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Die Frage der Lebensaufgabe Obwohl Jesus enorme Konflikte in seiner eigenen Familie hatte, mit seiner eigenen Mutter und seinen Brüdern, ging er an seine Lebensaufgabe nicht jetzt als Einzelgänger heran. Aber seine Familie, seine Verwandtschaftsbande spielten in seinem öffentlichen Auftreten keine Rolle. Jesus hatte mit anderen Frauen viele wichtige Kontakte, aber beim öffentlichen Auftreten nicht mit seiner eigenen Familie. Obwohl er in gewisser Hinsicht eine Trennung von seiner eigenen Familie durchlebte, ging er nicht an seine Aufgabe als Einzelgänger heran. Er berief Schülerinnen und Schüler.

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Zunächst mal zu dem Phänomen Einzelgänger. Es gibt in der Weltgeschichte immer wieder Genies, die aber Einzelgänger sind. Hochgebildete Extrem, hochgebildete Leute, die aber ihr Denken, ihre Einsicht nicht mehr an die breite Masse vermitteln können. Ich wohnte mal in einem Haus, hatte mehrere Parteien. Und in der Waschküche traf man sich. Da war eine gemeinsame Waschküche, wo man die Wäsche so an verschiedenen Wäscheleinen aufhängen konnte. Und da war ein Mitbewohner, der habilitierte an der Universität Stuttgart in theoretischer Physik. Erst heute Professor für theoretische Physik. Damals habilitierte er. Und da habe ich mal zu ihm gesagt, Erwin, ich weiß nicht mehr, wie er heißt, Erwin, kannst du mir mal so als Laie in einfachen Worten sagen,

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worüber du habilitierst? Da sagte er, Siggi, nein, das kann ich nicht. Das kapierst du sowieso nicht. Also ich habe gesagt, probier's doch mal. Da sagte er, Siggi, glaub mir, es geht nicht. Ich habe es ihm auch geglaubt. Er war ein ganz bescheidener, das war nicht arrogant. Er war eher traurig. Er konnte das nicht mehr vermitteln. Der spielte in einer Champions League, wo dann kannst du einfach nicht mehr an die breite Bevölkerung vermitteln. Ich wohnte mal in einer Stadt und im Nachbarhaus war ein extrem begabter Pianist mit 14 Jahren. Ich weiß nicht, der ist sicher heute auch Konzertpianist. Der hat schon mit 14 also schwindelerregend gut gespielt, aber er war irgendwie kontaktgestört. Er kam heim von der Schule gleich ans Klavier. Man sah ihn selten, ein bisschen blass, ein bisschen abgedreht.

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Also seine Genialität ging auf Kosten der Geselligkeit. Es war bei Jesus nicht so. Jesus hatte viel Zeit für seine Schüler und Schülerinnen. Und er legte größten Wert auf diese Zeit. Er hat also enorm investiert sozusagen. Und er ist mit ihnen Woche für Woche, Monat für Monat gewandert, Tag und Nacht, mit Frauen und Männern. Also ich als Professor 20 Jahre lang habe auch sehr intensiven Kontakt zu meinen Studenten und Studentinnen gehabt, oft in der Kneipe, oft bei ihren Partys dabei, viele Einzelgespräche. Also ich habe schon eine grosse Nähe zu den Studierenden gehabt. Und trotzdem war ich dann wieder manchmal froh, wenn die PH hinter mir war. Zu viel Nähe hat mich dann auch angestrengt.

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Ich habe auch sehr viele Studienreisen gemacht in den Orient mit den Studierenden, meistens 16 Tage lang, acht Tage in Israel und acht Tage bei den Palästinensern. Am Schluss sagten mir die Studierenden, jetzt wissen wir gar nichts mehr. Und habe gesagt, so ist es richtig, jetzt fängt es an. Gut, und in diesen Studienreisen, morgens zusammen gefrühstückt und kurz vor Mitternacht miteinander eine Rotweinflasche geleert, kann man ja auch nicht mehr per Sie sein. Mit allen Studierenden, die auf solchen Reisen mit mir waren, bin ich mit allen per Du. Also ist eine große Nähe entstanden, aber ich sag euch, ich war dann auch wieder froh, als ich daheim war. Also so ganz transparent wollte ich eigentlich vor den Studierenden auch nicht werden. So ein gläserner Mensch. Ich habe auch Seiten und Schwächen und Geheimnisse. Das brauchen die Studierenden nicht wissen.

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Wenn ich mich da aber vergleiche als ein sehr geselliger Prof an der PH mit Jesus, der war wirklich ein Messias zum Anfassen. Also der brauchte nicht diese Verstecke. Er ging oft an einen einsamen Ort und betete. Jesus hat nie eine Gebetsgemeinschaft mit seinen Jüngern gehabt. Nie. Gibt keine Stelle. Auch beim Vater Unser sagt er, wenn ihr betet, dann betet Vater unserem Himmel. Also man kann da nur sagen, Jesus selber hat das Vater Unser nicht gebetet. Also ich weiß nicht, ob er es wirklich nie, aber nach den Überlieferungen muss man zunächst mal annehmen, wenn ihr betet, dann betet bitte so. Wie hat Jesus gebetet? Er ging an einen einsamen Ort, heißt es auffallend oft, und betete. Also diesen Rückzug hatte er auch. Aber er, Monate, 16 Tage und war schon fix und fertig.

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Und manche rückten mir dann auch zu nah auf die Pelle nach 16 Tagen. Das war mir dann zu viel Annähe. Ganz durchschaubar wollte ich dann auch wieder nicht werden. Also jeder Prof braucht ein Verhältnis von Distanz und Nähe. Und da muss ich sagen, da staune ich sehr über meinen Herrn und Meister, welche Monate und jahrelange Nähe er seinen Schülern und Schülerinnen möglich gemacht hat. Das ist beachtlich. Das bewundere ich, dass er das konnte. Gut, das nur als eine kleine Eingangsüberlegung. Also Jesus berief Schüler und Schülerinnen und der Umgang Jesu mit seinen Schülern und Schülerinnen oder Jüngern und Jüngerinnen

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zeigt sehr viel über ihn und über seinen Anspruch. Und deswegen verdient eine Darstellung des öffentlichen Wirken Jesu, verdient es, dass man diesem Aspekt, der Umgang Jesu mit seinen Schülern und Schülerinnen, dass man diesem Aspekt sorgfältige Aufmerksamkeit schenkt. Der Umgang Jesu mit seinen Schülern und Schülerinnen enthält so viel Neues, dass man sich diesem Phänomen nur schrittweise nähern kann. Man kann sich diesen Sachverhalt nur schrittweise klarmachen. Ich will mal in einem ersten Punkt einen Vergleich anstellen zwischen Jesus und seinen Schülern und Schülerinnen und den damaligen jüdischen Rabbinen, den Lehrern der Heiligen Schrift.

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Die hatten in aller Regel auch Schüler, allerdings keine Schülerinnen, sie hatten nur Schüler. Und auch sonst in der Antike gibt es sehr viele philosophische Schulen, die auch Schüler haben. Bei Schüler müsst ihr jetzt nicht unsere heutigen Schulverhältnisse vor Augen haben. Schüler in der Antike sind immer Erwachsene. Also das sind philosophische oder religiöse oder eben jüdisch-theologische Lehrer, die junge Männer als Schüler haben, 18, 20, so irgendwie in dem Bereich. Kann auch älter sein, gell? Also ihr dürft jetzt nicht an acht- oder zwölfjährige Schüler denken. Also ich möchte mal einen Vergleich machen zwischen Jesus und den damaligen jüdischen Lehrern der Heiligen Schrift. Ich sage bewusst nicht mehr Schriftgelehrte, weil allein der Begriff Schriftgelehrte ist so automatisiert, da rattern in fünf Sekunden 200 christliche Vorurteile.

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Allein mit dem Begriff Schriftgelehrter verbindet sich unbewusst, halbbewusst, dagegen könnt ihr euch gar nicht wehren, das steckt in der christlichen Tradition drin, ist sofort irgendwie negativ. Also wir müssen auch sprachlich aus diesen alten Biotopen rausfinden und die Worte neu wählen, damit auch neue Assoziationen entstehen können. Und deswegen sagt bitte nicht mehr Schriftgelehrte, sondern sagt Lehrer der Heiligen Schrift. Da seid ihr sofort offener. Also ich mache einen Vergleich zwischen Jesus, der war ja auch Lehrer, ich war auch Lehrer, also Jesus ist auch beruflich gesehen ein Kollege von mir und es gab eben auch andere jüdische Lehrer der Heiligen Schrift. Die wurden mit Rabbi angeredet. Jesus wurde sehr oft mit Rabbi angeredet und er hat diese Anrede akzeptiert. Damit ist auch Jesus ein Lehrer der Heiligen Schrift.

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Zur Zeit Jesu war der Titel Rabbi noch nicht geschützt. 200, 300 Jahre später wurde er geschützt und dann konnte man nur noch Rabbi zu einem erwachsenen Mann sagen, der eine ganz bestimmte geregelte Ausbildung hinter sich hat und einen Examen gemacht hat, eine Prüfung und der war dann Rabbi. Zur Zeit Jesu war der Begriff Rabbi noch nicht geschützt. Man konnte theoretisch und auch praktisch jedem erwachsenen jüdischen Mann, der einen guten Ruf hatte und von dem man merkte, der kennt sich also verblüffend in der Heiligen Schrift aus, den konnte man mit Rabbi anreden, unabhängig ob der jetzt eine bestimmte Ausbildung durchlaufen hat. Und deswegen konnte man zur Zeit Jesu zu Jesus noch Rabbi sagen und Jesus hat das akzeptiert. Also ist dieser Vergleich ja auch irgendwie berechtigt.

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Jesus und seine Schüler und Schülerinnen und damalige jüdische Rabbinen und ihre Schüler. Diesen Vergleich, mit Hilfe dieses Vergleiches möchte ich mal eine erste Orientierung versuchen. Ich mache diesen Vergleich unter vier Gesichtspunkten. Das Zustandekommen der Schülerschaft, das Ziel der Ausbildung, der Inhalt der Ausbildung und die Methoden der Ausbildung. Unter diesen vier Gesichtspunkten roppe ich mich jetzt mal schrittweise an ein tiefes, unergründliches Phänomen heran. Wie kam die Schülerschaft bei einem jüdischen Lehrer der Heiligen Schrift zustande? Ja, jeder jüdische erwachsene Mann hatte das Recht, das ausdrückliche Recht, seine Lehrer zu wählen. Sie meldeten sich bei einem Rabbi an, das überlegten sie sich vorher und dann gingen sie hin und fragten diesen Rabbi,

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wenn es ein sehr berühmter Rabbi war, dann war das gar nicht so selbstverständlich. Der konnte nicht mehr alle Schüler annehmen und so weiter. Also man konnte sich den Lehrer aussuchen. Man ging zu ihm hin und meldete sich an und fragte ihn. Das war bei Jesus anders. Jesus wartete gar nicht, ob sich und wer sich bei ihm als Schüler mal anmeldet. Das hat er nicht gemacht, sondern er hat sich seine Schüler gewählt. Und das war vollkommen neu. Es hat noch nie jemand gemacht. Nicht der Schüler wählt sich den Lehrer, sondern der Lehrer wählt sich seine Schüler. Einmalig, völlig neu. Muss man sich aufgrund von echten Forschungen mal bewusst machen. Ist alles eine Frage der Bildung. Dann das Ziel der Ausbildung.

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Jeder jüdische Mann, der sich bei einem Rabbi anmeldete, hatte ein klares Ziel. Er will selber Rabbi werden. Er will eine Ausbildung durchlaufen, sich eine gewisse exegetische Kenntnis der Thora, der Heiligen Schrift aneignen, aber auch der sonstigen rabbinischen Überlieferungen, die auch zum Teil mündlich waren. Das war auch alles Lerninhalt. Er will eine Ausbildung durchlaufen, einen gewissen Abschluss machen, einen gewissen Stand erreichen. Und dann ist er selber Rabbi. Das war in allen Fällen so. Es war bei Jesus nicht so. Jesus hat seinen Schülern deutlich gemacht, dass er ihr einziger Rabbi ist und bleiben wird. Viele Rabbinen haben empfohlen, wechsle auch mal im Laufe der Ausbildung den Lehrer, so wie wenn man studiert, die Uni Tübingen, dann Heidelberg, dann Münster und dann mal wieder in Tübingen. Vielleicht auch ein Auslandssemester in Cambridge oder so. Also wechsle mal die Orte, wechsle den Lehrer.

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Nein, Jesus hat seinen Schülern gesagt, ich bin euer Rabbi und ich bin euer einziger Rabbi. Und ich werde immer euer Rabbi sein. Ihr sollt euch niemals Rabbi nennen oder auch nur nennen lassen. Sollt ihr nicht. Es gibt einen Satz Jesu. Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen. Ich bin euer Rabbi. Also das ist merkwürdig. Warum sagt es Jesus? Er war offensichtlich der Meinung, dass es bei seinem Schüler, Schülerschaft, bei seiner Art Ausbildung nicht um etwas geht, was man bei diesem oder jenem Lehrer lernen kann und wo man dann mal einen gewissen Stand erreicht hat. Und da ist man selbstständig. Aus irgendeinem Grund war Jesus nicht dieser Meinung. Merkwürdig. Und was hatte er für ein Ziel?

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Ja, das kann man indirekt. Jesus hat nie gesagt Leute, das Ziel meiner Ausbildung ist folgendes. Aber man kann es indirekt, kann man das schon deutlich erkennen? Das Ziel in der Ausbildung Jesu war nicht irgendein, auf den Inhalt komme ich noch. Das Ziel, man sagt ja auch in der Didaktik, das Primat der Lernziele. Von den Zielen her findet man die Inhalte und die Methoden. Also die Inhalte müssen zu den Zielen passen und die Methoden auch. Und du kannst den gleichen Inhalt unterrichten, aber mit einem ganz anderen Ziel. Deswegen ist das Ziel erst mal entscheidend. Also deswegen beginne ich mit dem Ziel der Ausbildung. Ja, also bei Jesus kann man sagen, das Ziel seiner Ausbildung war, dass seine Schüler und Schülerinnen mitarbeiten an seiner Lebensaufgabe. Er integriert sie in seine Lebensaufgabe und sie kriegen auch, das heißt die Vollmacht,

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sagen wir mal einfach die Kraft an dieser Lebensaufgabe mitzuwirken. Also das Ziel hängt ganz eng mit seiner Person zusammen. Ist nicht Thorakkenntnis. Also und mit diesem merkwürdigen Ziel, das sehr anders ist, ändern sich auch die Inhalte. Falls euch das mal in 30 Jahren Bibellesen aufgefallen ist, es kommt ja nicht auf die Menge des Bibellesens an, diese reine Stoffhuberei, sondern lest ihr auch aufmerksam, kreativ, querdenkerisch. Lest ihr auch die Bibel gegen euch, macht ihr auch verblüffende Entdeckungen. Nicht sagen, ich mache jeden Tag meine Bibellese. Dann kannst du die Bibel pfundweise reintrichtern und hast immer noch, siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ist euch eigentlich mal aufgefallen, dass Jesus nie zusammen mit seinen Schülern Bibellese macht? Der hockt nie irgendwo hin und sagt, Leute, jetzt machen wir mal Bibellese.

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Jetzt studieren wir mal in der Heiligen Schrift. Gibt es keine einzige Stelle. Ist schon irgendwie sehr komisch. Muss aber einmal so unkonventionell auffallen. Diese Verharmlosungsbrillen, die wir aufhaben, und diese Gewohnheitsbrillen verhindern ja kreative, entdeckendes Lernen. Es gibt Leute, die lesen 50 Jahre in der Bibel und haben aber eigentlich ihren Röhrenblick. Also der Inhalt in der Rabbinenausbildung war vor allem die Thora. Die Kenntnis der Thora und die Auslegung der Thora gibt dem Berufsstand der Rabbinen, der Lehrer der Heiligen Schrift ihre Autorität. Und da wurde auch wirklich, auch nach gewissen Methoden, wurde die Thora studiert. Und dann aber auch die großen Thora-Auslegungen der großen Lehrer,

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in die wurde auch eingeführt und in die mündliche Tradition. Das war der Inhalt der Ausbildung. Das spielt offensichtlich, soweit die Überlieferung es eben bewusst betont, keine Rolle. Ich will damit nicht sagen, dass Jesus tatsächlich niemals mit seinen Schülern der Heiligen Schrift gelesen hat. Das kann durchaus sein. Das weiß kein Mensch. Aber es gilt nach den Evangelien als unwichtig. Es wurde nicht für nötig befunden, darüber einen Satz zu verlieren. Also die Darstellung Jesu, setzte da Akzente, dieser ganze Inhalt spielt bei Jesus jetzt für das, was uns wichtig ist, keine Rolle. Sondern der Inhalt der Ausbildung Jesu war seine Lebensaufgabe, nämlich das Reich Gottes zu verkündigen, dass das Reich Gottes jetzt im Kommen ist. Es bricht an. Die Dämonen fliehen schon. Und da kann man merken, das Reich Gottes kommt. Denn wenn das Reich Gottes kommt, dann fliehen die Dämonen.

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Also der Inhalt war die Lebensaufgabe Jesu, nämlich das Kommen des Reiches Gottes, die endgültige Wendung zum Guten zu verkündigen. Denn das Reich Gottes ist etwas durch und durch Gutes. Es bringt nicht nur noch mehr Verletzungen in der verletzten Welt, sondern es heilt die Wunden in der verletzten Welt. Also das Reich Gottes ist die endgültige große Wende zum Guten. Und das zu verkündigen, ist die Lebensaufgabe Jesu. Und man merkt bei dieser Lebensaufgabe, dass das Kommen des Reiches Gottes mit seiner Person eng zusammenhängt. Also was sind die Methoden der Ausbildung? In der rabbinischen Ausbildung gab es nicht im modernen Sinn schulische Methoden. Aber es gab durchaus einen stufengemäßen Aufbau. Man fing mit dem Elementaren, dem Grundlegenden an.

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Was klafft, geht dann später in die Theorie des Elementaren und des Fundamentalen. Das ist ja eine unheimliche Begabung herauszufinden, was ist elementar und fundamental. Und das andere kann man da darauf aufbauen. Und so einen Stufenaufbau gibt es schon bei den Rabbinen. Der war didaktisch sehr weise, tief durchdacht. Und bei den Rabbinen spielte auch bestimmte Memoriertechniken eine bedeutende Rolle. Alles das findet man bei Jesus gar nicht. Also ich fasse mal, es war jetzt sehr rasch, holzschnittartig, aber es bringt zu einem gewissen ersten Überblick Unterschiede auf allen Ebenen. Jetzt, wenn Jesus als erster Rabbi seine Schüler wählte, dann kitzelt das eine zweite Frage, eine weiterführende Frage hervor,

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die es bei den anderen Rabbinen gar nicht geben kann. Nämlich, welche Schüler hat er sich denn ausgewählt? Die Frage stellt sich jetzt. Wie ist die soziologische Zusammensetzung der Schülerschaft Jesu? Weil die hat ja er initiiert. Da muss man mal überlegen, was initiiert er denn da? Also achten wir mal sehr bewusst darauf, findet sich in der Auswahl der Schüler deutliche Akzentsetzungen. Ja, unbedingt, verblüffende. Der größte Unterschied, sensationell, er berief auch Frauen. Allerdings, die Evangelisten sind Männer und damalige Männer sind Patriarchen und Machos, auch Matthäus und Markus. Wir wissen ja nicht, wer die Evangelien geschrieben hat.

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Die Überschrift Matthäus, Lukas, Markus, Johannes, das kam erst später durch die Kirche. Die Evangelien haben gar keine Überschrift. Die Schreiber der Evangelien sind unbekannt und sie wollten es bewusst bleiben. Alle Ehre Jesu. Und sie selber wollten gar nicht genannt werden. Aber die alte Kirche hat das nicht ausgehalten. Die hatte ein ungeheures Bedürfnis. Das ist von dem geschrieben und das ist von dem geschrieben. Dieses ungeheure Bedürfnis muss man mal kritisch prüfen. Was steckt da eigentlich dahinter? Ihr müsst nur wissen, die Überschrift der Evangelien gehört nicht zur Heiligen Schrift. Also die Begriffe Matthäus, Lukas, Markus, Johannes verwenden wir halt in der wissenschaftlichen Theologie. Aber es ist allgemeiner Konsens in der Universitätstheologie. Und das ist für mich jetzt die wissenschaftliche Theologie. Wir verwenden die Namen eben als Schiffren.

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Aber die wahren Schreiber sind völlig anonym und unbekannt. Also die Akzente, wer wählte es denn aus? Wen wählte Jesus denn aus? Am aller auffallendsten ist, Jesus hat auch Frauen als Schülerinnen gehabt. Das hat es noch nie gegeben. Also auch jüdisch. Da verkleidet sich im 19. Jahrhundert in Russland eine Frau als Mann, weil sie versucht, in die Ausbildung eines Rabbiners reinzukommen durch Verkleidung. Weil das im 19. Jahrhundert noch völlig undenkbar war. Frauen sind ja auch alle Analphabeten. Wie wollen denn die? Thora-Studium auf hohem Niveau. Es war unter jüdischen Rabbinen, da muss man auch vorsichtig sein, keine Pauschalurteile. Es gab sehr verschiedene Rabbinen. Aber viele Rabbinen haben immer wieder mal diskutiert, lohnt es sich überhaupt, also Thora-Studium ist ja völlig undenkbar,

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aber lohnt es sich überhaupt irgendwie Zeit, in Bildungsaktivitäten einer Frau zu investieren. Also das wurde eher negativ gesehen, das lohnt sich nicht. Aber es gab wirklich Rabbinen und auch Väter, die ihren eigenen Töchtern privat Lesen und Schreiben beibrachten. Weil sie merken, oh meine Tochter, die ist ja eigentlich begabter wie meine Söhne. Also solche Entdeckungen gab es schon in der Antike. Also es gab Väter, die da wirklich aus der Rolle gefallen sind. Halleluja. Aber im Allgemeinen, es lohnt sich nicht besonders irgendwie, Frauen, die haben Küche, Kochtopf und Kinder und die hatten ja auch 10, 15, 18 Kinder, die waren hauptberuflich schwanger. Wie kann sie dann hauptberuflich Thora studieren? Das geht ja gar nicht. Ja, also auch in den synoptischen Evangelien und bei Johannes, also ich sage jetzt mal die Schiffren Matthäus, Lukas, Markus, das sind halt auch Männer.

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Die Evangelienschreiber waren auch Männer. Und man merkt, dass die Evangelien durch die Männerbrille geschrieben ist. Die Bibel ist eben, so ist es halt, man kann schon sagen, leider, aber die Bibel ist von Männern für Männer geschrieben. Selbst die Frauengestalten in der Bibel sind von Männern stilisierte Frauengestalten. Wie diese Frauengestalten ausgesehen hätten, wenn sie von Frauen geschrieben worden wären, ja, das wissen wir nicht. Und wie eine Bibel aussehen würde, die von Frauen für Frauen geschrieben worden wäre, das kann man nicht mal ahnen. Also, dass Jesus auch Jüngerinnen berufen hat, berichten diese Macho-Evangelisten nicht, weil sie sind ja selber Männer. Aber es unterlaufen ihnen ein paar Fehler. Markus unterläuft an einer Stelle einen unangenehmen Fehler

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und dadurch merken wir, dass Jesus Jüngerinnen hatte. Und zwar, Britta wird euch mal zwei Stellen vorlesen, hört sie euch mal sehr aufmerksam an. Die eine Stelle ist Markus 15, 40 bis 41, da unterläuft Markus irgendwie aus Versehen was. Und die andere Stelle, die ist bewusst Dorn, weil Lukas ist erstaunlich frauenfreundlich. Lukas bringt eine Stelle, die nur Lukas bringt, niemand anders. Die ist in Markus und Matthäus undenkbar. Und das ist Lukas 8, 1 bis 3. Ich habe die Stelle mal auswendig in meinem Kirchengemeinderat zitiert. Da sagt ein frommer Kirchengemeinderat, das steht nicht in der Bibel. Dann reiche ich ihm die Bibel und dann war er ruhig. Aber die Stellen muss man halt aufgrund einer bestimmten Lesehaltung,

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muss man die finden und nach vorne rufen. Also Markus 15, 40 bis 41. Ich bin mal interessant. Ich finde interessant, wie diese Bibel, das ist die alte Züricher Bibel. Die ist aber in der Regel etwas genauer wie Luther. Aber ich habe das vorher nicht gelesen. Ich bin jetzt mal gespannt, wie die Züricher Bibel das übersetzt. Also Markus 15, 40 bis 41. Es sahen aber auch Frauen von Ferne zu, unter ihnen auch Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus, dem Jüngern und von Joses und Salome, die ihm, als er in Galiläa war, folgten und dienten und viele andere, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren. Lies es mal nochmal. Ich halte dich dann an. Die Übersetzung ist relativ gut, aber sie ist nicht wirklich genau. Und man merkt, dass der, der diesen Vers übersetzt hat in der Bibelanstalt,

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nicht geblickt hat, um was es geht. Das ist halt das Dilemma. Es sahen aber auch Frauen von Ferne zu. Gemeint ist bei der Kreuzigung und dann bei der Grablegung Jesu, Männer sahen da nicht von Ferne zu, die sind alle abgehauen. Es gab nur Frauen und jetzt muss Markus auf Frauen zu sprechen kommen. Jetzt, kurz vorm Ende des Evangeliums. Unter ihnen auch Maria aus Magdala und Maria, die Mutter von Jakobus, dem Jüngern und von Joses und Salome, die ihm, als er in Galiläa war, folgten und dienten und viele andere, die mit ihm nach Jerusalem hinaufgezogen waren. Sag nochmal nach diesen vier Namen. Lies noch ganz langsam. Und Salome und jetzt. Die ihm, als er in Galiläa war. Das ist schon ein bisschen abgeschwächt. Und jetzt weiter. Folgten und dienten.

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Nein, das heißt nachfolgten. Und das Wort nachfolgen ist ein terminus technicus acolluein, der in allen Evangelien eine präzise, das ist ein präziser Fachbegriff, das ist die Nachfolge Jesu, ihm nachfolgten. Und man muss sinngemäß sagen, die ihm die ganze Zeit, als er in Galiläa war, acolluein, nachfolgen, die waren voll in der Nachfolge. Und das ist ein Schüler, eine Schülerin. Dankeschön, bleib mal da. Jetzt möchte ich auch doch sagen, lieber Anonymus, lieber Evangelien Schreiber des zweiten Evangeliums. Wenn diese vier Frauen, die du sogar erstaunlicherweise namentlich nennst, ist auch eine verheiratete Frau drunter? Wow, monatelange Wanderschaft mit Männern. Es sind also verheiratete und unverheiratete Frauen. Wow, kann man da nur sagen.

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Das ist ja, das geht doch nicht. Und jetzt heißt es, die ihm die ganze Zeit in Galiläa nachgefolgt sind. Ja, lieber Evangelien Schreiber, warum schreibst du das denn vorher nicht? Kein Wort vorher. Aber jetzt, wo die Männer weg sind, jetzt muss er sagen, da stehen Frauen ferne und das sind nicht irgendwelche Frauen, das sind Frauen, die ihm die ganze öffentliche Wirksamkeit auf seinen monatelangen Wanderungen die ganze Zeit als Nachfolgerinnen nachgefolgt sind. Acolluein. Also hatte Jesus Schülerinnen, weil so ein Satz, den erfindet kein Mensch, vor allem kein Mann, Markus bringt ihn so spät es geht, wenn er nicht mehr anders kann. Und da merkt man, welche Männerklubsch Augen selbst dieser Evangelien Schreiber hat. So, aber Lukas ist da ein bisschen sensibler.

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Da gibt es also eine Stelle, hört sie euch mal an, Lukas 8, 1 bis 3. So was steht nicht in der Bibel. Und es begab sich bald darauf, dass er Städte und Dörfer durchwanderte, indem er predigte und das Evangelium vom reiche Gottes verkündigte und die zwölf begleiteten ihn. Und einige Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten geheilt worden waren, Maria genannt, die aus Magdala, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren und einige Frauen, die von bösen Geistern und Krankheiten aus der sieben Dämonen ausgefahren waren und Johanna, die Frau des Husa, eines Beamten des Herodes und Susanna und viele andere, die mit ihrem Vermögen für sie sorgten. Also hier ist wirklich, ist eine Ungeheuerlichkeit, die niemand erklären kann. Johanna, die Frau, wieder verheiratet des Husa. Wir kennen den Husa aus anderen Quellen.

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Das war ein sehr hoher Ministerialabteilungsleiter oder Ministerialdirigent, würden wir heute sagen, Ministerialdirektor oder Staatssekretär. Also möchte ich euch mal darauf aufmerksam machen. Jesus wanderte durch die Dörfer und Ort in Galiläa. Es begleitete ihn die Ehefrau von einem ranghohen ministerialeitenden Beamten am herodianischen Hof. Die zog als Ehefrau mit Jesus durch die Lande. Da steckt eine Geschichte dahinter. Gut, also so was steht doch nicht, doch, steht in der Bibel. Also, und die ihm nachfolgten und ihm auch Handreichung taten, es waren auch vermögende Frauen, also mal hart formuliert, Jesus hat sich von Frauen aushalten lassen. Steht in der Bibel. Also ich bin unschuldig. Ich kann nichts dafür. Also, welche Schüler wählte Jesus? Ja, verdammt nochmal, er wählte auch Frauen.

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Das gab es noch nie. Heute schon, heute schon. Im Reformjudentum und auch im konservativen Judentum gibt es inzwischen Rabbinerinnen, auch in Deutschland. Es wird sogar im orthodoxen Judentum, da gibt es bis jetzt noch keine Rabbinerinnen meines Wissens, sie sind aber im Begriff, es wird im orthodoxen Judentum eher Rabbinerinnen geben als in der katholischen Kirche Priesterinnen. Aber im Reformjudentum und im konservativen Judentum, konservativ ist hier sehr progressiv, weil das ist progressiver wie orthodoxes Judentum, die konnten sich damals nur konservativ nennen, weil alles andere wäre sowieso gar nicht gegangen. Aber konservativ war eine Alternative zu orthodox. Also im Reformjudentum und im konservativen Judentum gibt es heute viele Rabbinerinnen, auch einige in Deutschland. Also aber das 20. Jahrhundert. Jesus berief auch Frauen.

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Oder denkt mal an die Stelle, Jesus ging zu Martha und Maria ins Haus, das macht man übrigens auch nicht. Ein einzelner Mann kann nicht in ein Haus gehen, wo zwei Frauen leben, das gehört sich nicht. Da war Jesus unbeschwert. Jesus hatte auch keine Angst vor der weiblichen Sexualität. Diese ganzen skrupulösen Regeln über Erotik und Sexualität, die in der Rabbinenausbildung eine Rolle gespielt haben, wie oft im Jahr und wie lange und welche Stellung, findet sich bei Jesus nicht. Offensichtlich war ihm das nicht so wichtig. Im Kapitalismus betont man ja der freie Markt. Aber die Erotik wurde immer genau kanalisiert in der Kirche. Und der Heilige Geist auch, da braucht man Ämter, Papst, Bischof.

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Der Heilige Geist ist so ein chaotisch unsicherer Geselle. Das muss man kanalisieren, regeln, da muss man Ämtersysteme herarchieren, damit der Heilige Geist pro Amt kanalisiert ist. Und die Erotik muss man zugleisten mit irgendwelchen Regeln. Aber das Geld und der Markt, die muss man freilassen. Stellt euch mal die Christenheit der Zukunft vor. Erotik braucht freien Spielraum. Der Heilige Geist braucht freien Raum. Aber die Geldgier muss man genau kontrollieren. Und die Machtgier, stellen wir vor, wir würden das rumdrehen. Also, Jesus zog mit Männern und unverheirateten und verheirateten Frauen durch die Lande, übernachtete, wochenlang, monatelang, ohne Angstregeln, getrennte Räume. Was könnte man jetzt alles für ein Netz von Vorsichtsmaß regeln?

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Das findet sich bei Jesus null. Es findet sich bei Jesus kein ängstliches Wort über die weibliche Erotik. Und es finden sich keine Aufpassregeln für die Wanderschaft von Männern und Frauen. Finde ich persönlich gut. Naja, also es gibt aber bei der Zusammensetzung der Schülerschaft Jesu noch andere verblüffende Dinge. Also die Schüler, die bei den Rabbinen waren, vor allem die Schüler, die bei den hoch angesehenen Rabbinen waren, die kamen zu 90 Prozent und mehr aus der Oberschicht, aus den vornehmen Familien. Und wenn sie, sagen wir mal, auch mal aus der Mittelschicht kamen, Unterschicht kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, und wenn sie auch aus der Mittelschicht kamen, dann waren es religiös vorbildliche Familien. Und die Aufnahme in die Schülerschaft eines Rabbiners, das hat ein Familienfest nach sich gezogen, da waren die Familien stolz drauf.

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Jesus aber berief, soweit wir das in den Evangelien überliefert bekommen haben, alles andere können wir ja nur Rätsel raten, das mache ich nicht, da haben wir keine Zeit dazu, aber ich glaube, dass die Überlieferung, die Evangelien, sehr bewusst bestimmte Akzente setzen, und die will ich jetzt einfach mal nennen. Jesus berief einfache Menschen aus der Unterschicht, viele Fischer. Und diese Beispiele für männliche Berufungen, da gibt es keinen einzigen Text in diesen männlichen Evangelisten, wie Jesus Frauen berufen hat. Aber wenn er zum Beispiel zu einer blutenden Frau, die ist ja chronisch unrein, eine unberührbare, die eine Dauerregel hat, das gibt es auch heute durchaus. Ich habe schon mehrere Frauen zu mir gekommen, nachdem ich über die blutende Frau gepredigt habe, auch letztens in Stuttgart sind zwei Frauen zu mir gekommen und gesagt, Herr Zimmer, ich habe das Gleiche. Aber damals war das ja tabu, Menstruationsblut, da kommen ja gleich die Dämonen und so.

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Also auf jeden Fall kommt eine blutende Frau in eine Menschenmenge, Jesus war gerade unter Zeitdruck, weil ja Iris, der Synagogenvorsteher, hat gesagt, komm zu mir, meine Tochter liegt im Sterben. Dann hat Jesus gesagt, ich komme. Und jetzt geht er dorthin und eine Menschenmenge folgt ihm, jetzt kommt diese unberührbare, das ist ja ungeheure Frechheit, heilt sich durch die Menge, macht alle unrein. Und sagt sich, wenn ich nur von hinten, die hat sich gar nicht getraut von vorne, hätte sie vielleicht die Fassung verloren, die wollte eigentlich von hinten sein Gewand, das heißt, sein Umhang, das war sogar nur sein Umhang, nicht das Untergewand, wenn ich nur seinen Umhang berühre, werde ich bestimmt geheilt. Man hört sogar das Selbstgespräch. Jetzt kommt sie von hinten ran und will sich ihre Heilung wie ein Diebstahl holen, die wollte ihn berühren und dann abhauen. Jetzt berührt sie ihn und Jesus sagt, oh, da hat mich jemand berührt. Und dann sagen die Jünger, ja, sagen wir, spinnst du? Die betatschen dich doch alle und die bedrängen dich,

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du bist ja in einer aufgewühlten Menge und da sagst du, wer hat mich berührt? Die Elite-Truppe Jesu. Und dann sagt Jesus, lässt sich da gar nicht beirren und sagt, wer hat mich berührt? Die einzige Geschichte, wo Jesus jemand geheilt hat, wo er gar nicht weiß, wer das ist, er muss sich erkundigen, wen habe ich denn da geheilt? Und jetzt die Frau verliert ihre Fassung, die weiß ja das, und dann fällt sie vor ihm auf den Boden und dann heißt es, und sie sagte ihm die ganze Wahrheit. Man weiß heute tiefenpsychologisch, dass die Hauptursache dieser verletzten Seele eine starke, harte, gefühlsarme Vaterfigur ist, der alle der Vater, der das Weibliche mit Zoten und ironisch abwertet, also ein autoritärer, gewaltbereiter Vater, gefühlsarm, gefühlsgalt und eine schwache Mutter, eine Opferfrau, die sich nicht eignet als Identifikationsfigur.

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Das ist die Grundstattkonstellation, dass so eine Tochter gar nicht richtig Tochter werden kann. Die ist hin und her gerissen, man nennt es hysterische Ambivalenzen. Und wenn so eine junge Frau dann noch eine schwere Enttäuschung in Liebesdingen erlebt aktuell, dann kann das ausbrechen. Und die Frau sagt ihm die ganze Wahrheit, jetzt hätte ja Jesus toben können, ohne zu fragen, bringt sie ihn in die... der ist jetzt auch unrein, aber Jesus tobt kein bisschen und sagt, das hast du völlig richtig gemacht. Und er sagt zu dieser Frau, das ist die einzige Stelle, meine Tochter. Die Frau, die nie Tochter sein konnte, sagt Jesus, meine Tochter. Und damit, wir gehören zusammen, wir sind eng verbunden. Das ist der heile Wahnsinn. Also das könnte auch eine Berufungsgeschichte sein, aber die männlichen Jünger...

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Wir haben leider nur Berufungserzählungen von Männern. Mich würden aber die Berufungserzählungen der Frauen fünfmal mehr interessieren. Aber die Männerbrille der Evangelisten hat es verhindert. Sehr schade. Also Jesus hat einfache Menschen, das ist das zweite, Fischer zum Beispiel. Und da gibt es Berufungserzählungen, Petrus, Jakobus, Andreas, Johannes, die Zebedaiden, also wir haben Berufungserzählungen, das sind alles nur Männer und sind alles nur Fischer. Also das ist schon auffällig, Jesus hat einfache Schüler gewählt. Gut, dann ist aber noch was anderes sehr auffällig. Es gibt in der Jüngerschaft Jesu griechische Namen. Das hält sich ja im Kopf nicht aus, nämlich Andreas ist ein griechischer Name

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und Philippus, Philippus ist sogar ein griechischer hellenistischer Name hoch zwei, denn der Vater von Alexander dem Großen hieß Philippus. Also das ist ein betont hellenistischer Name. Und damals gaben natürlich nur solche jüdische Familien ihren Söhnen hellenistische Namen, mitten in Jerusalem oder Galiläa im Judentum, die gegenüber der hellenistischen Kultur sehr aufgeschlossen waren. Also da muss man ganz klar sagen, das sind liberale Familien, die sind hoch liberal. Weil die Namen in der Familie Jesu, seine Brüder, das sind alles nur Erzväternamen, alles nur biblische Namen, sogar nur aus der Vätererzählung. Das ist eine treue jüdische, biblische Tradition. Also Jesus kam ganz sicher aus einer Familie, die eine intensive jüdische Tradition lebte. Das merkt man immer an der Namensgebung. Namensgebungen sind öffentliche Bekenntnisse. Also Jesus hat, der hat ja seine Schüler gewählt,

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er hat bewusst Schüler aus liberalen Familien integriert. Das steht für was. Aber noch viel auffälliger, also unglaublich ist, Jesus hat in seine Schülerschaft einen Zöllner integriert, Levi, und einen Zeloten, Simon, der Zelot. Vielleicht war auch Judas ein Zelot, nämlich ein Sikarier, das ist die Radikalgruppe, das sind die Extremisten unter den Zeloten. Sikarier heißt Dolchmänner, die haben die Römer so abgestochen. Komm, wir gehen mal auf den Basar, wir stechen mal ein paar Römer ab. Das sind wirklich Meuchelmörder. Also wenn Judas Ischariot, das ist sehr schwer zu erklären,

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es gibt auch einen Ort, der so heißt, aber der wäre außerhalb von Galiläa. Alle anderen Jünger sind doch Galiläa. Und wenn Judas Ischariot aus dem Ort kommt, der wäre gar nicht in Galiläa. Aber Judas Ischariot kann heißen Judas der Sikarier, kann es auch heißen. Und dann wären sogar zwei Zeloten, und zwar ein Extremist in der Jüngerschaft Jesu. Also diese Frage muss man ein bisschen offen lassen. Aber Simon, der Zelot, heißt sehr ausdrücklich. Jetzt müsst ihr wissen, Zöllner und Zeloten waren absolute Todfeinde. Denn Zöllner sind ja Kollaborateure, die arbeiten mit der römischen Besatzungsmacht zusammen und verdienen sich da ihr Geld. Und sie galten allgemein als Leute, die den jüdischen Glauben verraten haben und das jüdische Volk verraten haben und mit den Feinden Israels mit der Besatzungsmacht zusammenarbeiten und da ihre Geschäfte machen und sich dann auch oft bereichern. Das sind die Zöllner. Die hatten ihren Ruf kaputt.

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Ein anständiger Jude will mit denen nichts zu tun haben. Aber die Zeloten waren Widerstandskämpfer gegen die Römer. Die Feindschaft zwischen Zöllnern und Zeloten galt im ganzen Judentum der damaligen Zeit als unüberbrückbar. Die haben sich ja gegenseitig als Verräter und Vernattiger abqualifiziert. Wie es Jesus gelungen ist, einen Zöllner und einen Zeloten in seine Jüngerschaft zu hufen und sie dort zu halten, ist bis heute ein komplettes Rätsel. Erfunden kann das nicht sein. Also hat Jesus eine Versöhnungsbereitschaft gehabt und eine versöhnende Kraft für möglich gehalten, dass sich auch Todfeinde finden können. Das ist unglaublich.

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Gut, so weit, wen hat Jesus berufen? Noch zwei weitere Fragen. Warum beruft Jesus überhaupt Jünger? Nicht unbedingt jeder Rabbiner hat Schüler gehabt, viele schon. Aber versuchen wir mal herauszubekommen, vor allem, wenn man jetzt diese merkwürdige soziologische Zusammensetzung, er beruft auch Frauen, er beruft auch bewusst Mitglieder liberaler Familien, die sich öffentlich zu ihrem Liberalismus bekannt haben per Namensgebung. Er beruft einfache Leute und er beruft Zöllner und Zeloten. Was will denn der Mann? Ja, dahinter muss eine Absicht stecken. Die können wir jetzt nur wissenschaftlich versuchen zu rekonstruieren, weil er sagt es nicht direkt. Er ist ein Mann voller Geheimnisse. Warum hat er das wohl gemacht? Ja, es spricht alles dafür und nichts dagegen, dass die Lebensaufgabe Jesu,

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nämlich die Verkündigung des Reiches Gottes, dass es jetzt zu wirken beginnt, dass Jesus das jüdische Volk bereit machen wollte für das Kommen des Reiches Gottes. Er wollte das jüdische Volk. Jesus wusste nicht, was Kirche ist. Jesus wollte keine Kirche gründen. Der weiß ja gar nicht, was das ist. Jesus war ein Jude und er blieb ein Jude und er starb als Jude. Und die Auferstehung Jesu haben nur jüdische Menschen bezeugt. Und im Pfingsten waren nur jüdische Menschen anwesend. Also Jesus war ein Jude und er lebte im Judentum wie der Fisch im Wasser. Wenn wir Jesus begegnen, begegnen wir dem Judentum. Wir können Jesus niemals zu einem Grund zu Anti-Judaismus machen. Das ist ja pervers. Also Jesus wollte sein jüdisches Volk erneuern von seiner Gotteserfahrung her und es so bereit machen für das Kommen des Reiches Gottes.

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Jesus hatte schon Begegnungen mit Ausländern und verblüffende Begegnungen, aber hat nie systematisch im Ausland gearbeitet. Ich bin gekommen zu den verlorenen Schafen Israels. Also Jesus hat sich ganz auf Israel konzentriert, hat deswegen Ausländer, wenn sie mit ihm Kontakt haben wollen, nicht abgelehnt, aber das war so auf einer anderen Ebene. Seine Strategie ist ganz konzentriert auf Israel. Als eine Syrophynizerin bei Jesus mal, da waren sie so an der Mittelmeerküste bei Dor, da so ein bisschen im Norden von Israel, kommt eine Syrophynizerin und sagt, Jesus kannst du mal meine kranke Tochter heilen? Da sagt Jesus, nö, ich bin nur gekommen zu den verlorenen Schafen Israels. Da lässt die Frau aber nicht locker, da wird jetzt ein anderer Mann, aber dann wirklich. Es gibt schon Männer, die so ein bisschen frauenfreundlich sind, aber wenn frauliche Interessen und männliche Interessen aufeinander knallen, dann ist Schluss mit lustig. Dann sagen mal die Männer wo es lang geht.

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Und jetzt diese Freche, also hat er gesagt, ich bin nur gekommen, dann sagt die, nö, nö, weißt, auch selbst wenn man auf dem Tisch ist, dann fallen doch auch Brocken runter zu den Hunden. Und Hunde war ein Wechselbegriff für Ausländer in Israel bei orthodoxen Juden, die haben zu den Nichtjuden Hunde gesagt. Da fallen doch auch ein paar Brocken für die Hunde runter. Und da war Jesus aber wirklich verblüfft. Und da sagt er, also gut, dann heile, heil deine Tochter. Jubilate, halleluja. Also so kann Jesus dann doch, diese Frau hat Jesus geholfen, sein messianisches Verständnis ein bisschen zu erweitern. Jesus hat viel von Frauen gelernt. Also, warum berief er so eine buntscheckige Truppe? Ja, er hat wohl seine Jüngerschaft, seinen Schülerkreis als Modell, als Keimzelle der neuen Gesellschaft gesehen.

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Eine Gesellschaft, wie sie im beginnenden Reich Gottes sein soll. Er hat seine Jüngerschaft als Kontrastgesellschaft gesehen. Dass Jesus seine Jüngerschaft sehr betont ausgewählt hat, zeigt sich daran, dass er einen Zwölferkreis berief. Das hat nie ein Rabbiner gemacht. Wir wissen von keinem Rabbiner, der sehr bewusst 12 Schüler hatte. Bei 11 sagte er, einen nehme ich noch, und beim 13 sagte er, ich will genau 12, das gibt es nie. Aber Jesus hat viele Schüler gehabt, er hat auch mal 70 Schüler ausgesandt. Der Zwölferkreis, also er hat viel mehr Schüler gehabt als 12, aber er hat innerhalb seines Schülerkreises einen Zwölferkreis gegründet. Und er hat diesen Zwölferkreis ganz bewusst mit den 12 Stämmen Israels verbunden. Sie werden mal die 12 Stämme Israels richten, heißt es einmal. Also der Zwölferkreis, die Zahl 12, ist tief symbolisch bewusst gewählt,

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weil Israel ursprünglich 12 Stämme hatte. Also wenn man jetzt sagt, Jesus hat sich auf Israel konzentriert, dann ist es unglaublich, in welcher Form. Er gründet einen Zwölferkreis, aber die 12 Stämme Israels gibt es doch schon lange nicht mehr. Das war ein bisschen die Traurigkeit, die Melancholie der Rabbinen. Israel besteht ja heute nur aus dem Südreich, Judäa, das sind zweieinhalb Stämme. Und die 10 Stämme des Nordreiches, die sind im Dunkel der Geschichte untergegangen. Kein Mensch weiß, wo die sind, haben die sich vermischt. Mir hat mal eine schräge Tante gesagt, Dänemark, das kommt von Daan. Da kommen wieder die religiösen Spinner, und da finden die immer ihre Gläubigen. Also in der Religion ist es wie in der Politik, ihr dürft nicht alles glauben. Also wo diese 10 Stämme hin sind, weiß kein Mensch.

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Aber jetzt beruft dieser Typ 12 Jünger, damit sie die 12 Stämme Israels richten. Das ist ja ein ungeheuerlicher Anspruch. Damit trügt Jesus aus, ich wende mich an Israel, ich konzentriere mich auf Israel, aber nicht nur auf das empirische, vorfindliche, politische Israel. Ich richte mich an ganz Israel, an das geheimnisvolle Israel, des 12 Stämme Israel. Wahnsinn. Ist der Typ wahnsinnig oder was will er damit? Weiß man nicht. Diese 12 Männer, das waren aber nur Männer, die katholische Kirche und auch andere religiöse Kreise sagen, also Priester nur Männer. Warum? Ja, zwei Gründe. Beim Abendmahl waren nur Männer und das ist ja der 12 Kreis, das letzte Abendmahl und Jesus hatte ja einen 12 Kreis, das waren nur Männer und beim letzten Abendmahl sind nur Männer. Also können Priester nur Männer sein.

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Das ist eine idiotische Begründung. Manche kommt da halt nicht mehr davon runter, aber das ist ein anderes Problem. Nein, der 12 Kreis ist eine Symbolhandlung, weil die Stammväter sind ja alles Männer. Das sind die Stammväter. Wenn jetzt sag mal Jesus hier acht Männer und vier Frauen oder sechs Männer und sechs Frauen, dann wäre die Logik der Symbolhandlung völlig unverständlich geworden. Also die 12 Männer stehen für die 12 Stammväter. Das gehört in die Logik dieser Symbolhandlung. Das hebt diesen viel brisanteren Befund, das Jesus Schülerinnen berufen hat. Ach, das wollte ich noch sagen, er geht zu Martha und Maria ins Haus. Die Martha macht sich dann haushaltstechnisch zu schaffen und die Jüngere hockt sich einfach vor Jesus hin und hört ihm zu und das ärgert die Älteren. Die schafft hier haushaltsmäßig und dann sagt Jesus zu Martha, Martha, Martha, der Haushalt ist nicht das Wichtigste.

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Maria hat es ganz richtig gemacht. Sie ist bildungshungrig. Jesus liebt bildungshungrige Frauen. Jesus integriert Frauen in den Bereich der Bildung, nämlich wenn Lehrer sitzen und sie zu seinen Füßen sitzt, dann ist sie eine Schülerin und Jesus lehrt sie. Das allein ist schon ungewöhnlich. Also Keimzelle für das neue Israel-Kontrastgesellschaft. Er gründet einen Zwölferkreis, er wendet sich über das empirische Israel an das geheimnisvolle Israel. Und da sind nur Männer drin. Aber man muss Folgendes wissen, dieser Zwölferkreis ist auch gar nicht sehr wichtig. Denn von diesen 12 Männern wissen wir viel, nur von 3, Petrus, Jakobus und Johannes, da wissen wir relativ viel.

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Dann wissen wir noch ganz klein bisschen über Philippus, ganz klein bisschen über Andreas, eine Stelle über Thomas, dann sind wir bei 6 und über die 6 anderen wissen wir gar nichts. Und dann in der Urchristenheit verliert dieser Zwölferkreis sofort an Bedeutung. Er spielt in der Urchristenheit gar keine Rolle. Es wird noch Matthias nachgewählt, das ist noch so ein Versuch am Zwölferkreis festzuhalten. Aber dann gibt es die 3 Säulen, Petrus, Jakobus, Johannes, es gibt dann den Diakonenkreis, den Stephanuskreis. Vom Zwölferkreis redet kein Schwein mehr. Und auch Petrus verlässt ja Israel und so weiter. Also wenn man wegen dem Zwölferkreis jahrtausende lang nur Männer zu Priester macht, also so wichtig war der Zwölferkreis nicht, der hat sehr schnell wieder an Bedeutung verloren. Und wir wissen von den 12 Männern nur von einem Paar. Das war eben diese Symbolhandlung, dass Jesus ausdrücken wollte, ich richte mich an Gesamt Israel. Das war ihm irgendwie wichtig.

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Wenn jetzt dieser Schülerkreis von Jesus selber gewählt, dann wird sehr, wenn der also Keimzelle Modell des neuen Israel sein soll, wie es im Reich Gottes angemessen ist, dann aber bekommt der Umgangsstil im Schülerkreis exemplarische Bedeutung. Welchen Umgangsstil förderte und wollte Jesus im Schülerkreis? Jesus wollte in seinem Schülerkreis keinerlei Hierarchie, keinerlei Rangordnung, keine Abstufung, alles sind auf Augenhöhe. Die Herrschaftsstrukturen dieser Welt verlieren im Zusammenleben seines Schülerkreises jede Berechtigung. Jesus war vor allem sehr kritisch gegenüber väterlicher Autorität, denn väterliche Autorität heißt patriarchale Autorität.

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Aber sein Reich Gottes ist das Ende des Patriarchats, hat die Kirche jahrtausendelang nicht begriffen, hat das Gegenteil gemacht, aber ich möchte euch mal zwei Stellen sagen, dass Jesus sehr Vaterkritisch war. Dieser Idolbegriff Vater, den hat er erst mal liquidiert. Britta, komm mal bitte her und lese mal Matthäus 23, 8 bis 9 und dann diese Markusstelle. Also hört mal Matthäus 23, 8 bis 9. Ihr dagegen sollt euch nicht Rabbi nennen lassen, denn einer ist euer Meister, ihr aber alle seid Brüder. Nennet auch niemanden auf Erden euren Vater, denn einer ist euer Vater, der himmlische. Gut, der himmlische Vater wird an Stelle der Väter zum Vater. Und jetzt diese Markusstelle, Markus 10, 29 bis 30. Erst mal nur 29.

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Jesus sprach wahrlich, ich sage euch, es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker um meinet Willen und um des Evangeliums Willen verlassen hat. Gut, Punkt. Also diese Aufzählung, die tue ich jetzt ein bisschen mit Begleitmusik erweitern. Nochmal die gleiche Stelle. Jesus sprach wahrlich, ich sage euch, es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker um meinet Willen und um des Evangeliums Willen verlassen hat. Und jetzt kommt der Vers 30. Ohne hundertfach zu empfangen, jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder.

59:05
Wo ist der Vater? Gibt's nicht. Dankeschön. Also ich sage euch, das sind exegetische Big Points, weil die sind dermaßen verräterisch. Also Jesus zählt uns, heißt Amen, ich sage euch. Das sind immer die wichtigsten Worte. Wenn Jesus vorneweg sagt Amen, dann will er damit sagen, jetzt kommt ein dicker Punkt. Das sagt er vielleicht 15 Mal. Das sind die wichtigsten Sätze. Amen, ich sage euch. Niemand unter euch hat verlassen. Die sind ja auch zum Teil enterbt worden, verfolgt worden, haben verlassen. Man muss Familie und Beruf verlassen, wenn man Schüler, so komme ich noch drauf. Also niemand von euch hat verlassen Haus und Hof und Ecker und Mutter und Vater und Kinder, der nicht hundertfach zurückbekommt. Haus und Hof und Ecker und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder. Und Vater ist gestrichen.

60:02
Es gibt im Reich Gottes keine väterliche Autorität. Natürlich gibt es Väter, aber diese Patriarchen, diese Väter, die als Herren auftreten und Frauen prügeln und Frauen unterdrücken, solche Väter gibt es im Reich Gottes nicht. Also der Umgangsstil. Jesus wollte keinerlei Hierarchie, keine Würdetitel, keine Titel. Alle Titel der Welt stammen aus der Sünde. Wenn es eine Welt gibt ohne Sünde, wird es keine Titel mehr geben. Auch meine Titel sind Ausdruck der Sünde. Ich lebe ja eben in einer sündigen Welt und dann geht es nicht anders. Aber ganz klar ist im Reich Gottes gibt es keine Titel. Lasst niemals zu, dass uns Titel auf Abstand bringen, uns fremd machen. Wir sind alle Brüder und Schwestern.

61:02
Ja, Jesus hielt sich auch keinen Schülerkreis wie einen Hofstaat. Bei rabbinischen Lehren der Heiligen Schrift, denen ich durchaus positiv gegenüberstehe, aber die Beobachtungen muss man schon sagen dürfen, die haben sich Schüler wie Leibbuschen gehalten. Die haben sie bei Tisch bedient, die Schüler, den Lehrer. Rabbi Johann, ein sehr bedeutender Lehrer, sagt Es ist nicht möglich. Es gibt ein Lehrstudium ohne Dienst am Tisch, ein rabbinischer Lehrer, der seine Schüler daran hindert, ihn zu bedienen. Der enthält ihm die Liebe vor. Jesus aber hat seine Schüler gehindert, ihn zu bedienen. Er hat es verhindert. Er wollte das nicht. Er sagt einmal Ich bin nicht gekommen, mich bedienen zu lassen, sondern zu dienen. Also der Umgangsstil im Schülerkreis Jesu ist ohne Herrschaft von Menschen über Menschen.

62:01
Und jetzt und ohne diese hierarchischen Abstufungen, Ehrentitel und Würdetitel gibt es in seinem Schülerkreis nicht. Er hat es ausdrücklich verboten. Weil da so dringen die Herrschaft, Herr Oberkirchenrat, Herr Oberkonsistorialrat. Und das soll Schülerschaft Jesu sein, Herr Geheimrat. Wie darf ich sie anreden, Herr Stadtpfarr? Die Titel sage ich euch. Da kommt das Gift rein. Also redet mich viel lieber mit Sidi an. Es fühle mich viel wohler. Und jetzt zum Schluss. Wie hat Jesus seine Schüler berufen? Wie hat er das genau gemacht? Wir haben dazu leider nur männliche Beispiele. Aber jetzt gehen wir halt mal von denen aus. Im Himmel werden wir dann die weiblichen Berufungen auch erfahren. Ja, das ist so ungewöhnlich. Es gibt dafür keine Parallelen im Judentum und im philosophischen Bereich.

63:05
Es gibt auch sehr viele Wanderphilosophen, die auch Schüler hatten, die ihn auch begleitet haben. Jesus sagt nämlich bei der Berufung im Kern, komm und folge mir nach. Das heißt zunächst mal rein äußerlich, begleite mich auf den Wanderungen. Und so wäre es völlig normal, weil die Rabbinen Schüler begleiteten ihre Lehrer auch auf den Wanderungen, auch zum Teil wochen- und monatelang, obwohl die meisten Rabbiner feste Ortsrabiner waren. Aber sie haben schon auch ihre Wanderphasen gehabt. Und die hellenistischen Wanderphilosophen, es gibt sehr bedeutende, die wurden auch von ihren Erwachsenen-Schülern auch begleitet. Aber bei Jesus geht es da um viel mehr bei diesem Satz, komm und folge mir nach. Der Satz bedeutet im Kern, arbeite mit an meiner Lebensaufgabe. Und du bekommst dann auch die Energie und die Vollmacht und die Kraft,

64:01
die du für die Mitarbeit an meiner Lebensaufgabe brauchst. Du wirst Anteil bekommen an dieser Dynamis, an dieser Kraft. Aber komm und folge mir nach heißt, arbeite mit an meiner Lebensaufgabe, das Reich Gottes anzukündigen. Ja, dieser Ruf gibt der Person Jesu eine wesentlich höhere Bedeutung wie sonst einem Lehrer. Man spricht ja vom didaktischen Dreieck. Es gibt den Lehrer, den Schüler und den Lerninhalt. Und der Lehrer führt den Schüler zum Lerninhalt. Und der Lehrer soll bitte selber hinter dem Lerninhalt ein bisschen zurücktreten. Die Rabbinen führten ja ihre Schüler nicht zu ihrer Lebensaufgabe. Das wäre noch schöner. Die Rabbinen führten ihre Schüler zur Thora, zur Heiligen Schrift. Es geht um die Heilige Schrift und da treten sie gerne zurück. Alle Ehre der Heiligen Schrift.

65:01
Aber Jesus sagt nicht, komm und folge der Heiligen Schrift nach, sondern er sagt, komm und folge mir nach. Er sagt ja auch im Missionsauftrag nicht, und lehret sie halten, alles was in der Heiligen Schrift steht. Nein, Jesus sagt, und lehret sie halten, alles was ich euch gesagt habe. Das ist schon der Hammer. Das ist krass. Also, komm und folge mir nach. Dieser Satz gibt der Person Jesu, er verschiebt das gesamte didaktische Dreieck. Es gibt eigentlich kein Dreieck, es gibt mehr ein Zweieck. Gibt es ja nicht. Gut, also, komm und folge mir nach. Arbeite mit an meiner Lebensaufgabe. Er will Schicksalsgemeinschaften, er will Lebensgefährden. Haben sie mich verfolgt, dann werden sie auch euch verfolgen. Bin ich heimatlos, bist du auch heimatlos. Und Jesus hat erwartet, dass die Schüler, die er wählte, den Beruf und die Familie aufgaben und damit alle Sicherheiten.

66:00
Die wichtigsten Beziehungen aufgeben, die wichtigsten Sicherheiten, Besitz und Heimat. Ja, weil Jesus offensichtlich der Meinung war, das Neue, das er bringt, ist noch viel wichtiger, viel lohnenswerter und nicht, weil Trennung an sich etwas Positives ist. Nein, das nicht. Sondern weil es das Neue ohne Trennung vom Alten nicht gibt. Neuer Wein in neue Schläuche. So wie die Evangelientexte geschrieben sind und davon gehe ich mal aus, hat Jesus die patriarchalischen Väter seiner jungen Männer, die waren vielleicht 18, 20, 22 oder so in dem Bereich, der hat die Väter gar nicht überlaubnis gefragt. Wir wissen natürlich nicht, ob er sie nicht doch irgendwie mal damals gefragt hat. Das kann man nur spekulieren. Aber nach Auffassung der Evangelientexte, diese klassischen Texte, die die Berufungserzählungen so formulieren, wie sie formuliert sind, spielt es keine theologische Rolle, ob die patriarchalischen Väter damit einverstanden waren oder nicht.

67:03
Diese Frage ist unwichtig. Während eine Schülerschaft bei einem Rabbiner ein Familienfest nach sich gezogen hat und die Familien stolz waren, dass ihr Sohn bei diesem Rabbi Schüler geworden ist, führte Jesus die Schüler durch seine Erwählung in den Bruch. Er führt sie in einen sozialen, berufsmäßigen Bruch. Es stört die bisherige Blutsbande. Jesus sagt, die Gemeinschaft zwischen uns ist wichtiger als die Blutsbande. Am härtesten ist ein Fall, der ist also ungeheuerlich. Da kann man sogar fast dann verstehen, dass der Mann am Kreuz gelandet ist. Es ist auch nicht zufällig, dass der mitten im besten Alter am Kreuz gelandet ist. Das steht ja auch für was. Da ist auch ein Bruch der Fremde, den die Welt nicht lange ertragen hat.

68:03
Es kommt mal ein jüdischer Zeitgenosse und sagt zu Jesus, ich würde auch gerne Dein Schüler werden. Aber eins muss ich noch erledigen, mein Vater ist gestorben und ich gehe jetzt mal hin und will ihn beerdigen. Das ist ja wohl selbstverständlich. Da sagt Jesus, lass die Toten ihre Toten begraben und komm Du jetzt und folge mir nach. Das ist ja ein Angriff aufs vierte Gebot. Das härteste, was es von Jesus gibt, da merkt man, dass Jesus gar nicht weichgespült ist. Er ist nicht der Jesusleid. Er sagt, das ist ja bei Nichtjuden und Juden die wichtigste Pflicht, dass man seinen Vater beerdigt. Aber aus irgendeinem Grund hat Jesus hier sich für Anlass gesehen, nein, lass die Toten ihre Toten begraben und komm Du und folge mir jetzt nach. Ich weiß nicht, was daraus geworden ist.

69:02
Also dieser Ruf, komm und folge mir nach, ist keine Einladung. Es ist keine Bitte. Es ist kein Appell. Wärst Du bitte so nett, Dir mal zu überlegen, ob Du vielleicht bereit wärst, mir nachzufolgen. Ich sage Euch, dieser Ruf ist keine Bitte. Er ist keine Einladung. Er ist kein Appell. Er ist eine Beauftragung. Er ist eine Ernennung. Er ist eine Erwählung. Und deswegen kannst Du mit diesem Ruf nicht rumeiern. Du kannst Dich nicht hinter Familie, Klan und Sippe und Kollektiv verstecken. Es heißt ja auch nicht ihr, kommt ihr und folgt mir nach. Nachher sagt Jesus, ihr seid als Salz der Erde. Aber bei der Berufung ist nur der Einzelne, Du. Und wenn Du Dich jetzt hinter Familie und Blutsbande versteckst,

70:01
ist das sowieso schon eine Ablehnung. Wer seine Hand an den Pflug legt und blickt zurück, der ist nicht geeignet zum Reich Gottes. Komm Du und folge mir nach. Das ist eine Beauftragung. Das ist eine Ernennung. Das ist eine Erwählung und keine Bitte. Und jetzt kannst Du Dir überlegen, ob Du diese Ernennung annimmst oder nicht. Beides kam vor. Es ist schon interessant, dass Jesus zu einer sehr intensiven Gemeinschaft führte. Er ist kein Einzelgänger und er will keine Einzelgänger. Er war der anfassbare Messias, wochenlang mit verheirateten, unverheirateten Frauen und Männern, ohne Regelsystem, unbeschwert, angstfrei, offen für vieles Zärtliche. Keine Angst vor Zärtlichkeit. Abba ist ein Zärtlichkeitswort.

71:03
Für Jesus war Gott der Inbegriff der Zärtlichkeit. Denn Abba ist nicht einfach Arb, Vater, sondern Väterchen. Es ist ein Zärtlichkeitswort. Immer wenn ihr sehr zärtlich seid und Zärtlichkeit erlebt, spürt ihr etwas von Gott. Also Jesus hat nicht eine männliche Seilschaft gegründet. Pharisäer, Satuzäer, Zeloten, Apokalyptiker, Täufer, es waren alles Männerseilschaften. Er wollte keine männliche Gemeinschaft, er wollte eine geschwisterliche Gemeinschaft. Und er hat dieser Gotteserfahrung, dieser Abba-Erfahrung zugetraut, dass diese Männer und diese Geschwister keinen Geschlechterkampf machen und sich nicht gegenseitig verletzen, sondern zärtlich miteinander umgehen. Also Jesus hat eine sehr intensive Form geschwisterlicher Gemeinschaft

72:00
für das Modell und die Kontrastgesellschaft gehalten. Diese Gemeinschaft war deswegen so intensiv, weil jeder, der in dieser Gemeinschaft war, eine ganz einsame Entscheidung fällen musste. Nehme ich diese Ernennung an oder nicht? In dem Augenblick, wo du hörst, komm und folge mir nach, bist du unvertretbar. Kein Clan, keine Sippe, kein Kollektiv kann sich jetzt dazwischen schieben. Du bist ganz einsam. Und deswegen, weil du durch diese einsame Entscheidung gegangen bist, wird die Gemeinschaft der Schülerinnen und Schüler Jesu so intensiv.

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Jesus und seine Schüler | 7.11.1

Worthaus Sommerakademie – Hilchenbach: 30. Juli 2017 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Als Jesus mit seinen Jüngern durch Galiläa zog, war er nur einer von vielen. Damals zogen unzählige religiöse Lehrer durch die Gegend, gefolgt von einer Schar Schüler, die ihren Lehren hören und irgendwann selbst Rabbinen werden wollten. Wissen viele gar nicht. Jesus war doch einmalig, der Sohn Gottes, kein Rabbi unter vielen – oder?
Einmalig war er, und wie sehr, beschreibt Siegfried Zimmer eindringlich und anschaulich. Jesus berief seine Jünger selber, statt sich von ihnen auswählen zu lassen. Ihr Ziel war es, ihm nachzufolgen, statt bald zum nächsten Rabbi zu wechseln. Jesus sprach vom Reich Gottes, statt von den Geboten. Und der größte Unterschied: Jesus berief auch Frauen! Zwar waren die Verfasser des Neuen Testaments Männer ihrer Zeit, die von Feminismus und Gleichberechtigung noch nie gehört hatten. Trotzdem zählten sie all die Frauen auf, die mit Jesus durch Galiläa zogen, berichteten, dass Jesus Frauen unterrichtete und zum Schluss, als alle Jünger ihn verlassen hatten, Frauen an seinem Grab wachten. Und auch sonst war Jesu Jüngerschar bunt gemischt, Frauen und Männer, Arbeiter und Gebildete, gar Erzfeinde folgten ihm nach. Und damit war er nicht mehr einer von vielen. Sondern einzigartig.