Unser Thema heute morgen heißt die Gegner Jesu. Die Gegner Jesu. Und ich frage mich, wie konnte dieser Mensch überhaupt Gegner haben? Wie konnte der Gegner haben? Dieser schöne junge Mann, im langen Gewand, sanften Gesichtszügen, langen, halblangen, blonden Haar, natürlich tiefblaue Augen. The King of the Kings. Jeffrey Hunter, ja, Anfang der 60er Jahre. Hollywood-Schinken gut abgehangen. Also das war ein Jesus, von dem man dachte, wie kann dieser Mensch überhaupt Feinde haben? Wie kann der Gegner haben? Das ist doch auch jemand, da geht einem das Herz auf, ja, so.
Da kann keine Fliege was zu leiden tun. Der, naja, ich meine gut, in diesen Hollywood-Filmen, da sprechen immer so ein bisschen Getragene. Die rezitieren ja Bibelferse. Also das ist, ja, man redet sehr viel langsamer als normal, weil alles ist ja so wichtig. Okay, das kann einem natürlich auf die Dauer ein bisschen auf die Nerven gehen. Aber andererseits, ich meine, reicht das irgendwie da Feindseligkeit zu entwickeln? Auch der Hippie-Jesus, der dann kam, ja, Love, Peace, Happiness, ja, ich meine, da habe ich auch nichts gegen. Ja, auch alles wunderbar. Und wenn wir mal ehrlich sind, so ein paar Anhaltspunkte dafür gibt es ja auch in den Evangelien. Also es ist jetzt nicht so, dass Jesus als Hippie gezeichnet wird, aber dass Jesus eher ein sanfter Mensch gewesen ist,
der liebevoll mit den anderen Menschen umgegangen ist. Dass er auf Kinder zugegangen ist, dass er eigentlich für seine Zeit auch ein recht unbeschwertes Verhältnis zu Frauen hatte, dass er auch die Außenseiter integriert hat. Das alles sind uns doch vertraute Züge aus den Evangelien. Und von daher muss man sagen, ja, also so völlig falsch gezeichnet ist es vielleicht nicht. Aber auch halbe Wahrheiten sind ja ganze Lügen. Und von daher ist das Bild, was uns hier gezeichnet wird, als ein, ja, ich bin okay, du bist okay, Jesus, dann doch eben nur ein halbes Bild und entspricht dann doch wahrscheinlich nicht ganz dem realen Jesus,
vor allen Dingen aber auch nicht dem Jesus, wie ihn die Evangelien uns zeigen. Denn Jesus hatte in der Tat Auseinandersetzungen, nicht nur, was wir heute hören werden, diese Tempelaktion, was auch immer jetzt genau dahinter steckt, aber es zeigt uns auf jeden Fall ein Jesus, was auch immer jetzt genau historisch passiert ist. Die Geschichten zeigen uns einen Jesus, der durchaus ja handgreiflich werden konnte, der sich aufregend konnte, zornig werden konnte. Oder denken wir mal daran, wie sein Verhältnis zu seiner Familie war. Also ich muss sagen, das war einigermaßen zerrüttet, vielleicht noch nicht bei der Geburt, aber später dann doch. Die eigene Familie hielt ihn ja für verrückt, sozusagen, da ist ja völlig von Sinn, wir holen den mal lieber nach Hause, der macht unserer Familie Schande. Und Jesus auf der anderen Seite, so wird wenigstens erzählt, als er in einem Haus ist,
und dann kommen die Jünger, bzw. die Jünger sind um ihn herum und jemand sagt dann, deine Familie, die steht vorm Haus. Ja, und dann sagt er, wer ist meine Mutter, wer sind meine Brüder? Ja, ihr seid Mutter und Brüder für mich. Weil es ist schon eine ziemliche Abfuhr und wenn es auch vielleicht nicht ganz genau so passiert ist, ich denke, so was denkt man sich nicht völlig aus, also es muss da doch gewisse Spannungen gegeben haben zwischen Jesus und seiner Herkunftsfamilie. Oder denken wir daran, dass Jesus uns immer wieder gezeigt wird in Streitgesprächen mit anderen Menschen. Also man hat ja fast den Eindruck, er ist keinem Streit aus dem Weg gegangen. Ja, dazu passt ja dann ein Spruch, der entsprechend uns auch überliefert ist, wörtlich, ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Gut, er wollte sicherlich keine Armee ausrüsten, aber das Schwert steht hier
sicherlich für Entzweihung, für Streit, für Konflikt und der Spruch, ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen und ich wünschte mir nichts sehnlicher als dass es schon brenne, zeigt auch, dass hier nicht alles immer völlig glatt lief aus Jesu Sicht, sondern dass hier auch einiges sich ändern müsse. Ja, Feuer, ich wünschte, dass es schon brennt. Einmal einen kleinen Sprung von gut 350 Jahren und es brennt. Was brennt? Es brennt die Synagoge in Kalinikon. Kalinikon war eine kleine Stadt, eine Grenzstadt des römischen Imperiums im Zweistromland, in Mesopotamien.
Wir schreiben das Jahr 388. Inzwischen ist es so, dass das Christentum nicht mehr verfolgt wird. Es ist auf dem Weg zur Staatsreligion, gerade in diesen Jahren. Man kann kein eindeutiges Datum eigentlich nennen, weil das ein bisschen ein Prozess gewesen ist, dass das Christentum Staatsreligion geworden ist. Es war unter dem Kaiser Theodosius 381 und 391, das sind zwei wichtige Gesetze, die sich ergänzen und mit Bezug auf die kann man sagen, das Christentum wurde Staatsreligion. Also, wir befinden uns im Jahr 388. Der Bischof dieser Gemeinde in Kalinikon hatte die Christen dort, man muss jetzt so sagen, aufgehetzt, gegen die Juden und man fühlte sich dann auch motiviert, den ganzen mal Taten folgen zu lassen
und hat die Synagoge geplündert und dann abgefackelt. Der Stadthalter der dortigen Provinz wendet sich jetzt an den Kaiser und fragt, was er machen soll. Der Kaiser, christliche Kaiser Theodosius, sagt, die Nachfrage ist eigentlich völlig überflüssig, es gibt ja Gesetze. Also, natürlich muss die Synagoge wieder aufgebaut werden auf Kosten derjenigen, die sie abgebrannt haben, das Eigentum muss zurückerstattet werden. So weit, so gut, könnte man meinen. Aber der Kaiser hatte seine Rechnung gemacht ohne den Bischof von Mailand, ohne Bischof Ambrosius. Ambrosius von Mailand ist heute angesehener Theologe der frühen Kirche, ein sogenannter Kirchenvater. Ambrosius von Mailand steckt also in den Ring, genauer gesagt, geht auf die Kanzel.
Er hält eine Predigt und setzt sich in dieser Predigt mit dem Kaiser auseinander und sagt, nie und nimmer. Nie und nimmer kannst du das zulassen, Kaiser, dass Christen dafür bezahlen, dass ein Haus des Unglaubens wieder aufgebaut wird. Die Juden würden über die Christen triumphieren. Also, Ambrosius stellt sich hin und sagt, ich bekenne, ich habe diese Synagoge abgebrannt. Und wenn nicht persönlich, so habe ich es in Auftrag gegeben. Denn mit den Ungläubigen müssen auch die Zeugnisse des Unglaubens ausgerottet werden. Diese Meinung, die Juden sind ja Ungläubige und die haben es nicht anders verdient,
hatte sich im Laufe des zweiten bis vierten Jahrhunderts so langsam durchgesetzt. Die Juden hieß es, verdienen jagt nichts anderes als ein schreckliches Schicksal. Der Zorn Gottes liegt auf ihnen. Johannes Chrysostomus, ein begnadeter Prediger, wie es hieß. Chrysostomus ist eigentlich ein Beiname, der hieß gar nicht so ursprünglich. Es ist ein Beiname, der ihm gegeben wurde, weil er so toll predigen konnte. Goldmund, ja, predigte oft bis zu einer Stunde. Aber die Leute haben gerne zugehört. Sie glauben nicht, was für unfletige Predigten der gehalten hat über die Juden. Nur ein kleines Zitat. Weil ihr Christus getötet habt, weil ihr Hand an den Herrn gelegt habt,
weil ihr das kostbare Blut vergossen habt, gibt es für euch keine Besserung, keine Vergebung, keine Entschuldigung. Eine wahrhaft christliche Botschaft, wie ich finde. Von daher ist es natürlich auch klar, dass selbstverständlich auch dieser Johannes Chrysostomus bis heute in allerhöchsten Ehren steht. Ja, das Ganze begann eigentlich schon im zweiten Jahrhundert. Denn hier kam erstmals von einem Bischof in Kleinasien, Meliton von Sardis, der Vorwurf auf, die Juden seien Gottesmörder. Das ist ein Vorwurf, der sozusagen der christliche Basisvorwurf überhaupt gegen die Juden gewesen ist im Laufe der Geschichte. Im Hintergrund stehen natürlich auch die Entwicklungen der frühen Kirche in, wie man theologisch so schön sagt, christologischer Hinsicht.
Also die Frage, wer war Jesus Christus? Und wenn sich dann die Anschauung durchsetzt, Jesus Christus war selbst Gott, dann wurde auch Gott getötet. Und es wurde dann den Juden die Schuld daran gegeben. Sie haben in Ihren Unterlagen auch einen Auszug aus einer solchen Predigt des Meliton von Sardis. Auch hier jetzt nur ein ganz kurzes Zitat. Der, der die Erde auffing, ist aufgehängt worden. Der, der die Himmel festmachte, ist festgemacht worden. Der, das All festigte, ist am Holze befestigt worden. Der Herr ist geschmellt worden. Der Gott ist getötet worden. Der König Israels ist beseitigt worden von Israels Hand. Die Juden, so scheint es, waren die Gegner Jesu.
Doch heute noch ist bisweilen die Meinung zu hören, Jesus sei wohl als Jude geboren. Also das bestreitet ja eigentlich heute niemand mehr. Also die Sache, dass das eigentlich ein Arier gewesen ist, das ist jetzt auch schon ein paar Jahrzehnte wieder her. Also das sagt man natürlich schon, der ist als Jude geboren. Okay, das ist nicht zu bestreiten. Und er ist auch im jüdischen Glauben aufgewachsen. Aber irgendwann, so heißt es dann, habe er sich von den jüdischen Traditionen abgewandt. Und er sei in einen scharfen Gegensatz zum Judentum seiner Zeit getreten. Vor allen Dingen habe er die jüdische Gesetzesreligion überwunden. Und habe versucht, sie abzuschaffen. Und deswegen hätten die Juden ihn an Pontius Pilatus ausgeliefert, um ihn schließlich eben umbringen zu lassen.
Ja, das gilt es jetzt nun mal zu prüfen. So, und meine erste Antwort. Wer waren die Gegner Jesu? Tatsächlich, überwiegend Juden. Tatsächlich! Die meisten Gegner Jesu waren Juden. Ja, ich frage Sie aber, was sollen sie auch sonst gewesen sein? Azteken? Holländer? Thüringer? Ich meine, das ist ja irgendwie auch klar, dass ein Jude, der in Palästina lebt, der dauernd Tag und Nacht mit Juden zu tun hat, wenn er sich denn mal streitet, sich mit Juden streitet. Es liefen ja wenig Mongolen darum. Das ist mal echt eine Erkenntnis. Also, ich meine, auch ich heute, man glaubt es ja kaum, selbst ich bin ein Typ, der manchmal Streit hat. Also ich weiß auch nicht wieso, aber es kommt manchmal vor, ich streite mich regelmäßig mit Deutschen.
Regelmäßig! Also mit Deutschen, noch und noch. Also mit Kongolesen ganz selten. Vietnamesen überhaupt nie. Immer mit Deutschen. Ja. Und Jesus immer mit Juden. Ja. Aber mit welchen Juden? Hat er sich mit allen Juden gestritten? Also ich schaff es nicht, mich mit allen Deutschen zu streiten. Gut, es sind noch ein paar mehr, als es Juden gab. Aber trotzdem, hat er sich mit dem ganzen jüdischen Volk verkracht? Waren es nur bestimmte Gruppen? Welche Gruppen waren es? Schauen wir mal. Als erstes fallen uns wahrscheinlich die Pharisäer und Schriftgelehrten ein.
Pharisäer und Schriftgelehrte, man nennt sie gerne in einem Atemzug. Aber genau betrachtet müsste man hier eigentlich unterscheiden. Also Pharisäer und Schriftgelehrten, die hatten eine Schnittmenge. Ja, also so, dass man sagen kann, es gab Pharisäer, die auch Schriftgelehrte waren. Und es gab Schriftgelehrte, die auch Pharisäer waren. Aber nicht jeder Pharisäer war Schriftgelehrter und nicht jeder Schriftgelehrte war Pharisäer. Warum? Das eine ist eine Bezeichnung für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Strömung. Wer sagen manchmal auch Religionspartei, aber da denke ich immer direkt an FDP und dann finde ich, dann passt das gar nicht. Gut, also Partei ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Also es ist eine bestimmte Richtung innerhalb des Judentums gewesen. Das waren die Pharisäer, auf die komme ich gleich zu sprechen. Schriftgelehrte hingegen, das waren Funktionsträger. Ja, sie waren Fachleute.
Schriftgelehrte eben. Sachverständige kann man sagen, in Fragen der Auslegung, der Thora, in Fragen des Rechts. Ja, vielleicht auch so eine Art Mutter, ja, kann man sagen. Also wie auch immer. Es gab Schriftgelehrte zum Beispiel am Tempel, ja, der musste es da geben. Und die Tempelschriftgelehrten, das waren mit ziemlicher Sicherheit keine, die der pharisäischen Richtung angehangen haben. Aber es gab natürlich auch pharisäische Schriftgelehrte, ganz klar. Ich will mich jetzt der Einfachheit halber zunächst mal auf die Pharisäer konzentrieren, weil unser Bild eben auch sehr stark geprägt ist von dieser Gegnerschaft zwischen Jesus und den Pharisäern. Sie sind auch die Gruppe, die überhaupt am häufigsten in den Evangelien genannt werden.
Gut, stellen wir uns jetzt also mal ganz dumm und fragen, was ist eine Pharisäer? Ja, man nehme starken Kaffee. Süße ihn mit Würfelzucker, gebe vier Zentiliter braunen Rum dazu und oben Dickschlachsahne drauf, damit man den Rum nicht riecht. Und dann kann man schön gepflegt Kaffee mit Rum trinken, ohne dass der Pastor es riecht. So sagt wesentliche Legende ist der Pharisäer entstanden irgendwo in Friesland im 19. Jahrhundert, weil da so ein streng asketischer Pfarrer gewesen ist und er mochte das gar nicht, wenn auf irgendwelchen Familienfeiern Alkohol getrunken wurde. Und da hat man zu diesem Trick gegriffen, weil an einer Taufeier, das sechste oder siebte Kind irgendeines Bauern, hat man gesagt, wir schicken jetzt mal ein bisschen Rum in den Kaffee und oben Dickschlachsahne drauf,
damit das nicht verdunstet und nicht riecht. Der Pastor hat natürlich einen ganz normalen Kaffee gekriegt, das ist ja klar. So, das ist natürlich sowas wie Vorspielung falscher Tatsachen oder Heuchelei. Und das ist natürlich etwas, was wir sehr stark mit Pharisäern verbinden. Die Wirkungsgeschichte des Begriffs Pharisäer ist ja eine fürchterliche. Also ist ja praktisch ein Synonym geworden für Heuchler. Also das geht bis in heutige Politikerinterviews. Das sind natürlich immer die Politiker der anderen Partei, die irgendwelche pharisäerhaften Züge haben angeblich. Unser Bild vom Pharisäer ist mit Wunder als ein verzerrtes Bild. Es gab sicherlich Heuchler, die Pharisäer waren, ganz bestimmt.
Pharisäer, die Heuchler waren, so wie es auch Christen gibt, die Heuchler sind. Also würde ich jetzt mal behaupten. Unser Bild, dass es überhaupt entstehen konnte, ist sicherlich stark geprägt durch eine bestimmte Rede im Matthäus-Evangelium gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten, Matthäus im 23. Kapitel, so eine ganze Litanei von Vorwürfen gegen die Pharisäer. Ja, was ist davon zu halten? Ich will auf die Details hier gar nicht eingehen. Auf das Verhältnis Jesu zu den Pharisäern komme ich gleich zu sprechen. Aber dass eine solche Rede im Matthäus-Evangelium steht, verdankt sich natürlich auch der Entstehungszeit des Matthäus-Evangeliums und den Umständen, in denen der Verfasser eben gelebt hat.
Also in der Zeit, in der das Matthäus-Evangelium geschrieben wurde, das war nach der Tempelzerstörung, nach dem jüdischen Krieg, so vielleicht 80 bis 90 nach Christus, da wurden die Pharisäer die dominierende Parteiströmung im Judentum und reorganisierten das Judentum neu. Das ist jetzt auch die Zeit, wo man sich abgrenzt, wo das Christentum überhaupt erst langsam entsteht als eigenständige Religion. Dass man sprechen kann, die einen sind Juden, die anderen sind Christen. Wir haben es ja gestern schon gehört, also in den ersten Jahrzehnten gab es christusgläubige Juden, aber es gab nicht Christen als Angehörige einer eigenen Religion im Unterschied zu den Juden. Das wird jetzt hier langsam anders. Wir können jetzt nicht genau sagen, also im 1.1. des Jahrhunderts gibt es das Christentum oder so.
Das können wir nicht sagen, aber dieser Prozess beschleunigt sich ungemein im Anschluss an das Jahr 70 nach Christus. Und genau dieser Zeit schreibt jetzt Matthäus sein Evangelium. Matthäus selber, da sind sich heute die meisten Bibelwissenschaftler einig, Matthäus selber war eigentlich ein jüdischer Schriftgelehrter. Er war jedenfalls jemand, der sich ausgesprochen gut in den jüdischen Schriften auskannte und er hat typisch schriftgelehrte Züge, so nennt man das, in seiner Art das Evangelium zu schreiben. Und jetzt setzt er sich mit den anderen auseinander, den anderen Schriftgelehrten, die jetzt inzwischen nach 70 nach Christus tatsächlich eigentlich fast ausschließlich der phariseischen Richtung angehören,
setzt sich mit denen auseinander und wirft ihnen vor, nicht die richtige Erkenntnis Jesu zu haben. Denn sie erkennen Jesus nicht als den Messias an. Und diese Auseinandersetzung der Zeit, der Entstehung des Matthäusevangeliums spiegeln sich jetzt tatsächlich auch in den Texten des Evangeliums wieder. Und insofern haben wir hier gerade im Matthäusevangelium eine ausgesprochen starke Polemik gegen die Pharisäer. Eine Polemik, die aber eben, ich wiederhole es nochmal, aus dieser Zeit in erster Linie resultiert und nicht in die Zeit Jesu ohne weiteres von uns jetzt heute historisch zurückprojiziert werden darf. Wir dürfen also nicht davon ausgehen, dass Jesus tatsächlich selber die gleichen Konflikte mit den Pharisäern hatte, wie jetzt später die Christen um das Jahr 80, 90 herum.
Übrigens ist interessant, dass Matthäus in dieser Rede Jesus nur vor dem Verhalten der Pharisäer warnt, also wie sie auftreten, vor ihrem Machtstreben, vor ihrer Geltungszucht, nicht aber vor dem, was sie lehren. Das ist eigentlich überraschend, wie es uns für manchen Bibelläser heute. Aber in Matthäus 23,3 werden die Leser ausdrücklich aufgefordert, alles was sie euch heißen, also alles was sie euch sagen, das tut und haltet. Also es ist nicht so, dass nach Auffassung des Matthäus jetzt irgendwie die Lehren der Pharisäer, der Schriftgelehrten, des Judentums, wenn sie so wollen, einfach abgeschafft wären.
Das ist nicht der Fall. Gut, was anderes könnte auch noch die Ursache sein für diese schwere Polemik, nämlich dass er den eigenen Autoritäten, also in den eigenen Gemeinden auch den Spiegel vorhalten will. Denn wer hat dieses Evangelium gelesen? Wahrscheinlich weniger die Pharisäer und Schriftgelehrten, sondern die eigenen Leute haben es ja gelesen und sie sollten sich hier in diesem Verhalten auch ein bisschen wiedererkennen. Und das gilt ja noch bis heute. Da gibt es ein sehr schönes kleines Gedicht, Sie kennen das vielleicht von Eugen Roth, der Salto mit Bezug auf die Geschichte vom Zöllner und Pharisäer im Lukas-Evangelium, wo ja der Pharisäer so ein bisschen selbstgerecht rüberkommt. Und der kleine Text von Eugen Roth geht so.
Ein Mensch betrachtete einst näher die Fabel von dem Pharisäer, der Gott gedankt voll Heuchelei dafür, dass er kein Zöllner sei. Gott lob, rief er in eitlem Sinn, dass ich kein Pharisäer bin. Ja, fragen wir also nochmals, wer waren die Pharisäer? Was waren das für Menschen? Das Problem ist, wir wissen es nicht genau, wie bei vielen, was historisch zu sagen ist über die Zeit Jesu. Denn was haben wir für Quellen über die Pharisäer? Wir könnten doch wirklich gut Auskunft geben über die Pharisäer,
wenn wir zeitgenössische Quellen hätten. Wenn die Pharisäer zur Zeit Jesu Texte verfasst hätten, die hätten wir als Quellen, die könnten wir jetzt lesen, könnten sehen, was waren denn tatsächlich ihre Meinungen, was waren ihre Auffassungen. Dann könnten wir sagen, dies und das haben sie vertreten. Wenn gleichzeitig noch Quellen über die Pharisäer genau aus dieser Zeit existieren würden, vielleicht von anderen religiösen Strömungen im Judentum, wie Sie die Pharisäer gesehen haben, dann würde unser Bild natürlich noch genauer werden. Aber das alles haben wir nicht. Wir haben nur Quellen aus späterer Zeit. Die Evangelien sind Jahrzehnte später geschrieben. Wir haben nicht nur die Evangelien, wir haben auch jüdische Texte, zum Beispiel von Flavius Josephus, einem jüdisch-römischen Geschichtsschreiber.
Durchaus wertvolle Quellen, aber auch einige Jahrzehnte nach Jesus und auch perspektivisch. Wir haben natürlich die spätere jüdische Tradition, die rabbinische Tradition. Selbstverständlich hat sich das rabbinische Judentum aus dem Pharisäismus entwickelt, aber eben entwickelt. Das heißt, wir können nicht davon ausgehen, dass Texte, die aus dem zweiten, dritten, vielleicht noch späteren Jahrhunderten sind, unmittelbar die Meinung und Auffassung von Pharisäern zur Zeit Jesu widerspiegeln. Das heißt mit anderen Worten, wir können nur uns der Frage ein bisschen annähern, wer waren die Pharisäer. Wir können keine endgültigen Urteile fällen. Sogar schon die Frage, seit wann gibt es überhaupt Pharisäer, wann sind sie entstanden, ist umstritten. Meistens geht man davon aus, dass sie aus einer Frömmigkeitsbewegung zur Zeit der Makkabeer entstanden sind.
Aber auch das ist letztendlich nicht hundertprozentig gesichert. Auch was der Name jetzt soll, von wem er kommt, die Abgesonderten heißt es wahrscheinlich. Könnte zunächst mal eine Fremdbezeichnung gewesen sein. Man weiß es nicht genau. Wovon wollte man sich denn überhaupt absondern? Nicht vom Volk. Ja, vielleicht in gewisser Weise, indem man sagt, wir leben jetzt besonders nach den Vorschriften, nach den religiösen Vorschriften besser als so das gemeine Volk. Aber man wollte das nicht machen, um sich sozusagen elitär selber auf die Schulter zu klopfen, zu sagen, wir sind jetzt mal die reinen Juden und ihr seid es nicht. Sondern die Pharisäer hatten nach allem, was wir wissen, das Anliegen, ihre Auffassung im ganzen Volk zu verbreiten.
Und ihre Auffassung als nicht-priesterliche Gruppe, als Laienbewegung, die durchaus pragmatisch orientiert gewesen ist, war die schriftliche und mündliche Überlieferung, die Thora, aber auch die Auslegung der Thora, weiter in Ehren zu halten und letztlich lebbar zu machen. Und deswegen hat man versucht, Vorschriften, die ursprünglich aus dem kultischen Bereich kamen, also eher für die Liturgie, für Priester und so weiter gedacht waren, Reinheitsbestimmungen und so weiter, auf das alltägliche Leben zu übertragen. Das ist natürlich nicht immer ganz einfach gewesen. Und wir können ziemlich sicher sein, dass die Pharisäer hier auch nicht alle einer Meinung waren.
Also es ist auch schon eine Verkürzung zu sagen, die Pharisäer, wenn wir heute sagen, die Christen. Die Christen glauben ja bekanntlich alle dasselbe. Und haben für alle Fragen, sind sie einer Meinung, das ist ja allseits bekannt. Pharisäer waren auch nicht in allen einer Meinung. Sie hatten gewisse Grundüberzeugungen, die sie teilten und die sie eben zu Pharisäern machten. Aber in den Detailfragen konnte das relativ weit auseinander gehen. Deswegen kann man davon ausgehen, dass Jesus sich nicht unbedingt mit allen Pharisäern in gleicher Weise auseinandergesetzt hat. Sondern bestimmte Pharisäergruppen, die bestimmte Anschauungen hatten, waren sicherlich eher Ansprechpartner.
Wenn man die Evangelien liest, bekommt man den Eindruck, Jesus hätte sich praktisch vom ersten Augenblick seines Auftretens an in ständiger Auseinandersetzung mit den Pharisäern befunden. Nehmen wir mal als Beispiel das älteste Evangelium, das Markus-Evangelium. Ab dem zweiten Kapitel ist es so, dass sie eigentlich die Antipoden hier bilden. Sie treten also auf. Beispielsweise, Anfang des zweiten Kapitels gibt es eine berühmte Geschichte, die Heilung eines Gelähmten. Da wird ja dieses Dach aufgegraben und der Gelähmte wird runtergelassen. Ich gehe davon aus, dass viele von Ihnen diese Geschichte kennen werden.
Dann heißt es auf einmal, mitten in der Geschichte, es saßen aber einige Schriftgelehrte dort und dachten bei sich, wie kann er so reden? Als Jesus sagte, Kind, deine Sünden sind vergeben, wie kann er so reden? Und Jesus liest ihre Gedanken. Sie sagen nicht nur, wie kann er so reden, sondern es wird wenigstens gedanklich in diesem Evangelium der Vorwurf geäußert, er lästert Gott. Das ist ja heutzutage kein Straftatbestand mehr. Es gibt im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr den Artikel Blasphemie. Gibt es nicht mehr. Wir sind kein religiöser Staat, wir sind ein religiös-neutraler Staat. Kann es also von daher nicht geben. Aber in der damaligen Zeit Gotteslästerung, ja nach jüdischem Gesetz stand darauf die Todesstrafe. Also von daher, wenn da schon im zweiten Kapitel gedanklich wenigstens geäußert wird, er lästert Gott, dann verweist Markus mit dieser Szene praktisch schon auf das Ende seines Evangeliums.
Und das ist das Problem. Wir können das nämlich nicht historisch jetzt sozusagen verwerten, weil Markus hat eine bestimmte Konzeption seines Evangeliums. Markus schreibt ein Evangelium als Weggeschichte. Der Weg führt Jesus von Galiläa nach Jerusalem, von seinem öffentlichen Auftreten und Wirken ans Kreuz. Und das Ende der Geschichte, das scheint immer schon voraus. Also ab dem zweiten Kapitel hängt dieses Ende praktisch schon immer wieder über Jesus. Und wenn man die Geschichte liest, jetzt zum Beispiel, die sogenannte Wundergeschichte der Heilung des Gelähmten,
da ist es so, dass man deutlich erkennen kann, dass diese Szene mit diesem Verdacht, der hier geäußert wird, nachträglich ja eingebaut wurde. Es stört den gesamten Ablauf der Handlung hier. Und am Anfang, als erklärt wird, wie die Szenerie ist, sind diese Schriftgelehrten auch gar nicht da. Und am Ende applaudieren alle. Man fragt sich die Schriftgelehrten auch. Also das passt gar nicht, sondern ist so hineingesetzt worden. Und dadurch bekommt die ganze Geschichte einen anderen Charakter. Aber historisch können wir das nicht auswerten und sagen, seit Anfang an ist es so, dass eben die Pharisäer und Schriftgelehrten gegen Jesus waren. Kapitel später, wiederum eine Heilungsgeschichte, ein Mann mit einer gelähmten Hand oder wie immer man das jetzt übersetzen will. Heilung am Schabbat.
So, und am Ende heißt es dann, dass die Pharisäer zusammen mit den Anhängern des Herodes den Plan fassten, Jesus zu töten. Anfang des dritten Kapitels. Das ist nicht allein deswegen, weil es schon so früh ist, relativ unwahrscheinlich. Vor allen Dingen mit dieser Kombination. Pharisäer und Herodianer, Anhänger des Herodes, ist eigentlich eine ganz und gar unmögliche Kombination, historisch gesehen. Weil die Anhänger des Herodes, gab es überhaupt welche, kann man auch wieder fragen. Naja, also Herodes, inzwischen nicht mehr der Große, sondern Herodes Antipas, der Landesherr in Galilea, Landesherr von römischen Gnaden natürlich.
Der war im Volk jetzt nicht ausgesprochen beliebt. Um es mal vorsichtig zu formulieren. Vor allen Dingen aber, waren überhaupt, war diese ganze Herodes-Clan bei den Frommen im Lande nicht angesehen. Um nicht noch mehr zu sagen. Also die Kombination, dass jetzt irgendwelche Leute, die von diesem System des Herodes profitierten, und in jedem System gibt es Leute, die davon profitieren, deswegen hat jedes System auch Anhänger. Dass diese Leute jetzt ausgerechnet mit den Pharisäern gemeinsame Sache machen, beziehungsweise umgekehrt, ist also historisch gesehen ausgesprochen unwahrscheinlich. Markus will damit aber sagen, es tun sich schon hier verschiedene Kräfte zusammen, die also Jesus entgegenwirken wollen.
Wenn man mal aufs Ende schaut, auf die Passionsgeschichte selber, da ist es allerdings so, dass die Pharisäer praktisch keine Rolle spielen. Wir sind nicht in den Synoptischen Evangelien. Also das sind ganz andere Kräfte, die hier am Werk sind, aber nicht die Pharisäer. Interessant finde ich auch, dass im Lukas-Evangelium erzählt wird, dass die Pharisäer Jesus sogar warnen vor den Tötungsplänen des Herodes. Das passt ja nun mit der Auskunft des Markus überhaupt nicht zusammen. Außerdem ist im Lukas-Evangelium so, dass Jesus zum Beispiel mehrmals bei einem Pharisäer zu Gast ist. Also es ist auch nicht alles eitel Freude und Friede, Eierkuchen. Aber das Verhältnis, Jesus zu entpharisieren, ist lange nicht so gespannt wie in den anderen Evangelien.
Und das hat wahrscheinlich wiederum damit zu tun, dass Lukas, als er schreibt, für eine andere Klientel schreibt, wo der Konflikt nicht so brisant ist. Ja, was für Konflikte könnte denn Jesus überhaupt mit Pharisäern gehabt haben? Wenn wir auf die Evangelien schauen, geht es um verschiedene Dinge. Es geht um Fragen des Fastens, es geht um Hände und Gefäße waschen, es geht um Steuerzahlungen, es geht um Tischgemeinschaft und es geht vor allen Dingen um den Sabbat. Oder wie wir sagen, Sabbat. Es gibt auch noch ein paar andere Konflikte, aber ich denke mal, das sind die wichtigsten.
Ich möchte mich gerade mal nur kurz, auch hier nur ganz kurz, auf zwei Dinge hier einlassen. Nämlich die Frage der Tischgemeinschaft und die Frage des Schabbats. Dass es vielleicht gewisse Konflikte gegeben hat in Bezug auf Mahlgemeinschaften Jesu. Das kann man sich durchaus vorstellen. Also wir dürfen jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn wir sagen, die Pharisäer als solche waren nicht die Hauptgegner Jesu, die ihn ans Kreuz gebracht haben. Das waren sie nicht, auf gar keinen Fall. Dürfen wir natürlich jetzt umgekehrt nicht sagen, Jesus hatte überhaupt keine Konflikte mit Pharisäern.
Nein, es dürfte mit manchen Pharisäern durchaus Konflikte gegeben haben. Wie gesagt, heutzutage haben wir zum Beispiel unter Christen auch Konflikte. Also es ist ja nicht grundsätzlich verboten überhaupt Konflikte zu haben. Also Jesus setzt sich zum Essen mit den berühmten Sündern und Sönern. Das widerspricht sicherlich der Auffassung vieler Pharisäer, wo man sagt, ja also werden denn hier nicht die durchaus ernsten Forderungen, die die Religion und die auch die Ethik an uns stellt, einfach über Bord geworfen. Wird nicht, wenn ich mich mit Sönern an einen Tisch setze und mit Sündern an einen Tisch setze, wird der nicht implizit auch ihr Handeln gut geheißen.
Ja und das kann man doch nicht gut heißen. Ich meine die Söner, das war ja bekanntlich nicht irgendwie so ein Job, wie er heute ausgestorben ist, mehr oder weniger, ja, dank der Grenzöffnung. Die Dänen haben es ja letztens nochmal wieder versucht. Ja, aber letzten Endes kontrollieren die ja so ein bisschen Waren einfuhren und so weiter. Aber die Söner der damaligen Zeit, das waren ja welche, die mit der römischen Besatzungsmacht zusammengearbeitet haben, die den Leuten das Geld wirklich aus der Tasche gezogen haben, die für Armut mitverantwortlich waren. Und dieses Bewusstsein ist ziemlich stark gewesen. Ja, nicht umsonst heißt es in der berühmten Zaccheus-Geschichte am Ende, als er einsieht, dass er falsch gehandelt hat, dass er da entsprechend zurückzahlen will.
Also die Söner waren sicherlich nicht geeignet aus Sicht vieler Pharisäer, dass man sich einfach mit ihnen an den Tisch setzt. Genauso gut wie eben bei öffentlichen Sündern, was auch immer man jetzt im Einzelnen darunter zu verstehen hat. Für Jesus allerdings war diese Tischgemeinschaft auch eine symbolische Handlung. Also symbolisch heißt, es ist nicht nur einfach aufgesetzt, sondern in dieser Handlung wird das erreicht, was ausgesetzt werden soll, ausgezeichnet werden soll, nämlich die Gemeinschaft. Also ich symbolisiere Gemeinschaft und gleichzeitig entsteht Gemeinschaft. Durch Essen entsteht Gemeinschaft. Ich meine, was machen wir heute, wenn wir irgendwas feiern? Wir sagen auch nicht, es kann kommen, aber es gibt nichts. Da kommt nicht so die richtige Stimmung auf.
Von daher könnte das in der Tat etwas gewesen sein, wo man nicht ganz einer Meinung war. Und der Vorwurf an Jesus, ein Fresser und Säufer gewesen zu sein, ist sicherlich jetzt nicht von der frühen Gemeinde einfach aus der Luft gegriffen worden, sondern der war sicherlich im Raum. Jesus war kein Asket, der war auch kein Alkoholiker, wie mancher Pfarrer oder so. Aber es ist gar nicht so lustig eigentlich. Viele verkraften einfach den Druck nicht. Aber gut. Zweiter Konfliktherd, der Schabbat. Wir haben immer wieder Geschichten, die uns zeigen, Jesus tut was Bestimmtes am Schabbat oder seine Jünger.
Es geht nicht nur um die Heilungsgeschichten, sondern es gibt ja auch so eine Geschichte, auch relativ am Anfang des Marosevangeliums. Jesus geht mit seinen Jüngern am Schabbat durch die Felder und die Jünger, heißt es, raufen Ehren. Das heißt, sie ernähren sich von den Körnern, offenbaren sie nichts anderes, was sie essen konnten. Sie lebten ja teilweise auch von der Hand in den Mund, wie man so schön sagt. Und auf einmal heißt es, es waren da aber einige Farisee. Auch das wieder völlig konstruiert. Was machen die da? Liegen die da am Bett im Kornfeld oder so? Also es gibt ja historisch nicht so richtig Sinn. Es geht ja in dieser Szene, die ja notdürftig geschaffen wird, einfach um diesen Konflikt. Wann kann ich sozusagen die formalen Regeln, die es gibt, die ich am Schabbat einhalten soll, übertreten?
Und darüber gab es eine lebhafte Diskussion, auch unter den Fariseern. Und Jesus bezog hier eine bestimmte Position. Die Position war sicherlich nicht mehrheitsfähig. Sie war eine radikale Position, aber sie war keine Position, die außerhalb des Judentums gelegen hätte. Jesus hat den Schabbat ja nicht abgeschafft. Er hat ja nicht gesagt, das war ja eh eine blöde Erfindung. Also so ein Ruhetag, das schadet eh nur der Wirtschaft. Also das ist heute Dieter Hund, aber das ist nicht Jesus aus Nazareth. Wir müssen sehen, dass Jesus zu dieser urjüdischen Einrichtung durchaus grundsätzlich ein positives Verhältnis hatte.
Das heißt ja auch mehrere Mal, dass Jesus am Schabbat in die Synagoge ging. Er hat aus den Schriften gelesen. Er hat die Schriften erklärt. Jesus war ja kein Feind des Schabbat, aber es geht um die Frage des Verhältnisses des Schabbats zu anderen Regeln. Es gibt ja Normenkonflikte. Wozu ist der Schabbat überhaupt da? Also darf man am Schabbat heilen? Wen darf man heilen? Und wie gesagt, wir haben keine pharisäischen Zeugnisse aus der Zeit Jesu, aber in der späteren rabbinischen Tradition gibt es durchaus auch Sätze wie Lebensgefahr verdrängt den Schabbat oder der Schabbat ist euch übergeben, nicht ihr ihm. Das erinnert doch sehr stark an das Wort Jesu, dass der Schabbat für den Menschen da ist und nicht der Mensch für den Schabbat.
Also was ich sagen will ist, es dürfte durchaus hier aufgrund des Auftretens Jesu hier gewisse Konflikte gegeben haben mit bestimmten Pharisäer-Gruppen um den Schabbat. Aber das heißt nicht, dass Jesus damit sozusagen außerhalb des überhaupt Denkbaren gewesen wäre und er sich Feinde gemacht hätte, die sozusagen seinen Tod deswegen gewünscht hätten. Hat Jesus die Thora außer Kraft gesetzt? Auch diese Auffassung kann man immer wieder hören und das hätte ihn in der Tat natürlich in einen extremen Gegensatz zu den Pharisäern gebracht. Ich aber sage euch, das ist doch der Jesus den wir häufig im Kopf haben, der Ich aber sage euch Jesu, der Jesus der sogenannten Antithesen.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht wer den Begriff in die Welt gebracht hat. Aber was ich weiß ist, er ist falsch. Er ist so verbreitet wie falsch. Denn die Antithesen Jesu sind keine Antithesen. Ihr habt gehört, dass gesagt wurde, du sollst nicht töten. Ich aber sage euch, wenn euch der Nachbar auf die Nerven geht, dann nehmt die Axt und haut ihm den Schädel ein. So geht es doch weiter oder? Das ist eine echte Antithese. So kennen wir Jesus. Er sagt ja, warum nicht töten, wenn es Spaß macht. Ehebruch, wenn es Spaß macht.
Alles wird außer Kraft gesetzt und sagt macht nur. Das wären Antithesen. Die Antithesen sehe ich hier aber nicht. Wo setzt denn Jesus hier Thora Gebote außer Kraft? Das, Mateus ist es jedenfalls, derjenige, der die Bergpredigt so komponiert hat, zusammengestellt hat, wie wir sie jetzt heute haben, nicht so verstanden haben will. Das macht er schon ein paar Zeilen vorher ganz deutlich. Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern zu erfüllen. Kein Jota wird davon vergehen. Ja, da kommen so christlichen Schriftgelehrten nachher und sagen, Jesus stellt sich ein Gegensatz zur Thora. Da frage ich, wo haben die Lesen gelernt?
Wir müssen sagen, Jesus stammt von allen jüdischen Gruppen, soweit wir es wissen, immer unter dieser Einschränkung. Keiner so nah wie den Pharisäern. Und die Meinung, die Konflikte, die es wohl tatsächlich gegeben hat, diese Konflikte wären ausschlaggebend gewesen dafür, dass er später am Kreuz gelandet ist, ist spätere christliche Legendenbildung und nur aus diesem Konflikt mit dem Judentum späterer Zeit zu verstehen. Mit den Pharisäern teilte Jesus beispielsweise den Glauben an die Auferstehung, er teilte den Gerichtsgedanken, er teilte den Gedanken, dass der göttliche Wille zu tun ist. Und noch bis in die christliche Briefliteratur hinein haben wir parallele Gedanken zum Pharisäismus, beispielsweise im ersten Petrusbrief, wo von einer königlichen Priesterschaft in einem heiligen Volk die Rede ist.
Das sind eigentlich pharisäische Begriffe, kann man sagen, sodass es auch so was wie christliches Pharisäertum, wenn Sie so wollen, gegeben hat, aber jetzt nicht im negativen Sinne gemeint. Zum Schluss, zu den Pharisäern zum Schluss. Die Pharisäer waren durchaus selbstkritisch und das ist ein Zug, den ich immer sehr gut finde, wenn man sich auch selber mal kritisch betrachten kann. Es gibt eine Überlieferung im Jerusalemer Talmud und da heißt es, sieben Pharisäer gibt es. Den Schulter-Pharisäer, der vor aller Welt seine Frömmigkeit zur Schau trägt. Den Nachlesefarisäer, der immer noch ein Gebot zu erfüllen zu müssen meint.
Den Ausgleich-Pharisäer, der gute und böse Handlungen verrechnet, indem er Sünden begeht und danach Gesetze erfüllt. Den Sparsamkeits-Pharisäer, der damit prahlt, sich alles abzusparen, um gute Werke zu verrichten. Den Schuld-Pharisäer, der die Leute auffordert, ihm die von ihm begangenen Sünden anzugeben. Aber dann den Pharisäer, der das Gute in der Furcht vor Gott tut, wie Job oder der Pharisäer, der das Gute aus Liebe zu Gott tut, wie Abraham. Und das ist so, wie ein Pharisäer sein sollte, das Gute aus Liebe zu Gott tun. Und es gibt ja schließlich auch die Geschichte im Evangelium mit der Frage nach dem höchsten Gebot.
Da kommt der sicherlich schriftgelehrte, der pharisäische Schriftgelehrte und er stimmt ja Jesus ausdrücklich zu. Du sollst Gott lieben und den Nächsten wie dich selbst. Ich fasse sehr kurz zusammen. Das sogenannte Doppelgebot der Liebe der pharisäische Schriftgelehrte stimmt ausdrücklich zu und Jesus sagt, du bist nicht weithweilig vom Reich Gottes. Also wir können wirklich nicht sagen, dass es hier zwischen Jesus und den Pharisäern solche grundlegende Differenzen gegeben hätte, die praktisch zum Tode geführt hätten. Wer aber dann? Zweite Gruppe, die wir hier ins Auge nehmen müssen, die Sadduzeer und hohe Priester.
Auch hier wieder hohe Priester ist eine Funktionsbezeichnung. Sadduzeer ist eine Richtung, religiöse Richtung, ist also ähnlich wie eben mit den pharisäerischen Schriftgelehrten. Auch hier gilt authentische Selbstzeugnisse der Sadduzeer zur Zeit Jesu sind nicht überliefert. Das heißt, wir müssen hier natürlich auch mit gewissen Verzerrungen rechnen. Mit aller Vorsicht, die Sadduzeer betrachteten sich offenbar als theologische Erden einer hochpriesterlichen Dynastie der Saddukiden, einer Dynastie, die bis auf die Zeit Davids zurückführte, waren aber selbst von ihrer Abstammung her genealogisch nicht Saddukide. Aber sie vertraten theologisch diese Position.
Ihr Interesse war ganz offensichtlich an Tempel und Kult orientiert. Wir haben einen großen Unterschied zu den Pharisäern. Die Pharisäer waren ja aufs Alltagsleben, auf die Praktizierung der Religion im Alltag bezogen. Das war ihr großes Anliegen. Jetzt könnte man nicht umgekehrt sagen, den Sadduzeern war der Alltag völlig egal. Das wäre sicherlich auch wieder eine Karikatur. Aber im Zentrum ihrer ganzen Aufmerksamkeit, im Fokus steht der Tempel und steht der Tempelkult. Wenn wir nun auf die Funktionsträger uns beziehen, so ist auffällig, dass in den Evangelien häufig nicht steht der hohe Priester, sondern die hohe Priester. Das ist eigentlich ein bisschen merkwürdig, weil es eigentlich ja immer nur einen hohen Priester gab.
Einen obersten Priester. Das war der hohe Priester. Aber es steht öfter die Pluralbezeichnung die hohe Priester. Wer war damit gemeint? Ganz offensichtlich waren damit auch ehemalige hohe Priester gemeint. Ganz offensichtlich dürften gemeint sein potenzielle hohe Priester. Wer das war, darauf komme ich gleich. Und es dürften wahrscheinlich auch die Inhaber der wichtigsten anderen Tempelämter gemeint gewesen sein. Also Tempeloberst, Tempelaufseher, Tempelschatzmeister. Also die könnten hier auch mit hineinspielen, diese Bezeichnung, die hohen Priester.
Ganz genau können wir es nicht sagen. Wer stellte die hohen Priester in dieser Zeit? Man muss sagen, seit dem Herrschaftsbeginn Herodes des Großen hatte das hohe Priesteramt zunächst einmal einiges an Bedeutung verloren. Weil Herodes wollte die wichtigsten Sachen alle gerne selber regeln. Und dann konnte natürlich das hohe Priestertum nicht abschaffen, aber hat versucht hier natürlich Leute seiner Gunst dahin zu setzen. Und von daher spielte das zunächst einmal hier keine große Rolle. Das ändert sich dann wieder ein bisschen, nachdem im Jahr 6 n. Chr. die Römer selber jetzt hier die Direktregierung übernommen haben. Judea war eine unruhige Provinz.
Der Nachfolger von Herodes dem Großen, sein Sohn, der war ein bisschen unfähig. Also hat man das selber in die Hand genommen ab 6 n. Chr. Und hier wird der hohe Priester zusammen mit diesen anderen Funktionsträgern, die es gegeben hat, so was wie ein Repräsentant des Judentums, des jüdischen Volkes, der jüdischen Selbstverwaltung. Aber auch hier gilt natürlich, ein hoher Priester war abhängig von der Gunst der römischen Provinzregierung. Und man kann sagen, das zeigt sich auch darin, dass hier sehr häufig die hohen Priester gewechselt wurden. Also sie amtierten oft nicht besonders lange. Allerdings gilt das nicht für den hohen Priester, der zurzeit Jesu im Amt war.
Das war eine Ausnahme von der Regel. Wen haben wir denn jetzt hier? Wir haben den Kajafas, Josef Kajafas. Hoher Priester von 18 bis 37 n. Chr. unter anderem während der gesamten Zeit des Pontius Pilatus. Von 18 bis 37, das sind ein paar Jährchen, da träumt mancher Regierungschef von. Das zeigt uns, dass dieser Mann nicht vollkommen unfähig gewesen sein kann. Er muss gewisse Qualitäten gehabt haben, sonst hätte er sich nicht so lange halten können. Die Qualitäten, die er hatte, die müssen jetzt nicht unbedingt religiös im engeren Sinne gewesen sein.
Das können wir so nicht beurteilen. Aber er muss auf jeden Fall Akzeptanz gefunden haben bei den römischen Stattheitern. Er muss ein geschickter Diplomat gewesen sein. Um aber ein geschickter Diplomat sein zu können, muss er andererseits auch wieder Einfluss auf die Bevölkerung gehabt haben. Denn wenn ich nur mit der einen Seite kooperiere und den Einfluss im eigenen Laden verliere, dann bin ich auch nicht mehr nützlich. Ist ja irgendwie logisch. Von daher können wir davon ausgehen, dass der Einfluss des Kajafas in Jerusalem durchaus nicht gering gewesen ist. Der Kajafas nun selber hatte eingeheiratet in eine Familie.
Sein Schwiegervater war der Hanas. Hanas war sozusagen der Kopf einer ganzen hohen priesterlichen Dynastie. Der war selber ein paar Jahre hoher Priester. Der hat es dann geschafft, Söhne zu hohen Priestern zu machen. Der Kajafas war sein Schwiegersohn. Das heißt, das war so eine ganze Klicke. Insgesamt gab es nur vier Familien, die dauernd die hohen Priester stellten. Wir haben ja eine dieser Familien. Daran sieht man, dass das jetzt durchaus etwas Elitäres, etwas Abgehobenes war. Das Leben dieser Gruppierung war sicherlich nicht das Leben des gemeinen Volkes. Das war schon etwas Aristokratisches. Wir können davon ausgehen, dass diese hohen Priester,
jetzt mal im Plural gesprochen, sehr starkes Interesse daran hatten, dass Ruhe und Ordnung in Jerusalem nicht gefährdet wurden. Schließlich hing nicht nur ihre eigene Position davon ab. Wenn man ein Amt hat, das ist bei allen Ämtern so, die erste Aufmerksamkeit ist immer, dass ich das Amt nicht verliere. Das ist allgemein menschlich. Aber dahinter stand noch mehr als nur pures Eigeninteresse. Sondern es war ja eine Gewährleistung des offiziellen Kultes. Der Tempel stand dafür für die Anwesenheit Gottes, für die Kommunikation mit Gott, für bestimmte zentrale Rituale, wie zum Beispiel am großen Versöhnungstag,
wo eben auch Sühnerituale durchgeführt wurden. Der Tempel war in der damaligen Anschauung sehr zentral für die Ausübung der Religion. Von daher hatten die hohen Priester hier entsprechend natürlich das Interesse, dass nichts passiert, was irgendwie diesen Tempelkult aufs Spiel setzen könnte. Ruhe, Ordnung, kein Aufruhr ist natürlich ein Interesse, was vielleicht aus anderer Intention heraus, aber sie dann letztendlich mit der römischen Besatzung teilten. Also so kann man von einer gewissen Interessenskoalition ausgehen
zwischen diesen hohen priesterlichen Kreisen und den Römern. Es gibt eine interessante Stelle im Johannesevangelium im 11. Kapitel. Und Johannes konstruiert hier eine Verbindung zwischen hohen Priester und Pharisäern. Aber die Interessen, die hier zum Ausdruck kommen, sind wohl eher die hohen Priesterlichen. Was sollen wir unternehmen, fragen Sie sich. Dieser Mensch tut viele Zeichen. Lassen wir ihn gewähren, so werden alle an ihn glauben, und die Römer werden kommen und uns Land und Leute wegnehmen. Die Römer werden kommen und uns Land und Leute wegnehmen. Das heißt, hier wird die Befürchtung geäußert, wenn tatsächlich diese Jesus-Bewegung weiteren Erfolg haben wird, dann wird es so unruhig, dass die Römer eingreifen werden,
dann haben wir den Salat. Also da muss man vorbauen. So war die Befürchtung. Und wie stark noch der Ruf des Hohen Priesters als Funktionsträger hier nachhallt, kann man daran erkennen, dass Kajafas jetzt eine unbewusste Prophetie in den Mund gelegt wird vom Evangelisten Johannes. Kajafas, von dem es heißt, der in jenem Jahr hoher Priester war, wir haben ja eben gehört, wie viele Jahre er war, der in jenem Jahr hoher Priester war, spricht dann zu den anderen, ihr bedenkt nicht, dass es für euch von Vorteil wäre, wenn ein einzelner Mensch für das Volk stirbt und nicht das ganze Volk zugrunde geht. Das aber, sagte er, nicht aus sich selbst, kommentiert der Evangelist, sondern als hoher Priester jenes Jahres weiß, sagte er, dass Jesus für das Volk sterben sollte und nicht nur für das Volk,
sondern auch um die zerstreuten Kinder Gottes zusammenzuführen. Also der Verfasser des Johannes-Evangeliums lässt den Hohen Priester praktisch hier eine, wenn Sie so wollen, christliche Wahrheit aussprechen. Gut, aber die Intention ist durchaus nicht ganz unglaubwürdig, Aufruhr vermeiden, und man will nicht unbedingt Blut sehen, aber dass eventuell mal in Kauf genommen werden muss, dass einer beseitigt wird, bevor ganz großes Unheil geschieht, ist natürlich durchaus ein Kalkül, was man nachvollziehen kann. Das bedeutet nicht, dass ich behaupte, dass es so gewesen ist. Ich sage nur, die Hohen Priester dürften ein Interesse daran gehabt haben,
Aufruhr zu vermeiden, um den Tempelkult zu gewähren. Jesus und seine Haltung zum Tempel, das ist ja gleich Thema, deswegen sage ich dazu nichts weiter. Dass die Hohen Priesterlichen Kreise eventuell ihre Finger mit im Spiel gehabt haben könnten bei der Verurteilung Jesus, das zeigt auch eine Bemerkung bei Flavius Josephus. Dieses Textstück ist zwar im Ganzen etwas umstritten, weil es ganz offensichtlich christlich bearbeitet worden ist, aber man geht davon aus, dass die Bemerkung, dass Jesus auch auf Zitat betreiben der vornehmsten unseres Volkes hingerichtet wurde, dass das noch nicht der christlichen Bearbeitung entspringt und dass das darauf hinweist,
dass eben gewisse führende Kreise, wie man so sagt, und damit können nur die Hohen Priester gemeint sein, dass die hier in gewisser Weise mit den Römern zusammengearbeitet haben. Mit den Römern, da sind wir natürlich bei Pilatus. Jesus hatte Gegner, das waren Juden, aber zu Tode gebracht wurde er von einem Römer. Pontius Pilatus, der hat es ja sogar ins Glaubensbekenntnis geschafft. Allerdings mit einer verharmlosenden Formulierung. Gelitten unter Pontius Pilatus, heißt es im apostolischen Glaubensbekenntnis oder in dem sogenannten großen von Nicea Constantinopel. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus. Unter, unter, unter. Es hört sich an wie eine Zeitangabe.
Man möchte das sozusagen historisch verorten, dass es real passiert. Man gibt an, wer war denn zu dieser Zeit der römische Stadthalter. So als hätte aber Pontius Pilatus selber nicht zwingend was damit zu tun gehabt. Es war halt unter Pontius Pilatus. Während zum Beispiel der römische Geschichtsschreiber Tacitus ganz klar sagt, durch Pontius Pilatus hingerichtet. Ja, von wem auch sonst? Ich meine, das war ja Aufgabe des Stadthalters. Pontius Pilatus von 26 bis 36 nach Christus Präfekt in Judea. Stammte aus einer vornehmen Familie, gehörte dem Ritterstand an. Und wenn wir auf die Quellen schauen, die wir über ihn haben außerhalb der Evangelien, so ist dieses Bild jetzt sicherlich auch nicht ganz neutral.
Aber es ist doch überwiegend das Bild eines Mannes, der wenig Verständnis hatte für die jüdische Religion und der in keiner Weise zimperlich war. Also Pontius Pilatus war jemand, der es durchaus, dem es durchaus nicht schwerfiel, jemanden in kurzen Prozess hier mal hinrichten zu lassen. Das war im Prinzip auch Aufgabe eines Stadthalters, muss man sagen. Also es ist jetzt nicht so, dass es einen Stadthalter disqualifiziert hätte, wenn er mal in einem kurzen Prozess da gemacht hat, hier als Kreuz. Also wenn er es nicht übertrieben hat, wenn er es nicht übertrieben hat, wenn er es übertreibt, wenn er zu hart ist, dann provoziert das ja Gegenwehr, dann provoziert das Aufstände. Und das will man natürlich nicht.
Und so werden also gerade Stadthalter, die zu sehr hier einschreien, zu gewalttätig sind, immer mal wieder abberufen von Rom aus. Weil man sagt, ja, also wenn du es zu sehr hier auf die Spitze treibst, dann haben wir hinter die Folgen zu tragen. Gut, also es gab hier schon im Laufe der Jahre gewisse Anklagen gegen Pilatus, also jetzt nicht im juristischen Sinne, sondern Vorwürfe. Er würde hier eben seine Macht zu sehr ausspielen. Und man muss davon ausgehen, dass Pilatus rein pragmatisch gehandelt hat. Also Pilatus hatte sicherlich kein Interesse an irgendwelchen religiösen Fragen der Juden. Das können wir ziemlich sicher ausschließen.
Wir können auch ausschließen, dass Pilatus einfach nur ein Getriebener gewesen wäre. Also das Verhältnis von Besatzer und Besetzten, sie so vorzustellen, dass die Besetzten zu Pilatus kommen und sagen, du machst jetzt mal hier. Und er sagt, ja, eigentlich will ich ja nicht. Doch, du machst jetzt. Wenn ihr unbedingt wollt, aber überlegt euch nochmal, Pilatus, du lässt den jetzt kreuzig. Ja bitte, bitte, wenn ihr sagt. Also ein solcher Hampelmann, der hätte sich sicherlich nicht zehn Jahre auf diesem Posten gehalten. Also da können Sie mal davon ausgehen, dass die Römer nicht zehn Jahre lang eine völlig unfähige Person auf diesem Stadthalter posten in so einer Provinz lassen,
wo es ja bekanntlich gerte, wo es ja schon verschiedene Aufstandsversuche gegeben hat. Also das war schon einer, der selber gerne das Heft in der Hand hatte. Da können Sie aber ganz sicher davon ausgehen. Und von daher müssen wir fragen, was hat der jetzt für ein Interesse gehabt, Jesus von Nazareth ans Kreuz zu bringen. Der kannte den ja wahrscheinlich gar nicht, würde man sagen. In Galiläa, ich meine, der wird jetzt nicht irgendwie da am See Ginesaret entlang spaziert sein. Und da haben wir gesagt, ach da höre ich mir mal ein bisschen so eine Rede an, gucken was der zu sagen hat. Also wir müssen davon ausgehen, dass Pilatus überhaupt erstmals in Jerusalem zur Zeit dieses Pessachfestes im Jahre 30 wahrscheinlich überhaupt von diesem Jesus aus Nazareth gehört hat. So, jetzt wissen wir nicht genau, was der gehört hat.
Denn auch sprachlich könnte die Verständigung ja etwas schwierig gewesen sein. Also im besten Fall konnten sich vielleicht Jesus und Pilatus ein paar Brocken griechisch verständigen. Also wir können davon ausgehen, dass das die Sprache war, die am weitesten verbreitet war. Also wir dürfen nicht davon ausgehen, dass Pontius Pilatus arameisch gesprochen hat. Und wir dürfen auch nicht davon ausgehen, dass Jesus lateinisch gesprochen hat. Also das ist ein bisschen schwierig. So, und ja, also das heißt, er wird irgendwelche Vorwürfe gegen Jesus gehört haben. Er wird seine Mannen ausgesandt haben, die ihm Bericht erstatten, wie auch immer. So, was wird er jetzt gehört haben? Irgendwie redete was von der Königsherrschaft. Ja, das ist doch irgendwie das Thema von Jesus gewesen.
Er ist der Bote einer Königsherrschaft, die da jetzt kommen wird. Wir nennen es meistens in unseren Übersetzungen Reich Gottes. Aber man kann es genauso mit Königsherrschaft Gottes übersetzen. So, diese Königsherrschaft Gottes, so hat es den Anschein, soll jetzt schon beginnen. Und sie soll, so macht es wenigstens den Eindruck, auch was wir dieser Person zu tun haben. Das hört sich aber jetzt gar nicht mehr so ungefährlich an. Also ich meine, wer, wenn überhaupt hier irgendwie König wird, also was ich so nennen darf, das bestimmen wir die Römer immer noch selber. Also hier irgendwie so ein Herodes Antipas oder was, ja, also das kommt, da darf sich vielleicht, oder Herodes der Große oder wie auch immer.
Also, die dürfen sich irgendwelche Titel zulegen, solange sie das nicht missbrauchen, ja, bitteschön. Aber es gibt ja nicht irgendwie Leute, die jetzt selber hier auftreten können und sagen, ja, wir, ja, bestimmen mal, wer König ist. Und ja, und dann diese Botschaft. Wir sind ja heute gewohnt zu sagen, Jesus war kein politischer Revolutionär, er war kein Rebell. Im engeren Sinne war er das ja auch nicht. Das ist sicherlich ein Missverständnis. Aber, dass die Botschaft Jesu völlig unpolitisch gewesen wäre, das ist nun auch eine Wahrnehmung, die so meines Erachtens nach nicht zu halten ist.
Denn wenn ich sage, eigentlich gibt es nur einen König, das ist Gott. Wenn ich sage, da wo Gott nahe ist, wo Gott seine Herrschaft aufrichtet, da werden Erste Letzte und Letzte werden Erste sein. Dann hört sich das aus Sicht eines römischen Stadthalters und möglicherweise auch aus Sicht der Ruhrpriester gar nicht so ungefährlich an. Das heißt, wenn Jesus offenbar, so sagt es ja der Titulus, zwar umstritten ist, aber nehmen wir ihn mal so. Also es gibt durchaus auch Gründe zu sagen, dieser Kreuzestitel, den hat es tatsächlich so gegeben, als König der Juden. Typisch Formulierung von außerhalb der Jude, wir selber würde ja sagen, König Israels, also als König der Juden hingerichtet wurde.
Dann ist das zwar ein Missverständnis gewesen, aber kein zufälliges. Ein nicht zufälliges Missverständnis. Pilatus macht kurzen Prozess mit demjenigen, der hier einen solchen Anspruch erhebt. Und er macht ihn nur, und damit schließe ich jetzt, weil Jesus Anhänger hat. Denn sonst wäre er nicht gefährlich gewesen. Es gibt einige Jahre später unter einem neuen Stadthalter, einige Jahre bevor der jüdische Krieg ausbricht, einen anderen Jesus. Jesus Ben Ananias. Der geht in Jerusalem umher, spricht Ruhrworte über die Stadt aus, gegen den Tempel und so weiter. Auch der wird vor den Prokurator gebracht. Der verhört ihn.
Und was passiert? Nix. Warum? Der hält ihn für bekloppt. Der hält ihn einfach für ein bisschen durchgedreht, für wahnsinnig. Aber Jesus aus Nazareth wird nicht für wahnsinnig gehalten. Er ist eine Bedrohung. Er ist keine direkte Bedrohung, keine militärische Bedrohung. Die Bewegung ist auch nicht so gefährlich, dass man seinen Anhänger direkt mit hinrichten müsste. Aber er wird als eine Bedrohung mittleren Grades eingeschätzt. Jetzt aus Sicht des Pontius Pilatus. Und deswegen sagt er, so, hier, Anmaßung, verkündet Königreich. Dieses Königreich hat was mit ihm zu tun. Mehr muss ich gar nicht wissen. Ab. Das heißt, im letzten starb Jesus dann zwar als Opfer eines Justizirrtums, obwohl die Römer das selber nicht so gesehen hätten.
Aber er starb letztlich dann doch wieder als Konsequenz aus seiner Botschaft. Aber nicht, weil die Juden gesagt hätten, er hat unser Gesetz übertreten. Sondern weil die Römer gesagt haben, der könnte uns gefährlich werden, gerade am Pestachfest. Zu viel Unruhe. Das vertragen wir nicht.
Jesus aus Nazareth und seine Gegner | 2.2.1
Hat Jesus aus Nazareth in einer Atmosphäre von “Love, Peace and Happyiness” gelebt? Oder lauerte hinter jeder Ecke ein böser Pharisäer, der ihm eine Falle stellen wollte? Und was ist überhaupt ein Pharisäer und war Jesus nicht vielleicht selbst einer?
Mit der Vorlesung “Die Gegner von Jesus aus Nazareth” gibt Dr. Thomas Breuer als zweiter Worthaus-Referent seinen Einstand. Er spricht aus der Sicht der historisch-kritischen Bibelwissenschaft und beschreibt in dieser Vorlesung das gesellschaftliche Umfeld des Mannes aus Nazareth. Dabei hinterfragt er gängige Einschätzungen und liefert erhellende Einblicke auf die in christlichen Traditionen begründeten Ursprünge des Judenhasses. Denn in der Tat ist es ja ein schwierig zu verstehendes Paradoxon der Geschichte, wie im “christlichen Abendland” die Herkunft des Religionsstifters und seine durch ihn bejahte Religion so weit ausgeblendet werden kann, dass “seine Volks- und Glaubensgenossen” derartig angefeindet wurden.