Das Entscheidende an der Bibel ist ihr Inhalt. Entscheidend ist also nicht der Aufbau, die Entstehung, die Verfasserfrage, die Textsorten und die sprachlichen Merkmale und so weiter. Alle diese Aspekte sind sehr wichtig, aber sie sind nicht entscheidend. Entscheidend ist ganz allein der Inhalt. Natürlich sind solche Fragen wie Aufbau, Entstehung, Verfasserfrage, Textsorten, sprachliche, stilistische Merkmale wichtig, aber sie sind wichtig im Dienst am Inhalt,
um den Inhalt angemessener verstehen und würdigen zu können. Deswegen sind sie wichtig. Also man kann zwischen dem Inhalt einerseits und dem Aufbau, der Entstehung, der Verfasserfrage, den Textsorten und den sprachlichen Merkmalen kann man nicht einfach trennen. Das hängt zusammen. Form und Inhalt hängen eng zusammen. Trotzdem entscheidend ist ganz allein der Inhalt. Unabhängig vom Inhalt, isoliert vom Inhalt, wäre die Frage des Aufbaus, der Entstehung, der Verfasserfrage, die Textsorten und die sprachlichen Eigentümlichkeiten relativ unwichtig. Sie würden sehr rasch an Bedeutung verlieren. Wäre der Inhalt der Bibel unwichtig, wäre er
langweilig, wäre er unglaubwürdig. Dann könnten Aufbau, Entstehung, Verfasserfrage, Textsorten und sprachliche Eigentümlichkeiten auch nicht mehr viel retten. Also oder noch deutlicher gesagt, ohne den Inhalt der Bibel gäbe es die Bibel gar nicht. Denn die Bibel als Buch ist eine Folge ihres Inhalts. Ich will dazu mal ein wichtiges Beispiel nennen. Im Alten Orient und im Mittelmeergebiet gab es überhaupt gar keine heiligen Schriften in der Zeit vor dem Judentum. Gab es überhaupt nicht. Der Gedanke war völlig unbekannt. Die Sumerer, die Assyrer, die Babylonier, die Hethiter, die Ägypter,
die Griechen und die Römer haben keine heilige Schrift. Der Gedanke ist ihnen völlig fremd. Erst die Juden kamen auf die Idee, einen Kanon zu entwickeln. Mit Kanon meint man die Sammlung einer ganzen Reihe von Schriften. Es sind insgesamt 39 Schriften, die im Laufe von ungefähr 1000 Jahren geschrieben wurden. 39 Schriften im Laufe von 1000 Jahren. Also seit Kaiser Barbarossa bis zu uns. So ungefähr ist die Zeitspanne. Und auf die Idee ist bis dorthin im Orient und im Mittelmeergebiet niemand gekommen. Also was ist der Grund, dass überhaupt eine Bibel entsteht? Diese Frage ist entscheidend. Naturreligionen oder auch Fruchtbarkeitsreligionen oder staatspolitische Religionen benötigen gar
keine heilige Schrift. Denn der Inhalt dieser Religionen ist zum Beispiel die Schönheit des Kosmos, die Regelmäßigkeit und Stabilität und die Weisheit des Kosmos und der Natur und die Herrlichkeit des Regens und der Fruchtbarkeit. Aber das ereignet sich jedes Jahr aufs Neue. Da braucht man wirklich keine heilige Schrift. Auch die Macht eines Staates, die Macht der Ägypter oder die Macht des Imperium Romanum kennt ja jeder. Die spürt ja auch jeder. Entweder positiv, wenn er davon profitiert oder er spürt sie im eigenen Leib, wenn er sich unangenehm macht. Also um die Macht eines Großreiches ehrfürchtig
wahrzunehmen braucht man keine heilige Schrift. Wann braucht man eine heilige Schrift? Ja, das liegt am Inhalt der Religionen. Nur Geschichtsreligionen, bei denen sich Gott vor allem, nicht nur, aber vor allem in der Geschichte zeigt und offenbart und sich meldet und Menschen begegnet, solche Geschichtsreligionen, das hat die Erfahrung gelehrt, benötigen früher oder später eine heilige Schrift. Also das Judentum ist eine Geschichtsreligion, eigentlich die erste Geschichtsreligion in der Welt. Eine echte Parallele gibt es nicht. Christentum baut auf dem Judentum auf, ist auch eine Geschichtsreligion und Islam baut auch, jetzt mal von jüdisch-christlicher
Warte aus gesehen, baut auch auf dem Judentum und Christentum auf, ist ja Jünger, ist auch eine Geschichtsreligion, hat auch eine heilige Schrift. Wobei die heilige Schrift der Juden ist ein Kanon, das sind 39 Schriften entstanden in 1000 Jahren. Das gibt es im Islam nicht, weil der Offenbarungsträger ist Mohammed, der Engel Gabriel teilt dem Propheten Mohammed mit und Mohammed schreibt in ungefähr 20 Jahren als einzige Person diese Inhalte auf. Also die Idee eines Kanons ist viel seltener als man denkt. Man liest in manchen religionswissenschaftlichen Büchern, ja heilige Schriften haben viele Religionen. Nein, einen Kanon in dem Sinn im Alten Orient und im Mittelmeergebiet haben als erste die Juden diese Idee entwickelt, weil in einer Geschichtsreligion ist es sehr
wichtig, dass man die Offenbarungen, in denen Gott sich meldet und an Menschen herantritt, nie wieder vergisst. Denn die ereignen sich nicht regelmäßig jedes Jahr aufs Neue und deswegen braucht man eine Erinnerungskultur, Gedenke, vergiss nicht. Und das wird erstmal lange Zeit oft mündlich überliefert und dann aber verschriftlicht, weil auf die Länge der Zeit ist die mündliche Überlieferung nicht stabil genug. Wenn man für viele Generationen authentisch das gleiche Material zugänglich machen will, dann braucht man eine schriftliche Überlieferung. Also der Grund liegt darin, dass das Judentum eine Geschichtsreligion ist. Die ersten Christen waren von der Idee der Juden einen Kanon zu entwickeln, so angetan, also die Idee hat sich
so bewährt, dass die ersten Christen genau das gleiche Verfahren angewandt haben als zweite, nämlich sie haben zunächst mal den jüdischen Kanon vollständig anerkannt und zusätzlich einen speziell christlichen Kanon, ebenfalls eine Sammlung von Schriften, 27 Schriften, dazugestellt. Also aber sie bleiben ganz in der Idee der Juden. Die christliche Bibel, der christliche Kanon hat dann also 66 Schriften, teils sehr umfangreiche, teils ganz kurze, die nur eine halbe Seite sind. Das nennt man in dem Fall auch Schrift. Nicht Bücher, es gibt noch gar keine Bücher, es sind Schriftrollen, einzelne Schriftrollen. Gut, also man kann auch so sagen, da das Judentum eine Geschichtsreligion ist, erzählt die jüdische Bibel Dinge, die sich ereignet haben.
Sie erzählt von Geschehnissen. Es heißt in der jüdischen Bibel, ich nenne das Alte Testament sehr bewusst jetzt mal oft, die jüdische Bibel, denn es ist ja die jüdische Bibel, die wir ergänzen durch 27 christliche Schriften. Also auf jeden Fall heißt es oft in der jüdischen Bibel, vayehi und es geschah. Und in der christlichen Bibel, die griechisch geschrieben ist, heißt es oft kai egeneto und es geschah. Es geht also um Ereignisse, um Geschehnisse. Nicht nur, es stehen in der Bibel nicht nur Geschehnisse und Ereignisse, aber fundamental sind diese Taten Gottes, wie sie auch genannt werden, die großen Taten Gottes. Von denen erzählt die Bibel und auf sie bezieht sich unser Glaube. Also das Entscheidende an der Bibel ist
ihr Inhalt und weil dieser Inhalt Geschehnisse und Ereignisse in erster Linie betrifft, deswegen müssen diese Geschehnisse und Ereignisse überliefert werden, erinnert werden, denn Gott hat sich schon vorgestellt in der Geschichte. Wir wissen bereits, wer Gott ist. Wir müssen das Rad der Geschichte nicht nochmal erfinden. In einer Geschichtsreligion, ich bleibe jetzt mal beim Judendom, ist das Entscheidende, Gott hat sich schon gemeldet. Er hat sich vorgestellt, er hat sich mitgeteilt, er hat einen Mitteilungswillen und diese Offenbarungen Gottes in der Geschichte sind maßgebend, sie sind grundlegend. Gott wird kein anderer werden und einen anderen gibt es nicht. Also deswegen zieht der Inhalt die Bibel nach sich. Das Entscheidende an der Bibel ist ihr Inhalt.
Ohne ihren Inhalt gäbe es überhaupt keine Bibel. Jetzt will ich heute Abend, das war also nur der Vorspann, jetzt geht es los. Jetzt will ich euch heute Abend, soweit man das kann, im freien Flug, in freier Rede, den Inhalt der Bibel mal in einem Zug euch vorstellen. Also was ist der Inhalt der Bibel, der entscheidende Inhalt? Machen wir mal eine Zeitreise in das zweite Jahrtausend vor Christus. Die Menschen hatten ein anderes Lebensgefühl wie wir, also wir reisen jetzt mal in den Alten Orient im zweiten Jahrtausend vor Christus. Der große Unterschied zu uns modernen Industriemenschen ist, dass diese Menschen sich viel länger im Freien aufgehalten haben wie wir, es sei denn wir sind
Landschaftsgärtner, ist ja wahrscheinlich einer unter uns, oder wir sind Landwirte oder Weinbauern oder was immer. Also Leute, die ganz stark in der Landwirtschaft und in der Forstwirtschaft tätig sind, da hat es sich nicht so gewandelt, aber trotzdem, die leben heute auch in einer Industriegesellschaft. Also auf jeden Fall, die Menschen waren viel öfters im Freien, das ist der entscheidende Unterschied. Alle Menschen im antiken Orient waren hundertmal öfters im Freien wie ihr. Sie übernachteten manchmal auch im Freien im Sommer, die Dächer waren ja flach und wenn man die Treppen versperrt hat oder so, schlief man auf den Dächern des Hauses, weil es im Haus zu warm war. Also deswegen hatten die Menschen einen anderen Kontakt zum Himmel, ich meine zum sichtbaren Himmel, zu Sky, nicht zu Heaven. Also weil sie so im Freien waren, hatten sie ständigen Augenkontakt zum Himmel.
Das ist der entscheidende Unterschied. Wir haben heute keinen ständigen Augenkontakt zum Himmel mehr. Wir sind umgeben von Dingen, die der Mensch hergestellt hat, Mikrofon, Pult, Raum, Embore, Fenster. Das fördert dann langsam den Atheismus, weil wir haben den besten Augenkontakt zu Dingen, die der Mensch hergestellt hat. Unser hauptsächlicher Augenkontakt ist nicht mehr der zum Himmel und das hat Millionen Folgen, die uns vollkommen unbewusst sind. Also die Menschen betrachteten jeden Tag zehnmal, hundertmal, tausendmal den Himmel und da entsteht folgendes Lebensgefühl. Ändert sich der Himmel, ändert sich der Lauf der Planeten, die Sonne, der Mond und die Planeten und die Sterne ist immer gleich und sehr zuverlässig. Die Sonne vergisst niemals
aufzugehen und sie geht immer im Osten auf und im Westen unter und so weiter und auch die Schönheit des Kosmos. Also das war ein ganz starker Eindruck von Kindesbeinen an und so entwickelte sich folgende Grundüberzeugung. Der schöne unabänderliche Himmel mit seinen Gestirnen und dem Lauf der Gestirne und den Rhythmen des Jahres, Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter hat sich bis heute nicht geändert. Wir haben auch noch Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter und auch morgen Mittag, Nachmittag, Abend. Das ist eine unabänderliche Ordnung und diese Ordnung ist schön. Da singen die Assyrer Hymnen an die Götter und die Ägypter, weil das ist ja eine wunderschöne, ewige, heilige Weltordnung. Das nennt man, ich sage einmal ein Fremdwort, man nennt das in der Religionswissenschaft
Ontokratie. Wir kennen Demokratie oder auch Aristokratie, aber es gibt auch eine Ontokratie und Ontokratie, ganz einfach gesagt, es ist wie es ist. So ist es, so wird es immer sein. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Also der Status quo ist ewig und heilig und schön, da kann man nichts machen. Jubilate, dass wir so eine ewige, schöne, heilige Weltordnung haben. Das haben die Götter so gemacht. Jetzt gehört zu dieser ewigen, heiligen Weltordnung, zu dieser Ontokratie, das Sein ist immer das Gleiche, zu dieser schönen Weltordnung gehört selbstverständlich die Sklaverei. In allen Hochkulturen der Welt, Inkas, Mayas, Azteken, Chinesen, Inder, Römer, Griechen, Ägypter, Assyrer,
Babylonier, Hettiter, Sumerer, alle. Es gibt keine einzige Ausnahme und ohne Sklaven, die Sklaverei gehört zur heiligen, ewigen Weltordnung, denn Kosmos, Natur, Staat und Gesellschaft sind eine heilige, ewige Ordnung. Und weil es Sklaven gibt, ist die Welt in Ordnung, denn zur Ordnung der Welt gehören Sklaven. Der größte Eigentümer der Sklaven war der Staat. Es gibt Palast-Sklaven und Tempelsklaven, in Ägypten viele, viele hunderttausend und dann gibt es auch noch Haus-Sklaven. Die Haus-Sklaven, die arbeiten im Haus, aber die Palast- und Tempelsklaven, die werden zu großen Arbeiten herangezogen. Selbst die großen Philosophen der Antike, Platon, kann sich ein Staat ohne Sklaven nicht vorstellen. Auch Spartakus, der einen großen Sklavenaufstand durchführen wollte, der dann aber
gescheitert ist, der wollte die anderen versklaven. Die Sklaven sollen herrschen und die Herren sollen versklavt werden. Also ein Staat ohne Sklaven konnte sich auch Spartakus nicht vorstellen. Platon beschreibt den idealen Staat in einer Utopia und dieser ideale Staat hat selbstverständlich Sklaven. Also eine ganz selbstverständlich geregelte, öffentlich geregelte Sklaverei, so selbstverständlich wie wir Beamte, Angestellte und Arbeiter haben. Da war keinerlei Unrechtsbewusstsein. Im Gegenteil, das gehörte zur ewigen guten göttlichen Weltordnung. Dann weidet auf dem Sinai ein Mann die Schafe seines Schwiegervaters und sieht einen brennenden Donbuss und er hört eine Stimme aus dem Busch. Und diese Stimme sagt etwas, was noch niemals eine Stimme in
der Welt gesagt hat. Noch nie. Wir haben bis heute in der historischen Forschung, in der religionswissenschaftlichen Forschung keine Parallele. Niemals ist eine Religion so entstanden. Nie. Die Stimme sagt, ich habe das Stöhnen der hebräischen Zwangsarbeiter, wir können auch sagen Sklaven, denn Sklaven, Zwangsarbeiter, Vornarbeiter, das geht ineinander über. Also die Stimme sagt, ich habe das Leiden der hebräischen Zwangsarbeiter gehört und ich habe ihr Elend gesehen. Ich kenne ihre Qual und deswegen bin ich jetzt gekommen, sie aus der Unterdrückung der Ägypter zu befreien. Ich sage euch, da dürft ihr euch mal wundern. Selbst wenn das eine Erfindung wäre, aber wer
wer erfindet sowas, aber selbst wenn das eine Erfindung wäre, wäre diese Erfindung das größte Wunder. Wie kommt ein Mensch darauf, sowas zu erfinden? Niemals in den ägyptischen Königsgräbern und Tempelwänden, wo ja sehr viele Hieroglyphen sind, niemals hat ein Ägyptologe einen Satz über ägyptische Sklaven entdeckt. Man fragt sich schon, was ist das für ein Ohr, das unter allen Geräuschen dieser Erde das Stöhnen von Sklaven heraushört. Wenn Pharao Kriegsgefangene gemacht hat, also die Ballast- und Tempelsklaven, das sind in der Regel Kriegsgefangene oder Deportierte. Die Haussklaven, das sind gekaufte Sklaven oder solche, die sich selber freiwillig verkauft haben, weil sie total
verschuldet waren. Oder sind hausgeborene Sklaven. Aber diese Sklaven im staatlichen Besitz, das sind Kriegsgefangene oder Deportierte, unheimlich wichtig billige Arbeitskräfte. Also diese Stimme aus dem Busch ist die Grundlage vom Inhalt der Bibel. Das ist die Ursprungssituation. Alle großen jüdische Feste erinnern an diese Ursprungssituation, an die Befreiung der hebräischen Zwangsarbeiter aus der Unterdrückung in Ägypten. Es gibt im Judentum keine Abrahamsfeste, aber es gibt das Pesachfest, es gibt das Laubhüttenfest, das erinnert auch an die Wüstenwanderung, das Sukkotfest und dann gibt es das Shavuotfest, das nennen wir Pfingsten, das Wochenfest, das erinnert an die Übergabe
der Gebote am Sinai. Das gehört auch zum Exodusgeschehen. Alle drei großen Wallfahrtsfeste konzentrieren sich auf das Exodusgeschehen. Der Gott der jüdischen Bibel heißt an mehreren Stellen der Gott von Ägypten her, der Gott der Hapiru, der Hebräer, der Zwangsarbeiter. Mose geht dann zu Pharao und sagt, der Gott der Zwangsarbeiter schickt mich. Dann sagt Pharao, kenn ich gar nicht, kenn ich gar nicht. Der Gott der Zwangsarbeiter ist ein völliges Unikum, hat es noch niemals gegeben. Gut, jetzt will ich von diesem Inhalt her sagen, was die Brisanz des Inhalts der Bibel ist. Diese Begegnung am brennenden Dornbusch ist staatskritisch und sie wird immer staatskritisch bleiben. Sie ist
herrschaftskritisch. Die Herrschaft von Menschen über Menschen ist das Grundproblem, wenn die Stimme aus dem Busch recht hat. Denn das war ja der Anlass. Es geht bei dieser Begegnung, bei dieser Offenbarung auf dem Sinai geht es gar nicht ums Jenseits. Und auch Himmel und Hölle spielen gar keine Rolle. Die spielen überhaupt keine Rolle. Es geht um die Herrschaft von Menschen über Menschen. Und auch das Ziel ist nicht das Jenseits, sondern ein neues Land. Diese Stimme hat kein Tröstungsmodell, sondern ein Befreiungsmodell. Das ist ein scharfer Unterschied. Die Stimme sagt nicht, ich habe eine Idee, wie man die Hebräer tröstet, dann halten sie länger durch. Nein, rausholen in ein neues Land, in dem Gerechtigkeit wohnt. Das ist also ein Befreiungsmodell, kein Vertröstungsmodell. Wir müssen uns auch überlegen,
was das für Folgen hatte. Diese erfolgreiche Sklavenflucht, das war ja nicht nur eine Sklavenflucht. Die Stimme aus dem Busch war nicht nur ein Fluchthelfer, sondern die hatte ein Ziel, eine Alternativgesellschaft oben am Bergland, im jüdischen samarischen Bergland. Da bauen wir eine Alternativgesellschaft auf, wie es eigentlich sein sollte. Also das war mehr wie Fluchthilfe. Dahinter ist eine Strategie. Und diese Stimme aus dem Donbussch duckt sich nicht vor der ewigen, sakralen Weltordnung. Die Stimme aus dem Busch hält überhaupt nichts von der ewigen, sakralen Weltordnung. Die Folgen im Laufe einer längeren Zeit, denn ihr müsst wissen, dieses Exodus-Motiv ist nicht von
heute auf morgen den Hebräern klar geworden, die später dann Israeliten heißen. Aber zu der Zeit gab es noch keine Israeliten. Israel entsteht dann erst in 200, 300 Jahren bei Saul und David. Da kann man dann sagen, ist Israel. Also auf jeden Fall, im Laufe vieler Jahrhunderte hat man immer wieder dieser Tat gedacht, Gedenke. Und man hat die Tat immer tiefer verstanden. Je länger die Tat her war, heute vermutet man, dass das Exodus-Geschehen zwischen 1230 und 1200 sich ereignet hat. In den letzten Jahren von Ramses II. oder bei seinem Nachfolger oder bei seinem Nach-Nachfolger. In dieser Zeit gibt es Gründe, aber es ist sehr schwer mit Sicherheit zu sagen. Aber es spricht alles dafür und nichts dagegen. Aber die Quellenlage ist sehr schwierig. Gut, also,
aber je länger der Abstand von diesem Exodus-Geschehen dauert, desto tiefer versteht dieses Exodus-Volk dieses Geschehen. Zu einer endgültigen klassischen Gestalt kommen diese Exodus-Erzählungen erst im babylonischen Exil, 700 Jahre später. Also die Bedeutung dieser Begegnung wird erst im Laufe der Jahrhunderte immer tiefer erkannt. Ja, Israel, wir sind ein Exodus-Volk und im Exodus-Geschehen, basiert unsere Identität. Unser Gott ist kein Steigbügelhalter der Pharaonen. Er steht nicht auf Seiten der Herren dieser Welt und ereiert auch nicht hin und her, sondern seine Funktion und seine Rolle im Exodus-Geschehen ist so was von klar. Er ist der Gott der Zwangsarbeiter und er ist eine
Gefahr für die Herren dieser Welt. Für die ist er unberechenbar und er hat seine Pfoten überall drin. Also Folgen im Laufe der Jahrhunderte ist, dass das ganze Recht ein Exodus-Recht wird. Das israelitische Recht hat viele Ähnlichkeiten mit dem altorientalischen Recht. Hunderte von Ähnlichkeiten muss man ernst nehmen, aber es hat auch ganz verblüffende Unterschiede. Zum Beispiel, das ganze Recht in Israel liegt nicht in der Hand der Könige wie überall sonst. Kodex Hammurabi, der König erlässt das Recht, er steht über dem Recht und gegen den König kann man sich auf kein Recht berufen. Nein, in Israel wird ein Königsgesetz entwickelt, das gibt es auf der ganzen Welt, nicht nochmal. Da steht nur drin, was der König nicht darf. Und da heißt es, du sollst dir eine
Abschrift machen von diesem Königgesetz und hänge es in deinem Schlafzimmer an die Wandstelle, wo du einschläfst. Dein letzter Blick bevor du einschläfst, liest du das nochmal durch und wenn du morgens aufwachst, dann ist dein erster Blick auf dieses Königsgesetz und da steht drin, du sollst nicht zu viele Frauen haben, du sollst nicht zu viel Luxus haben, du sollst keine große militärische Stärke erringen wollen, du sollst bescheiden bleiben, du bist ein Bruder deiner Brüder, erhebe dich nicht über deine Brüder. Königsgesetz im Exodusrecht, einmalig auf der Welt, da dürft ihr die Qualität der Bibel vermuten. Hier dürft ihr wirklich beeindruckt sein. Eiert nicht in irgendwelchen komischen anderen Dingen rum, das sind die Basics. Das Sklavenrecht wird
in der Thora, wir Christen sagen immer die gesetzlichen Juden, das ist alles gesetzlich, zweiter Buchmose, dritter Buchmose, vierte, fünfte, das sind alles so Gesetze, Pfeifendeckel, das ist kostbares Recht, Tagelöhnerrecht, Ausländerrecht, Asylrecht, Sklavenrecht und so weiter, Witwen- und Waisenrecht, was heißt denn da gesetzlich? Man versucht die Exoduserfahrung verbindlich auszuwerten in verbindlichem Recht, das ist die Thora. Das Rechtsniveau in der Thora, da kann die Bundesrepublik noch sehr viel lernen. Wieso sagen wir Christen, das sind die Gesetzesbücher, da kann man überhaupt nichts mehr lernen bei diesen Vorurteilen. Also schauen wir mal in der Thora das Sklavenrecht an. Es gibt in Israel noch Sklaven, jüdische Sklaven und kananaische,
also nicht jüdische Sklaven, aber die Sklaverei wird niemals wieder selbstverständlich. Sie ist ein echtes Problem, am besten gäbe sie gar nicht und jetzt gibt es sehr viele reformerische Rechtsbemühungen, um den Status der Sklaven anzuheben. Es gibt keinen Vergleich im gesamten Orient, in der gesamten Mittelmeerwelt. Das ist einzigartig. Da steht zum Beispiel drin, jeder Sklave, zunächst einmal israelitischer Sklave, muss nach sieben Jahren freigelassen werden. Also länger wie sechs Jahre kann ein Exodus-Nachkömmling kein Sklave sein, denn wir waren ja selber Sklaven in Ägypten. Wenn du den Sklaven freilässt, musst du ihm auch versorgen, eine Startbasis mitgeben, damit er sich eine neue Existenz aufbauen kann. Du darfst sklafische Ehepaare nicht trennen gegen ihren Willen. Wenn die Sklaven nicht freigelassen werden wollen,
dann darfst du sie auch nicht freilassen, denn manche wussten gar nicht wohin und wenn der Eigentümer ein sehr netter Kerl war und sie gut versorgte, dann konnte eine Sklavin oder ein Sklave auch sagen, nein ich will bei dir bleiben und dann durfte er sie nicht verjagen. Wenn es Kriegsgefangene, jetzt gehen wir mal zu den nicht jüdischen Sklaven, eine Sklavin, die Kriegsgefangene ist, mit ihr darfst du ein Jahr nicht schlafen, denn lass ihr Zeit für die Trauer. Wenn du mit ihr schläfst, musst du sie zur Nebenfrau nehmen und sie auch in allem versorgen. Ehepaare darfst du nicht trennen, auch keine Kananäischen. Wenn Sklaven aus dem Ausland zu dir fliehen, sollst du sie verbergen, ohne danach zu fragen, warum sie fliehen. Fliehende Sklaven darf Israel nicht mehr hergeben, ohne zu fragen warum, denn lieber diplomatische Verwicklungen,
aber geflohene Sklaven werden nicht ausgeliefert, obwohl im ganzen Orient hatte Verträgewahn mit schwersten Strafen, dass man geflohene Sklaven sofort wieder zurückgeben soll, woher sie gekommen sind. Gibt es in Israel nicht. Und so könnte ich weitermachen, du sollst dem Sklaven keine harte, erniedrigende Auflagen machen, denn er ist ein Bruder wie du. Der Schabbat, jeder siebte Tag Arbeitsruhe gilt auch dem Sklaven, der Sklavin und der Tochter der Sklavin, das ist die unterste von der untersten. Am Schabbat darfst du einem Sklaven kein Kommando geben, jeden siebten Tag, genauso wie die Oberschicht. Israel gab es ja am Anfang gar keine Oberschicht, die Exodusgruppe. Gut und jetzt noch ein paar andere Hinweise, dann eile ich weiter. Auch
das Schabbatrecht ist eine Folge der Exodus-Erfahrung. Jeder Mensch soll sechs Tage arbeiten, gleich viel arbeiten und gleich viel Freizeit. Denn ein Sklave hat nie Freizeit, den kannst du nachts holen, der muss dir immer zur Verfügung stehen. Aber in Israel, alle Menschen, auch der König arbeiten sechs Tage und alle Menschen, auch die Tochter der Sklavin, kriegt jeden siebten Tag genauso frei wie du. Ich darf euch sagen, das ist ein Prozess, der hier eingeleitet wurde, den es in der ganzen Welt nirgends gibt, in keiner Sklavenhalter-Gesellschaft. Es gibt noch andere Dinge, kurz erwähnt, das Recht in Israel ist also ein Gottesrecht, Gott gibt das Recht, der König steht unter dem Recht und nicht über dem Recht. Es gibt in Israel eine Königskritik,
da werde ich gleich drauf kommen, es gibt ein Fremdenrecht, ein Sozialrecht, ein Wirtschaftsrecht. In der Thora gibt es Wirtschaftsgesetze, da gibt es nicht einfach einen freien Markt und das heißt nicht einfach, die Kirche soll sich für die Kirche interessieren und sie soll sich aus der Wirtschaft raushalten. Also das macht die Stimme aus dem Busch schon gar nicht mit, denn es heißt an mehreren Stellen, du sollst keine Zinsen nehmen. Zinsen waren in der Antike was anderes wie heute, sind keine Produktivzinsen zum Gründen einer Firma, das ist ja sehr sinnvoll, sondern es ist Ausbeutung von Notleidenden. Die Zinsen waren grässlich hoch, zwischen 20 und 40 Prozent und sind nur gegeben worden, um die Not der Menschen auszuplündern. Das haben aber viele Leute gerne gemacht. Über das Zinssystem bis heute, auch die Weltwirtschaft und ihre ungerechte Verteilung, ist zu einem erheblichen Teil zinsbedingt. Wir kriegen ja viel mehr Zinsen von den
Entwicklungsländern, wie wir Entwicklungshilfe geben. Gut, soweit der Exodus. Der Exodus führt zu einer Exodus-Ethik, nämlich die Hauptfrage der Ethik ist jetzt für diese Exodus-Gruppe, handeln wir an anderen Menschen eher so, wie der Pharao an uns gehandelt hat oder handeln wir an anderen Menschen eher so, wie die Stimme aus dem Busch an uns gehandelt hat? An wem von beiden orientieren wir uns? Das ist die Kardinalfrage aller Ethik. Jetzt gibt es in Israel dann doch einen König. Man soll es nicht für möglich halten, denn sie haben ja eigentlich von den Pharaonen genug, ob die Monarchen, die autoritären Staatsführer Pharao heißen oder Cäsar oder Fürst
oder König, ist vollkommen egal. Es ist immer die gleiche Spitze, monarchische Spitze mit absolutistischer Vollmacht. Es gibt keine Gewaltentrennung. Der König oder der Diktator ist der Leiter der Regierung, der oberste Rechtsverwalter, der Chef des Militärs und der Chef der Religion. Das ist alles, er leitet die Tempel, er bezahlt die Priester, er bezahlt die Generäle, er bezahlt überhaupt. Also er hat alle Macht in seiner Hand. Und jetzt gibt es auch in Israel entsteht das Königtum, nachdem 100, 200 Jahre lang ein hoch interessantes Experiment im Samarischen und Judäischen Bergland war. Dorthin sind nämlich die Exodus-Gruppe gezogen, hat dort gesiedelt, gehotet nach dem heutigen archäologischen Stand der Universität Tel Aviv. Die ganze
Gegend ist Quadratkilometer und Quadratmeter für Quadratmeter archäologisch untersucht. Man kann sagen, ab 1200 werden in diesem Bergland ungefähr 60 Siedlungen gebaut, die kann man allen nachweisen. Und sie nimmt zu bis zum Jahr 1000 auf 100 Siedlungen. Diese Siedlungen sind offen, sie haben keine Mauer. Im westlichen Teil, im Handlage zum Mittelmeer, da wird vor allem Wein angebaut und Oliven und in der östlichen Gebieten vor allem Getreide und Viehzucht. Und es werden Terrassen angelegt und wie heißt man die Wasserbehälter, wo man Regenwasser sammelt? Wie? Zisternen. Ja, so seid ihr gut. Und sie haben Zisternen angelegt, weil es dazu wenig Quellen gab. Also 100 bis 200 Jahre lang war da ein hoch interessantes Siedlungsexperiment kein Staat. Es war eher
antistaatlich, denn der Staat kann niemals eine geistliche Größe sein. Also hier war ein Experiment am Laufen, das von höchster Interessantheit war. Aber es gab die Filister am Mittelmeergebiet, die waren den weit überlegen, die haben ein Berufsherr gehabt, die haben Metallmonopol gehabt, also die sind da hochgezogen und haben das Ganze dominiert und haben ständig die Ernte abgeräumt bei diesen Siedlungen. Haben mehr oder weniger die Ernte einfach geklaut. Und wenn die nicht untergehen wollten, mussten die sich jetzt wehren. Jetzt merkt man, man lebt in dieser Welt und nicht auf der Insel der Seligen und jetzt muss die Exodusgruppe, aus der dann Israel entsteht, muss Kompromisse schließen. Wir brauchen einen König, damit wir militärisch straff organisiert uns wehren können, sonst gehen wir kaputt. Also so entsteht ein Königtum. Jetzt ist interessant,
dass dieses Königtum, jetzt hat Israel einen König wie alle anderen Länder auch, denn alle Länder sind monarchisch verfasst, es geht in der Antike nicht anders. Also an dem Punkt werden sie jetzt irgendwie weltlich. Aber das Königtum wird immer kritisch beäugt, denn jetzt kommt der zweite große Inhaltspunkt, mit dem König entstehen die Propheten. Kaum gibt es, das ist kein Zufall, das ist ein ganz tiefer Sinn, Samuel und Saul und bei David dann Nathan und andere Propheten, mit dieser Machtkonzentration, dass jetzt wieder Fronarbeit, Salomo lässt durch Fronarbeit den Tempel bauen, da kommen wir gleich wieder nach Ägypten zurück. Samuel hat schon gesagt, Leute, wenn ihr Könige einführt, wartet ab, das wird ein Schritt nach dem anderen. Die orientieren sich dann bei internationalen anderen Königen, die werden ein großen Palast mit Infrastruktur, Ministerial, Hofhaltung, ihr werdet euch noch wundern. Also das ist kein, ihr solltet eigentlich,
ihr seid ein Exodus-Volk, ihr habt doch die Nase voll von den Pharaonen, wollt ihr euch jetzt wieder Pharaonen einführen? Aber in dieser außenpolitischen Zwangslage, sage ich mal abgekürzt, ging es möglicherweise nicht anders, denn man lebt in dieser Welt und in dieser Welt müssen wir Kompromisse schließen. Also aber jetzt entstehen die Propheten und im achten Jahrhundert, da will ich einen kleinen Einblick geben, entwickeln sich die Gesellschaften so weiter, auch im Nordreich, jetzt gibt es ja zwei Reiche, nach Salomo wird das Reich getrennt, ein Nordreich, das heißt Israel und ein Südreich, das heißt Judaa. Das Nordreich ist viel größer, wirtschaftlich stärker, international viel intensiver verflochten durch internationale Handelsstraßen, das heißt die gesellschaftliche ökonomische Entwicklung im Nordreich war ungefähr
50 Jahre dem Südreich voran. Das Südreich war kleiner, ärmer, hatte ein Königssystem, davidisches Königssystem, im Nordreich waren die Verhältnisse etwas anders und jetzt aber im achten Jahrhundert, so 750 rum, entwickelt sich ein neues Stadium in der Geschichte, nämlich es entwickelt sich in Israel eine breite Oberschicht, eine Schickeria, Großhandelskaufleute, Großgrundbesitzer, Generäle, Oberpriester, alle untereinander verwandt und verschwägert und der König Jehova der zweite unheimlich intelligente, erfolgreiche König, es wird immer wohlhabender, aber der Wohlstand kommt nur 10 Prozent oberen zugute, das Recht wird gebeugt, die Oberschicht in der Hauptstadt Samaria schert sich ein Dreck um die Unterschicht, sie leben ihr völlig eigenes Leben,
es gibt kein Allgemeinwohl mehr, Israel bricht auseinander und jetzt wird der Exodus noch stärker gefährdet, wie durch die Entstehung des Königtums, die Machtkonzentration im königlichen System, in seinen Ministerialien, in seinen Ratgebern widerspricht dem Exodus, aber jetzt die Hochentwicklung der Oberschicht, Luxus, da geht der Exodus kaputt und in dieser Zeit, das ist ein Meilenstein in der Geschichte Israels, entsteht die Schriftprophetie. Prophetie ist eigentlich immer mündlich, die Propheten arbeiten immer mündlich, aber Schriftprophetie heißt, jetzt wird die Prophetie so wichtig, dass die Worte der Propheten gesammelt werden in einer eigenen Schrift. Man hat herausgefunden in 100 Jahren Forschung, es gibt im ganzen Orient und darüber
hinaus kein einziges Volk in der Welt, dass es gibt Propheten auch in anderen Völkern, in Nachbarvölkern, aber nicht so stark wie in Israel und nicht so königskritisch, aber es gibt sie mit ganz wenig Quellen, aber nirgendwo gibt es eigene Schriften dieser Propheten, wo also Amos die Schrift, also eine Schriftrolle heißt Amos, er ist der erste und kurz danach Hosea. Jetzt will ich euch mal an einem Beispiel, eine Originalbegegnung, an einem Meilenstein der Religionsgeschichte mal kurz erläutern, nämlich Amos wird berufen als erster Prophet in der Welt, von dem es eine eigene Schrift geben wird. Das weiß Amos selber noch nicht, aber seine Schüler haben gemerkt, es ist dermaßen wichtig, das müssen wir sammeln und es sind fünf Visionen, es gibt in der Bibel
nie wieder fünf Visionen, das ist einmalig, so hat Gott diesen Amos geangelt. Jetzt Ines liest mal die erste Vision des Amos vor, steht in Amos 7, Kapitel 7. Das ließ mich mein Herr Jahwe schauen, siehe einer bildete einen Heuschreckenschwarm, als das Spätgras zu wachsen anfing und siehe das Spätgras kommt nach dem Königsmähen und es geschah, als sie das Grün auf der Erde ganz abgefressen hatten, da rief ich Herr Jahwe vergib doch, wie sollte Jakob bestehen, er ist ja so klein, da ließ es Jahwe sich geräuen, es soll nicht geschehen, sprach Jahwe. So Ines, jetzt noch mal von vorne, Tine, sorry, Tine jetzt noch mal von vorne Satz für Satz, also den ersten Satz, ich kommentiere
immer. Das ließ sich mein Herr Jahwe schauen. Gut, der Satz ist sehr aufschlussreich, Amos sagt nicht, ich habe eine Vision gehabt, sondern er sagt, das ließ mich mein Herr Jahwe schauen, also eine sehr bescheidene Ausdrucksweise. Gut, bleiben wir mal so nebeneinander stehen. Zweiter Satz. Siehe einer bildete einen Heuschreckenschwarm. Gut, das siehe ist immer Ausdruck der Überraschung, das ist die Überraschungsformel, siehe, auf gut Deutsch, jetzt müsst ihr gut aufpassen, es kommt was Unglaubliches. Er sieht jemand, eine schemenhafte Gestalt, die wird nicht näher beschrieben, letztlich ist Gott gemeint, aber es bleibt ganz zurückhaltend, da bildet einer, da formt einer das gleiche Wort wie
Adam, da formte Jahwe Adam vom Staub von der Erde. Dieses Wort für Formen steht hier. Also da formte einer einen Heuschreckenschwarm. Jetzt müsst ihr wissen, die syrische Wanderheuschrecke und andere Heuschrecken, das sind Heuschreckenschwärme mit 100, 200, 300 Millionen Heuschrecken. Ich könnte euch Bilder zeigen von Afghanistan, es geht bis heute so. Wenn so ein Schwarm in den Kreis Ludwigsburg kommt, ist in vier Tagen, in vier Tagen im Kreis Ludwigsburg nichts Grünes mehr zu finden. Das heißt, ein echter Heuschreckenschwarm, so aus der saudi-arabischen heißen Wüste, ist absolut lebensbedrohende Hungerkatastrophe vorprogrammiert, allerdings muss man sagen, Heuschrecken lassen sich nur auf dem Land nieder. In der Hauptstadt Samaria sehr viel Steinbauen, gepflasterte Wege.
Die Heuschreckenplage ist für die Oberschicht nicht sehr gefährlich, aber für die vielen Kleinbauern auf dem Land. Und jetzt, wie geht es weiter? Als das Spätgras zu wachsen anfing. Und siehe, das Spätgras kommt nach dem Königsmähen. Das war so, zweimal wurde geerntet, zweimal Getreideernte. Die erste Ernte, die besser war, hat der Jehova verstaatlicht, die wurde abgezwackt. Und die zweite Ernte, die sowieso nicht mehr so groß war, auf die die Kleinbauern dringend angewiesen waren, die wurde jetzt von dem Heuschreckenschwarm bedroht. Die erste Ernte war eh schon in den Vorratskammern der Oberschicht. Die haben eine Vorratswirtschaft. Und es geschah, als sie das Grün auf der Erde ganz abgefressen hatten, da rief ich, Herr, ja, vergib doch. Gut, so weit. Da rief ich, besser Hebräisch, da schrie ich. Also Amos wird überfallen von so einem Gesicht,
von so einer Vision. Das ist ja, der schreit, weil ihm sofort klar ist, das ist eine Katastrophe, absolute Hungersnot wird ausbrechen. Also da schrie ich, Jawe, vergib doch. Interessant, er hat sofort kapiert, das ist irgendwie eine Gerichtshandlung. Der Heuschreckenschwarm ist irgendwie eine Gerichtshandlung. Sonst bräuchte man nicht sagen, vergib doch. Wie sollte Jakob bestehen? Er ist ja zu klein. Jetzt kommt ein geheimnisvoller Satz. Wie soll Jakob bestehen? Der Staat im Nordreich heißt ja Israel. Es gibt ja den Jakob, der auch dann Israel heißt. Aber der Staat, dieser wohlhabende, international prosperierende Nordreichsstaat heißt Israel. Er sagt jetzt, wie soll Jakob bestehen? Hier kommt zum ersten Mal in der Prophetie das Wort Jakob. Das
zieht sich dann über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte durch. Jakob ist eine geistliche Größe. Jakob kann niemals ein Staat sein. Hier ist schon eine Unterscheidung zwischen Staat und einer anderen Form von Gemeinschaft. Jakob ist so klein, das dürfen Sie wörtlich nehmen, nicht körperlich klein, sondern klein an Macht. Das sind die Kleinbauern. Die können keine Vorräte haben. Jakob ist klein, der hat keinen Schutz, der hat keine Vorräte, der wird kaputt gehen. Also mit Jakob sind hier die Kleinbauern auf dem Land gemeint, die ja durch den Heuschreckenschwarm massiv bedroht sind. Da ließ es Jahwe sich geräuen. Es soll nicht geschehen, sprach Jahwe. Gut, also es ist interessant, die Fürbitte des Amos geschieht aus dem Erschrecken heraus. Was meint ihr, wie viel Fürbitte von euch geschieht aus dem Erschrecken? Das ist eine Fürbitte. Ja,
Amos ist vollkommen erschrocken und aus diesem Erschrecken heraus schreit er eine Fürbitte. Das ist eine Fürbitte. Und an was wendet sich Amos eigentlich mit? Jakob ist doch so klein, er hätte doch auch sagen können, wir bessern uns, ich werde eine Umkehrpredigt halten, Jakob meint es ja gut und der wird sich sicher bessern. Nein, sofort gleich, Jakob ist so klein. Das heißt, Amos weiß, ich wende mich an die Barmherzigkeit Gottes. Es heißt nicht, Jakob sind bessere Menschen wie die Oberschicht, denn es ist ja eine Gerichtsvision. Jahwe schickt Heuschrecken für die Kleinbauern. Die Kleinbauern sind Aussünder. Die Kleinbauern sind keine besseren Menschen wie die Schickeria in Samaria in der Hauptstadt, aber sie sind arm. Das ist der Unterschied. Sie haben keine
Vorräte. Sie sind keine besseren Menschen, aber es geht ihnen elend. Das ist ein Unterschied. Und den bringt Amos hier rein und da sagt er, der Exodus-Gott. Exodus kommt viel vor im Amos-Buch. Zwangsarbeiter waren auch klein, die Happiro-Leute. Also Amos ist sofort in der Exodus. Jakob ist doch so klein, er hat keine Vorräte. Und da ließ es Jahwe geheuen. Jetzt die zweite Vision läuft genau gleich. Ich erkläre nichts. Hier geht es um ein Steppenbrand. Die Steppe kann sich entzünden in der Hitze und dann werden sogar die Quellen und das Grundwasser zurückgehen. Das ist genauso absolut schlimm wie ein Heuschreckenschwarm. Und es läuft jetzt, es ist wieder auf dem Land, denn ein Steppenbrand kommt über die Stadtmauer von Samaria nicht drüber weg. Also lies mal die
zweite Vision einfach vor. Das ließ mich mein Herr Jahwe schauen. Siehe, der Herr Jahwe rief einen Feuerregen. Der fraß das Grundwasser und wollte das Ackerland fressen. Da rief ich, Herr... Schrie ich... Jahwe, lass doch ab. Wie sollte Jakob bestehen? Er ist ja so klein. Da ließ es Jahwe sich geräuen. Auch das soll nicht geschehen, sprach der Herr Jahwe. Gut, also die ersten beiden dieser fünf Visionen sind sehr parallel. Das ist ein Zwillingspaar. Mit zwei großen Katastrophen wird das Gleiche geschaut in dieser Vision, nämlich Gericht... Gerichtdrohungen an die Unterschicht. Aber Amos sagt, das sind arme Leute, an denen vergreifst du dich besser nicht. Und Jahwe sagt, gut, ich mache es nicht. Es wird nicht geschehen. Das ist eine Zusage. Das liebt ja Martin Luther, wenn Gott eine Zusage macht.
Er sagt nicht, oh, ich warte mal noch eine Weile, ich beobachte euch mal. Er sagt, gut, also gut, dann mache ich es nicht. Und jetzt allerdings kommt die dritte und vierte Vision und die fünfte, die gelten jetzt der Oberschicht. Jetzt ist ein völliger politischer gesellschaftlicher Wandel, ein ganz anderes Ambiente. Ihr dürft solche Visionen nicht unpolitisch, naiv, harmlos lesen. Da macht er die Bibel kaputt. Jetzt kommt die Vision drei. So ließ er mich schauen. Siehe, der Herr stand auf einer Mauer aus Zinn und in seiner Hand war Zinn. Und Jahwe sprach zu mir, was siehst du, Amos? Und ich sagte, Zinn. Und der Herr sprach, siehe, ich werfe Zinn mitten in meinem Volk Israel. Jetzt kommt Israel, nicht mehr Jakob. Ich gehe künftig nicht mehr schonend an ihm vorüber. Dann veröden die Höhen Isaachs und die Heiligtümer
Israels liegen in Trümmern. Und gegen das Haus Jerobeams erhebe ich mich mit dem Schwert. Gegen das Haus Jerobeams ist der König. Erhebe ich mich, mache ich einen Aufstand. Das ist eine Erhebung. Der König wird sagen, ja, die machen einen Aufstand. Ja, Jahwe selber macht einen Aufstand. Ich erhebe mich gegen das Königshaus Jerobeam. Also jetzt ist eine ganz andere Bilderwelt. Gott steht auf einer Mauer. Das ist kein Kleingärtner-Mäuerchen, so ein kleines Mäuerle. Das ist eine imposante Stadtmauer, so wie sie in der Samaria war, sechs, sieben, acht Meter hoch. Die Mauer ist die Ehre einer Stadt. Jetzt sind wir in der Stadt. Stadtmauer. Wer baut diese Stadtmauern? Ja, die Oberschichtsleute selber natürlich nicht. Und nachts wird die Stadtmauer zugemacht.
Und oben, da kannst du runtergucken, wer vor der Stadtmauer ist. Und da hast du einen Überblick. Eine Stadtmauer, da musst du richtig groß Geld in die Hand nehmen. Es gibt auf dem Land solche Mauer nicht. Das ist eine Mauer aus Zinn. Früher hat man übersetzt Blei und Bleilot. Aber die wissenschaftliche Forschung hat das herausgefunden. Das heißt nicht Blei. Könnt ihr euch alle... Das ist ja kein Bleilot, das ist alles daneben. Das heißt Zinn. Und wenn du Kupfer, zwei Drittel Kupfer und ein Drittel Zinn gibt, gibt es Brose. Und aus Brose waren die Waffen. Und deswegen ist Zinn damals, wie man herausgefunden hat, Inbegriff für militärische Macht und Stärke. Zinn heißt so viel wie Brose, weil durch Zinn wird Kupfer hart. Und es ist die Brosezeit noch. Aber es ändert sich... Es ist auch schon die beginnende Eisenzeit, aber diese Sprachregelung ist ganz noch aus der Brosezeit. Also Gott steht auf der Stadtmauer. Das heißt, er tritt gegen die Oberschicht an.
Er hat den Kampf auch schon gewonnen. Denn wenn die Angreifer auf der Stadtmauer stehen, da gibt es viele Bilder, dann ist der Kampf zu Ende. Die brauchen ja nur noch von der Stadtmauer runterhopfen ins Innere der Stadt. Also Jahwe steht als Feind auf der Stadtmauer. Es ist eine Stadtmauer aus Zinn. Das Wort Zinn kommt hier viermal vor, deswegen musste man herausfinden, was das bedeutet. Stadtmauer aus Zinn heißt militärisch hochimposante, befestigte Mauer. Also ein riesen Ding. Weil kein Kleinbauer... Da brauchen wir Ingenieure und viel Planung und so. Aber Jahwe steht oben, es gibt keine Fürbitte mehr. Und er sagt, ich werde mich erheben. Und jetzt kommt das Wort Israel. Danke, Tine, das hast du sehr gut gemacht. Ich will mit diesem kleinen Ausflug in eine Sternstunde der israelitischen Prophetie,
nämlich die fünf Visionen von Amos, ich brauche an der PH dazu drei Monate, um diese fünf Visionen wirklich zu erschließen, dass die Studierenden aufwachen. Also hier beim Beginn der Schriftprophetie wird ganz klar ein Unterschied gemacht. Sünder sind wir alle. Es drohte auch ein Heuschreckenschwarm und ein Steppenbrand und es hätten die Kleinbauern auch verdient. Weil das sind auch ganz schöne Lügner und neidisch und skrupulös und alles Mögliche. Die sind keine besseren Menschen. Aber es sind arme, elende Menschen, die sich nicht schützen können, die keine Vorräte haben. Also in diesen Visionen, mit denen die Schriftprophetie beginnt, wird eine Form von Gerechtigkeit zum ersten Mal.
Und dementsprechend nach diesen Visionen tritt dann auch Amos auf, Hosea auch, Micha auch und Jesaja auch. Also zum Inhalt der Bibel gehört nach dem Exodus, ich muss mich jetzt ein bisschen kürzen, zweitens die Propheten. Das ist auch der zweite Teil in der jüdischen Bibel. Der erste Teil ist die Thora, nicht gesetzlich, sondern Recht für Ausländer, Fremde, Schabbatrecht, Reformen im Sklavenrecht, das ist die Thora. Denn sie ist eine Exodus-Ethik. Und wenn jetzt die Könige kommen und die Oberschicht sich selbstständig macht und sich vom Allgemeinwohl abkoppelt, dann kommt ein neuer Schub in der Prophetie, dass die ersten Propheten genau mit der Entstehung des Königtums in der Weltgeschichte auftreten, in Israel, und der zweite noch viel tiefere Schub genau in der Phase
der gesellschaftlichen Entwicklung, wo die gesellschaftlichen Gegensätze immer krasser werden. Da tritt der zweite Schub der Prophetie auf. Jetzt eile ich zum Ende. Der dritte Teil in der jüdischen Bibel, das sind die Schriften, vor allem Hiob und die Psalmen, aber auch ein sehr erotisches Lied, das Hohelied der Liebe. Darf man nicht allegorisieren, das geht hier um Erotik. Da könnt ihr mal die Bibel ernst nehmen. Da dürft ihr sie mal wörtlich nehmen. Nicht ausweichen, in Jahwe, Lieb, und Christus, was steht da nichts von Christus da drin. Aber jetzt bleiben wir mal bei Psalmen und Hiob. In den Psalmen wird der Klage ein Raum geöffnet. Das Schönste ist das Lob Gottes. Die Psalmen zielen auf das Lob Gottes, aber das Lob darf die Klage nicht erdrücken.
Nur das Lob ist gesund. Sonst ist es eine Lobhudelei. Da wird es schon langsam irre im Kopf. Nur das Lob ist gesund, das nicht auf Kosten der Klage geht. Man kann nicht sagen, Klagen ist was für Anfänger und Loben ist was für Fortgeschrittene. Das ist ja ein völliger Unsinn. Nein, für die Leitenden ist die Klage die wichtigste Äußerungsform. Leitende dürfen und müssen klagen. Wir dürfen klagen. Und Hiob ist da ein besonders krasses Beispiel. Es gibt so ein Buch nicht im Orient, wo drei Freunde, die in der Mehrheit sind, die vertreten die Normaltheologie, aber Hiob lässt sich von den Freunden nicht beirren, nicht trösten. In Hiob 3 am Anfang, das ist Hiob A, der ertreckt dieses Leid. Das ist ein erstes Modell. Das gibt es bis heute.
Es wird immer wieder Menschen geben, die schwerstes Leid im Glauben verkraften. Ich erzähle gerne ein Beispiel, wie ein Unternehmer in Stuttgart Mitte 50 auf den OP-Tisch gelegt wurde und der Chefarzt sagte, sie dürfen jetzt den letzten Satz ihres Lebens sagen, denn sie haben Zungenkrebs, wir müssen ihre Zunge herausoperieren. Und dann öffnet dieser Unternehmer seinen stinkenden, verquollenen Mund und sagte laut im OP-Saal, gelobt sei Jesus Christus. Das war der letzte Satz. Er hat es dann überlebt. Aber das ist Hiob A. Gott hat es gegeben, Gott hat es genommen. Aber ich sage euch, das kann man sich nicht vornehmen. Das kann man sich nicht als zum Vorbild nehmen. Das sind wenige Zeugen, die Gott aussucht, wann und wo er will. Diese Zeugen wird es immer geben und im Weltgericht werden wir alle einmal diesen Zeugen begegnen, die mitten im tiefsten Leid Gott gelobt haben.
Ich habe selber eine jüdische Oma kennengelernt in Bremen, die mir gesagt hat, Siegfried, ich bin in Bergen-Belzen zum Glauben an Gott gekommen. Ich war vorher atheistischer Jüdin, aber im KZ bin ich zum Glauben gekommen. Was will man da sagen? Aber der viel häufige Fall ist Hiob B. Bei Hiob 3 heißt es, und Hiob verfluchte den Tag seiner Geburt. Und er klagt Gott an. Du Schuft, du charakterloser Kerl, heißt es im Hebräischen. Hast du nichts besseres zu tun als Schöpfer der Welt, als die Leidenden und Kranken immer wieder zu bi-sacken? Hast du keine anderen Beschäftigungen? Ich finde dich sehr charakterlos. So streitet Hiob mit Gott. Er lässt ihn nicht fallen, aber er sagt ihm, also gläubig kann man ihn wirklich nicht bezeichnen,
aber er gibt Gott auch nicht auf, aber er sagt ihm, er kotzt ihm alles entgegen, was ihm stinkt. Und am Ende von diesem faszinierenden, ehrlichen Buch heißt es, dass Gott sagte zu den Freunden, ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob. Und Hiob soll für euch Fürbitte leisten, dass ich euch nichts Schlimmeres tue. Das heißt, nach der Darstellung des Hiob-Buches hält der Exodus-Gott diese schimpfende, überforderte, anklagende Rede von Hiob für vollkommen berechtigt. Für vollkommen berechtigt. Das ist der Inhalt der Bibel. Und ich will schon noch einige Worte über Jesus sagen. Das sind also für mich die drei großen inhaltlichen Bereiche,
dass Exodus geschehen, das durch das Abrahams Geschehen unterstützt wird, aber Exodus ist grundlegend. In den Zehn Geboten sagt Gott, ich bin Jahwe, dein Gott, und jetzt stellt er sich vor, der dich aus Ägyptenland, dem Sklavenhaus, befreit hat. Der bin ich. Ich bin der Gott, der dich aus Ägypten herausgeholt hat. Den Gott möchte ich mal in der Welt der Götter sehen. Und Jesus aus Nazareth, ein Jude, getauft von Johannes dem Täufer, einem Propheten, der in die Wüste ging, weil er wusste, in der etablierten Religionswelt ist keine Erneuerung in Sicht. Und er führte einen ganz neuen Ritus ein, die Taufe. Deswegen heißt er ja der Täufer.
Es gibt tausende von religiösen Waschungen in Indien und in vielen Ländern, aber es hat niemals in der Welt, niemals, einen Waschungs- und Reinigungsritus gegeben, wo ein Mensch durch einen anderen Mann in einem Fluss ganz untergetaucht wurde und wieder hochgeholt wurde. Dieser Ritus ist vollkommen neu. Es ist, wie wenn man in diesem Ritus selber nichts tut, sondern etwas an sich tun lässt. Das ist ein eigenartiger Ritus. Und mit diesem Ritus hat Jesus aus Nazareth begonnen. Alles, was er nachher gemacht hat, ist eine Frucht der Taufe. Als Getaufter hat er die Bergpredigt gehalten. Als Getaufter hat er die Gleichnisse erzählt. Und als Getaufter ist er nach Jerusalem gegangen und gekreuzigt worden. Also das ist schon ein eigenartiger Beginn.
Jesus hat vom Reich Gottes gesprochen. Das Reich Gottes ist von vornherein wieder staatskritisch. Es ist ganz im Exodus. Staatskritisch. Römer, Reich, ja es gibt nur das Imperium Romanum. Was soll es denn sonst für ein Reich geben? Also Jesus rede vom Reich Gottes. Dieser Ausdruck ist nur im Judentum verständlich. Römer, Griechener und Ägypter, wenn man denen sagt, du das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen, die wissen gar nicht, was man meint. Also dieser Mann hat als erster Jude gesagt, das Reich Gottes, von dem die Propheten Israels gesprochen haben, beginnt jetzt mit mir. Das hat noch niemand gesagt. Und er hat gesagt, es beginnt dadurch, dass die Dämonen weichen. Wenn Jesus kommt, dann müssen diese Dämonen gehen. Das eigenartige am Auftreten Jesu ist, dass überall die Besessenen aus dem Dunkeln,
die lebten ja bei den Gräbern oder sonst wo, sie lebten im Schatten und im Dunkeln. Aber als Jesus auftrat, wurde er von allen Seiten von Besessenen angegangen. Die haben seine Nähe gesucht. Besessenheit meint in den Evangelien Menschen, die in ganz tiefen Zwängen leben, die ihr Leben selber nicht mehr in die Hand nehmen können, die entwürdigt werden, versklavt werden, die besetzt sind durch andere Kräfte und die keinen souveränen Willen mehr haben. Und diese besetzten, besessenen Menschen konnte Jesus zur Freiheit verhelfen. Und für ihn war das das Hauptzeichen, dass das Reich Gottes jetzt angefangen hat. Und er hat viel Zeit für Kranke gehabt. Er hat zu Johannes dem Täufer, von dem er sich hat taufen lassen. Der Johannes der Täufer hat am Schluss noch mal gefragt, bist du auf den wir warten?
Oder sollen wir vielleicht doch auf den anderen warten? Also Johannes der Täufer ist noch mal in schwere Anfechtung gekommen. Da sagt Jesus nicht, ich bin der, auf den du wartest, sondern er hat den Jüngern des Täufers gesagt, sagt euer Meister, was ihr seht. Blinde sehen, lahme gehen, Aussätzige werden rein und Armen wird das Evangelium gepredigt. Dieser Mann, der auch viele Gruppen seiner Zeit aufgewertet hat, er hat Akzente gesetzt bei den Armen, bei den Kindern, bei den Frauen, bei den Kranken und bei den Sündern. Diese Abwertungssysteme hat er durchbrochen. Er hat die wieder aufgewertet, die andere jahrhundertelang abgewertet haben. Der Mann ist nach Jerusalem gegangen, hat die größte Institution des Judentums, den Tempel, infrage gestellt,
weil er hat gesagt, der Tempel kann nicht so weitergehen, jetzt wo das Reich Gottes gekommen ist. Ihr könnt nicht einfach weiter in den Tempel gehen, als ob nichts passiert wäre, das geht nicht mehr, das Reich Gottes ist jetzt da. Und dadurch ändert sich auch der gesamte Tempel. Das hat ihm den Tod eingebracht, in jungen Jahren. Und dann die unglaubliche Auskunft, Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Obwohl es eine einzelne Auferweckung der Toten im Judentum gar nicht gibt, die Jünger konnten sich das schlecht einbilden, denn nach jüdischer Religion stehen alle Toten gleichzeitig auf am Ende der Welt, aber nicht ein Gekreuzigter vorneweg. Und es wird ja auch gar nicht geschildert, wie Jesus auferweckt worden ist. Es war ja niemand dabei. Keiner wagt es zu schildern.
Ich nähe mich jetzt gleich dem Ende. In einem großen Ausbildungsstätte fragte mal eine Frau in einem Gremium den Kandidaten, der sich um eine Dozentenstelle bemühte, glauben Sie an die Auferweckung Jesu, so wie es im Neuen Testament beschrieben wird? Da sagte der Kandidat, die Auferweckung Jesu wird doch gar nicht beschrieben. Das ist doch gerade der Clou. Sondern nur der Auferweckte hat sich gemeldet. Und letzter Gedanke, man kann natürlich fragen, haben die Jünger ein Strohhalm gebraucht? Haben sie das nicht verkraftet, das schlimme Ende ihres Idols? Brauchten sie eine Kompensation? Trösteten sie sich durch diese Vorstellung der Auferweckung? Aber wisst ihr, die geflohenen Jünger sind ein paar Wochen nach diesen Ereignissen von sich aus nach Jerusalem gegangen, vom Segen Nezareth nach Jerusalem, in den Ort der größten Gefahr, wo ja Jesus gekreuzigt wurde
und haben dort angefangen, öffentlich zu predigen. Das riecht gar nicht nach Kompensation und Tröstungsmodell. Das ist Angriff. Ich will an dieser Stelle schließen, das war ein Versuch, ich habe ihn so noch nie gemacht. Ich habe schon geahnt, dass ich ein bisschen stecken bleiben werde, weil es ein Riesenthema ist. Ich komme zurück zu meiner Ausgangsthese. Das Entscheidende an der Bibel ist ihr Inhalt. Ohne ihren Inhalt gäbe es die Bibel gar nicht. Die Bibel ist notwendig geworden, weil dieser Inhalt nie wieder in Vergessenheit geraten kann. Das Faszinierende und Entscheidende an der Bibel ist ihr Inhalt.
Die Bibel – Annäherung an ein Phänomen | 4.1.1
Siegfried Zimmer macht das Unmögliche möglich: Er bietet einen Abriss über die gesamte Geschichte der Bibel in 72 Minuten und hat dabei allerlei Überraschendes parat. Dass die Bibel das Moment der Befreiung ins Zentrum stellt, dass sich das Buch der Bücher nicht vor politischen Dimensionen scheut, dass die Heilige Schrift der Christen sich nicht vor der Weltordnung duckt, sich nicht auf die Seite der Starken, sondern auf die der Schwachen schlägt. Bei Zimmer entpuppt sich die Bibel als das, was sie wirklich ist: Die pure Revolution.