Der zweite Vortrag bleibt beim israelitischen Recht. Auch der Vortrag morgen wird beim israelitischen Recht bleiben. Das heißt, alle meine drei Vorträge widmen sich dem Thema der Rechtsethik. In dem neuen Handbuch der evangelischen Ethik, das im Jahr 2016 herausgekommen ist, beginnt man ebenfalls im ersten Kapitel mit der Rechtethik. Ich finde es auch richtig so, denn die Rechtethik ist von besonders grundlegender Bedeutung verbindlich für ganze Bevölkerungen und auf lange Sicht in Recht gegossen. Deswegen innerhalb der großen ethischen Diskussion Wirtschaftsethik, Sozialethik, Sexualethik, Ethik der Lebensformen und was es alles gibt, ist die Rechtethik von
besonders grundlegender Bedeutung. Und deswegen, was es noch gar nicht so lange in der christlichen Theologie gibt, widme ich mich sehr ausführlich dem israelitischen Recht. Ich habe im ersten Vortrag gestern ausgeführt, dass innerhalb vom israelitischen Recht man von einem Sozialrecht sagen kann, sprechen kann. Zu diesem Sozialgesetzgebung gehören Schutzbestimmungen für gefährdete Gruppen, die alten Leute, gebrechlich alten Leute, die Witwen und Weisen, die Tagelöhner, die Armen, die Fremden und die Sklaven. Und zum Sozialgesetzgebung gehören auch Wirtschaftsbestimmungen, das ist hoch aktuell, brisant, nämlich die Schabbat-Gesetzgebung, die Sozialsteuer,
das Zinsverbot und der Schuldenerlass. Mit diesen Bestimmungen greift die israelitische Gesetzgebung in das Wirtschaftsleben der Reichen und der Mächtigen ein. Jetzt, heute möchte ich aus der Sozialgesetzgebung das Fremdenrecht beispielhaft herausgreifen, morgen dann das Sklavenrecht. Es geht mir immer darum, aufzuzeigen, was folgt an handfesten Konsequenzen aus der israelitischen Gotteserfahrung. Der Schlüssel der israelitischen Gotteserfahrung ist die Befreiungstat. Gott ist ein befreiender Gott. Er befreit Zwangsarbeiter aus einer Großmacht. Also er stellt sich auf die Seite der Zwangsarbeiter gegen die Machteliten. Und eine Religion, die keinen
befreienden Charakter hat, ist krank. Also, denn Gott ist ein befreiender Gott. Und jetzt Schüler fragen oft sehr handfest, Herr Zimmer, was bringt es mir? Diese Frage ist durchaus berechtigt. Also, ich frage jetzt auch so ein bisschen salopp, was bringt eigentlich die Exodus-Erfahrung? Diese Befreiungstat, dass eine Stimme aus dem Busch in einem subversiven Gespräch einen Mann anstiftet, Zwangsarbeiter aus einer Großmacht herauszuholen. Also so eine religiöse Gründungsgeschichte gibt es in keiner Religion. Unsere biblische Hoffnungsgeschichte beginnt mit einer subversiven Tat, dass die Stimme, eine Stimme aus einem Dornbusch einen Mann zur Schädigung einer Großmacht
aufruft. Weil die Flucht oder ja, die Flucht dieser nützlichen, billigen Arbeitskräfte, die waren durchaus nützlich, die haben große Vorratsstätte bauen müssen. Und diese Leute aus einer großen Großmacht herauszuholen ist eine Ohrfeige für die Großmacht. Also so ging es los. Was bringt die Exodus-Erfahrung? Das untersuche ich jetzt gestern heute und morgen an den rechtlichen Folgen. Im israelitischen Recht schlagen sich die befreienden humanen Kräfte der Exodus-Erfahrung schlagen sich nieder und werden in verbindliches Recht gegossen. Und das hat vielen tausend Menschen sehr viel gebracht. Also heute als exemplarisches Beispiel aus der Sozialgesetzgebung der Thora das Fremdenrecht.
Wie eine Gesellschaft mit Fremden umgeht, zeigt sehr viel über den Grad an Humanität in dieser Gesellschaft. Die Frage nach dem Umgang mit Fremden ist durch die Jahrtausende hindurch von aktueller Bedeutung. In Israel hat man sich nicht nur Gedanken gemacht über den Umgang mit den Fremden, man hat Anordnungen erlassen und Institutionen geschaffen, die uns Menschen des 21. Jahrhunderts verblüffen. Für Israel stand im Verhalten zu den Fremden das Verhältnis zu Gott auf dem Spiel und damit die Identität Israels. Bevor Britta nachher viele Originalzitate
aus der Thora vorlesen wird, die das Fremdenrecht betreffen, das erstaunliche Fremdenrecht betreffen, möchte ich einige Vorbemerkungen machen. Ich möchte mal den Blick richten auf die grundlegenden Voraussetzungen, dass so ein Fremdenrecht möglich war. In Israel ist stets das Wissen lebendig geblieben, dass die Israeliten Fremde waren, dass sie selber Fremde waren und in gewisser Weise auch geblieben sind. Wenden wir uns mal den Vätern Israels zu. Wer waren die Väter Israels? Abraham, Isaac und Jakob lebten in Zelten in einem Fremdenland unter fremden Menschen.
Diese fremden Menschen, das waren die Einheimischen, die waren für Abraham, Isaac und Jakob fremd und sie waren die Ausländer für diese Einheimischen. Abraham selber besaß an Grund und Boden nur ein Familiengrab. Er hat ein kleines Stück Land gekauft als Grab für seine Frau und für sich bei Hebron. Mehr haben sie nicht besessen. Sie waren ständig auf der Wanderung in fremdem Land unter fremden Menschen. Jakob hat dann ein Grundstück gekauft, können Sie in 1. Mose 33 nachlesen, in Sihem. Sihem ist das heutige Nablus, also ein kleines Grundstück. Und als Jakob schon alt war, musste
er nochmal fliehen wegen einer Hungersnot. Also er war ein Wirtschaftsflüchtling und dann floh er mit seiner Sippe, mit seiner Familie nach Ägypten. Denn Ägypten war fruchtbar durch den Nil. Ägypten war unabhängig von Dürrezeiten und Missernten. Der Nil mit seinem Schlamm war natürlich das große Geschenk an Ägypten. Und man muss sich schon überlegen, was aus der biblischen Heilsgeschichte geworden wäre, wenn das Land Ägypten die Jakobsitte als Wirtschaftsflüchtlinge abgelehnt hätte und nach Kanan zurückgeschickt hätte. Was wäre dann aus der biblischen Heilsgeschichte geworden? Ägypten hat in der Regel in Dürrezeiten und in Misserntezeiten den nomadischen Sippen auf dem Sinai und dem Negev das Gastrecht im Israel erteilt. Also Ägypten war in dieser Hinsicht sehr
aufnahmebereit. Dort lebten dann die Nachfahren als Fremde in einem fremden Land. Die Pharaonen haben dann diese Fremde als nützliche Zwangsarbeiter angesehen, sie also gezwungen, frohen Arbeiten zu verrichten. Und sie wurden Hebräer genannt. Das Wort Hebräer, das wir heute noch haben in der hebräischen Sprache, also dieses Wort Hebräer kommt in der Bibel fast nur vor, im Großen und Ganzen nur in dieser Zeit in Ägypten. Später nennen die sich dann Israeliten im Laufe der Zeit. Aber ursprünglich waren es Hebräer. Was bedeutet dieses Wort Hebräer? In der Archäologie des 19. und dann vor allem des 20. Jahrhunderts hat man tausende von Ton-Tafelchen, beschrifteten Ton-Tafelchen gefunden. Und da kommt das Wort Hapiro, das ist das Wort für Hebräer, kommt tausendfach vor.
Hapiro, Hebräer, war die Bezeichnung für heimatlose und besitzlose Fremde, die keiner auf Dauer integrieren wollte. Die nannte man Hapiro. Die gab es überall in Assyrien, so eine bewegliche Masse, die man am besten zu Zwangsarbeiten heranzieht. Dann hat man wenigstens Nutzen von diesen heimatlosen, besitzlosen Fremden, von diesen Hapiro. Ja, und dann kam diese wahnsinnige Befreiungstat, eine Stimme aus dem Busch, die sagt, ich habe das Elend dieser Hapiro gesehen und ich habe ihr Stöhnen über ihre Aufseher gehört und ich kenne ihre Schmerzen. Wahnsinn, das ist der helle Wahnsinn. Wer will denn so was erfinden? Wenn das eine Erfindung ist, dann ist diese Erfindung das
größte aller Wunder. Warum erfindet jemand Worte eines Gottes, der so spricht? Niemals hat ein Staatsgott in Assyrien, Babylonien, Hethiters, Sumerer, Kananer, Perser, Griechen, Römer, Ägypter, niemals hat ein Staatsgott solche Sätze gesagt. Die sind ja wirklich subversiv. Das ist ja Widerstand gegen die Staatsgewalt. Also nach dieser Befreiungstat haben diese Hapiro-Leute selber sich gewundert. Die brauchten Jahrzehnte, um einen solch unglaublichen Vorgang, wie es in der internationalen Geschichte noch nie gegeben hat, irgendwie zu verarbeiten. Dieser Gott hat gar nicht die Elite-Schicht erwählt, er hat uns Hapiro-Leute erwählt. Bei uns gab es ja gar keine Oberschicht. Wir sind ja alle Hapiro, ausgebeutete. Das ist der Gott der Ausgebeuteten.
Und der hat ihnen ein Land verheißen, also das war nicht nur Fluchthilfe, sondern dieser Exodus-Vorgang hat auch ein strategisches Ziel, im neuen Land mit neuem Recht eine Alternativgesellschaft aufzubauen. Das ist der Sinn des Exodus-Vorgangs. Also die sind dann in dieses verheißene Land eingesickert, aber sie haben dann in dem Land Kanan nur die unbesiedelten Bergregionen bevölkert, also auf dem judäischen und samarischen Bergland, ungefähr so 1800, 1000 Meter hoch, völlig bewaldet damals. Da waren nur Fallensteller und Jäger, aber da gab es keine Siedlung, es war unbesiedelt. Also in dem verheißenen Land waren sie da auch ein bisschen fremdartig, in einem unbesiedelten Bergregionen, mussten erst mal Rodungen machen, kleine Dörfer gründen
und so weiter. Es gibt heute noch von der Universität Tel Aviv und anderen Universitäten, die dann ganze Flächenbeobachtungen machen, kann man noch in dieser Zeit erkennen, die haben dann so an bestimmten Gegenden Terrassen angelegt für Landwirtschaft und so weiter. Man kann sogar noch in Ansätzen erkennen, in diesen 200 Jahren von 1200 bis 1000 v. Chr. waren da diese Exodus-Gruppe mit Roden und Siedlungen gründen beschäftigt, 200 Jahre lang, ohne politische Zentralgewalt, also wirklich eine echte Alternative. In der bürgerlichen Wissenschaft nennt man diese Zeit die vorstaatliche Zeit Israels, das ist aber sehr ideologisch. Das ist nicht vorstaatlich, diese Zeit ist antistaatlich. Die wollten keinen Staat, die haben von den Pharaonen die Nase gestrichen voll. Also das war eine Alternativgesellschaft.
Man nennt es in der Politikwissenschaft ackephalisch, ohne Haupt, ohne Zentralgewalt. Die einzelnen Sippen waren auf Augenhöhe selbstständig und das Land hat man je nach Familiengröße zugeteilt. Ja, also Erstkönig David, Regierungszeit ungefähr 1000 bis 960 grob, dem gelang es, die fruchtbaren Ebenen und die Städte im Küstengebiet, die waren gar nicht erfasst. In den fruchtbaren Ebenen, in den Städten, da wohnten die Canaaner. Die Canaaner waren dieser Exodus-Gruppe da oben zivilisatorisch und militärisch weit überlegen. Aber die konnten sich also nur in solchen unbesiedelten Gebieten sehr schwer zugänglich.
Da waren diese Wattis, diese ganz steilen Täler, die im Sommer trocken sind, aber im Winter werden das reißende Sturzbäche, da kann es mit Streitwagen, da kommst du ja gar nicht hoch. Also die kananaische Berufsheere hochtechnisiert mit Streitwagen, die sind nur in den Ebenen einsetzbar. Und deswegen, die konnten da oben so ihre Siedlungen mal so 200 Jahre lang leben. Ja, also Erstkönig David, gelang es dann auch die Täler und die Ebenen und die Städte zu integrieren. Dann gab es jetzt mal für eine gewisse kürzere Zeit einen selbstständigen Staat Israel, wobei der Begriff Staat nicht genau stimmt, sagen wir mal das Reich Israel. Aber eigentlich nur 280 Jahre bis 720. Und dann wurde schon der größere Teil Israels, der viel größere Teil, das Nordreich,
da waren zehn Stämme von zwölf und im Südreich ja nur zwei. Also das große Nordreich, Hauptstadt Samaria, wurde 720 von den Asyren erobert und zerstört. Und der Großteil der Oberschicht wurde deportiert nach Assyrien. Und die Asyrer haben fremde Kolonisten angesiedelt. Und dann hat sich das Ganze irgendwie aufgelöst. Viele damals im Nordreich sind in Südreich geflohen. Das Südreich wurde überflutet von Flüchtlingen, nicht Obergrenze 200.000 heute, sondern Jerusalem hat sich verdoppelt in der Zeit. Das Nordreich war ja viel bevölkerungsstärker als das Südreich. Also es ergoss sich ein Flüchtlingsheer auf das Südreich mit vielen Problemen, Konflikten, auf die das Bundesbuch, auf das ich gestern zu sprechen kam, Exodus 20 bis 23. Diese erste älteste Rechtssammlung bearbeitet diese Problematik,
dass nach dem Verlust des Nordreichs sich einen riesen Flüchtlingsstrom in das kleinere Südreich ergeben hat. Dann das Südreich selber wurde auch bald zerstört. 140 Jahre später, 586 von den Babyloniern. Wieder wurde der Großteil der Oberschicht deportiert. Also man deportiert in der Antike nicht die ganze Bevölkerung. Wäre man ja blöd, die Leute sollen ja das Land bearbeiten. Aber die Oberschicht, die wird deportiert. Und durch neue Leute aus dem eigenen Militär ersetzt. Und dann die Fremde in Babylonien. Wir saßen an den Ufern Babilons und weinten. Schon wieder Fremdheitserfahrung. Und die Fremdherrschaft der Großmächte über das kleine Land Israel reißt nicht mehr ab. Die Babylonier werden von den Persern abgelöst. Die Perser besiegen die Babylonier.
Die Perser gründen überhaupt das erste Weltreich der Weltgeschichte. Und Judea wird jetzt eine persische Provinz. Wieder Fremdherrschaft. Dann die Diadochenstaaten nach Alexander der Große. Das ägyptische Ptolemair-Reich beherrscht dann Israel oder Judea. Dann kommen die syrischen Seloikiden. Sie beherrschen immer die Bevölkerung in Jerusalem und Umgebung. Dann kommt eine kurze selbstständige Zeit, die Maccabeer. Aber dann kommen die Römer und wieder Fremdherrschaft. Also wenn man das mal zusammenfasst. In Israel brach die Erfahrung der Fremdherrschaft nicht mehr ab. Und dann kommt noch eine andere Art von Fremdheit hinzu, zu alledem. Denn Israel war die einzige Religion der Menschheit, die nicht politistisch war. Eine bildlose, monotheistische Religion hat es bis damals nirgendwo jemals in der Menschheitsgeschichte gegeben.
Weil alle Religionen der Antike sind politistisch. Das ist auch völlig vernünftig und völlig normal. Monotheismus ist ja irgendwie verrückt. Warum haben die Wikinger und alle Völker, die Kelten und egal, wie sie sie nennen, sind alle politistisch? Die waren ja nicht doof. Warum sind alle Religionen in Europa, im Mittelmeergebiet, im vorderen Orient, warum sind die politistisch? Ja, völlig klar, weil es gibt verschiedene grundlegende Kräfte in der Welt. Sagen wir mal, das Licht, das Licht. Die Menschen haben sich immer gefreut, dass es Licht gibt. Sie haben Hymnen an das Licht gesungen. Wie, was wäre das Leben ohne Licht? Und die Menschen haben natürlich gespürt, wir haben das Licht nicht geschaffen. Die Sonne und der Mond. Manche Religionen haben eine Sonnen Religion, Sonnengötter.
Aber die Babylonier waren eine Mond Religion. Der Mondgott Shin war der oberste. Bei den Ägyptern aber der Sonnengott Reh. Ja, die Sonne merkt man ja. Die ist der Lichtspender. Ohne Sonne kein Wachstum. Die Jahreszeiten. Aber der Mond ist auch irgendwie verblüffend. Den Mond kann man anschauen. Die Sonne nicht, da gehen die Augen kaputt. Und der Mond verändert seine Gestalt. Sichel, Halbmond, Vollmond. Das waren die auch irgendwie fasziniert. Also auf jeden Fall, der Mond gibt sogar in der Nacht etwas Licht und die Sterne leuchten. Also das Licht. Wir können nicht leben ohne Licht. Also haben die Menschen in ihrer Freude und Dankbarkeit Gebete und Lieder entwickelt, wo sie das Licht bejubeln, ansprechen. Sie sind sozusagen der Lichtgott. Das ist ja nicht dumm. Es ist einfach die Freude und die Dankbarkeit, dass es Licht gibt.
Wir können das Licht nicht machen, aber ohne Licht könnten wir nicht leben. Oder dann zum Beispiel die Fruchtbarkeit. Wie schön, dass es Fruchtbarkeit ist, dass die Pflanzen wachsen, dass die Herden, dass die jungen Kälber wachsen. Die Fruchtbarkeit, dass wir selber Kinder in die Welt setzen können. Das hat die Leute beglückt, fasziniert. Also haben sie Fruchtbarkeitsgötter verehrt. Sie wollten einfach ihre Dankbarkeit und Freude ausdrücken. Dann gibt es aber auch die Kraft der Gemeinschaft. In der Wüste, in der Steppe kann kein Singel leben. Wie schön, dass wir ein Dorf haben, dass wir Sippen haben, dass wir nicht alleine sind. Also verehren Sie die Gemeinschaft. Und so gibt es weitere Grundkräfte und die werden dann, das führt zum Politeismus. Weil Licht ist ja was anderes wie Fruchtbarkeit. Und Fruchtbarkeit ist was anderes wie Gemeinschaft. Aber auch die Kraft des Todes, der Vergänglichkeit.
Es gibt also auch problematische Grundkräfte, die uns mehr Sorgen bereiten. Aber es gibt eben auch die bejubelten Grundkräfte. Und alle diese Grundkräfte werden Götter, weil man sie anreden will, man will sie besingen. Und so entsteht der Politeismus in allen Völkern. Der Politeismus hat sehr gesunde, wertvolle, kostbare Gründe. Es ist die Freude und die Dankbarkeit an Grundkräften des Daseins, die wir selber nicht schaffen können, ohne die wir aber auch nicht leben können. Aber jetzt kommt da so ein kleines Volk und sagt, nein, nein, es gibt einen einzigen Gott. Da haben die Völker alle gesagt, die spinnen. Das ist ja eine Verarmung. Das ist ja der Reichtum der Grundkräfte. Also der Monotheismus war völlig fremd. Und deswegen, die Nachbarvölker in Israel, die haben die Israeliten als irgendwie andersartig eingestuft, als Fremde.
Und so kommt jetzt auch eine religiöse Fremdheit. Israel fühlte sich in der Welt der Religionen als Fremdling. Also auf sehr verschiedenen Ebenen Erfahrung des Fremdseins der Väter, der Zwangsarbeiter in Ägypten, die jahrhundertelange Erfahrung von Fremdherrschaft und dann auch religiös gesehen sind wir Fremde in dieser Welt. So erklärt es sich, dass das berühmteste Glaubensbekenntnis im Alten Testament, das steht im fünften Buch Mose, Kapitel 26, dieses berühmteste israelitische Glaubensbekenntnis beginnt mit folgendem Satz. Ein umherirrender Aramäer war mein Vater. Das Eingeständnis des Fremdseins als erster Satz eines Glaubensbekenntnisses ist einmalig einzigartig in der Welt.
Also das Volk Israel hat jahrhundertelang eigentümliche Erfahrungen mit Fremdsein, Fremdheit und Fremdherrschaft gemacht. Und so kommt es, dass dieses Volk eine erstaunliche Sensibilität entwickelt hat. Im Schicksal eines Fremden sah Israel immer in einer Art Perspektivenwechsel ein großes Stück seiner eigenen Geschichte. Deshalb hat dieses Volk erstaunliche Anordnungen im verbindlichen Recht erlassen und erstaunliche Institutionen geschaffen, die uns auch heute noch verblüffen.
Jetzt möchte ich in einem zweiten Kapitel die verschiedenen Gruppen von Fremden mal differenzieren. Das ist sehr wichtig, weil in keiner der heutigen Bibelübersetzungen das deutlich wird. Die schlampern da leider alle, weil sie nicht exakt aus dem Hebräischen übersetzen. Man merkt den Bibelübersetzungen auch an, dass sie hier gar kein besonderes Empfinden haben. Die ticken hier nicht, was da um was es geht. Und dann verunglaren sie den Text, weil im Hebräischen sind drei verschiedene Begriffe, die werden aber im Deutschen oft immer mit Fremder übersetzt. Und deswegen ist es in der deutschen Bibelübersetzung kaum möglich, diese Dinge ganz klar zu differenzieren. Also in Israel wurden mehrere Gruppen von Fremden klar unterschieden. Wir unterscheiden ja auch zwischen Touristen, Diplomaten, Flüchtlingen, Kaufleuten.
Das sind alles Fremde, aber ganz unterschiedlichen Hintergrunds. Also es gibt in Israel zwei Gruppen von Fremden, das sind die Nokrim und die Zarrim. Die Nokrim sind Kaufleute. Es sind Leute, die meistens in aller Regel durchreisende Kaufleute sind. Sie halten sich nur vorübergehend in Israel auf und zwar mit kaufmännischer Absicht, mit wirtschaftlichen Gründen. Sie wollen Geschäfte machen. Israel war eines der ganz großen, vielleicht sogar das größte Durchreisegebiet. Denn das Land Israel, diese Landbrücke ist ein einmaliges geopolitisches Gebiet, weil drei Kontinente Europa, Asien und Afrika sind in einer kleinen Landbrücke verbunden. Westlich ist das Wassermeer, Mittelmeer, und östlich ist das Sandmeer, die Wüste. Und nur ungefähr 30, 35 Kilometer ist Europa, Afrika und Asien auf dieser kleinen Brücke verbunden.
Also so ein Durchreiseland. Es gibt zum Beispiel viele Pflanzenarten, die kommen nur in Europa und Afrika vor und südlich bis zu dieser Landbrücke, aber südlicher nicht mehr. Es gibt viele afrikanische Pflanzenarten, die kommen bis zu dieser Landbrücke vor, aber nördlicher nicht mehr. Es gibt sehr viele Tierarten in Europa und Asien, die kommen, südliche Grenze ist diese Landbrücke, aber südlicher nicht mehr. Es gibt sehr viele afrikanische Tierarten, da ist die nördliche Grenze diese Landbrücke, aber nördlicher kommen sie nicht vor. Also ich will damit nur sagen, in mehrfacher Hinsicht ist diese Landbrücke, die drei Kontinente verbindet, ein eigentümliches Land. Das Heilige Land hat eine merkwürdige Funktion, ist einmalig auf der Welt.
Gut, also es waren durchreisende Kaufleute, die aus Europa oder Asien oder Afrika, war eine große internationale Handelsstraße und da war ganz schön was los. Also das sind die Nocrim. Dann gibt es die Tsarrim, das sind Soldaten, die sich in feindlicher Absicht, meistens Söldner, irgendwelcher Großmächte, und die sind ja auch Feinde, mächtiger als Israel. Es gibt später auch eine fremden Feindlichkeit in biblischen Texten, das sind aber immer Tsarrim. Das heißt, wenn Menschen militärische überlegene Mächte Israel okkubieren und unterdrücken und dann ihre Truppen ausheben, wird das ganze Lebensmittel und Proviant für Pferde und für Menschen aus der Bevölkerung ausgepresst. Ja, da ist dann nicht unbedingt Fremdenliebe angesagt. Also man muss sehr unterscheiden.
Die dritte Gruppe, das sind die Gerim und um die geht es jetzt, das sind hilfesuchende Fremde, die sich dauerhaft in Israel aufhalten wollen, die in Israel ihren Schutz suchen. Das ist der Unterschied zu den Nocrim und Tsarrim, also übermächtige militärische Fremde. Die werden natürlich in das israelitische Recht nicht so integriert, kann man ja wohl verstehen, die machen ja Israel kaputt, als hilfesuchende, schutzsuchende Fremde, die in Israel bleibend wohnen wollen und ihren Schutz finden wollen. Das sind die Gerim. Und das ist schon also arg doof und tragisch, dass die Bibelübersetzungen hier rumfuhrwergen wie in der Salatschüssel. Also wenn ich jetzt von Fremden rede und vom Fremdenrecht, meine ich ausschließlich die Gerim, die Hilfe und Schutz suchenden Fremden, die in Israel dauerhaft eine Heimat suchen.
Das sind die Gerim. Wenn man in der Antike seine Heimat verlässt, das hat immer schwerwiegende Gründe. Der häufigste Grund ist immer Hunger. Dürrezeiten, Missernte. Es handelt sich also immer um Wirtschaftsflüchtlinge, modern gesprochen. Das ist im Alten Testament überall der Hauptgrund. Es kann auch ein kriegerischer Grund sein, der zu Verfolgungen führt, wenn wir die Texte hören. Und dann auch individuelle Not, werden wir noch sehen. Also es geht also um die Gerim. Wenn einer in ein fremdes Land geht, ist er rechtlos. Und jetzt müssen wir uns mal praktisch vorstellen, wenn also da so ein paar hundert Ausländer, es müssen nicht immer Ausländer sein.
Gerim können auch Nordisraeliten sein, die nachdem Nordreich zerstört wurde, zu Tausenden, wahrscheinlich Zehntausenden in das kleine Judas strömten und es richtig überfluteten. Das kann man mit den heutigen, mit unserem heutigen reichen BRD und diesen, die haben uns ja nicht überflutet. Wie gesagt, Jerusalem hat sich verdoppelt. Also ist schon noch eine andere Problematik. Also Gerim sind auf jeden Fall Menschen, die ihre angestammte Heimat verlassen und in der Fremde eine neue Heimat suchen. Das können also Stammesangehörige des Nordreichs sein, aber in den späteren Texten sind es wirklich Ausländer. Das muss man in den einzelnen Rechtstexten Bundesbuch, Deuteronomium und Heiligkeitsgesetz, wir werden das differenziert betrachten. Das muss man genau differenzieren. Nicht schlampiges Bibel lesen hilft weiter. Wenn wir die Bibel schon lesen, schlage ich vor, sorgfältig.
Wenn schon. Also wie passiert das praktisch? Wie geht es vor sich? Die Fremden kommen. Ja, die haben ja keinen eigenen Landbesitz. Sie haben keine eigenen Häuser. Das kann nur so gehen, dass sie bei einem Bürger des Landes in seinem Haus Aufnahme finden. Dann arbeiten die dort, also vielleicht Ehepaar mit Kindern, können ja immer nur ganz kleine Gruppen sein, verteilt man auf die verschiedenen Häuser. Und die arbeiten dann mit in der Landwirtschaft, in diesem Haus. Und versuchen sich so ihren Lebensunterhalt zu verdienen und sich bei den Einheimischen nützlich zu machen. In Israel nennt man die Bürger, die einen Fremden bei sich wohnen lassen, dauerhaft Schutzbürger. Aber die Versuchung war natürlich enorm. Mal bei passender Gelegenheit, das stinkt mir das auch, es wird ja auch noch frech. Also dass man sie dann ganz schön drückt oder oder vertreibt.
Also bitte, hier kannst du jetzt nicht mehr weiter wohnen. Also diese Fremden, die Gerim, die bei israelischen Schutzbürgern ihr Unterkommen gefunden haben, sich da sozusagen mit Arbeit nützlich machen. Sie waren immer in problematischer Weise ausgeliefert. Den Launen oder eben dem charakterlichen Haushalt, den die Leute halt so drauf gehabt haben. Sie konnten immer wieder mal auch schnell schikaniert oder vertrieben werden. Das war das Schicksal der Gerim. Jetzt möchte ich mal dieses Fremdenrecht euch original zu hören geben. Ich glaube, es ist der Vortrag in Wothaus, das sind ja jetzt, glaube ich, schon über 60 Vorträge, wo am meisten Bibeltexte jetzt original zu hören sind. Denn ich möchte, dass ihr hier und in anderen Ländern, wo deutschsprachige Hörerinnen höre sind,
ich möchte mal, dass dieses Fremdenrecht, dass ihr das mal im Original hört. Qualität der biblischen Botschaft, Konsequenzen der Exodus-Erfahrung. Jetzt könnt ihr sie mal hören. Und wenn die Schüler fragen, was bringt das alles? Ja, dann hör jetzt mal gut zu. Wir beginnen mit dem Bundesbuch. Entstanden im Schlussdrittel des achten Jahrhunderts sehr viele Sozialgesetze. Sehr großes Ohr auf Sklaven. Das kommt dann morgen. Das Fremdenrecht hat im Bundesbuch eine zentrale Rolle. Es gibt nämlich im Bundesbuch eine Liste von Sozialgesetzen, wo diese sechs Gruppen, die ich gestern genannt habe, Arme, Tagelöger, Witwen, Weisen, Fremde, wo die alle genannt werden. Und diese Liste beginnt mit einem Fremdenrecht und sie endet mit einem Fremdenrecht.
Das gibt dem Fremdenrecht eine sehr zentrale Stellung. Und dann gibt es noch eine dritte Stelle im Bundesbuch. Das Bundesbuch ist ja relativ knapp. Exodus 20 bis 23. Das ist die älteste eigenständige Rechtsammlung innerhalb der Thora. Viel älter als die endgültige Gestalt der Thora. Die dritte Stelle, da werden Fremde im Schabbat-Gesetz integriert. Jetzt hören wir mal diese beiden Stellen am Anfang und am Ende dieser Liste und das Schabbat-Gesetz. Diese drei Stellen im Bundesbuch. Zweites Buch Mose, 22 20. Einen Fremden sollst du nicht bedrücken und sollst ihn nicht bedrängen. Denn ihr seid selbst Fremde gewesen im Land Ägypten.
Zweiter Mose, 23 9. Einen Fremden sollst du nicht bedrängen. Ihr kennt ja selbst die Stimmung des Fremden, denn ihr seid Fremd gewesen im Land Ägypten. Zweiter Mose, 23 12. Sechs Tage sollst du deine Arbeit verrichten. Am siebten Tag aber sollst du ruhen, damit dein Rind und dein Esel ausruhen, der Sohn deiner Sklavin und der Fremde zu Atem kommen. Das sind die drei Stellen in diesem relativ begrenzten Bundesbuch. Dreimal das Recht des Fremden. Du sollst ihn nicht bedrücken und ihn nicht bedrängen. Und die Begründung ist schon hochinteressant, denn du warst selbst Fremder in Ägypten. Das ist aber jetzt schon lange her, am Bundesbuch ist 710, 720 oder 700 so ungefähr in dem Bereich entwickelt worden.
Ja, in Ägypten war das der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater. Das ist eine jahrhundertelange Empathieübung. Du warst, wenn das einer zu mir sagt, würde ich sagen, hör mal. Ja, aber trotzdem, der Exodus hat diese Ausstrahlung, auch wenn du selber nicht in Ägypten warst, aber mach mal eine Imaginationsübung. Wie war das wohl bei deinem Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater? Was ist Zwangsarbeit? Wie hat der gelebt? Welchen Wochenplan? Wie gesund? Welche Ernährung? Wie hast du dich gefühlt? Also das ist ein Training in Empathie und Rollentausch und Perspektivenwechsel.
Das sucht mal in der Welt der antiken Religionen, sucht es mal. Und dann dieses Schabbat-Gesetz, auch in diesem jede, alle sieben Tage, ein Tag frei für alle Menschen, auch für Sklaven und für die Tochter der Sklavin und für den Fremden. Der will auch ausruhen. Der muss sich auch regenerieren. Früchte der Exodus-Erfahrung. Jetzt gehen wir zum Deuteronomium, die große Rechtsammlung aus dem siebten Jahrhundert, 630, 620, 610, so ungefähr um diesen Dreh herum entstanden in Zusammenhang mit dem König Josiah. Das ist 100 Jahre später, muss man differenzieren. Man kann da nicht sagen, Mose hat alles geschrieben. Das ist so kilometerweit an der Bibel vorbei.
Also jetzt sind wir 100 Jahre später in der Zeit des König Josiah. Jetzt gibt es keine Flüchtlingsprobleme mehr. Gerim kann jetzt nicht mehr Nordisraeliten zwar vom gleichen Stamm, von der gleichen Kultur, von der gleichen Religion, nein, jetzt heißt Gerim auch wirklich Ausländer. Das ist auch interessant, dass beides mit dem gleichen Wort. Er ist halt ein Fremder. Jetzt kommt zum Beispiel folgende Entdeckung, die man in der orientalischen Wissenschaft, in der wissenschaftlichen alttestamentlichen Forschung gemacht hat. Das kann man nur machen durch jahrzehntelange fleißige Forschungen, nur durch Quellenstudium. Fromme Sprüche bringen hier gar nichts. Nämlich man hat festgestellt, dass in allen Rechtsammlungen des altorientalischen Rechts, die sind alle mit vielen Doktorarbeiten minutiös untersucht, dass es in allen Rechtsammlungen des alten Orients ein Schutz für Witwen und Weisen gab.
Witwen und Weisen werden in Ägypten bei den Sumerern, Asyren, Babyloniern, Hettitern, Kanaren, die werden geschützt, denn sie sind keine Rechtspersonen. Rechtspersonen sind nur Männer oder eben jemand, der einen erwachsenen Vater hat. Weisen, die zu jung sind, die nicht erwachsen sind, sind auch keine Rechtspersonen. Also Witwen und Weisen kann man ganz leicht an den Rand drängen und die werden allgemein im alten Orient geschützt. Viele Schutzbestimmungen im alten Orient sind viel besser wie in Rom, weil im alten Orient hat man noch ein Wissen, dass die Sippe, der große Sippenverband auch verantwortlich ist. Aber im Deuteronomium kommt etwas einzigartiges, einmaliges. Man hat keine einzige Stelle in 150 Jahren gefunden, wo im altorientalischen Recht neben den Witwen und Weisen immer auch der Fremde genannt wird.
Das gibt es ganz allein in der Thora, nirgendwo sonst. Hören wir uns es mal an. 5. Buch Mose, 24, 17. Du sollst nicht beugen das Recht des Fremden, der Weise, und du sollst das Gewand der Witwe nicht fänden. Du sollst daran denken, dass du Sklave in Ägypten gewesen bist und Jahwe, dein Gott, dich von dort freigekauft hat. Deshalb gebiete ich dir, diesem Wort Folge zu leisten. 5. Buch Mose, 10, 17 bis 19. Denn Jahwe euer Gott ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große und starke und furchtbare Gott, der die Person nicht ansieht und Bestechung nicht annimmt,
der Weise und Witwe Rechtschaft und den Fremden liebt, sodass er ihm Brot und Kleidung gibt. Und ihr sollt den Fremden lieben, denn ihr wart Fremde im Land Ägypten. 5. Buch Mose, 24, 18 bis 22. Wenn du auf deinem Acker geerntet und eine Gabe vergessen hast auf dem Acker, so sollst du ihn nicht wegnehmen, sie zu holen, sondern sie sollen dem Fremden, der Weise und der Witwe zufallen, auf das dich Jahwe, dein Gott, segne in allen Werken deiner Hände. Wenn du deine Ölbäume geschüttelt hast, so sollst du nicht nachschütteln, es soll den Fremden, der Weise und der Witwe zufallen. Wenn du deinen Weinberg abgelesen hast, so sollst du nicht nachlesen, es soll dem Fremden, der Weise und der Witwe zufallen, denn du sollst daran denken, dass du Sklave in Ägyptenland gewesen bist.
Darum gebiete ich dir, dass du solches tust. 5. Mose, 5, 14. Am siebten Tag ist der Sabbat Jahwes, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun und auch nicht dein Fremder, der in deiner Stadt lebt. 5. Mose, 14, 28 bis 29. Alle drei Jahre sollst du den ganzen zehnten vom Ertrag dieses Jahres abgeben und hinterlegen in deinem Wohnort. Dann soll kommen der Levit, der weder Anteil noch Erbe mit dir hat, und der Fremde und die Weise und die Witwe in deiner Stadt leben und sollen essen und sich sättigen, auf dass dir Jahwe, dein Gott, dich segne in allen Werken deiner Hand, die du tust.
Der Inhalt nach 5. Mose, 16, 11 und 14 ist, die Fremden können an allen Jahresfesten teilnehmen. 5. Mose, 27, 19. Verflucht sei, wer das Recht des Fremden, der Weise und der Witwe beugt, und alles Volk soll sagen Amen. 5. Mose, 23, 8. Den Ägypter sollst du nicht verabscheuen, denn du bist Ausländer in seinem Land gewesen. Eigentümliche, verblüffende Folgen der Exodus-Erfahrung im verbindlichen staatlichen Recht. Solche Texte suchen ihresgleichen. Dann die nächste Rechtsammlung, das Heiligkeitsgesetz, 3. Mose, 17 bis 26, im Exil entstanden, hat noch eine weitere Fremdenbestimmung.
Nach dem Deuteronomium waren Fremde jetzt schon, wenn man Gottes Willen ernst nimmt, ganz gut geschützt. Es heißt ja ausdrücklich, Gott liebt die Fremden. Also Gott liebt nicht nur die Israeliten. Und er gibt ihnen Brot und so weiter, ist natürlich gemeint durch die Israeliten. Und das Glück, das du hast, dass du Land besitzt jetzt in Israel, das verdankst du der Liebe Gottes zu den Fremden. Denn du warst ja selber ein Ausländer. Und Gott hat dich in Liebe da herausgeholt und jetzt bist du Grundeigentümer. Aber wenn du von dieser Liebe leben willst, dann kannst du nicht Fremde benachteiligen oder bedrängen. Denn du lebst selber von der Liebe Gottes zum Fremden und zum Ausländer. Also das Deuteronomium hat hier ein dichtes Netz an Schutz. Natürlich kann man das nicht polizeilich durchdrücken.
Die Autorität der Thora kann man nur freiwillig im Gewissen als verbindlich für sich nehmen. Und das geht auch in Israel nicht, dass 100.000 Leute jetzt alle den Gottes Willen tun. Nein, die Exodus-Konsequenzen kann nur jeder Mensch für sich in seinem Gewissen vollziehen. Das geht deswegen nicht massenhaft, auch nicht in Israel. Aber diejenigen, denen der Wille Gottes wirklich sehr am Herzen lag, bei denen hatte es schon Folgen. Also jetzt kommt noch eine Bestimmung in dem noch jüngeren Heiligkeitsgesetz, das im Exil im 6. Jahrhundert entstanden ist. 3. Mose 19, 33-34. Und wenn ein Fremder bei dir wohnt in eurem Land, sollt ihr ihn nicht bedrücken. Wie ein Einheimischer von euch soll der Fremde gelten, der bei euch wohnt.
Und du sollst ihn lieben wie dich selbst, denn ihr wart Fremde im Land Ägypten. Ich bin Jahwe, euer Gott. Wenden wir uns noch den prophetischen Schriften zu. Es ist sehr wichtig, wenn wir tiefer in die Bibel, in ihre Entstehung eindringen wollen. Die prophetischen Worte sind oft älter wie die Rechtstexte. Amos, Hosea, Micha und Jesaja hatten kein schriftliches Recht, auf das sie zurückgreifen konnten. Aber ihre Sozialkritik, ihre Machtkritik, ihre Herrschaftskritik, ihre Königskritik und ihre Solidarität mit den Kleinbauern, die hat zu diesen Rechtstexten geführt. Nachdem die Priesterschaft gelernt hatte, dass diese Staatskritiker und Elitenkritiker, diese Propheten wirklich Männer Gottes waren.
Dann haben sie die juristischen Konsequenzen aus diesen kritischen Worten der Propheten gezogen. Jetzt kommen einige Worte von Jeremiah, Hesekiel, Sacharia und Maljachi. Das sind späte Propheten, die stammen in der Zeit, wo auch diese Rechtstexte entstanden sind. Das zeitliche Verhältnis ist hier fast gleichzeitig. Wichtig ist, dass diese Worte des Jeremiah und des Hesekiel Warnungen sind an die Machteliten in Jerusalem. Es sind Warnrufe an die Machteliten. Jeremiah 7, 6 bis 7. Wenn ihr die Fremden, die Weisen und Witwen nicht unterdrückt, unschuldiges Blut an diesem Ort nicht vergießt und nicht anderen Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden, dann will ich bei euch wohnen hier an diesem Ort.
Jeremiah 27, 3. So spricht der Herr, sorgt für Recht und Gerechtigkeit und rettet den Ausgeplünderten aus der Hand des Gewalttäters. Fremde, Weisen und Witwen, bedrängt und misshandelt nicht, vergießt kein unschuldiges Blut an diesem Ort. Hesekiel 22, 7. In dir Jerusalem verachtet man Vater und Mutter, in deiner Mitte beutet man die Fremden aus, in dir unterdrückt man Weisen und Witwen. Hesekiel 22, 9. Die Bürger des Landes erpressen und rauben, sie beuten die Schwachen und Armen aus und erpressen die Fremden gegen jedes Recht. Hesekiel 27, 21 bis 23.
Dieses Land sollt ihr unter die Stämme Israels aufteilen. Ihr sollt es als Erbbesitz unter euch und unter die Fremden verlosen, die bei euch leben und die bei euch Söhne und Töchter gezeugt haben. Sie sollen für euch wie einheimische Israeliten sein und sollen sich mit euch zusammen ihren Erbbesitz mitten unter den Stämmen Israels auslosen. In dem Stamm, bei dem der Fremde lebt, sollt ihr ihm seine Erbbesitzer zuteilen. Spruch Gottes des Herrn. Sachaya 7, 9. So spricht der Herr der Heere. Haltet gerechtes Gericht. Jeder zeige seinem Bruder gegenüber Güte und Erbarmen. Unterdrückt nicht die Witwen und Weisen, die Fremden und Armen und plant in eurem Herzen nichts Böses gegeneinander.
Malachi 3, 5 bis 7. Ich komme herbei, um euch zu richten. Schon bald komme ich und trete als Zeuge auf gegen Zauberer und Ehebrecher, gegen die Mein-Eidigen und gegen alle, welche die Tagelöhner, Witwen und Weisen ausbeuten, den Fremden im Land ihr Recht verweigern und mich nicht fürchten. Kehrt um zu mir, dann kehre ich mich euch zu, spricht der Herr Zebaut. Interessant ist vor allem diese Hesekiestelle, wo es um die Verlosung des Landes geht als Erbbesitz. Das ist eine Zukunftsvision. Selbst in diese Verlosung des Landes werden diejenigen Fremden mit integriert, die in Israel schon Kinder haben.
Also ab der zweiten Generation ist die Integration juristisch eigentlich erfolgt. Das zeigt sich am Kernproblem von Landbesitz. Jetzt möchte ich noch, dass ihr einen Text von Jesaja 56 hört. Der ist auch ganz erstaunlich. Ich muss kurz sagen, was die Verschnittenen sind. Es gibt in der Antike einige Gruppen, die völlig chancenlos sind, zum Beispiel die Vaterlosen. Das sind die Bastard-Geburten. Die wissen nicht, wer eigentlich mein leiblicher Vater ist. Das weiß man nicht. Die haben überhaupt keine Chance. Das sind Bastarde. Und das heißt mal im Alten Testament, Gott ist ein Vater der Vaterlosen. Und dann neben den Vaterlosen gibt es die Verschnittenen. Nicht die Beschnittenen, sondern die Verschnittenen. Das sind die, die ihr eigene Genitalien verschnitten haben. Manchmal waren das Eunuchen in irgendwelchen königlichen Gemächern, dass die ja nichts mit den Prinzessinnen machen.
Und dann gibt es auch Leute, die aus irgendwelchen anderen schrägen, sektiererischen Gründen sich selber verschnitten haben, unfruchtbar gemacht haben. Das sind immer Männer gemeint. Und das ist für Israel so das Abscheulichste. Das heißt auch, seid fruchtbar und mehret euch. Und jetzt verschneiden die sich selber. Also das war religiös das Schlechteste und Abscheulichste, was man so bei einem anständigen Israeliten, das ist ein Verschnittener, schlimm. Jetzt in diesem Text von Jesaja 56, den Jesus einmal aufgreift bei seiner Tempelkritik. Denn es gibt einen einzigen Text in der jüdischen Bibel über den Tempel in Jerusalem, einen einzigen, den hat Jesus herausgegriffen. Und in dem Text heißt es für die Zukunft Mein Haus soll ein Gebetshaus für alle Völker sein.
Also hört euch mal diesen prophetischen Text an. Frucht des Exodus. Jesaja 56 1 bis 8 So spricht der Herr. Wart das Recht und sorgt für Gerechtigkeit, denn bald kommt von mir das Heil. Meine Gerechtigkeit wird sich bald offenbaren. Der fremde Mann, der so handelt, wohl dem Menschen, der daran festhält, den Sabba zu halten und nie zu entweihen und seine Hand vor jeder bösen Tat zu bewahren. Der Fremde, der sich dem Herrn angeschlossen hat, soll nicht sagen, sicher wird mich der Herr mich aus sicher wird der Herr mich ausschließen aus seinem Volk. Der Verschnittenen soll nicht sagen, ich bin nur ein Dürrer Baum.
So spricht der Herr den Verschnittenen, der mein Sabba hält, der gerne tut, was mir gefällt und an meinem Bund festhält. Ihnen allen errichte ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal. Ich gebe ihnen einen Namen, der mehr wert ist als Söhne und Töchter. Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, der niemals ausgetilgt wird. Die Fremden, die sich dem Herrn angeschlossen haben, die ihm dienen und seinen Namen lieben, um seine Knechte zu sein. Alle, die den Sabba halten und ihn nicht entweihen, die meinen Bund halten, bringe ich zu meinem heiligen Berg und erfülle sie in meinem Beethaus mit Freude. Grundopfer und Schlachtopfer finden Gefallen auf meinem Altar, denn mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker sein. Spruch Gottes des Herrn, der die verstoßenen Israeliten sammelt.
Noch mehr, als ich schon vor ihnen gesammelt habe, will ich dort sammeln. So, ich nähe mich dem Ende des Vortrags. Aber zwei Aspekte sind noch ganz wichtig. Der erste Grund, wenn man in die Fremde geht, seine Heimat verlässt, weil die Heimat eine größere Gefahr ist und die Fremde zum Schutz wird. Einer dieser brisanten Fälle, den ich morgen auch aufgreifen will, aber gehört auch schon in diesem Zusammenhang, sind fliehende Sklaven. Es gab in der Antike tausende von fliehenden Sklaven und es gab internationale Verträge zwischen allen Sklavenbesitzerstaaten. Fliehende Sklaven müssen sofort wieder ausgeliefert werden und ihren Herren zurückgegeben werden. Israel ist das einzige Land, das eine Bestimmung für geflohene Sklaven hat.
Vorausgesetzt ist, dass diese Sklaven keinen Mord begangen haben. Das ist im Kontext vorausgesetzt, dass sie also ihre Besitzer nicht ermordet haben. Fliehende Sklaven darf man in Israel nicht mehr ausliefern. Man fragt auch fliehende Sklaven nicht, warum sie geflohen sind. Fliehende Sklaven haben in Israel einen sicheren Zufluchtsort, auch wenn es zu diplomatischen Verwicklungen mit den Nachbarstaaten gibt. Man darf fliehende Sklaven aus Israel nicht mehr hergeben. Einmaliger Satz in der Weltgeschichte der Antike. Jesaja 16, 3-4 Mach einen Plan, triff eine Entscheidung. Versteck die Verjagten, verrate die Flüchtlinge nicht. Lass die Flüchtlinge Moabs bei dir verweilen, verstecke sie bei dir vor ihrem Verfolger.
5. Buch Mose 23, 16-17 Du sollst einen fremden Sklaven, der vor seinem Herrn bei dir Schutz sucht, seinem Herrn nicht ausliefern. Bei dir soll er wohnen dürfen, in deiner Mitte, in einem Ort, den er sich in einem deiner Stadtbereiche auserwählt, wo es ihm gefällt. Du sollst ihn nicht ausbeuten. Ein letzter Satz für Totschläger, und zwar Totschläger, die Israeliten sind oder Ausländer sind, hat Israel eine einzigartige Idee entwickelt. Weil die Totschläger, das sind also Menschen, die jemanden totgeschlagen haben, ohne Vorsatz. Also Unterschied zwischen Mord und Totschlag besteht ja darin, der Mord wird geplant, er hat ein Motiv. Totschlag ist im Effekt ungeplant, aber es kommt dazu.
Totschläger in der Antike werden alle durch Blutrache genauso gejagt wie Mörder. Also Totschläger werden bis ans Ende der Welt durch die Bluträcher gejagt. Für Totschläger hat Israel sechs Asylstädte geschaffen, in die sie fliehen können, und dort sind sie geschützt. Ob es Israeliten sind oder ausländische Totschläger, sie dürfen in diese sechs Asylstädte fliehen. Einzigartig in der Antike. Viertes Buch Mose 3515. Den Israeliten und auch den Fremden und den Heilbürgern bei euch sollen diese sechs Städte als Asyl zur Verfügung stehen. Dort kann jeder fliehen, der ohne Vorsatz einen Menschen erschlagen hat.
Wenn ihr diese verblüffenden, erstaunlichen Sätze hört, die ihresgleichen suchen, ist es schon tragisch, wenn die Christenheit jahrhundertelang üblicherweise erklärt hat, die Juden mit ihren Gesetzen, wir sind ja nicht gesetzlich, wir haben das Evangelium. Viel blöder geht es nicht mehr. Was für Kostbarkeiten haben die Christen in ihrer Verblendung, in ihrer antijüdischen Vorurteilsprägung hier einfach jahrhundertelang übersehen? Wenn man da den Spruch hört, was 2000 Jahre lang richtig ist, kann doch heute nicht falsch sein. Doch, kann. Ich möchte den tiefsten Grund der Fremdheitserfahrung und des Fremdseins am Schluss kurz ansprechen. An einer Stelle hieß es, ich bin ein furchtbarer Gott. Das ist sinngemäß durchaus zu übersetzen.
Ich bin ein fremdartiger Gott. Ich passe nicht in eure Prägung, in eure Moral, in euren Horizont. Ich richte mich nicht nach euch und nach euren politischen, wirtschaftlichen Interessen. So gesehen bin ich ein furchtbarer Gott für euch, weil ihr könnt mich nicht in eure Konzepte kriegen. Ich bin ein völlig fremder Gott. Jesus war ein Fremder. Die Bergpredigt ist fremd. Und deswegen sind auch die Nachfolger, wir sind Fremdlinge in dieser Welt. Der tiefste Grund des Fremdseins und dass man das Fremdsein als eine enorme Möglichkeit erkennen kann, ist, wir reden als Juden und Christen von einem fremden Gott. Und dieser fremde Gott hat uns in Beschlag genommen. So werden wir selber zu Fremdlingen. Und wir können zu Fremden nicht so sein, wie es oft leider üblich ist.
Die tiefste Fremdheit ist die Fremdheit Gottes. Und wer von dieser Fremdheit spürt, dass sie eine Kostbarkeit ist. Gott sei Dank ist Gott uns fremd. Es kann uns nichts Besseres passieren als Gott. Und dieser fremde Gott wird eine Erfahrung des Fremdseins in uns wachrufen, so dass wir ganz andere Assoziationen kriegen gegenüber Fremden. Wir glauben an den fremden Gott. Gott sei Dank.
Die israelitische Sozialgesetzgebung – Das israelitische Fremden- und Asylrecht | 7.9.1
Ausländer, Asylsuchende, Einwanderer – der Fremde im eigenen Land hatte es in kaum einer Epoche und Kultur besonders leicht. Und im Moment wird es für Fremde eher noch schwerer, selbst in unserer aufgeklärten Gesellschaft. Eine Ausnahme in der Geschichte sind die Israeliten. Sie waren (und sind) selbst immer wieder Fremde gewesen, ob als Zwangsarbeiter in Ägypten, als Verschleppte in Babylon oder als Flüchtlinge in der Diaspora in den zwei Jahrtausenden seit der Zerstörung des zweiten Tempels durch die Römer. Der Name »Hebräer« stammt sogar von der altägyptischen Bezeichnung für »heimatlose und nutzlose Fremde«. Und dann spricht Gott im brennenden Dornbusch zu Mose und gibt damit den Startschuss zum Aufstand gegen die Ägypter, zur Flucht ins Gelobte Land und für die Gründung einer Alternativgesellschaft ohne Regierung, in der das Recht des Fremden in den Geboten festgelegt wird. Und so passiert etwas Außergewöhnliches: Als einziges Volk im Alten Orient haben die Israeliten ein eigenes Recht alle Ausländer geschaffen, das Migranten, Flüchtlinge und Schutzsuchende in ein neues Licht rückt.