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Jürgen Moltmann – Glaube und Hoffnung | 10.5.1

Worthaus Pop-Up – Marburg: 12. Juni 2020 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Im Frühjahr 1945 sitzt ein junger Mann in einem Gefangenenlager in Belgien. Das »1000-jährige Reich« ist nach zwölf Jahren zusammengebrochen, die Deutschen haben sich vor der Schmach der Niederlage und dem Entsetzen über den Völkermord in ihrer Mitte verkrochen, Städte liegen in Trümmern, Eltern, Kinder, Freunde sind nicht mehr. Der junge Mann kennt Gott noch nicht, als er eine Bibel in die Hand gedrückt bekommt. So beginnt eine klassische Bekehrungsgeschichte. Jürgen Moltmann war verzweifelt und fand Trost im verzweifelten Schrei des Gekreuzigten: »Warum hast du mich verlassen?« Der Kriegsgefangene wird zum Studenten der Theologie. Und die Theologie, wie jede anständige Wissenschaft, sollte sich solch persönliche Geschichten doch eigentlich verkneifen, oder? Nicht unbedingt, weiß Thorsten Dietz. Es ist schließlich ein großer Unterschied auch für die eigene wissenschaftliche Arbeit, ob man mit dem Glauben aufgewachsen ist oder ihn erst später in sein Leben aufnimmt. Moltmann zieht aus seinem Glauben in tiefer Verzweiflung erste Hoffnung darauf, dass aus den Trümmern etwas erwachsen kann. Thorsten Dietz, selbst ohne den christlichen Glauben aufgewachsen, erklärt Moltmanns Verständnis von Glaube und Hoffnung, beschreibt warum der Glaube an die Erlösung uns eigentlich an die Seite all jener stellen müsste, die heute leiden. Und er hilft verstehen, warum die Kreuzigung so viel mehr ist als ein stellvertretender Tod.

Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.

28. Juli 2022

Gotthold Ephraim Lessing – Bibelkritik in der Aufklärung | 11.13.1

Stell dir vor, du lebst in einem Land, in dem du nicht frei sagen kannst, was du denkst. Im schlimmsten Fall kommst du für unerwünschte Aussagen ins Gefängnis, oder du verlierst nur deine Arbeitserlaubnis, wirst gemieden und ausgelacht. Nicht schön. Gotthold Ephraim Lessing lebte im falschen Land zur falschen Zeit, um geradeheraus zu schreiben, was er dachte. Also schrieb er verschlüsselt, schrieb Nathan der Weise und Emilia Galotti. Er war clever, versteckte, was er wirklich dachte, in Theaterstücken. „So raffiniert, dass er manchmal wahrscheinlich selber nicht wusste, was er dachte“, sagt Thorsten Dietz. In seinem Schlüsselvortrag über die Bibelkritik in der Aufklärung, erklärt er zentrale Weichenstellungen im 18. Jahrhundert, die uns bis heute betreffen. Anschaulich, aber anspruchsvoll beschreibt er das Leben Lessings, seine Lehren und den großen Streit unter Gelehrten, in dem Lessing die Hauptrolle spielte. Denn er war nicht nur Theaterautor. Er war auch Bibliothekar. Und eines Tages, irgendwann um das Jahr 1777 herum, fand Lessing Texte von Hermann Samuel Reimarus. Echtes Dynamit, das merkte Lessing schnell. Texte, die den gesamten christlichen Glauben infrage stellten. Echtes Plutonium in einer Zeit, in der ohnehin noch Glaubenskriege tobten. Lessing veröffentlichte die Texte. Und entfesselte damit einen Streit, der unser Verständnis von Glaube und Geschichte bis heute prägt.