinde, die Sendung der Gemeinde. Und dann erwarten wir die apostolische Glaubensbekenntnis, springt dann zur Auferstehung der Toten und dem Weltgericht. Wieder Ereignisse. Und alles, was vor diesen Ereignissen ist, ist Zwischenzeit.
Also, das stimmt. Im Mittelpunkt der biblischen Aufmerksamkeit, im Mittelpunkt des biblischen Interesses, zentral sind die großen Taten Gottes, die Eingriffe Gottes in die Geschichte, die Sendung Jesu und so weiter. Kein Zweifel. Im Mittelpunkt, im zentralen Aufmerksamkeitsscheinwerfer der Bibel sind Gottes rettende Taten. Und zu diesen Eingriffen Gottes gehört eine bestimmte Sprache. Jetzt wird es mir immer wichtiger. Und zwar folgende Sprache. Es ist eine Sprache der Kontraste Unglaube-Glaube, Sünde-Vergebung oder Schuld und Vergebung, Fleisch und Geist, Licht und Finsternis, Gefangenschaft und Freiheit, Alt und Neu,
eins wart ihr, aber jetzt seid ihr. Es ist also die Sprache der Kontraste. Es gäbe sicher noch mehr, aber die wichtigsten habe ich jetzt mal so auswendig genannt. Die Stärke dieser Kontrastsprache liegt darin, dass man sehr klar abgrenzen kann. Du kannst nicht, du musst entweder oder sein, du kannst nicht beides zugleich sein, du kannst nicht gefangen sein und frei. Du kannst nicht im Licht sein und gleichzeitig in der Finsternis. Das geht so im Großen und Ganzen nicht. Also es gibt da keine Entwicklungen, keine fließenden Übergänge. Es ist eine Sprache der Kontraste. Und es passt auch dazu, das rettende Eingreifen Gottes bringt Scheidungen mit sich. Gott scheidet zwischen Licht und Finsternis. Und das muss man auch ganz deutlich zur Sprache bringen. Also die Stärke dieser Sprache ist ihre scheidende Kraft, auch ihre abgrenzende Kraft.
Es ist eben ein Unterschied zwischen lebendigem Gott und den toten Göttern. Da muss man abgrenzen, unterscheiden. Merkt euch mal, es ist eine Sprache der Substantive und der Adjektive. Jetzt gibt es in der Bibel aber noch, jetzt komme ich zu dem, was ihr lernen sollt. Und ich sag euch, ich bin mir ziemlich sicher, dass das keiner von euch bisher weiß. Und dass keiner von euch das ernsthaft bisher bearbeitet hat. Deswegen hoffe ich, dass ich euch weiter kriege. Es gibt in der Bibel aber noch eine ganz andere Sprache. Und die passt zu einem ganz anderen Wirken Gottes, das nicht ereignishaft ist.
Und deswegen wird es auch ganz anders erfahren. Weil es geht hier gar nicht um Ereignisse. Aber diese Wirkungsweise Gottes an der Welt ist genauso wichtig. Und jetzt will ich euch erstmal die Sprache sagen. Zu dieser Wirkungsweise Gottes noch sehr geheimnisvoll, die bei vielen gar nicht so stark im Blick ist, völlig fixiert auf Gottes rettendes Handeln. Von dem ich ja gesagt habe, es steht im Mittelpunkt der Bibel. Und da soll es auch bleiben. Und ich bin da nicht dagegen, sondern ganz im Gegenwart. Aber es gibt noch eine andere Sprache. Das ist eine verbale Sprache. Es ist nicht eine Sprache der Substantive und Adjektive. Und ich sag euch jetzt mal die Verben, die zu diesem Wirken Gottes passen. Es gibt in der Bibel über 60 Verben im Hebräischen dieser Art.
Es sind folgende Verben. Wachsen, gedeihen, zunehmen, groß werden, stark werden, klug werden, weise werden, sich ausbreiten, Frucht bringen, viel werden, und so weiter und so weiter und so weiter. Es gibt allein für das Verb sich ausbreiten im Hebräischen 16 Verben. Deutschen nur eines. Das Hebräische unterscheidet 16 Formen des sich Ausbreitens. Das könnt ihr euch nicht mal in der Fantasie vorstellen. Die deutschen Bibelübersetzungen übersetzen alle 16 Verben leider ziemlich idiotisch primitiv mit sich ausbreiten.
Was sollen sie denn sonst groß machen? Es gibt im Hebräischen 11 Verben für wachsen. Der Hebräer unterscheidet 11 Formen von wachsen. Es gibt vier Verben für viel werden. Vier. Also da merkt ihr, da sitzt, obwohl das andere, habe ich ja gesagt, im 10. und im Mittelbund, ja, alles stimmt, stimmt, aber verdammt nochmal, da steht auch ein ziemliches Interesse drauf. Und das sind jetzt also Verben stetiger Art. Da kannst du nichts so schön datieren, kannst du auch nichts bezeugen. Und jetzt habe nicht nur ich, sondern viele meiner Kollegen auch, das was ich sage ist religionspädagogisch Konsens. Aber man weiß, dass das lange Zeit, das weiß man erst seit 30, 40 Jahren, wird das in der Wissenschaft in angemessen gewürdigt.
Das war Brachland bisher, auch biblisch. Die Bibel treuen, schon Selbstlob, wir haben da überhaupt keine Ahnung. Also diese Vorgänge, die empfinden viele Christen als geistlich nicht so wichtig. Schon nicht so spektakulär. Das rettende Handeln finden sie christlicher. Diese Verben sind die Sprache des Segens. Jetzt gibt es tausende von christlichen Gruppen, die sagen also Erlösung, Rettung, das ist meinesgleichen. Gott rettet mich, Gott erlöst mich, ich bin erlöst, ich bin gerettet. Das ist Zentrum und drum herum gibt es viele zweit- und drittrangige Sachen, oder die halt auch wichtig sind, aber alle abgeleitet, dass man auch stille Zeit macht, dass man betet, dass man im Gottesdienst geht, dass man in der Bibel liest. Ja, im Gottesdienst ist schon Ende aus Segen.
Wenn ich jetzt ein Flipchart hätte, würde ich dieses christliche Modell, das es weltweit auch heute millionenfach gibt, im Mittelpunkt von der Flipchart wäre ein großer Kreis Rettung, ich bin gerettet. Und drum herum viele kleine Sternchen, was zum Christentum auch irgendwie gehört, aber es ist eben ein Zentrum Rettung. Dieses Modell ist biblisch fundamental falsch. Es ist nicht ganz falsch, es ist halb richtig. Richtig ist schon, dass das Evangelium von Jesus Christus, das rettende Handeln im Mittelpunkt steht. Und ich bin ganz dafür, dass es immer so bleibt. Jubilate. Auch die großen theologischen Begriffe Gnade, Sünde, Kreuz, Auferstehung, Versöhnung, Rechtfertigung, Evangelium, die sind alle auf Gottes rettendes Handeln ausgerichtet. Das stimmt. Das muss man schon anschauen.
Aber jetzt kommt die Kritik. Das rettende Handeln Gottes steht in der Bibel im Mittelpunkt, ja. Aber es steht nicht so im Mittelpunkt, dass Gottes segnende Handeln abgewertet würde. Das heißt, die Mittelpunktstellung des rettenden Handelns geht nicht auf Kosten des Segens. Und das ist die große Gefahr. Dass man sagt, du hast ja Jesus. Das ist entscheidend. Alles andere ist zweitrangig, drittrangig. Du hast Jesus und damit hast du alles. Deine sportliche Begabung, deine wissenschaftliche Begabung, deine künstlerische Begabung, deine Persönlichkeitsentwicklung, ja, da kann man auch mal drüber reden, aber geistlich zentral.
Nein, jetzt hat man Folgendes entdeckt an der Universität durch tiefe, sorgfältige Bibelforschung. Und zwar ergebnisoffen. Nicht, dass man sagt, ich weiß schon jetzt, was ich rauskriege, was ich in der Bibel studiere. Nein, an der Universität lernt man wirklich völlig neue Sachen, mit denen man kirchlich gar nicht gerechnet hat. Klaus Westermann war der erste Alttestamentler, der 1965 das entdeckt hat, was ich jetzt sage. Schon heute unbestritten in allen staatlichen Universitäten. Also der Klaus Westermann, ich lasse mal das weg, wo er selber auch nicht ganz durchgeblickt hat, weil es gibt jetzt eine 50-jährige Diskussion und heute sind die Dinge relativ klar. Gott handelt nach der Bibel an der Welt auf zweierlei Weise, zwei Weisen. Er handelt rettend und er handelt segnend. Das sind die beiden Grundformen.
Es gibt nicht eine Grundform und daneben nur noch zweit- und drittrangiges. Nein, es gibt zwei Grundformen. Diese beiden Grundformen sind sehr unterschiedlich, gell? Sie sind nicht strukturanalog. Sie werden ganz anders erfahren. Die eine ist ereignishafter und die andere nicht. Die Grundform, die im Mittelpunkt steht, ist das rettende Handeln. Aber die andere Grundform steht nicht im Mittelpunkt, ist aber die Voraussetzung. Denkt an das apostolische Glaubensbekenntnis. Der Christusartikel ist zentral, ist auch der umfangreichste. Aber ohne den ersten Glaubensartikel, ich glaube an Gott den Schöpfer und im Segen geht es um die Schöpfung, kannst du dem Christusartikel den Hasen geben. Denn der Christusartikel, der ist zentral. Aber der erste Artikel ist deswegen nicht zweitrangig. Das ist der grundlegende Fehler im erwecklichen Christentum.
Deswegen werden Sie wissenschaftsfeindlich, bildungsfeindlich, psychologiefeindlich. Es kommen eine Menge Einzeitigkeiten rein, weil Sie sagen, das Entscheidende ist das Evangelium von Jesus Christus. Alles andere ist zweitrangig. Nein, das stimmt nicht. Ich bin dafür, dass Jesus Christus im Mittelpunkt des Glaubens steht. Ich möchte aber, dass er auf eine gesunde Weise im Mittelpunkt steht. Denn Jesus Christus kann auch auf eine kranke Weise im Mittelpunkt stehen. Und das will ich nicht. Wann steht Jesus Christus auf eine kranke Weise im Mittelpunkt? Wenn er zur Konkurrenz für die Schöpfung wird. Wenn man sagt, weißt du, eine jahrelange Persönlichkeitsentwicklung, das ist doch Ausdruck des Segens. Leben, wachsen, sich ausbreiten, blühen. Auch wenn du auch einiges dabei selber zu tun hast. Persönlichkeit.
Wenn man dann sagt, nein, das ist schon Jesus. Alles andere ist eigentlich unwichtig. Manche Leute, manche Christen haben eine Sehnsucht nach Erweckung. Das kann eine Flucht sein, vor der beschwerlichen Aufgabe, seine eigene Persönlichkeit Millimeter für Millimeter zu entwickeln. Und du hast schon Jesus. Jesus ist die Vertuschung deiner Defizite. Jetzt wird das Evangelium von Jesus Christus krank. Es wird nämlich zur Kompensation, zum Zudecken, zum Vertuschen deiner kreatürlichen Defizite. Und dazu ist Jesus Christus nicht da. Da wird das Evangelium krank. Es wird nämlich jetzt zur Kompensation. Nein, die Aufgabe Kinder und Jugendliche sich entfalten zu lassen, alle ihre Entwicklungsmöglichkeiten,
ihre menschlichen, kreatürlichen, kreativen, das ist die fundamentale Aufgabe. Also wir stehen jetzt vor einer ganz entscheidenden Aufgabe. Wie verbinden wir Gott als Retter mit Gott als Schöpfer? Da können wir nicht sagen, Gott als Retter ist erstrangig und Gott als Schöpfer ist zweitrangig. Das ist der Fehler des erwecklichen Christentums. Gut gemeint, auch oft unbewusst, aber trotzdem schlecht. Die Ergebnisse merkt man ja. Viele eng geführte Menschen, die sich nicht wirklich umfassend entwickeln können, weil die Religion sie in eine Enge führt. Also das gesunde Verhältnis zwischen Gott als Retter und Gott als Schöpfer lautet folgendermaßen, Gott als Retter ist zentral, Gott als Schöpfer ist fundamental. Das ist die richtige Zuordnung.
Erster Glaubensartikel ist fundamental, nicht zweitrangig. Das heißt, die fundamentale Aufgabe der heutigen Religionspädagogik, die fundamentale, ist, Kinder in ihrer Entwicklung umfassend zu fördern, ihre Entwicklungsspielräume auszuloten. Da gehört viel dazu, denn Reichtum dieser Möglichkeiten ausloten, da braucht man erstens Fantasie, zweitens Neugierde, drittens Entdeckerlust und viertens Ermutigung. Davon lebt die Religionspädagogik. Ich sage es mal noch mal, weil es ist nicht ganz unwichtig für eure Entwicklung. Das erste ist Fantasie, das zweite ist Neugierde.
Die darf man geistlich nicht verdächtigen. Neugierde ist das größte Kompliment an Gott. Entdeckerlust, entdeckendes Lernen und Ermutigung. Natürlich muss man auch ermahnen und so weiter, aber der Mutterboden ist erst einmal das. Wenn die Religionspädagogik oder die Gemeinde oder der Hauskreis oder ein Prediger in dieser fundamentalen Aufgabe Defizite hat und dann kommt er auf einmal vom lieben Jesus, dann muss er davon auch nicht groß kommen. Denn der beste Rahmen, um das Evangelium von Jesus Christus zu hören, ist die Bewunderung des Schöpfers. Wenn Kinder in der Kindergarten über ein Wasser tropfen, über ihre Finger, über eine Ameise, über die Sonne, über das Atem,
wenn die nicht, kostet alles nichts. Im Fernsehen, das kostet alles. Wir können keine Konkurrenz zum Fernsehen sein, aber ich sage euch, der Religionsunterricht kann spannender sein, als Fernsehen. Uns kostet alles gar nichts. Atmen kostet auch nichts. Und seine Finger betraten und an Wasser tropfen und so weiter. Aber da können Kinder faszinative Erlebnisse machen. Und sie entwickeln eine Freude am Leben, eine Freude an der Schöpfung. Und sie machen Faszinationserfahrungen. Das macht sie dankbar, macht sie neugierig, das inspiriert, das macht sie aktiv. Kinder sind aktive Erkundeter der Umwelt und sollen nicht ständig mit fertigen religiösen Antworten kaputt geschlagen werden. Also wenn aber es uns gelingt, dass Kinder sagen, im Religionsunterricht, in der Jugendarbeit, in der Sonntagsschule,
kann ich meine Persönlichkeit entfalten, da komme ich weiter, dann hören sie auch gerne das Evangelium von Jesus Christus. Die fundamentale Aufgabe der christlichen Gemeinden ist es, die Entwicklungsräume der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen auszujoten. Wenn sie da Defizite haben, dazu ist Jesus Christus nicht in die Welt gekommen, um diese Defizite zu vertuschen. Das ist aber nicht die Aufgabe der Wunder. Also ich beende meinen grundsätzlichen Teil mit folgendem Ergebnis. Es gibt nicht nur eine wirkungsweise Gottes an der Welt. Es gibt nicht nur ein einliniges Handeln Gottes an der Welt, sein rettendes Handeln. Gott sei Dank gibt es das und das steht im Zentrum. Aber es gibt auch Gottes segnende Handeln.
Das ist nicht unter vieler Liefen, Aum und Segen auch, nein, sondern wir müssen den Rang des Segens entdecken, sonst können wir den Rang der Entwicklungsprozesse nicht erkennen. Dass wir geistlich gesehen die jahrelangen Entwicklungsprozesse im Denken, im Fühlen, im Sensibelwerden, in Vorurteile abbauen, das kann keiner von heute auf morgen, aber nach 15 Jahren solltest du weniger Vorurteile haben wie heute. Und wenn du das hast, ist das geistlich fundamental wichtig. Also die Entwicklungsprozesse haben den Rang, dass sie Ausdruck von einem der beiden grundlegenden wirkungsweisen Gottes sind. Denn die Bibelwissenschaft hat eindeutig zu dem Ergebnis geführt, retten und segnen sind zwei unterschiedliche Dinge.
Die werden in der Bibel nie vermischt, sie haben keinen gemeinsamen Oberbegriff und können es auch gar nicht haben. Und man kann nicht sagen, das eine ist wichtiger als das andere und man kann nicht das eine aus dem anderen ableiten, kann man alles nicht. Es sind zwei gleich ursprüngliche Wirkungsweisen Gottes. Und deswegen ist Erziehung, Bildung, Lernen, den Tellerrand erweitern, ist geistlich fundamental. Die zentrale Aufgabe aber wird es immer bleiben, das Evangelium von Jesus Christus und die biblische Botschaft vom rettenden Gott zu erschließen. Martin, habe ich noch so fünf Minuten? Ja. Hab ich auch noch sieben Minuten? Ja. Gut.
Jetzt mach ich folgendes, ich hab länger gebraut, das bei mir aber oft so, Martin weiß das schon. Eigentlich wollte ich jetzt den ganzen Vortrag gehalten haben, aber ich hab eigentlich bis jetzt nur den Halten gehalten. Aber was ich jetzt mache, ich nenne euch jetzt die Kriterien, die aus dieser theologischen Entdeckung und Entscheidung, die tief biblisch verantwortet ist, ich sag euch mal die praktischen Konsequenzen. Ich kann aber jetzt die einzelnen Konsequenzen nicht im Einzelnen ausführen. Es gibt ungefähr sieben Konsequenzen für Kindheit und Jugend, die sind sehr grundlegend. Und dann gibt es noch mal sieben, acht Konsequenzen fürs Erwachsenenalter. Die setzen aber voraus, dass in Kindheit und Jugend ein guter Mutterboden grundgeblich ist. Und ich möchte euch einfach mal diese Kriterien, die in der wissenschaftlichen Religionspädagogik heute eine enorme Rolle spielen. Ich glaube aber nur an der Universität.
Aber die Leute, die dort studieren, die kriegen das mit, wenn man den Mut hat, Theologie zu studieren. Erste Konsequenz, wir müssen Schöpfung und Erlösung in ein richtiges Verhältnis bringen. Nämlich Erlösung ist zentral, schöpfungsgemäße Entwicklung ist fundamental. Das ist das Allererste. Das Zweite ist, in der Persönlichkeitsentwicklung jetzt zunächst bei Kindern und Jugendlichen ist es sehr wichtig, dass nicht die kognitive Wissensebene im Vordergrund ist, dass man übers Evangelium Bescheid weiß, dass man viele biblische Geschichten kennt. Ich war mal in der Lehrklärungkommission des Landes Baden-Württemberg und da haben wir die Zahl der biblischen Geschichten in der Grundschule von 53 auf 32 runtergesetzt.
Wir haben so viel Widerstand gekriegt, als ob wir das Heidentum einführen wollen. Das ist ein rein stoffhuberisches Wissensdenken. Je mehr biblische Geschichten die Kinder kennen, desto besser ist es. Man muss biblische Geschichten in die Kinder reinpumpen. Irgendwann ins Stadiongrad tauchen sie es dann. Was beklatscht ihr denn? Gut, jetzt wollte ich nur sagen, nein, das ist ein abergläubisches Verhältnis zur Bibel, dass man meint, je mehr Seiten der Bibel ich hineinfresse, desto besser ist es. Das ist reiner Aberglaube. 32 biblische Geschichten, kindgemäß, getanzt, gespielt, pandominisch, verlautlicht, in allen Sinnen erlebt. Da braucht man Zeit. Also es geht nicht um Wissen.
Es gibt schon Leute, die reden so ihre korrekte Lehre und dann streiten sie sich über Details des Endzeitfahrplans. Guck, guck, was. Nein, im Vordergrund steht Verhalten. Liebe deiner Nächsten, da darfst du mal üben. Oder die Früchte des Geistes, Friede, Freude, Sanftnot. Wenn ich zum Bäcker gehe und sage, ich möchte einen Kaffee. Was wollen Sie, einen großen oder einen kleinen? Ich habe gedacht, die Frucht des Geistes ist Freundlichkeit. Was könnte man alles machen? Also es muss im Vordergrund stehen, das Evangelium zu leben. Viele Leute sind dogmatisch sehr rechthaberisch, aber in der Fähigkeit der Zuwendung, der Barmherzigkeit sind sie ziemlich unterernährt.
Also zweites Kriterium Erfahrung und Verhalten muss im Vordergrund stehen. Drittes Kriterium ist, es geht um den Inhalt des Evangeliums. Nicht um die Musik, um die Kleidung, dass wir alle konservativ sind. Es gibt Kreise, da geht es noch um den Motto Hauptsache konservativ. Alles andere ist eigentlich zweitrangig. Aber es muss konservativ sein. Ist es am Inhalt des Evangeliums orientiert oder an einer konservativen Mentalität? Also es muss sehr früh so sein, dass alles an Inhalt, dass man inhaltlich fasziniert ist. Fragt euch mal immer wieder folgende Frage. Was am Evangelium überzeugt mich und zieht mich an? Was ist es genau? Gut, viertens entscheidend sind die Verheißungen in der Bibel, die Zusagen.
Nicht die Gebote und die Erwarnungen. Die sind auch wichtig, sie sind auch Gottes Wort. Aber sie können nicht glauben in uns hervorrufen. Wir sind Kinder der Verheißung. Der christliche Glaube basiert auf den Zusagen. Ich bin bei dir, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt. Wer diese Zusage glaubt, ist ein Christ. Also die Bibel konzentriert sich auf Zusagen. Das ist das Entscheidende. Und die Ethik, die Moral, der Lebensstil, auch die Erwarnung und die Warnung müssen von der Zusage her integriert werden. Dann ist noch sehr wichtig, dass zum christlichen Glauben gehört, dass alle Bereiche des Lebens vom Glauben her durchsäuert werden. Nicht nur der Nahbereich, Familie, Hauskreis, Gemeinde, Nachbarschaft, auch Strukturfragen.
Weltweit gehören zum christlichen Glauben. Zum christlichen Glauben gehört auch, dass ich ehrlich und selbstkritisch bin. Christen, die die Durchleuchtung ihres Glaubens abwinnen. Nein, mein Glaube, ich bin gläubig. Das braucht man nicht überprüfen. Natürlich kann man nicht den Glauben überprüfen, aber so kritische Rückfragen. Wie viel Komplexe hast du in deinem Glauben? Wie viel Verdrängungen? Wie viel Wunsch, wie viel Egozentrismus ist in deinem Glauben? Ein gesunder Glaube hat von sich aus ein Interesse daran, durchleuchtet zu werden. Denn er wird gehalten von Gott. Wo schon keine Angst haben. Und der gesunde Glaube hat es nicht nötig, sich selber etwas einzureden. Sich selber etwas vorzumachen.
Er ist ehrlich. Wenn er gerade Niederlage hat, durch Strecken durchlebt, erfaselt er nicht vom Sieg des Glaubens. Also das, was er sagt, ist durch seine echten Erfahrungen gedeckt. Er gibt die Regungen von Stolz und Neid und von den Trieben, die gibt er zu. So weit mal. Das sind so Grundlegende für Kindheit und Jugend. Und jetzt will ich die für das Erwachsenenalter wenigstens kurz nennen. Beide Sachen, die ich jetzt nenne, sind auch veröffentlicht. Wenn jemand Interesse hat, kann ich sagen, wo er das nachlesen kann. Im Erwachsenenalter sind folgende Kriterien für eine gesunde christliche Glaubensentwicklung entscheidend. Erstens, der Glaube erweitert deine Aufmerksamkeit. Du nimmst immer mehr wahr.
Du erweiterst ständig deinen Tellerrand. Das Technologiestudium tut weh, aber nicht, weil man vom Glauben abkommt, sondern weil der Tellerrand erweitert wird. Das tut richtig weh. Das darf man aber nicht verwechseln, ich fall vom Glauben ab. Das ist nicht das Gleiche. Also die Wahrnehmung wird erweitert und du wirst sensibler. Zweitens, du wirst mündiger. Du wirst mündiger. Der Glaube macht dich mündig. Und das bedeutet, du übernimmst nicht ein ganzes religiöses System, so ein ganzes Paket, so nach dem Motto, das musst du alles übernehmen oder gar nichts, über alles oder gar nichts. Nein, mündig heißt, du prüfst alles und du verarbeitest diese Dinge persönlich. Und wenn du die Dinge persönlich verarbeitest und das darfst du und das zunst du, dann wirst du deine eigenen Akzente setzen.
Man spürt es, das ist durch deine persönliche Verarbeitung gegangen. Und du schluckst nicht einfach Dinge. Wo diese Mündigkeit nicht möglich wird, verhindert wird, verteufelt wird, verdächtigt wird, das ist problematisch. Dritter Grund, das selbstständige Denken und die Vernunft. Das ist ein dritter Aspekt. In gesunder Glaubensentwicklung wird das selbstständige Denken gefördert. Führerpersönlichkeiten, die man nicht kritisieren darf oder Kreise, wo man nicht zweifeln darf, haben den Bereich der gesunden Religiosität verlassen. Zweifel ist für den gesunden Glauben etwas Normales, etwas Produktives. Es gibt eine Spiritualität des Zweifelns. Ich meine jetzt nicht diesen krankhaften Zweifel, wo man ständig immer nur zweifelt, 10, 20, 30 Jahre, das ist ja Persönlichkeitsstörung.
Aber der gesunde Zweifel, dass man nicht einfach alles glauben kann und dass ja auf viele Gründe dagegen sprechen. Der Zweifel ist nicht Ausbruch von Sünde und nicht Ausbruch von Unglaube. Der Zweifel gehört zum gesunden Glauben. Kreise, die das nicht wissen, sind krank. Das nächste, was wichtig ist, aber auch das Emotionale und das Sinnliche muss gewürdigt werden. Wir wollen ja keine verkopfte Religiosität. Tanz, Rhythmus, Action, Faszination, gehört genauso zum Glauben. Begeisterung. Also der gesunde Glaube hat auch einen großen Raum für Sinnlichkeit und für Rhythmus und Tanz. Weiter, ich nenne es nur, der gesunde Glaube vertieft deine Kontaktfreudigkeit.
Du wirst, wenn du dich gesund entwickelst, immer kontaktfreudiger nach vielen Seiten. Du sagst zu anderen nicht Unbekehrte oder Ungläubige. Da entstehen nicht viele Kontakte. Du kannst ja auch zu den anderen sagen, sie sind Gottes geliebte Geschöpfe. Wir nehmen mal diesen Punkt. Wenn du fixiert bist auf Gottes Rettungstätigkeit und Gottes Schöpfungstätigkeit für dich zweit- und drittrangig ist, das schlägt sich in deiner Sprache nieder. Du sagst zu den Nicht-Christen, sagst du ganz schnell Ungläubige, Unbekehrte, Gottlose. In diesen drei Begriffen ist Gottes Schöpferwirken gar nicht mehr da. Es ist völlig weg. Aber du kannst ja auch zu denen sagen, es sind Gottes geliebte Geschöpfe. Es sind alles Egenbilder Gottes. Alle Atheisten, alle Muslime, alle Hinduisten, alle sind Gottes Egenbilder.
Wenn du sie so nennst, da kommt Kontaktfolge auf. Da kommt eine ganz andere Atmosphäre auf. Der nächste Punkt ist, Gerechtigkeit und Frieden wird immer entscheidend bleiben. Die große Herausforderung ist, helfe mit als Christ, Gerechtigkeit auszubereiten und Schalom. Das wird geistlich nie unwichtig. Und da wirst du immer auch erschüttert bleiben vor Leid und Not. Ein Mensch, der vor Leid und Not nicht mehr zutiefst erschüttert ist, kann man nicht sagen, dass er gesunde christliche Entwicklung hat. Die letzten Punkte noch nennen, eine gesunde Entwicklung gegenüber der Sexualität ist nicht sexual feindlich, aber auch nicht sexual vergöttet. Sexualängstlichkeit ist nicht gut.
Wenn du heilig sein willst, darfst du nicht so altsexy sein. Du willst schon heilig sein. Und heilig sein und sexual sein, das passt nicht. Diese These ist zutiefst krank. Aber andererseits muss man auch wissen, auf dem Gebiet der Sexualität kann man Menschen schwer verletzen. Ich habe mal vor 20 Jahren auf einer Pfarrerkonferenz unbedacht gesagt, ach, diese verklemmten christlichen Frauen. Da kommt eine Krankenhauspfarrerin, das war vor 20 Jahren so blöd, warum Herr Dornharz? Da kommt eine Krankenhauspfarrerin anschließend unter vier Augen, bin ich ihr sehr dankbar. So ein Herr sagt, Herr Zimmer, sagen Sie das bitte nie wieder. Sie wissen nicht, wie viele christliche Frauen in Kindheit und Jugend so seelisch deformiert worden sind, dass sie selber darunter leiden. Und dass Sie das dann noch so ironisch, macho-mäßig sagen, das ist eigentlich unter Ihrem Viertel.
Ich sage, Frau sowieso, vielen Dank, ich spüre, dass Sie recht haben. Also ich will damit nur sagen, so ein Sexual-Hol-Triop, das ist auch nicht angemessen. Es ist schon ein sensibles Gebiet. Und ich will schließen mit dem letzten wichtigen Merkmal eines gesunden Wachstums, das ist die Bescheidenheit. Wenn ihr euch wirklich gesund entwickelt, werdet ihr immer bescheidener. Diese Rechthaberei, dieses elitäre Eben, ich habe mich bekehrt. Und wenn der andere sich auch bekehrt, der wird ja auch unterhinkommen. Ich habe mich mit 18 bekehrt, bei einer Stunde, ich habe mich mit 23 bekehrt. Ich sage euch, das sage ich seit 30 Jahren nicht mehr, das ist zu viel Selbstlohn.
Man könnte auch sagen, Gott ist in mein Leben getrieben. Gott hat mich gewonnen. Wieso sagt man das eigentlich nicht so? Dieser verbrähmte, versteckte, geistliche Stolz im Klopper bekehrt mich. Also sucht doch bescheidenere Formulierungen über das, was Gott in eurem Leben gemacht hat, als zu sagen, ich habe mich bekehrt. Und deswegen komme ich in den Himmel. Und wenn die anderen sich so gut bekehrt wie ich, dann werden sie auch in den Himmel kommen. Das ist auch so.
Kriterien einer gesunden Entwicklung der Persönlichkeit – zur Bedeutung der biblischen Rede vom „Segen“ | 2.6.1
Wie handelt der Gott der biblischen Texte? Begegnet er Menschen in einmaligen krassen Erlebnissen oder handelt er eher unmerklich im Verborgenen? In einigen Lagern christlicher Prägung gibt es einen Kultur des »Höhepunktschristentums«: Man hangelt sich von Christenevent zu Christenevent in der Hoffnung intensiver Gottesbegegnung. Was bedeutet diese Ereignisfixierung für die Persönlichkeitsentwicklung? Warten zwischen den Höhepunkten nicht automatisch die tiefen Täler? Siegfried Zimmer erörtert diese Thematik für die Teilnehmer des Freakstocks in salopper Sprache. Er zeigt Wege zu einer kranken und zu einer gesunden Glaubens- und Persönlichkeitsentwicklung auf und untersucht das Phänomen des Segens.