Mein Vortrag ist überschrieben mit Kirche. Was ist eigentlich Kirche und wenn ja, wie viele? Und ich würde gerne euch so ein bisschen mitnehmen, wo das Thema Kirche für mich einen Sitz im Leben hat. Ich komme aus keiner klassisch kirchlichen Familie. Ich blicke auch auf keine dezidierte kirchliche frühkindliche Bildung zurück oder Kirchenprägung zurück. Also kein Gute-Nacht-Gebet im Bett oder kein Kindergottesdienst, kein Vorlesen aus der Kinderbibel. Meine kirchliche Prägung, die hat erst später und vor allem selbst gewählt eingesetzt. Ich habe mich damals konformieren lassen, weil ich mir vom Geld der Konformationsgeschenke eine Gitarre kaufen wollte,
die ich bis heute noch habe und weil in der Jugendgruppe meine coolen Freunde waren. Und lange habe ich mit Kirche, also mit der klassischen Volkskirche oder der Kirchengemeinde am Ort als so gängiger Darreichungsform von Glaube, sag ich mal, eher gefremdelt. Und dieses Fremdeln, das begleitet mich bis heute. Das, was mich dann irgendwann für diese Gemeinschaft, diese christliche Gemeinschaft gewonnen hat und auch begeistert hat, war somit nicht die Kirche selbst, sondern das war geteilter Glaube. Das war Gottes Geist, der ja über diesem Pfingstwochenende steht, der mich mit meinen Brüdern und Schwestern verbindet und zwar über all die Unterschiede und Fremdheitsgefühle hinweg. Und es gibt ja viele Menschen und vielleicht seid ihr auch einige von denen, die von Kirche an sich begeistert sind und auch überzeugt sind von der Ortsgemeinde, von den Gottesdiensten, von der Kirchenmusik, von Angeboten und Kreisen.
Und die fühlen sich dort total wohl und zugehörig und für die ereignet sich dort überzeugend Glaube. Und bei mir war das immer umgekehrt. Ich bin eine brennende und überzeugte Christin. Da steckt total meine Begeisterung, Geist. Und ich habe auch ein Netzwerk an Brüdern und Schwestern, mit denen ich durch den Heiligen Geist im Glauben verbunden bin. Aber die Formen und Formate, in denen sich Kirche landläufig ereignet, die sind eigentlich in den meisten Fällen nicht meins. Die fordern mich zum Kompromiss heraus und ich würde jetzt mal so über den Daumen sagen, zu 90 Prozent der Fälle lebe ich meine christliche Identität im Kompromiss. Und aus dieser persönlichen Sehnsucht nach Kirche, der für mich, also ein Gefühl für mich nach Sehnsucht, nach relevanten Formen und Formaten für Kirche.
Daher heraus habe ich damals mich entschieden, Theologie zu studieren. Aus dieser Dynamik heraus bin ich Pastorin geworden. Und deshalb habe ich auch in praktischer Theologie promoviert. Nur deshalb, weil ich diese Sehnsucht habe und weil sich mir immer die Frage gestellt hat, ist das, wie sich Kirche um uns herum so gerade ereignet, wie ich das landläufig erlebe. Ist es die einzige Möglichkeit, wie Kirche sein kann? Oder geht da nicht vielleicht noch viel mehr? Und ich hatte schon ganz, ganz früh immer ein Rieseninteresse daran, zu erfahren, was denn die Bibel sagt, was unsere theologischen Grundlagen sind zum Thema Kirche. Und die Frage nach der Kirche war somit für mich der Hauptantrieb und ist für mich der Hauptantrieb für meinen Dienst als Christin und auch als Pastorin. Die Frage nach der Kirche, die treibt mich an voller Sehnsucht und voller Ungeduld und auch voller, ich nenne es mal, heiliger Unzufriedenheit.
Weil ich seit dem Konfirmandenunterricht damals, und da höre ich irgendwie noch sehr laut die Stimme der 13-, 14-jährigen Sandra in mir, immer noch in mir höre, Alter, wie genial ist bitte die Message, aber wie seltsam ist so oft die Umsetzung. Und das war mir wichtig vorwegzuschicken als Einleitung zu meinen sehr persönlichen Motiven, weshalb ich heute froh bin, mal zu diesem Thema reden zu dürfen, weil das wirklich mein Lebensthema im Glauben ist. Wie ereignet sich denn Kirche? Wie ereignet sich Nachfolge? Ecclesia, was ist eigentlich Kirche? Und wenn ja, wie viele? Und erlaubt mir gleich zu Anfang noch ein, zwei einschränkende Bemerkungen. Ein einführender Vortrag über Kirche, das ist ja auch ein ganz kleines Thema. Das ist ein Mammutthema und da liegt es total auf der Hand, dass ich das nur in groben Linien alles nachzeichnen kann.
Das wird sehr holzschnittartig sein. Wir werden auch teilweise echt Gas geben müssen, damit ich euch so ein umfassendes Überblicksbild überhaupt geben kann. Daher werde ich auf manche Felder nicht eingehen oder manches nur streifen. Und das ist mir ganz wichtig zu sagen. Ich werde beispielsweise nicht ausführlicher auf andere christliche Konfessionen eingehen können, wie die Freikirchen oder die orthodoxe Kirche. Auf unsere römisch-katholischen Brüder und Schwestern werde ich, wenn auch nur vereinzelt, so am Rande eingehen. Aber auch da kann ich keinen Fokus drauflegen, so sehr mein ökumenisches Herz blutet. Aber dafür reicht die Zeit nicht. Und ich werde mich mit meinem Blick sehr auf Europa beschränken. Das ist nicht, weil ich europazentristisch bin, sondern auch ist einfach der Zeit geschuldet. Wir haben es jetzt gestern schon gehört, gerade im Hinblick auch auf die charismatische, auf die Pfingstbewegung. Da spielt in anderen Ländern nochmal ganz anders die Musik. Ich hätte da gerne mit euch auch einen Einstieg gewagt, aber dafür reicht die Zeit leider nicht.
Somit, manche Themenstränge, da werde ich nur so am Rande drauf eingehen können und viel, wo es um die aktuelle Situation und die praktische Situation, auch im Zukunftsblick von Kirche geht, da werde ich morgen drauf eingehen. Von daher habt da auch ein bisschen Geduld, wenn noch Fragen überbleiben. Vielleicht komme ich dann morgen dazu. So, fangen wir an. Ecclesia. Was ist eigentlich Kirche und wenn ja, wie viele? Wir fangen mit dem Wort selber an. Das Wort Kirche selbst kommt sehr wahrscheinlich aus dem Griechischen von Kyrios her. Also somit wird gleich von Anfang an klar gemacht, zu wem diese Kirchensache gehört, maßgeblich und prägend, nämlich dem Herrn. Und oftmals wird das sogar noch deutlicher ausgedrückt Kyriakos, also dem Herrn zugehörig. Und ich finde, das ist eine sehr schöne Vorstellung, die wir uns auch durchaus mal zu Gemüte führen sollten, nämlich dass das dem Herrn gehört.
Die Entwicklung des Wortes selbst zeigt, der Herr ist grundlegend in und für seine Kirche. Und die andere Schneise zu unserem heutigen Kirchenbegriff, die hängt mit dem griechischen Ecclesia zusammen. Ecc für raus hinaus und klesis für Ruf oder Einladung. Kirche, also Ecclesia, ist somit die Beschreibung der Herausgerufenen und charakterisiert eine Versammlung von Menschen. Aber nicht, weil die sich versammeln, sondern weil Jesus Christus die versammelt, weil die im Heiligen Geist versammelt sind. Ein von Gott zusammengetrommelter Haufen und kein selbstgewähltes Klicken treffen. Die Ecclesia, also die Gemeinschaft der von Gott herausgerufenen, ist ein ganz, ganz früher Begriff.
Kennen wir schon aus dem Urchristentum in der Jerusalemer Urgemeinde. Der wurde da schon ganz früh genutzt. Und die Gemeinschaft der Kirchenbegriffe, die in der Kirche vertreten ist, ist in der Kirche von Galater 1, 13. Paulus erinnert sich da, wie er selbst die Gemeinde verfolgt hat und nennt die in diesem Zusammenhang Ecclesia. Und diese neustestamentliche Vorstellung von Ecclesia, die knüpft auch an das hebräische Kahal oder Kahal Adonai an, Versammlung Gottes. Und zum Beispiel von Paulus allgemein für die Ecclesia insgesamt. Das heißt, wir haben zum einen Kirche lokal im Kleinen und zum anderen Kirche insgesamt und allgemein. Wo wir gerade bei Bibel sind, bleiben wir da nochmal kurz und schauen nochmal grundsätzlich exegetisch.
Wo ist in der Bibel von Kirche die Rede? Jesus selbst spricht nicht direkt von Kirche und trotzdem lassen sich bei ihm Hinweise für eine implizite Ecclesiologie finden. Also zum Beispiel deuten viele Theologinnen und Theologen diese immer wiederkehrende Ankündigung vom Reich Gottes, dass das immer schon eine Vorbereitung ist auf das, was nachösterlich weitergeht. Dass diese Jesus-Bewegung auch mit Ostern kein Ende hat, sondern dass es eine Vorbereitung ist für das, wie dann auch immer sich Kirche entwickeln kann. Und auch Jesu Aufrufe zur Nachfolge an den Tisch des Herrn, zur Jüngerschaft. Die werden von vielen Theologinnen und Theologen als Hinweise für eine wie auch immer geartete Nachfolge hin zu einer Kirche hergedeutet. Und schon früh hat sich auch in der frühchristlichen Bewegung die Deutung eingebürgert, dass diese Momente, wenn in der Rede Jesu, Reich Gottes, mit der Metapher der Hochzeit verbunden werden.
Dass das auch eine Deutung ist im Hinblick auf das, wie wir heute Kirche denken. Also Kirche als Braut Christi, Epheser 5, 25 bis 27 oder Offenbarung 21,2. Das war jetzt so der Jesus-Bereich. Wir zoomen noch mal ein bisschen raus, schauen nochmal genereller. Ein paar biblische Bilder, die sich im Neuen Testament im Zusammenhang mit Ekklesia, also nochmal immer denken, die herausgerufenen, die sich da ergeben, ist zum einen, wie ja gerade schon gesagt, das sind lokale Gemeinschaften. Also zum Beispiel 2. Korinther 1,1, Ekklesia Gottes, 1. Korinther 11,16, das beschreibt eine lokale kirchliche Wirklichkeit im Kleinen, im Begrenzten auch. Und Paulus nutzt auch Ekklesia ganz allgemein für die Gesamtheit der Herausgerufenen.
1. Korinther 10,32 zum Beispiel. Das heißt, wir haben immer diesen Schwenk, man weiß nicht, ist das jetzt nur das Kleine oder das Allgemeine? Es ist ein sehr großer Begriff. Und dann werden auch viele Metaphern genutzt, die mit dieser Ekklesia immer zusammen genutzt werden. Also zum Beispiel Ekklesia als Leib Christi, kennen wir ja Römer 12. Wir sind die vielen im Leib Christi, es klang ja auch gestern schon an. Die Berufenen Heiligen zum Beispiel als Ekklesia, also wo von der Kirche Gottes als den in Jesus Geheiligten gesprochen wird, die sind auch herausgerufen. Ekklesia als Gottes Haus, kennen wir aus dem ersten Petrusbrief, lasst euch als lebendige Steine aufbauen zu Gottes Haus. Das ist auch die Ekklesia. Und dann ganz viele kleine einzelne Beschreibungen für die Gruppe der Christinnen und Christen als königliches Priestertum, als Volk Gottes, als Herde Gottes. Das wird dann immer in Zusammenhang mit der Ekklesia genutzt. Also somit, wenn ich das zusammenfasse, kann man sagen, alle Christinnen und Christen weltumspannend und vor allen Dingen in Raum und Zeit,
auch die vor uns, die nach uns, alle zusammen als Ekklesia, aber dann im ganz kleinen bis hin in die konkrete christliche Gemeinschaft am Ort, sogar bis in die Kleinstgruppe wie die Institution Kirche im Haus als Hausgemeinde, als christliche Hausgemeinde. Und daher meint der Begriff Hausgemeinde, Ortsgemeinde, übergeordnete Gemeinschaft die Summe aller Getauften und ist somit als theologische Größe unglaublich schwer zu greifen. Schon Luther fand das damals extrem schwierig und hat in seiner Übersetzung der Bibel Ekklesia oft einzig mit Gemeinde übersetzt. Das war bei ihm ja damals schon nicht immer nur die Ortsgemeinde und biblisch ja auch nicht, wie wir gerade festgestellt haben. Und somit lohnt sich immer noch mal genau nachzugucken, was denn genau Kirche ist.
Also was Kirche ist und was Gemeinde ist im Sinne von Kirchengemeinde, also spezifische Gemeinschaft oder Versammlung am Ort. Gerade hier in Deutschland, wenn wir mit der Lutherbibel arbeiten und in unserer Bibelübersetzung immer nur Gemeinde lesen, vielleicht dann sogar auch nur Kirchengemeinde denken und in der Bibel steht aber eigentlich Kirche. Griechisch Kirche, größer, allgemeiner, entweder im Kleinen oder im Großen. Also ihr merkt schon diese Parallelität und diese plurale Nutzung von dem Kirchenbegriff macht eine Klärung und vor allem eine Differenzierung extrem schwer. Das sehen wir gleich noch und auch morgen noch. Und deswegen ist es wichtig, gerade wenn wir in diesen Tagen immer gucken, wie hängen Heiliger Geist und Kirche zusammen? Brauchen wir im Zeitalter der Individualisierung überhaupt noch Kirche? Kann ich nicht glauben ohne Kirche. Wie geht christliche Gemeinschaft?
Dann bitte ich euch, das immer mitzudenken, an welchen Stellen es um Kirche geht und an welchen Stellen es um Gemeinde geht, in einer vorfindlichen Form, wie sie uns jetzt gerade zufällig kulturell gerade vertraut ist, aber vielleicht gar nicht sich unbedingt aus dem biblischen Bild ergibt. Also von daher bitte im Hinterkopf behalten. Wenn wir uns heute Vormittag der Frage widmen, was ist Kirche? Dann lohnt es sich mal zu schauen, was wir so im theologischen Handwerkskasten haben und was uns da die Frage beantworten oder vielleicht erleichtern kann, die sie zu beantworten. Denn wir müssen das Rad ja nicht neu erfinden. Diese große Frage haben sich ja schon verschiedene theologische Disziplinen vorher gestellt. Und das ist, glaube ich, gut auf dem aufzubauen, was die Theologinnen und Theologen sich schon vorher an Werkzeugen, Methoden und Konzepten zur Eignung gemacht haben. Und daher gehe ich jetzt mit euch in so einem Sauseschritt durch die Fachdisziplinen der Theologie und schaue, was die uns für die Beantwortung unserer Frage bieten können.
Was ist eigentlich Kirche und wenn ja, wie viele? Wir haben jetzt ja gerade schon einen kleinen exegetischen Blick in die Bibel gewagt und jetzt folgen systematische Theologie, Kirchengeschichte und praktische Theologie. Wir steigen jetzt ein mit der systematischen Theologie und ich sage gleich, ich schummel so ein bisschen, weil ich packe in den systematischen Teil die Kirchengeschichte mit rein. Dann haben wir gleich zwei in eins. Innerhalb der systematischen Theologie, genauer gesagt innerhalb der Dogmatik, gibt es schon lange ein eigenes Spezialgebiet, das sich ausschließlich dieser Frage nach der Kirche widmet, der Ekklesiologie. Da haben wir nämlich wieder die Ekklesia, die haben es zum Namen gemacht, Ekklesiologie. Und diese Ekklesiologie, die stellt die grundsätzlichen Fragen nach Kirche, also so Sachen wie Was ist eigentlich Kirche? Was ist ihre Aufgabe? Was ist ihr Wesen?
Wie ist sie charakterisiert? Wie ist ihre Struktur? Manchmal fragt die Ekklesiologie auch, ist das da eigentlich wahre Kirche? Wir steigen mal ekklesiologisch ein. Eine Sache, um die man nicht herumkommt bei der Beschreibung von Kirche in der Systematik, sind die sogenannten Note Ekklesiae, also Kennzeichnungen von Kirche. Diese, ich nenne es jetzt mal soft skills von Kirche, die gehen auf das Bekenntnis von Nicea zurück, das Niceno Constantinopolitanum. Wenn ihr mal ein gutes Wort für Scrabble sucht, vergesst das Wort Niceno Constantinopolitanum, weil Scrabble hat nur 15 Felder. Es ist zu lang. Für euch getestet. Bitte danke. Also dieses Bekenntnis stammt aus dem Jahr 381, einer Zeit, in der das junge Christentum sich damals rasant ausbreitete.
Kirche hat sich da ganz vielfältig und vor allen Dingen ganz unterschiedlich entwickelt. Und da brauchte es damals eine deutlichere Klärung, was es mit diesen Christinnen und Christen nun auch sich hat. Und vor allem, was ist denn genau dann Kirche und was eben auch nicht? Und in diesem klärenden Bekenntnis damals hieß es, wir glauben die eine heilige apostolische Kirche. Das sind vier Kirchen Kennzeichen, die Note Ekklesiae, die wir uns jetzt genauer anschauen wollen in einzelnen Schritten. Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität. Wir fangen mit der Einheit an. In der evangelischen Theologie deuten wir, dass die Einheit in Kirche durch ihre Entstehung, also durch den Ursprung gegeben und gesichert ist.
In der Ausprägung und in der Art, wie sich Kirche seitdem ganz unterschiedlich und vielfältig entwickelt hat. Das sind quasi wie so eine Art, wie beim Baum so Äste. Aber durch den gemeinsamen Ursprung sind wir in der Wurzel geeint. Und römisch-katholischerseits, ähnlich auch orthodoxerseits, ist das ein bisschen anders. Die Brüder und Schwestern da sehen die Einheit der Kirche als zentrale Aufgabe und Dienst und sehen Einheit daher auch auf Kontinuität und Verlässlichkeit bezogen. Und zwar in Amt und Institution. Das heißt, die führen das fort, was Jesus Petrus als Aufgabe gegeben hat. Matthäus 16, 18. Du bist Petrus. Auf diesen Felsen Petrus, Petros, baue ich meine Kirche. Das heißt, dieser römisch-katholische Gedanke von Einheitsdienst, der sich seitdem weiter vollzieht.
Und da sehen wir jetzt das Dilemma. Römisch-katholischerseits und orthodoxerseits ist die Deutung von Kirche an die Sakramente nur und allein an sie gebunden. Und evangelischerseits sind wir ein bisschen offener. Wir sagen, die gemeinsame Wurzel ist die eine Einheit. Und die Ausprägungen und Varianten, die sind dann durchaus verschieden, dürfen sie auch sein. Jeder Jeck ist anders. Wir können somit evangelischerseits theologisch das viel Pluraler denken. Und das ist ökumenischerseits halt ziemlich bitter. Wenn wir, und auch traurig, wenn wir jetzt gerade beim Thema Einheit merken, dass wir bei der Einheit so unterschiedliche Vorstellungen haben. So, wie haben wir es jetzt gemacht im ökumenischen Diskurs? Wir kommen diese beiden sehr unterschiedlichen Deutungen von Einheit zu einer ökumenischen Lösung, wo alle, wo halbwegs mitgehen können.
In der ökumenischen Bewegung, zum Beispiel im ökumenischen Rat der Kirchen, ÖRK, haben die so eine Art Krücke. Die reden jetzt mittlerweile immer von der sichtbaren Einheit. Und das ist so ein Bild von Einheit, die quasi da ansetzt, wo wir uns als Gemeinschaft empfinden, im sichtbaren Feld. Und obwohl wir vielleicht in darunter liegenden Theorien ein bisschen auseinander gehen, sind wir in der sichtbaren Einheit miteinander verbunden. Und das ist was, wo alle so halbwegs mitgehen können. Also somit erste Charakteristik von Kirche, Einheit. Das zweite Kennzwein von Kirche ist Heiligkeit. Das ist jetzt ein bisschen einfacher und auch nicht so kritisch. Heiligkeit meint, dass die gute Botschaft für die Kirche steht und die in und durch Kirche verkündigt wird, dass die gute Botschaft Gottes in die Welt kommt.
Also Evangelium und Gegenwart Gottes zeigen sich in und durch Kirche und zwar auf, Achtung, heilige Art und Weise. Und jetzt nicht so holy holy, sondern Heiligkeit in Kirche wird eben nicht durch das moralisch-religiöse Tun der Anhängerinnen und Anhänger bewirkt. Nee, es hängt nicht an uns, sondern es ist ja Gott, der seine Kirche heilig macht. Jede Kirche, die das anders sagt, ist theologisch und biblisch eigentlich nicht lauter. Denn es geht ums große Ganze, um jeden und jede Einzelne, aber letztlich als Teil der Gemeinschaft der Heiligen. Hans Küng, katholischer Theologe, ich glaube auch Tübinger Zeit, sind wir nicht da? Ja, danke. Als Ostfriesin kenne ich mich da nicht aus, muss ich noch mal fragen, aber Martin, nix. Gut. Hans Küng sagt zum Beispiel ganz deutlich Heiligkeit in Kirche meint auch personale Heiligkeit.
Also die Summe der Einzelnen, die in der Gemeinschaft der Heiligen durch den Heiligen Geist zusammenkommt. Somit, es hängt schon an uns, aber nicht durch uns. Das heißt, Heiligkeit von Kirche heißt auch nicht, jetzt möglichst viele, ich sag mal, Kirchensachen als heilig zu deklarieren. Die Heilige Kirche, die heilige stille Zeit, der heilige Gottesdienst, die heilige Kirchenglocke, die heilige Hose. Institutionen, Orte und Zeiten von Kirche als heilig zu titulieren, stiftet per se keine Heiligkeit. Sondern glaubende Menschen, die durch Jesus Christus heilig werden, die machen die Kirche heilig. Die kommt von Gott, nicht von uns. Und somit eine Kirche, die um diese Verfehlung weiß, für was anderes zu stehen. Christinnen und Christen, die wissen, dass das Heil nicht aus ihrem eigenen Tun kommt, aus ihrem geschäftigen Wirbeln und ihrer Produktivität,
sondern dass die Heiligkeit von Gott kommt. Das ist eine Kirche im Wandel, womit Herr Neuer Raum hat. Und das ist eine heilige Kirche. Drittes Kennzeichen. Katholisch. Achtung, nicht römisch-katholisch. In diesem Niceno Constantinopolitanum, da gab es in dem Sinne noch nicht das Katholische, wie wir es heute denken. Katholisch ist dafür grundsätzlicher. Es kommt vom griechischen Katholikos und heißt allgemein, universell, das Ganze betreffend. Und ich sage jetzt mal so flapsig, das ist unser eingebauter Schutz vor Kirchturmdenken. Katholisch meint, es geht bei dieser großartigen Sache Christi eben nicht nur um unsere kleine, spezielle Gemeinde in Kleinkleckersdorf, sondern wir gehören alle, verbunden im Heiligen Geist, durch eine riesengroße Sache, die noch viel größer ist als wir.
Und die es immer mit zu bedenken gilt. Kirche ist eben größer, allgemeiner, universeller Katholikos. Allgemein. Und daher ist es auch total gut, evangelisch Kirche katholisch zu denken und auch zu deuten. Eben nicht vom eigenen beschränkten Bild von Kirche auszugehen oder das womöglich auch noch zu enormen um zum Maßstab von allem zu machen, sondern sich immer zu sagen, ich bin ein Teil davon und das geht noch weit darüber hinaus. Kirche ist Katholikos, viel größer noch, umfassender. Letztes Kennzeichen Apostolizität. Und das beschreibt, dass die Kirche ihrem eigenen Ursprung gegenüber treu geblieben ist. Und dieser Ursprung kann zum einen inhaltlich ausgelegt werden, also beispielsweise eine Kirche, die apostolisch ist, die weiß, dass sie in Übereinstimmung zur bisherigen Lehrmeinung bleiben möchte. Inhaltlich.
Und Apostolizität kann aber zum anderen auch eine personale Ebene haben, also ein Verständnis, dass die Apostolizität von Kirche durch die kontinuierliche persönliche Weitergabe gesichert wird. Man spricht davon der sogenannten apostolischen Succession. Das ist so eine Art Staffelstabübergabe, die uns heute mit den Aposteln und Apostelinnen von damals noch verbindet. Das kann man zurückverfolgen. Diese Deutung ist in der römisch-katholischen Kirche verbreitet. Die nennen diese Staffelstabübergabe Amtssuccession und das wird dann quasi durch Weihe immer weitergegeben. Und evangelischerseits hingegen gehen wir auch spannenderweise von einer apostolischen Nachfolge aus. Aber wir schließen dabei alle Christinnen und Christen mit ein. Im Protestantismus haben wir auch einen Rückbezug auf die Apostel damals, aber in einer Succession aller Gläubigen.
Wir sind, wir alle sind durch unser Zeugnis heute in der Welt mit unseren Urmüttern und Urvätern von damals verbunden. Da sage ich auch mal mutig nicht nur Apostel, sondern auch Apostelinnen. So, das ist jetzt meine Aufgabe hier. Ich sorge dieses Wochenende für die Frauenquote. Dann sage ich das jetzt mal so. So, fassen wir nochmal zusammen und schauen wir gemeinsam drauf. Das waren jetzt die vier Kennzeichen von Kirche. Charakteristika oder man könnte jetzt auch in theologisch schlau sagen Note Ecclesiae. Das war Einheit, Heiligkeit, Katholizität, Apostolizität. Und der Theologe Jürgen Moltmann sagt, dass diese Note Ecclesiae uns hinweisen auf das Wesentliche in Kirche. Wesentlich. Und deswegen werde ich jetzt und auch bei den noch folgenden Konzepten und theologischen Beispielen euch kurz Zeit geben, in den Praxischeck zu gehen.
Ihr könnt jetzt mal mit Blick auf eure derzeitige Situation, wie ihr Kirche erlebt, in die Anwendung gehen und kurz für euch selbst prüfend überlegen. Diese Kriterien für das Wesentliche. Könnt ihr die anlegen auf eure kirchliche Wirklichkeit, auf das, wie ihr im Moment Kirche erlebt. Passt das? Was haben wir gehört? Der erste Schritt war Einheit. Wo nehmt ihr bezogen auf euer Setting Kirche in Einheit wahr? Wo spürt ihr ein wirklich ehrliches Bemühen um geschwisterliche Verbundenheit? Falschismen gibt es ja nicht nur in der großen Kirchengeschichte, sondern alltäglich in Gemeinden und Kreisen und christlichen Initiativen und in christlichen Social Media Accounts und meinungsmachenden christlichen Nachrichtenagenturen.
Also wo nehmt ihr innerhalb von Kirche ein wirklich ernsthaftes Bemühen um geschwisterliche Verbundenheit und Einheit im Heiligen Geist wahr? Weil es wichtig ist und weil es ein Kennzeichen von Kirche ist. Wir spüren die Einheit zum Beispiel oder auch Zugehörigkeit in den Sakramenten, in Taufe und Abendmahl. Manche auch an Orten wie Tesee oder dem Kirchentag, wenn einfach vieles zusammenkommt oder jetzt vor ein paar Tagen beim Christeville in Erfurt. Manche erkennen Einheit in der Form von Solidarität, die eben über die Gemeindegrenzen hinausgeht. Und Achtung, Einheit heißt jetzt nicht Einheitlichkeit oder Uniformität. Wir haben ja gestern schon von Siki gehört, ein Leib und viele Glieder. Ein Leib und viele Glieder ist halt auch ein vielfältiges Bild. Das sind unterschiedlichste Extremitäten, aber die sind im Körper in Einheit. Also somit, das ist ein Bild von Einheit in Verschiedenheit.
Und wo nehmt ihr das wahr? Wenn ihr auf eures guckt, bezogen auf Kirche, wo nehmt ihr Einheit wahr? Spürbar, sichtbar. Selbstcheck, zweiter Schritt Heiligkeit. Wo nehmt ihr bezogen auf euer Setting, auf eure kirchlichen Erfahrungen Heiligkeit wahr? Wo strahlt dieses Heilige in eure Wirklichkeit durch, die euch umgibt? Und eben jetzt, wie gesagt, nicht in Form von Formaten und Zeiten, die in so einem heiligen Stand erhoben werden, sondern Momente, in denen klar wird, dass das Heilige von Gott kommt, dass es Gott ist, der uns heilig macht. Wo begegnet uns Kirche vielleicht auch als umkehrende Kirche, die eben sich nicht heilig heilig um die eigene Heiligkeit dreht, sondern bewusst sich so inszeniert, dass klar ist, dass der Fokus auf Gott liegt und ihm die Ehre gebührt, weil seine Heiligkeit uns heilig macht.
Wo existiert in eurem Umfeld, in eurer Wahrnehmung von Kirche, Kirche nicht als heiliger Selbstzweck, sondern heilig als Ekklesia, als Herausgerufene im Dienst fürs Reich Gottes aktiv? Dritte Kategorie, jetzt nochmal Praxischeck. Wo nehmt ihr in eurem Setting Kirche in Form von Katholizität wahr? Diesen größeren, allgemeineren Rahmen, der deutlich macht, dass die kleine Gemeinde nicht alles ist und nicht der Nabel der Welt. Wo habt ihr schon mal bewusst wahrgenommen, dass Kirche ganz bewusst nicht selbst fixiert, abgekapselt, sich selbst genügt, sondern immer auch das andere sucht? In dieser katholischen Dimension liegt ja durchaus auch was Missionarisches. Ein Interesse daran, was Gott an anderen Orten schon tut, eine Neugier.
Dass eine Kirche katholisch ist, ist ja keine statische Selbstbeschreibung eines Zustands, sondern es ist eine Berufung, die sich immer wieder im Tun neu füllt. Auch in Form von Mission. Also wo habt ihr Kirche schon mal so katholisch mit so einem aktiven Blick über den Tellerrand in der missionarischen Neugier erlebt? Und letzter Schritt für euren persönlichen Selbstcheck, für eure persönliche Anwendung Apostolizität. Wo habt ihr euch das letzte Mal ganz aktiv verbunden gefühlt mit den Urvätern und Urmüttern unseres christlichen Glaubens, mit dem, was denen damals schon wichtig war, so wie uns heute? Oder anders gesagt oder auch andersrum gesagt. Wo habt ihr wahrgenommen das letzte Mal, dass Christinnen und Christen heute ganz aktiv den Staffelstab an die nächste Generation von Apostelinnen und Aposteln heute weitergeben in Kirche und ihnen zutrauen und auch vertrauen,
dass sie die Sache Christi auf ihre und vielleicht eine ganz andere Art und Weise auch wieder weitertragen in die nächste Epoche, ins nächste Zeitalter. Wo habt ihr das schon mal in eurem kirchlichen Umfeld erfahren, dass Menschen als Apostelinnen und Apostel verkündigen, authentisch, was die Botschaft Christi mit ihnen macht und was daraus an Kirche entstehen kann? Apostolizität. Das war jetzt die Anwendung, der kleine Praxischeck von diesen vier Kennzeichen, den Notier Ecclesiae. Mir ist immer wichtig, dass wir bei so theologischen Konzepten auch immer gucken, wo sitzt das bei uns im Leben? Wo zeigt sich das? Und dass wir das als als zu Kriterien auch anlegen können auf unseren Alltag. Und ich hoffe, das hat sich jetzt in der Adaption für euch auch individuell gefüllt und erschlossen.
Ich habe ja gerade schon eingangs gesagt, dass diese Ecclesiologie als Fach innerhalb der Dogmatik, dass es das schon sehr, sehr lange gibt. Genauer gesagt seit dem 16. 17. Jahrhundert in der Zeit, so durch Reformation, auch gegen Reformation gab es eben damals immer wieder Fragen nach dem, was eigentlich Kirche ist und vor allen Dingen wie viele. Es war damals sehr, sehr virulent und in der Zeit ist das entstanden. Und Luther hat sich damals ja sehr, sehr stark an der römisch-katholischen Kirche, also die hieß damals nicht so, aber an der Struktur, dem Status quo damals, der zugrunde liegenden Struktur damals sehr abgekämpft. Und somit sind diese Notier Ecclesiae für ihn auch immer nicht jetzt nur unproblematisch gewesen. Er hat die akzeptiert und er liest die auch gelten. Aber der fügte in seinen Reformen noch Kennzeichen hinzu. Ich zitiere mal Luther aus dem Jahr 1520. Zeichen, dabei man äußerlich merken kann, wo die Kirche in der Welt ist, sind, nein, seien die Teuf, das Sakrament und das Evangelium.
Also somit Kirche ist, wo Taufe, Sakrament und Evangelium zu finden sind. Das zeigt sich auch in der sogenannten Confessio Augustana, dem Augsburger Bekenntnis aus dem 16. Jahrhundert, das damals so ein bisschen die protestantische Lehre und Praxis festgehalten hat. Und Achtung, das ist jetzt so wie gerade schon beim Niceno Constantinopolitanum. Das ist ein Bekenntnis, was damals zusammengefasst hat, wie damals Kirche zu verstehen war und auch noch andere Glaubensfragen. Aber Kirche kam da maßgeblich vor, somit sind ganz oft Bekenntnisse, die abbilden, was zur jeweiligen Zeit Kirche war. Also zurück zum Augsburger Bekenntnis, zur Confessio Augustana. Und da heißt es schon ähnlich wie gerade bei Luther. Kirche ist eine Versammlung der Heiligen, wo das Evangelium Recht und Rein gepredigt wird und die Sakramente Recht verwaltet werden.
Evangelium und Sakramente, Sakramente meint Tauf und Abendmahl. Und das ist somit für die Confessio Augustana, das sind die zentralen wesensbeschreibenden Charakteristiken von Kirche. Wo sie sind, da ist Kirche. So, ganz kurzer drolliger Zwischenexkurs. Kleiner Schlauschnacker Hinweis für euch. Wenn Theologinnen und Theologen bei irgendwelchen Diskussionen immer wieder von CA7 reden, dann ziehen die für gewöhnlich keine Fußballverbindungen zu Cristiano Ronaldo. Das habe ich für euch getestet. CA7 ist einfach die Abkürzung für Confessio Augustana Artikel 7, wo eben aufgeführt wird, was Kirche ist. Und mir geht es oft so, wenn ich so mit dem halben Ohr Fußballreportagen höre und die dann über diesen Mann, der da über das Feld läuft, mit der 7 auf dem Trikot,
wenn die dann immer sagen, ja, bla bla, ein CA7, dann denke ich ganz kurz, wo ereignet sich da auf dem Fußballplatz Kirche? Also ihr merkt schon, ich höre ein bisschen schlecht. Ich kenne mich auch nicht gut mit Fußball aus. Aber ich wollte euch von ganz bösen Missverständnissen da bewahren. Also ich rede jetzt von der CA7, nicht CR7, also Confessio Augustana Artikel 7. Wir haben gelernt, die Gemeinschaft der Heiligen kommt zusammen und dort wird das Evangelium reingepredigt und die Sakramente recht verwaltet. Gemeinschaft der Heiligen war zu Luthers Zeiten ein ganz bewusster, provokanter Affront gegenüber der institutionalisierten Kirche damals, dem Amtsverständnis. Gemeinschaft der Heiligen heißt für Luthers Deutung du und ich.
Also nicht nur Berufskristinnen, geweiht, ordiniert, berufen oder sonst wie organizationslogisch in irgendeinen besonderen Stand gehoben. Gemeinschaft der Heiligen, das sind alle Gläubigen. Im siebten Artikel des Augsburger Bekenntnisses der CA steht, dass Kirche sich da ereignet, wo du und ich zusammenkommen, als Gemeinschaft der Heiligen. Und dann eben nicht nur apostolische Succession durch so eine Staffelstabweitergabe innerhalb von so einer ausgewählten institutionalisierten Elite, sage ich jetzt mal, sondern was wir hier protestantisch haben, ist ein super inklusiver Kirchenbegriff, der uns alle meint. Also wenn wir zusammenfassen, können wir sehr vereinfacht sagen, für uns Protestantinnen und Protestanten ist unsere prägende Kirchendefinition Kirche ist, wo die Gemeinschaft der Heiligen zusammenkommt, wo das Evangelium reingepredigt wird und die Sakramente recht verwaltet werden oder kurz und knackig Wort und Sakrament im Mittelpunkt stehen.
So, schwupps, haben wir schon wieder das nächste Problem. Das habe ich ja gerade eben gesagt. Ja, es gibt die Note der Egläser, das sind vier Einheit, Heiligkeit, Katholizität, Apostolizität als Kennzeichen von Kirche. Und jetzt sage ich ja, protestantisch haben wir die Wesensbeschreibungen. Das sind die reformatorischen Wesensbeschreibungen, nämlich vor dem Sakrament. Ja, da sind wir mittendrin in so einer ökumenischen Diskussion. Diese vier vorreformatorischen Kennzeichen sind die eine Seite und diese Wesensbeschreibungen sind die andere Seite. Und Gott sei Dank hat sich in den ökumenischen und auch interkonfessionellen Diskussionen in den letzten Jahrzehnten echt viel getan. Und man sieht das mittlerweile nicht mehr als so ein Gegeneinander, sondern als ein Miteinander. Etwas, wo sich Kennzeichen und Wesensbeschreibungen in Kirche überlappen und wo das eben auch so eine gewinnbringende und durchaus positive Ergänzung ist. Wechselseitige Befruchtung.
So, jetzt habe ich ja gerade gesagt Wort und Sakrament, protestantische Wesensbeschreibungen. Auch da würde ich gerne nochmal mit euch in die Anwendung gehen, in euren Praxischeck. Kirche, wo die Gemeinschaft der Heiligen zusammenkommt, nämlich indem das Evangelium rein gepredigt wird und die Sakramente recht verwaltet. Guckt nochmal auf euch. Wo ist euch Kirche auf diese Art und Weise zuletzt bewusst aufgefallen? Kirche als Gemeinschaft der Heiligen, die sich über die Zugehörigkeit zu Jesus definiert und nicht in erster Linie durch eine Gemeindezugehörigkeit. Oder durch eine Kirchenmitgliedschaft oder durch euer Amt oder eure Stellung innerhalb von eurer Kirchengemeinde oder durch euer ehrenamtliches Engagement. Wo hast du dich nochmal auf einer ganz anderen Ebene als Teil der Gemeinschaft der Heiligen empfunden?
Sehr gut, Amen, Halleluja. Und dann, wo wurde dir das Evangelium erschlossen? Wo wurde dir die frohe Botschaft rein gepredigt? Wo kam das in Kirche als Kern zum Vorschein? In dem Gottesdienst? Vielleicht auch gestern Abend noch beim Ausklang, beim Bier? Weil dieses heilsbringende Evangelium Jesu, das kann sich ja ganz unterschiedlich ereignen, nicht nur im sonntäglichen Gottesdienst. Das heißt, wo wurde dir das letzte Mal das Evangelium rein gepredigt? Und schließlich das letzte, wo hast du erlebt, dass die Sakramente, also Taufe und Amt, so kraftvoll waren, dass sich in dem Moment dir erschloss, das hier ist Kirche? Also Taufe als Feier der Liebe Gottes, wo eben klar ist, dass wir uns nicht durch Werke oder Kirchenmitgliedschaft oder irgendwas Gottes Liebe verdienen können.
Die Zugehörigkeit, die uns geschenkt wird. Und Abendmahl als Feier von Gemeinschaft mit Jesus, der alles gegeben hat, wo wir uns daran erinnern im Abendmahl und wo durch Taufe und Abendmahl dir vielleicht klar werden, ich gehöre dazu. Das ist meine Gemeinschaft, das ist die Gemeinschaft der Heiligen. Wo hast du das das letzte Mal so erlebt als Kirche? Bei der Frage nach der Kirche stolpern wir in der Ekklesiologie noch über eine weitere wichtige Facette, nämlich die sogenannten Grundvollzüge in Kirche. Und damit sind, ich sage jetzt mal so, die Hauptaufträge gemeint. Kirche als institutionalisierte Organisation hat ja gewisse Grundaufträge. Und man kann sagen, dass wenn Kirche diesen Grundaufträgen nachkommt, dann kann sie sich daran profilieren und sagen Und deshalb sind wir Kirche, weil wir das so und so machen.
Und weil wir es so und so machen, stehen wir in Einheit und in Verbindung zur alten Kirche. Und diese drei Grundvollzüge der Verkündigung und der Liturgie sind die drei Grundvollzüge in Kirche sind die Verkündigung, die Liturgie und die Diakonie. Gibt es natürlich auch wieder schlaue griechische Fachbegriffe dazu. Die Verkündigung Matyria heißt Zeugnis, Matyria, die Versammlung oder Gemeinschaft, Liturgia und der praktische Dienst am Menschen Dienst Diakonia. Manche zählen auch noch die Koinonia dazu, die Gemeinschaft, z.B. für römisch katholische Brüder und Schwestern zählt das seit dem zweiten Vatikanum als so ein vierter Teil dazu. Da mache ich jetzt aber mal eine Klammer drum, weil um Gemeinschaft geht es morgen nochmal ausführlicher. Also wir bleiben bei den drei Vollzügen. Das erste war Matyria, die Verkündigung, das Zeugnis, die Bezeugung des Glaubens.
Was wird bezeugt? Es wird bezeugt die Erfahrung Jesu Christi immer mit Blick auf den Glauben. Das ist das zentrale Zeugnis. Matyria wird im Neuen Testament immer so als Glaubenszeugnis oder als Offenbarung des lebendigen Gottes benutzt. Und somit ist diese neutestamentliche Matyria so eine unmittelbare Verbindung von der biblischen Botschaft und Offenbarung von damals bis hin in unsere jetzige Wirklichkeit so ein Schritt. Und der ereignet sich durch dieses Zeugnis, indem wir Zeugnis geben und es leben. Das zweite Laeturgia bezeichnet im engeren Sinne Gottesdienst. Hören wir vielleicht auch so raus, eine Liturgie, Laeturgia, so ne? Somit im engeren Sinne ist da Gottesdienst gemeint. Aber im weiteren Sinne, kennen wir vielleicht auch Römer 12, 11, unser ganzes Leben ist ein Gottesdienst, ein vernünftiger Gottesdienst im Alltag der Welt. Also somit im weiteren Sinne ist Laeturgia eigentlich viel mehr.
Somit, wenn wir ins Neue Testament schauen, dann finden wir eigentlich keinen einzigen richtigen Terminus für das, was wir heute Gottesdienst nennen oder für irgendeine Vorschreibung von Das ist jetzt unsere Gottesdienstordnung oder so. Da gibt es keine festen Ordnungen in dem Sinne. Und auch diese alten kultischen geprägten Begriffe werden im Neuen Testament eigentlich immer eher vermieden. Da gehen die überhaupt nicht drauf ein. Und wenn, dann wird das Opfer Christi selbst als Liturgie genannt. Also dann ist sozusagen der Liturg ist Jesus selber. Der ist der Liturg der Eucharistie. Somit im Neuen Testament haben wir das gar nicht, dass er so normativ so ist. So ist Gottesdienst. Also unser Bild heute von Liturgie ist was heutiges. Das ergibt sich nicht aus dem biblischen Bild. Und somit geht da bitte noch einmal im Kopf einmal den mutigen Schritt mit mir mit. Gottesdienst ist viel umfassender als nur die reine liturgisch-gottesdienstliche Feier, die wir stereotyp denken, wenn wir an Liturgie denken, Laeturgia.
Laeturgia, Versammlung. Versammlung der Heiligen. Und somit ist eigentlich da total viel Luft nach oben, die wir noch ganz anders füllen könnten für uns. Wenn wir überlegen, wie Gemeinschaft, wie Versammlung aussehen kann, wo Beten Gottes Wort und so Raum greift. Ich sage es nochmal ganz deutlich. Also es geht nicht darum, jetzt Gottesdienste aufzubocken und ein bisschen schmissiger und attraktiver zu machen, sondern Laeturgia ist eine Grundaufgabe von Kirche, die sich grundsätzlich ereignet. Und somit wäre es cool, nochmal grundsätzlich heranzudenken, wie Versammlung, wie Gemeinschaft in Kirche aussehen kann. Und eben nicht nur im sonntäglichen Gottesdienst, sondern vielleicht weit darüber hinaus. So das dritte war Diakonia, der praktische Dienst. Jeder Job in Kirche, der sich aus Liebe dem nächsten oder der nächsten gegenüber ereignet.
Das ist Diakonia. Dort, wo aus dem Glauben heraus Verantwortung übernommen wird, wo ganz praktisch und solidarisch gehandelt wird. Das ist diakonischer Dienst. So, jetzt haben wir die drei Sachen. Materia, Laeturgia, Diakonia. Das sind die drei Hauptjobs von Kirche, an denen Kirche auch erkennbar wird, an denen sie sich als wahre Kirche profiliert. Wenn Kirche diesen Jobs nachkommt, dann kann sie für sich beanspruchen, Kirche zu sein. Daher, wenn wir jetzt im Praxischeck mal drauf gucken, können wir jetzt mal überlegen, ist das, wie ihr Kirche erlebt, dann auch wirklich Kirche? Kommt die wirklich diesen Aufgaben in dem vollen Umfang nach? Oder müssen wir vielleicht bei den Aufgabenschwerpunkten uns nochmal so ein bisschen mehr bemühen als Kirche? Also wenn ihr jetzt, Praxischeck, Anwendung, wenn ihr an Kirche denkt, wo nehmt ihr ehrliches Bemühen ums christliche Zeugnis, um die Materia wahr?
Wo wird nach außen verkündigt, was im Kern draufsteht? Oder wo lenkt vielleicht auch sozusagen unser Drumherum von unserem eigentlichen Kern ab? Wenn ihr an Kirche denkt, wo nehmt ihr ehrliches Bemühen um Leiturgia, um Gemeinschaft wahr? Und nochmal denkt daran, jetzt nicht nur im Sinne von Gottesdienst, sondern auch Leiturgie im Sinne von allgemeiner Versammlung, unser Leben als Gottesdienst, wo ereignet sich Gemeinschaft auch auf ganz andere Arten und Weisen, wo ereignet sich in Kirche Leiturgia? Und schließlich der letzte Schritt, wenn ihr an Kirche denkt, wo nehmt ihr ehrliches Bemühen um Diakonie wahr? Um Dienst? Wo packt Kirche mit an? Nächstenliebe. Ich bin ja Gründungsmitglied von United for Rescue. Ich bin daran beteiligt, dass im Mittelmeer mittlerweile, dass es da mehrere Schiffe gibt, die sich an der Seenotrettung Geflüchteter beteiligen.
Gestern haben sie 150 Leute gerettet. Und für mich ist das Diakonia. Das ist gelebte Nächstenliebe. Und mein Engagement für diesen Verein entspringt zu 100 Prozent meinem christlichen Glauben. Das ist kein politisches Interesse in erster Linie, sondern ich kann das nicht mit meinem Glauben vereinbaren, dass wir zugucken, wenn vor unseren Toren in Europa Menschen ertrinken. Es ist das Diakonia, was da geschieht. Und somit, was kommt euch in den Sinn? Für mich ist es vielleicht ein Beispiel Seenotrettung, eines von vielen Beispielen. Aber was kommt euch in den Sinn? Wo ist in eurem kirchlichen Umfeld, wo nehmt ihr Kirche als diakonisch wahr? Karitatives Handeln mit anpacken, solidarisch. Das war jetzt einmal der Schnelldurchlauf durch die Ekklesiologie.
Wenn ihr das spannend fandet, wenn ihr das vertiefen wollt. Es gibt tolle Bücher und Artikel Wilfried Herle, Wolfhard Pannenberg, Eilat Herms, Rainer Anselm. Es gibt ganz viel im Bereich Ekklesiologie. Da könnte man das vertiefen. Ich würde jetzt mit euch in den zweiten Teil gehen, nämlich in die praktische Theologie. Das ist mein Lieblingsfeld als praktische Theologie. Und da kommt jetzt einiges Neues dazu. Aber mir ist ganz wichtig vorauszuschicken, dass die praktische Theologie davon nicht losgelöst ist, sondern die baut auf dem auf, was ich jetzt gerade referiert habe. Das heißt, die baut auf der Note Ekklesiä auf. Die baut auf den Wesensbeschreibungen von Kirche auf. Die weiß, dass die drei Hauptjobs von Kirche grundsätzlich da sind und überlegt halt, wie es der Name schon sagt, wie das praktisch aussehen kann. Praktische Theologie und ähnlich wie in der systematischen Theologie, die sich mit der Ekklesiologie auch so ein eigenes Fachgebiet gemacht hat für Kirche. Gibt es innerhalb der praktischen Theologie auch ein eigenes Fachgebiet und die heißt, das Fachgebiet heißt Kirchentheorie.
Und da wird in dieser Kirchentheorie sehr anwendungsorientiert erörtert, wie kirchliches Handeln in der Gegenwart aussehen kann und muss. Eben welche Konzepte, Modelle, Theorien hilfreich sind. Und im Gegensatz zur Ekklesiologie, habe ich ja gerade schon gesagt, die geht so auf das 16. Jahrhundert zurück, ist die Kirchentheorie eine total junge Disziplin. Die ist aus den 1960er Jahren. So, steigen wir ein. Kirchentheorie. Da gibt es im Moment jetzt aktuell so ein sehr aktuelles Modell, das sich in der Theologie in Deutschland, das da für sehr viel Furore gesorgt hat und das wird sehr, sehr breit gerade rezipiert. Und das soll dazu dienen, die sehr unterschiedlichen Strömungen und Entwicklungen in Kirche so ein bisschen zu ordnen und auch durchschaubar zu machen.
Und diese Kirchentheorie oder dieses Modell liefern Eberhard Hauschild und Uta Pol Paterlong. Die haben das zusammen entwickelt und diese beiden TheologInnen sprechen von Kirche als Hybrid. Also wie bei einem Auto, wo man einerseits vielleicht mit Benzin fahren kann, aber eben auch mit Strom oder Gas oder was weiß ich, lebt das von so einem Bild einer Hybridität, einem sowohl als auch. Und das wenden die auf Kirche an und deren These ist, dass sich Kirche heutzutage in drei Formen zeigt. Kirche als Bewegung, Kirche als Institution, Kirche als Organisation. Und sie sagen, jede dieser drei Logiken folgt einer vielleicht dann auch jeweils sehr unterschiedlichen, aber einer eigenen Logik. Und die widerspricht zum Teil den anderen auch. Aber das ist alles gleichzeitig Kirche. So gehen wir mal kurz durch. Kirche als Bewegung, habe ich gerade gesagt, Kirche als man könnte sagen aktive Gruppe ist ja eigentlich die älteste Form des Kirche seins.
So eine Gruppenlogik oder Bewegungslogik. Kirche geht da so diesen Bedürfnissen nach, nach Zugehörigkeit, nach, ich sage jetzt mal Lagerfeuergefühl, Geselligkeit vielleicht auch. Diese kleine Sozialform ist für Kirche nach wie vor sehr zentral und prägend. Kirche als Bewegung. Dann gibt es ihrer Meinung nach Kirche als Institution. Das ist die zweite Logik. Und da sagen Hauschild und Pol-Patalong, das ist im Grunde genommen so eine Art Institution Volkskirche. Volkskirche als Kirche des Volkes oder auch Kirche bei Gelegenheit. Und da sehen wir jetzt schon sein erst strukturelles Bild, also eine Großkirche, die Menschen mit Religion versorgt sozusagen. Breites Service und Dienstleistungsangebot für alle Menschen, sowohl Kirchenmitglieder als auch andere.
Und die Volkskirche hat für diesen Dienst eben so richtig eigene Strukturen und Logiken entwickelt mit Ämtern und Workflows und Strukturen und Regelwerken und Routinen. Und das hat ganz lange sehr, sehr gut funktioniert. Aber gerade dieses Feld ist gerade in einem massiven Wandel, weil diese Monopolstellung irgendwie bröckelt und dieses wertschätzende Bild von Volkskirche total gesamtgesellschaftlich erodiert. Und somit sind wir jetzt gerade bei Kirche als Institution in so einem Wechsel hin zu von Institution Volkskirche zu institutionalisierter Missionskirche. Das sagt Wolfgang Huber zum Beispiel. Also das Feld, da verändert sich gerade viel. Und das dritte, auch ein Feld, wo sich viel verändert, Kirche als Organisation. Da könnte man sagen, das ist Kirche in Form eines Unternehmens.
Also der Logik der Institution von Kirche wurde ja zugestanden. Ja, ihr seid für Religion in Deutschland zuständig, evangelischer und katholischerseits als Volkskirche. Aber in der Organisationsgesellschaft muss sich Kirche um potenzielle Kunden bemühen am Markt. Da ist hier nur eine Anbieterin unter verschiedenen anderen, sind stiftenden Playern. Und somit ist das wirklich ein Kampf am Markt. Das ist eher wie bei einem Unternehmen. Und während Kirche als Institution noch von so der Stabilität lebt und den Traditionen und der Verlässlichkeit am Ort, ist es bei Kirche als Organisation so, dass die richtig placken muss und noch mal anders auch werben muss für sich als Kirche und für die Botschaft. Das heißt, da gehören dann auch so Sachen dazu im schnelllebigen Markt, wie zum Beispiel Ausbau kirchlicher Kommunikationswege, digitale Medien, spezifische Werbung. Das heißt, es ist ganz stark marktorientiert an der Weiterentwicklung oder auch Mitgliedergewinnung mehr oder weniger.
Rauschelt und Pol-Paterlong sagen in ihrer Kirchentheorie, es gibt diese drei Logiken als Bewegung, als Institution, als Organisation. Da zeigt sich Kirche und die sehen in all diesen drei Facetten Notwendiges und Sinnvolles. Und sie sagen, keine dieser einzelnen Logiken könnte es alleine in Zukunft schaffen. Es gibt und es braucht Kirche als Hybrid, wo diese unterschiedlichen Logiken ineinandergreifen und wir eben auf diese unterschiedlichen Arten und Weisen Kirche sind. So und ich finde, das ist ein sinnvolles Denkkonstrukt, dass wir einerseits diese einzelnen Ausprägungen von Kirche, Organisation, Bewegung, Institution haben. Da nochmal überlegen, wenn ich von Kirche rede, was meine ich da denn gerade? Volkskirche oder oder dieser kleine Kreis, mein kleiner Bibelkreis und ein kleiner Kastorf.
Aber andererseits, ich finde das auch schön, Kirche als Hybrid zu denken, weil es in gewisser Weise ist auch Einheitsdienst, dass ich den anderen zugestehe, dass sie vielleicht ein anderes Kirchenbild haben als ich. Und somit, ich finde das kirchentheoretisch ein spannendes Bild, dieses Hybridbild. Und das wird im Moment sehr heiß diskutiert, dass es im Moment so was breit rezipiert wird. Und das wollte ich euch vorstellen als kleinen Einblick exemplarisch für aktuelle Diskussionen der Kirchentheorie. Falls euch das Thema Kirchentheorie weiter interessiert, da sind zum Beispiel so Namen Jan Hermeling, Christian Gretlein, Isolde Kahle und eben Uta Pol Patalon und Eberhard Hauschild. Die haben Kirchen theoretisch sehr viel gemacht. So, ihr seid sehr tapfer. Das war jetzt ein Schnelldurchlauf. Manche studieren semesterlang nur das, was ich jetzt einmal kurz so durchgehächelt habe.
Kirche ist ja auch ein sehr kleines, überschaubares Thema. Also somit, das war jetzt ein Schnelldurchlauf durch die theologischen Disziplinen im Hinblick auf Kirche. Und ich habe versucht, in aller Kürze mal anzudeuten, was exegetisch der biblische Befund sagt und was die theologischen Konzepte in Ekklesiologie und Kirchentheorie uns sagen. Was ist Kirche? Wir haben die Kennzeichen und die zentralen Wesensbeschreibungen kennengelernt. Die Grundvollzüge, also die Hauptaufgaben von Kirche. Wir haben gehört, dass Kirche als Ekklesia, als von Gott herausgerufene Kirche ist, dass Gott uns da was mitgibt in seinem Heiligen Geist. Und das haben wir jetzt alles so gehört. Und ich weiß nicht, ob es nur mir so geht oder ob vielleicht bei eurem jeweiligen Praxischeck, bei eurer Anwendung, sich vielleicht auch manchmal so ein kleines Fragezeichen ergeben hat. Denn ich habe jetzt gerade über die Kennzeichen und Wesensbeschreibungen geredet und ich weiß nicht, wie es euch geht.
Aber ich sage jetzt einfach mal, wenn ich auf mich drauf gucke und wenn ich mir die Fragen selber beantworte, wenn ich die Kennzeichen und Wesensbeschreibungen und Grundvollzüge von Kirche auf meine kirchliche Wirklichkeit lege, dann würde ich sagen, da ist Kirche an manchen Stellen in der Performance, bleibt sie so ein bisschen dahinter zurück. Würde ich jetzt mal so ganz vorsichtig sagen. Es ist schon noch ein bisschen ausbaufähig. Dann denke ich an, wenn ich an die Kirche denke, die mir so im Alltag begegnet, dann ist die nicht unbedingt ständig von Einheit geprägt. Oder von Heiligkeit und Katholizität und auch nicht von Apostolizität. Und in ihrem Wesen scheint auch nicht in jedem Moment durch, dass mir jetzt unbedingt das Evangelium rein gepredigt wird und die Sakramente recht verwaltet werden. Und Kirche investiert ihre Zeit und Ressourcen auch nicht in erster Linie immer nur ins Zeugnis der Welt oder in relevanten Formen von Gemeinschaft
oder in Nächstenliebe und den praktischen diakonischen Dienst. Also somit bleiben wir Kirchenmenschen an manchen Stellen hinter unseren Möglichkeiten zurück. Sag ich jetzt mal persönlich, wenn ich meinen Praxischick mache, dann merke ich, in Kirche läuft auch echt an manchen Stellen richtig viel falsch. Da stoßen wir total an unsere Grenzen. Und hier fährt die Ekklesiologie, also systematisch-theologisch, ein schönes Denkmodell genau für diesen Sachverhalt. Die Ekklesiologie unterscheidet in der Einschätzung von Kirche zwischen Ekklesia visibilis und invisibilis, zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche. Und die sichtbare Kirche, die beschreibt alles, was wir in Kirche und Gemeinde unmittelbar um uns herum erleben. Gottesdienst und Kreise und Gemeindebrief und Geburtstagsbesuche und alles, was so wie Kirche nach außen sichtbar und erkennbar ist.
Und das sind vielleicht an manchen Stellen genau die Praxisbeispiele, die euch auch gerade vielleicht kamen in den Anwendungsschritten. Und neben all diesen begeisternden und tollen Beispielen, die euch vielleicht gerade gekommen sind, fallen in diesen Bereich der sichtbaren Kirche aber auch die Sachen, wo es nicht so gut läuft. Wo sichtbar wird, dass Kirche auch einfach manchmal nicht so gut performt. Dann fallen in den sichtbaren Bereich eben auch Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt und Diskriminierung und persönliche Eitelkeiten. Diese sichtbaren Erfahrungen von Kirche haben gegenüber, nämlich die unsichtbare Kirche. Das ist die verborgene Kirche, die geglaubte Kirche oder geistliche Kirche, sagt man auch. Also all das, was ich zu Beginn meines Vortrags referiert habe als das, was uns sozusagen von Gott mitgegeben wird. Was wir von Gott mitbekommen als Gemeinschaft der Heiligen, als von Gott herausgerufene Ekklesia,
die sich aufgrund des Evangeliums und der Gnade Jesu heraus in Nachfolge begibt. Nicht weil wir das so wollen, sondern weil er uns zusammentrommelt als seine Kirche. Und in dieser Spannung lebt Kirche bis heute in dieser Unterscheidung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche. Das ist eine Differenz-Erfahrung. Dieser sichtbare menschengemachte Teil und auch menschenverantwortete Teil und der unsichtbare Teil Gottes Kirche, der uns, der weit über unsere menschlichen Möglichkeiten hinausgeht, weil es Gottes Bereich ist. Und in manchen Vollzügen von Kirche kommen diese beiden Welten ganz nah zusammen und verschränken sich. Wenn wir zum Beispiel in der Kirchengemeinde zusammenkommen, um Gottesdienst zu feiern, um eine Predigt zu hören, um Abendmahl zu feiern, dann berühren sich diese Wirklichkeiten. Dann versammelt sich da sichtbar die Glaubensgemeinschaft mit allen Unzulänglichkeiten
und menschlichen Begrenztheiten und Schuld und Sünde und alles, was schwierig ist, aber gleichzeitig unsichtbar vor unseren menschlichen Augen verborgen die Gemeinschaft der Heiligen. Die, die allein Gott heilig macht. Und diese Gemeinschaft der Heiligen ereignet sich dann immer wieder aufs Neue. Jedes Mal, wenn wir zum Beispiel in Wort und Sakrament zusammenkommen, wenn sich das ereignet. Im Römerbrief heißt es ja, Glaube kommt vom Hören. Es muss immer wieder neu in uns reinkommen, in unsere Gemeinschaft. Und dann kommt halt sichtbare und unsichtbare Kirche zusammen. Und wenn ihr jetzt nochmal so an den Einstieg meines Vortrags euch erinnert, dann ahnt ihr sicher, dass diese Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche für mich ein riesengroßer Trost ist. Weil der hilft mir in der für mich oft sehr herausfordernden Wirklichkeit in Kirche nicht zu verzweifeln.
Also diese Unterscheidung von sichtbarer und unsichtbarer Kirche, da liegt für mich eine Riesenermutigung drin, weil ich darauf vertrauen darf, dass Gott die sichtbare Kirche und damit uns alle und unsere manchmal vielleicht recht armseligen Versuche, Kirche Jesu Christi zu sein, dass der die sieht und nutzt, um sein Reich zu bauen. So klein und fehlerhaft und beschränkt unsere Möglichkeiten und unser Dienst da vielleicht auch sind. Und gleichzeitig ruft mich diese unsichtbare Kirche, also das, was von meinen Augen verborgen ist und was in Gottes Bereich liegt, total zur Demut, weil ich eben sage, es ist auch Gottes Bereich. Es ist sein Job, es ist seine Verantwortung. Und somit gibt es in Kirche eben auch den Bereich, der außerhalb der sichtbaren und verfassten Kirche ist. Wir sind, wir alle jetzt hier, sind als sichtbare Kirche Jesu Christi ganz Kirche, aber eben auch nicht die ganze Kirche.
Gott sei Dank. So, mit dieser Einsicht würde ich gerne ins Fazit gehen. Wenn wir jetzt theologisch gehört haben, was Kirche ist, was Kirche sei, was Kirche sein soll, was Kirche sein müsste eigentlich, dann hilft uns diese Theorie immer auch wahrzunehmen, das ist auch alles ganz schön unperfekt. Weil also entweder stimmt die Theorie nicht so ganz oder unsere menschliche Performance als Kirche stimmt nicht so wirklich da drauf. Irgendwas, irgendwo ist da Sand im Getriebe und ich ahne, es ist so ein bisschen beides. Die Theorie zeigt uns unsere menschliche Begrenztheit als Kirche auf. Und es gibt dennoch durch diese Dogmen und Normen uns ein Bild von Kirche, wie wir sein könnten. Das zieht uns so ein bisschen als Sog nach vorne. Das motiviert uns eine bessere Kirche, eine bessere Nachfolge, eine bessere christliche Gemeinschaft im 21. Jahrhundert sein.
Das motiviert und reizt uns, so wie wir das jetzt eben gerade gehört haben. Und gleichzeitig zeigt uns aber auch auf, dass es letztlich auch eine menschengemachte Theorie ist. Und dass das auch durchaus kontextabhängig ist und zeitabhängig. Weil wenn ihr euch erinnert, wir haben es ja gerade gesehen am Beispiel von Luther, da habe ich ja darauf hingewiesen. Diese Bekenntnisschriften, auf die wir uns heute systematisch theologisch immer noch beziehen, die hatten ja damals auch eine Entstehungsgeschichte. Da gab es ja auch einen Sitz im Leben. Da gab es einen Kontext, in dem die das abgebildet haben, was damals zu einem jeweiligen Zeitpunkt am jeweiligen Ort Kirche war und was unter Kirche zu verstehen war. Oder eben, wie ich sagte, bei Luther Kontroverstheologie. Das war alles auch eine Abgrenzung gegenüber dem, wie es war, wo er nicht mitgehen konnte und wollte. Und somit ist Theorie auch immer kontextabhängig und auch menschenabhängig.
Und somit auch die Theorie in unserer Theologie. Und als praktische Theologin, als Kirchenentwicklerin, habe ich eine Sehnsucht nach einer mutigeren Theologie. Und zwar im Hinblick auf Kirche in diesen Zeiten. Sowohl ecclesiologisch als auch kirchenteoretisch. Und ich meine, ich bin da nicht naiv. Ich glaube jetzt nicht an so eine, was weiß ich, reformatorische Tragweite und Potenz eines Martin Luthers. Aber ich finde es schon schön, wenn wir mal ein bisschen kritischer und ehrlicher nach vorne denken. Und zwar nicht aus einer Kritik an Kirche heraus, sondern aus einer Liebe der Kirche gegenüber hinaus. Ich habe ja gerade gesagt, ich bin nach wie vor Teil und kämpfe dafür, weil mir das am Herzen liegt. Auch obwohl es so schwer ist manchmal für mich.
Somit mit Blick auf die kirchliche Wirklichkeit ist meine persönliche Wahrnehmung und These des Gottesgeist in unserer Kirche mächtig weht. Und der wirkt. Und das innerhalb und außerhalb unserer bewährten christlichen Strukturen und Formen. Und das sich da ganz viel tut. Aber manches können wir gar nicht wahrnehmen und abbilden, weil das schlichtweg mit unseren derzeitigen Theorien nicht passt. Manches kann man nicht so wirklich damit greifen. Die Konzepte können manches, was der Heilige Geist im Moment großartiges, innovatives tut, können wir gar nicht abbilden, weil uns das durchrauscht, weil dieses Konzept nicht passt auf das, was jetzt gerade Heiliger Geist macht. Alle traditionellen und klassischen und etablierten Modelle und Fachbegriffe, die ich im Vortrag jetzt gerade referiert und entfaltet habe, die haben eine massiv normativ prägende Kraft. Die geben deduktiv vor, so und so Ort Kirche zu sein. Und da fallen dann diese ganzen neuen Formen und Formatierungen von Kirche durch.
Kirche im Bauwagen, Kirche im Coworking-Space, Kirche als hippes Stadtkloster. Und interessant finde ich auch zum Beispiel digitale Kirche, jetzt auch gerade während Corona. Wir mussten uns alle neu erfinden. Da hat sich auch christliche Gemeinschaft auch digital entwickelt. Auch da weht der Heilige Geist. Wo gibt es da Konzepte, das ecclesiologisch Kirchen theoretisch mal zu fassen? Also da gibt es erste Sachen, aber das ist alles noch so langsam und so wenig. Ich würde mich freuen, wenn wir induktiv stärker das mit aufnehmen könnten, was sich da tut in unserer Theoriebildung. Und daher setze ich ergänzend wirklich kein Ersatz, ich will das alles nicht umschmeißen, aber ich hätte gern ergänzend zu den Dingen, die ich referiert habe, noch flankierend ein induktives Vorgehen in der Theoriebildung von dem, was Kirche sein kann. Also eben nicht immer nur so normativ-dogmatisch, verallgemeinert, sondern eher andersrum.
Mit Neugier und Wertschätzen gucken, was tut sich da und was können wir daraus ableiten und theologisch lernen. Alles, was da entsteht oder sich neu zeigt. Die ganzen zarten Pflänzchen von Kirche, die eben durch das bisherige Raster in Kirche durchfallen würden, weil uns schlecht wiegt die Deutungsmuster dazu fehlen. Wir haben die noch nicht darstellen können. Und dementsprechend fehlt auch manchen Sachen kirchenpolitisch total die Lobby, nicht weil die blöd sind, sondern weil wir keine Theorie haben oder eine Sprache, das abzubilden. Auf viele dieser Beispiele werde ich morgen ganz konkret eingehen. Die praktische Theologin Sabrina Müller sagt, es ist problematisch, dass die Theologie im Blick auf Kirche derzeit fragt und immer gleichzeitig schon antwortet. Und so bleiben wir immer in so einem sich selbst perpetuierenden, deduktiven System von Normativität, so und so hat Kirche zu sein.
So haben wir das ja immer schon gemacht. Und ich sehne mich nach einer stärker induktiven oder impliziten Theologie. Rendorf macht das zum Beispiel. Der US-amerikanische Theologe Stevan Bevins sagt, der forscht seit Jahrzehnten im Hinblick auf Kontext Theologie oder gelebte Theologie. Und der sagt mit Blick auf eine Kirche, die eher induktiv theologisch denkt, der sagt Zitat Wir müssen mit der Arbeit beginnen und schauen und wahrnehmen, was in der Praxis funktioniert und darüber dann theologisch nachdenken. Also der Theologe, die Theologin tritt sozusagen Schritt zur Seite und er oder sie steht neben sich und gibt somit diese normative Identität auf, so und so hat Kirche zu sein. Und Stevan Bevins sagt, das ist nicht nur der Job von Theologinnen und Theologen, sondern der sagt auch da, das ist Gemeinschaft der Heiligen.
Er nennt das Ordinary People. Also du und ich, Männer und Frauen sind Spezialistinnen und Spezialisten im Hinblick auf die Hermeneutik von Kirche, wie sie sich heute zeigt. Und das wird bedeuten jetzt, wenn man jetzt wirklich mal ernst macht, dass es nicht um meine Sicht geht als studierte praktische Theologin oder eben um diese Einführung der bisher bestehenden Theologie, diese Einführung und Vorlesung, die ich euch jetzt gerade gegeben habe, über bestehende theologische Konzepte, was Kirche sei, was Kirche zu sein hat, sondern es geht genauso um eure Resonanzen. Also das, was euch jeweils kam, als ich euch die Frage gestellt habe. Dass die Beispiele, was der Heilige Geist in euren Settings tut, dass das genauso wichtig ist und dass das Teil unserer Theoriebildung sein muss. So kommt der Heilige Geist in die Ekklesiologie und in die Kirchentheorie.
Und das ist dann gelebte Theologie der Gemeinschaft der Heiligen, ganz induktiv. Und ich habe eine Sehnsucht danach, dass wir alle als Ekklesia, als Herausgerufene von Gott, viel mutiger teilen, wo sich Gottes Geist tut und tummelt, wo sich das in unseren kirchlichen Formen ereignet. Und dass wir Gott da auf die Spur kommen und wahrnehmen, wo sich Kirche vielleicht auf ganz neue und andere Arten und Weisen zeigt und wo wir das auch wahrnehmen müssen. Ich würde mich freuen, wenn wir kirchlich und auch theologisch an der Stelle wirklich mal weiterkommen. Und ich hoffe, dass diese neuen zarten kirchlichen Pflänzchen, die sich neu entwickeln, wo Kirche ganz neu entsteht, dass die nicht gleich plattgetrampelt werden oder umgemäht werden von so einer sehr direktiven, dogmatischen Theologie, die normativ sagt,
ne ne, also so und so hat Kirche zu sein und so nicht. Da ist im Moment noch eine fehlende Bereitschaft und auch ein fehlender Mut, Kirche was zuzutrauen, dass das, was sich im Heiligen Geist tut, auch vielleicht zukunftsweisend für unsere Kirchentheorie und Ekklesiologie sein kann. Und ich ahne, dass bei Wothaus, wir haben jetzt ja hier, seht ihr einen Ballons, Wothaus 10 und ich hoffe, wenn wir jetzt Wothaus 50 haben, dann steht da wieder jemand hier vorne, nicht mehr ich, ich hoffe auch wieder eine Frau. Und wenn wir uns dann fragen, was ist eigentlich Kirche und wenn ja, wie viele, dass wir dann sagen, es hat sich total viel getan, weil Kirche im Fluss ist, weil es Ekklesia semper reformanda ist und wir nochmal neu überlegen, was hat der Heilige Geist in der Zwischenzeit getan.
Da tut sich was, to be continued. Und somit, wenn ich jetzt sage, was ist Kirche und wenn ja, wie viele, sage ich, der Vortrag ist jetzt hier fertig und eigentlich nicht fertig, weil man die Frage nie umfassend beantworten kann. Gott sei Dank. Und ich hoffe, dass das Video euch gefallen hat. Wenn ja, dann lasst uns doch gerne einen Daumen hoch da. Und wenn ja, dann lasst uns doch gerne einen Daumen hoch da.
Ekklesia – Was ist eigentlich Kirche und wenn ja, wie viele? | 12.7.1
Kirche – für die meisten ist es nur ein Gebäude, das sonntagmorgens mäßig besucht wird und zum Heiligabend-Gottesdienst überquillt. Dessen Türen meist verschlossen sind, außer das Gebäude steht in Bayern. Gern sagen auch Christen: »Also, mit der Kirche habe ich nichts zu tun.« Und meinen damit die Kirche als Institution. Fast nie aber meinen sie die Kirche, wie sie ursprünglich gedacht war. Über diese ursprüngliche Bedeutung spricht die evangelische Theologin Sandra Bils, die eigentlich selber mit Kirche nichts zu tun hatte, die weder Kindergottesdienste noch Gute-Nacht-Gebete kannte und sich nur konfirmieren ließ, um sich von den Geldgeschenken eine Gitarre kaufen zu können. Die nun trotzdem voller Überzeugung sonntagmorgens in Kirchen predigt. Und gleichzeitig unzufrieden ist mit dem, wie Kirche heute meistens aussieht. »Wie genial ist die Botschaft, wie seltsam die Umsetzung«, sagt sie über das moderne kirchliche Leben. In diesem Vortrag erklärt sie, wie Kirche in der Bibel gedacht war, woran man Kirche erkennt und wie Kirche – oder besser: Gemeinde – ganz praktisch aussehen kann.