Es muss sicherlich losgehen mit ein paar Anmerkungen darüber, was dieses Jesaja-Buch denn nun eigentlich ist. Ich weiß nicht, ob Sie sich jemals dem Vergnügen ausgesetzt haben, dieses Buch von Anfang bis Ende durchzulesen. Also von Kapitel 1 einfach mal durch bis 66. Wenn Sie das getan haben, zunächst mal Kompliment. Das ist nicht so ganz ohne. Sie werden sicherlich dann gemerkt haben, da gibt es Passagen, da geht einem das Herz auf, da ist die Sprache wunderbar, die Bilder, die einem entgegenkommen. Das macht alles unmittelbar Sinn. Und dann gibt es Passagen, wo man dann daneben steht und so denkt, nee, also das tut gar nichts für mich. Irgendwelche Fremdvölkerorakel, wo es dann um Ägypten und Strafe und wer weiß, was alles gibt. Wenn man so den Eindruck hat, das Buch strahlt überhaupt nicht aus, sondern es bleibt eigentlich ganz bei sich und in sich.
Und das macht die Lektüre so ein bisschen zu einem Galop-Ritt. Also es ist sowohl hü als auch hot, wenn man das einfach mal auf der Leserinnenperspektive wahrnimmt. Trotzdem hat man natürlich immer wieder versucht, dieses Buch irgendwie auch in den Griff zu bekommen, Schneisen zu schlagen, zu schauen, was gibt dem Buch, diesem Jesaja-Buch eine sozusagen ganzheitliche Gestalt. Und Sie werden beim imaginären Lesen vielleicht feststellen, dass man sehr oft in den ersten Kapiteln, so in der ersten Hälfte, eine relativ düstere Prophetie findet. Also immer wieder Texte, die Unheil ankündigen. Und Texte, die darüber sprechen, dass Gott entweder sein eigenes Volk zur Rechenschaft ziehen wird oder andere Völker, wie eben die Ägypter und die Babylonier und wer weiß was alles. Also ein relativ nüchterner, trockener, manchmal auch etwas tatsächlich dunkler Ton.
Und wenn man dann so liest und so etwa in der Hälfte des Buches ankommt, dann merkt man, die Stimmung ändert sich etwas. Auf einmal bekommt man sehr viel stärker das, was in der Exegese Heilsprophetie genannt wird. Also es wird Heil angekündigt, gute Dinge, hoffnungsvolle Dinge. Die Bilder werden etwas farbiger, etwas freundlicher. Und das ist ganz interessant, dass dieses Buch sich tatsächlich so zu bewegen scheint. Von seiner ersten Hälfte in die zweite hinein. Da findet so etwas wie ein Stimmungsumschwung statt. Das haben Leserinnen und Leser des Jesaja-Buches schon immer empfunden bei der Lektüre, dass es einen dramatischen Aspekt in diesem Buch gibt, wie es sich bewegt. Und das hat auch im Mittelalter dazu geführt, als man dann die Kapitelanteilung vornahm. Also die Kapitel, wie sie sie heute haben, die Kapitelzahlen sind nicht alt. Also die stammen nicht aus biblischer Zeit. Also Genesis 1, 2, 3, 4, 5 und so etwas. Das kam erst im Mittelalter dazu.
Insofern ist es auch eine späte Entscheidung gewesen, wie man die Bibel aufteilt, wo ein Kapitel beginnt, wo eines endet. Und im Jesaja-Buch hat man das jetzt interessanterweise so gemacht, dass der erste Teil, dieser eher gerichtsprophetische Teil, hat 39 Kapitel. Eins bis 39. Das ist so die erste Einheit. Und die zweite, die sozusagen diese Wendung zu Heil und Ankündigung gerade auch der neuen Dinge hat, die hat 27. 40 bis 66 sind glaube ich 27 Kapitel. Also fragen Sie mich nicht Mathe, war nicht mein Ding, deswegen habe ich Theologie gemacht und das war auch gut so, glaube ich. Das würde Ihnen vielleicht nicht unbedingt sagen, aber 39 und 27 sind interessante Zahlen, denn es gibt 39 Bücher im Alten Testament und 27 im Neuen Testament. Also diejenigen, die diese Kapitleinteilung für das Jesaja-Buch geschaffen haben, haben gewissermaßen Altes und Neues Testament darin abgebildet geradezu.
Also das Jesaja-Buch als Bibel im Kleinen, wenn Sie so möchten. Da steckt also schon die Lesaanweisung drin. Wer sich diesem Buch aussetzt und es tatsächlich einmal von Beginn bis Ende liest, der hat so etwas wie die Bibel im Ganzen. Der hat also alles, was Gott jemals gesagt hat, zumindest dem Sinn nach, dem was es bedeutet, hat das dort seinen Platz und man kann es dort finden, lesen und für sich selber auch meditieren. Also das ist so die erste ganz große Einteilung, zwei Kapitel, zwei Teile des Gesamtbuches. Man kann es auch noch so ein bisschen feiner gliedern, kann auch sagen, 1 bis 34 ist so in etwa der erste Teil des Jesaja-Buches. Dann gibt es noch so einen Brückenkopf oder einen Übergangsteil, wie man so merkt. Da sind dann Erzählungen auch über Jesaja eingefangen, das ist 35 bis 39. Und ab 40, das werden Sie bemerken beim Lesen, geht es neu los, da steht auf einmal,
tröstet, tröstet mein Volk. Also da beginnt sozusagen der Text mit einer ganz neuen Botschaft, auch mit einer neuen Sprache. Das kann man fast nicht ignorieren, wenn man das Jesaja-Buch einfach mal so liest. Es gibt Fragen, und das haben Sie vielleicht schon mitbekommen, auch im Laufe der letzten Vorlesungen, wie sollen wir uns das Jesaja-Buch eigentlich vorstellen als Literatur? Also wer hat das eigentlich geschrieben? Wer steht dahinter? Große und schwierige Frage. Sollten wir annehmen, dass es da diesen Prophet Jesaja gab, von dem wir ziemlich genau wissen, dass er im achten Jahrhundert vor Christus lebte, in Jerusalem, soviel gibt das Jesaja-Buch tatsächlich auch her, und der hat mehr oder weniger dieses gesamte Buch geschrieben, wäre das eine sinnvolle Annahme. Das wurde lange Zeit auch so vertreten. Man hat dann so ein bisschen Schwierigkeiten, wenn dann im zweiten Teil des Buches auf einmal Namen auftauchen, wir kommen da noch mal zurück drauf, wie Kyros der Große, war Perserkönig im sechsten Jahrhundert vor Christus.
Also gut 150 Jahre weg vom Jesaja in Jerusalem. Da merkt man so ganz mit der Vorstellung, ein Prophet hat dieses gesamte Buch geschrieben, kommt man nicht durch. Schwierig. Insofern hat sich die Forschung lange Zeit darauf verständigt, naja, wir müssten eigentlich mindestens zwei Propheten annehmen. Also einen, den wirklichen Jesaja des achten Jahrhunderts, der ist so in etwa für die ersten 34 oder 39 Kapitel zuständig, und dann kommt ein anderer Prophet, eben 100, 150 Jahre später, der für die zweite Hälfte zuständig war. Also eine Art Zwei-Propheten-Hypothese. Das Problem daran ist, wir kriegen ganz wenig mit über diese Gestalten. Also wer dieser Jesaja war im achten Jahrhundert und wer vielleicht dieser andere Prophet gewesen sein könnte, ganz schwierig. Denn mit biografischen Details haben es die Prophetenbücher nicht so wirklich.
Ein bisschen anders bei Jeremiah und Ezechiel, da kriegen wir mehr mit, aber bei Jesaja, von ihm wissen wir eigentlich nur, also das Erlebte, klar. Unter welchen Königen er Prophet war, das wissen wir auch. Dass er verheiratet war, dass er Kinder hatte, dass er mal drei Jahre lang nackt durch Jerusalem lief, das wissen wir auch. Also so ein paar pregnante Details gibt es dann schon. Aber das ist jetzt nicht wirklich so ergiebig im Blick auf eine Lebensgeschichte. Und von diesen vermuteten Propheten der zweiten Hälfte wissen wir nichts. Da taucht kein Name mehr auf. Da wird überhaupt kein Kontext mehr geliefert. Und das wirft schon so etwas die Frage auf, mit was haben wir es da eigentlich zu tun bei diesen Propheten? Also was sind das für Gestalten? Sind das Schriftsteller gewesen, die einfach Texte verfassten? Also so ein bisschen was wie ich, Professor oder sowas, die sich also schlaue Gedanken gemacht haben. Das dann aufgeschrieben haben und dann war gut. Haben wir uns da große Mahner vorzustellen, politisch agierende Gestalten, die also in ihrer Zeit vor dem König und vor dem Volk auftraten und das Wort Gottes vermittelten, also sozusagen Sozial- und Politikrevolutionäre.
Sie kriegen glaube ich noch eine Vorlesung über Amos, da werden Sie sicherlich das hören. Denn das ist so eine Gestalt, der man das immer wieder zumutet, dass sie das war. Also sollten wir an sowas denken? Haben wir es mit seelsorgerlichen Menschen zu tun, die versucht hatten, in ihrer Zeit Menschen eine bedeutende Botschaft auszurichten? Nicht immer nur eine gute, aber eine authentische, eine richtige. Etwas, das Glauben ermöglichte, sei es in Form von Unheilsankündigung oder auch von Heil. Also eher sozusagen die einfühlsameren Menschen, die wachsam in ihre Zeit hinein gesehen und gehört haben und versucht hatten daraus bildend welche Schlussfolgerungen für ihre Einheit zu machen. Für ihre eigenen Mitmenschen auch zu treffen und zu finden. Also wie sollen wir uns Propheten eigentlich vorstellen? Und die Antwort ist wahrscheinlich all das ein bisschen.
Also mal treten uns diese Propheten als die großen Mahner entgegen. Manches Mal hat man den Eindruck, das waren wirklich Gelehrte, die also ganz feinsinnig hebräisch geschrieben haben und da also tolle Gedankengebäude entworfen haben. Und manches Mal gewinnt man auch eher den Eindruck, es waren Pastoren, es waren eigentlich Leute, die ja für ihre Gemeinde, wenn sie so möchten, auch zuständig waren. Wenn man das mal jetzt ganz im Jargon unserer Zeit ausdrücken möchte. Also mit alledem muss man rechnen, wenn man prophetische Texte liest und versucht, da Autoren, Autorinnen dahinter zu finden. In dem Fall ist die inklusive Sprache sogar sehr gerechtfertigt. Denn Propheten waren gleichermaßen männlich und weiblich. Das ist eine der schönen Eigenschaften am Alten Testament, dass man hier mal eine Berufsgruppe hat, die eindeutig beides sein konnte und auch beides war. Also auch das Alte Testament bricht deutlich von weiblichen Prophetinnen.
Es heißt sogar, dass Jesajas Frau eine Neviah war und das heißt eine Prophetin. Also man kann jetzt darüber nachdenken, ob das die Frau Pfarrer oder die Frau Pfarrerin war oder wie soll man sich das eigentlich so vorstellen. Jedenfalls hat Jesaja offensichtlich im gleichen Stand geheiratet und über sie wissen wir allerdings leider nichts. Also viel hat sich da nicht erhalten, aber wir wissen, sie war auch prophetisch tätig, sagen wir es mal so rum. Was ich jetzt versuchen möchte, ist sie so ein bisschen einzuführen in den Gesamtverlauf der Erzählung. Also was versucht uns das Jesaja Buch insgesamt sozusagen auch als Geschichte mit zu vermitteln. Denn wir alle tun uns ja immer leichter Texte zu verstehen, wenn eine Geschichte dahinter steht. Prophetische Texte sind schwierig, weil sie sind halt Orakel. Es sind Sprüche, die so im Raum stehen und die man versteht oder eben auch nicht. Aber sie haben ganz selten eine Erzählung hinter sich, die wir ja eigentlich irgendwie doch brauchen.
Also lesen Sie Genesis, das sind einfach auch schöne Erzählungen, Exodus oder Davids Geschichten oder so etwas. Man hat immer den Eindruck, da kann man sich an etwas festhalten. Die theologische Botschaft kommt in einer Gestalt rüber, die man greifen kann, die man verstehen kann. Das ist bei den Propheten schwieriger. Da kriegen wir ganz selten Geschichten mitgeliefert und das macht die Lektüre auch etwas mühsamer. Trotzdem kann man so etwas wie einen Rahmen bilden und das will ich jetzt mal versuchen, Ihnen einfach so ein bisschen zu sagen, was Sie im Hintergrund mitlesen, mitdenken, mitsehen können. Diese Zweiteilung des Buches, also der erste Jesaja und der zweite, das hat auch zwei verschiedene Orte und zwei verschiedene Zeiten. Mit diesem ersten Jesaja, Proto-Jesaja, wie ihn manche nennen, bewegen wir uns also in etwa in der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts vor Christus.
Das muss ich nicht sehr viel sagen, aber so ungefähr war es. Und wir befinden uns in Jerusalem. Also dieser Jesaja war Prophet am Jerusalemer Tempel. Das kann man mit einiger Sicherheit sagen. Auch die Berufungsvision, die uns von ihm erzählt wird, in Jesaja 6, der Gott im Tempel sitzen, hoch und er haben, wie der Text das so schön sagt, die Schleppe Gottes geht aus dem Allerheiligsten in den Tempel heraus. Die Seraffen stehen um ihn herum. Seraffen sind Feuerwesen. Das heißt, da wird Rauch und Feuer verbreitet. Man kann Gott also gar nicht so genau sehen. Und Jesaja ist nervös und weiß gar nicht, ob er diese Szenerie überhaupt überleben kann. Denn wer Gott sieht, überlebt bekanntlich nicht. Und das ist so eine ganz emotional auch erzählte Geschichte, die dann in seiner Beauftragung mündet. Er soll also Prophet für Israel werden. Mit der pikanten Note, er soll eigentlich gar nicht Israel helfen, Gott zu verstehen,
sondern der Auftrag ist, Verstocke mein Volk. Also führe die Menschen eigentlich dazu, dass sie mich nun gerade nicht verstehen. Kommen wir vielleicht noch drauf. Das ist eine pikante kleine Nuance dieser Berufungserzählung. Aber sie findet statt in Jerusalem, das wissen wir. Und wir kennen auch die Könige in etwa, die zu dieser Zeit herrschten und für die Jesaja, wenn man so möchte, der Berater war. Ursprünglich waren Propheten ihrem Hauptamt nach, sozusagen dafür wurden sie bezahlt, Berater der Könige. Das war ihr Job, wenn sie so möchten. Jeder Prophet gehört einem König hinzu. Und umgekehrt, die Könige Israels haben immer irgendwo einen Prophet in ihrer Nähe. Also wenn Sie das so ein bisschen verfolgen durch die biblischen Texte hindurch, König David hatte Nathan und so etwas. Also überall gibt es diese Kopplung von Prophet und König. Und das gilt auch für diesen Jesaja, so war er wahrscheinlich angestellt. Nun spielen diese Geschichten in einer politisch sehr prekären Zeit.
Es war also nicht sehr friedvoll, sondern das kleine Judaa, also das Königreich um Jerusalem herum, sah sich der Bedrohung durch die Assyrer ausgesetzt. Also eine Großmacht, die zur damaligen Zeit über den alten vorderen Orient herrschte oder sich gerade aufmachte, diese alte Welt zu erobern. Also die Assyrer sitzen so etwa im Gebiet des heutigen Irak, teilweise auch Iran, saßen dort zunächst mal und breiteten sich von dort aus immer mehr aus über den Bereich, den wir heute als Syrien, Südtürkei, Jordanien und die Küste hinunter kennen. Und die konnte man kommen sehen. Also es war klar, da kommt jetzt eine große Macht, angerollt, die normalerweise erobert, die plündert, die kleine Königreiche, wie zum Beispiel dieses Judaa und Jerusalem, einnimmt und zu Vaseilen eines Großreiches macht. Das war klar, dass das sozusagen vor der Tür stand.
Und sensible Geister wie dieser Jesaja konnten das eben sehen, dass das kommt. Und mussten sich dazu verhalten. Was bedeutete das jetzt konkret? Was wollte Gott seinem Volk damit sagen, wenn jetzt auf einmal seine Großmacht an die Tür klopft? Und wir werden dann in der nächsten Vorlesung noch genauer davon hören, dass dieses An-die-Tür-klopfen eine sehr reale Komponente hatte. Was bedeutete das? Was sollte man draus machen? Und das ist das Thema dieser ersten 39 Kapitel. Wie geht man damit um? Also würde Gott am Ende doch die Feinde vertreiben? Würde er sein Volk retten? Oder genau umgekehrt, war eigentlich das Kommen dieser Großmacht ein Zeichen dafür, dass Gott mit seinem Volk eben doch gar nicht so glücklich war? Und dass die Großmacht als Mittel von Strafe und Disziplinierung gedacht war? Also können Sie heute auch noch sich fragen. Was bedeuten politische Ereignisse eigentlich?
Sind sie zufällig und passieren halt so? Steckt da eine tiefere Bedeutung drin? Das sind so Fragen, die diesen Jesaja auch beschäftigten und die Könige seiner Zeit. Die Situation klärt sich dann irgendwie. Das kleine Königtum Judah überlebt die große Krise. Kommt einigermaßen, wie soll man sagen, unbehelligt davon. Jedenfalls sieht es so aus, als hätte Jesaja und seine Könige sich in irgendeiner Form der Situation so weit bemächtigt gehabt, dass also die große Katastrophe der Eroberung, der Deportierung ausblieb. Und insofern endet dieser erste Teil des Jesaja-Buches sowohl auf einer etwas glücklicheren und nicht so glücklichen Einsicht. Glücklich war man darüber, dass tatsächlich Gott sein Volk offensichtlich verschonte. Der Tempel blieb stehen. Auf der anderen Seite strahlt das Buch immer wieder die Botschaft aus, Israel ist nicht wirklich, wie es sein sollte.
Also dieses Volk entspricht nicht den Standards, wenn Sie so möchten, die Gott an das von ihm erwählte Volk anlegt. Und so endet das Jesaja, dieser erste Teil des Jesaja-Buches, auch so ein bisschen auf einer doppeldeutigen Note. Also sowohl positiv als auch etwas negativ. Wenn man dann bei Kapitel 39 angekommen ist und diesen ersten Teil hinter sich hat, dann geht da ein Geschichtsfaden zu Ende. Und wenn man dann in Kapitel 40 anfängt, neu zu lesen, dann hat man tatsächlich den Eindruck, wie schon bemerkt, man befindet sich in einer völlig anderen Welt. Denn jetzt kommen diese Worte, tröstet, tröstet mein Volk, redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihr frohen Dienst ein Ende hat. Denn ihre Schuld ist vergeben, denn sie hat von der Hand des Herrn das doppelte Empfangen für alle ihre Sünden. Das lesen Sie in Kapitel 40, Verse 1 und 2. Also tröstet, tröstet mein Volk.
Trost, warum eigentlich? Was ist der Anlass für den Trost? Was heißt das, ihr frohen Dienst hat ein Ende? Denn ihre Schuld ist vergeben. Welche Schuld? Woher? Denn sie hat aus der Hand des Herrn das doppelte Empfangen für ihre Sünden. Das weiß man auch nicht, was ist damit eigentlich gemeint. Man muss sich da ein bisschen helfen lassen. Es ist so, dass das Jesaja-Buch einen großen Sprung macht, geschichtlich. Also wo wir gerade noch bei diesem Jesaja im 8. Jahrhundert waren, sind wir jetzt in einem ganz anderen Kontext gelandet. Und zwar so etwa Ende, zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr., wo Israel aus dem babylonischen Exil zurückkommt. Da fehlt jetzt ein Teil in der Geschichte, wie Sie merken. Wir springen sozusagen, das Jesaja-Buch springt über etwas drüber, das wird nie erzählt, aber es wird irgendwie vorausgesetzt, dass man das weiß. Und der Teil, der fehlt, ist tatsächlich, dass Israel und Judah,
beide Staaten, die dieses Großisrael ausmachen, im Lauf der Geschichte untergingen. Das Nordreich, Israel schon im 8. Jahrhundert, dann Jerusalem und Judah drumherum, wurden von den Babyloniern dreimal beinahe belagert und eingenommen. Die Bevölkerung wurde deportiert, das ist am Anfang des 6. Jahrhunderts gewesen. Also die Geschichte ging doch schlecht aus am Ende für Jerusalem. Irgendwann war es doch so weit gekommen, dass eine fremde Macht, in dem Fall nicht die Assyrer, sondern die Babylonier, diese Stadt und das Land eingenommen hatten und die Bevölkerung zum Teil nach Babylon verschleppt hatten. Der König in Jerusalem wurde abgesetzt, die Dynastie für immer beendet. Es stand nie wieder ein davidischer König auf, obwohl es einige versuchten. Der Tempel war zerstört, es lag also in Trümmern, in Schutt und Asche. Das war die Situation, die das Jesaja-Buch nie erzählt, aber die es voraussetzt.
Ganz interessant. Es ist so, als ob uns der Jesaja da etwas verheimlichen will, wenn sie so möchten. Bei anderen Propheten können sie das nachlesen. Jeremiah und Ezechiel sind so die Bücher, die das erzählen. Also es ist fast so ein bisschen, als ob das Jesaja-Buch zwischendrin mal so verweist. Also ich höre jetzt hier auf, jetzt lest mal bei Jeremiah und Ezechiel weiter. Und wenn ihr da durch seid, dann könnt ihr wieder zu mir zurückkommen. Also so beinahe läuft da die Lektüreanweisung. Jedenfalls ab Kapitel 40 heißt es dann eben, diese Phase ist zu Ende, das Exil ist zu Ende, Affe Gottes ist zu Ende, jetzt beginnt, und damit sind wir beim Begriff, etwas Neues. Jetzt ist die Zeit, in der neue Dinge passieren können, denn das Alte ist vergangen. Das Alte kann man nun hinter sich lassen und die Zeit ist reif für etwas Neues. Also das Jesaja-Buch nimmt den Faden der Erzählung an der Stelle wieder auf, wo eben die Katastrophe nun vorüber war.
Und da stellt genau die Frage, was sollte denn nun eigentlich werden? Das kennen Sie vielleicht auch, wenn ein bedeutender Abschnitt im Leben irgendwie zu Ende ist, sei es ein besonders positiver oder negativer, dann gibt es so etwas wie die Lethargie des Neuanfangs. Es gibt zunächst mal die Orientierungslosigkeit. Was mache ich jetzt? Was soll jetzt eigentlich? Was kommt? Was kann überhaupt noch kommen? Das kann sowohl nach großer Freude sein, wie auch nach großer Trauer, so diese Nullpunktsituation. Und genau da sieht Jesaja nun seine Zeit und seine Gemeinde, wenn Sie den Begriff verwenden möchten, und fragt sich eben nun genau danach, was kann jetzt kommen? Was gibt es an Neuem? Oder eben auch nichts Neues. War die Geschichte jetzt einfach zu Ende gekommen? Also das ganze Drama früherer Zeiten, Könige, die kamen und gingen, die große Frage danach,
könnten diese Staaten Israel und Judah überleben, all das war jetzt irgendwie, diese Zeit war zu Ende. Man hätte ja auch einfach sagen können, nö, man macht gar nicht weiter, man baut den Tempel nicht wieder auf, man versucht nicht wieder Israel, das Gottesvolk, zu sein, sondern man bleibt in Babylon, im Exil, oder zieht nach Ägypten, auch schön dort. Und tatsächlich ist das auch wahrscheinlich bei vielen so gewesen, die während des Exils Babylon kennengelernt hatten, als tolle Stadt, also dieses Exil darf man sich nicht so vorstellen, als wären da die Ketten gelegen oder so etwas. Man hatte die dann halt dorthin deportiert, stellen Sie sich vor, sie müssten nach Amerika emigrieren oder so etwas, so ein bisschen in der Art war das vielleicht. Und viele blieben einfach dort, weil sie sagten, wunderbar, Babylon-Weltstadt. Also wenn man sich das vorstellen möchte, Babylon war damals so etwas wie New York heute, große Metropole, tolles kulturelles Angebot, was zu essen gab es auch, und selbst wenn man so ein bisschen vielleicht an den Rändern existierte und nicht so richtig dazugehörte,
war das kein schlechtes Leben. Also warum jetzt eigentlich zurückgehen, das wurde möglich an einem bestimmten Punkt, und in Jerusalem neu anfangen. Also es ist so ein bisschen so, als würden Sie von meinem Lokalkolorit gesprochen, ja Sie könnten in New York leben, aber Sie müssten irgendwo im Erzgebirge dann, oder so. Haben wir irgendwelche Sachsen hier, irgendwelche Leipziger, irgendwelche, oh ich sehe schon, oje. Das Ganze auch noch dokumentiert auf Video, so verliert man seine Verbeamtung glaube ich. Aber stellen Sie sich das ruhig ein bisschen so vor, da ging es um Identität, da ging es darum, wer wollte man sein, wer konnte man sein, und in diese Situation hinein spricht nun dieser Jesaja,
dieser zweite Jesaja, Deuterer Jesaja, diese Botschaft des Neuen. Was aber sind eigentlich diese neuen Dinge, also was kündigt jetzt dieser Jesaja an, was verspricht er eigentlich? Und da will ich Ihnen ein paar Beispiele geben, die im Jesaja Buch selber auch mit Texten belegt sind. Sollten Sie stolzer Besitzer oder Besitzerin einer Bibel sein, können Sie auch so ein bisschen mitgucken und mitlesen. Ich will Ihnen da nicht so sehr viel zumuten, aber doch ein paar Passagen, damit Sie auch den Originalton des Jesaja Buches einmal mitbekommen. Also so kann man in Jesaja 43 beispielsweise lesen, Verse 18 und folgende, da steht dann gedenket nicht mehr der früheren Dinge und das vergangene achtet nicht, siehe nun schaffe ich neues. Da kommt also dieser Begriff, siehe ich schaffe neues. Schon sproste es, gewahrt ihr es nicht, ja ich lege durch die Wüste einen Weg und ströme durch die Einöde.
Mich werden die Tiere des Feldes, Schakale und Strauße rühmen, denn ich schaffe in der Wüste Wasser und ströme in der Einöde, damit ich tränke mein erwähltes Volk, das Volk, das ich mir gebildet habe, meinen Ruhm werden sie verkündigen. Also da lässt das Jesaja Buch nun Gott in dieser Weise sprechen, siehe, vergesst das alte, hier kommt etwas Neues. Wenn man sich das ein bisschen auf der Zunge zu gehen lässt, ist das schon erstaunlich. Jesaja ermutigt zum Vergessen auf, das ist Teil dieser Botschaft, vergisst Dinge, die mal waren. Also gerade nicht erinnern, sondern vergessen ist die Botschaft. Und das fällt so etwas auf, denn in anderen Teilen des Alten Testament heißt es eigentlich immer, erinnert euch, erinnert euch an die Zeit des Mose, an den Sinai, an die 10 Gebote.
Also da versucht man etwas festzuhalten, was in der Vergangenheit war und Jesaja dreht den Spieß nun um und sagt, lasst es gehen, lasst es beiseite, vergisst etwas Altes, damit etwas Neues Platz hat. Das ist schon einigermaßen auffällig, wir sind ja kulturell auch eher so drauf, obwohl das weiß ich gar nicht mehr wie Ihre Generation, Sie sind ja alle in der Regel etwas jünger. Also als ich noch zu Uni ging, da war das kulturelle Gedächtnis das große Thema. Also wie rettet man Dinge vor dem Vergessen, welche Memoriertechniken gibt es, wie hält man sich sozusagen Dinge präsent, gerade im Computerzeitalter, wo eben Dinge gespeichert und gelöscht werden können, wo Erinnerung und Vergessen sozusagen ganz nah beieinander liegen, war das großes Thema. Und im Augenblick, wenn man so in die Kulturwissenschaften hineinhört, dann findet man auch eher wieder dieses Thema, wir erinnern uns vielleicht zu vieler Dinge, die Welt wird so vergoogelt, also alles ist da, der ganze Wissensspeicher ist voll, erzeugt eine Komplexität, die einen letztlich erdrückt.
Also man muss sortieren, man muss aussondern, man muss auch mal etwas vergessen können und genau dazu fordert auch das Jesaja-Buch nun an dieser Stelle auf. Aber was soll vergessen werden? Nun, dieser Passage nach, Dinge, die Sünde sind oder Sünde verursachen können. Also gewissermaßen die Kräfte, die in der eigenen Kultur, im eigenen Lebensbereich am Werk sind, die mächtig sind, die immer wieder zu, ja was das Jesaja-Buch Sünde nennt, führen. Also Dinge, die einen zurückziehen, die einen eigentlich nicht zur Entfaltung kommen lassen, die die Wiederholung des Ewiggleichen einleiten, also die Lebenszyklen, die sich nicht bewähren, die nichts ausstrahlen, die auch keinen Segen tragen, aber die sich komischerweise von selber immer wieder neu einspielen. Das ist so das, was Jesaja als das Alte versteht, das in irgendeiner Form einmal durchbrochen werden muss, das ein Ende haben soll. Das finde ich eine sehr aktuelle Botschaft, denn dazu kann man sich glaube ich verhalten, bis in die eigenen Lebensgewohnheiten hinein.
Also ich weiß nicht, wie es Ihnen so geht, aber ich finde es kolossal schwer, Lebensgewohnheiten zu ändern. Sowohl die guten, wie auch die schlechten. Also es gibt einfach Dinge, die tut man, man weiß, die funktionieren eigentlich nicht und haben sich auch nicht so wirklich bewährt, aber es ist halt so. Und das umzustellen ist kolossal schwierig. Es gibt im Augenblick schöne, auch sozialgeschichtliche, soziologische Studien darüber, wie man eigentlich Gewohnheiten verändern kann. Und da das Ergebnis ist, zunächst mal, das ist sehr kompliziert. Kann eigentlich oft nur durch Katastrophen geschehen oder durch große Einschnitte, Verlust oder so etwas, oder Krankheit oder irgendetwas, das einem Grund oder Zwang gibt, Dinge zu ändern. Und das ist bei Jesaja in gewisser Weise auch so, denn das Exil war ja ein solcher Bruch. Also man hatte den Nullpunkt erlebt, den Zusammenbruch von Kult und von Staat und von alledem.
Und daraus leitet nun eben dieser Jesaja ab, lasst das auch hinter euch, das ist in Ordnung. Also wenn der Tempel auch in Trümmern liegt und die Monarchie nicht mehr da ist und all das, ja gut, das ist die Voraussetzung dafür, dass tatsächlich etwas Neues sein kann, etwas Neues geschehen kann. Das ist sozusagen die psychologische Grundlage, die das Jesaja-Buch anbietet für diese Botschaft des Neuen. Also macht euch bereit dafür, seid offen dafür, versucht nicht nur alte Dinge festzuhalten, weil sie vielleicht die Wohlfühlzone irgendwo etwas bestücken oder lebbar machen. Was Jesaja dann tut, ist, dass er dieses Neue versucht, auch neu zu erzählen. Alles braucht eine Geschichte, alles braucht eine Erzählung und das ist auch bei Jesaja so. Er geht also zurück und versucht auch die Geschichte des Exodus, aus dem Exodus-Buch für seine Zeit neu zu erzählen.
Also es gibt die Vorstellung vom neuen Exodus bei Jesaja. Und das passt natürlich wunderbar, denn der Exodus, die Exodus-Geschichte erzählt ja vom Auszug aus Ägypten, wie Gott sein Volk rettet und an den Sinai führt. Und Jesaja vergleicht das mit seiner eigenen Zeit, wo nun Israel aus dem Exil Babylon zurückkommt. Also der Jesaja guckt auch, wo gibt es denn Geschichten, wo gibt es denn Erzählungen, die für die eigene Zeit etwas aussagen, etwas austragen, etwas bedeuten können. Also der Versuch, alte Geschichten neu zu beleben, seine eigene Identität in diesen alten Texten neu zu finden. Das ist bei ihm so. Und wenn Sie nachlesen, die ganze Stelle ist ein bisschen zu lang, um sie vorzutragen. Jesaja berichtet also davon, dass Gott sein Volk aus Babylon heimführt, tatsächlich durch Ströme und Wasser hindurch. Das ist so ein bisschen wie die Erzählung beim Durchzug durchs Rote Meer.
Da werden Wege gebahnt, da gehen Ross und Reiter im Meer unter, also so wie die Ägypter ertranken im Roten Meer. So bleiben auch die Babylonier jetzt zurück. Also man merkt richtig, die alte Geschichte lebt neu auf. Und in Gestalt dieser Geschichte möchte Jesaja sagen, das ist die Gegenwart, da leben wir jetzt gerade, das ist der Anfangspunkt. Also es geht darum, welche Geschichten legt man sich eigentlich bei, in welcher Geschichtswelt lebt man, was legt man da um sich herum. Und das versucht Jesaja neu zu definieren. Nicht jede Geschichte ist hilfreich, nicht jede Geschichte ist gut. Manche ziehen einen runter, lassen einen genau in diesem Kreis des Alten, des immer-ewig-gleichen, zirkulieren. Und da geht nun der Jesaja durch, gewissermaßen durch die Bestände und guckt, welche Geschichten taugen eigentlich, welche tragen. Eine sehr wichtige Komponente bei ihm. Dann geht es etwas theologischer drum. Wenn das nun so ist und hier neue Dinge entstehen, was bedeutet das dann für unser Gottesverständnis?
Hat sich bei Gott etwas geändert? Sollten wir Gott neu begreifen gegenüber alten Zeiten? Wie kann man Gott erfahren? Wie kann man ihn verstehen? Wie kann man auch zu ihm beten? All das werden jetzt auch Fragen, die in diesem Zusammenhang der Theologie des Neuen auftauchen. Und da erfindet nun, erfinden ist zu stark gesagt, aber da definiert dieser Jesaja nun zwei Konzepte, die für die Geschichte der christlichen Kirchen und der Theologie sehr wichtig geworden sind. Jesaja spricht einerseits vom Wort Gottes und auf der anderen Seite vom Geist Gottes. Das sind für ihn die zwei neuen Formen, in denen Gott sich mitteilt und in denen Gott präsent ist. Also früher war das hauptsächlich an den Tempel gebunden. Also Gottes Präsenz war definiert über den Tempel. Siehe Jesaja 6, Berufungsvision, Gott sitzt im Tempel und regiert. Und das war jetzt nach dieser babylonischen Exilserfahrung nicht mehr allein tauglich, dieses Paradigma.
Also wenn Sie mal erlebt haben, dass Sie im Exil sitzen, tausende von Kilometern weit weg, und Sie haben keinen Tempel mehr, an dem Sie sich festhalten können, dann fragen Sie sich, ist dieser Gott eigentlich noch präsent? Gibt es den noch? Ist der noch irgendwie nahbar oder ist der noch nahe? Das wird dann schon mal zum Thema und genau das greift dieser Jesaja auf und sagt, doch, es gibt Gottes Gegenwart, es gibt Gottes Präsenz, aber nicht mehr als Thronender im Tempel in erster Linie, sondern Gott wird gegenwärtig durch sein Wort und durch seinen Geist. Dazu gibt es schöne Passagen, zwei in besonderen, die will ich Ihnen auch kurz nennen und zumindest ganz knapp auch vortragen. Die eine ist in Jesaja 40 Vers 7 und folgende. Es ist ein berühmter Text, den haben Sie wahrscheinlich schon mal irgendwann gehört, da heißt es dann, dass Gras verdorrt, die Blume welkt, wenn der Geist des Herrn darüber weht, ja Gras ist das Volk, dass Gras verdorrt, die Blume welgt, aber das Wort unseres Gottes bleibt in Ewigkeit.
Also da haben Sie beide Begriffe beieinander, der Geist Gottes weht, Dinge kommen und gehen, Gras verwelkt, also das sind sozusagen kontingente Dinge, die mal sind und dann mal wieder nicht, aber dieser Geist Gottes, dieser Atem Gottes, der ist beständig und ewig und genauso auch des Wort Gottes, also damit teilt sich Gott mit. Und wenn man dann weiter blättert am Ende dieser Sektion, die man so als Deuterö Jesaja beteiligt, gibt es die vielleicht noch bezeichnete, gibt es die noch entscheidendere Passage, das ist dann in Kapitel 55, also wenn Sie da noch hinblättern wollen, da sind es vor allem die Verse 10 und folgende, also 55. Auch da kriegen wir ein Bild aus der Natur, denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel herabkommt und nicht dahin zurückkehrt,
sondern die Erde tränkt und sie fruchtbar wird und sprost und dem See mein Samen und dem Essenden Brot gibt, so auch mein Wort, das aus meinem Munde kommt, es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern wirkt, was ich beschlossen habe und führt das durch, wozu ich es gesendet habe. Das muss man sich mal so ein bisschen auf der Zunge zu gehen lassen, was da drin steckt in dürren Worten. Also so auch das Wort, das aus meinem Munde kommt, es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern tut, was ich will, komisch. Also Worte spricht man doch eigentlich nur, Worte sollen doch eigentlich etwas mitteilen, sie klingen an und sie vergehen wieder und dann kommt das nächste Wort, so ungefähr. Und das ist für den Jesaja nun doch etwas anderes geworden. Also Worte sind nicht einfach Mitteilungsformen, es ist auch nichts geschriebenes, was man so auf einem Zettel irgendeinem anders hinhält und sagt, hier ist es oder so etwas, sondern das Wort hat, wie wir Theologen so gerne sagen,
fast schon hypostatische Gestalt. Das heißt, es hat so fast eine eigene Person. Es ist etwas, das von Gott ausgeht, in die Welt hineingeht, dort Dinge tut und bewirkt und dann nach erledigter Arbeit, wenn man so möchte, zu Gott zurückkehrt. Grandiose Vorstellung. Also da hat man richtig den Eindruck, da versucht einer, Wort neu zu erfinden, neu zu entdecken, was Worte eigentlich tun und was im Besonderen Gottes Wort tut. Denn das hängt jetzt an nichts. Das Wort kann überall sein. Es ist nicht an einen Tempel gebunden, es ist auch nicht an ein bestimmtes Volk gebunden. Also alle einengenden Maßnahmen oder alle Dinge, die es limitieren könnten in seiner Mitteilung, in seiner Wirksamkeit, die bleiben außen vor. Der Jesaja will hier tatsächlich an die Möglichkeit denken, dass Gott überall präsent ist, überall wirkt, sich mitteilt und erfahrbar wird. Deswegen auch diese schönen Beispiele mit dem Regen und dem Schnee, der vom Himmel fällt
und dann sozusagen wieder zurückkehrt. Es sind sehr organische Bilder, die dieser Jesaja findet für seine Vorstellung vom Wort Gottes. Also kein Wort, das gebietet, kein Wort, das von oben runter donnert, irgendwie du sollst oder so etwas. Es imponiert sich nicht, sondern es hat so eine ganz natürliche Leichtigkeit bei einer, mit der sich Gott nun mitteilt. Und auch das ist eben wichtig für das eigene Selbstverständnis. Also wenn man Gott sucht, dann sagt die Jesaja, gibt es jetzt keine ausgezeichneten Orte mehr dafür. Also es ist nicht offensichtlich, wo man Gott finden kann, sondern muss genau hinsehen oder im Blick auf das Wort genau hin hören. Das wird jetzt zum Teil dieser prophetischen Botschaft des Neuen, dass es auch etwas, eine Erwartungshaltung bei der Leserschaft auslöst. Also nicht einfach nur warten, bis da was kommt, bis einem gesagt wird, was man glauben soll oder was Sache ist,
sondern es läuft ganz andersrum. Dieses Wort muss man finden. Man muss es auch ein bisschen suchen. Man muss sozusagen auch zwischen die Büsche und unter die Steine gucken, denn überall dort ist es. Und wie Sie sich vorstellen können, diese Vorstellung, dass das Wort so eine eigene Gestalt hat, die war fürs Christentum wichtig. Denn wenn man jetzt auf einmal denken kann, dass es da etwas von Gott gibt, das trotzdem von Gott ausgeht und zu ihm zurückkommt, dann sind Sie schon so langsam auf dem Weg ins Neue Testament. Denn auch dort ist ja die Vorstellung, der Sohn geht vom Vater aus, kehrt zu ihm zurück. Schließlich, das sagt Jesaja so nicht und das sagt er auch nicht voraus. Aber die Denkform ist da. Also Jesaja arbeitet hier in gewisser Weise so vor, dass das Neue Testament später eben auch daran anknüpfen kann. Das fällt auf. Und das haben auch schon die ältesten, frühesten Leserinnen und Leser gesehen. Sie erinnern sich, die letzten 27 Kapitel sozusagen kleines Neues Testament, das ist einfach da und das kann man auch schon sehen.
Also die Gotteserfahrung ist jetzt an Wort gekoppelt, an die Vorstellung davon, dass Gott sich in dieser Sprache, im mitgeteilten Wort auch finden lässt. Jesaja, neben dieser sozusagen grandiosen theologischen Vorstellung, vermeidet Jesaja allerdings auch nicht die harten Fakten der Geschichte. Also neu soll auch Geschichte und Politik werden. Jesaja hat nun ganz neue Erwartungen daran, wie die politische Welt eigentlich funktionieren soll. Und das führt in Kapitel 45, 1 bis 4, lese ich Ihnen jetzt nicht vor, aber können Sie selber mal tun dazu, dass dieser Jesaja, dieser zweite Jesaja nun tatsächlich alle Hoffnungen auf einen bestimmten politischen Führer, auf eine bestimmte politische Gestalt setzt,
nämlich auf den Perser König Kyros den Großen. Der gilt, kommen wir nachher auch noch mal drauf, als der große Befreier seiner Zeit, der also die Völker aus dem Exil nach Hause schickt, also als die Babylonier abgewirtschaftet hatten, kommen die Perser. Und die erlauben nun auch den deportierten Völkern nach Hause zu kehren. Also auch da ein Politikwechsel, wenn man so möchte. Auch da wird etwas ganz Neues eingeleitet. Und der Jesaja sieht das als Zeichen der Zeit, jetzt sozusagen endlich kommt mal Bewegung in die politische Landschaft, endlich ist es nicht nur die immer wiederkehrende Gleichheit des Alten, Großmächte deportieren kleine Mächte, kassieren Steuern, verursachen Unheil, sondern jetzt kommt mal eine Großmacht, die tatsächlich anders funktioniert und ein Weltherrscher, der gewissermaßen sich anders geriert. Und von diesem Perser König wird sogar gesagt, und auch das spielt dann im zweiten Teil des heutigen Vormittags noch eine Rolle, dass er ein Messias Gottes sei. Also für den reserviert Jesaja den höchstmöglichen Titel, nämlich den des Messias. Ganz spannende Sache.
Also es ist nicht nur Theologie, die da betrieben wird. Und es ist nicht nur hochfahrende Gedanken, wie man jetzt sozusagen sich Gott vorstellt, sondern das wirkt hinein bis in die ganz konkrete Vorstellung davon, wie sich jetzt eigentlich die politische Landschaft um Jesaja herum und um seine Zeit neu gestalten soll. Schließlich, und das soll der letzte Punkt sein im Blick auf diese Prophetie des Neuen, es geht auch um das, was nun erwartet wird für die Zukunft. Also wohin entwickelt sich jetzt eigentlich die Welt? Was ist ihre Perspektive? Was ist ihre Horizont? Und da spricht nun Jesaja vom neuen Himmel und der neuen Erde. Das ist der Abschluss des Jesaja Buches. Das bekommen Sie in Kapiteln 65 und 66, wo das Buch nun sich selber ein großes Finale gibt, wenn Sie so möchten, mit dieser Vorstellung vom neuen Himmel und der neuen Erde.
Und das wollen wir uns tatsächlich auch angucken, denn das ist sowohl theologisch wie auch politisch einigermaßen explosiv. Wenn Sie hören, ich werde einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dann denken Sie natürlich schon ein bisschen, die Sprache Himmel und Erde schaffen, kenne ich doch irgendwie. Ja, das kenne ich aus Genesis 1. Und tatsächlich ist es so, dass der Jesaja ganz am Ende sich auf den Anfang der Bibel zurückbesinnt. Also Ende des Jesaja Buches, Anfang des Buches Genesis, die schließen sich hier zusammen zu einem großen Bogen. Man hat so den Eindruck, da präsentiert sich jetzt schon sozusagen der biblische Kanon in seiner kleinen Gestalt. Also ein großer Textzusammenhang, der etwas von Schöpfung und Neuschöpfung sagen möchte. Aber gucken wir uns im Detail etwas an. Auch da können Sie, wenn Sie mitlesen können oder auch nicht, reinschauen in Kapitel 65, also Jesaja 65. Das geht los mit Vers 17 und dann bis zum Ende dieses Kapitels.
Ja, denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Man wird die früheren Dinge oder man wird sich der früheren Dinge nicht mehr erinnern und niemand soll ihrer gedenken. Das kennen wir ja schon, dieses Motiv. Erinnert euch nicht mehr. Die alte Welt ist vergangen und das wiederholt Jesaja hier nochmal. Neuer Himmel, neue Erde. Erinnert euch das Alten nicht, sondern man wird auf ewig frohlocken und jubeln über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich wandle Jerusalem zu Jubel um und ein Volk zum Frohlocken. Ich werde jubeln über Jerusalem und Frohlocken über mein Volk und nicht soll man darin fürderhören, alte Übersetzung hier, den Laut des Weinens und den Laut der Klage. Und jetzt kommen ein paar interessante Bestimmungen. Es wird da selbst kein Kind mehr nur wenige Tage leben. Kein Kreis wird sein, der seine Tage nicht erfüllt. Denn als Jung wird gelten, wer mit 100 Jahren stirbt. Herzlich willkommen in der neuen Welt.
Und wer sündigt, wird mit 100 Jahren vom Fluch getroffen sein. Das heißt also so viel wie, wenn sie nur 100 Jahre kriegen, dann haben sie was Böses angestellt. Den Deal könnte man ja annehmen vielleicht, also aus heutiger Lebenserwartung heraus gesehen. Sie werden Häuser bauen und sie bewohnen, werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Sie werden nicht bauen, dass ein anderer darin wohne. Also bei solchen Sätzen merken Sie das Erfahrung dahinter. Die Erfahrung, man hat schon mal gebaut, man hat schon mal angepflanzt, aber andere haben es geerntet. Das ist so diese Exilserfahrung. Das hat man schon mal erlebt und will es nicht nochmal erleben. Denn wie das Alter des Baumes soll das Alter meines Volkes sein und was ihre Hände erarbeitet haben, das sollen meine Erwählten auch selbst verzehren. Sie werden nicht umsonst sich mühen und nicht Kinderzeugen für frühen Tod. Auch so was Interessantes. Kinderzeugen für frühen Tod. Kindersterblichkeit spielt auf einmal ein Thema.
Denn Sie sind das Geschlecht der gesegneten Herren und ihre Sprösslinge bleiben Ihnen. Und ehe Sie rufen, werde ich antworten. Während Sie noch reden, werde ich hören. Wolf und Lamm werden einträchtig weiden und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Den Text kennen Sie wahrscheinlich. Das ist ein berühmter Weihnachtstext. Also der Wolf und Lamm werden beieinander weiden und der Löwe wird Stroh fressen. Doch Staub soll die Schlange fressen. Kennen wir auch irgendwoher. Nichts Böses und nichts Verderbliches wird man tun auf meinem ganzen heiligen Berg, spricht der Herr. Das ist kurz gefasst die Ankündigung dieses neuen Himmels und der neuen Erde. Und jetzt kann man halt fragen, also Punkt 1, was genau ist da neu dran und was soll es eigentlich? Also ein paar Hinweise habe ich versucht, Ihnen schon zu geben. Einiges in diesem Text geht auf reale Erfahrung. Das, was man gerade erlebt hat im Exil, Verlust von Land, von Leben, von Eigentum, all das lässt man oder will man sich hinter sich lassen.
Und das soll eben auch Gott in diesem neuen Himmel und der neuen Erde auch ermöglichen. Das ist also einerseits die Reaktion auf konkrete geschichtliche Erfahrung. Dann ist aber diese Sache mit diesem unnatürlich langen Leben, also 100 Jahre mindestens und eigentlich locker drüber. Da fragt man sich ja dann so ein bisschen als Bibellese, als Bibelleserin, wann lebten denn Menschen jemals so lang? Gibt es biblische Texte, die davon reden, dass Menschen mal wirklich so ein paar hundert Jahre locker, 6, 7, 8, 900? Und die Antwort ist ja, das gibt es in der Bibel schon und das gibt es wo? Ich kriege gerade nur dumpfe Masse. Ja, vor der Sinflut. Da ist es tatsächlich so, also wenn Sie in Genesis 5 lesen, da werden die Leute alle unendlich alt. Und irgendwann muss Gott dann mal so gegensteuern, weil alle zu alt werden.
Und dann kommt die Vorstellung 120 ist auch gut, in Genesis 6, 1 bis 4, hält sich nur keiner dran. Die leben alle trotzdem länger. Es gibt nur einen, der sich wirklich dran hält. Wissen Sie zufällig, wer das ist? Es gibt eine Gestalt, die genau mit 120 Jahren pünktlich stirbt. Mose, ja, der hält sich dran. Aber nur so nebenbei. Also irgendwie hat man den Eindruck, dieser Jesaja Text verweist zurück auf das, was am Anfang schon mal war. Das gab es schon mal, aber dann ging es irgendwie verloren. Und wenn man mal auf der Spur ist, dann liest sich das auch weiter so, wenn dann davon die Rede ist, dass Kinder früh sterben, dass also die Kindersterblichkeit ein Problem ist, dass Existenz mit Schmerzen verbunden ist bei der Arbeit und eben auch im täglichen Leben. Und dann kommt noch diese Erwähnung der Schlange, die Staub fressen soll.
Dann sind wir ja eigentlich unweigerlich erinnert an Genesis 3 und 2, die Paradiesgarten Geschichte. Also der Fluch, der auf der Erde liegt und der sich eben darin auswirkt, dass die Geburt von Kindern schwierig ist und eben auch wirklich zu hohen Sterblichkeitsraten führen, dass überhaupt Leben mühsam ist. Darauf geht Jesaja zurück und sagt, der Neue Himmel und die Neue Erde, da wird das nicht mehr sein. Also es ist fast so, als würden die Flüche der Urgeschichte rückgängig gemacht werden. Also das Neue ist nicht das radikal Neue, das ganz andere. Man könnte ja auch denken, Neu muss absolut Neu sein. Jesaja hat da eine andere Vorstellung. Es ist eigentlich die Rückkehr zu der Welt am Anfang, die Gott schon mal gewollt hat, die dann aber irgendwie nicht funktioniert hat, aus welchen Gründen auch immer. Aber Gott hat immer noch den Plan im Kopf. Das Bild sozusagen der Welt, wie sie am Anfang hätte sein sollen, das ist bei Gott nie vergessen worden in dem Sinne. Und jetzt, Neuer Himmel, Neue Erde werden nach diesem Bauplan auch gebaut sein.
Und das letzte Steinchen in dieser Argumentation ist dann tatsächlich das schöne Bild eben von Wolf und Lamm oder Löwe und Lamm gibt es auch in der Variante, die dann einträchtig beieinander wohnen werden. Das heißt, man wird sich keine Gewalt mehr antun. Also sowohl die, jetzt komme ich biologisch durcheinander, die Beutetiere und die Raubtiere, irgendwie so, werden sich keine Gewalt mehr antun. Das kann man durchfragen, ist ja irgendwie komisch. Also wenn ein Löwe nicht mehr Löwe sein darf, so ungefähr, sondern Stroh fressen muss, das ist ja immer etwas falsch. Also das widerstrebt einem vielleicht. Zumindest wenn man, wie wir heute, im Rahmen einer, wie soll man sagen, biologischen Evolutionslehre denkt, wo man eben sagt, naja, es gibt ökologische Nischen, die werden gefüllt und es gibt Räuber, es gibt sozusagen eine biologische Balance, es gibt ein Gleichgewicht, da sagt dieser Text, nein, also es soll eigentlich gar keine Notwendigkeit mehr geben für niemanden,
Leben auf Kosten anderen Lebens fortzusetzen. Also die Vorstellung, dass Leben vernichtet werden muss, damit anderes Leben leben kann, dieses Prinzip soll in der neuen Welt, in der neuen Schöpfung so nicht mehr gelten. Jetzt kann man sagen, auch das ist doch hoch utopisch, also entspricht nichts, was wir wirklich wahrnehmen, und das ist vielleicht auch ein Stück weiter Punkt, aber hier wichtig, auch das ist eigentlich in Genesis 1 im Schöpfungsbericht schon so gedacht gewesen. Wenn Sie den Text, den großen Schöpfungstext, mal ganz aufmerksam lesen, dann werden Sie feststellen, dass Gott nicht nur Wesen schafft, sondern Ihnen auch sagt, wovon Sie sich ernähren dürfen. Und laut Genesis 1, also im Bauplan dieser Schöpfung, essen alle nur Gras und Pflanzen und Samen und Früchte. Mit anderen Worten, alle sind Vegetarier.
Sind Sie alle Vegetarier? Dann haben Sie im Blick auf Genesis 1 aber Pech gehabt. Es wird später erlaubt in Genesis 9, also gute Nachricht, wenn Sie nachher in einen Hamburger beißen wollen, das können Sie trotzdem noch tun, das ist gedeckelt, zum Teil zumindest. Aber die Vorstellung war tatsächlich, die schon in der Welt am Anfang, die hätte komplett gewaltlos sein sollen. Und auch das funktioniert dann irgendwie nicht. Also auch das bewahrheitet sich nicht. Und genau dahin will Gott zurück. Also Neu-Himmel und die Neue Erde sind in gewisser Weise die alte Welt wiederbelebt oder überhaupt zum ersten Mal realisiert. Also auch hier schließt sich so ein großer Kreis, wenn Sie so möchten, vom Anfang an, vom Ende des Jesaja-Buches an den Anfang zurück. Heißt natürlich, eine spannende Frage, gibt es denn in Gott etwas Neues? Also ist es möglich, dass Gott überhaupt selbst ganz neue Dinge tut, die er nicht vorausgesehen hat? Gibt es so etwas wie Überraschung in Gott? Ist das denkbar? Ist das in dieser Botschaft drin?
Wir hatten gerade eine Tagung hier in Heidelberg, wo es um dieses Thema ging, gibt es sozusagen in Gott Bewegung? Kann Gott sich ändern? Kann Gott sich wandeln in irgendeiner Weise? Die einen sagen immer ja, also Zeichen von Göttlichkeit muss eigentlich auch Bewegung und Entwicklung sein. Die anderen sagen, nee, also wenn Gott eigentlich genauso abwarten muss und nicht weiß, was als nächstes kommt, dann ist er halt kein Gott mehr. Also Sie erinnern sich alle an das schöne Buch von Umberto Eco, Name der Rose, die Frage, kann Gott lachen? Die Antwort ist natürlich um Himmels Willen nein. Gott kennt die Pointe des Witzes schon vorher. Also das Lachen würde bedeuten, man ist überrascht. Und das kann für Gott in dieser Form nicht gelten sollen. Also da gibt es innerhalb der Zunft auch durchaus unterschiedliche Sichtweisen, hat es schon immer gegeben, inwiefern Gott wandelbar ist und sich verändern kann und auch Neues außerhalb seiner selbst zulässt.
Das Jesaja Buch ist da etwas anderes, zumindest wenn man an den Schluss geht. Da hat man eher den Eindruck, Gott hatte von Anfang an einen Plan und jetzt würde er ihn durchsetzen. Also es braucht die geschichtliche Zeit für Gott, an diesen Anfangspunkt zurückzukehren, aber das war eigentlich schon immer so gedacht. Also eine interessante Schlussfolgerung eben auch für die Gotteslehre. Also der Gott, der durch sein Wort spricht, in die Welt hinein, der Dinge bewirkt, tut eigentlich genau das, was er am Anfang schon wollte und wird irgendwann auch dort wieder ankommen. Fassen wir zusammen, versuchen wir so ein paar Schlussfolgerungen aus alledem zu gewinnen für unsere Zwecke. Ich hatte am Anfang gefragt, ist das in irgendeiner Form relevant, was im Jesaja Buch da passiert. Und jetzt beim Zuhören haben Sie das vielleicht für sich selber auch schon ein bisschen beschlossen, ob das relevant ist oder nicht, wie es in die eigene Glaubenserfahrung hinein passt oder eben auch nicht.
Aber ein paar Punkte möchte ich herausgreifen und Ihnen zumindest als Empfehlung, wenn man so möchte, mit ans Herz legen. Das eine im Jesaja Buch wird konsequent Erwartung zu einer Form des Glaubens. Erwartung als Form des Glaubens. Es geht beim Glauben nicht nur darum, was man für wahr hält, was man für sicher hält, was verlässlich ist, was schon immer so gegolten hat, sondern diese Bereitschaft für etwas, das noch nicht da ist, das sich erst noch zeigen und öffnen muss. Das wird mit dem Jesaja Buch zum integralen Bestandteil von Glauben. In gewisser Weise kann man sagen, das ist genau diese Wendung im Jesaja Buch. Der erste Teil der ersten 39 Kapitel versuchen zu begründen, warum die Vergangenheit so war, wie sie war. Der zweite Teil dreht sich davon weg und sagt, das ist schon gut, aber wir müssen auch in der Lage sein, uns auf etwas Neues hin auszurichten. Und das geht nur, wenn man auch die innere Disposition, die Bereitschaft hat, das zu tun und zuzulassen.
Und genau deswegen eben nun Erwartung, nicht nur Erinnerung, sondern Erwartung als Form des Glaubens. Das hat natürlich etwas damit zu tun, muss damit zu tun haben, dass es dann auch eine Hoffnung darauf gibt, dass das letzte Wort und gerade auch das letzte Wort Gottes noch nicht gesprochen ist. Also Erwartung allein würde auch nicht genügen. Erwartung muss noch eine konkrete Form, Gestalt annehmen. Und das ist eben auch im Jesaja Buch die der Hoffnung, dass da noch etwas kommt, dass da noch ein Überschuss an Möglichkeit ist, der in dem, was wir erfahren, noch nicht abgegolten wurde. Dritter Punkt. Die Welt, wenn das so ist, dass noch etwas aussteht, dass da Hoffnung sein kann und es Grund zur Hoffnung gibt, dann heißt das eben auch, die Welt ist nach wie vor und muss nach wie vor sein Gegenstand göttlichen Handelns und göttlichen Schaffens. Also auch die Schöpfung ist noch nicht fertig. Auch das ist eine Implikation des Jesaja Buches.
Wir leben in einer Welt, die noch nicht das ist, was sie sein soll oder werden soll. Also jeder Fatalismus, dass die Welt halt so ist, wie sie ist und dass sie sich in ihren Gesetzmäßigkeiten bewegt und wir eigentlich nur sozusagen so mitschwimmen können und so für uns das Beste raussuchen, das würden Jesaja und viele der prophetischen Bücher ganz entschieden zurückweisen und sagen Nein, also dieses letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Gerade deswegen ist diese Wort Gottes Theologie so wichtig. Gerade deswegen insistiert der Jesaja darauf auf diese Vorstellung, das Wort geht aus, bewirkt Dinge, macht sie neu und kehrt zu Gott zurück. Also Sie sehen, die Dinge greifen schon auch irgendwie ineinander. Also die Welt als Gegenstand göttlichen Handelns und göttlichen Schaffens. Das heißt aber auch diese Welt, auf die man hofft, die man erwartet und die Gott schaffen soll, bricht sich immer wieder an der Erfahrung der Welt, die eben noch nicht so ist. Auch das ist im Jesaja Buch durchaus immer wieder eingefangen.
Unsere Erfahrung im Moment deckt sich nicht mit dem, was die Welt sein soll. Da ist sozusagen ein Riss, noch kein schöner Übergang vom einen ins anderen, sondern es bleibt immer wieder auch bei der Enttäuschung. Es bleibt prophetisch gesprochen beim Modus der Klage. Und auch das soll zugelassen werden. Und gerade das ist auch wichtig, gehört zum Glauben hinzu, dass man diesen Riss, dieses Unabgegoltene auch überhaupt wahrnimmt. Also es ist nicht einfach das selige hineinschlittern in die neue Erde, die man so herbei beten könnte oder die einfach so eine Wohlfühlzone ist, in die man sich so hineinstreckt. Also ganz so einfach stellt sich das Jesaja Buch nie vor, sondern im Gegenteil. Es bleibt bei diesem Riss, es bleibt bei der Wahrnehmung, dass da Unabgegoltenes ist. Und damit muss man umgehen. Damit muss Glaube umgehen und damit muss auch Glaubensgemeinschaft umgehen können. Also auch das ist durchaus ein Hinweis der Prophetien. Das heißt, wenn man es nur auf einen ganz groben Nenner bringt, prophetischer Glaube oder der Glaube, den die Propheten zu definieren, zu versuchen, hat viel mit Sensibilität zu tun.
Mit dem Versuch wahrzunehmen. Sowohl sensibel hineinzuhören in die eigene Zeit, was da passiert, was da falsch läuft, was da Fehlstellungen sind. Das ist die prophetische Kritik, die Jesaja auch geübt hat, vor allem im ersten Teil, die dunklere Seite, wo sehr viel angeprangert wird, wo ganz klar gemacht wird, Menschen verhalten sich nicht so, wie sie eigentlich sollten. Das wird ganz klar in den Blick genommen und dafür ist eben Jesaja sensibel. Aber die gleiche Sensibilität richtet sich auch auf die Möglichkeit, die in den Dingen liegt. Also sowohl ihre Anfälligkeit, ihre Gebrechlichkeit, wie auch das, was an Möglichkeit in ihnen steckt und was die Botschaft des Neuen auch ermöglicht. Und in dieser Doppelgestalt, wahrnehmen dessen, was falsch ist, was nicht sein kann und was vielleicht auch keine Zukunft hat und die Wahrnehmung und Sensibilität dafür, was neu werden soll,
das ist, wenn Sie so möchten, das Erbe des Jesaja-Buches und genau an der Stelle wird dann auch das Neue Testament ansetzen. Und das gucken wir uns dann im zweiten Teil des heutigen Vormittags an.
Die Prophetie des Neuen und deren Bedeutung für das neue Testament (zu Jesaja 40-66) | 5.4.1
Andreas Schüle versteht es, mit seiner unaufgeregten Art einen hervorragenden Überblick über das Jesajabuch zu geben. Es beginnt mit einem eher düsteren Bild, um dann in einem großen Bogen in der zweiten Hälfte in eine freundlichere Stimmung in Richtung Hoffnung umzuschwenken. Als Leser kann man also innerhalb eines Buches quasi in Miniaturform die gesamte Idee von »Gottes Heilsgeschichte« betrachten.
Baupläne von Architekten geben hier eine hilfreiche Analogie. Sie bieten in reduzierter, abstrakter und stark vereinfachter Form ein Abbild eines reellen Bauwerks. Dabei lassen sie zwar eine Menge Details weg, aber die wesentlichen Aspekte werden hervorgehoben, um das gesamte Werk zu beschreiben. Und so wie auf einer Bauzeichnung erkennt man bei Jesaja die Highlights der Gott-Mensch-Beziehung und verfolgt sie im Zeitraffer mit. Am Ende wird eine neue Ära, eine neue Zeitrechnung eingeleitet. Die alten Denkmuster werden verändert. Das gesamte Glaubensgebäude wird neu definiert.
So gesehen wirkt Andreas Schüle in seinem Vortrag wie eine Art neugieriger Archäologe, der vorsichtig Schicht für Schicht einer großartigen Entdeckung freilegt. Hier wartet etwas Faszinierendes darauf gefunden zu werden, nichts Geringeres als der »Masterplan« des Schöpfers mit seiner Schöpfung.