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Ich habe einen berühmten zentralen Bibeltext ausgewählt, den jüdische Menschen wohl als den wichtigsten oder einen der wichtigsten Bibeltexte überhaupt einstufen. Es ist die Berufung des Moose am brennenden Dornbusch. Ich konzentriere mich auf die ersten fünf Verse, eigentlich die Einleitungsverse. Erst wenn ich fertig bin, geht der Text richtig los und da habe ich auch in einem Worthausvortrag auch streifig auch den Text in der Fortsetzung und vielleicht werde ich mal Gelegenheit haben, die Fortsetzungsverse in einem eigenen Vortrag zu behandeln, weil es ist gut, wenn man diesen Text Millimeter für Millimeter erschließt. Ich würde es nicht schaffen,

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den ganzen Text jetzt in einem Vortrag zu interpretieren. Ich habe diesen Text, man kann sagen, selber übersetzt, aber was heißt das schon, es gibt ja zig Kommentare, wo ich nachlesen kann, aber ich wähle es für mich auch ab, so genau wie möglich, so sinngemäß wie möglich und so normales Deutsch wie möglich. Das sind so meine Kriterien und ich habe diesen Text gekürzt. Ich will mal ganz offen sagen, wie nach den Methoden der modernen Bibelwissenschaft kann man Texte ziemlich methodisch genau untersuchen. Die großen wichtigen Bibeltexte, an denen wurde oft jahrhundertelang gearbeitet, also auch dieser, einer der berühmtesten Texte, die Berufung des Mose, da wurde weiter gearbeitet und weiter gearbeitet und wenn man die Methoden der modernen Bibelwissenschaft jahrelang kennt und benutzt, das dauert aber fünf bis acht Jahre,

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schneller geht es nicht, kann man mit der Zeit erkennen, das sind spätere Zusätze und so weiter. Das sind nicht nur Behauptungen, da gibt es wirklich deutliche Signale, aber wie gesagt, das ist ein jahrelanger Lernprozess, kann man nicht geschwind lernen und ich habe also den Text so gekürzt, dass die wahrscheinlich ursprüngliche Gestalt, die erste Form dieses Textes, die Zusätze habe ich mal dann weggelassen, aber ich habe auch aus Predigtgründen oder zeitgründenden Text gekürzt, weil ich habe jetzt schon Mühe in der gekürzten Form dann fertigzuwerben, es war also auch dieser Grund und wenn ich schon kürze, habe ich es also nicht irgendwie zufällig gekürzt, sondern die ursprüngliche Fassung. Könnt ihr ruhig zu Hause dann mal nachlesen, was ich da weggelassen habe, aber die entscheidenden Dinge sind alle drin. Also ich sage euch mal diesen

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Bibeltext, 2. Mose 3, 1 bis 5. Mose hütete die Schafe seines Schwiegervaters Jethro. Eines Tages trieb er die Schafe über die Steppe hinaus in ein höher gelegenes Gelände. Da sah er einen Dornbusch, der nicht verbrannte. Mose dachte, ich will vom Weg abbiegen und mir diese merkwürdige Sache näher anschauen, warum der Dornbusch nicht verbrennt. Als er näher kam, sprach eine Stimme aus dem Dornbusch, Mose, Mose. Er antwortete, hier bin ich. Die Stimme sprach, komm nicht näher, ziehe deine Schuhe aus, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilig. Soweit diese Eingangspassage zu diesem

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Schlüsseltext der Bibel. Ich möchte zunächst mal ein paar Vorbemerkungen wieder machen, die das Verständnis und die Aufmerksamkeit von vornherein sensibilisieren. Der Text ist ein besonderer Text, ein Schlüsseltext, ein Schlüssel zur Bibel. So wird er auch im gesamten Judentum gesehen. Der Text ist deshalb besonders wichtig aus mehreren Gründen. Einmal, es ist die Berufung des Mose und Mose ist ja die Zentralgestalt. Es gibt ja die fünf Bücher Mose. Man kann auch sagen, die Berufung des Mose ist die Keimzelle der Geschichte Israels. Hier ging alles los. Zweitens, in diesem Text wird der Gottesname Jahwe bewusst eingeführt, weil es heißt in Vers 14, also ich erzähle mal, wie der

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Text weitergeht. Denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilig. Und dann sprach die Stimme, ich habe das Elend der hebräischen Zwangsarbeiter gesehen und ich habe das Stöhnen über ihre Aufseher gehört und ich kenne ihre Schmerzen. Das sind Sätze. Das ist die Qualität der Bibel. Ich kenne ihre Schmerzen von Zwangsarbeitern. Deshalb bin ich jetzt gekommen, um sie aus dem Gefängnis in Ägypten zu befreien und sie in ein neues, schönes Land zu führen, ein weites Land, in dem Milch und Honig fließt. Und dann sagt er zu Mose, ich sende dich zum Pharao und du sollst zu ihm gehen und ihm sagen, wir wollen in die Freiheit. Dann sagt Mose, wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen kann? Also dem plumpst gleich mal das Herz in die Hose. Da sagt aber Gott nicht, Hörner, nehme ich halt jemand anders. Wenn du nicht willst, ich habe auch andere Möglichkeiten, sondern Gott sagt, ich werde

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mit dir sein. Und dann geht also Mose zum Pharao und er ist noch die Unterhaltung mit Gott weiter. Jetzt sagt Mose, wenn mich aber die Hebräer fragen werden, was ist das für ein Gott, der dich schickt? Was soll ich dann denen sagen? Also Mose getraut sich nicht zu fragen, wer bist denn du? Getraut er sich nicht, sondern er getraut nur indirekt. Man merkt, wie der Mann auch erschrocken ist und er ist schon ein bisschen überfordert, sondern er sagt also so indirekt, wenn die mich fragen, wer du bist, was soll ich dann sagen? Das ist also eine sehr vorsichtige Form. Und dann antwortet die Stimme, du sollst ihnen sagen, ich bin Jahwe. Also da wird dieser Name, das ist die einzige Stelle. Es gibt eine Parallelstelle in 2. Mose 6. 2. Mose 3 und 6 sind so Parallelstellen. Das sind die beiden einzigen

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Stellen der Bibel, wo der Name Jahwe, der über 6.500 Mal in der Bibel vorkommt, über 6.500 Mal, aber nur hier wird er eingeführt. Also der Text ist deswegen so ein Schlüsseltext. Erstens, es handelt sich um die Berufung des Mose. Zweitens, nur hier wird der Gottesname Jahwe, der ja für die jüdische Bibel zentral ist, entscheidend ist, hier wird er bewusst eingeführt und zwar als eine Selbstvorstellung Gottes. Jahwe hat sich nicht ein Mensch ausgedacht, so stellt Gott sich selber vor. Das Dritte ist, es handelt sich um den längsten Dialog zwischen Gott und einem Menschen in der ganzen Bibel, weil das Gespräch geht noch weiter bis in 2. Mose 4, also zwei Kapitel lang. So was gibt es nie wieder, das längste Gespräch in der Bibel zwischen Gott und einem Menschen. Das macht

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diesen Text auch zu einem besonderen Text. Und dann kann man noch sagen, in diesem Text stecken Grundelemente der biblischen Gotteserfahrung. Also es ist ein Schlüsseltext. Jetzt ist noch wichtig, das ist aber nicht einfach ein Erlebnisbericht. Ihr dürft euch also nicht vorstellen, also Mose schreibt abends ins Tagebuch, was er erlebt hat. Der Text ist nicht einfach ein Erlebnisbericht, sondern er ist viel mehr. Er ist nicht weniger, er ist mehr. Alles Private, es gilt auch für andere Berufungserzählungen, das ist eine weit fortgeschrittene orientalische Erzähltechnik, die vor allem die hebräischen Weisheitsgelehrten und die Leute, die solche Texte geschrieben haben, das ist eine ganz hohe Erzählkunst, die wir heute kaum mehr beherrschen. Nämlich, es wird in diesem Text alles weggelassen, was nur von privatem Interesse wäre. Also Mose, der ja so eine

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berühmte Gestalt ist, da könnten wir ja sagen, der Text bringt mir ja eigentlich nichts, ich bin ja nicht Mose, ich kann mich ja nicht mit so einer Gestalt vergleichen. Nein, in der ursprünglichen Fassung, wie ich sie jetzt auch vorgelesen habe, da geht es noch gar nicht um einen berühmten Menschen. Mose war halt so ein Hirte, ein Schafhirtiger, wird dann mal später so berühmt, aber das spielt hier in dem Text noch überhaupt keine Rolle. Du könntest sagen, es könnte auch ich sein. Also es geht hier nicht um eine glorifizierte, riesen Gestalt, mit der ich mich niemals vergleichen könnte. Nein, nein, das ist einfach ein Mann in einem gewissen Alter, der hier Gott erfährt. Deswegen kann man den Text schon auch übersetzen oder überschreiben, wie ein Mensch Gott erfährt. So könntest auch du Gott erfahren. Denn in diesem Text haben die Menschen, die diesen Text entwickelt haben, nur das erwähnt aus dieser Gotteserfahrung von diesem

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Menschen, was für uns alle wichtig ist. Also dieser Text ist typisiert, es stehen nur Dinge drin, der Text ist von vornherein geschrieben im Blick auf künftige Generationen. Was an der Gotteserfahrung des Mose ist so verallgemeinerbar, so elementar, dass er für viele Generationen, viele tausend Menschen exemplarisch wichtige Dinge enthält. Also es ist kein privat abgezogener Erlebnistext, sondern es ist ein bewusst erzählerisch gestalteter, typisierter Text für uns alle. Der Text ist so erzählt, dass du in der Gotteserfahrung des Mose deine eigene Gotteserfahrung machen kannst. Warte mal ab. Also wie ein Mensch Gott erfährt. Aber so weit darf man dann auch wieder nicht gehen,

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dass man sagt, alles was hier drin ist, das ist so ein Rezept, das wird immer so ablaufen. Es gibt ja auch andere Berufungstexte, des Jesaja, des Jeremia, Abraham und so weiter. Die haben starke Ähnlichkeiten, aber Unterschiede. Also es ist hier kein Rezept vorgelegt, das so abläuft. Aber es sind markante, typische, sehr wichtige Grundelemente hier versammelt. Gut, jede orientalische Erzählung hat eine Einleitung. Eine Einleitung besteht aus einem, zwei, drei Sätzen, höchstens vier. Ich lese euch mal die Einleitung in dieser Erzählung. Mose hütete die Schafe seines Schwiegervaters Jethro. Eines Tages trieb er die Schafe über die Steppe hinaus auf ein höher gelegenes Gelände,

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das ist die Einleitung. Ich sage es euch nochmal, weil beim zweiten hört man irgendwie aufmerksamer wie beim ersten Mal. Mose weidete die Schafe seines Schwiegervaters Jethro. Eines Tages trieb er die Schafe über die Steppe hinaus auf ein höher gelegenes Gelände. Eine Einleitung zu solchen kürzeren Erzählungen haben immer folgende Aufgaben. Ort der Handlung, Zeit der Handlung, Hauptperson, dann die Situation der Hauptperson und damit schon das Thema, um das es geht und dann die Perspektive. Das sind immer die Hauptelemente einer Einleitung. Hier, also Hauptperson ist Mose und es wird aus der Perspektive von Mose erzählt. Er sieht den Donbussch, er hört eine Stimme. Also Mose ist hier die Erlebnisperson. Aus seiner Wahrnehmung und seiner Perspektive heraus wird

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alles erzählt und die Hauptperson wird vorgestellt über die Situation, in der sie sich befindet und damit wird auch die Thematik angerührt. Zeit wird hier als unwichtig, weiß man gar nicht, doch, Entschuldigung, nein, es war ein Fehler. Die Zeit wird hier sehr bewusst gewählt, das wird man auch sehen und Ort ist die Steppe. Also Zeit als Europäer merkt man gar nicht, dass hier eine Zeit angegeben wird, aber ihr werdet gleich sehen, für jeden Orientalien, vor allem für Beduinen, im Negev und im Sinaik ist völlig klar, um was es hier geht. Also jetzt wenden wir uns mal dieser Einleitung zu. Mose weidete die Schafe seines Schwiegervaters Jethro. Eines Tages trieb er die Schafe über die Steppe hinaus auf ein höher gelegenes Gelände. Die Zeit, die hier klar angegeben

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wird, ist, wann macht man das? Also im Orient ist es heute noch so im Negev, in der Winterzeit ist ja auch die Regenzeit. Im Orient hat man vor allem zwei Jahreszeiten, Winter und Sommer, Frühling und Herbst gibt es auch, aber viel kürzer wie bei uns. Also in der Winterzeit, die zugleich die Regenzeit ist, da sind die Schafe irgendwo untergebracht. Aber so im Mai, Anfang Mai schon hört der Regen völlig auf. Es gibt den Spätregen, im April kann es noch regnen, habe ich selber auch schon hin und wieder erlebt, kann in Jerusalem im April noch regnen. Aber im Mai regnet es keinen Tropfen bis ungefähr Mitte Oktober, seit Jahrtausenden keinen Tropfen. Das ist die Sommerzeit und deswegen so Anfang Mai treibt man dann die Schafe auf die Steppe, die ganz schön jetzt begrast ist,

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weil es war ja gerade die Winterzeit und der Spätregen. Also man treibt die Schafe hinaus und jetzt, wenn die mal so vier, sechs, acht Wochen da rumgegrast haben, dann ist abgegrast, dann muss man auch heute noch die Schafe in höhere Gelegenes Gelände führen, weil da gibt es noch Grün. Und das ist immer so Ende Juni, Anfang Juli in der Zeit. Also man kann sagen, Mai und Juni war der Moses schon draußen. Also der hütete nicht die Schafe einen Nachmittag oder drei Tage oder ein Wochenende. Es geht hier um einen beruflichen Alltag. Der hat schon hier zwei Monate lang seinen Beruf hat er hier gearbeitet, Schafe weiden. Und jetzt ist er an der Stelle, weiß jeder Beduine, Ende Juni, Anfang Juli, da muss man die Schafe in höheres Gelände treiben, dann fressen sie dort weiter. Also ist in dieser Einleitung, da sind drei wichtige Botschaften drin. Die erste Botschaft ist,

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es ereignet sich im beruflichen Alltag. Es ist hier ein Berufsalltag gemeint. Ihr dürft dieses Weiden nicht mit Hirten vergleichen, die Lohnarbeiter sind. Also es gibt ja auch die Hirten in der Bibel ja auch, die hüten die Schafe fremder Leute und kriegen dafür Geld. Ja, das ist ganz was anders. Der hütet ja die eigenen Schafe oder eben die vom Schwiegervater, also aus der eigenen Sippe. Das ist nicht in dem Sinn Hirte, wie wenn du die Schafe fremder Leute gegen Geld. Das sind Lohnarbeiter. Aber Moses ist ja hier kein Lohnarbeiter. Also er hütet die Schafe seines Schwiegervaters. Jetzt also, das ist beruflicher Alltag, weil das ist schon harte Arbeit, er ist schon zwei Monate beschäftigt. Damit stellt dieser Text sofort die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Alltag. Es gibt ja

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die Bielefelder Alltagsoziologie, die herausgearbeitet hat, wie wichtig der Alltag ist. Happy Weekend und dann mal Abenteuerurlaub, Feierabend. Aber der Mensch lebt im Alltag. Der Alltag ist wichtig. Der ist grundlegend für unser Leben. Die Alltagsrealität. Sigmund Freud sagt, Realitätsprinzip. Ist dein Glaube realitätstauglich? Welche Rolle in deinem geistlichen Leben spielt der Alltag? Ist die Religion Ventil aus dem Alltag, Flucht aus dem Alltag in Hinterhöfe, in Sonderwelten, in Nischen? Oder bist du lebens- tüchtig im Alltag? Oder ist die Religion für dich ein Fluchtmöglichkeit und ein Ventil? Ich habe vor ein paar Tagen mit einem sehr erfahrenen, talentierten jüngeren Mann geredet,

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der so prophetische Dienste auch im Ausland macht. Er hat so prophetische Talente und ist aber ein sehr realistischer Typ. Er hat mir selber vor ein paar Tagen gesagt, also Siggi, ich reise ja viel in so charismatischen Kreisen rum, also mir fällt sehr auf, dass immer wieder Leute auf einmal anfangen mit prophetischen Diensten, die sind arbeitslos. Also jetzt keine Diskriminierung von arbeitslos meine ich überhaupt nicht. Oder sie finden schwer Arbeit und sie sind irgendwie auch ein bisschen gescheitert und jetzt fangen sie an prophetisch zu reden. Da bin ich aber, sagt er, da bin ich, ich habe gesagt, Mensch, da bist du ja noch kritischer wie ich. Er sagt, also ihm fällt es auf, dass Leute, die oft im Berufsleben scheitern, die untüchtig sind, jetzt sich auf einmal auf der Ebene produzieren. Also das ist problematisch. Man muss schon damit rechnen, es gibt in der Religion viele verspulte

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Leute, schräge Vögel, zahllose. Also Jesus hat einfache Fischer berufen, aber keine Problemfälle. Das waren tüchtige Leute, die ihren Beruf gewachsen waren. Also sehr problematisch wird es, ich komme zwar mit meinem Leben nicht so richtig zurecht, aber ich bin sehr spirituell. Da muss man äußerst vorsichtig sein. Bewährst du dich in der Schwere des Alltags? Bist du alltagstauglich? Bewährt sich dein Glaube im Alltag in einer Lebenstüchtigkeit? Dann ist es auch gut, wenn du dich in der Gemeinde auch tüchtig einordnen lässt. Aber wenn du irgendwie laufend Schwierigkeiten hast und in Sonderwelten lebst und auch beruflich gar nicht richtig den Fuß auf den Boden bringst, dann sei bitte vorsichtig mit überragenden prophetischen Botschaften. Also Religion und

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Alltag. Sigmund Freud, der ja selber Jude ist, würde sofort sagen, Realitätsprinzip. Ein Glaube, der der Realität nicht standhält, ist krank. Bedarf der Betreuung und der Seelsorge. Das Zweite, was in dieser Einleitung drinsteckt, ist die Steppe. Ort der Handlung ist die Steppe. Im Orient gibt es nur zwei wirklich wichtige Landschaften. Das ist die Kulturlandschaft und die Steppe oder Wüste. Das ist ungefähr das Gleiche. Ich bin mal mit Archäologen vom Westrand von Jordanien am Toten Meer auf dem Ufer Jordanien bis nach Saudi-Arabien gefahren, quer durch durch Jordanien und da wird ganz allmählich aus der Steppe Wüste, aber fällt dir, kann man gar nicht genau sagen wo. Also Steppe und Wüste ist halt dort, wo so wenig Niederschläge fallen, ich glaube unter 300 Millimeter pro Jahr, dann spricht man von Steppe und Wüste. Im

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Kulturland gibt es Grün, da gibt es Bäume und Feldfrucht, Landwirtschaft, da gibt es auch Abwechslung, Kultur, dörfliches Leben, Fest und Feier, aber in der Steppe und in der Wüste ist ganz anders, sind zwei sehr unterschiedliche Landschaften und ihr müsst auch berücksichtigen, Steppe und Wüste ist für biblische Leute immer nebenan. Wenn wir Wüste hören, denken wir an die Sahara, da müssen wir mit dem Flugzeug hinfliegen, aber die laufen und sind in der Steppe und in der Wüste. Also in Jerusalem kann man nachmittags in die Wüste gehen und ist abends wieder zurück, weil direkt am Ostrand von Jerusalem beginnt die jüdische Gesteins- und Geröllwüste, das ist gar kein Sand, das ist Geröll und Stein, aber da bist du in einer halben Stunde in der Wüste und wenn du noch weiterläufst, da siehst du von Jerusalem gar nichts mehr, da bist du wie, wie wenn

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du in einer anderen Welt bist. Jetzt, Wüste ist ja auch eine sehr wichtige Steppe, Wüste, sehr wichtiger Ort, Israel in der Wüste, Jesus in der Wüste, Johannes der Täufer wirkt in der Wüste. Die Wüste ist der Ort, wo du dir selber nicht ausweichen kannst. In der Wüste, in der Steppe, bist du mit dir selber konfrontiert. Im Kulturland hast du viel Abwechslung. Ein amerikanischer Soziologe hat ein sehr starkes Buch geschrieben mit dem Titel, wir amüsieren uns zu Tode. Und er führt aus, dass Amusement, die Abwechslung, die Zerstreuung, da verdienen ja die Unterhaltungsindustrie und die Werbeindustrie verdienen ja ihre Milliarden. Der moderne Mensch ist der zerstreute Mensch, er amüsiert sich zu Tode. Er hat so viele Möglichkeiten, sich berieseln zu lassen, abwechselnd. Du brauchst eigentlich nie über dich selber nachdenken. Du schaltest morgens

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irgendwas ein und abends wieder aus. Du kannst dir dein Leben lang ausweichen, aber in der Steppe nicht. Wann warst du, jetzt muss ich es mal übertragen, wann warst du das letzte Mal in der Steppe? Wenn du dauernd unter vielen Geräuschen Zerstreuung und Abwechslung bist, ja warum wunderst du dich, dass du keine Gotteserfahrungen hast. Die leisen Signale aus der Tiefe hört man am besten in der Steppe, in der Stille. Ich war mal in einer Intensivstation bei einem Topmanager, der Vielfaches von mir verdient. Und dieser Topmanager hat zu mir gesagt, Herr Zimmer, ich war so blöd. Ich war so verdammt blöd, was meinen Sie, wie mir das leid tut. Ich habe meine Frau vernachlässigt, 42 Jahre alt, Topmanager. Ich habe meine Frau vernachlässigt, meine Kinder vernachlässigt, nur wegen irgendwelchen Zahlen für irgendeinen Global Player. So saublöd war ich.

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Aber, Herr Zimmer, ich bin aufgewacht. Die Intensivstation war seine Steppe. Also in der Steppe kommst du zu ganz anderen Werturteilen. Dir wird auf einmal so vieles unwichtig. Titel, Gehalt, Status. Es wird dir ein bisschen scheißegal. Wenn ein Professor sich in der Steppe der Knochen bricht, geht er genauso zugrunde wie jeder andere. Also in der Steppe zählen die Statussignale der Kulturlandschaft gar nicht mehr viel. Du wirst bescheiden. Du freust dich schon über ein bisschen Schatten und einen Schluck Wasser. Und wenn mal Wachteln da reinkommen, da sind schon die großen Ereignisse. In der Steppe merkst du, dass du nicht aus dir selber lebst, sondern dass du angewiesen bist auf Dinge. Also die Steppe läutert den Menschen. Es ist gut,

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wenn wir in die formende Kraft der Wüste geraten. Wir werden realistisch und bescheiden und wir amüsieren uns nicht mehr zu Tode. Das Dritte ist, erhütete, erweiterte die Schafe. Eigentlich heißt das Wort Schafe und Ziegen. Also das hebräische Wort heißt eigentlich Kleinvieh, weil die Beduinen haben immer Herden aus Schafen und Ziegen. Und sie leben ja von den Herden. Die Herde ist das Wichtigste. Große Herden, also wohlhabende Menschen. Man schätzt die Leute nicht nach Schmuck und Geld ein, sondern nach der Größe der Herde. Und das sind immer Schafe und Ziegen. Aber ist ein bisschen schwer, wenn man sagt Schafe und Ziegen. Also erweitete die Schafe. Ihr müsst nur wissen, sind Schafe und Ziegen. Ist ja auch nicht so wichtig. Erweitete also das Kleinvieh seines Schwiegervaters. Ja, da denkt jeder Beduine, der das liest. Oh Backe, ist das eine bescheuerte

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Situation. Weil die kommt eigentlich nicht vor. Schafehüten, gemeint sind die eigenen Schafe, ist nämlich Mädchenarbeit. Bis heute. Es hat sich nicht geändert. Und zwar für 13- bis 14-jährige Mädchen, also die schon weit gediehen sind. Mit 14 ungefähr werden sie verheiratet. 10-, 11-jährige kann man Schafehüten nicht anvertrauen. Aber 12, 13, 14 ist Mädchenarbeit. Den Mädchen tut niemand was, weil es gibt Blutrahre. Wenn da eine Karawane vorbeizieht und da irgendwelche Leute wollen sich an den Mädchen vergreifen, die werden gejagt bis ans Lebensende. Das wissen die. Blutrahre ist überhaupt nicht primitiv. Es ist der einzige Schutz in der Steppe und Wüste. Gibt ja kein Handy, keinen Telefon-Notruf. Aber die Blutrahre schützt. Der Sinn der Blutrahre ist ja, dass es gar nicht dazu kommt. Also es ist Mädchenarbeit. Und jetzt, der Moos ist ein erwachsener Mann, das ist peinlich.

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Also das ist eine kleine, der muss kleine Brötchen hier backen. Der Schwiegervater, der hätte das nie mal selber gemacht. Das ist auf sich zu gut. Und seine eigenen Töchter sind ihm auch. Aber der Schwiegersohn, den schicken wir mal da raus. Das ist eine bescheuerte Situation. Also in der Situation kannst du gar kein Elit-Bewusstsein entwickeln. Da kannst du gar nicht arrogant werden. Da musst du kleine Brötchen backen. Du, da bist angefochten. Das ist eine harte Zeit und das ist eine gute Zeit für Gotteserfahrungen. Die stolzen Arroganzen und Elitären brauchen sich nicht zu wundern, wenn sie von Gott nichts spüren. Denn Stolz, Arroganz und Elit-Bewusstsein ist eine Isolierschicht gegenüber Gott. Aber der Mann hier, der war bescheiden. Wenn man das mal in Industriegesellschaft überträgt, würde ich sagen, er reparierte alte Autos am Stadtrand von

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Stuttgart-Feuerbach. Das wäre so okay, das in unserer Gesellschaft. Also nur in der Angefochtenheit und in der Bescheidenheit. Oder was heißt nur? Ich will keine Gesetze aufstellen, aber Angefochten sein und bescheiden sein und kleine Brötchen backen ist ein guter Mutterboden für Gotteserfahrungen. Also ihr seht, in dieser orientalischen Erzählweisheit stecken irrsinnige Weisheiten. Ein orientalischer Mensch, das ist ein Erzählvolk mit hoher Erzählkultur, die wissen das schon. Und deswegen, es ist schon schön, wenn man die Bibel auch darin ernst nimmt, dass man ihre Hintergründe erforscht. Man bringt sich selber um so viel Qualität, wenn man sagt, Theologie braucht man nicht studieren. Ist sehr töricht. So, das war ja jetzt mal nur die Introduktion.

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Jetzt geht's los. Da sah er einen Dornbusch, der brannte, aber nicht verbrannte. Sabbermord. Es gibt schon brennende Dornbüsche, ich hätte fast mal einen gesehen, weil die können sich selber entzünden. Wir sind aber vorher weg. Wir haben also einen Dornbusch mal gesehen im Negev mit Archäologen und da war schon so ein Schmorbrand. Und da hat der Archäologe, Mittagshitze, 50 Grad und verdörrtes Zeug, da entzünden die sich. Und wenn dann ein Wind weht, das ist ein Steppenbrand und der breitet sich sehr rasch aus. Der Archäologe hat gesagt, wir gehen in den Chip und dritter Gang weg. Kein Risiko. Also es gibt schon brennende Dornbüsche, selten, aber es kommt vor. Aber dass ein brennender Dornbusch nicht verbrannt ist, natürlich schon, überlegen wir mal. Also der Mann, es geht los und

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das ist gleich mal entscheidend. Grundlegend ist jetzt der erste Satz, der ist der Motor in der ganzen Erzähl-Dynamik, die jetzt kommt. Da sah er einen Dornbusch, einen brennenden Dornbusch, der nicht verbrannte. Jetzt werten wir das mal aus. Das ist das Eingangstor. Alles, was jetzt kommt, ergibt sich aus dieser Situation und die ist natürlich sehr bewusst erzählt, gestaltet. Also der Mose erlebt etwas. Was erlebt er? Wir tun das mal grundsätzlich interpretieren. Er erlebt jetzt etwas Unerwartetes. Er hat es nicht erwartet. Ungeplant, das hat er ja nicht geplant, und irgendwie sehr außergewöhnlich. Man könnte aber auch sagen, er erlebt eine Überraschung. Er

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erlebt etwas, was zu seinen bisherigen Schubladen nicht passt. Passt gar nicht zu seiner bisherigen Lebenserfahrung. Ist irgendwie fremd. Man könnte aber auch sagen, er erlebt etwas sehr Reizvolles, denn dieser brennende Dornbusch, der nicht verbrennt, hat folgende Wirkung. Er kitzelt in Mose die Neugier hervor. Und die Neugier, habt ihr ja vorhin gehört, ist der Mutterboden einer guten christlichen Kindererziehung und überhaupt der Religion, des christlichen Glaubens. Also du kannst dich nicht selber neugierig machen. Stell mal vor, schreibt einer, da entschied ich mich, neugierig zu werden. Kannst du nicht? Kannst du nicht? Es muss etwas kommen, was dich neugierig macht. Darauf bist du angewiesen. Du bist hier nicht Täter, sondern Empfänger. Das, was Mose jetzt erlebt, ist unabhängig von seinem Willen. Das hat er ja gar nicht gewollt, sondern er ist empfangender.

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Hier kitzelt etwas seine Neugierde hervor. Es weckt sein Interesse. Es kitzelt eine klare Fragestellung hervor, warum der brennende Dornbusch nicht verbrennt. Da taucht jetzt richtige Frage in dem Mann auf. Also entscheidend für den Auslöser für die ganze Erzählung ist der Dornbusch. Und diesem Dornbusch begegnest du. Es widerfährt dir. Es stößt dir zu. Man könnte sagen, habe mal in einem irgendwo gelesen, sie gerieten in einen großen Sturm. Ist ja auch umgeplant. Du gerätest halt in einen Sturm. Es stößt dir zu. Es begegnet dir. Man könnte sich jetzt folgendes fragen. Stell mal vor, der Mose, der hat zwei Monate draußen und eines Tages, als er aufstand, hat er ja noch gar nicht

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gewusst, wie er heute mal ins Bett geht oder hat sich auf seine Decke gelegt. Er hat gedacht, es kommt so ein normaler Tag. Aber es kommt eine Unterbrechung. Das normale Leben wird unterbrochen. Und jetzt möchte ich mal folgende Frage stellen. Erst schwäbisch und dann hochdeutsch. Man könnte jetzt fragen, war das nötig? Also hochdeutsch, war das notwendig? Hat Mose unbedingt einen brennenden Dornbusch? Wäre der kaputt gegangen, wenn er keinen Dornbusch hätte? Nö, da hat ihm eigentlich gar nichts gefehlt. Außer, er hatte nur die kleine Brötchen, war nicht gerade das Gelbe vom Ei, was er gerade gemacht hat. Aber er war eigentlich stabil und hat auch nichts besonders nötig gehabt. Also man kann nicht sagen, das war notwendig. Ich behaupte ja, Gott ist nicht notwendig. Ich behaupte, ihr könnt auch ohne Gott leben. Aber ich will es nicht. Ich will es nicht. Aber ihr könnt schon. Aber ich will es nicht.

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Aber ich würde nicht sagen, ich habe Gott notwendig. Das führt in eine kranke Religiosität. Du brauchst Gott, weil ohne Gott kannst du den... Nein, nein, nein. Gott ist eine Überraschung, aber keine Notwendigkeit. Gott ist mehr als notwendig. Nicht weniger, sondern mehr. Notwendig ist eine Hose und Schuhe, das ist notwendig. Aber Gott ist nicht notwendig. Ein Lebensmittel ist notwendig, aber Gott ist das Leben. Ich hätte mal eine Frage an dich. Dass du geboren wurdest, war das notwendig? Meinst du, dass es unbedingt nötig war? Glaube ich nicht, aber es ist schön, dass du da bist. Also ich will mal zusammenfassen. Mose begegnet etwas, es stößt ihm etwas zu. Er ist kein Täter, sondern ein Empfangender.

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Nämlich etwas Ungeplantes, Unerwartetes, Überraschendes, das in ihm Neugier, Staunen und Interesse hervorruft. Etwas Reizvolles, das in ihm auch Neugier weckt. Und wißt du, auf das sind alle Menschen angewiesen. Ich und du. Und wenn das nicht kommt, können wir eigentlich auch nicht gläubig werden. Ich glaube, dass die allermeisten der Menschen, die nicht gläubig sind, auch so ein Donbusch wahrscheinlich nicht begegnet ist. Denn auch wir brauchen diesen Donbusch. Der Donbusch ist entscheidender als mein Wille. Denn Mose sagt jetzt, ich will vom Weg abbiegen. Immerhin, er sagt, ich will, er hat ja einen Willen. Den setzt er jetzt ein, vom Weg abbiegen. Also er lässt sich unterbrechen, muss schon ein bisschen vom Weg abbiegen. Da steht offensichtlich ein bisschen so Schepst daneben, aber in Sichtweite. Ja, das schon, aber das ist doch nichts Besonderes, das würde doch jeder machen.

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Also das, was jetzt Mose beiträgt, dass es weitergeht. Ja, er muss schon was beitragen, aber der Beitrag ist wirklich schon... Das ist nichts Blunderes, du kannst schon nichts darauf einbilden. Sondern der Donbusch hat es in dir hervorgerufen und jetzt bist du Neugier und sagst, ich gehe doch mal hin und gucke mal danach. Was willst du dir darauf einbilden? Aber das ist sozusagen die Bekehrung von Mose. Aber entscheidend ist der Donbusch. Also Mose tatsächlich sagt, ich will vom Weg abbiegen. Das hätte ich auch gesagt und du wahrscheinlich auch. Man sieht, das ist gar nichts Besonderes. Es geht hier gar nicht um einen besonderen Menschen, sondern es geht um die Grundzüge der Gotteserfahrung. Also das Interesse ist geweckt in ihm, die Neugierde, ich will da hingehen und mir diese merkwürdige Sache, es ist auch Merkwürdigkeit.

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Es fängt immer mit so Merkwürdigkeiten an, die nicht in deine Schubladen passen. So ein brennender Donbusch, der nicht verbrennt, da hast du gar keine geölte, schnelle Antwort. So diese Schnellschussantworten, die kannst du da vergessen. Da musst du dich wirklich wundern und sagen, was ist jetzt das? So geht's los. Also er geht dorthin und jetzt zweite Überraschung, eine Stimme. Das ist ja fast noch eine größere Überraschung. Mose hat natürlich gedacht, das ist irgendwie ein merkwürdiges Naturereignis. Selbstentzündende Donbusche kennt er schon. Und es gibt auch so Glühwürmchen in der Wüste, wenn die alle da Millionen fahren, dann würde es auch... Also was könnte es sein, das weiß er nicht. Also er steht jetzt schon ein bisschen vor einem Phänomen. Wenn er das ernst nimmt, muss er sagen, ich kann mir das gar nicht so schnell erklären.

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Und jetzt geht er da hin und jetzt kommt eine Stimme. Saperlnot. Und die Stimme kennt seinen Namen. Da zuckt er zusammen, du wirst auch zusammenzucken. Wenn du merkst, dass Gott dich kennt und durchschaut, da zuckst du zusammen. Du kennst ihn jetzt so nicht. Also die Stimme aus dem Busch. Da müssen wir jetzt ein bisschen stehen bleiben. Weil das ist einer der entscheidenden Texte der Bibel. Nicht so drüber huschen, schon Vollkornbrot jetzt. Eine Stimme aus dem Busch. Übrigens kein Wort zu Gesicht oder Gestalt. Nur Stimme. Andererseits muss man sagen, Stimme ist immer etwas sehr Personales, was Persönliches. Eine Stimme, aber kein Gestalt. Jetzt eine Stimme aus dem Busch. Jetzt müssen wir uns mal dem orientalischen Donbusch zuwenden.

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Ich war oft im Orient, ich habe bestimmt Hunderte oder Tausende von Donnbüschen gesehen. Ich habe es aber nie beachtet, wer achtet auf einen Donnbusch? Liegt ja überall rum. Die werden so ein Meter hoch, höchstens 1,20. Und ein orientalischer Donnbusch, muss ich euch kurz sagen, da könnt ihr eure Rosen hecken vergessen, das ist Kindergarten. Eine orientalische Donne, meine Liebe, 5 bis 8 Zentimeter lang, ist ein halber Dolch. Können übelste Verletzungen anrichten. Ich sage dir, plumpst in keinen Donnbusch, da siehst du anschließend nimmer gut aus. Also ein Donnbusch ist eigentlich nichts, wo du streicheln kannst. Kannst dich an keinen Donnbusch schmiegen. Und dann musst du auch ehrlich zugeben, du siehst gar keinen Eingang in einem Donnbusch, hat gar keine Tür. Du hast gar keinen Zugriff. Ein Donnbusch ist dir nicht zur Hand wie ein Buch, das du aus der Bibliothek nimmst.

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Ein Donnbusch ist eigentlich ein unzugänglicher Ort. Du kannst dich in einem Donnbusch gar nicht aufhalten. Selbst die Würmer sind vorsichtig. Die findet man nicht mehr raus. Vögel gibt es auch nicht. Also der Donnbusch ist eine fremde Welt. Man könnte sagen, das ist eigentlich Jenseitsgelände. Der Donnbusch steht für Transzendenz. Es ist Jenseits. Kein Lebensort für dich. Kein Mensch kann sich in einem Donnbusch wohnlich einrichten. Und die Stimme kommt aus dem Donnbusch. Wer hätte von sich aus gedacht, dass Gott sich aus einem Donnbusch meldet? Wer hätte es gedacht? Niemand. Weil ein Donnbusch ist ja kein Kulturgut. Die Religionen, sagen Griechen und Römer, Religion ist ja vom Guten, Wahren und Schönen.

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Ja, ein Donnbusch ist ja nicht gerade schön. Also ein Donnbusch ist ja was Unscheinbares, was Verächtliches. Also rechne ruhig damit, dass Gott ganz anders kommt, wie du denkst. Und wenn du der Raffinierteste und der Coolste und der Glüchste bist, weißt du, Gott ist unbegreiflich und du kannst ihn nicht ausrechnen. Er kommt ganz anders auf dich zu, wie du, Mädle und Burschle, meinst. Und einen dummbatzigen Zugriff hast du auch nicht. Also ein Donnbusch ist zwar etwas Unscheinbares, Verächtliches, aber jeder Orientale hat doch einen Respekt vor dem Donnbusch. Einen gewissen Respekt hat er, weil er nicht da hineinpflumpst. Also den Respekt, den ein Orientale vor einem Donnbusch hat, den solltest du vor Gott mindestens haben. Darunter geht es nicht. Gut, jetzt Feuer, das ist ein Doppelbild.

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Feuer ist ein Kulturgut. Feuer macht hell, vertreibt die Dunkelheit. Feuer macht warm, vertreibt die Kälte. Und Feuer vertreibt Skorpione und Schlangen und wilde Tiere. Also Feuer wurde geschätzt. Aber trotzdem ist es auch kein Aufenthaltsort für dich. Feuer wird nie etwas sein, was dir vertraut ist. Nie. Feuer ist irgendwie fremd. Es züngelt, es verändert jede Sekunde die Gestalt. Es gibt eigentlich nichts, was so lebendig ist wie ein Feuer. Also statisch ist doch gar nichts. Es züngelt, es lodert, es frisst und dauernd in Veränderung. Aber Feuer sagt auch zu dir Respekt. Kinder, die mal heißen, das machst du nie wieder. Also das Komm nicht zu nahe ist schon in diesem Doppelbild drin. Wenn man mal beide Bilder auswertet, die hier sehr bewusst gewählt sind.

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Grundcharakter einer Gotteserfahrung. Es ist der fremde Gott, der unbegreifliche Gott, der aus dem Donbusch sich meldet, der im Feuer wohnt. Also die Qualität christlicher Gruppen kann man sehr schnell daran erkennen, wie ernst nehmen sie den fremden Gott. Die laufen zum Teil mit Gottesleben wie ein altes Ehepaar. Man kennt sich. Pfeifendeckel. Es ist der brennende Donbusch, der nicht verbrennt. Komisches Feuer. Denkt mal an Waldbrände, an Steppenbrände. Hunderte von Feuer. Feuer frisst, Feuer vernichtet. Aber dieses Feuer nicht. Dieses Feuer lebt nicht von der Vernichtung. Unbegreiflich, unbekannt. Keine schnellen Antworten. Kannst nicht einfach so deine geölten allerwelts Antworten.

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Ich sag dir, Birschle, Mädle, es geht hier nicht. Also jetzt diese Stimme sagt Mose Mose. Doppelt. Ist ein Inbegriff orientalischer Erzählweise. Zweimal der Name heißt Intensität. Und du kannst dich darauf verlassen, du bist gemein. Du hast dich nicht verhört. Beim ersten Mal denkt man, habe ich mich verhört? Paulus Paulus. Oder einmal im Alten Testament. Land, Land, Land. Hör das Herrn Wort. Wenn meine Tochter da draußen rumgespielt hat und Mittagessen ist fertig, dann rufe ich erst mal Chrissi. Dann spielt einfach weiter. Chrissi. Spielt immer noch weiter. Chrissi. Da war ich ein bisschen gemeint. Also bei doppelter Redeweise, ich sag euch, dem Mose war klar, jetzt geht es um mich. Und nicht um meinen Nachbarn, meine Frau, meine Kinder oder sonst was. Jetzt bin ich hier jetzt dran.

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Kein Ausweichen mehr. Und woher kennt der mich eigentlich? Was meint ihr, wie der zusammengezuckt ist? Er begreift ja noch gar nichts. Brennende Dornbusch. Aber die Stimme kennt ihn. Er kennt die Stimme nicht, aber die Stimme kennt ihn. Und so geht es und nicht anders. Wenn du dem ausweichst, kannst lange warten. Jetzt also die Stimme. Mose wieder sagt, hier bin ich. Immerhin muss man Mose ein bisschen inscho loben. Das muss ich jetzt aussagen. Wenn du jetzt in der Zone bist, ist es wichtig, dass du sagst, ja, ihr habt kapiert, dass ich gemeint bin. Ich bin hier. Und jetzt gibt die Stimme klare Hinweise. Komm nicht zu nahe.

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Oder man kann auch übersetzen, komm nicht näher. Man kann auch übersetzen, komm nicht zu nahe. Das ist ja auch schon beim Dornbusch mit den Dornen und dem Feuer. Also schon dreifach Botschaft. Komm nicht so dumm batzig her. Bitte etwas Achtung. Auf den Wegen der Lässigkeit und der Verachtung hat noch niemand Gott gefunden. Noch niemand. Also komm nicht zu nahe. Wie beim Feuer. Je näher du kommst, desto heiser wird es. Kannst du nicht so schnell kommen. Musst du jetzt schon ein bisschen wissen, um was es geht. Weil jetzt ändert sich alles. Wenn du wirklich zu Gott in die Nähe kommst, ich sage dir nichts, bleib wie es war. Diese relativ doofe, lässige Frage, was meinst du, gibt es Gott oder gibt es ihn nicht. So hat noch niemand Gott gefunden. Wenn du in die Nähe Gottes gerätst, fragst du so trübelhaft nicht mehr. Also diese Stimme übernimmt jetzt, wenn man es so sagen will, das Kommando.

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Moses selber weiß jetzt nicht, wie es weitergeht. Die Stimme übernimmt jetzt die Führung und sagt, wie es weitergeht. Das weißt du jetzt dann nicht. Also das erste eben, komm nicht zu nahe. Ist eigentlich schon klar, aber nochmal drittes Mal. Der fremde, geheimnisvolle, unbegreifliche Gott, der ist es und nicht der gute Onkel von Amerika. Also die Qualität der christlichen Gruppen entscheidet sich darin, ob sie den fremden, unbegreiflichen, geheimnisvollen Gott wirklich ehren und ernst nehmen. Und dann sagt die Stimme, zieh deine Schuhe aus. Das hebräische Wort können Sandalen sein, kann bis hin zu Soldatelstiefen sein. Zieh mal dein Schuhwerk aus. Die Schuhe sind im Orient heißer Sand. Du verbrennst deine Fußsohlen und immer wieder scharfe Steine und so weiter. Also Schuhe ist was ganz Wichtiges.

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Nur Sklaven müssen barfuß laufen. Die haben auch zum Teil dann wirklich sehr raue Fußsohlen durch langes Barfußlaufen. Auch Kamele haben ja Schutz an ihren Füßen und in der Mitte des Bauchs, damit der heiße Sand sie nicht verletzt. Schuhe meint hier das, mit dem du das Leben meisterst und die Schwierigkeiten unter die Füße kriegst. Mit Schuhen erobert man auch Gelände und mit Soldatenschiefen besetzt man ein Gebiet. Schuhe ist also das, was dir Stabilität und Sicherheit gibt, dein angelerntes Zeug, auf das du dir was einbildest. Dein Status ist irgendwie alles dein Schuhwerk. Und ich sage dir, das darfst du jetzt mal ausziehen. Glaub bloß nicht, dass du Gott imponieren kannst, dass Gott beeindruckt ist von deinem Status. Du darfst jetzt mal das Ganze Angelernte ausziehen.

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Das ist angemessen, wenn man gegenüber Gott tritt. Und ich sage dir, anders geht es nicht. Denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilig. Das passt richtig gut zum Vortrag vorher. Neugier, Überraschung, heilig. Irgendwie war es zufällig, aber ich glaube nicht, dass es zufällig war. Irgendwie ist das jetzt eine biblische Begründung von dem von vorher. Der Ort, auf dem du stehst, ist heilig meint, der Ort, auf dem du stehst, an dem du Gott begegnest, ist ein ganz besonderer Ort. Nicht banal, nicht selbstverständlich, nicht gewöhnlich, nicht üblich. Gott ist in jeder Hinsicht etwas ganz Besonderes. Und das muss dir klar sein. Du trittst deinem Schöpfer gegenüber, dem Herrn der Galaxien, und du bist ein ganz kleiner Wurm.

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Aber Gottes geliebtes Würmchen. Aber das muss dir schon klar sein. Gott ist heilig. Er ist, er ragt aus allem heraus. Er ist nicht gewöhnlich, er ist außergewöhnlich. Er ist was ganz Besonderes. Und in dieser Haltung geht es dann weiter. Also diese Geschichte sind ja nur die fünf einleitenden Verse. Wollte ich auch ein bisschen deutlich machen, was man mit Hilfe der modernen Bibelwissenschaft und einer sorgfältigen Interpretation der Bibel alles erreichen kann. In der Zukunft der erwirklichen Christenheit muss man die Bibel schon ein bisschen ernster nehmen als bisher. Ernster. Und das heißt auch sorgfältiger, tiefer, mit mehr Ehrfurcht.

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Auch die Bibel mal gegen sich lesen. Alles, was ich gesagt habe, entstammt einer tiefen Ehrfurcht vor der biblischen Botschaft. Und ich hoffe und bin zuversichtlich, dass ihr spürt, was eine qualitätsvolle Interpretation ist und eine dahergeredete. Und mit daherreden, Bibel ist fehlerlos, ich bin Bibeltreutig, das sind alles bloß Sprüche. Aber die Qualität der Interpretation ist auch teuer erkauft. Braucht man Jahre. Also ich möchte euch mit diesem Schlüsseltext der Bibel auch ermutigen. Entwickelt euch, lest anspruchsvolle Bücher, hört Vorträge, die euch wirklich über euren Horizont hinauskommen, hinausbringen. In diesen fünf Versen ist meisterhaft ausgedrückt, die Grundmerkmale, wie ein Mensch Gott erfährt.

52:07
Ich wünsche euch, dass ihr in dieser Erfahrung Gottes eure eigene Erfahrung machen könnt.

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Die Berufung des Mose am brennenden Dornbusch | 7.5.2

Worthaus 7 – Weimar: 1. Mai 2017 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Im Katharinenkloster im Süden der Sinai-Halbinsel wächst ein Dornbusch. Neben ihm steht heute sicherheitshalber ein Feuerlöscher. Dieser Dornbusch soll jener sein, der vor einigen tausend Jahren in Flammen stand und aus dem damals Gott zu Mose sprach. Die Geschichte kennt jeder. Sie hätte aber auch so lauten können: Es war einmal ein Mensch (kein besonderer), der ging seinem Beruf nach (keinem besonderen). Dann geschah etwas Besonderes: Gott begegnete diesem Menschen. Denn es geht bei dieser Geschichte nicht allein um das besondere Schicksal eines Propheten, der den längsten Dialog mit Gott in der Bibel führte und von Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen verehrt wird. Es geht bei dieser Geschichte auch darum, wie Gott uns begegnet. Siegfried Zimmer erklärt, was es für den modernen Leser bedeuten kann, dass der Dornbusch damals mitten in der Wüste brannte und Mose in diesem Moment ausgerechnet Mädchenarbeit verrichtete. Und Zimmer zeigt einmal mehr, wie spannend es ist, die Hintergründe und Besonderheiten dieser Zeit, die Details und Feinheiten der biblischen Geschichten zu verstehen.