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Einen wunderschönen guten Abend. Ich begrüße euch zu dem ersten Vortrag von Worthaus II. Wir haben uns ja das Gesamtthema gestellt Jesu Tod und Auferweckung. Ich selbst werde mich in den ersten vier Vorträgen auf eine historische Frage konzentrieren, nämlich welche Faktoren haben dazu geführt, dass Jesus aus Nazareth hingerichtet wurde. Ich möchte heute Abend mehr oder weniger von hinten beginnen, nämlich erstmal die Kreuzigung Jesu behandeln und von daher fragen, warum wurde dieser Mann gekreuzigt. Zu unserem Menschsein gehört es in aller Regel, dass wir nicht wissen, wann und wie wir sterben.

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Ich finde das auch gut so. Stellen wir uns mal ernsthaft vor, wir wüssten es. Das würde auf jeden Fall unser Lebensgefühl drastisch verändern und sehr wahrscheinlich nicht zum Guten. Trotzdem kann man statistisch gesehen relativ viel sagen, wie wir wahrscheinlich, ihr und ich, wie wir wahrscheinlich sterben werden. Ich sage das mal rein, statistisch so die häufigsten Arten, wie der Mensch sterben kann. Der Mensch kann sterben an Altersschwäche, im hohen Alter, friedlich im Bett. Diesen Tod wünsche ich euch. Man kann aber auch sterben auf der Straße durch einen Unfall oder im Krankenhaus, in der Intensivstation, an einer Krankheit. Viele Menschen sterben auch im Krieg oder durch eine Naturkatastrophe, Hungerkatastrophe.

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Das sind so die mit Abstand häufigsten Todesarten. Die, die ich jetzt genannt habe, liegen zusammen so bei 99 Prozent. Alle anderen Todesarten sind sehr selten. Ich will mal die seltenen aber auch nennen. Man kann ermordet werden. Das wünsche ich euch nicht. Manche Menschen setzen ihrem Leben auch selbst ein Ende. Ich bin aber nicht dafür, dass man das Selbstmord nennt. Das ist eine Abstempelung. Denn diese Menschen sind in aller Regel verzweifelt und vom Leben überfordert. Und dazu soll man nicht das Wort Mord in den Mund nehmen. Es gibt auch Lündch-Justiz. Und das nenne ich jetzt bewusst als Letztes, auch selten, wünsche ich euch nicht, dass ihr in einem Gerichtsverfahren zu Tode verurteilt werdet und dann hingerichtet.

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Aber auf diese seltene Art und Weise ist Jesus gestorben. Er ist nach einem Prozess zum Tode verurteilt und dann hingerichtet worden. Diese Art zu sterben ist eine sehr spezifische, sehr seltene, eine sehr bestimmte Art zu sterben. Jesus ist nicht einfach gestorben. Er ist getötet worden. Er hat ein gewaltsames Ende gefunden. Und man kann sich mal die Frage stellen, wäre das Christentum, so wie wir es kennen, entstanden, wenn Jesus im höheren Alter an Altersschwäche friedlich im Bett gestorben wäre? Natürlich kann niemand die Frage beantworten, aber wir haben sehr viel Grund anzunehmen, dass das Christentum, wie wir es kennen, so gar nicht entstanden wäre.

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Oder wenn Jesus an einer Krankheit mit 48 Jahren oder 71 Jahren gestorben wäre oder an einem Unfall oder im Krieg hätte ihn der Pfeil eines feindlichen Soldaten getroffen, wäre dann das Christentum entstanden. Es spricht sehr viel dafür, dass das Christentum, wie es entstanden ist, viel mit der Art seines Todes zu tun hat. Aus diesem Grund behandeln wir jetzt in Worthaus 2 Tod und Auferstehung Jesu. Denn alle Evangelien im Neuen Testament, also alle Erzählungen, die von Christen geschrieben wurden über das Leben Jesu, laufen auf seinen Tod hinaus und berichten ausführlich über sein Sterben. Es gibt in der Christenheit auch vor allem zwei Rituale, die typisch sind für das Christentum.

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Das ist die Taufe und das Abendmahl. Beide hängen mit dem Tod Jesu zusammen. Beim Abendmahl erinnert man sich an seinen letzten Abend und die Taufe wurde ursprünglich vollzogen in den Tod Jesu. Und das Kreuz ist zum entscheidenden Symbol des Christentums geworden. In fast allen Kirchen hängt ein Kreuz. Und dass das Kreuz zum Symbol des Christentums, wie der Davidstern zum Symbol des Judentums oder der Halbmond zum Symbol des Islam geworden ist, ist nicht zufällig. Also es hat seine Gründe, warum sich Christen so intensiv mit dem Tod Jesu beschäftigen. Es ist eigentlich merkwürdig. Manche sagen auch, es ist ein bisschen strange, ein bisschen komisch, sind die nekrophil, beschäftigen sich so wahnsinnig mit dem Tod. Man beschäftigt sich doch auch sonst nicht so stark mit dem Tod eines Menschen. Sagen wir mit dem Tod Mohameds, mit dem Tod Moses beschäftigt man sich nicht sehr.

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Ja, man kann vom christlichen Glauben her sagen, wenn wir ein Gesamtverständnis des Mannes aus Nazareth gewinnen wollen, und das ist sehr wichtig, so ein Gesamtbild, dann sind drei Aspekte entscheidend. Sein öffentliches Wirken, das haben wir in Worthaus 1 vor einem Jahr mal stückweise behandelt. Zweitens sein Tod und drittens seine Auferweckung. Das sind die drei entscheidenden Aspekte für ein Gesamtverständnis von Jesus aus Nazareth. Ich werde mich jetzt also gleich dieser Kreuzigung Jesu widmen, aber ich möchte vorneweg noch eine methodische Frage bewusst machen. Aus welcher Perspektive behandle ich jetzt gleich die Kreuzigung Jesu? Ich habe mir das bewusst überlegt.

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Ich behandle die Kreuzigung Jesu nicht aus einer christlichen Perspektive, bewusst nicht. Also auch nicht aus einer kirchlichen Perspektive. Und ich werde auch versuchen, kein kirchlich-christliches Vokabular zu benutzen. Warum nicht? Weil wenn ich die Kreuzigung Jesu aus einer kirchlichen oder christlichen Perspektive behandeln würde, wird alles gewohnheitsmäßig, kennt man schon. Man kann die Bedeutung dieser Dinge gar nicht mehr spüren. Der Tod Jesu muss uns, wenn es irgendwie geht, erst mal wurzelhaft fremd werden. Wie wenn wir es zum ersten Mal hören, dann haben wir die Chance, dass wir die Bedeutung dieser Dinge erneut erkennen können. Was wir gewohnt sind, das kann uns nicht mehr anspringen. Das wird harmlos, es wird routinemäßig.

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Also deswegen behandle ich es bewusst aus einer fremden Perspektive, sagen wir mal aus der Perspektive eines damaligen Zeitgenossen, Griechen oder Römer oder Juden, der da hört, da ist jemand gekreuzigt worden außerhalb von Jerusalem. Und dann laufen so bestimmte erste Kennenlernprozesse ab. Also ich behandle die Kreuzigung Jesu aus einer säkularen, weltlichen, verfremdeten Perspektive. So, jetzt geht es los. Alles bis jetzt war mehr so Vorbemerkungen. Im Jahre 63 v. Chr. erlebt die Weltstadt Rom einen Skandal. Nämlich bei Gaius Rabirius, einem altehrwürdigen Senator und Bankier, sind landesverräterische Beziehungen entdeckt worden.

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Er hat Spionage betrieben für die Kartager. Und auf dem Marktplatz in Rom, dem Forum Romanum, kommt es zur öffentlichen Gerichtsverhandlung. Es sah nicht gut aus für Rabirius, denn auf landesverräterische Beziehungen steht die Todesstrafe. Allerdings hat Rabirius Cicero gewinnen können als Verteidiger vor Gericht. Und Cicero hatte damals schon einen großen Namen als Räter und Philosoph. Die Römer waren gespannt, ob Cicero, Gaius Rabirius, wird herauspauken können. Cicero war damals noch relativ jung. Er war gerade eben Konsul geworden.

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Aber die Aufgabe war sehr schwer, denn Cäsar höchstpersönlich war der Ankläger. Und Cäsar verlangte nicht nur, wie zu erwarten war, die Todesstrafe. Nein, Cäsar verlangte in diesem Prozess von vornherein eine bestimmte Todesstrafe. Das war nicht üblich, denn es gehörte zu den Rechten eines römischen Bürgers, dass, wenn er schon ein Verbrechen begangen hatte, auf dem die Todesstrafe steht, dass er sich die Art der Todesstrafe selber wählen kann. Da gab es so eine gewisse Angebotspalette, enthaupten, man muss sich überlegen, Giftbecher, Erdrosseln und noch weitere Möglichkeiten. Und das gehörte zum Recht eines römischen Bürgers, da konnte er wählen. Aber Cäsar wollte Gaius Rabirius diese Wahl nicht gewähren. Er verlangte von vornherein für Rabirius eine Todesstrafe, die schon seit Jahrzehnten an keinem römischen Bürger mehr angewandt worden ist

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und die sich noch nie ein römischer Bürger freiwillig gewählt hatte. Von dieser Todesstrafe sagen die Spezialisten des Folterhandwerks anerkennend, in ihr haucht man seine Seele tropfenweise aus. Denn trotz rasender Schmerzen tritt bei dieser Todesstrafe der Tod nicht etwa sofort ein oder relativ rasch, sondern erst nach Stunden und in vielen Fällen erst nach Tagen. Es handelte sich hier um ein anerkanntes Spitzenprodukt des menschlichen Satismus. Und ausgerechnet diese Todesart verlandte Cäsar vom Gericht. Cicero aber wandte sich im Jahr 63 v. Chr. auf dem Forum Romanum mit folgenden Worten an das Gericht und an das zuhörende römische Volk.

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Wenn uns schon der Tod angedroht wird, dann wollen wir Römer in Freiheit sterben. Der Henker, die Verhüllung des Kopfes und das bloße Wort Kreuz seien nicht nur von Leib und Leben der römischen Bürger verbannt, sondern auch von ihren Gedanken, Augen und Ohren. Denn etwas so Schändliches ist eines römischen Bürgers unwürdig. Das können Sie nachlesen in der Rede von Cicero pro Rabirio. Diese Rede ist wörtlich erhalten und können Sie in jedem Reklamheft Ciceros Reden nachlesen. An einer anderen Stelle sagt Cicero auch, wenn es schon ein Verbrechen ist, einen römischen Bürger zu fesseln

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und wenn es noch ein viel größeres Verbrechen ist, ihn zu schlagen und wenn es schon fast an Landesverrat grenzt, ihn zu töten, denn da raubt man einen römischen Bürger für die militärische Verteidigung. Was wollen wir dann vom Tod am Kreuz sagen? Für so etwas Schändliches gibt es keine Beschreibung. Diese Worte des Cicero blieben nicht ohne Eindruck auf das römische Gericht. Cicero argumentiert jetzt mit meinen Worten gesagt folgendermaßen Leute, eine Kreuzigung entspricht nicht unserem Niveau. Wir sind ein zivilisiertes Volk, wir sind ein Rechtsstaat, wir sind keine Barbaren, wir haben ein kulturelles Niveau und eine Kreuzigung passt nicht zu dem kulturellen Niveau, das wir Römer haben.

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Das leuchtete dem Gericht ein. Cicero wandte sich an das Selbstbewusstsein, an das kulturelle Niveau der Römer. Das Gericht beschloss, Rabirius wird nicht gekreuzigt. Schwere Niederlage des Cäsar. Rabirius wurde verbannt, außer Landesverwiesen. Wenn er schon landesverräterische Beziehungen hat, dann soll er das Land auferlassen. Aber wichtig wird dieser Fall Rabirius im Jahr 63 v. Chr. deshalb, weil das römische Gericht bei der Gelegenheit ein Grundsatzurteil fällte. Ein römischer Bürger darf nicht mehr gekreuzigt werden. Das ist eine Zäsur in der römischen Rechtsgeschichte. So wurde es für alle Zeiten festgelegt. Jetzt muss man wissen, dass dieses Verbot der Kreuzigung natürlich, selbstverständlich,

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nur für römische Bürger galt, also nur für solche Bewohner des römischen Imperiums, die ein römisches Bürgerrecht besaßen. Das waren nicht mal in Rom selber alle. In Italien sehr viele, eventuell die Mehrheit, das weiß ich selber gar nicht sicher. Aber in den eroberten römischen Provinzen nur eine winzige Minderheit. Wer das römische Bürgerrecht nicht besaß, konnte selbstverständlich weiter gekreuzigt werden und wurde auch weiterhin gekreuzigt zu Tausenden. Deswegen müssen wir uns jetzt mal kurz informieren, auf welche Verbrechen stand nach römischen Recht für die nicht römischen Bürger die Todesstrafe der Kreuzigung. Das waren zwei Verbrechen. Erstens einmal schwere Staatsverbrechen.

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Dazu gehörte Aufruhr, Majestätsbeleidigung, Fahnenflucht und Tempelraub. Tempelraub ist für uns ein bisschen verwunderlich, aber es hängt dann bei der Tempelaktion Jesu, wird das nochmal wichtig werden. Tempel sind immer auch Staatseiligtümer. Es gibt keine Trennung zwischen Politik und Religion. Jeder antike Staat hat Staatstempel und hat einen zentralen Staatstempel. Und in diesem zentralen Staatstempel drückt sich die Würde, die religiöse Weihe des Staates aus. Und in diesen Staatstempeln wird der Segen der Staatsgötter herbeigebeten und durch Zeremonien herbeigewünscht. Also das war Aufruhr, Fahnenflucht, Majestätsbeleidigung und Tempelraub. Und das zweite große Verbrechen waren schwere Gewaltverbrechen.

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Ich will mal kurz die schweren Staatsverbrechen noch ein bisschen erläutern. Im Falle von schweren Staatsverbrechen war die Kreuzigung eine politische Strafe. Es handelte sich dabei in 95 Prozent der Fälle um Aufruhr. Das konnte sowohl Sklaven betreffen als auch Widerstandskämpfer in den eroberten Provinzen. Bei den Sklaven war es so, durch die vielen römischen Eroberungskriege hat sich eine Unmenge an Sklaven in Rom und Italien angesammelt. Fast alle römischen Bürger hatten eine gewisse Zahl an Sklaven. Wie viele Sklaven in Rom lebten, also Rom hatte 1 bis 2 Millionen Einwohner zur Zeit Jesu, aber wie viele Sklaven in Rom waren, darüber gab es keinerlei Statistik. Deswegen haben die römischen Bürger eigentlich ständig in der Sorge gelebt,

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es könnte mal zu kleineren und größeren Sklavenaufständen kommen. Da hatten die römischen Bürger schon ein Interesse daran, dass hier der römische Staat kompromisslos reagiert. Ich meine, wo kämen wir hin, wenn noch mehr Sklaven auf dumme Gedanken kämen? Dann aber auch, was die Widerstandskämpfer in den eroberten Provinzen betrifft, genau gleich. Da war sich die Staatsführung, die politische Elite in Rom und die Menge der römischen Bürger einig. Nämlich ihr eigener Wohlstand hing ja davon ab, dass weiterhin Bodenschätze, Getreide und Tribut schön regelmäßig in stabiler Ordnung aus den Provinzen nach Rom kamen. Da hatten sie schon ein Interesse daran. Und deswegen auch in diesen Fällen sofort Kreuzigen. Sie versprachen sich von der Kreuzigung schon eine gewisse Abschreckung. Im Falle der schweren Gewaltverbrechen handelte es sich um Wegelagerei und Piraterie. Das sind zwei verkehrspolitische Delikte. Insofern haben die auch eine politische Dimension.

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Denn das riesige römische Imperium war vital darauf angewiesen auf eine grundlegende Sicherheit der Straßennetze und der Wasserwege. Wir können uns das heute kaum mehr vorstellen. Ich weiß nicht woher kommt, aus Heilbronn oder Berlin, aber die Straßen sind bei uns relativ sicher. Stell dir mal vor, ein kleinerer Bauer will eine Kuh ins nächste Dorf bringen und dort am Markt anzubieten, aber er kann nicht sicher sein, ob er das Dorf erreicht und ob Netwege-Lagerer ihm die Kuh klauen. Also da kommt schon eine Empörung und ein Wut auf in der Bevölkerung. Das ist eine grundlegende Verunsicherung und eine schwere Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens. Es gab tatsächlich Zeiten, in denen im römischen Imperium die Wegelagerei und die Piraterie eine schwere Land- und Wasserplage war.

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Also auch in diesen Fällen sahen es die römischen Bürger als Pflicht ihrer Staatsführung an, kompromisslos durchzugreifen. Ich möchte in einem weiteren Schritt einmal skizzieren, wie eine Kreuzigung abgelaufen ist. Ich möchte dazu ein paar Vorbemerkungen machen, aber es wird gleich ziemlich schmutzig und grausam. Ich habe mal einen Vortrag gehalten vor vielen Jahren und da kam auch über die Kreuzigung ein älterer Mann zu mir her und sagte, also Herr Zimmer, ich möchte es noch einmal genau wissen, also wie war das mit dem Vierkantnagel, bei welchen Knochen und welches Be... Da ist man ganz schwül geworden. Ich möchte also auch jetzt mit dem, was ich jetzt sage, keine sadistischen Bedürfnisse befriedigen.

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Also ich möchte nicht in der Grausamkeit wühlen. Ich würde auch bei Jugendlichen und vor allem bei Kindern das jetzt so nicht sagen. Aber, Worthaus 2, historische Wahrheit, wir forschen. Also ich versuche einen angemessenen Mittelweg, denn die grausame historische Wahrheit ist schon wichtig, aber ich will es jetzt auch nicht übertreiben. Ich schildere auch nicht die Kreuzigung Jesu, sondern ich schildere ganz anonym irgendeine Kreuzigung. Es begann mit dem Urteilsspruch, ibis ad crucem, du gehst ans Kreuz. Keine Worte in der Antike waren so gefürchtet wie diese drei Worte, ibis ad crucem.

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Die Kreuzigung wurde sofort vollstreckt. Also sobald das Urteil gesprochen war, begann man sofort mit der Vollstreckung dieses Urteils, und zwar öffentlich. In einer modernen Demokratie werden Strafen in der Regel, zumindest in Mitteleuropa, nicht mehr öffentlich vollstreckt, denn eine Strafe soll keine Volksbelustigung sein und soll auch nicht der Entwürdigung der Menschen dienen. Aber genau das war bei der Kreuzigung bewusst gezielt. Wer gekreuzigt wird, wer eine Kreuzigung verdient, der soll öffentlich entwürdigt werden. Gleich nach dem Urteilsspruch übergab man den Verurteilten den Folterer. Er wurde erstmal gefoltert. Die Spezialisten des Folterhandwerks durften erstmal so ihre Spielchen mit einem Verurteilten treiben.

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Danach wurde er ausgepeitscht. Ist eigentlich auch eine Folterung, aber man hat unterschieden erstmal ein paar Folterübungen und dann Auspeitschen. Die römische Geiselung war besonders gefürchtet, weil bei ihr die Zahl der Peitschenhiebe nicht vorgeschrieben war und keine obere Grenze hatte. Und bei den Geiseln der Römer waren auch kleine Knochenstücke, Metallstücke eingearbeitet. Nach einer Geiselung war der Körper eines Menschen eigentlich nur noch eine einzige Wunde. Unsensible Folterknechte, bei denen konnte es schon vorkommen, dass der Glatt stirbt. Aber das war natürlich nicht der Sinn der Sache. Ein gut ausgebildeter sensibler Folterknecht hört genau rechtzeitig auf. Nach dem Auspeitschen setzte sich ein Hinrichtungskommando mit dem Verurteilten in Bewegung durch die Straßen der Stadt hinaus zum Stadttor.

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Der Verurteilte musste dabei den Querbalken auf seine Schulter nehmen und zum Stadttor hinaustragen. So lernte er schon mal das Holz kennen, an dem er nachher hängen wird. Man wählte absichtlich Umwege. Man wählte nicht den schnellsten Weg zum Stadttor hinaus. Warum? Möglichst viele Menschen sollten abgeschreckt werden, aber es sollte auch ein Justizotum, so gut es geht, vermieden werden. Es gab immer einen Offizier und vier Soldaten, schwer bewaffnet. Der Offizier trug vor sich her eine Holzplakat, eine Holztafel. Da stand drauf, warum dieser Mann gekreuzigt wird. Diese Tafel wurde später oben am Kreuz angeheftet.

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Wenn jemand den Mann kannte und das Urteil las und etwas zu seiner Entlastung sagen konnte, konnte er sich auch jetzt noch beim Offizier melden. Es wurde sofort verhandelt. Wenn der Offizier den Eindruck hatte, dass das relevant war, wurde die Kreuzigung abgebrochen. Normalerweise musste der Verurteilte noch mal gepeitscht werden, damit er überhaupt den Querbalken tragen konnte. Die Kreuzigung selber fand immer außerhalb der Stadt statt. Warum? Es hatte zwei Gründe. Einmal drückte eine Kreuzigung außerhalb der Stadt aus, dass der Gekreuzigte aus der Gesellschaft der Menschen ausgeschlossen war. Er war nicht mehr wert, zu den Bürgern der Stadt gezählt zu werden. Der zweite Grund war der Verwesungsgeruch. Ein Gekreuzigter wurde nicht bestattet.

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Das war in der Antike besonders schlimm, denn nach antikem Glauben ist eine Beerdigung unbedingt erforderlich, weil ein Mensch, der nicht beerdigt wird, niemals Ruhe findet. Deswegen war die Verweigerung der Beerdigung eine der schlimmsten Seiten an der Kreuzigung. Draußen vor der Stadt, aber in der Nähe des Stadttors. Es sollte schon außerhalb sein, weil der Verwesungsgeruch völlig unzumutbar gewesen wäre. Aber es sollten doch möglichst viele Menschen diese Kreuzigung mitbekommen. Deswegen außerhalb der Stadt, aber in der Nähe des Stadttors, in der Nähe der großen Ausfallstraßen, via Appia, aus Rom nach Süden. Da konnte es schon sein, wenn ein Bürger Rom ein bisschen nach Süden fuhr, in sein Land raus, dass er links und rechts erstmal 30 Gekreuzigte an denen vorbeifahren musste.

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Es gab im antiken Rom einen Schindanner in der Nähe des Stadttors, da wurde gekreuzigt. Draußen auf diesem Hinrichtungsplatz, da standen schon die senkrechten Balken, die waren dort fest installiert. Der Verurteilte musste sich erstmal ausziehen und dann wurde er nackt auf dem Querbalken angenagelt oder mit Seilen angebunden. Und dann wurde er mitsamt des Querbalkens, da hat man Seile über den senkrechten Balken drüber weggeworfen, da waren so Schienen drin und auf der anderen Seite haben eine ganze Truppe von Soldaten den Querbalken mit dem Gekreuzigen nach oben gezogen. Und als er dann am Querbalken hing, hat man seine Füße auch entweder mit Seilen angeseilt oder mit Nägeln angenagelt. Wenn ein Gekreuzigter so am Kreuz hing, dann war das ein durchaus noch lebender Körper, der atmet und empfindet.

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Aber er war zu völliger Machtlosigkeit verurteilt. Ich will das doch ein bisschen mal sagen, wie ein Gekreuzigter kann sich nicht mehr kratzen. Ein Gekreuzigter kann sich nicht vor Schmerzen krümmen. Habt ihr euch schon mal vor Schmerzen gekrümmt und gemerkt, eine gewisse minimale Erleichterung ist das schon, wenn man sich krümmen kann? Ein Gekreuzigter kann die Fliegen nicht vertreiben, die sich auf die Wunden setzen. An dem senkrechten Balken war auf Gesäßhöhe ein kleiner Sitzflock, fünf, sieben Zentimeter angebracht, das Sedile. Und dieser Sitzflock, sehr klug, profimäßig überlegt, fiel das Körpergewicht so zur Hälfte auf. Weil wenn es keinen Sitzflock gäbe, hinge der Körper ganz in dem Gewicht der Arme.

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Da würden die Nägel relativ rasch die Hände zerreißen oder bei Angeseilten würde das sehr schnell zur Atemnot und zum Ersticken führen. Aber das Sitzflock, da konnte man sich ein bisschen auffangen. Aber wenn man völlig entkräftet war, hing man dann doch in den Armen. Dann kam man in solche Atemnot, dass man sich wieder aufgerichtet hat, aber das hat die Fußnägel ungeheuer belastet. Und dann ist man wieder runtergefallen. Das heißt, dieses sich mühsame Aufrichten und dann wieder Zusammensinken, dieses sadistische Wechselspiel, wiederholte sich pro Stunde so und so oft. Mit der Zeit kugeln die Gelenke im Oberarm aus und das verursacht solche Schmerzen, dass der Körper starr wird. Und das Gesicht entstellt sich. Es geht gar nicht anders.

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Und mit diesem entstellten Gesicht wird der Gekreuzigte zur Schau geboten. Für die Vorbeiziehenden, auch für seine eigenen Angehörigen, für seine Geliebte. Und so mussten sie ihre Not durft verrichten. Und so hingen sie in der Hitze des Tages und in der Kälte der Nacht. Der Tod trat ein durch Verdursten, durch Ersticken oder durch Herz- und Kreislaufversagen. Viele wurden aber schon vorher wahnsinnig vor Schmerzen durch diese Auskugelungen. Wenn die Gekreuzigten nicht rund um die Uhr bewacht wurden, Tag für Tag rund um die Uhr, wurden sie schon vorher von wilden Tieren angefressen oder von Aasgeiern. Ein Gekreuzigter kann sich beim Sterben nicht hinlegen. Er kann sich nicht zum Sterben legen.

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Die Mutter Erde war zu schade für sie. Selbst diese Heimat, die für jeden Menschen selbstverständlich ist, dass man sich zum Sterben auf die Erde legt, selbst diese Heimat war ihnen vorenthalten. Ein Gekreuzigter stirbt heimatlos in der Luft. Jetzt möchte ich Ihnen ein Phänomen kurz schildern. Im ersten Jahrhundert entstand eine neue Bewegung. Trotz vielfacher Ablehnung und vielfacher staatlicher Gegenmaßnahmen breitete sich diese Bewegung immer mehr und relativ rasch aus. Die Anhänger dieser Bewegung wurden Christen genannt. Die Christen sagten, sie hätten eine gute Nachricht. Diese gute Nachricht sei für jeden Menschen auf der Welt von entscheidender Bedeutung.

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Und das Verblüffende war, im Mittelpunkt dieser guten Nachricht steht die Kreuzigung eines Mannes. Er wurde gekreuzigt am 7. oder 8. April des Jahres 30 nach Christus außerhalb Jerusalems in der Nähe der Stadttore auf einem kahlen Hügel, der die Form eines Schädels hatte und deswegen Aramäisch Kolkota hieß, das heißt Schädel. Der Name dieses Mannes Jesus aus Nazareth, ein Jude. Er wurde gekreuzigt am Vortag des großen Pesachfestes. Er wurde gekreuzigt von der damals führenden Weltmacht, dem römischen Imperium. Einige mächtige Vertreter des Hohen Rats, der höchsten jüdischen Selbstverwaltungsbehörde, haben diesen Mann beim römischen Prokurator angeklagt und haben diese Anklage vorbereitet.

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Und die Kreuzigung dieses Mannes soll eine gute Nachricht sein. Auf die Idee ist bis dahin in der Weltgeschichte noch niemand gekommen, in keiner Religion, dass eine Kreuzigung etwas mit Religion zu tun hat. Also ich darf Ihnen sagen, auf die Idee ist noch keiner gekommen. Und nicht genug damit, dass die Christen dieses schmutzige, peinliche Ende ihres Idols überhaupt erwähnen, anstatt es zu vertuschen und diskret darüber wegzugehen. Nein, die erwähnen es nicht nur, sie verkünden es. Das war schon ein bisschen zu viel für Juden, Griechen und Römer. Aber Paulus zum Beispiel, der vielleicht größte Missionar der christlichen Bewegung in der damaligen Zeit, der nennt die christliche Botschaft das Wort vom Kreuz.

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Und bei den Zusammenkünften der Christen lassen sie Brot und Wein herumgehen und nennen das Herrenmal. Und dabei erinnern sie sich an seinen Tod. Wenn sich jemand den Christen anschließen will, dann wird er getauft in seinen Tod. So wird jeder, der sich den Christen anschließen will, von Anfang an mit seinem Tod konfrontiert. Leichter konnten es die Christen niemand machen. Ich will mal so knapp, aber mit genügender Ausführlichkeit schildern, wie die damalige Gesellschaft auf diese verblüffende gute Nachricht reagiert haben. Zunächst mal von jüdischer Seite her. Jesus war ja ein Jude und er blieb ein Jude und er starb als Jude. Also Jesus wollte nie eine neue Religion gründen, hat er ja auch nicht. Alle seine Jünger waren Juden. Alle, die später gesagt haben, sie haben den Auferstandenen gesehen, waren alles Juden.

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Alle, die Pfingsten erlebt haben, waren ausnahmslos Juden. Und das Neue Testament ist vermutlich ausnahmslos von Juden geschrieben. Also Jesus war Mitglied des jüdischen Volkes. Wie hat eine Kreuzigung im jüdischen Volk gewirkt? Eine Kreuzigung gibt es im jüdischen Strafrecht nicht, war dort nicht vorgesehen. Das ist keine jüdische Strafe. Juden empfinden wie alle Menschen eine Kreuzigung abscheulich. Es kommt allerdings bei Juden ein bestimmtes Element dazu, das es so, soweit ich weiß, eigentlich nur in der jüdischen Tradition gibt. Denn in der Heiligen Schrift der Juden, in der Thora, im fünften Buch Mose, steht folgender Satz. Die Kreuzigung ist gezeigert, sie ist befreit von Fremden.

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Sie ist verflucht ist, wer am Holz hängt. Dieser Satz, der älter ist, wie die Kreuzigung. Als dieser Satz geschrieben wurde, gab es noch gar keine Kreuzigungen. Und mit diesem Satz ist auch gar keine Kreuzigung gemeint. Da ist eine Pfählung gemeint. Das sind die schlimmsten religiösen Vergehen in der jüdischen Heiligenschrift. Und wer diese Vergehen begeht, wird mit Todesstrafe geahndet, und zwar mit der Steinigung. Todesstrafen gab es in allen antiken Völkern, im Judentum weniger wie in allen anderen. Also die haben das schon ganz schön gebändigt, aber Todesstrafen gibt es in jedem anderen Land. Also diese Menschen sind gesteinigt worden, aber diese gesteinigten Leichen, die jetzt schon tot waren, die wurden an einen Pfahl gehängt. Also das waren bereits Leichen.

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Und zwar hat man das deswegen gemacht, weil man gesagt hat, einer der Gott lästert, einer der zaubert und Götzen verehrt, verflucht mehr oder weniger in der Welt. Und dieser Fluch an Gott, der fällt auf ihn zurück, und zum Ausdruck dieses Fluches wird diese Leiche an einen Pfahl gebunden. Später aber hat man die Kreuzigung entdeckt. Den Persern, dem ersten Weltreich der Geschichte, dem Persischen Weltreich, ein Reich, in dem die Sonne nie unterging, denn es reichte von Algerien, oder Marokko, dem heutigen Algerien, Marokko bis an die indische Grenze. Die Perser haben die Kreuzigung erfunden. Sie sind auf die Idee gekommen, einen lebenden Menschen an den Pfahl zu hängen und mit Querbalken. Und die Katager haben diese Erfindung der Perser übernommen und die Römer von den Katager. Also als die Römer Palästina erobert haben und die Besatzungsmacht von der Persen

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in Palästina war, mussten sich jüdische Religionssachverständige jetzt überlegen, in welchem Verhältnis steht die Kreuzigung durch Römer oder durch andere zu unserem Satz in der Thora, verflucht ist, wer am Holz hängt. Soweit wir das rekonstruieren können, wir können es nicht mehr genau rekonstruieren, also ich will das jetzt sehr vorsichtig sagen, es spricht einiges dafür, dass nicht wenige jüdische Religionssachverständige diesen Satz, verflucht ist, wer am Holz hängt, auf die Kreuzigung angewandt haben. Nämlich in der Erkenntnis, die Pfählung ist zwar nicht das Gleiche wie eine Kreuzigung, aber sie ist so relativ ähnlich, dass wir analog vorgehen können. Und deswegen galt bei vielen, in vielen jüdischen Kreisen, genaueres kann man nicht sagen, also das ist nicht das Gleiche, aber es kommt bei sehr vielen Juden dazu, dass ein Gekreuzigter nicht nur grausam stirbt,

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sondern auch noch von Gott verflucht ist. Dann stirbt niemand so einsam wie ein Gekreuzigter, so gottverlassen. Nach jüdischen Reinheitsvorschriften muss man einen Gekreuzigten abhängen, der darf nicht über die Kreuzigung, der darf nicht über die Kreuzigung, der darf nicht über Nacht hängen bleiben, dann würde das ganze Land verunreinigt. Und deswegen haben Vertreter des Hohen Rats bei der römischen Militärbehörde, bei den leitenden Stadthaltern dringend ersucht, dass man bei ihnen einen Gekreuzigten abnehmen und beerdigen kann. Und die römischen Prokuratoren haben gemerkt, wir müssen diesem Drängen nachgeben, es würde ein unvorstellbarer Unruhe entstehen, wir könnten überhaupt nicht mehr das Land stabil regieren. Also sie haben in Judea als einziger Provinz Juden gestattet, Gekreuzigte zu beerdigen.

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Aber sie haben es sofort verboten, bei dieser Beerdigung irgendwelche Trauergebräuche zu praktizieren. Die üblichen Trauergebräuche, Salbungen und alles andere waren bei einem Gekreuzigten verboten. Es gibt einen jüdischen Rechtstext im Tal Mut, da steht so sinngemäß ungefähr Folgendes drin. Bist du eine Frau, deren Mann gekreuzigt worden ist? Oder seid ihr Kinder, deren Mutter oder Vater gekreuzigt worden ist? Es wurden auch Frauen gekreuzigt, tausende von Frauen, aber lang nicht so viel wie Männer. Also bist du entweder die Frau eines Gekreuzigten oder seid ihr Kinder eines Gekreuzigten? Dann zieht weg von dem Ort, an dem ihr bisher gelebt habt. Es sei denn, der Ort ist so groß wie Antiochien, das ist eine Millionenstadt, aber dann zieht bitte in ein anderes Stadtviertel. Und das ist so ein Ausdruck dafür, dass der Fluch wirklich auf dieser Region lastet. Und wenn du von dem Fluch nicht getroffen werden willst, zieh weg.

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Dass ein Messias am Kreuz endet, ist nun wirklich für einen Juden eine unvorstellbare Möglichkeit. Vollkommen unvorstellbar. Denn ein Messias ist ein von Gott gesegneter Mann und ein politisch erfolgreicher Mann, zumindest je länger desto mehr. Und er wird das Unrecht besiegen und das Böse besiegen, aber er wird nicht selber ein Opfer des Bösen werden. Völlig ausgeschlossen. Der Messias ist der, der das Böse überwindet. Dann gibt es gar keinen Krieg mehr und es gibt keine Sünde mehr und keine Kinder werden gequält. Also der Messias wird auf dieser Welt Gerechtigkeit verbreiten. Dann kann er nicht selber ein Opfer vom Bösen werden. Und ganz selten gibt es mal in der jüdischen antiken Tradition in Schriftensätze, dass der Messias vielleicht auch mal leiden müsste.

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Aber dann war das immer ein vorübergehendes und ehrenvolles Leiden. Und danach kommt der Sieg. Jetzt muss man sich mal vorstellen, dementsprechend muss es gewirkt haben, wenn die ersten Anhänger Jesu nach seiner Kreuzigung relativ bald in der Stadt wieder erscheinen, in der er gekreuzigt worden ist von der römischen Weltmacht und von den leitenden Spitzenleuten, hohe Priester und Tempelleiter, die die Anklage vorbereitet haben. Wenn jetzt die ersten Christen in Jerusalem verkünden, der Gekreuzigte ist von Gott auferweckt worden und dadurch als Messias erwiesen. Sowas denkt man sich nicht aus, denn man kann sich an den zehn Fingern abzählen, was jetzt los ist. Obwohl man muss sagen, der Hohe Rat hat relativ gemäßigt reagiert.

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Es kam zu Verwarnungen, zu Redeverbot, zu kurzfristigen Verhaftungen, hin und wieder mal zur Prügelstrafe. Aber damit, mit diesen Disziplinierungsmaßnahmen haben sie es erst mal belassen. Respekt, Respekt. Aber im Laufe der Zeit, man hat zwar gesagt, lasst diese merkwürdige Messias-Sekte doch in Ruhe, die Thesen sind so absurd, das wird sich von alleine verlaufen. Hat sich aber nicht. Und dann wurde der Widerstand schon etwas stärker in den Familien, soweit wir das rekonstruieren können. Es gibt einige Indizien, wer Anhänger eines Gekreuzigten wurde und sagte, das ist der Messias, der bekam schon ordentlich Schwierigkeiten. Es gab sehr viele familiäre Zwiste bis zur Enterbung und bis zum Ausstoß aus der Familie.

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Jetzt überlegen wir uns mal, wie haben wohl Griechen und Römer reagiert auf die Nachricht, im Mittelpunkt unserer Religion steht etwas hässliches und grausames, die Kreuzigung eines Mannes. Ich sag euch, das war einfach zu viel. Also die Botschaft, dass die Kreuzigung eines Mannes etwas mit Religion zu tun hat und dass der Gekreuzigte der Sohn Gottes ist, das Ebenbild und der Abglanz Gottes. Also zunächst mal wirkte diese Botschaft einfach absurd, lächerlich. Plinius der Jüngere, das war ein Stadthalter in der römischen Provinz Bithynien, der hat es irgendwo mitgekriegt von ein paar Offizieren, Religionsspezialisten, da gibt es so eine neue Bewegung, die meisten sind Juden, aber die haben auch schon ein paar neue gewonnen, die sind gar keine Juden, also wir müssen langsam damit rechnen, da ist eine neue religiöse Bewegung entstanden.

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Und die verehren einen Gekreuzigten, der von der römischen Justiz rechtmäßig abgeurteilt worden ist. Da hat es aber dem Plinius doch ein bisschen die Luft verschlagen. Und da hat er gesagt, das kann ja gar nicht sein, das ist ja völlig absurd, da muss irgendwas anders dahinterstecken. Und dann hat er gesagt, gut, ich verhöre mal zwei christliche Sklavinnen, die verhöre ich mal sachgerecht auf der Folter. Und nach der Folterung schreibt er nach Rom tatsächlich die verehren einen Gekreuzigten. Ich habe nichts herausgefunden als einen wüsten Aberglauben. Und auch andere römische Gebildete konnten sich das beim besten Willen nicht erklären. Sueton sagt, das ist ja ein gepfehlter, ein gekreuzigter Sophist. Und Celsius sagt, wenn der Gekreuzigte wenigstens vom Kreuz weg gen Himmel gefahren wäre,

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dann könnte man nur darüber reden. Aber ein Gottessohn, der am Kreuz verreckt, also das geht einfach nicht. Typisch für diese Absurdität ist eine Karikatur, die man im 19. Jahrhundert ausgegraben hat, zufällig auf dem Palatine, dem kaiserlichen Bezirk in Rom. Da hat man ein Kruzifix entdeckt, aber nicht von Christen. Da sieht man, also das ist eine Strichzeichnung, da sieht man ein Kreuz und an dem Kreuz hängt ein Mann und der Mann hat einen Eselskopf, einen übergroßen Eselskopf. Und vor diesem Kreuz kniet ein Mann und betet zu diesem gekreuzigten Eselskopf. Und drunter steht, Alexamenos betet seinen Gott an. Das ist die erste Kreuzigungsdarstellung, die es überhaupt in der Welt gibt. Ein Spott Darstellung. Christen haben Christus nie am Kreuz dargestellt, in den ersten vier Jahrhunderten niemals.

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Erst nachdem das Christentum Staatskirche wurde, im fünften Jahrhundert, finden sich die ersten zwei Kreuzigungsdarstellungen von Christen. Aber sehr zurückhaltend, bei der ältesten steht Jesus vor dem Kreuz. Ganz merkwürdig. Also es war einfach absurd. Aber die Botschaft vom Kreuz wirkte nicht nur absurd und lächerlich, sie wirkte auch ganz schön frech. Es ist eigentlich eine Unverschämtheit. Unsere erhabenen Götter, die verehren die Christen nicht. Für die sind sie sich zu schade. Aber einen gekreuzigten verehren die. Sie ziehen einen gekreuzigten unseren erhabenen Göttern vor. Das ist Verhöhnung unserer Götter. Aber es ist auch schon rein ästhetisch einfach eine Geschmacksverirrung. Das ist eine entwüste Entgleisung.

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Das ist ja Hohn auf jedes ernsthafte religiöse Empfinden. Wer von der Religion redet, der muss doch vom Guten, Wahren und Schönen reden. Nicht von so einem Schmutz und so obszöne Sachen. Und bei den Römern, da kam im Punkt der Frechheit noch eine ganz handfeste Sache dazu. Denn der römische Kaiser wurde göttlich verehrt. Und er beanspruchte göttliche Verehrung. Unseren Imperator verehren sie nicht. Sie tricksen um die göttliche Verehrung unseres Kaisers irgendwie herum. Aber den Gekreuzigten, der von der römischen Justiz rechtmäßig abgeurteilter Verbrecher, den verehren sie. Sie geben einem Gekreuzigten mehr Ehre wie dem Imperator. Darf ich euch versichern, da war eine ganz schöne Spannung zum römischen Reich. Weil sich die Christen aber nirgendwo als aktive Widerstandskämpfer gegen das römische Imperium beteiligt haben,

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haben die Römer sie überwiegend längere Zeit in Ruhe gelassen. Aber im Laufe der Zeit ging es dann schon los. Erstmal mit lokalen Verfolgungen und die breiteten sich dann immer mehr aus. In der römischen Oberschicht, in der Schickeria, war es nicht angesagt. Das Thema Kreuzigung überhaupt irgendwie auf einer Party. Kein Mensch, das war tabu. Das könnte einer der vornehmenden Damen glatt schlecht werden. Die kippt um und kotzt. Also, das geht nicht. Es war völlig tabu. Auch die berühmten römischen Schriftsteller, Vergil, Horats und die ganzen anderen, haben niemals eine Zeile über Kreuzigung geschrieben. Das war vollkommen unter ihrem Niveau. Es ist auch nicht ihre Welt. Es gab allerdings, was man noch gar nicht lange weiß,

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auch schon in der Antike billige Groschenromane. Die gab es tatsächlich, so Ganovenromane. Es gibt einen Professor in Tübingen, Martin Hengel, der hat diese Krimis übersetzt. Er hat Folgendes herausgefunden. In den billigen Groschenromanen des römischen Reiches, da kam schon mal eine Kreuzigung hin und wieder vor, so in jedem 20. Roman. Der Held, der Höhepunkt der Spannung war erreicht, wenn der Held um ein H gekreuzigt war. Der war schon, man wollte schon, aber in letzter Sekunde konnte sich der Held befreien oder er wurde von seinen Elitetruppen sofort befreit. Und am Ende wurde der Böse gekreuzigt. Der Held wird natürlich nicht gekreuzigt. Wenn ein Held gekreuzigt worden wäre, wäre er kein Held. Denn die Kreuzigung ist kein Heldentod. In der Unterschicht in Rom wurde schon mal das Wort Kreuz und du Gekreuzigter in den Mund genommen.

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Das waren saftige Zoten, das waren Schimpfaustrücke. Du Gekreuzigter, das hieß so wie du Raben ass. Also wenn man mal wirklich die Beherrschung verloren hat in der Unterschicht, wenn es zur Sache geht und man sich anbrüllt, dann greift man zu solchen Worten. Einzige Ausnahme, wo es ganz anders war, waren die Sklaven. Die haben sich nicht angebrüllt mit solchen Ausdrücken. Denn man wusste als Sklave nicht, ob man mal so endet. Sklaven haben ganz anders über die Kreuzigung gedacht, mit Solidarität und mit Gefühl. Das waren ja meistens Sklaven, die gekreuzigt wurden. Wenn ein Mann gekreuzigt wurde, dann war er entweder sowieso einer der Iren oder er ist es durch die Kreuzigung geworden.

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Jetzt will ich im vorletzten Schritt einmal den Tod Jesu, die Hinrichtung Jesu, vergleichen mit dem Tod der Religionsstifter. Jesu selber war ja kein Religionsstifter, aber er ist natürlich die zentrale Gestalt im christlichen Glauben, aber er ist ein Jude. Christen glauben an einen Juden. Könnt ihr mal ein bisschen darüber nachdenken. Aber ich vergleiche ihn jetzt mal wirklich mit dem Tod der Religionsstifter. Ich beginne mal mit Buddha. Buddha starb im Jahr 480 v. Chr. mit ungefähr 80 Jahren. Nach ungefähr 40 Jahren Lehrtätigkeit. Er starb mitten auf einer Wanderung mit seinen Jüngern. Sie waren gerade in einem Garten, in einem Hain von Saalbäumen. Da legte sich Buddha, so heißt es in einer buddhistischen Schrift, wie ein Löwe sich lagert.

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Der Vollendete lagerte sich. Und dann heißt es in Maha Parinibbuna Satta, von oben ertönten himmlische Weisen und Seitenspiel. Und ein Regen von Blüten fiel herab, obwohl doch gar nicht die Blütezeit der Saalbäume war. Und seine Schüler, seine Jünger umlagerten ihn. Und er fragte sie, habt ihr noch irgendwelche Fragen bezüglich der Lehre und des Pfades? Niemand meldete sich. Da sagte Buddha, keiner ist in dieser Runde, der noch Zweifel und Fragen hat bezüglich der Lehre. Da sagte sein Lieblingsjünger Ananda zu Buddha, ist es nicht schade, dass du in der Nähe von Kusinara stirbst?

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Das war die nächste Stadt, weil das ist eine relativ kleine Stadt, keine große Metropole. Kusinara ist eigentlich kein würdiger Ort, in dessen Nähe du sterben sollst. Da tröstete Buddha Ananda und sagte, mach dir keine Sorgen, Kusinara war früher einmal die mächtige Hauptstadt eines Königreichs. Da fragte Ananda den Meister, was zu tun noch sei. Da sagte Buddha zu Ananda, geh nach Kusinara und melde den Brahmanen, den führenden Adelsgeschlechtern in Kusinara, von meinem bevorstehenden Tod. Sie sollen sich später nicht ärgern und schämen müssen, dass sie den verpasst haben. Sie sollen Gelegenheit bekommen, nochmal mich zu sehen. Und als die Nachricht von Buddhas bevorstehenden Tod sich in Kusinara verbreitete, zogen alle führenden Adelsgeschlechter der Stadt hinaus und bezeugten Buddha noch einmal ihre Verehrung.

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Und dann heißt es im Maha Parinibbuna Satta, und dann zog es Buddha in Verzückung auf und nieder. Und so ging er ins Nirvana ein. Nachdem Buddha gestorben war, wurde in Kusinara eine sechstägige Leichenfeier organisiert. Die Stadt war übersät von Blüten. In Tanzspiel und Musik wurde entsprechend der indischen Kultur dieser Tod gefeiert. Buddha wurde, wie es auch bei einem König üblich ist, auf einem großen Holzstoß verbrannt. Und während diesem Verbrennen der Leiche zogen Hunderte von seinen Schülern um diesen Holzstoß herum und berührten als Verehrung mit ihrem Kopf die Füße von Buddha. Am siebten Tag wurde Buddhas Leiche, die Knochen, die erhalten blieben, in sieben Teile geteilt

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und an die führenden Adelsgeschlechter der Region verschickt. Und diese sieben Adelsgeschlechter errichteten über jedem dieser Reliquien ein eigenes Grabmal. So starb Buddha. Kung Fu Tzu starb in China, größter religiöser Denker in China, starb im Alter von 75 Jahren. Friedlich im Bett, auch er lagerte sich zum Sterben. Er war schon mit 22 Jahren dermaßen begabt, dass er eine eigene Schule gründete. Schule heißt in der Antike nicht Schüler mit sechs oder zehn oder 15 Jahren, sondern Schule heißt immer für junge Erwachsene. Weit über tausend junge, adlige Erwachsene gingen durch die Schule von Kung Fu Tzu.

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Und er hat schon sehr früh höchste Staatsämter, Ministerämter angeboten bekommen. Schon als 28-, 30-Jähriger hat sie alle abgelehnt. Mit 50 Jahren bot ihm sein Fürst das Amt des Justizministers an. Das nahm er an, gab es aber relativ bald dem Fürsten wieder zurück und sagte ihm, ein Mensch, der so einen Lebensstil pflegt wie du, dessen Minister kann ich nicht sein. Passierte ihm aber nichts, der Fürst hatte schon Respekt vor dem Mann. Und dann zog er noch zwölf, vierzehn Jahre lang, wanderte er durch die Region. Und als groß geehrter Mann kam er dann in seine Heimatstadt zurück, lebte dort noch mehrere Jahre und schrieb seine Schriften auf. Und mit 75 Jahren in Vollendung, als Abschluss eines reichen Lebens, wurde er in einer mehrtägigen Sterbefeier beerdigt.

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Mohammed starb im Alter von 63 Jahren, mitten in der Vorbereitung eines Feldzugs. Seine Sache stand schon sehr gut, als er starb, haben fast alle Araberstämmer ihm gehuldigt. Er war auch der politische Herr, praktisch über ganz Arabien. Und die Ausbreitung seiner Lehre war also weit fortgeschritten. Und als Mohammed merkte, dass es an Sterben ging, er war ein sehr höflicher Mensch, vor allem zu Frauen, war er von erstaunlicher tiefer Höflichkeit. Bat er seine Frauen, um Erlaubnis im Hause seiner Lieblingsfrau Aisha sterben zu dürfen. Und seine Frauen haben es ihm gewährt. Und so starb Mohammed mit 63 Jahren im Hause seiner Lieblingsfrau Aisha,

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sein Kopf im Schoße seiner Lieblingsfrau. Moses starb im Alter von 120 Jahren, nach alttestamentlicher Erzählung, nach über 40 Jahren öffentlicher Lehrtätigkeit. Das Alte Testament erzählt, Gott selber hat ihn beerdigt. Sein Grab ist unbekannt. Und es heißt am Ende der Thora, die Kinder Israels beweinten ihn 40 Tage in den Steppen Moabs. Jetzt möchte ich zum Schluss diesen Vergleich einmal auswerten. Ohne Überheblichkeit, in freundlicher Haltung zu allen Religionen. Solche Vergleiche sind sehr wichtig, denn man sagt in der Religionswissenschaft, wer nur eine Religion kennt, der kennt keine.

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Da kennst du nicht mal deine eigene. Erst im Vergleich wird dir bewusst das Profil deiner eigenen Religion. Ein palästinensischer Theologe, der in Deutschland studiert hat und sehr gut Deutsch kann. Ich habe immer wieder Studienreise nach Israel und Palästina gemacht. Neun Tage Israel, neun Tage Palästinenser. Am Ende haben die Studenten gesagt, Herr Zimmer, jetzt weiß ich gar nichts mehr. Ich sage, gut so, jetzt fängt es Lernen an. Und dieser Dr. Mitri Raheb ist inzwischen auch Preisträger eines großen Friedenspreises in Deutschland. Und dieser Dr. Mitri Raheb hat zu meinen Studenten einmal gesagt, wie schwäbisch ihr seid, das merkt ihr nicht im Schwaberland. Aber hier in Palästina. Deswegen, diese Vergleiche mit anderen Horizonten sind schon wichtig. Sie sind unverzichtbar. Sie erweitern den Horizont.

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Aber die Vergleiche müssen fair sein. Nicht andere abwerten, um mich selber aufzuwerten. Und nicht so vergleichen, dass ich die Schwächen der anderen mit meinen Stärken vergleiche. Da kommst du immer gut weg. Vergleiche doch mal die kleine Stärken mit den Stärken anderer. Manche sehr christliche Gemeindegruppen vergleichen sich mit der Universitätstheologie folgendermaßen. Die Schwächen der Universitätstheologie mit den Stärken der eigenen Gemeinde. Kommt man gut weg. Aber vergleiche doch mal Schwäche mit Schwäche. Diese Vergleiche sind erforderlich, aber sie müssen fair sein in einem freundschaftlichen Geist. Jetzt versuche ich also rein sachlich das mal zu vergleichen. Alle Religionsstifter starben im höheren Alter. Der jüngste war Mohammed mit 63 Jahren. Ist aber auch schon ein gutes gesegnetes Alter.

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Die Lebenserwartung in der Antike war unter 40. Also wenn man 60 geworden ist, das ist schon gesegnet. Konfu C 75, Buddha 80, Mose 120. Jesus Mitte 30. Er war älter als 30, aber er war noch nicht 40. Jesus starb in den besten Jahren. Er kann keine vollständige Biografie vorweisen. Nur eine abgebrochene. Der frühe Tod gilt in allen Religionen, die wir kennen in den Hochkulturen als Strafe der Götter. Der frühe Tod ist ein ungesegneter Tod. Jesus hat nicht mal die Weisheit des Alters geschmeckt. Zweiter grundlegender Unterschied. Alle Religionsstifter, die wir kennen, haben eine lange öffentliche Wirksamkeit gehabt. Jahrzehnte. Und in dieser langen Zeit, also Mohammed wurde so um 40 herumberufen,

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er war also über 20 Jahre öffentlich aktiv. Und in dieser jahrzehntelangen Tätigkeit konnte man traditionsbildend wirken, konnte man Schülerkreise prägen und die Ausbreitung der Lehre konnte ein großes Stadium annehmen. Jesus hat höchstens drei Jahre öffentlich gewirkt oder auch etwas weniger. Und das ist ja wahnsinnig wenig. Und er hat in dieser kurzen Zeit nichts geschrieben. Er hat nicht mit Papier und Tinte gearbeitet. Er hat keine Briefe geschrieben, keine Schriften herausgegeben. Er hat nicht mal seine Gleichnisse schriftlich herausgegeben. Er setzte nur auf das mündliche Wort. Und nur zwei bis drei Jahre. Drittens, der Tod aller Religionsstifter war die Vollendung. War der Abschluss eines langen, erfolgreichen, gesegneten Lebens. Und die Art, wie sie starben und bestattet wurden, war immer entsprechend ihrer Kultur wirklich ein großes Ereignis.

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Bei der Beerdigungsfeier von Mohammed waren Zehntausende von Menschen. Also alle Religionsstifter starben entsprechend dem, was in ihrer Kultur als wertvoll und anerkannt galt. Jesus starb aber als Verbrecher einen schmutzigen und hässlichen Tod und wurde öffentlich entwürdigt. Eventuell unter Fluchcharakter. Und für seine Jünger war die Verhaftung Jesu eine glatte Katastrophe. Die schwerste Enttäuschung ihres Lebens. Jesus wehrte sich nicht. Er vollbrachte, hat doch sonst Wunder gemacht. Bei der Verhaftung kein einziges. Er hätte doch seine Häscher einmal locker in die Flucht schlagen sollen. Und Gott ließ ihm auch im Stich. Wurde so nachts geschnappt im Handumdrehen. Da kannst du bloß noch heimgehen und deinen alten Beruf wieder aufnehmen. Die sind auch alle abgehauen, weil auch Gefahr der Kreuzigung für die Anhänger bestand, nach Galiläa und haben wieder Fischerei betrieben.

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Also der Tod Jesu war für seine Jünger eine Katastrophe. Und der vierte Unterschied, alle Religionsstifter starben im Kreise ihrer Liebsten. Frau oder Mann, selbst Sokrates im Kreise seiner Schüler. Jesus aber starb einsam. Alle Schüler hauen ab. Sie sind völlig panisch. Sie sind sozusagen traumatisiert. Und einige Frauen tapfer, Respekt, schauen von der Ferne zu. Die waren auch gefährdet, denn die Römerkreuzigen auch Frauen. So können sich die Männer nicht rausreden. Für die bestand keine Gefahr. Doch, für die bestand auch Gefahr. Frauen sind ja oft mutiger und die Männer sind oft feiger. Die Erfahrung habe ich nicht nur bei anderen, sondern auch bei mir gemacht. Also alle Religionsstifter starben im Kreise von irgendwelchen Anhängern.

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Jesus aber einsam. Das sind schon gravierende Unterschiede. Trotzdem ist daraus etwas Unglaubliches entstanden. In den nächsten Vorträgen werden wir die Frage behandeln, wie kommt es zu diesem schmutzigen, grausamen Tod dieses Mannes? Welche Ursachen und Faktoren haben zu dieser Hinrichtung geführt? Denn Jesus ist ja nicht einfach gestorben, sondern er ist in einem Prozess verurteilt worden. Und eine solche Verurteilung hat Motive. Welche Motive?

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Ein merk-würdiger Tod – historische Aspekte der Kreuzigung Jesu | 2.1.1

Worthaus 2 – Weimar: 6. Juni 2012 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Der Eröffnungsvortrag von Worthaus 2 ist vielleicht das passendste, wie man mit dem mysteriösen Tod des Jesus von Nazareth umgehen kann. Er nähert sich behutsam der Thematik, indem er nicht gleich nach dem “warum” fragt, sondern erst einmal das “wie” in seiner physischen, aber auch gesellschaftlichen Brutalität schildert. Dabei geht es Siegfried Zimmer jedoch nicht darum in bester Mel-Gibson-Manier Splatter-Effekte aneinander zu reihen, sondern darum eine heute nicht mehr wahrgenommene Absurdität aufzuzeigen: Wie kann ein Mann dessen Biografie so elend und glanzlos endet, zu der zentralen Figur einer Weltreligion werden?