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Das Thema dieses Vortrags ist Jürgen Moltmann Glaube und Hoffnung. Jürgen Moltmann stammt, anders als viele andere große Theologie treibende der Moderne, nicht aus einem Fahrhaus. Und das ist ein bisschen auffällig, ein bisschen speziell. Die meisten eigentlich stammen aus so einer Karriere, die großen Bekannten, man könnte sie durchgehen, aber er wurde nicht hineingeboren in eine kirchlich-theologische Laufbahn. Es lag ihm nicht schon alles in der Wiege drin. Er ist nicht vertraut mit dem ganzen Habitus, man gehört zur Kirche, man gehört zur Theologie. Es ist alles immer schon klar. Und das merkt man. Ich habe eine Zeit lang gebraucht, diesen Unterschied zu merken. Ich bin ja auch nicht reingeboren in Kirche, Christentum, Glaube, Theologie, Fahrhaus oder so.

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Das ist tatsächlich ein Unterschied, ob man da irgendwie reingeboren wird oder anders die Entdeckung macht. Moltmann hat das in seinen theologischen Texten häufig auch zum Thema gemacht, dass sein Zugang zum Christentum für Durchschnittstheologie und Kirchenkreise ungewöhnlich ist. Ich lese mal einen kleinen Text vor, wie er das beschreibt, seinen eigenen Hintergrund. Er stellt sich die Frage, wer ist Jesus Christus für mich? Und sagt dazu, ich will dieser persönlichen Frage nicht ausweichen durch allgemeine Gedanken, sondern beginne mit einer persönlichen Erinnerung. 1945 saß ich in einem elenden, gefangenen Lager in Belgien. Das Deutsche Reich war zusammengebrochen, die deutsche Kultur durch Auschwitz zerstört, meine Heimatstadt Hamburg lag in Trümmern und in mir selbst sah es nicht anders aus. Ich fühlte mich von Gott und den Menschen verlassen und es starben die Hoffnungen meiner

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Jugend. In dieser Lage bekam ich von einem amerikanischen Kaplan eine Bibel in die Hand und begann zu lesen. Dann zog mich die Passionsgeschichte an und als ich zu dem Todeschrei Jesu kam, wusste ich, das ist der eine, der dich versteht und der bei dir ist, wenn alle dich verlassen. Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Das war auch mein Schrei nach Gott. Ich begann den leidenden, angefochtenen und gottverlassenen Jesus zu verstehen, weil ich mich von ihm verstanden fühlte und ich begriff, dieser Jesus ist der göttliche Bruder in unserer Not. Er trägt Hoffnung zu den Gefangenen und Verlassenen. Er ist der Erlöser von der Schuld, die uns niederdrückt und uns jede Hoffnung raubt. Mich ergriff damals eine Hoffnung, wo menschlich gesehen so wenig zu hoffen war. Es ist ein Text und Moltmann spricht es immer

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wieder an. Er berichtet auch, wie er den Feuersturm in Hamburg erlebt hat und wie er erfahren hat, dass in einer Nacht Häuser zusammenbrechen, Straßen aufhören zu existieren, Freunde sterben und er in größter Verzweiflung Todesangst erfährt. Und für seine ganze Theologie ist das jetzt nicht, wo er sagen würde, ja ist mir so rausgerutscht, bisschen Lapsus, bin ich mal persönlich geworden, ist eigentlich unvornehm. Es gehört zu seinem Theologieverständnis, dass man Theologie nicht abtrennen kann von den Erfahrungen, die man macht und die einen prägen. Es gehört wesentlich dazu, dass man Theologie nur in eigener Person treiben kann. Erfahrungen prägen einen immer. Biografie ist immer ein Faktum und das ist für wissenschaftliche Theologie vielleicht ein etwas schwieriges Thema. Man könnte ja sagen, nein, nein, nein, Moment, wissenschaftliche Theologie muss doch alles daran setzen, dass die Biografie einen gerade nicht prägt. Also stellen

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wir uns Virologen vor, die da verschiedene Meinungen haben und da ihre Studien auswerten und wenn die da sagen würden, also ich interpretiere die Studien so und so, ich habe nämlich drei Kinder zu Hause, der Lockdown hält mir aus dem Hals raus, da würden wir sagen, ja drehst du durch. Von einem Wissenschaftler erwarten wir, dass er 0,0 bestimmt ist von seiner Biografie, von seinen Lebensumständen, sondern dass er irgendwie empirisch orientiert, evidenzbasiert, rein faktenorientiert im Diskurs, ob ihm das gefällt oder nicht. Das darf ja nicht sein. Und ja, das ist Wissenschaft, genau. Wissenschaft ist das Verlernen persönlicher Betroffenheit von Themen. Wissenschaft ist das Erlernen, Dinge zu betrachten aus einer Drittpersonperspektive, völliger Unberührtheit oder zumindest aus einer Erstpersonperspektive einer scientific

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community. Manchen Themen ist es ja nun doch so, dass Wissenschaft nicht von persönlicher Betroffenheit geprägt sein darf. Faktisch natürlich geprägt ist davon, wofür eine Gesellschaft Geld ausgibt, also von einer bestimmten Zeit, einer bestimmten Kultur, aber dann bitte schön eine scientific community, die nicht unabhängig ist von historischen kulturellen Entwicklungen, aber dein Ich klemm dir weg. So, und das ist in gewisser Sicht richtig, auch in der Theologie so. Man kann nicht sagen, ja, hier in der Grammatik steht, das ist so und so zu übersetzen im Griechischen, aus ganz persönlichen Gründen ist mir das aber egal, ich übersetze das so, weil ich habe eine Biografie, mich tröstet das so mehr, für mich ist das richtig. Da würde man auch sagen, geh mir weg mit deine Biografie. Es gibt Fakten, die musst du respektieren lernen,

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ob es dir schmeckt oder nicht. So, also insofern kann man immer sagen, Wissenschaft ist, sich einzulassen auf eine gewisse Entpersonalisierung und dann gibt es Bereiche ethischen Denkens, ästhetischen Erfahrungs, theologischen Sortierens, wo wir nicht rein faktisch, deskriptiv in einer reinen beobachter Perspektive sehen und wahrnehmen. Es gehört zu manchen Sphären des Geistes, dass du nichts siehst, wenn du dich nicht auch persönlich in irgendeiner Form ins Verhältnis setzt, das kann positiv oder kritisch sein, das ist egal. Insofern, Theologie ist eine Wissenschaft, die dieses Entpersonalisierungsgeschäft mit betreiben muss zu einem bestimmten Maße und Biografie spielt eine Rolle. Wo du Zugang findest,

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was dich anspricht, was dir einleuchtet, ist davon nicht unabhängig. Das ist das eine und, wollte man betonen, es sind persönliche Erfahrungen, die reinspielen in theologisches Denken, es sind auch soziale Erfahrungen, es sind gemeinsame Erfahrungen, es ist der jeweilige Zeithorizont und der Versuch davon zu abstrahieren, wäre immer Selbstbetrug, man sieht bestimmte Dinge nicht mehr. So, und was ich dahin zufügen möchte, je länger je mehr fällt mir auf, es ist ein Unterschied, wie Menschen ins Christentum involviert werden. Ich möchte jetzt mal total grob und schlicht unterscheiden, es ist ein Unterschied, ob man so mit dem Glauben groß wird, dass man sich nicht erinnern kann an eine Zeit, in der es keinen Glaube und keinen Gott gab. Es gibt Menschen, für die das so ist, für die ist Jesus immer schon eine Bezugsperson, für die ist

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Gott immer schon ein Grund, ein Gegenüber, ein Du und das ist für sie, sie kennen sich nicht ohne diesen Bezughorizont. Es gibt andere, die können sich sehr gut erinnern, dass sie das mal für Käse gehalten haben, dass es keine Rolle gespielt hat, dass es Blödsinn war oder nicht vorhanden, völlig indifferent, völlig egal. So, und das sind jetzt nicht zwei Kohorten, das sind jetzt nicht zwei Lager. Man kann sich mit beiden Erfahrungen extrem unterschiedlich entwickeln. Man kann aus einer Grundvertrautheit mit Gott sich so entwickeln, dass man alle anderen, die das gar nicht kennen, für, was weiß ich, Missionsobjekte hält oder für Feindesland oder für Arme, Unerleuchtete oder sonst wie. Das ist eine Möglichkeit, damit umzugehen. Es gibt einen anderen Typus von Mensch, der den Glauben so selbstverständlich erlebt, dass es dann irgendwann eine Lebensentdeckung wird.

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Es gibt außerhalb meiner Glaubensselbstverständlichkeit eine große weite Welt. Und da entdecken Menschen Fragen und Herausforderungen und Anstöße und kriegen ganz neu das Bedürfnis, das, was ihnen eigentlich klar ist und was sie prägt, zu plausibilisieren, zu erhellen, zu erläutern, sich verständlich zu machen im Gespräch. Und es ist jetzt für sie ein großes Anliegen, das auch wirklich zu machen. Ein Typ in dieser Richtung wäre Paul Tillich. Den habe ich gestern vorgetragen oder vor zwei Wochen wurde es veröffentlicht oder wie auch immer. Das ist jemand, der immer schon daherkommt, dass Gott und Jesus und die Bibel da ist. Und diese Voraussetzung ist immer irgendwo gegeben. Die ganze Theologie arbeitet sich aber ab,

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dass davor und danach die Folgen, die Konsequenzen, die Grundlagen sich zu erarbeiten, zu erschließen. So, und bei Moltmann ist es anders. Bei ihm steht am Anfang Gott und Jesus Christus als ungeheure Entdeckung, als große Befreiung, als Licht, was einem aufgeht. Und die ganze theologische Denkbewegung Moltmanns ist von diesem Licht fasziniert und steigt immer tiefer ein in Christologie. Wer ist Jesus? Gekreuzigt und auferstanden. Der, der da ist, der, der da kommt, der trinitarische Gott, trinitarische Gemeinschaft, heiliger Geist. Und es gibt so ein bisschen den Vorwurf gegen Moltmann, dass man sagt, ja, ist spannend, ist bunt, ist interessant, ist christocentrisch, ist trinitarisch. Warum macht er keine religionsphilosophischen Klimmzüge? Warum

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macht er nichts davon, wo so viele andere brave wie Tillich und wie Pannenberg, jetzt könnte man ganz viele nennen und so, wo die sich ganz viel erarbeiten, Schleiermacher, die in irgendeiner Weise Fundamentaltheologie betreiben, Religionsphilosophie, die sich mit allem irgendwie beschäftigen. Man hat das Gefühl, ganz viele brave Theologen bauen ganz tiefe Keller und die machen sich da Überlegungen und sitzen da und überlegen Statik und Aufbau und so. Und der Moltmann fängt einfach an, ein Haus zu bauen und hat da Gottvater, Gottsohn, Gott, heiliger Geist und ist sehr stark auf diese inhaltlichen, theologischen, geistlichen Fragen bezogen. Und da gibt es durchaus Stimmen, die sagen, ja, da ist aber alles so zu unbegründet und zu naiv und irgendwie wissenschaftlich gar nicht so. Und ich glaube, es hat mit diesem Zugangspunkt zu tun zum Christentum. Mir zum Beispiel ist Moltmanns Denken, was so von Christus und von der Bibel und von Gott herkommt, durch

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meine Biografie etwas nahezugängliches. Es leuchtet mir ein, es holt mich ab, es hat mich mitgenommen so in einem Flow. Und ich hatte mit Leuten wie Tillich zum Beispiel viel, viel mehr Mühe und hatte da immer das Gefühl, warum ist er nicht so schön christocentrisch? Andere kriegen es ja auch hin. Warum macht er da Trinität nur? Der verzettelt sich. Der ist da in Kultur und in Sinn und dann ist er ständig unterwegs überall. Jetzt macht doch mal ein bisschen mehr Butter bei die Fische. Konkrete Dinge. Ich glaube, dieser Unterschied hat diese biografische Komponente. Ich habe diesen Unterschied jetzt auch nicht völlig wild erfunden. Bei William James kann man das finden. William James, großer Psychologe, Pragmatist um 1900 herum, hat mal einen Unterschied aufgemacht zwischen den einmal Geborenen und den zweimal Geborenen. Die einmal Geborenen, die in einer bestimmten

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Fasson ins Leben treten und mit dieser Fasson auch durchs Leben gehen können und in dieser Sicht auf das Ganze natürlich ständig sich irgendwie was bauen und sich Überlegung machen und das teilt sehr komplex, manchmal auch sehr schlicht ausbauen. Aber im Grunde gehen sie ungebrochen, ungebeugt, ungeknickt durch und verfeinern ihre ganzen Weltzugänge. Und es gibt die zweimal Geborenen. Es gibt Menschen, die einen Bruch haben, eine tiefe Biege, die eine richtige Kehre haben und die in einer bestimmten Weise durchs Leben gehen, die ihn irgendwann zerbricht und die dann in einer neuen Weise manchmal denken, die die Gottesfrage, Jesus Glaube in einer Weise entdecken, wo man

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traditionell sagen würde Bekehrung oder Wiedergeburt, für die Gott eine Entdeckung ist. Und das hat Risiken und Chancen, je nachdem. Und diese beiden Gruppen von Menschen haben manchmal Kommunikationsprobleme. Die einmal Geborenen halten die zweimal Geborenen gern und leicht für fanatisch, für übertrieben, für extrem, für instabil, für irgendwie. Die zweimal Geborenen fragen sich bei den einmal Geborenen bisweilen, ob die richtig gläubig sind, ob die überhaupt verstanden haben, wo der Frosch die Locken hat, ob die überhaupt, warum sind die nicht begeisterter oder sind da nicht stärker auf die Sache, Fuchs, warum sind die da ständig in irgendwelchen Außendingen. Ich glaube, dass diese biografischen Dinge eine Rolle spielen. Insofern schlage ich mal vor, die Vorträge

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zu Tillich und Moltmann auch ein bisschen komplementär zu hören. Es fängt woanders an, es geht woanders hin. Das muss nicht heißen, dass es so richtig ist und so falsch, sondern es sind sehr unterschiedliche Wege. Schauen wir uns Moltmanns Weg an. Für Moltmann ist Gott Christus eine Entdeckung und er lernt und er schreibt und er arbeitet und in den 60er Jahren schreibt er ein Buch 1964, die Theologie der Hoffnung. Es ist ein Klassiker der Theologie, es ist eins der wirkmächtigsten, einflussreichsten theologischen Bücher des 20. Jahrhunderts, bis heute ein Klassiker, in dem man reinschauen kann, in dem man lesen kann und die Grundentdeckung ist schlicht zusammengefasst. Moltmann blickt auf 2000 Jahre Kirchengeschichte und man kann da im Grunde verschiedene Wellen sehen. Man sieht eine große altkirchliche, mittelalterliche Bewegung, die mehr und mehr den Gedanken der Liebe erfasst. Augustinus, die Liebe Gottes als zentrale Erfahrung, die

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Gnade Gottes, der sich uns als Liebender erweist und dann wird das vertieft und dann wird vom Gedanken der Liebe her das Menschenbild und die Philosophie und die Ethik und die Tugendlehre ausgebaut. Thomas von Aquin, die ganze Scholastik, man könnte jetzt ewig und drei Tage darüber sprechen und das eröffnet wahnsinnig viel und es entstehen heilige Lebenswege und große philosophische Systeme, das Menschenbild verschiebt sich, es entstehen auch Probleme, es entstehen Skrupel, Menschen verhaken sich in die Frage, ob sie genug lieben, ob ihre Liebe rein genug ist, wie ihre innere Motivlage des Liebens sich zur Gottesliebe verhält und es entstehen Probleme, die man den Leute wie Luther fast zerbrechen. So und im 16. Jahrhundert gibt es einen großen Shift,

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einen großen Paradigmenwechsel, es entsteht eine Theologie, die glaubenszentriert wird. Glaubenszentriert, Vertrauen, dadurch auch in anderer Weise zentriert auf das Wort Gottes, auf das Evangelium, in anderer Weise zentriert auf die Lehre, auf die reine Lehre, die das Evangelium klärt und verantwortet und es entstehen ganz andere Hackkämpfe und ganz andere Klarheiten und Feinheiten der Lehrdifferenzen. So und das Zeitalter der Liebe tritt mehr zurück, es gibt ein neues Zeitalter des Glaubens und die Welt ändert sich und viele Christentümer sind aber auch verstrickt in zunehmende Gegensätze zueinander im Gegensatz zur modernen Welt und verpassen relativ kollektiv Verschiebungen in der großen weiten Welt, wo Menschen auf Abstand gehen zu

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einer Religion, die sich in Religionskriege zerfleischt, auf Abstand gehen zu Kirchen, die sich in Lehrgegensätze immer weiter auseinander definieren. Es werden neue Fragen entdeckt, soziale Fragen, Gerechtigkeitsfragen, Gleichheitsfragen und ein Christentum, was auf Glaubenswahrheit und Glaubensklarheit setzt, sieht in diesen ganz neuzeitlichen modernen Bewegungen sehr häufig Abweichungen. Abweichungen von dem, was mal galt, Abweichungen von dem, was festzustehen hat, lauter Zweifel, lauter Glaubensverlust, Säkularisierung, Modernisierung, Aufklärung, das ist ein großer Abfall, das ist irgendwie Verlust des Glaubens. Und das zieht sich lange hin und es gibt so eine grundchristliche Unzufriedenheit, wie die Dinge

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so laufen und man hat das Gefühl, es wird uns die Welt geklaut, die Welt entwickelt sich weg von Gott, entwickelt sich weg von der Wahrheit, entwickelt sich weg vom Glauben. Säkularisierung ist eine einzige Verlustgeschichte, wir werden rausgedrückt, wir werden aus den Schulen rausgedrückt, wir werden aus der Wissenschaft rausgedrückt, wir werden aus der Gesellschaft rausgedrückt, wir werden aus dem Staat rausgedrückt, die Dinge entwickeln sich schlecht. Und da gab es unterschiedliche Haltungen zu, die die ersten haben da gesagt, liegen wir richtig mit unserer ganzen kulturpessimistischen, antimodernen, anti-aufgeklärten Sicht? Moltmann gehörte eher zu denen, denen da gar nicht wohl war mit so einer weit überwiegenden kulturpessimistischen Christenheit. In dieser Zeit entdeckte ein Buch Ernst Bloch, der war Marxist und man würde sagen

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undogmatischer linker Marxismus, der natürlich Kapitalismus abgelehnt hat, aber er fand, Stalin auch geht gar nicht, auch der real existierenden Sozialismus, das war für ihn auch illiberal und beengend und nicht das, was eigentlich sein sollte. Dieser Ernst Bloch hat mehrbändiges Buch geschrieben, Prinzip Hoffnung und erzählt eine große lange Geschichte, dass Hoffnung die Kraft ist, die die Menschen lebendig sein lässt. Hoffnung ist die Macht, die Menschen Fantasie haben lässt, Visionen, Entwürfe, Kraft auch zu gehen und er erzählt das über 1500 Seiten und das interessante ist, Bloch beschreibt, wo kommt das her, wo ist das zuerst greifbar und sagt, naja, er ist säkularer Jude, er sagt eigentlich in meiner Volksgeschichte, lustigerweise, also es ist Wahnsinn, es zuzugeben, es kommt quasi aus der Religion, es ist in der Bibel, es ist Exodus,

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es ist Aufbruch, es ist die Idee, dass die Welt, wie sie ist, nicht in Ordnung ist und es ist die Idee, dass es mehr geben kann, als das, was ist. Es ist die Idee eines Landes, in dem Milch und Honig fließt, es ist ein Geist der Utopie, ein Geist der Erneuerung, ein revolutionärer Geist, ein Geist der Befreiung und lustigerweise steht es in der Bibel, es steht da drin und ja, aber auch schon in der Bibel und in der Christentumsgeschichte, also im Grunde wird Hoffnung entdeckt als Prinzip in der Religion und so schnell es geht, wird sie verraten. Die Bibel gibt das alles zu, man will irgendwie ein König, manche spüren, so sein zu wollen, wie alle anderen auch, das ist doch nicht der Deal gewesen, wir sollten nicht sein, wie alle anderen auch, setzt sich aber durch und dann wird in der Frömmigkeit der Bibel, es wird ja auch monarchisch und es wird autoritär und es wird totalitär und die ganze

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Religionsgeschichte liegt am Ende mit denen im Bett, von denen der Gott des Exodus seine Leute eigentlich mal befreien wollte. So das Blochs Perspektive ist, also im Grunde ist es hier in der frühen Religionsgeschichte da die Idee der Hoffnung, die Idee einer anderen Welt, einer neuen Welt, einer Befreiung, einer gerechten Welt und diese Hoffnung ist im religiösen Dunstkreis erstickt worden. Religiöse Welten haben Hoffnung im Grunde auf ein Jenseits projiziert, sie haben all ihre Hoffnungsenergie im Grunde so umgeleitet und verschoben, dass es mit dieser Welt nichts mehr zu tun hat und sie sind auch durch weitgehend damit alles hier zu sanktionieren und zu segnen, ob das Waffen sind oder Könige oder Kriege oder so. Das Bestehende wird im Grunde in

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der Religion geheiligt, die Hoffnung ist in ein Wolkenkuckucksheim und so exportiert worden und das war's und Gott sei Dank, so Bloch, hat die Hoffnung sich das nicht gefallen lassen, sie hat neue Träger gefunden, sie hat neue Befreiungsbewegungen gefunden, sie hat die arbeitende Bewegung gefunden und es ist aber ein lebenslanger Kampf, das will Stalin usw. Also die Hoffnung ist selbst von denen auch immer wieder verraten worden, die sie sich auf ihre rote Fahnen geschrieben haben und der Kampf geht weiter. So, die Hoffnung ist das, was uns zu Menschen macht und wir ziehen weiter ins gelobte Land. Moltmann las das und jetzt ist die falsche Geschichte, die er hätte das einfach in die Theologie übertragen. Das ist nicht so, wer wirklich mal das nebeneinander liest, merkt, das ist überhaupt nicht der Deal, dass er jetzt hier Bloch christianisiert. Aber Moltmann war natürlich schon erschlagen von dieser Entdeckung und sagte sich, es stimmt und es

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stimmt und es stimmt und das ist eine Katastrophe und was ist los mit uns, dass wir uns die Hoffnung haben nehmen lassen und da kann man jetzt nicht sagen, ihr lieben Christen, Glaube und Liebe sind fantastisch, wir könnten ein bisschen mehr Hoffnung und so entdecken, sondern wenn du etwas verschieben willst, geht das immer nur mit dem radikalen Gegenschlag. Die Hoffnung ist das erste. Wir brauchen eine Theologie der Hoffnung, wir müssen den Gott der Hoffnung entdecken, wir müssen lernen, Menschen der Zukunft zu sein. Wir müssen lernen, den Gott des Exodus wieder zu entdecken, den eine lange christliche Tradition begraben hat unter lauter Anpassung, unter lauter konstantinischem sich kaufen lassen von den Mächten dieser Zeit. Wir brauchen einen Exodus aus dem Verrat an der Hoffnung. Wir müssen wieder Exodus-Christen werden und wir müssen unsere Geschichte erzählen und wir

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müssen begreifen, dass der Exodus in der biblischen Botschaft nicht beseitigt oder begraben wird, sondern dass die Jesusgeschichte ja im Grunde die Fortführung, die Vertiefung dessen ist. Was ist das anderes als der Auszug, der jünger Auszug der ersten Gemeinde aus allem, was in dieser Welt Menschen zusammenhält durch Angst, durch Misstrauen, durch Achten auf sich selbst hin in eine Welt, wo man über die Grenzen geht zu den Verstoßen, zu den Ausgegrenzten, zu den Aussätzigen, zu den Zöllnern, zu den Sündern, zu den Prostituierten, wo Frauen und Kinder, die Armen hinzukommen, wo du ständig raustrittst aus Begrenzungen, aus Gefängnissen, aus ideologischen Überlegungen. Wenn du das tust, kriegst du Widerstand. Das Kreuz, was Jesus erfahren hat, ist der ultimative

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Widerstand der Mächte dieser Welt, die nicht wollen, dass Menschen hinaus hoffen über das, was ist. Und die Auferstehung ist der ultimative Exodus, der Exodus aus diesem gefangenen, belasteten Leben in den Zwängen dieser Welt. Die Auferstehung ist der Beginn des Neuen Ehungs. Auferstehung ist nicht Wiederbelebung eines Leichnams. Auferstehung ist Beginn des neuen Lebens, eines neuen Himmels und einer neuen Erde. Und an den auferstandenen Glauben heißt, in einer neuen Zeitrechnung sich zu befinden. Diese neue Zeitrechnung ist ganz entscheidend, ist Exodus aus der alten Welt. Und im Glauben an den Auferstandenen ist das Glaubesleben ein großer Exodus. Das Reich Gottes, die Verheißungen, die messianische Erwartung, das gibt uns Ausrichtung,

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das gibt uns Hoffnung, das gibt uns Kraft. Und wer dem Auferstandenen folgt, der hat Anteil an der kommenden Welt der Gerechtigkeit und des Friedens, der wird dem widersprechen, was er an Unrecht und alter Welt hier findet und aus Hoffnung leben und handeln. Und das hat diese ganzen dogmatischen Inhalte der Auferstehungshoffnung und der Erwartung und das hat natürlich zutiefst auch ethische Konsequenzen. Boltmann war nicht nur von Bloch angeregt, er war von der Bürgerrechtsbewegung inspiriert. Martin Luther King, die Zeit gewesen, I have a dream. Und das war ein Christentum der Zukunft. Das war für Boltmann das, wo er sagte, wir müssen lernen von dieser Bürgerrechtsbewegung, wir müssen ausbrechen aus einem verbürgerlichten Christentum, das individualistisch ist, was

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traditionsorientiert ist, was ängstlich ist, was lauter Probleme produziert, die keinen Menschen draußen interessieren, was sich irgendwie festkrallt an Geschichte, an Vergangenheit, eine Christenheit, die so viel hinter sich hat und so null Fantasie was kommen könnte. Und der Geist ist im Grunde mit denen, die mit Martin Luther King hoffen und beten und weinen und kämpfen und einen Traum haben. Ein Traum inspiriert aus den Tiefen des Evangeliums, die sich aber nicht aus dieser Welt raus träumen, die über diese Welt hinaus hoffen, da schon, aber weil sie Hoffnung über diese Welt hinaus haben, darum gehen sie jetzt schon in die Richtung ihrer Hoffnung und entsagen dem, was ungerecht ist und lernen Schritte der Gerechtigkeit. Und das ist letztlich die Sendung der Kirche. Kirche muss anders werden, Kirche muss neu werden, Kirche muss heraustreten

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aus der bürgerlichen Gefangenschaft an die bestehenden Ordnungen überkommener Politik, Kirche muss sich einmischen, Kirche muss Exodus-Gemeinschaft werden, die wirtschaftliche Prozesse ernst nimmt, die politische Machtverhältnisse sich anschaut, die kulturschöpferisch, nicht nur einfach ein Kulturpflegeverein ist von etwas, was in der Barockzeit mal das größte war, sondern jetzt offen ist für das Neue, für das Kreative, für das, was Menschen in Erstaunen setzt, was fasziniert, und nichts davon ist der Alltag in vielen Kirchen, wie Moldmann sie vorfand. Und das ist eine vielfältige Aufgabe, eine solche Kirche der Hoffnung zu sein. Kann da mehrere Punkte unterscheiden. Das eine ist, was ist die Auferstehung Jesu? Die Auferstehung Jesu ist letztlich Vorwegnahme.

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Vorwegnahme, ganz vorne Antizipation, der universalen Auferweckung der Toten. Das ist das Besondere an der Auferstehung, dass hier nicht etwas Individuelles geschieht, sondern an Jesus das geschieht, was Gottes Plan für diese Welt ist. Und dieser Spur zu folgen heißt, herzukommen von der Vorwegnahme dessen, was sein soll. Und die erste Gemeinde nimmt vorweg Gütergemeinschaft, Menschen aller Sprachen, aller Kulturen, Männer und Frauen gemeinsam. Das ist der Sinn. Das ist der Sinn, vorwegzunehmen, was das Reich Gottes ist. Frieden, Gerechtigkeit, Freude. So, das ist das erste. Und christliche Praxis muss davon geprägt sein, zeichenhaft zu leben, worauf wir hoffen. Das zweite ist natürlich, auf eine Welt zu schauen, in der vieles nicht so ist. Und das ist der prophetische Auftrag, das auch zu benennen und die Spaltung der Welt in Völker, die Über- und

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Unterordnung der Geschlechter, die Ausbeutung, die Spaltung in Reich und Arm, all das anzusprechen und zu sagen, nein, so genau daraus werden wir herausgeführt, aus einer gespaltenen Welt, wo frei und unfrei Mann und Frau, Jude und Heide, verschiedene Völker in verschiedene Kasten und Lager und auch Werthierarchien versetzt werden. Dazu sagen wir nein. Und alles weitere ist Hingabe. Hingabe im Dienst, Hingabe in der Liebe, Hingabe in politischen, kulturellen, rechtlichen Zusammenhängen. Manchmal auch stellvertretend Leid auf sich zu nehmen, dadurch, dass man sich solidarisiert, dass man für die spricht, die für sich selbst nicht sprechen können, dass man dafür gedisst wird oder Schlimmeres, Verfolgung erleidet, Kreuzesgemeinschaft erfährt. Das ist der Weg für

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die Kirchen, für die Gläubigen. Und das ist Theologie der Hoffnung. So, das war eine klitzekleine Zusammenfassung Theologie der Hoffnung, 1960er-Jahre mit kleinen Ausblicke, wie das in den 70er-Jahren auf die Kirche ausgedehnt wurde. Das war eine ungeheuer optimistische Theologie. Wie diese 60er-Jahre ja ohnehin so ein Woodstock-Flair haben, die Erwartungen, die Dinge werden besser. Und versetzt euch mal ins Jahr 1967. Wir alle haben ja mit der Geschichte immer so das Ding, die Zukunft ist die totale Blackbox. Und das wissen wir alle irgendwie. Wer hatte das Jahr 2020 auf dem Schirm? Alle Horoskope, Jahreswechsel 1920, das ist ja alles Scherzartikel geworden. Wir wissen eigentlich, Zukunft ist eine Blackbox. Trotzdem lassen wir uns nicht daran hindern, irgendwie zu fragen, was

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kommt. Wie machen wir das? Wir rechnen hoch. Wir rechnen Tendenzen hoch. So, wenn du im Jahr 1967 stehst und dich fragst, wie gehst denn weiter? Dann könntest du auf die Idee kommen zu gucken, ich schaue einfach mal die Entwicklung 1957 bis 1967 und jetzt rechne ich hoch. Naja, da kriegst du Fantasien. Da fällt dir vieles ein, was ist in diesem Jahrzehnt passiert. Jetzt zur Not Google oder ich weiß auch nicht, also irgendwas weiß jeder oder ihr macht euch noch mal schlau, aber gehen wir die religiöse Welt durch. 1957 war für jeden Katholiken klar, der Himmel ist katholisch, alles andere kommt in die Hölle. Wohin sonst? Da sind ja keine richtigen Christen und so. Dazwischen Johannes der 23., Zweite Vatikanum. Die katholische Kirche ist inzwischen für Religionsfreiheit, sie ist für Demokratie, sie hat Zweifel an der Todesstrafe. Protestanten können

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schon in den Himmel, durchaus. Ökomene ist wichtig. Selbst Juden, selbst Muslime werden als Gesprächspartner gesucht. Katholische Kirche, 1957 bis 1967, wenn man das hochrechnet, du lieber Himmel, wo geht das hin? Kulturell, Bürgerrechtsbewegungen, Feminismus ist noch gar nicht so viel los, ehrlich gesagt. Das wird das Jahrzehnt danach noch wichtiger, aber du kriegst Fantasien, du kriegst Ideen und mollt man dieser 60er Jahre, sieht sich in einer Strömung, sieht sich in einer kulturellen Veränderung und es ist schon so das Gefühl, die Dinge bewegen sich in eine gute Richtung. So, es geht nach vorne. Was haben wir da für Ost-West-Gegensätze? Was haben wir da Krusztow und Kuba und Atombomben und was haben wir für Dinge erlebt von Korea-Krieg und Vietnam-Krieg und

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das Schlimmste kommt ja alles noch und so. Aber es gibt positive Signale. 1967 guckst du nach Prag und denkst, du checkst Sozialismus mit menschlichem Anlitz. Es gibt Liberalisierungsbestrebungen, auch da christlich-marxistischer Dialog findet statt. Und Moltmann sagt, in dieser Zeit, wir brauchen Dialog, wir brauchen Gespräche, wir brauchen Begegnung von Marxisten und Christen und wir müssen uns aufeinander zubewegen und wir brauchen eine Liberalisierung des Sozialismus und wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit im liberalen Kapitalismus und die Dinge bewegen sich und wir haben Begegnungen, wir haben Gespräche und es ist Tauwetter und es beginnt etwas. Und 68 ist ja so ein Symbol, schwangeres Jahr und es ist Hoffnung in der Luft, es ist aber auch Wut in der Luft und es entsteht Angst und es entstehen Auseinandersetzungen. Die nächsten zehn Jahre sind dann keine lineare Fortsetzung von 57 bis 67. Es wird sehr, sehr anders und sehr verrückt. Allein

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das Jahr 1968 ist ja ein wahnsinnig komplexes Jahr. Es gibt den einen Narrativ, der sagt, oh Gott, da sind da linke Revoluzzer, lange Haare, drogsüchtig, sexbesessen, auf die Straße, fing an frech zu werden. Dann sind die durch die Institutionen marschiert und 68 war Kick-Off und dann wurde das immer schlimmer und irgendwann waren die Außenminister und so. Naja, kein 68er hätte das Gefühl, 68 war der Anfang und dann wurde es immer geiler. Also als jemand, der viel Hoffnung hatte, 68, siehst du am Ende des Jahres auch Martin Luther King wird ermordet und Nixon wird Präsident. Weil es ist ja überhaupt nicht, dass das immer mehr jetzt noch mehr Kennedy und sonst wie und Nixons Präsidentschaft ist ja schon auch, das kommt dann wellenförmig durch die Geschichte,

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aber es ist eine Law and Order Zeit, es ist ein gewisser Hinsicht auch Rückabwickeln von sozialen und kulturellen Fortschritten. Es ist eine Explosion von Gefängnispolitik, von Krieg gegen Drogen und Krieg gegen Verbrechen. Es ist in anderer Weise soziale Segregation. Also es ist auch eine sehr schwierige Zeit, ehrlich gesagt. Ich will jetzt nicht alles da aufzählen, aber du hast Gründe, als hoffnungsvoller Mensch 1968 schlucken zu müssen. Prager Frühling wird von Panzern beendet, so und die Marxisten, mit denen man im Dialog waren, finden sich im Gefängnis wieder oder kriegen Schreibverbote oder kriegen irgendeinen Deppenjob verpasst, um sie zu demütigen. Es gab viel Grund auch hochfliegende Hoffnungen mit etwas schwermütiger Stimmung in den nächsten Jahren

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anschauen zu müssen. Für Moltmanns theologische Entwicklung ist das eine spannende Herausforderung, dass so die ganz hochfliegende Erwartung natürlich hier und da gibt. Also katholische Kirche, was dann kommt Ende der 60er Jahre? Enzyklika, Pille geht gar nicht. Sexual, Moral, wir ändern nichts. Zu viel Mitbestimmung schadet auch nur, wenn jetzt ja da jeder labern will. Also die die katholische Entwicklung der 70er Jahre ist ja nicht lineare Fortsetzung der Öffnungstendenz, sondern schon im Grunde jahrzehntelang. Jetzt müssen wir uns alle mal erholen. Die ganze erste Hälfte der 60er Jahre, da müssen wir uns jetzt mal 50 Jahre von erholen, sonst kriegen wir alle Kringellöckchen oder so. Und das ist natürlich etwas, für die die Hoffnung hatten auf eine weitere Entwicklung von Ökomene und das vielleicht mal eine Frau vorne steht und so weiter auch ein

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Frustrationspunkt. Theologie der Hoffnung war ein großer Aufbruch. Je länger, je mehr zeichnet Moldmann den Grund der Hoffnung, malt ihn immer weiter aus. Man hat seinem Denken bisweilen vorgeworfen, das ist so optimistisch, so blauäugig, so zukunftsorientiert. Wenn man sich die Bücher anschaut, nein, es ist ein sehr realistischer, auch schmerzbereiter Blick auf das Grausame und Scheitern und auch Böse in der Geschichte. Und ich hatte ja am Anfang einen Text von Moldmann vorgelesen. Sein nächstes sehr bekanntes Buch heißt der gekreuzigte Gott. Und das ist ein zentrales Anliegen, natürlich Hoffnung, natürlich Auferstehung, natürlich Antizipation dessen,

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was kommt. Aber wir leben auch im Zeitalter des Gekreuzigten. Und es war sein Kreuz und es ist auch unser Kreuz und es ist ein Menschheitskreuz. Ich möchte jetzt das nicht ausführlich vorstellen, nur zwei Punkte benennen. Moldmann hält in seiner Kreuzestheologie zwei Dinge zusammen. Schon eine sehr klassische Kreuzestheologie, dass Jesus für uns gestorben ist, stellvertretend, dass er unsere Schuld auf sich nimmt, dass ihn das Urteil über die Sünde trifft. Er beschreibt das in dieser Zeit vor 50 Jahren so. Und er legt aber Wert darauf, man kann das jetzt nicht darauf reduzieren, es wäre total fatal, allein eine solche Stellvertretungssyne, Opfertheologie zu machen. Es geschieht darin ja auch noch etwas anderes, nämlich, dass Gott an die Seite der Leidenden

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tritt. Und das gehört im christlichen Kreuzesverständnis so tief zusammen in der Frömmigkeit, in der Kunst, in der Dogmatik. Und es ist immer problematisch, wenn es vereinseitigt wird. Jahrhundertelang wurde es vereinseitigt eben auf Stellvertretung und Erlösung von Schuld. Und es ist aber auch ein tiefes Trostmotiv. Der Isenheimer Altar ist ja ein Trostbild für Leidende. Es ist ja in der christlichen Frömmigkeitsgeschichte ein zentraler Gedanke, dass Gott in unser Leid hineintritt und es mitträgt, dass er der mitleidende, tröstende, solidarische Gott ist. Und wir müssen diesen solidarischen Gott am Kreuz auch finden. Eine reine Erlösungskreuzestheologie kann sehr egoistisch machen, sehr heilsegoistisch. Das Kreuz für dich

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heißt, ich bin schon mal erlöst, weil ich es ja glaube. Und dann ist das Kreuz abgefrühstückt. Aber das ist natürlich ein radikaler Verlust, wenn das Kreuz dir nicht die Augen öffnet für die, die leiden. Wenn es dich nicht in die Gemeinschaft derer zieht, die jetzt Leid und Folter und Ausgrenzung erfahren, dann ist in dieser Kreuzestheologie etwas zutiefst in Unordnung. Das zusammenzubringen, finde ich, ein sehr starkes Motiv. Es gehört zusammen. Moltmann überträgt solche Überlegungen auf die Trinitätslehre. Und das wird je länger, je mehr ein großes Thema. Es gibt Anfänge 1980, Trinität und Reich Gottes macht es ausführlich. Es zieht sich dann durch die nächsten Monographien bis in die Gegenwart. Trinität ist absolut zentral für jemanden. Und er sagt, wir sollten jetzt nicht so tun. Da sind die mit fertig geworden im vierten Jahrhundert. Das ist jetzt so. Da geht keiner mehr ran. Man muss doch mal wahrnehmen, das Christentum hat

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seine Gotteslehre überschrieben durch eine Kultur absoluter Herrschaft, Dominanz, Über- und Unterordnung, der Machtförmigkeit. Man hat Gott mit Bildern beschrieben des absoluten Herrschafts, des Monarchens, des Kriegers, der alle seine Feinde zerstört. Das heißt, man hat in die Gotteslehre hinein Bilder getragen von dem, was in dieser Welt gerade nicht gut ist. Jetzt könnte man sagen, Moment, Moment, aber es steht ja in der Bibel. Es steht ja in der Bibel, dass Gott König ist und steht ja in der Bibel, dass Gott auch Herrscher und Machthaber und Befreier ist. Es steht in der Bibel als Gegenthese. Es ist ja in der Bibel die Gegenthese eines kleinen Volkes, was von Großmächten umzingelt wird. Und für sie ist es ein Trostwort, dass ihr Gott König ist und

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größer als alle Supermonarchen der Antike, der alten Welt. Der Gott, der König ist in der Bibel, ist der Gott der Armen, der Geringen. Es ist eine Befreiungsbotschaft. Und diese Befreiungsbotschaft wird in der Christentumsgeschichte je länger, je mehr zu einer Säule der Machthaber, eine Säule der Gesellschaft, eine legitimatorische Basis für Absolutismus, für Monarchie, für das Bestehende. Grunde hat die Christentumsgeschichte bis in ihre Dogmatik hinein. Das stabilisiert und legitimiert, was der Gott des Exodus, der Gott Jesu Christi gerade in Frage stellt. Und das ist eine Aufgabe. Und wir müssen lernen, anders von Gott zu sprechen. Moltmann entdeckt mit anderen, da sind ihm andere vergangen gegangen, auch Leute wie Werner Ehlert kann man hier nennen. Es ist

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1500 Jahre im Christentum klar, Gott kann nicht leiden. Gott ist apathisch, Apathie. Gott berührt das alles gar nicht so. Warum? Weil das in der griechischen Metaphysik ein Grundgedanke ist, dass der Unendliche nicht vom Endlichen berührt werden kann. Er kann auch nicht verändert oder sonst wie werden. Er empfindet auch keinen Schmerz, keinen Leid. Er ist bei sich und es geht ihm immer gut und den zieht auch nichts runter. Und ja, der Gott der Bibel wird anders beschrieben. Und wir haben das biblische Gotteszeugnis überschrieben mit Denkkategorien, die ihm eigentlich nicht gerecht werden. Das ganze Apathie-Aktion ist ein Irrweg. Gott ist der Mitleidende, der Mitfühlende. Es macht seine Gottheit aus, dass er sich bewegen lässt, dass er sich in Bewegung setzen lässt, dass er hört, dass er reagiert. So, und die ganze Trinitätslehre ist ein Projekt, Gott

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beziehungsförmiger zu denken, sozialer zu denken, solidarisch zu denken. Möchte ich jetzt an dieser Stelle auch nicht vertiefen, ist ein großes spannendes Thema und es geht hier um den Grund der Hoffnung. Wir haben Hoffnung auf diesen Gott und wir müssen lernen von der Befreiungsbotschaft her, vom Evangelium her, von der Reichsgottes- und Auferstehungsbotschaft her bis in unser Gottesdenken hinein unsere Dogmatik auch zu prägen, das abfärben zu lassen. Die nächsten Jahrzehnte wird, wollt man, wie sollen wir sagen, seinen Hoffnungsimpuls mehr und mehr entgrenzen. Möchtest du mal nennen, die Entgrenzung der Hoffnung, indem er auf immer neue Sachverhalte aufmerksam wird, die passieren, die vorkommen. Und ich möchte mal so sagen, seine Theologie der

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Hoffnung wird zunehmend eine hörende Theologie, eine Theologie, die neue Stimmen hört, die sich korrigieren lässt, die sich ergänzen lässt, die sich in Frage stellen lässt, die lernt und lernt und lernt mit Dingen, die neu sind und die geschehen. Ich möchte jetzt mal an einem Punkt anfangen, weil ich das mit einer persönlichen Erfahrung verbinde. Ich habe in Tübingen studiert, also Woltmann ist übrigens der erste Theologe, über den ich spreche, den ich selbst gehört habe. Er lebt auch noch. Und ich habe ihn gehört, ich habe Vorlesungen gehört, ich habe seine Eschatologie gehört damals und ich erinnere mich auch gut an einen Studientag charismatische Bewegung. 1994 war das, war alles noch gar nicht so klar und gar nicht so einfach, das gab es aber schon. Theologische Fakultät Tübingen war bunt, da gab es sehr Fromme, da gab es sehr Liberale, sehr Harte und auch schon charismatische, Pentecostale, auch in der Stadt und so. Die TOS war noch eine kleine Gemeinde,

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wer das kennt und so, wer da mal googelt und so, ich habe das damals alles miterlebt. Und dann gab es da Podium und man hatte Vertreter der geistlichen Gemeindeerneuerung, gab vier, fünf Professoren von der Fakultät, es gab Studierende dabei und dann haben die da losgelegt und so. Und es war ein buntes Podium, es war eine super Veranstaltung, es gab verschiedene Positionen, sehr charismatisch, die Kirche stirbt, alles geht den Bach runter, wir brauchen den Heiligen Geist, wir brauchen seine Gaben, die nächsten Sachen sind alles Blödsinn, das Aberglaube, Fundamentalismus und Käse, was er da macht. Manche haben die quasi konservativ überholt und gesagt, das ist bei euch alles Zeitgeist, happy, kleppi, hallelujah, Christentum, wir müssen den Gekreuzigten verkünden und es geht um Kreuzestheologie und sonst wie. Und er hatte so erst das Gefühl, also es sind verschiedene Positionen, in welchem Team ist Moltmann? Der saß da auch und der sagte mal so, der sagte, aber ich war so ein bisschen verwirrt. Ich kam damals mit Verwirrung ein bisschen

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schlechter zurecht als hoffentlich heute, nur ein bisschen das Gefühl, welchem Team ist er jetzt eigentlich? Inzwischen würde ich heute sagen, vielleicht gab es da auch nur zwei Teams. Es gab das Team der besser wissenden Theologien, die wussten alles, vor allem besser als die anderen, die waren sich ganz sicher, dass sie es haben und die anderen da am Tisch blöd sind und es gab Moltmann. Und er war der hörende Theologe, der versucht hat, auch mal Dinge stark zu machen bei den Charismatischen und auch mal Dinge in Frage zu stellen und so und er sagte, ja, liebe Kollegen, ihr fallt da alle über die her, aber ich muss euch echt mal sagen, ich komme jedes Jahr durch die Welt, Asien, Südamerika und ansonsten, das ist eine riesen Nummer weltweit. Ihr könnt die nicht wie die letzten Larrys hier abwatschen, das sind Hunderte von Millionen. Fahrt einfach mal ein bisschen durch die Welt gegen, geht mal zum Jong-I Cho nach Korea und guckt mal, was in Südamerika sich ausbreitet und vielleicht sollten wir echt mal lernen. Und er erzählte, in Südamerika hat er

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Vortrag gehalten vor Pfingstler und da kam jemand dann nach vorne, stellt sich vor, Moltmann fing an in Zungen zu reden und setzte sich wieder hin. Und Moltmann sagt, ich habe jetzt kein Wort verstanden, von dem was der da wollte, aber ich fand das richtig gut, weil es hat mir gezeigt, was sind wir hier in Deutschland? Wir sind so ein Laib Christi mit einem Mund und 1000 Ohren. Wir kommen in große Gebäude und dann setzen sich alle hin und dann ist erst mal so freeze. Alle sitzen dann da eine Stunde bisschen aufstehen und setzen im Takt und so und vorne macht einer Kult singen. Und vielleicht ist es nicht richtig und vielleicht ist es gut, dass da Leute tanzen und springen und dass sie auf die Bühne kommen und dass da irgendjemand anders heilt und was wissen wir? Und dann hat er ihnen aber auch gesagt, ja ich muss aber ganz ehrlich sagen, also ich höre wenig bei euch Gerechtigkeit, Ökologie, Frauenfrage, habt ihr das auf dem Schirm? Weil wenn das eine Religion

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des Selbstgenusses wird, haben wir genug von, brauchen wir euch nicht auch noch führen und so. Das hat mich damals beeindruckt, weil er den Dingen nachgespürt hat und geguckt hat, was in dieser Erscheinung ist, ist etwas, wo ich das Wehen des Geistes finde, der den Gott der Hoffnung in dieser Welt bezeugt. Und was ist frustrierend, was ist alte Welt neu angestrichen, was ist selbstbezügliche Religion, wo man mit seiner eigenen Selbstgerechtigkeit eine neue Variante gefühlt hat, sich anderen überlegen zu fühlen, weil die nicht so toll heilen oder in Zungen reden können. Das kann man in Moltmanns Bücher finden und finden und finden, dass er so Streitthemen identifiziert und fragt und was ist daran, wehen des Geistes, was Hoffnung schenkt. Es gibt so einen Abschnitt in seiner Buch über den Heiligen Geist und die Kirche, da guckt er sich so um, was so in seiner Zeit ist,

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und sagt, es gibt heute Studentengemeinden, die sich nur noch als Teil der politischen Befreiungsbewegung verstehen. Sie überlassen Bibelgebetmission den Konservativen, die haben aber auch ihren linken Genossen, mit denen sie der Kampf ist weiter sagen, eigentlich auch nichts eigenes mehr zu bieten. Es ist im Grunde evangelische Studentengemeinde, die hießen noch nicht Studierendengemeinde und gute Ideen, aber wo ist Glaube, wo ist Hoffnung, wo ist Gebet. Auf der anderen Seite gibt es fromme Studentengruppen, die machen Bibelkreise, die machen Gebetskreise, da geht es um die Seele, da geht es ums Heil, die geben Zeugnis für Jesus und wenn man sie fragt, Gerechtigkeit und so, sagen sie, ja, aber Politik ist aber jetzt nicht, na wir sind unpolitisch. Wenn man genauer hinschaut, sind die nicht unpolitisch, die sind weit weit überwiegend politisch-konservativ und politisch-konservativ bist du ja nicht erst dann, wenn du agitierst,

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sondern wenn du, Herr Gansch, schlicht Privilegien deines Lebens, deiner Klasse, deines Landes, deiner Gesellschaft nicht in Frage stellen lassen möchtest. So, zum Schutz eigener Privilegien ist man wieder in einer privilegierten Situation, weil man das durch nicht hinhören, nicht sagen, nichts tun recht effektiv machen kann. Dann bist du aber nicht neutral, wenn du schweigst, bist du nicht neutral, dann stärkst du das, was gilt, dann unterstützt du die Verteilung von Macht und Aufmerksamkeit. So, und es ist keine Kunst da, die Entwicklungen von ESG und SMD dieser Jahrzehnte wieder zu finden, grob gesprochen natürlich, und Moltmann sagt, das ist aber ein Unglück, das ist irgendwie, das wird uns nicht gut tun, so weil hier eine Spannung aufgelöst wird, die wesentlich ist. Die Spannung zwischen Gebet und politischem Einsatz, Bibel lesen und Zeitungslesen,

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die wird aufgelöst. Transzendenz, der Glaube an Gott ist nicht Transzendenz des Auferstandenen, wenn es uns nicht bewegt zur Solidarität mit denen, die er zu befreien kann. Aber Solidarität mit den Armen und Entrechteten ist nicht Solidarität des Gekreuzigten, wenn es nicht mit diesem Auferstehungszeugnis verbunden ist, was Hoffnung stiftet, was Kraft gibt. Und wir brauchen das beides. Wir brauchen Transzendenzfrömmigkeit und Solidaritätsfrömmigkeit. Wird das getrennt oder zum Gegensatz, dann wird das neue Leben verhindert oder zerstört. Wer im Namen Christi betet und nach Erlösung schreit, kann sich nicht mit Unterdrückung abfinden. Wer gegen das Unrecht kämpft, ist auf das Gebet um Erlösung angewiesen. Und das möchte ich mal nennen, hörende Theologie in verschiedene Richtungen reinzuhören und nicht die Lagerkästchen und die Schubladen immer schon

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fertig zu haben, sondern zu hören, was können wir aus dieser Ecke brauchen und was brauchen wir aus jener Ecke und wie kommt das zusammen. So, und jetzt könnte man einen langen Vortrag halten, wie Moltmann Dinge entdeckt. Es gibt so einen Abschnitt, wo er sagt, es ist ihm unangenehm, er hat in den 60er Jahren die Umweltfrage nicht auf dem Schirm gehabt. Er hatte Fortschritt und Entwicklung und Humanisierung und die Umweltfrage, sagt er, habe ich erst 1972 richtig verstanden, als da Club of Rome Grenzen des Wachstums da bin ich erst aufmerksam geworden. Jetzt ist 50 Jahre später, damit war man echt Early Adopter, also da war man schnell und früh Merker. Manche wundern sich ja jetzt noch und denken, was denn mit diesem Schwedenkind, dreht die durch oder so. Moltmann hat sehr früh, wenn man so möchte, ab den 70er Jahren Ökologie auf dem Schirm gehabt. Er schreibt in den

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80er Jahren eine ökologische Schöpfungsethik und die kann man heute noch mit dem Gefühl lesen, alles richtig gemacht, wo war der Rest der Welt, warum war das allen anderen irgendwie egal. Moltmann entdeckt feministische Theologie, muss man auch sagen, seine Frau Elisabeth Moltmann-Wendel hatte auch Theologie studiert, auch examiniert, 50er Jahre. Das war noch eine Welt, in der es völlig normal war zu sagen, aha, ein Mann, eine Frau, zwei Theologen, naja, Fachherren gibt es meistens noch gar nicht, noch gar nicht. Und jetzt könnte man sagen, das allein ist ja echt schlimm, es gab noch anderes, es gab Gesetze, wo völlig klar war, wenn ein Mann als Pfarrer eine Anstellung bekommt, geht das nur, wenn völlig klar ist, dass die Frau gar nicht arbeitet, sie zu Hause bleibt, sonst

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kriegt er keine Fahrstelle. Das war die Realität. Und dann saß sie zu Hause, examinierte Theologen, das Ehepaar hat vier Kinder gekriegt. So, und dann war auch erst mal eine längere Pause und 50er, 60er Jahre waren feministisch vorerleuchtet. So in den 70er Jahren beginnt Moltmanns Frau feministische Theologie zu sichten, zu sammeln, Impulse aufzugreifen, auch mit dem Gefühl, dass das ist nicht die Welt, die ich hochrechnen möchte. Da muss sich was ändern, da muss sich was in Kirche ändern, da muss sich was in Gesellschaft ändern und das ist so wichtig, das braucht irgendwann einen eigenen Vortrag. Ich möchte an der Stelle nur darauf weisen, Moltmann ist jemand, der ab den 70er Jahren sagt, wir haben da ein Riesenproblem, wir sind lauter Männer, die quatschen, das ist Wahnsinn, wir müssen Hörende werden. In den 70er Jahren merkt er auch, wir sind alle weiß und es geht so nicht. James Cone schreibt 1969 ein Buch,

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Black Theology. Black Theology heißt nicht, er wollte eine Sonderteologie machen, die jetzt auch Schwarze dürfen. Die These von Black Theology ist, dass das, was als normale Theologie gilt, weiß ist, überhaupt nicht im Blick hat, von welchen Privilegien man zerrt, mit welcher Selbstverständlichkeit man seine Kultur für die Kultur hält, in welcher Selbstverständlichkeit man unter Geistesgeschichte die Denkbewegung in Europa begreift und sich 0,0 dafür interessiert, naja, dass es in Indien, in China auch Denktradition über Jahrtausende gibt, dass sich andere Menschen und Kulturen Gedanken machen und so. Und 1971 bereits erscheint dieses Buch von James Cone auf Deutsch in einer von Jürgen Moltmann herausgegebenen Reihe, der sagt, es stimmt,

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wir sind zu weiß und wir sind alles Männer und die Dinge stimmen nicht und die Hoffnung muss Kreise ziehen und es sind immer neue Dinge zu entdecken, einer theologischen Schieflage, einer Verhaftung an Unfreiheit, an Ungleichheit, an Gefangenheit, die wir aufsprengen müssen. Moltmann erlebt auch eine Welt, in der Religion erstarkt. Man kann ja schon sagen, ab den 70er Jahren kommt es zu einem weltweiten, erstarken religiöser Strömungen. Das ist im Islam etwas, was sich rumgesprochen hat, muss auch sagen, es gibt ja breite Christianisierungsprojekte. Südamerika hat heute ein erheblich höheres religiöses Beteiligungsniveau als vor 50, 60 Jahren. Da waren nominell alle

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katholisch und alle irgendwie dabei, aber im Grunde stimmt es einfach überhaupt nicht, weltweit zu sagen, die Kirchen werden immer leerer. Auch das schon so zu nehmen, ist so ein eurozentrischer weißer Blick. Es ist im Blick auf die Welt einfach Unsinn. Und man kann auch, und das wäre ein großes Thema, sehen und sagen und beobachten, es gibt viel religiösen Aufschwung in enger Verknüpfung mit einem autoritärem Denken, mit Machtorientierung, mit Erfolgsorientierung, mit Konkurrenzdenken, mit Schüren von Feindseligkeit. Moltmann formuliert mal den Satz, es soll denn der Knoten der christlichen Geschichte so auseinandergehen, der Gottesglaube mit der Autorität und die Freiheit mit dem Atheismus. Muss das denn sein, dass du im Grunde sagen kannst, je frömer und religiöser, desto autoritärer und antiliberaler und die Kinder der Freiheit

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wenden sich irgendwann von allem Frommen ab und sagen, ich bin raus, macht doch da eure Lieder, ich kann nicht mehr. Wie kann es gelingen, eine, naja, eine Christenheit der Freiheitsfreundlichkeit, der Exodus-Gemeinschaft zu betreiben und zu leben. Derzeit 70er, 80er Jahre gab es Befreiungstheologien, die vom ökumenischen Rat der Kirche unterstützt worden sind, die von Moltmann auch natürlich unterstützt worden sind, sehr wesentlich wichtig gefunden sind. Es ist interessant, dass Moltmann aber auch hier, 80er Jahre, ein Zitat sagt und es ist so wesentlich, dass man in befreiungstheologischen Aufbrüchen nicht die Feinde kopiert und deren Feindseligkeit für sich als Legitimation entwickelt,

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die zu beseitigen, wie sie einen selbst aus der Wirklichkeit an den Rand drücken wollen. Die Herausforderung ist, dass Befreiungstheologien einen demokratischen, föderalen Geist entwickeln. Wir dürfen uns nicht von der Feindschaft infizieren lassen, sonst verfehlen wir das freie Leben und können leicht zur Ideologie elitärer Gruppen und ihrer Erziehungsdiktaturen werden. Moltmanns Theologie ist eine Theologie der Hoffnung und ich möchte am Ende es so formulieren, es ist nicht nur eine hoffnungsvolle Theologie, sondern es ist eine tröstliche Theologie. Im Zentrum steht der gekreuzigte Gott, im Zentrum steht der auferstandene Christus, der uns vorangeht, der Geist, der uns befreit und ermächtigt und das ist in allen Kämpfen,

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in allen Leiden eine beglückende Entdeckung, die man machen kann. Und in seiner Theologie ist das ein Punkt, der immer rein strahlt in alle Analysen. Man kann jetzt noch so gut sagen, man könnte die Gesellschaft differenzierter analysieren und man könnte philosophische Fragen ausführlicher behandeln und mir würden jetzt aber viele einfallen, die das ja auch brav machen. Und was mich in Moltmanns Theologie je länger je mehr fasziniert ist, dass diese Entdeckung, dieses Strahlen, dieses Licht in alle Bereiche hinein leuchtet und auch hellsichtig macht, neue Dinge wahrzunehmen, neue Dinge zu würdigen, zu wertschätzen, von der Geschichte auch Gutes zu erwarten, ohne das Schlechte verleugnen zu müssen. Und das ist eine sehr große Kunst. Es ist leicht, eine Matrix zu haben, wo du denkst, alles was kommt, alles

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was neu ist, ist schon mal schlecht, weil sowieso alles geht den Bach runter, alles ist falsch, der Kapitalismus wird uns alle umbringen oder der Antichrist kommt, die Endzeit ist nah, alles neue falsch. Du weißt schon, dass es falsch ist, du machst dir dann nur noch ein paar Gedanken für die Begründung, aber eigentlich hast du die Sensoren völlig eindeutig, oder du machst es völlig umgekehrt, du bist in irgendeiner Vorwärtsmarschierphase und alles Neue ist gut. Und du siehst hinter dir eine Welt von Wahnsinn, Faschismus, Patriarchat und Bekloppte und im Grunde alles was zerstört wird ist eine Befreiung und es entstehen also nur das was neu ist, es überhaupt wert ernst genommen zu werden, was alt ist, was konservativ bewährt, Faschismus. So und dann hast du immer sehr schnell die Dinge klar, weil dein Raster ist so schön. Moltmanns Theologie lebt von Kreuz und Auferstehung und ist immer von der

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Frage geprägt, was ist Zeichen einer vergehenden, harten, ungerechten Welt und was ist Wehen des Geistes auch in dieser Welt, auch in außerchristlichen Gruppierungen, auch in der Zeit, was befreit, was führt nach vorne und wie können wir als Nachfolger Jesu beides sehen, beides zusammenhalten und mitgehen und widerstehen je nachdem. Und das ist anspruchsvoller, weil du nicht einfach alt und neu verknüpfen kannst mit positiv und negativ und weil es anspruchsvoll ist, brauchst du eine orientierende Mitte. Brauchst du diese Mitte, dieses Zeugnis vom Gekreuzigten und Auferstandenen, an dem du dich immer wieder orientierst und der auch zentral bleiben musst,

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damit du nicht so einer schematischen Logik verfälzt. Und dadurch, dass das zentral bleibt, hat diese Theologie, finde ich, etwas Tröstliches, etwas Erhellendes, etwas, was dich sensibel macht, was dich feinfühlig macht, was dich fähig macht, dich selbstkritisch zu hinterfragen, weiterzulernen, weiter aufzubrechen, darin aber auch nie bitter zu werden, weil du weißt, das Kreuz gehört dazu und der Mist ist real und Rückschläge kommen vor dein Leben lang. Theologie der Hoffnung ist Theologie vom Gott der Hoffnung, der Gott sei Dank auch ein Gott des Trostes ist. Ich wollte kürzer sein.

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Jürgen Moltmann – Glaube und Hoffnung | 10.5.1

Worthaus Pop-Up – Marburg: 12. Juni 2020 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Im Frühjahr 1945 sitzt ein junger Mann in einem Gefangenenlager in Belgien. Das »1000-jährige Reich« ist nach zwölf Jahren zusammengebrochen, die Deutschen haben sich vor der Schmach der Niederlage und dem Entsetzen über den Völkermord in ihrer Mitte verkrochen, Städte liegen in Trümmern, Eltern, Kinder, Freunde sind nicht mehr. Der junge Mann kennt Gott noch nicht, als er eine Bibel in die Hand gedrückt bekommt. So beginnt eine klassische Bekehrungsgeschichte. Jürgen Moltmann war verzweifelt und fand Trost im verzweifelten Schrei des Gekreuzigten: »Warum hast du mich verlassen?« Der Kriegsgefangene wird zum Studenten der Theologie. Und die Theologie, wie jede anständige Wissenschaft, sollte sich solch persönliche Geschichten doch eigentlich verkneifen, oder? Nicht unbedingt, weiß Thorsten Dietz. Es ist schließlich ein großer Unterschied auch für die eigene wissenschaftliche Arbeit, ob man mit dem Glauben aufgewachsen ist oder ihn erst später in sein Leben aufnimmt. Moltmann zieht aus seinem Glauben in tiefer Verzweiflung erste Hoffnung darauf, dass aus den Trümmern etwas erwachsen kann. Thorsten Dietz, selbst ohne den christlichen Glauben aufgewachsen, erklärt Moltmanns Verständnis von Glaube und Hoffnung, beschreibt warum der Glaube an die Erlösung uns eigentlich an die Seite all jener stellen müsste, die heute leiden. Und er hilft verstehen, warum die Kreuzigung so viel mehr ist als ein stellvertretender Tod.

Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.