Heute Morgen soll es um Jonathan Edwards gehen, den bedeutendsten Theologen der amerikanischen Geschichte. Man kann auch sagen, den bedeutendsten evangelikalen Theologen der Geschichte. Der Titel bedeutendster reformierter Theologen der Geschichte wäre auch schön, da ist die Konkurrenz aber zu groß, müssen wir sagen. Aber immerhin, also innerhalb der amerikanischen Geschichte ist er der Theologe mit der größten kritischen Gesamt- und Werksausgabe. Er wird erforscht seit 250 Jahren. Auch innerhalb der evangelikalen Bewegung gibt es keinen Vergleichbaren, niemand, der so unumstritten Theologie getrieben hat im Gespräch mit allen Zeitströmungen, die es gab, der seit 250 Jahren gelesen wird, rezipiert wird, geschätzt wird von Evangelikalen, die sich mit Theologie noch auseinandersetzen. Da
ist er wirklich der evangelikale Theologe schlechthin. Jetzt habe ich schon drei, vier mal evangelikal gesagt. Das kann ja auch triggern. Das ist ja kein ganz harmloses, unschuldiges Wort. Also bei manchen löst das Assoziationen aus, die nicht immer angenehm sind. Da habe ich evangelikal gehört, bei Worte aus, das ist doch das, wovor ich gelernt habe, mich zu fürchten. Evangelikal und werde ich jetzt hoffentlich gewarnt vor dem Edwards, ist der evangelikal? Wieder andere mögen umgekehrte Ängste haben und sagen, jetzt geht es um Evangelikalen. Soll der jetzt fertig gemacht werden? Werden wir wieder angegriffen, beleidigt und geschmäht und so? Das Wort kann triggern und wenn solche Effekte einsetzen, dass auf einmal so Gefühlsaufwallungen stattfinden, ist es immer gut, ein bisschen runterkommen, ein bisschen abkühlen, das Ganze erstmal ein bisschen
tiefkühlen. Und das möchte ich machen durch eine kleine geschichtliche Einordnung, kleine geschichtliche Betrachtung, dass wir diesem Wort erstmal so seine Stacheln, seine nervösen Effekte nehmen. Was ist evangelikal? Edward selbst hätte sich nicht als evangelikal in diesem Sinne bezeichnet, das Wort gab es noch gar nicht. In der Sonderbedeutung, in der wir das Wort heute kennen und verwenden, ist es ein Produkt der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekommt das Wort eine besondere Bedeutung im amerikanisch-englischen Sprachraum. Es ist eigentlich evangelical, naja, es ist evangelisch und meint all das, was evangelisch so meinen konnte. Man kann es im Sinne von evangeliumsgemäß meinen und man hat es ja auch natürlich gemeint im Sinne von evangelisch, also nicht katholisch. Das ist eine sehr weite Spannbreite dieses Wortes und die hat sich eingebürgert seit dem 16. Jahrhundert, das als wichtiges Wort zu nehmen und das ist auch
in unterschiedlichsten Strömungen protestantischer evangelischer Bewegung so gebräuchlich gewesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bekommt das Wort einen Sonderakzent. Man kann schon das Umfeld ziemlich genau bezeichnen, wo das der Fall ist. Um Billy Graham herum, er ist die zentrale Schlüsselfigur für diese neuere religionsgeschichtliche Entwicklung, bestand das Bedürfnis, naja, evangelisch zu sein im Sinne von evangeliums zitriert, missionarisch, evangelistisch, das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen und man merkte aber, dass das allgemeine Verständnis von evangelisch oder protestantisch, dass das war mit vielen Missverständnissen besetzt, man wollte zwei Missverständnisse im Grunde beseitigen, man wollte sich in zwei Richtungen abgrenzen. Das eine, man sprach jetzt mit einem besonderen Akzent von Evangelical, weil manche
schlicht nicht mehr fundamentalistisch sein wollten. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das ein großer Begriff, ein große Welle, gab es viele sehr konservative Gelehrte, die haben Fundamente definiert, an dem man unbedingt festhalten muss, die Unfehlbarkeit der Bibel und verschiedene Bekenntnisgrundsätze zu Christus, zu Erbsünde, zu Erlösung, die hatten aber nur sehr eingeschränkt Erfolg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die amerikanische gesamtkulturelle Entwicklung ging eigentlich davon weg, weil man merkte, die kommen mit Darwin und der Evolution nicht zurecht, die versteigern sich da in antiwissenschaftliche Ideen. Insgesamt gab es in diesen Kreisen auch eine Tendenz zur Einigelung, zur Abschottung, zur Gegenkultur, dass man auf großem Abstand ging zur Mehrheitskultur und auch verhältnismäßig wenig Wirkung hatte. Gerade in den 30er, 40er Jahren ist der evangelikale Einfluss auf die
amerikanische Geschichte auf einem ziemlichen Tiefpunkt. Davon wollte man sich freimachen, man nannte sich Evangelical, im Unterschied zu Fundamentalismus. Man wollte in irgendeiner Weise weltoffen sein, modern, aktiv, moderne Medien benutzen, evangelistisch, kulturell, offen für Einflüsse aller Art und nicht fundamentalistisch. Auf der anderen Seite Protestants waren aus der Sicht dieser Evangelikalen zu kulturell eingepasst, zu stark Kulturverein, Sozialagentur, zu wenig christuszentriert, zu wenig Bibel gegründet, waren zu irgendwie modern, zu indifferent, zu profillos. Und darum, Evangelical stand für diese Abgrenzung weder Mainline-Churches mit ihrer Indifferenz noch Fundamentalismus mit ihrem Antigehabe gegen alles Moderne und Weltliche. In diesem Sinne ist das
Wort in Deutschland auch aufgeschlagen im Zusammenhang weder Billy Grahams, er war als Evangelist ja auch mit großem Widerhall unterwegs in den 50er, 60er Jahren, Zehntausende von Zuhörern allerorts. Man hat ja irgendwann nach einer Evangelisation gesagt, diejenigen, die mit Christus ernst machen wollten, sollen sich anschließen einer Evangelical Church. Und der Übersetzer hat tief im Herzen gespürt, dass er jetzt die Bedeutung nicht treffen würde, wenn er sagen würde, bitte treten Sie der evangelischen Kirche bei. Das hat er irgendwie gespürt, dass Graham das nicht gemeint haben kann. Da muss man schnell sein beim Übersetzen. Und dann haute er das Wort evangelikal raus, schließt sich einer evangelikalen Gemeinde an, da wo Jesus verkündigt wird und die Bibel ernst genommen wird und so. Und dann war das Wort im Spiel und innerhalb der nächsten zehn, 15 Jahre wurde es adoptiert in vielen Kreisen der Freikirchen, der Gemeinschaften, der evangelischen Allianz, berühmtes Berufsaufbruch der Evangelicalen 1971. In den 80er Jahren ist es
dann Standardbezeichnung auch in Deutschland für Freikirchler, für Pietisten, für Charismatiker, die damit ungeheuer viel gewinnen. Vorher waren es ja so ein bisschen die Schrägen im Lande, die Minderheiten, die Komischen, die Kuriosen. Das Wort evangelikal zu adoptieren war natürlich eine ungeheure Selbstaufwertung. Auf einmal war man Teil einer weltweiten Bewegung von 500 Millionen Gläubigen und man konnte alle fragen, ihr Lutheraner, wie viel seid ihr denn weltweit? Ihr Reformierte, wie viel seid ihr denn weltweit? Man hatte höchstens noch die katholische Kirche als ernstzunehmenden Weltrivalen. Insofern war das Wort natürlich charmant und wurde eine Marke, eine weltweite Marke. Und insgesamt kann man ja sagen, weltweit sind die Verhältnisse in der Tat so. Nach der katholischen Kirche ist der größte Block innerhalb der Christenheit weltweit,
etwas, was man irgendwie als evangelikal bezeichnen würde oder eben in diesen Netzwerken sich befindet. Was genau meint man damit? Das ist jetzt eine schwierige Frage, weil bei solchen aktuellen Lagerbegriffen wird natürlich immer Politik gemacht. Da wird ständig um Deutungshoheit gerungen. So, wer bestimmen darf, wer dazugehört und wer nicht und welches Bibelverständnis verbindlich ist und was alles dazugehört und wer nicht mehr dazugehört, wer irgendwie einen Linkspost oder Ex sich beifügen lassen muss, das sind natürlich Streitigkeiten. Auch da tauchen wir jetzt ganz elegant runter weg, auch das halten wir jetzt hier ganz wissenschaftlich und betrachtend, indem wir uns anschließen einer Definition, die ein Historiker entwickelt hat, David Beppington, einer der bedeutendsten Historiker zur evangelikalen Bewegung der letzten Generationen, der eine Typologie vorgeschlagen hat, vier Merkmale, die für die evangelikale Bewegung
typisch sind. Erstes Merkmal ist ganz schlicht die Erfahrung von Bekehrung, Wiedergeburt, bewusster Hinwendung zum christlichen Glauben. Das ist besonders typisch. Evangelikal ist eine posttraditionelle Form des Christentums. In vielen Formen des Christentums wächst man rein. Durch Kindertaufe, durch Geburt, es gibt viele Länder, da bist du durch Geburt Teil des Christentums. Da wirst du auch getauft, möglichst schnell, vielleicht wirst du auch später getauft, aber die Auffassung ist, man ist Christ, dadurch, dass man christliche Eltern hat. Das ist weltweit und religionsgeschichtlich betrachtet überhaupt nicht absurd, das so zu sehen. Das ist eine große konstantinische Phase im Christentum gewesen, dass das so war. Naja, in den letzten Jahrhunderten finden da Auflösungsbewegungen aller Orten statt. Evangelikal ist im Grunde eine sehr moderne Entscheidung, eine Erscheinung,
wo man Christ nicht mehr ist durch Geburt, durch die Eltern, durch Tradition, durch Zugehörigkeit, durch den Geburtsort, sondern durch bewusste persönliche Überzeugung, die sich so oder so in einer Lebenswende niederschlägt. Es ist immer besonders schön, eine richtige Bekehrungsgeschichte zu haben, dann ist man so total evangelikal. Manche leiden heimlich schmerzhaft daran, dass sie das nicht so schön haben wie andere, die da, was weiß ich, im Gefängnis dann erlöst und erweckt und so, dass das verkauft sich immer viel besser. Aber auch die, die das so gar nicht krass haben, für die ist es eigentlich auch so, die würden es formulieren, es ist eine bewusste persönliche Entscheidung, so was habe ich nicht geerbt, Gott hat keine Enkelkinder, so, beim Lebenslauf, ich würde es so, schade, ich hätte es gern auch ein bisschen krasser und klarer, eigentlich doch. So, und selbst wenn Leute eigentlich schon immer christlich gelebt haben, die gehen dann auch mal in der Evangelisation nach vorne und übergeben ihr Leben Jesus und so, am nächsten Tag ist
nichts anderes als am Tag davor, war sie eigentlich immer schon so. Es ist ihnen wichtig, das irgendwie sichtbar zu machen und klar zu machen, Bekehrung in diesem Sinne ist zentral. Zweiter Punkt im Bebbington definiert hat, ist schlicht christocentrischer Glaube, evangelikale Frömmigkeit zögert keine Sekunde auf die Frage, worum geht es dir denn? Da zögern die nicht, da sagen die sofort, um Jesus Christus. Und Jesus Christus als der gekreuzigte und auferstandene, mein Erlöser, mein Herr und Heiland, dass er gekommen ist, mich zu retten und erlösen, das ist es. Und dann kann man da variieren in der Sprache, da gibt es einen gewissen Spielraum, aber dass Christus die Mitte ist, ist völlig klar. Das ist ein ganz wesentliches Zentrum. Wenn man sagt, ja um Jesus finde ich jetzt nicht ganz so wichtig, ist man raus. Das wird keiner mehr als evangelikal empfinden. Dritter Punkt, die Bibel, die Bibel als Grundlage des Glaubens. Historisch ist ziemlich eindeutig, dass da nicht
eine bestimmte Theorie über die Bibel gemeint ist. Da gibt es ewig und drei Tage Diskussionen. Es ist schlicht die Praxis, dass man Bibel liest, dass man auf die Bibel hört, dass man Bibelgruppen gut und wichtig findet, Übersetzungen der Bibel unterstützt, biblisch gegründete Verkündigungen, Bibelfrömmigkeit in diesem Sinne, eine grundsätzlich biblische Orientierung. Man findet vieles andere auch in Ordnung. Musik spielt eine riesen Rolle zum Beispiel, ist völlig klar, aber auch da die Texte biblisch irgendwie und dass die Musik so wichtig ist, wird aus der Bibel begründet. Dann liest man sogar die Chronikbücher und sagt, da ist es ja auch schon die Leviten und die Chöre und so. Das ist irgendwie wichtig und gehört dazu. Viertes Merkmal, in irgendeiner Weise ein sozial-missionarischer Aktivismus. Evangelikale sind keine Stillen im Lande, sie sind aktiv. Sie wollen etwas bewegen, sie wollen etwas verändern, sie haben ein Sendungsbewusstsein, sie gründen, sie gehen,
sie gehen über Ländergrenzen, sie entdecken immer neue Medien, immer neue Gestaltungsformen, sie sind aktiv, sie sind keine Stillen im Lande. So, ich finde das bis heute ein sehr schlüssiges Cluster, das so zu beschreiben. Man kann da immer noch irgendwie weitere Kandidaten nominieren, aber es hat auch Vorteile, wenn sich so was eingeschliffen hat und eingeprägt hat. So beschreibt das Bebbington und er und viele andere sagen, der Begriff Evangelikal, der ist 50 bis 70 Jahre alt. Dieses Phänomen aber, das ist ein bisschen älter. Es ist jetzt aber auch, also es gibt Evangelikale, die gerne sagen würden, wir sind eigentlich Christen wie in der Urgemeinde. Wir glauben, wir sind völlig normal, wir sind eigentlich Christen, wie es wirklich sein sollte, wie in der Urgemeinde, wie die frühen Christen sind wir so mit Jesus und der Bibel und Missionen. Christen waren eigentlich schon immer so. Wenn man ein bisschen die Geschichte kennt, weiß man, dass das
so einfach gar nicht der Fall ist, sondern dass das ein modernes Phänomen ist, ein modernes, neuzeitliches Phänomen. Allein dieser Individualismus, Bekehrung und so, das hat mit Reformation, mit Mittelalter, auch mit Antike nichts zu tun. Man merkt es an den Haustaufen im Neuen Testament, da kriegen Evangelikale Menschen ganz komische Gefühle und sind froh, wenn das Thema wieder weg ist, weil es ihnen irgendwie nicht richtig vorkommt. Es kommt ihnen nicht richtig vor, dass sich da so ein Kerkermeister bekehrt und dann tauft Paulus denen sein ganzes Haus. Man hofft, die waren alle irgendwie klein, aber das sind auch Probleme und so. Also nein, Evangelikal ist neuzeitlich modern und man kann ziemlich genau sagen, erste Hälfte des 18. Jahrhunderts läuft sich so was so richtig warm. Also in der historischen Forschung, Konsens, das Ganze ist richtig da mit den großen Erweckungsbewegungen, die wir in Europa und Nordamerika haben in den 1730er,
40er Jahren. Von da an kann man eine Geschichte durch erzählen bis in die Gegenwart. Das ist nicht allzu geschummelt, wenn man anfängt mit Whitfield, den Westleys, Jonathan Edwards, dann weitermacht mit Charles Finney und Moody, dann zu Billy Graham und John Stott kommt. Das ist eine Traditionsfamilie, das ist ein Strang von Christentum, der auch einigermaßen Ausbreitung entwickelt hat dabei. So, das als Hintergrund zu Jonathan Edwards, sein Name fiel ja mittendrin, er ist einer der Gründungsfiguren, einer bei dem man sagen würde, bei dem kann man im Grunde erkennen, da ist was Neues, da ist was Besonderes. So und jetzt ist er der Theologe schlechthin dieser Bewegung. Ich sag gleich noch mal ein bisschen was über seinen Werdegang, aber zunächst mal Theologie und Evangelikalismus. Passt das überhaupt? Theologie war ja offensichtlich keins der vier Merkmale. Evangelikalismus funktioniert wunderbar ohne Theologie. Viele würden fast,
was heißt viele? Aber es gibt glaube ich welche, die sagen würden, Theologie ist alles, nur Gift brauchen wir gar nicht. Lasst das bloß weg, wenn Theologie, wir brauchen irgendwie gemeindenah ein bisschen kleine Handhabe, ein bisschen, also Lehre brauchen wir, Lehre, klare Wahrheiten und Bekenntnisse und aber die Theologen, die stören eigentlich nur. Manche würden das so sagen, was ist Theologie? Was macht Edwards als Theologe? Fangen wir mit einem anderen Definition an. Hegel sagte mal, Philosophie ist ihre Zeit in Gedanken gefasst. So, ein bisschen bescheidener würde ich sagen Theologie, das ist Glaube, Frömmigkeit, religiöse Sehnsucht und Entdeckungswege in Gedanken gefasst. Da steckt manches drin. Theologie ist nie ursprünglich, nie die Basis. So, Glaube lebt in anderen, lebt in Gedanken, aber auch in
Erfahrungen, in Gemeinschaftsinteraktion, in Ritualen, in Praxis, in Verhalten. Glaube ist eine sehr ganzheitliche Sache, wo es um Erleben, um Gemeinschaft, um Gefühl, um Gedanken in einem Zusammenhang geht. Theologie ist immer was Sekundäres. Theologie ist immer Reflexion auf einen solchen Lebenszusammenhang. Wissen Theologen eigentlich auch alle. Manchmal wirft man Theologen vor, sie würden sich da künstlich aufblähen und würden immer ihre Theologie zur Grundlage von allem machen. Das will kein Mensch. Jeder Theologe weiß, er muss sehr dankbar sein, wenn ihm halbwegs mit Interesse mal zugehört wird zu seinen komischen Gedanken und so. Das ist nicht das Ding. Theologie ist eine Reflexionshaltung zu Glaube, Frömmigkeit in einem ganzheitlichen Sinne. Theologen überschätzen ihr Tun in
der Regel nie, manche vielleicht. Die meisten Christen sind davon gar nicht übermäßig berührt, aber ein wenig dann doch schon auch. Denn solche Reflexionen haben natürlich immer irgendwelche Rückwirkungen. Sie prägen, sie prägen Ausbildung, sie prägen dann auch Lehre, sie prägen Gedanken. Also jeder, der einfach so glaubt, ist natürlich in irgendeiner Weise doch berührt und geprägt und angefixt von theologischen Gedanken, die andere sich so machen. Und Theologie ist jetzt nicht nur einfach ein Wasserkopf, der über allem berührungslos schwebt. Theologie greift ja auf, was geschieht. Er findet ja nicht einfach Themen, Trends und Fragen, sondern greift auf, was in Frömmigkeit, im Glauben tatsächlich vor sich geht. Theologie fasst das in Gedanken. Und dadurch macht Theologie das, was im Glauben vor sich geht, in irgendeiner Weise auch immer diskutierbar. In der Theologie kann man darüber reden. Man kann sagen, so
ist es und dann kann man sagen, ja, aber an der Stelle wenig anderer Überzeugung. Und dann kann man darüber diskutieren, dann kann man darüber streiten. Theologie ist immer schon Auseinandersetzung mit anderen Möglichkeiten, etwas zu betrachten. Dadurch immer auch die Einladung, ins Gespräch zu kommen, wie man es denn richtig betrachten könnte. Insofern ist evangelikale Theologie ja auch ein Angebot. Nicht zu bleiben in so einer angetriggerten Gefühlshaltung, dass man das entweder für das einzig wahre Christentum hält oder für etwas ganz krankhaft Schädliches, was am besten verschwinden sollte, sondern einsteigt in die Auseinandersetzung, einsteigt in die Diskussion. Genau guckt, ist das so notwendig? Gibt es da auch andere Optionen? Wie kann man das aufstellen? Wie kann man das in irgendeiner Weise verstehen? Edwards möchte ich heute vorstellen als ein durch und durch evangelikalen Theologen des 18. Jahrhunderts, also einer ziemlich anderen Zeit, von dem ich aber glaube,
dass er bis heute sehr anregend und inspirierend auch für Fragen nach der heutigen Identität von Evangelikalismus haben könnte. So, genug der Vorrede, steigen wir ein. Edwards lebte 1703 bis 1758. Er lebt in den nordamerikanischen Kolonien. Wenn wir von ihm als Amerikaner sprechen, ist klar, relativ, in höchster Hinsicht ist er Brite, das gehört alles noch zum britischen Weltreich. Er stirbt vor der amerikanischen Revolution. Aber natürlich, nach 1776 fängt man an, eine eigene amerikanische Geschichte auch zu erzählen, zu entwickeln. Dafür ist Edwards eine hervorragende Identifikationsfigur, weil er für eine eigenständige Ausprägung nordamerikanischer Entwicklung natürlich steht. Er ist mit seiner ganzen Familiengeschichte tief geprägt von einer puritanischen, kalvinistischen Frömmigkeitsherkunft der Pilgerväter. Ich
mache jetzt keinen großen Exkurs darüber, man googelt das irgendwie. Also reformierte, strenggläubige, teils sittenstränge Menschen, die in den USA die Chance gesehen haben, eine Stadt auf einem Berge zu gründen, wo sie ihren Glaubenleben entfalten und entwickeln. Davon ist er tief geprägt. Diese Puritana waren sehr bildungsfreundlich, bildungsoffen. Harvard zum Beispiel stammt aus dieser Geschichte. Edwards hat da studiert, hat sich mit allen intellektuellen Strömungen seiner Zeit beschäftigt, hat sich etwa intensiv mit Newton beschäftigt, mit der Physik seiner Zeit. War wie alle Zeitgenossen fasziniert von dieser neuen Physik, von dieser neuen Sicht auf Gravitation. Das hat alle restlos beeindruckt, denen diese Gedanken zugänglich waren, dass man auf einmal Dinge berechnen kann, verstehen kann, die man vorher
angestaunt hat. Und warum fällt der Stein auf den Boden? Ja, ist so. So, und auf einmal kann man da Dinge sagen und rechnen und Dinge tun. Das ist natürlich überwältigend. Ich hoffe, das wird in heutigen Schulen noch erlebt als berauschend oder beglückend oder so. Ich bin nicht immer sicher. Aber Edwards war wie die Puritana wissenschaftsoffen und begeistert davon. Er war aber auch intensiv beschäftigt mit der Philosophie seiner Zeit, beschäftigte sich mit John Locke genauso wie mit dem Earl of Shaftesbury, mit Hutchison, jetzt könnte ich viele Namen nennen, die keine Sau kennt, also lasse ich das sofort wieder. Aber er beschäftigte sich intensiv damit mit verschiedenen philosophischen Strömungen. Er war natürlich geprägt durch intensives Bibelstudium. Er beschäftigte sich mit Theologen der Kirchengeschichte. Er beschäftigte sich natürlich auch mit Vertretern der reformierten Schultheologie. Er war da gründlich sattelfest und kannte das alles gut und merkte aber auch, die Welt dreht sich
weiter, Dinge verändern sich, Gedanken verändern sich. Wir müssen uns immer neu einlassen auf die Fragen, die heute gestellt werden, dass in irgendeiner Weise weiterbedenken. So, er wurde Pastor in Northampton und maßgeblich beteiligt. Das heißt, er war also einer Pastor und er lebte in den 1734, 35er Jahren dort einen geistlichen Aufbruch. Das kam bei Puritanern vor. Puritane waren ja schon solche, die so auf der Kippe stehen. Auf der einen Seite sind sie irgendwie altgläubig. Ihnen ist der Anglikanismus und so, das gefällt Ihnen alles irgendwie nicht, Sie wollen biblisch glauben, ganz bibeltreu sein. Auf der anderen Seite sind sie daran auch sehr modern, weil in gewisser Hinsicht sind die Anglikaner viel traditioneller, also die in England bestehende Staatskirche mit ihrer Liturgie und ihren Gewennen und ihren Ämtern. Die Puritaner sind revolutionär aus dem Wunsch nach Konservativismus.
Die evangelikale Geschichte ist voll solcher Paradoxa, das ist eigentlich sehr interessant. Und die Puritaner sind welche, die im Grunde im Übergang sich befinden. Für sie ist auch klar, Glaube muss eine persönliche Überzeugung sein. Glaube kann nicht so ein Ding sein, wo man einfach Glaubensbekenntnisse mitspricht und dann ist das so. Also sie legen Wert auf eine persönliche Bekehrung. Andererseits sind sie für Kindertaufe, das ist weitgehend bei vielen noch klar. Und schon auch, dass im ganzen Ort möglichst alle gläubig sind und dazugehören. Also eine ganz interessante Übergangsmischung. Bekehrung ist wichtig, persönlicher Glaube ist wichtig, aber möglichst auch alles und der ganze Ort. Und dass dann manchmal so Durchbruchserfahrungen sind, sich viele bekehren, das kennen Puritaner schon. Das ist so eine spannende Mischung aus Neualt. Insofern Edwards hat auch so einen geistlichen Aufbruch 1734, 1735. Er schreibt darüber ein Buch und macht sich in diesem Buch auch intensive
Gedanken darüber, was Bekehrung eigentlich ist, wie das funktioniert. Und darin ist er sehr modern. Er fragt lauter Neubekehrte, wie das war und was sie erlebt haben und wie das passiert ist und wie sich es angefühlt hat. Er schreibt viele Zeugnisse ab, er veröffentlicht das, weil er verstehen möchte, wie das passiert. Hinwendung zum Glauben. Er ist darin auch ganz, wie soll man sagen, im Strom seiner Zeit. Die Wissenschaften und Philosophien dieses frühen 18. Jahrhunderts haben ganz stark das Stichwort Empirismus. Wir müssen uns an der wirklichen Erfahrung orientieren. Es kann nicht mehr so sein, dass man irgendwelche Dogmen oder Theorien oder Überlieferungen absolut setzt und dann nur durch die Linse dieser vorgegebenen Anschauungen glaubt, die Wirklichkeit verstehen zu können. Es muss umgekehrt sein. Wir müssen Schüler der Wirklichkeit werden. Wir müssen hinsehen, wir müssen
experimentieren, wir müssen forschen, wir müssen auf die Erfahrung uns einlassen. Edwards macht das im Grunde als Theologe, was so Leute wie Newton und Locke in Physik und Philosophie betreiben. Er möchte verstehen, wie Bekehrung geschieht. Er schreibt ein Buch mit einem unaussprechlich langen Titel über die Erweckung in Northampton. Das wird unter anderem in London herausgegeben von berühmten Decentern. Es entstehen darüber zwei deutsche Übersetzungen, eine im Halleschen Pietismus, eine im Niederrheinischen Pietismus. Es wird also auch in Kontinental Europa gelesen, Klammer auf. Wenn Leute sagen, ja, heute kommt immer so viel aus Amerika und so und früher, da war das alles noch nicht so, dann ist das reine Unkenntnis. Dann trauert man einer Vergangenheit hinterher, die es nie gab. So, also auch damals schon, wurde das übersetzt und auch von deutschen Pietisten studiert. Das Interessante war, vor allem in England schlug das ein. Es machte da Lust und Sehnsucht, sich zu entwickeln. In England entstehen ja dann die Aufbrüche,
die dann später zu Methodismus führen, also die Wesley Brüder und Whitfield. Das führt in England zu Auflössen, diesen Aufbrüchen. Die sind teilweise von Edwards inspiriert, teilweise. Die gehen dann auf Welttournee um 1740, ist das so ein Ding. John Wesley ist in den USA, Whitfield ist in den USA, Zinsendorf übrigens auch. Am nachhaltigsten schlägt Whitfield ein. Whitfield wird Evangelist in einer völlig neuen, extravaganten Weise. Er predigt vor Zehntausenden. Die Berichte sind so vielfältig und so glaubwürdig, das schien gestimmt zu haben. Die hatten damals irgendwie durch viel Training so Oper-Sänger-Stimmen, dass die vor Zehntausenden auf freien Feldern reden können. Und Whitfield reden hören, soll ein Naturerlebnis gewesen sein. Er schrie, er stampfte, er weinte, er lehrte auch, war
auch ein gebildeter Mensch, war auch Kalvinist, fand auch traditionelle reformatorische Lehre wichtig, aber war jemand, der brannte. Und viele ließen sich entzünden. Er wurde von Hunderttausenden gehört in den nordamerikanischen Kolonien. Es gab große Aufbrüche, viele Menschen, die sagten, jetzt fange ich wirklich an mit Jesus und das ist es, das ist die Wahrheit und ich will für nichts anderes mehr leben als dafür. Whitfield ist der, ja, wie soll man sagen, der eigentliche Eisbrecher, der da eine Spur der Erweckung durch Nordamerika hindurchzieht. Es schließen sich dieser Bewegung viele andere Prediger an. Die Reiseprediger werden hier und da und dort verkünden. Edwards ist so einer in der zweiten Reihe. Er ist schon durch seine Schriften bekannt, er hat einen gewissen Ruf, er arbeitet auch dann als Erweckungs-Prediger hier und da. Es ist eine Predigt aus dieser Zeit besonders berühmt geworden, dadurch hat er einen manchmal schwierigen Ruf, eine Predigt mit dem Titel Sinners in
the Hand of an Angry God. Diese Predigt ist sehr berühmt geworden, sie besteht daraus, dass Edwards eine halbe Stunde oder noch länger die Schrecken der Hölle ausmalt und am Ende nur sagt, bekehre dich zu Christus, bevor es zu spät ist. Und diese Predigt ist sehr berühmt, man kann zum Beispiel bei YouTube googeln eine Predigt, wo Billy Graham diese Predigt um 1950 herum in Kalifornien einfach nur vorliest und das war es für diesen Abend. Sehr speziell irgendwie, kam sogar irgendwie an und viele sagten, das ist wirklich Glauben und so. Diese Predigt ist rhetorisch und literarisch genial, Edwards, aber ich gehe es gar nicht jetzt in die Details, weil es so eine Art religiöse Horrorshow ist auch. Und man muss dazu sagen, dass es eigentlich nicht Edwards, wie er sich in der Breite seines Wirkens darstellt, das ist eher die große Ausnahme. Im Grunde steht bei ihm schon die Liebe Gottes ganz
klar im Zentrum, Christus, Erlösung, Erbarmen. Es gab aber diesen Topos von Erweckungspredigten, wo man den Hörern die Hölle heiß machte. Und man muss auch dazu sagen, da standen viele drauf. Das ist so, also es gab eine religiöse Angstlust, dass viele das zu brauchen glaubten, dass ihnen die Hölle heiß gemacht wird, um noch sicherer zu werden, dass sie da nicht rein wollen. Also man muss auch das historisch einordnen und sollte Edwards hier nicht auf den Höllenprediger eindampfen. Das ist er in der kulturellen Erinnerung teilweise geworden, weil viele damit auch diese ganze Puritanismus Erweckungswelt im Grunde auch festlegen wollten auf irgendwas ganz Furchtbares aus heutiger Sicht, trifft aber nur eine kleine Facette von Edwards. So, Edwards macht da mit. Es bekehren sich Leute, die schreien, die wollen sich bekehren, die flehen ihnen an, endlich aufzuhören, dass sie ihr Leben
dem Herrn übergeben dürfen und so. Und einige Jahre brennt die Luft und dann, ja da muss es irgendwie weitergehen. Das ist ja immer die Schwierigkeit. Also im Anfang ist ja immer alles fantastisch. Jede im Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben und dann ist definitiv kein Anfang mehr und man muss sich weitere Dinge einfallen lassen. In Nordamerika kommt man in Diskussionen, in Debatten darüber, was das war und wie das ist und wie es weitergeht. Und die Dinge spalten sich so ein bisschen auf, entwickeln sich und es entsteht ein Streitpanorama. Und in dieser nacherwecklichen Zeit dreht Edwards richtig auf als Theologe und schaltet sich in diese Streitigkeiten ein als einer, der auf der einen Seite tiefe praktische Erfahrungen hatte, mittendrin war in diesen Ereignissen, auf der anderen Seite aber auch bestmögliche theologische, philosophische Ausbildung, darüber jetzt auch zu reflektieren und zu gucken, was war los, was war gut, was war problematisch.
Jetzt mal ich eine kleine Skizze des Streits, der sich damals aufgebaut hat. Was ist Bekehrung und welche Bedeutung hat das und was sollen diese ganzen Durchbrüche? Es gab konservative Kritik daran. Konservativ ist jetzt sehr relativ. Diese Kritik war in einem gewissen Spektrum von einer Seite sehr puritanisch konservativen, anti-neuerungssüchtigen Menschen, aber teilweise auch früh aufgeklärt rationalistische Menschen. Die hatten so eine interessante Koalition und die sagten, diese ganze Erweckung ist Schwärmerei. Das ist alles furchtbarer Gefühl über Schwangen. Hier lösen sich sämtliche Bande auf. Das ist Chaos, das ist Unordnung. Die Kritikpunkte aus heutiger Sicht sind sehr interessant. Sie sagen, es ist an sich schon Unordnung, dass es Reiseprediger gab. Gott der Herr hat es so geordnet, dass jede Gemeinde ihrem Hirten hat, dem sie Gehorsam schuldigt. Dass da irgendwer auf einmal da reinkommt
und auf dem Marktplatz da redet und so, ist Zerrüttung der öffentlichen Ordnung. Das geht überhaupt nicht. Dadurch wird die Autorität des Ortsgeistlichen geschwächt. Noch schlimmer fand man, wer dann da alles zu Wort kam. Man empfand es als göttliche Ordnung, dass ausschließlich ordinierte, gebildete, hochstehende, nicht mehr ganz junge Männer ein Wort der Autorität für alle haben. Zur Erweckungsbewegung gehörte, dass da Frauen, Jugendliche und Schwarze, sich nicht nur bekehrten, dass das sollen die meinetwegen machen, sondern die durften reden auf einmal. Die gaben Zeugnis. Es gab Gebetsversammlungen und in diesen Gebetsversammlungen aus streng konservativer Sicht brachten sich da Abgründe auf. Da beteten nacheinander Jugendliche, Frauen, Schwarze, ein alter weißer Mann auch wieder, aber das ist kein besonderes Highlight, denn dann weint sofort eine Frau und das finden viele noch viel berührender und weint mit und so. Und das fanden viele ganz schrecklich. Also diese egalisierende Tendenz der Erweckung
war auf Ruhe. Und ein großer Vorwurf war natürlich zu viel Gefühl, zu viel Leidenschaft, zu viel Stimmung. Das ist auch widergöttlich. Gott hat es im Grunde so eingerichtet, dass er sich durch sein Wort offenbart. Und sein Wort spricht uns an im Geist, in unserer Geistseele, in der Vernunft. Und die göttliche Ordnung ist, dass der Heilige Geist durch das Wort auf unseren Verstand wirkt und der Verstand die niederen Leidenschaften und das Fleisch im eigenen Leben in den Griff bekommt und ein gottgeheiligtes Leben führt im Geist und im Verstand gegen das Fleisch und die dumpfen Leidenschaften. So, und dahinter steckt eine ganze Anthropologie. Diese Anthropologie ist jetzt auch richtig alt. Also die hat eine über 2000-jährige Geschichte. Die hat platonische, weniger aristotelische, aber teilweise auch die hat auch storische Anteile. Eine Anthropologie, wo man eine humane Hierarchie entwickelt,
wo der Mensch in seiner Geistseele, in der Vernunft dem Göttlichen nah ist. Ist immer Differenz, völlig klar. Aber es gibt eine Affinität von Vernunft und göttlichem Geist. Der Körper des Menschen ist ihm anerschaffen, aber der Körper und die Gefühle sind immer körpernah, verbinden uns letztlich mit der Tierwelt. Und das ist eine klare Ordnung und das beschreiben die auch so. Gott ist der Herr des Menschen, der Mann ist der Herr der Frau, die Erwachsenen sind Herren der Kinder und der Geist ist Herr des Körpers. Und diese Hierarchien müssen intakt bleiben. Und diese Hierarchien sind auch alle logisch begründet, denn der Mann lebt stärker in der Vernunft, die Frau lebt stärker in ihrem Körper und ihren Gefühlen. Und darum hat ja auch der Mann das Sagen und nicht die Frau. Und die Kinder sind gefühlsgesteuerte Unruheherde und Erziehung ist, ist ihnen diese ganze Gefühlsgesteuertheit auszutreiben. Die lachen sinnlos oder weinen dämlich oder so. Das muss alles weg. Die
müssen vernünftig und klar und gehorsam und die müssen funktionieren. Und das ist die Geschichte des Menschen. Aus dem Tierischen heraus erzogen und entwickelt werden, dahin, dass man ein vernünftiges, zuchtvolles Leben führt in den Unterordnungs Etagen, die es so gibt. Obrigkeit und Untertanen hatte ich vergessen, auch das gehört dazu. Das ist ein naturrechtlicher Gesamtzusammenhang. Und die Erweckung war Chaos. So, das war der eine Vorwurf an die Erweckungsbewegungen. Zu viel Gefühl, zu viel Chaos, zu viel egalitäre Schübe. Dann gab es einen anderen Schub, das waren die radikalen Erwecker. Die haben gesagt, merks es, die Kritiker der Erweckung sagen zu viel Gefühl, da sieht man, dass sie den Geist nicht haben. Das sieht man daran. Und die schrieben dann auch Bücher und sagen,
die einzig relevante Frage ist doch, wer uns bestimmt, bestimmt uns Gott oder bestimmen wir uns selbst. Und die, die sich hier auf Vernunft berufen und auf Bildung und auf Tradition, die verweigern die völlige Auslieferung an Gott. Wir sollen uns aber ganz und gar Gott unterstellen. Und woran merkt man das, dass Menschen sich Gott ganz und gar ausliefern? Man merkt es daran, dass Gott Kontrolle übernimmt. Woran kann man das sehen? An dem, was wir nicht machen können. Wenn einer zusammenbricht und über seine Sünden weint, dann tut er das nicht aus vernünftiger Einsicht. Du kannst dich nicht durch vernünftige logische Ableitungen zum Weinen bringen. Das wird dir nicht gelingen. Aber wenn der Geist Gottes dein Herz berührt und dir deine Sünde zeigt in ihrer ganzen Schwärze und Hässlichkeit, dann sind die Tränen ein Siegel des Geistes. Denn du kannst dich nicht durch Kopfgeburt zum Weinen bringen.
Aber wenn du weinst, dann tut das Gott der Herr. Und sie sagten auch andere Sachen, überschäumende Freude, dass Menschen begeistert sind, dass sie jubeln, dass sie springen, dass sie umfallen. Dergleichen kam vor. Zungenrede war noch nicht so das Thema. Aber er weckte vielen um und lagen stundenlang berauscht vor Glückseligkeit und zitterten und hatten Ausfallerscheinungen und kamen nicht mehr klar, lagen lange rum oder hüpften wie wild, hüpften rum. Es gab einige, die sind vom Dach runter gesprungen. Das fanden dann alle übertrieben irgendwie. Aber es kamen lauter extravagante Erscheinungen auf. Und die radikalen Erwecker sagten, so zeigt Gott, dass er die Thürigten erwählt und nicht die Weisen, die, die verachtet werden und nicht die Selbstgewissen und Stolzen. Und diese Zeichen des Geistes sind ganz wesentlich. Daran erkennst du, wo wirklich der Geist handelt und wo vernünftige angemaßte Selbstbestimmung
weichen muss. So, das war die Gemengelage. Und damit habe ich im Grunde auch schon den zwei Fronten Kampf beschrieben, den Edward sich stellt. Und der tat das in mehreren Büchern. Es bedeutendste 1776 Religious Affections. Und das muss jetzt natürlich alles sehr, sehr schlank und knapp beschrieben werden. Ich fasse aus diesem großen Werk viele hundert Seiten jetzt einige grundsätzliche Gedanken zusammen. Die erste grundsätzliche Frage, die Edwards aufwirft, ist die anthropologische. Und in dieser anthropologischen Frage, also die Frage, was ist der Mensch? Wie sind beim Mensch Geist und Seele, Körper, Gefühl und so weiter ineinander verschachtelt? Setzt er sich mit diesen beiden Positionen auseinander? Und er sagt an dieser Stelle, wir sollten hier nicht falschen Vorstellungen von Menschen folgen, sondern biblisch auch nochmal Maß nehmen. Und die Bibel hat eine klare Auffassung vom Menschsein, das Herz im Bibel, das Herz ist Zentrum im biblischen Menschenbild. Und wenn man sich das
näher anschaut, sieht man, im Herzen werden Gedanken laut, im Herzen wird aber auch geliebt, im Herzen finden Gefühle statt und Gedanken und der Wille. Die Bibel hat nicht so ein hierarchisches Menschenbild, wo Vernunft alles ist und Gefühl schlecht. Die Bibel hat ein ganzheitliches Menschenbild. Und Edwards wirft das beiden vor und in beide Richtungen kann er es ausspielen. Er sagt gegenüber den Konservativen, ihr mit eurer Gefühls- und Körperverachtung, das ist nicht die biblische Linie. Das geht so nicht. Es ist nicht das biblische Leitbild, dass die Vernunft über alles dominiert und Gefühle bloß wohltemperiert sein sollen. Guckt euch Jesus an, wie er über Jerusalem weint. Guckt euch Jesus an, in geht Semeni, wie er vor Angst zittert und zagt und Schweißausbrüche hat. Guckt euch Paulus an, wie er auch wütend wird, seine Kleider zerreißt, unter die Leute springt und sagt, was tut ihr da? Guckt es euch an, es sind leidenschaftliche
Menschen. Der Glaube steht nicht im Gegensatz zu leidenschaftlichen Gefühlen. In die andere Richtung sagt er, guckt es euch genauso an, Paulus ist leidenschaftlich, er ist im Geist, er brennt und er macht sich Gedanken und er argumentiert und er treibt Theologie und er ringt um die Kolosser und um die Galater und um wen auch immer mit dem Herzen. Und das heißt, er ringt mit seinen Gefühlen und mit seinem Verstand. Und in beide Richtungen macht Edwards deutlich, es sind falsche Vorstellungen von Menschen, wenn wir das Denken verdächtigen oder wenn wir die Gefühle pauschal verdächtigen. Das biblische Ideal lautet klare Gedanke und starke Gefühle. Wenn wir denken, wir dürfen nur klare Gedanken haben, wenn wir da möglichst gefühlskalt bleiben, was ist das für ein Menschenbild? So, dass der gefühlslose, versteinerte Mensch das Ideal ist. Oder wenn wir denken, man muss
ständig brennen und man darf überhaupt nicht kritisch oder nachdenklich oder differenziert denken, was ist das für ein Menschenbild? Das ist ein starker Punkt, den Edwards gründlich ausarbeitet. Ich hoffe, man merkt, ich habe große Sympathie dafür. Es gibt bis heute ja noch unter manchen Christen immer so die Vorstellung, ja, verlasse dich nicht auf deine Gefühle, Gefühle sind sehr trügerisch und so. Man muss schon beim Wort, so, du musst dich vom Wort bestimmen lassen, nicht von deinen Gefühlen. Das ist anthropologisch völliger Blödsinn und das ist zu dumm, um falsch zu sein. Oder das ist nicht mal klug genug, um falsch zu sein, weil dieser ganze Gegensatz ja schon so schief ist, als wäre das die Alternative, meine subjektive Gefühle oder das Wort Gottes, wie es wirklich lautet. Wo ist der Fehler? Der Fehler ist da völlig offensichtlich. Bei dieser Wahl würde ich jeder sagen, ach, da bleibe ich lieber beim Wort Gottes, da hätte ich jetzt mehr Vertrauen. Nur der
ganze Witz ist ja, das ist ja in der Wirklichkeit gar nicht die Alternative. Die Alternative ist meine Gedanken über das Wort Gottes, meine vermeintliche, vernünftige, rationale Erkenntnis, was das Wort Gottes meinen sollte. Dieser Gegensatz wird aufgemacht und gleichzeitig noch verwischt und verfälscht. Und wenn man dann sagt, traue auf deine vernünftigen Überlegungen, was Gott will und nicht auf dein Gefühl. Das Gefühl ist subjektiv und so. Merkt man hoffentlich, Gedanken sind kein bisschen weniger subjektiv als Gefühle. Ist doch das Ding. In unseren Gedanken und unseren Gefühlen sind es immer unsere Gedanken und unsere Gefühle und die spannende Frage ist ja immer, wird es der Wirklichkeit gerecht? Werden wir in unseren Gedanken und in unseren Gefühlen der Wirklichkeit gerecht? Beides kann sich täuschen. Man kann in seinen Gedanken auf Ideologien kommen, auf Verzerrungen, auf Verzeichnungen, auf Konstrukte, die zum Davonlaufen
sind. Man kann auch in seinem Gefühl ergriffen werden von falschem Mitleid. Du lieber Himmel, was ist das Liebesvermögen für einen störanfälliger Sender? Was kann man sich nicht nur verlieben, sondern auch verlieben? Wie kann man in seinen Gefühlen irre geführt werden? Ist doch völlig klar, dass Gefühle trügerisch sein können. Aber Gedanken genauso. Und es ist ja die große Herausforderung, wir sind lernende Wesen, große Herausforderung in unseren Denken und Fühlen, wirklichkeitsattäquat zu werden. Und das ist eine Erziehung des Herzens, immer im umfassenden Sinne, im Erfassen, wie es ist. Und Gefühlen ist ja immer letztlich auch eine Wirklichkeitserfassung, ist eine affektive Evaluation, eine gefühlsmäßige Bewertung von Wirklichkeit,
was wir erstrebenswert finden oder abstoßend, was wir gefährlich finden oder anziehend, sind ja die Grundgefühle Ekel, Angst, Lust, Liebe. Es ist ja auch wirklichkeitsbezogen, es ist sinnlich vermittelt. Und wenn man da näher hinschaut, und darauf legt Edwars großen Wert, die Trennung an sich ist ja immer schon irreal, denn unser Denken ist immer schon gefühlsbasiert. Der Ängstliche, der Tiefängstliche macht sich sehr andere Gedanken über die Welt als der Gelassene oder der Verliebte oder der Glückliche. Alles Denken ist gefühlsbasiert und alles Fühlen ist gedankenimprägniert. Jedes Gefühl, die Angst vor einem wilden Tier oder einer Krankheit und so weiter, entsteht ja nicht aus ich sehe es und habe es und so. Also Kinder haben vor vielen Tieren im Zoo jetzt unmittelbar nicht Angst, sondern eher das Bedürfnis hinzugehen und kuscheln und spielen zu
wollen. Man muss sie mit Gedanken dahin bringen, dass sie sich vor manchem auch wirklich fürchten. Und diese Dinge sind aber immer schon ineinander, da gibt es ein paar Sachen. Also vor Spinnen und Schlangen können wir relativ gedankenfrei auch schon Angst haben. Das sind sehr tiefe biologische Grundprägungen. Unsere Gefühle haben eine viel längere Vorgeschichte als unsere Gedanken. Insofern sind sie bisweilen schneller und auch härter und tiefer. Aber in der normalen Wirklichkeitsorientierung haben wir ein ungeheuer kompliziertes Geflecht von Fühlen und Denken und Wollen. Edwards beschreibt das in seiner Weise auch in intensiver Auseinandersetzung mit Philosophien und Theologien seiner Zeit und natürlich den biblischen Texten in einer Weise, die ich sehr sehr empfehlen würde. Ich möchte das auf eine kleine Formel bringen für die Freunde der modernen Popkultur. Darth Vader ist ja vielen ein Begriff und die Ewigkeit, die Szene für die Ewigkeit, wo man jetzt ja keinen
mehr spoilern kann, mit Luke, so wer wessen Vater ist, ich bin dein Vater und Luke schreit Nein! Und was sagt Darth Vader in diesem epischen Moment der Filmgeschichte? Erforsche deine Gefühle, du weißt, dass es wahr ist. Das finde ich einen sehr tiefsinnigen Satz. Erforsche deine Gefühle, du weißt, dass es wahr ist. Da zielt er ja hier im Grunde auf diese interessante, diesen Punkt in unserem Geist, wo Gedanken und Gefühle in irgendeinem merkwürdigen Widerstreit sich befinden. So und in diesem merkwürdigen Widerstreit, so haben wir Gedanken, dessen nicht wahrhaben wollen, das was wir immer denken, also Gedanken sind das, was offiziell erstmal unsere Fassung ist. Gefühle haben hier eine tiefere Dimension. In diesem besonderen Fall natürlich eine zutiefst ambivalente Dimension. Es ist für den jungen Luke ein Ding von Ekel, Abscheu, Angst und Grauen, dass dieser Mann,
dieses Wesen sein Vater sein könnte. Und da ist aber noch etwas anderes, da ist ein Spüren, ein Vermerken, ein Empfinden, was tiefer reicht als die Gedanken, mit denen ich mir die Wirklichkeit erkläre. So erforsche deine Gefühle, du weißt, dass es wahr ist. Er weiß es ja nicht, es ist ihm ja gerade gesagt worden, es ist völlig neu. Aber in den Gefühlen, so die Aussage, ist ein Widerhall, eine Resonanz. Du kannst zutiefst spüren, dass es stimmt. Da war was zwischen uns, da ist was zwischen uns. Du merkst es, du weißt es. Das ist keine Sache der rationalen Ableitung oder Erklärung. So, in diesem Sinne legt Edwards dann schon auch Wert darauf, Religion besteht wesentlich auch in Gefühlen. Religion ist immer eine Erfahrung des Ergriffenseins,
immer etwas, was tiefer reicht als unsere gedanklichen Konstruktionen, die wir darüber bauen. Religion ist eine Sache der Faszination, der Ehrfurcht, der Freude und die Gefühle fassen undeutlich aber doch irgendwie früher und schneller auf. Da ist etwas dran, da ist eine Wahrheit, der ich mich nicht entziehen kann. Da ist etwas, zu dem ich mich verhalten muss als die Gedanken, die Ideologie, die kann man dann nachbauen. Aber die Gefühle sind im Grunde immer so ein Punkt, wo es durchbricht. Also es gibt eine Art Vorrang der Gefühle. Glaube, Religion besteht wesentlich in religiösen Gefühlen, ist davon überhaupt nicht abzutrennen. Ganzen religiösen Gedanken gäbe es gar nicht, wenn es die Gefühle nicht gäbe. Und das Darth Vader Wort hat jetzt aber noch mal
einen interessanten Mehrwert. Erforsche deine Gefühle, du weißt, dass es wahr ist. Kann das für Edwards so nehmen, die in den Gefühlen? Gibt es eine Eigenart des Wissens? Gibt es einen Wirklichkeitszugang, eine Erschlossenheitserfahrung von Schönheit, von Exzellenz, von Vollkommenheit, die sich in Ehrfurcht, Faszination, Freude und Nieder schlägt? Vor allem, dass ich es mir gedanklich klar kriegen kann. Aber erforsche deine Gefühle. Es ist ja bei Luke Skywalker überhaupt nicht eindeutig. Die Gefühlswelt ist ja extrem chaotisch in dieser Situation. Interessanterweise gibt Luke Skywalker dieses Wort ja noch mal zurück im sechsten oder dritten Teil, je nach kanonischer Zählung der Star Wars Filme. Ganz am Ende Endkampf und es sieht schlecht aus und so. Und Luke sagt zu Darth Vader, Vater, erforsche deine Gefühle. So, und der Vater muss sich
entscheiden. Hält das denn jetzt mit der dunklen Seite der Macht oder wendet er sich wieder seinem Sohn zu? Wir wissen alle, wie es ausgeht und so. Aber auch hier ist ja das Interessante die innere Gefühlzerrissenheit, diese Pluralität von Bindungen, dass Gefühle auch eine chaotische Stube sind, wo dies und das und jenes und auch hier wieder das Wort. Erforsche deine Gefühle. Was ist denn das Tiefste, was du empfindest? Ist es immer noch Hass und das Bedürfnis nach Rache und die Sehnsucht nach Macht und all das, was die dunkle Seite der Macht dir geben konnte? Oder ist es am Ende nicht doch dieser Skywalker-Familiengeist, wo diese familiäre Bindung und eigentlich doch die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Liebe tiefer eingelassen ist in die Fundamente des Gefühlshaushaltes als alle Besessenheiten von Rache und Hassfantasien? So, und das ganze Buch
von Edwards hat im Grunde, also möchte diese doppelte These, deine Gefühle wissen nicht selten er, was wahr ist. In deinen Gefühlen erschließt sich die Schönheit und Wahrheit Gottes, die Faszination und Liebe Jesu Christi. Du kannst das Geliebtsein nicht begreifen in einem rationalen Sinne, so dass du denkst, jetzt habe ich es verstanden. Ja, so geliebt werden ist etwas, wenn es sich dir nicht im Herzen in allen Gefühlsetagen erschließt, ist es auch nicht wirklich angekommen. Dass es dich im Herzen entzündet und begeistert, ist die letzte Bewahrheitung, dass dieser Gedanke, geliebt zu sein, auch bei dir angekommen ist. Ohne dass diese Gefühlserkenntnis ist, ist es nicht angekommen. Und dann, erste große These, Gefühle sind zentral, zweite These, du musst sie erforschen. Deine Gefühle sind ambivalent,
sie sind vielfältig, sie sind nicht eindeutig, sie sind chaotisch und du musst deine Gefühle erforschen, weil sie täuschungsanfällig sind. Und sie sind voller Täuschung und sie sind auch voller Geschichten und voller Erinnerungen und voller Trug und voller Schein und du musst dich auf die Suche einlassen, was ist es eigentlich, was ist es wirklich. So, und das Buch handelt davon und Edwards gibt nun Kriterien an die Hand, wie man seine eigenen Gefühle erforscht. Also ganz schlicht, wie man religiöse Erfahrungen bewertet, einordnet, beurteilt, für sich selbst und für andere. Und, und das darf man dabei niemals überhören, er sagt, es liegt mir völlig fern, ein Schema an die Hand zu geben, mit dem man glasklar eindeutige Urteile fällen kann. Das gelingt im Blick auf andere nochmal schlechter, auch im Blick auf selbst, auf
sich selbst kann das nicht hundertprozentig funktionieren. Also das ist nicht der Anspruch, keine Maschine, in der du Gefühle eindeutig beurteilen kannst, aber Kriterien, Kriterien, die dir helfen können, für dich und für andere ungefähr einen Maßstab zu gewinnen, ist es gut oder ist es schwierig? Ist es förderlich oder ist es problematisch? Er baut das Buch so auf, dass er zunächst mal eine Reihe von Kennzeichen nennt, die trügerisch sind. Und damit setzt er sich auseinander, vor allem auch mit den Befürwortern der Hypererweckung und sagt, also es gibt manche, die sagen, besonders starke, intensive Gefühle sind doch ein Zeichen, dass es wahr ist. Da sagt Edwards, nee, ich habe schon Leute brennen und schreien gesehen vor Begeisterung, die bisschen später nichts mehr davon wissen wollten. Das ist nicht so. Stark und intensive Gefühle sind ein Zeichen, dass du stark und intensiv ergriffen bist. Sie haben überhaupt keine Bewahrheitungskraft. Es gibt da keinen Zusammenhang von Intensität
und Wahrheit. Es ist eine optische Täuschung. Es gibt Menschen, die den möglichst starken Gefühlseffekt sorgen, weil er natürlich auch erstmal flasht und überhaupt erstmal für eine bestimmte Zeit so in einem Rausch versetzt. Und ich glaube, das gibt es bis heute. So und da sagt Edwards, ich habe es zu oft gesehen, vergesst es, so läuft es nicht. Zweiter Punkt, es sind jetzt viele, ich nenne noch ein paar, körperliche Auswirkungen. Manche sagen, ja, aber wenn es mich umwirft, wenn ich weinen muss, wenn ich Zuckungen habe oder sonst wie lall, das kann ich ja nicht selbst. Das kann ich selbst nicht gemacht haben. Kann es was Böses gewesen sein? Nein, dafür habe ich viel zu viel von Jesus und so weiter. Also muss es Gott gewesen sein. Auch das leuchtete damals vielen ein, mag heute noch vielen einleuchten. Denn Edwards sagt, nö, nö, wir sind ganzheitlich strukturierte Wesen. Unsere Gefühle und unser
Körper sind in Interaktionen und es ist eigentlich genau dasselbe. Manche Dinge ergreifen dich so stark, dass sie sich umwerfen. Daraus kannst du nicht mehr lernen, als dass sie sich wirklich so stark ergriffen haben, dass sie sich umgeworfen haben. Du kannst aus dieser Phänomenebene keine Ableitung oder Beweise führen. Sie haben keinen Bewahretungswert. So, er nennt sich jetzt weitere Dinge, nicht? Aber ich habe es nicht absichtlich gemacht. Es ist mir einfach passiert. Sagt nichts. Oder ich habe aber sehr tiefe Liebe gespürt. Es kann ja nicht falsch gewesen sein. Ich habe da jemanden harte Gerichtsworte im Geist gesagt und ihm die Hölle angedroht. Und ich kann mich nicht irren, weil ich sehr starke Liebe gespürt habe. Also war das richtig. Edwards nennt viele solche Beispiele und sagt, nein, nein, nein und nochmal nein. Wir finden in der Bibel überhaupt keine Grundlage für solche Beweisketten. So überhaupt gar nicht. Das ist überhaupt keine biblische Argumentationskette. Bibel
kennt starke Erfahrungen, aber die gibt es. Und Sie können täuschen. So ist es. Es gibt etwa die Propheten, die im Geist in Verzückung wandern und nicht aufhören und dann kriegt dasselbe der Liebe Saul verpasst. Aber so ein richtig gutes Zeichen ist das irgendwie auch nicht. Nicht Edwards macht da lauter Bibel Studien. Er bringt die Beispiele und sagt solche Phänomene sind in sich niemals eindeutig. Tränen sind nicht eindeutig, genauso wenig wie Schreie, genauso wenig wie Träume, genauso wenig wie körperliche Manifestation. So kriegst du die Sache nicht in den Griff. Er nennt insgesamt zwölf solche Merkmale. Und dann nennt er zwölf positive Zeichen und schärft nochmal eines in positive Zeichen. Nicht mehr, nicht weniger. Es sind positiv Kriterien. Sie alle haben keine Beweiskraft. Diese zwölf Zeichen kann man jetzt in zwei Gruppen aufteilen. Die erste Gruppe von diesen zwölf Zeichen sind vor allem herum gruppiert um den Affekt der Freude. Starke geistliche
Freude über Gottes Schönheit, über Gottes Vollkommenheit, über Gottes Exzellenz. Ein Gefühl der Ergriffenheit, bei der Christus im Zentrum steht. Er variiert das so ein bisschen, formt das aus. Aber in diese Richtung geht es. Und Edwards sagt dazu Folgendes. Was ist das Zentrum wahren Glaubens, wahrer Religion? Eine zutiefste Ergriffenheit von der Vollkommenheit und Schönheit der Liebe Gottes in Jesus Christus. Kann man ein bisschen variieren. Das ist es. Und er ordnet das auch ein. Er ist philosophisch gebildet und so. Und er sagt, es ist nicht die Erfahrung, dass du das nützlich findest oder nice to have oder dass man damit schön angeben kann oder dass das dein Leben verbessert und du jetzt irgendwie in die Lage kommst,
coole Freunde zu haben oder Erfolg und reich und glücklich zu werden und dass sich dein Nachtschlaf verbessert und so weiter. Das alles schön, wenn man es hat, könnte dich aber auch in Verfolgung führen. Studiere die Geschichte. Der Punkt ist tatsächlich, dass Gott und Jesus dir wichtiger werden als alles, was du sonst bist, hast, glaubst oder spürst. Das ist der Punkt. Und er vergleicht es in der Ästhetik mit dem interessellosen Wohlgefallen. Interessellosen Wohlgefallen, ästhetischer Begriff, das ist eigentlich die Erfahrung des Schönen, etwas, was nicht nützlich ist, was auch nicht notwendig ist, sondern einfach schön, dass es mir gefällt, ohne dass es irgendwie für mich nützlich ist. Ich kann kein Grundbedürfnis, was ich habe, damit befriedigen. Es überwältigt mich durch sein So-Sein, durch seine innere Vollkommenheit, auch wenn es mir schädlich ist oder sonst wie, interesselloses Wohlgefallen. Ich möchte es mal mit einem modernen Begriff umschreiben.
Es geht immer um die Erfahrung von Selbsttranszendenz. Selbsttranszendenz, dass etwas mehr größer wird als ich mir selbst oder anders, dass es mir heilig wird. Es ist die Erfahrung, dass etwas mir heilig wird. Ich hoffe, das Wort funktioniert noch ungefähr. Ein aussterbendes Wort, schade, schade. Heilig sind Dinge, die wie ein Tabu, das ist nicht mehr zu erklären, es ist nicht zu diskutieren. Es ist etwas faszinierendes, es ist etwas, das was durch seine Größe, durch seinen Wert, durch seine intrinsische Bedeutsamkeit mich zum Schweigen oder zum Lob oder zur Anerkennung nötig. Es ist mir heilig. Es ist nicht verhandelbar. Es ist nicht irgendwie im Tauschmark gegen irgendwas anderes oder so, dass ich sage, ja aber mehr Geld oder Anerkennung würde ich dann lieber nehmen. Also dann war es mir nicht heilig. So, Erfahrung der Selbsttranszendenz. Kleine Klammer auf, ich trete kurz heraus
aus der historischen Nacherzählung seiner Theorie. Ich glaube schon, dass in dieser Entdeckung von Heiligen, von Selbsttranszendenz ein Erfolgsgeheimnis evangelikaler Frömmigkeit liegt. Alle christlichen Gruppen, Kirchen und so weiter sind ja immer ein bisschen traurig, wenn sie merken, dass da Leute austreten und nicht mehr so kommen und dass der eigene Laden nicht brummt und so. Und da gibt es immer Ideen, was müsste man denn mal machen und was könnte man da tun. Und die einen sagen, ja wir sollten den Menschen nicht so viel zumuten. Eine Stunde Gottesdienst ist auch echt ein Hammer. Also vielleicht ist eine halbe Stunde auch genug und predigt, also die Leute mehr als acht Minuten, hört kein Mensch mehr zu, das ist einfach so. Dann reden wir ein bisschen gleich sechs Minuten, dann ist das in zehn Jahren auch noch gültig, also als Maßstab. Und wir dürfen die Leute auch nicht ärgern, da nicht irgendwie komische alte Häuser und alte Lieder und auch nicht
irgendwelche Regeln, die heute irgendwie komisch wirken oder so. Wir müssten uns da im Grunde ganz nachfrageorientiert gucken, was interessiert die Leute überhaupt noch und dann machen wir da irgendwie was draus. Das alles brummt nicht. Ich habe da auch, da keinen Mut machen, auf solche Beratungen zu setzen. Das funktioniert einfach nicht. So und evangelikale Anbieter sind in diesem Sinne überhaupt nicht nachfrageorientiert. Die fragen sich so was nicht. Manchmal sollten sie sich ein bisschen was fragen, finde ich. Aber von ihrer Grundidee sind sie überhaupt nicht nachfrageorientiert, sondern die Kernidee ist, wir sind von etwas begeistert. Wir sind von diesem Jesus Christus fasziniert, überwältigt, ergriffen, gepackt und das ist unsere Botschaft. Das ist unser Kern, das ist unser Inhalt. Und sonst alles, vieles ist uns egal. Die Musik, wie wir angezogen sind, wieder Ämter,
Strukturen, Geschichte, da stellen wir alles in Frage und stellen alles auf den Kopf. Aber wir sind angebotsorientiert und Jesus Christus ist das Angebot, was uns gepackt hat und das bringen wir. So und so und so, alles andere ist egal. Ich glaube, das hat langfristig mehr Zukunft. So, weil hier das Verrückte ja entsteht, dass Menschen sich vielleicht wirklich an vielem stoßen und sich über vieles wundern und vieles komisch finden. Aber es gibt ja den verrückten Effekt, dass Menschen von etwas ergriffen werden, was sie nie gesucht haben, wonach sie eigentlich nie Nachfrage erspürt haben. Und dann merken, etwas, was größer ist als sie selbst, was heilig ist, was faszinierend ist, was sie in Ehrfurcht ergreift, ist in einem tieferen Sinne das, was sie gebraucht haben und viel mehr als ihr eigenes Nachfragebedürfnis vorher je auf dem Schirm hatte. Ich glaube, dieser schlichte Effekt, dass evangelikale Gruppierungen im Lauf der Jahrhunderte ein immer größeres
Anteil am Kuchenstück des Christentums haben, hat sehr viel damit zu tun, dass in dieser Frömmigkeitsbewegung etwas vor Augen gestellt wird, was faszinierend und schön und groß und wer weiß, was ist. Und alles andere findet sich in diese Richtung ein. Ich glaube, von der ganzen Struktur von Religion und Spiritualität her ist das im Grunde die Logik auch. Wenn man da nichts mehr hat, was einen irgendwie begeistert oder fasziniert oder ergreift oder so, dann ist das alles ziemlich verzweifelt zu sagen, ja, aber wir können ja nochmal neue Kickerkästen anschaffen oder so. Das ist alles, glaube ich, nicht der Weg. Klammer zu der gegenwärtsbezogenen Reflexion. Erste große Schiene, Edward, sagt, erforsche deine Gefühle und die Dinge haben Bestand, wenn du tatsächlich von so etwas ergriffen bist,
was dich nachhaltig fasziniert. Er entdeckt nämlich auch, Leute lassen sich davon irgendwas ergreifen und packen, was für eine bestimmte Zeit cool ist. Oder sie merken, auch da sind viele junge, hübsche Frauen dabei, da bin ich mal Teil der Community oder so, das ist interessanter als was gerade im Kegelfein läuft oder so, also analog damals, sind das so Sachen, wo Edward sagt, es gibt Menschen, die so teilweise und ein bisschen und auf Zeit mit falschen Erwartungen gar nicht wirklich gepackt und so und zur Selbstforschung für sich und alle anderen dieses Gott zuerst, nicht uns, sondern deinem Namen, gib alle Ehre, so, das ist für ihn, wenn das im Gefühlshaushalt und im Denken sich widerspiegelt, ist es ein gutes Zeichen. So, beim frühen Edwards, man kann jetzt eine gewisse Entwicklung sehen, beim frühen Edwards ist das das Entscheidende, das entscheidende Kriterium, er beschreibt das so, es geht darum, dass wir wirklich mit unserem geistlichen Sinn, mit unserer gefühlshaften
Wahrnehmung das Licht der Schönheit und der Liebe Gottes erkennen und ergreifen und das zeigt sich in dieser dezentrierenden, selbstanzentrierenden Art und Weise, so funktioniert es. Je länger, je mehr hat Edwards das Bedürfnis, das zu ergänzen, weitere Kriterien zu nennen, 1746 ist das dann auch bereits voll ausgearbeitet, wird dann noch mehr verstärkt, er sagt und es gibt noch eine zweite Gruppe von Zeichen, die wesentlich sind, zweite Gruppe sage ich jetzt mal, ich glaube, das ist bei ihm auch so gestrickt, insgesamt sind es 12, die Zeichen 6 bis 12 gehören zur zweiten Gruppe, allein das zwölfte Zeichen erklärt er so ausführlich, wie die ersten fünf zusammen und sehr kurz gefasst kann man sagen, das zweite Zeichen ist die Liebe. Die Liebe ist das zweite Zeichen, es geht im ersten Bereich natürlich schon
darum, die christliche Freude ist ein Ergriffensein von der Liebe Gottes und dass ich wirklich davon ergriffen bin, zeigt sich darin, dass nach und nach ein Abfärbungsprozess einsetzt, dass ich mehr und mehr von der Liebe Christi nicht nur entzündet werde, sondern auch gestaltet, geprägt, verwandelt und das ist wesentlich. So, an ihren Früchten sollte er sie erkennen, Bergpredigt, Jakobusbrief, solche Texte, Paulus, der Glaube ist in der Liebe wirksam, Edwards macht das natürlich sehr stark biblisch, biblisch, biblisch und er macht es so, dass er es dann aber auch wieder verbindet mit moralischer Argumentation, mit anthropologischer Argumentation. Die Liebe verändert uns in unserem Verhalten, sie verändert uns in unserer Grundorientierung, in unseren Werten, sie verändert uns in dem, was uns wichtig ist und was uns nicht so wichtig ist. Sie wird uns darin verändern, dass Ruhm und Ehre und
Anerkennung, Besitz und Geld und viele Dinge, die in unserem Gefühlshaushalt Wertigkeit haben, nachrangiger werden. Er ist kein Perfektionist, dafür ist er viel zu reformiert, kalfilnistisch, überhaupt keine Ideen, dass wir sündlos und vollkommen werden, auf diesem Trip ist er überhaupt nicht, aber schon, er geht davon aus, in einem christlichen Leben muss eine solche Umorientierung in irgendeiner Weise sich zeigen. Maßstab ist Jesus Christus und es ist immer Zeichen guter Frömmigkeit, dass man an ihm Maß nimmt. So denken wie er sein, wie er leben, wie er handeln, empfinden, spüren, all das, diese Orientierung auch für sich selbst als Vorbild ernst zu nehmen, ist wesentlich, ist eine wesentliche Folge. Dazu zählt ja auch die Ausgewogenheit des Charakters, jede Form der Einseitigkeit, dass man sich nur interessiert, was weiß ich, für Gott oder nur interessiert für Soziales und so, das
wäre alles problematisch, man soll in allen Lebensbereichen diesen Geist einlassen. Ich möchte einen Punkt an dieser Stelle jetzt nochmal besonders hervorheben, dazu gehört bei Edwards auch soziale Verantwortung für die ganze Gesellschaft. Das spielt für Edwards eine große Rolle. Er sagt, es gibt Gläubige, die haben nur ihr privates Wohl im Blick und die sind bereit, auch privat mal von eins zu eins jemand Gutes zu tun, das haben die in der Bibel irgendwie dann doch gemerkt, dass das nicht schaden könnte und so, aber für das große und ganze interessieren die sich nicht. Die machen so ihr Leben und ihre Gemeinde und Gemeinschaft und eins zu eins soll man auch nächstes Leben üben, aber ziehen sich raus aus alles, was irgendwie öffentlich oder politisch oder gesellschaftlich oder sonst wie relevant ist. Edwards sagt, es geht so gar nicht, Gottes Vision betrifft die ganze Welt, Gottes Vision betrifft nicht einzelne Seelen, Gott hat uns für die Gemeinschaft
geschaffen, natürlich für die Gemeinschaft im Kleinen der Familie, natürlich für die Gemeinschaft der christlichen Gemeinde, aber wir gucken immer auf das Ganze, wir gucken auf das Dorf, auf die Stadt, auf das Land, auf die Welt letztlich und wir wollen, dass auch das weltliche Leben, das öffentliche Leben geprägt ist von Gerechtigkeit und von Barmherzigkeit und von Liebe und er sagt, es ist ein völliger Fehler zu sagen, ja, aber wir müssen doch die Seelen der Menschen vor allen retten und so. Wenn uns die Leiber des Menschen egal sind, dann wird unser Eifer für ihre Seelen auch keinen gewinnen. Er verweist wieder auf Jesus, Jesus hat das Wort gepredigt und er hat geheilt, geholfen und getröstet und das macht er in einem Ausmaß, wo das ungefähr auf einem Level ist, das ist für Christen ganz entscheidend, soziale Verantwortung führt das Ganze zu tragen für Dorf, Stadt,
Welt und jetzt kann man sagen, ja, schön Edwards, aber gibt ja auch so viele Ungläubige. So und dann Edwards würde an der Stelle sagen, lieber Himmel, natürlich, Gott lässt doch seine Sonne regnen über Gute und Böse, über Fromme und Nicht-Fromme, natürlich müssen wir auch kooperieren mit Andersgläubigen und Ungläubigen, das ist doch selbstverständlich. So und Edwards macht das sehr intensiv, er schreibt im Alter ein Buch über Ethik und er war ein Bibelforscher, wie es nur sein kann, er schreibt aber ein ganzes Buch über Ethik, in dem er vollständig auf Bibelzitate verzichtet, vollständig auf biblische Sprache verzichtet, keine biblischen Begründungen bringt, sondern sagt, das was mir einleuchtet, das was ich in der Bibel erkenne, das möchte ich jetzt mal in einem ganzen Buch darstellen, so dass es jeder verstehen kann und es geht mir, ja, es geht um Ethik, es geht um gutes Leben, es geht um Gerechtigkeit, es geht um Liebe und er streitet mit manchen Positionen
in der aktuellen Philosophie, die findet er problematisch, da hat er das Gefühl, hier wird zu viel auf Eigeninteresse und Selbstsucht gesetzt, das spielt damals ja eine große Rolle, also Zeitgenossen, ich nenne nur mal den Namen Adam Smith und andere, in der ganzen angloamerikanischen Moralphilosophie gibt es einen starken Trend, wo das Eigeninteresse, die Selbstfürsorge zur Basis einer liberalen Gesellschaft gemacht wird, ganzer Kapitalismus fällt im Grunde auf die Idee gebaut, wenn jeder für sich sorgt, dann ist am Ende für alle gesorgt, weil eine unsichtbare Hand dafür sorgen wird, dass die Selbstfürsorge sich Richtung Allgemeinwohl durchsetzen will, etwas hält da nichts von, er glaubt, dass die Verachtung der Liebe, der Fürsorge, der Nächstenliebe im Sozialen und Gesellschaftlichen der Gesellschaft nicht guttun wird und argumentiert dafür aber nicht mit Bibelzitaten, argumentiert vernünftig, er macht das, es gibt ein heutiges Stichwort dazu, öffentliche Theologie, so
dass er zweisprachig wird, er kann das biblisch erklären für seine Leute, er kann es philosophisch erklären für alle anderen, er ist im Grunde ein öffentlicher Theologe, der biblisch gegründet zweisprachig auch gesellschaftlich öffentlich sich ins Gespräch bringt und für das Ganze sich einsetzt für das Allgemeinwohl. Er denkt viele Fragen durch, zum Beispiel auch Patriotismus, er sagt, ja, Patriotismus ist etwas Natürliches, jeder Mensch hat eine natürliche Eigenliebe, jeder Mensch liebt seine eigene Familie, wir lieben die Menschen in unserer Hand, das ist gut und Patriotismus ist wie alle Eigenliebe sehr anfällig für Überhöhungen, ist anfällig dafür, dass wir uns besser finden als die anderen, dass wir über die anderen denken als Gegner, als Feinde, dass wir Konkurrenz gut sprechen, dass wir im Grunde einen kollektiven Egoismus pflegen, wo wir unsere Eigeninteressen höher bewerten als die der anderen.
Das ist für Edwards völlig unbiblisch, er sagt, Patriotismus, da muss man aufpassen, für Christen muss doch völlig klar sein, dass Patriotismus in einem gewissen Maß etwas Natürliches ist, was gefährdet ist und unsere eigentliche Heimat, unser eigentliches Vaterland ist Gotteswelt, insofern müssen wir doch an dieser Stelle wahnsinnig aufpassen, wir leben, denken, glauben, beten für alle Menschen, unabhängig von ihrer Nation, wir können uns doch nicht in patriotistische Konkurrenzkämpfe verwickeln lassen als Christen, das wäre völlig absurd, es würde alles dem widersprechen, was wir in der Bibel lesen, nicht das eigene Wohlsuchen, sondern dass der anderen, vor allem, dass der Armen, der Entrechteten, der Unglücklichen, der Ausgegrenzten, zu denen sind wir gesandt und diese Fürsorge für die Armen ist für ihn ganz wesentlich. Er glaubt auch, dass das auf staatlicher Ebene passieren muss, er glaubt, dass staatliche Einrichtungen Schule anbieten sollen, Gesundheit, Wohlfahrt, es gibt manche, die sagen, warum
das, das können ja alles die Christen machen, die Christen können ja spenden und geben, das kriegen wir doch alles hin. Da sagt er, ihr unterschätzt die Bosheit des menschlichen Herzens auch bei Gläubigen, auch die können von Geiz oder Missgunst oder sonst was ergriffen werden, das ist keine Lösung, wir müssen die gesellschaftliche Ordnung gerecht gestalten und nicht setzen auf das Wohlwollen der Christen, die gerade da sind, vielleicht sind die gerade nicht in Topform, vielleicht kriegen die auf einmal so egoistische Schübe und werden irgendwie komisch und sonderbar, darum können wir nicht auf das individuelle Wohlwollen einsteller setzen, wir brauchen gerechte Ordnung und Strukturen für die Allgemeinheit. Ich bin am Ende und das, was heute als evangelikal wahrgenommen wird, vielleicht hat es der ein oder andere gemerkt, ist nicht immer so ganz in den Spuren und Bahnen von Jonathan Edwards.
Ich möchte das jetzt nicht auswöhnlich ausführen, aber das, was heute so in den Medien vorkommt, die religiöse Rechte und ihre politischen Optionen, ist ja in mehr als einer Hinsicht anders orientiert als das, was Edwards hier geprägt hat. Der Evangelikalismus, der heute öffentlich wahrgenommen wird, ist sehr stark dominiert von weißen westlichen Männern, die einen Kulturkampf führen gegen alles, was sie für liberal und links halten und für die Mehrheit ist ausgemacht, dass die auch alle Evolutionslehre ablehnen, für eine antikristliche Verschwörung halten, genauso wie die Idee des Klimawandels, genauso wie sie sozialstaatliche Ansätze für kulturmarxistische Verführung halten. Das ist es, was heute teilweise laut wird und auch stark wahrgenommen wird. Von Edwards her kann man nichts anderes sagen, als dass das im Grunde eine traurige Verfallserscheinung dessen ist, was evangelikal auch mal war.
Evangelikal bei Edwards, das war eine Bewegung, wo Menschen Jesus Christus und die Liebe Gottes zum Zentrum ihres Lebens machen. Und das war eine Richtung, in der der Glaube an Christus nicht im Gegensatz stand zum offenem, lebendigen Dialog mit den Wissenschaften der eigenen Zeit. Das war eine Bewegung, wo der Einsatz und das Zeugnis für die Gemeinde und Christus nicht im Gegensatz steht zu sozialer Gerechtigkeit auf allen Ebenen der Gesellschaft. Ich glaube, es ist eine spannende Frage, wie es weitergeht, denn der Evangelikalismus, der heute laut ist und stark wahrgenommen wird, ist ja längst nicht der einzige. Ich würde sogar sagen, die Mehrheit ist nicht in diesem Sinne weiß und westlich und männlich. Evangelikal im weiteren Sinne sind heute weltweit viele Bewegungen, die weitaus anders sind, als das, wovor man heute mit Recht manchmal das Geruseln bekommt und könnte von Edwards
auch sich anregen lassen und enorm profitieren, dass es eine andere evangelikale Bewegung geben könnte, als das, was heute in den Medien sich zeigt und gezeigt wird. Ob es dazu kommt, warten wir es ab. Edwards kann auf jeden Fall ein sehr interessanter Gesprächspartner für alle Lager sein. Vielen herzlichen Dank.
Jonathan Edwards – Der amerikanische Theologe | 9.8.1
Jonathan Edwards ist der bedeutendste evangelikale Theologe der Kirchengeschichte.
Evangelikal? Wenn Sie dieses Wort hören, werden Sie dann nervös? Genervt? Aggressiv? Kann passieren. Thorsten Dietz erklärt deswegen erst einmal, was »evangelikal« bedeutet, wo der Begriff herkommt und warum er manchmal so einen schlechten Ruf hat. Genauso erklärt Dietz, was Theologie eigentlich bedeutet und was sie tatsächlich mit dem Glauben an Gott zu tun hat.
Über Jonathan Edwards, diesen bedeutenden evangelikalen Theologen, spricht Dietz aber auch noch. Und dann ist auch bald klar, warum er in der Kirchengeschichte so wichtig ist, wie Gefühle und Glaube zusammen passen und was das alles eigentlich mit Star Wars zu tun hat.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Klassiker der Theologie«.