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Das Thema dieses Vortrags lautet, was Christen vom Schabbat lernen können. Dieses Thema berührt einen größeren Bereich, mit dem man auch so formulieren kann, was Christen vom Judentum lernen können. Oder man kann auch sagen, was Christen vom Alten Testament lernen können. Das sind sehr fundamentale Fragen, denn das Judentum ist unsere Wurzel. Wir können uns als Christen nicht verstehen, wenn wir das Judentum nicht verstehen. Und das Alte Testament ist die Grundlage des Neuen Testaments. Also insofern berührt das Thema, was Christen vom Schabbat lernen können, sehr wichtige Grundfragen unserer christlichen Identität.

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Übrigens will ich vorneweg geschwind klären, es ist nicht so, dass wir Christen den Sonntag haben und die Juden den Schabbat. Der Sonntag hat eine ganz eigene Geschichte. Der Sonntag ist also nicht sozusagen der christliche Schabbat. Das ist ein ganz weit verbreitetes Vorurteil. Die ersten Christen, die Juden waren, also die ersten jesusgläubigen Juden, haben auch weiterhin den Schabbat gefeiert, jahrzehnte, jahrhundertelang. Und sie haben außerdem den ersten Tag der Woche, den Tag der Auferstehung, als einen besonderen Tag gefeiert. Der Sonntag wurzelt also nicht im Schabbat, sondern in der Auferstehung Jesu, in der Auferweckung Jesu am ersten Tag der Woche.

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Also für die ersten Judenchristen war der erste Tag der Woche ein ganz besonderer Tag, nämlich der Tag der Auferweckung Jesu. Und deswegen haben sie ihn sehr früh als einen besonderen Tag begangen. Und aus diesem ersten Tag der Woche, dem Tag der Auferweckung Jesu, hat sich der Sonntag entwickelt. Also er hat eine ganz andere Geschichte als der Schabbat. Was Christen vom Schabbat lernen können. Zunächst möchte ich auf das Volk Israel kurz zu sprechen kommen. Unter allen Völkern dieser Erde gibt es ein merkwürdiges Volk, das eine eigene, spezifische Geschichte hat und einen neuartigen Glauben. Und das ist das Volk Israel.

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Das Volk Israel entwickelt zum ersten Mal in der Welt einen Monotheismus. Es hat niemals vorher in der ganzen Menschheitsgeschichte einen Monotheismus gegeben. Es gibt zwar im alten Ägypten mal eine kurze Phase bei Echnaton, die ist aber ganz anders zu erklären. Die hat mit dem Monotheismus, wie es im Judentum dann beginnt, hat sie eigentlich nichts zu tun. Und man kann die beiden Dinge auch nicht ernsthaft miteinander vergleichen. Also dieses merkwürdige Volk ist das erste Volk der Weltgeschichte, das einen monotheistischen Glauben hat. Und der Gott Israels ist merkwürdigerweise kein Geschlechtswesen wie alle anderen Götter und Göttinnen. Der Gott Israels hat keine Frau und er pflanzt sich nicht fort. Das war äußerst merkwürdig.

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Es war völlig neu. Und von diesem Gott soll man sich auch keine Bilder machen, keine Statuen. Mit Bilder sind auch oft dreidimensionale Bilder gemeint, nämlich Statuen. Auch das ist neu. Die anderen Völker verehren ihre vielen Götter auch in den Bildern und Statuen, die Medien dieser Götter sind. Dann kommt auch dazu, dass in diesem Volk die Gestirne nicht verehrt werden. Sonne und Mond sind keine Götter, sondern Gott hat diese Gestirne gemacht als Leuchtkörper, damit wir Licht haben. Aber wir müssen keine Furcht vor den Gestirnen haben. Dann ist in diesem Volk auch sehr neuartig und fremd, dass jede Form der Magie und der Zauberei im Laufe der Jahrhunderte in Israel überwunden wird. In den anderen Religionen spielt die Magie eine enorme Rolle.

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Unter Magie ist kurz und einfach gesagt, Magie hat eine technische Auffassung von der Religion und von den unsichtbaren Dingen. Ich sage mal ein Beispiel. Wenn du um diesen Altar siebenmal herumläufst, dabei dreimal mit einer Glocke klingelst und anschließend dreimal Abra Cacabra sagst, dann funktioniert es. Magie heißt, wenn du einen bestimmten Ablauf ordentlich korrekt genau einhältst, dann tritt eine bestimmte Wirkung ein. Das ist der Grundgedanke der Magie. So versuchten die Völker, über die Einhaltung bestimmter Techniken Einfluss zu gewinnen auf die Dimensionen des Lebens, die ihnen sonst nicht erreichbar waren. Dieses magische Verständnis der Welt hat man in Israel völlig überwunden.

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Dann möchte ich noch sagen, der Anfang in der Geschichte dieses Volkes ist einmalig. Denn dieses Volk erzählt, dass sie eigentlich aus Zwangsarbeitern, aus Sklaven bestanden haben und dass dann ein Gott gekommen ist und ausgerechnet Zwangsarbeitersklaven aus der Sklaverei, aus der Knechtschaft befreit. Und wir sind praktisch das Ergebnis des Eingreifens unseres Gottes in die Geschichte. Unser Gott ist kein Fruchtbarkeitsgott, kein Naturgott. Er kann in die Geschichte eingreifen. Er hat Widerstand geleistet gegen die Mächtigen dieser Welt. Und so sind wir entstanden. Eine solche Entstehungsgeschichte eines Volkes oder einer Religion gibt es nirgendwo in der Menschheitsgeschichte.

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Verblüffend ist noch, dass dieses merkwürdige Volk, das zum ersten Mal ein Monotheismus eines geschlechtslosen, bildlosen Gottes, der aus der Angst vor den Gestirnen befreit, der aus der Magie und der Zauberei befreit und der aus der Knechtschaft befreit, dass dieses merkwürdige Volk eine heilige Schrift entwickelt hat. Die Ägypter, die Babylonier, die Assyrer, die Sumerer, die Hethiter, die Kaneranäher, die Perser, die Griechen und die Römer haben keine heilige Schrift. Die wissen gar nicht, was das ist. Sie haben Riten, Gebeten, Tempel, Altäre, Musik, Gewänder, Zeremonien, aber sie haben keine heilige Schrift. Aber dieses merkwürdige Volk hat eine heilige Schrift entwickelt. In dieses Geheimnis dieses merkwürdigen Volkes ist das Geheimnis des Schabbat eingebettet.

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Man muss also diesen Rahmen erst mal bedenken. Dieses verblüffende, merkwürdige Volk entwickelt einen besonderen Tag. Das ist der siebte Tag. Nur dieser Tag hat einen Namen in Israel. Er heisst Schabbat. Die anderen Tage haben gar keinen Namen. Die werden nur durchgezählt. Dritter Tag, fünfter Tag und so weiter. Dieser besondere Tag, der siebte Tag, der Schabbat, in dem kristallisiert sich das Geheimnis dieses geheimnisvollen Volkes. Dieser besondere Tag wird erstaunlich oft erwähnt im Alten Testament. Kein Gebot im Alten Testament wird so häufig erwähnt wie das Gebot des Schabbat. Du sollst den Schabbat halten, heiligen.

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Auch die zehn Gebote, da kommt das Schabbat Gebot vor. Das Schabbat Gebot ist das umfangreichste Gebot innerhalb der zehn Gebote. Allein in der Thora kommt das Schabbat Gebot sechsmal vor. Allein in der Thora, in immer wieder anderen Formulierungen, auch in unterschiedlichen Alterszeit, in unterschiedlichen Zeitabschnitten, die in der Thora dann endgültig zusammengefasst wurden. Aber auch außerhalb der Thora ist der Schabbat Thema bei vielen Propheten, bei Amos, Hosea, Jeremia, Hesekiel und anderen Propheten ist der Schabbat ein wichtiges Motiv. Aber er kommt auch in Erzählungen vor. Die berühmteste Erzählung ist die Schöpfungs Erzählung. Die Schöpfung hat ihren Höhepunkt im Schabbat.

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Nicht der Mensch ist die Krone der Schöpfung. Er wird ja am sechsten Tag erschaffen, sondern die Krone der Schöpfung ist der Schabbat. Am siebten Tag ruht Gott aus und beschaut sich seine Werke. Zu dieser verblüffenden Rolle dieses geheimnisvollen, besonderen Tages gehört auch, dass es nicht nur einen Schabbat Tag gibt, alle sieben Tage, dadurch also der Wochenrhythmus, den es am Himmel nicht gibt. Den Monatsrhythmus, das ist die Umlaufzeit des Mondes um die Erde, der Jahresrhythmus, das ist die Umlaufzeit der Erde um die Sonne und ein Tag, das ist die Umlaufzeit der Erde um sich selber. Also der Tag, der Monat und das Jahr haben ihren Anhalt am Himmel, aber die Woche nicht.

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Es gibt zwar Mondphasen, die ungefähr sieben Tage dauern, aber nur ungefähr. Und im Laufe der Jahre entfernt sich das sehr schnell. Das sind dann vielleicht siebeneinhalb Tage oder so. Aber das summiert sich ja innerhalb von fünf oder zehn oder 20 Jahren. Aber das Volk Israel hat diesen sieben Rhythmus, den es in der Astronomie nicht gibt. Und alle Zeitrhythmen der Völker sind vom Himmel abgelesen. Tag, Monat und Jahr. Aber der Wochenrhythmus ist merkwürdig. Er kommt durch den Schabbat und er hat kein Widerhall, keine Grundlage in den Bahnen der Planeten. Also dieser Schabbat ist nicht nur ein Tag, nämlich der siebte Tag. Es gibt auch ein Schabbatjahr. Jedes siebte Jahr ist ein Schabbatjahr.

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Und besonders verblüffend, ich werde noch darauf kommen, es gibt in Israel ein Schabbatjahr im Quadrat. Nämlich alle 49 Jahre, 7 mal 7 ist das Jubeljahr und das ist ein Schabbatjahr im Quadrat. Und das hat eine ganz tiefe Bedeutung, das Jubeljahr. Also es gibt den Schabbat-Tag, das Schabbatjahr und das Jubeljahr alle 49 Jahre. Außerdem gehört zu der immensen Bedeutung dieses Tages, dass der Schabbat nicht nur dem Menschen gilt, sondern auch den Tieren. Und zwar nicht nur den gezähmten Tieren, den Haustieren, sondern auch den sogenannten wilden Tieren. Also auch die ungezähmten Tiere sollen etwas von der Wohltat des Schabbats zu kosten bekommen.

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Das ist schon verblüffend. Da haben wir Christen nichts entsprechendes. Und der Schabbat bezieht sich auch auf das Land. Auch das Land soll sich erholen und so weiter. Ich werde das noch im Einzelnen sagen. Also der Schabbat ist nicht nur der siebte Tag, sondern auch das siebte Jahr, das 49. Jahr. Es gilt Mensch, Tier und Land. Also das ist schon verblüffend. Jetzt man hat lange Zeit geforscht, 200 Jahre lang in der Orientalistik, in der Assyriologie, in der Ägyptologie und so weiter. Und jetzt, wenn man das ein paar Jahre lang intensiv mit hunderten von Forschern, die Quellen durch Forst und archäologische Indizien ausgewertet, gibt es irgendwo auf der Welt einen Vorläufer für den Schabbat. Hat Israel da irgendwo angeknüpft?

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Ich möchte öffentlich schlicht und einfach das Ergebnis sagen, das heute gesichert ist. Nein. Es gibt in der ganzen Welt kein Volk, keine Kultur, die jemals jeden siebten Tag frei gegeben hat. Für Menschen, Tiere und das Land. Also das ist eine Neuschöpfung. In den Hochkulturen, in den sesshaften Kulturen als auch in den nomadischen Kulturen hat man nirgendwo eine Parallele gefunden. Es gibt zwar im Altertum freie Tage in einer bestimmten Reihenfolge vielleicht auch, vielleicht jeder zwölfte Tag oder in unregelmäßigen Abständen. Das sind meistens Markttage. Zum Beispiel im Römischen Reich gibt es bestimmte Tage im Jahr, das sind Markttage.

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Und da ist arbeitsfrei, damit die Märkte umso mehr verkaufen können. Also diese freien Markttage haben ökonomische Gründe, damit der Verkauf an den Märkten möglichst intensiv ist. Und völlig klar ist, dass die freien Markttage nicht für Sklaven gelten. Sklaven haben überhaupt kein Recht auf freie Zeit. Sie müssen ihren Herren immer zur Verfügung stehen. Tag und Nacht. Es gibt im Orient auch bestimmte besondere Tage. Es sind Tabu Tage. Im Babylonischen heißt ein Tabu Tag Shabbatu. Und es ist linguistisch inzwischen gesichert, dass das hebräische Wort Shabbat tatsächlich von dem Babylonischen Wort Shabbatu abgeleitet ist. Aber diese Babylonischen Tabu Tage haben einen völlig anderen Sinn.

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Also man kann den Shabbat zwar sprachlich von dem Wort ableiten, aber sachlich in keiner Weise. Denn die Tabu Tage hängen zusammen mit magischem Denken, mit den Mondphasen. Und die Tabu Tage, da soll man keine wichtigen Entscheidungen fällen. Das geht schief. Man soll überhaupt nichts Wichtiges erledigen, weil das sind unheilvolle Tage. Vor allem der Vollmond ist ein Shabbatu, ein unheimlicher Tag. Da lasst mal die Finger von allen wichtigen Entscheidungen. Also diese Tabu Tage und diese Markt Tage, die dem größeren Verkaufserfolg der Märkte dienen, haben sachlich mit dem Shabbat nichts zu tun. Jetzt kann man noch rekonstruieren, wie oder warum der Shabbat entstanden ist.

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Das Wie kann man nicht mehr rekonstruieren. Die genauere Entstehungszeit und die genaueren Entstehungsumstände, wie es zur Entwicklung des Shabbat kam, sind nicht mehr rekonstruierbar. Aber was man sagen kann, ist der Shabbat reicht zurück in die frühe Zeit Israels, in die Anfänge. Das ist sicher. Da gibt es mehrere Indizien, z.B. die ersten Schrift Propheten Amos, Hosea, Micha, Jesaja reden vom Shabbat und zwar so, dass er schon lang fester Brauch ist. Also Amos, Hosea setzen bereits den Shabbat als eine lang eingepflanzte Tradition, die selbstverständlich ist. Man muss nichts mehr erklären, setzen das voraus. Bei den zehn Geboten, die sich auch erst im Laufe der Zeit so zusammengestellt worden sind.

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Bei den zehn Geboten heißt es auch nur, du sollst den Shabbat heiligen. Ja, wie macht man das? Das muss in den zehn Geboten nicht mehr erklärt werden. Das weiß schon jeder. Das heißt, auch die zehn Gebote müssen den Shabbat in keiner Weise mehr irgendwie erklären. Sie können bereits voraussetzen, jeder Israelit weiß, was es heißt, den Shabbat zu heiligen. Also auch die zehn Gebote setzen den Shabbat schon als eine längere Tradition voraus. Jetzt gibt es aber noch eine andere Beobachtung, die ist auch hochinteressant, nämlich die Erzvätergeschichten kennen den Shabbat überhaupt nicht. In keiner Abraham, Isaac, Jakob, Josef, nirgendwo kommt irgendwie der Shabbat vor. Das heißt, der Shabbat gründet im Exodus, nicht in den Erzvätergeschichten.

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Er hängt irgendwie mit dieser Befreiungsdat, dass dieser Gott Israel staatskritisch ist, machtkritisch ist, gegen die mächtigen Antritt, er ist eine Gefahr für die Herren dieser Welt, aber er ist eine Wohltat für Zwangsarbeiter. Er vertritt die Interessen der Zwangsarbeiter gegen die Interessen der Herren dieser Welt. Und mit dieser unglaublichen Geschichte hängt der Shabbat zusammen. Er ist also auch älter wie, sagen wir mal, der Tempel in Jerusalem. Der Shabbat, den Shabbat zu heiligen, den Shabbat zu feiern, hieß ursprünglich nicht einen Gottesdienst besuchen. Also die Sonntagspflicht der Katholiken hängt also mit dem Shabbat überhaupt nicht zusammen, sondern das Wort Shabbat heißt im Hebräischen einfach aufhören, heißt nicht gehe regelmäßig beten.

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Also der Shabbat in seiner ursprünglichen Bedeutung hängt nicht mit religiösen Zeremonien zusammen. Der Shabbat braucht keinen Altar, er braucht keine Priester und er braucht keinen Tempel. Die älteste Form des Shabbatgebots, die in der Thora steht, die ist viel älter als die zehn Gebote, die alte ursprüngliche Form heißt, sechs Tage sollst du arbeiten, aber am siebten sollst du aufhören. Also der Sinn des Shabbat besteht einfach, was heißt einfach, sehr brisant, werdet ihr gleich sehen, einfach im Aufhören, lass ab, hör auf. Also ist älter wie der Tempel in Jerusalem, aber er gründet im Exodus. Doro wird jetzt hier nach vorne kommen und euch die zehn Gebote in der Fassung des fünften Buch Mose vorlesen,

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und zwar nur das Shabbatgebot. In fünfter Mose 5 gibt es nämlich auch die zehn Gebote. Und da wird das Shabbatgebot nicht aus der Schöpfung begründet, wie in den zehn Geboten, die wir kennen. Gott ruhte aus am siebten Tag. Nein, der Shabbat wird hier und das ist die ältere Fassung, der wird hier nicht aus der Schöpfung begründet, sondern aus dem Exodus, aus der Befreiung der Zwangsarbeiter aus Ägypten. Halte den Schabbattag, dass du ihn heiligst, wie Jahwe dein Gott dir gebot. Sechs Tage sollst du arbeiten und all dein Werk tun. Der siebte Tag aber ist Schabbat für Jahwe deinen Gott. Da sollst du keinerlei Werk tun, weder du selbst, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Sklave, noch deine Sklavin,

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noch dein Ochse, noch dein Esel, noch all dein Vieh, noch ein Fremder, der in deinen Wohnorten sich aufhält, damit dein Sklave und deine Sklavin ruhen können wie du. Denke daran, dass du selbst im Ägypterlandes Sklave warst und Jahwe dein Gott dich von dort mit starker Hand und ausgestrecktem Arme herausführte. Darum gebot dir Jahwe dein Gott, den Schabbattag zu feiern. Doch weil dieser Text dermaßen schön ist und wichtig, er so eine Sensation nie gehört in der Antike, niemals, ließ ihn doch einfach nochmal zur Feier dieser Sätze. Halte den Schabbattag, dass du ihn heiligst, wie Jahwe dein Gott dir gebot. Sechs Tage sollst du arbeiten und all dein Werk tun. Der siebte Tag aber ist Schabbatt für Jahwe deinen Gott.

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Da sollst du keinerlei Werk tun, weder du selbst, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Sklave, noch deine Sklavin, noch dein Ochse, noch dein Esel, noch all dein Vieh, noch dein Fremder, der in deinen Wohnorten sich aufhält, damit dein Sklave und deine Sklavin ruhen können wie du. Denke daran, dass du selbst im Ägypterlandes Sklave warst und Jahwe dein Gott dich von dort mit starker Hand und ausgestrecktem Arme herausführte. Darum gebot dir Jahwe dein Gott, den Schabbattag zu feiern. Also wir können kaum erahnen, welche Brisanz diese Texte, diese Sätze haben, wie fremd sie in der Altertumsgesellschaft waren. Es fällt auf, diese Aufzählung, weder du, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Sklave, noch deine Sklavin, es gibt andere Geburtsfassungen,

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da wird die Aufzählung noch weiter getrieben, noch die Tochter deiner Sklavin, das ist nämlich die Unterste der Unterste von den Untersten, die Tochter der Sklavin hat genauso Recht auf die gleiche Freizeit wie jeder andere Mensch. Das ist gesellschaftspolitisch der Unterklang einer sklavenhaltenden Gesellschaft. Die wird hier aber zerstört. Die Grundlagen einer sklavenhaltenden, ein Sklave, der das gleiche Recht auf Freizeit hat wie du, das ist ja kein Sklave mehr. Also diese Aufzählung, diese penetrante Aufzählung, dein Ochse, dein Esel, dein Rind, immer auch der Fremde, der Ausländer, der sich in deinem Dorf aufhält, auch den Schabbatt kann der aufatmen, zu Atem kommen, ausruhen, regenerieren. Also diese Aufzählung ist enorm. Es sind immer die Kinder dabei,

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die werden ausdrücklich erwähnt, auch heute noch in Israel, am Schabbatt dürfen erwachsene Kinder keine Kommandos geben. Ist streng verboten. Sie können eine Bitte äußern. Am Schabbatt wird niemand herumkommandiert, herumgescheucht. Es gibt ja Menschen, die Befehle erteilen und Menschen, die Befehle dauernd bekommen. Gucken Sie doch mal bitte die Unterlagen durch. Also die Vorgesetzten, die gewöhnen sich schon richtig an, immer Aufträge erteilen und da gibt es Menschen, die die Aufträge ausführen müssen. Am Schabbatt gibt es diesen Unterschied nicht mehr. Niemand darf Befehle erteilen und niemand muss einen Befehl ausführen. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was der Gott Israels vorhat. Also es werden immer die Kinder mit eingeschlossen,

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die Sklaven und die Fremden und die Tiere. Auch kein Befehl an einen Ochsen oder einen Esel ist verboten am Schabbatt. Und dann hochinteressant ist, denke daran, dass du selbst in Ägypten warst und Sklave warst. Also du weißt ja, wie das ist. Und wenn du selber weißt, wie das ist, wie man sich als Sklave fühlt, kannst du nie wieder die Sklaverei als selbstverständlich und normal akzeptieren. Aber das Hintergründige ist, diese Israeliten, die das lesen, die waren doch genauso wenig in Ägypten wie ich. Nehmen wir mal an, es liest ein Jude in Jerusalem im 7. Jahrhundert. Denke daran, dass du in Ägypten warst.

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Was soll der daran denken? Das war ja sein Ururururururururgross, war dort in Ägypten. Nein, es geht da natürlich nicht um solche pseudo historischen Erinnerungen. Die sind natürlich gar nicht gemeint, sondern stell dir vor, sei empathisch, aktiviere mal deine innere Imagination. Wie lebt so ein Sklave? In welchem Bett? Wie wacht er auf? Wie verbringt er seinen Tag um Tag um Tag? Was für ein...denke daran. Ja, der hat keine Erinnerungen mehr, aber er soll die mal in sich wach rufen. Das ist eine irrsinnige Erziehung zur Sensibilität, zur Empathie, zum Perspektivenwechsel, zum Rollentausch. Und wenn wir mal üben den Rollentausch, dann kommen wir auf ganz neue Gedanken. Also der Schabbat, dieser eigenartige Tag, dieses eigenartigen Volkes, wurzelt im Exodus.

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An jedem Schabbat erlebt ein Jude die Folgen des Exodus. Der Exodus hat praktische Folgen. Und die kannst du am Schabbat Minute für Minute erleben. Jetzt will ich einiges zur Brisanz des Schabbats sagen. Der Schabbat ist ein völlig neues Verteilungssystem von Arbeit und Freizeit. Sein tiefer Eingriff in die ökonomischen wirtschaftlichen Systeme und Interessen der Machthaber und der Eliten. Also im Schabbat, ihr Lieben, geht es nicht um privates Ausruhen. Der Schabbat ist ein gesellschaftliches Kampfmittel von tiefster Brisanz.

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Es gab im Altertum ein eingefuchstes, selbstverständliches, jahrtausende geübtes Verteilungssystem von Arbeit und Freizeit. Die Oberschicht waren Menschen der Freizeit. Die mussten nie arbeiten. Freizeit heißt in der Antike Muse. Es gibt ja so blöde Sprüche in den guten alten Zeiten, die ja weder gut noch sonst was waren. Müsigang ist aller Laster Anfang. Ist auch so eine spießbürgerlich verklemmte Parole. Die hat ihr Korn Wahrheit, stimmt schon. Aber ihr Lieben, Muse ist erst mal was Kostbares. Dass wir nicht Maulwürfe sind, die in der Arbeitsroutine, in der Banalität des Alltags trotz ersticken. Da ist doch Muse ein riesiges Privileg. Muse ist auch aller Kreativität Anfang, aller Kunst Anfang, aller tieferen Nachdenkens Anfang.

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Also es sind so blöde Sprüche, die Millionen von Menschen beeinflusst haben. Also in der Antike gab es Menschen der Muse, Philosophen, Reiche, Oberschicht. Dann Menschen der Arbeit. Die Arbeit fängt im Altertum an ab der Mittelschicht. Da müssen die Leute arbeiten, aber sie sind wohlhabend. Aber sie müssen arbeiten. Die Menschen der Oberschicht, die Menschen der Muse empfanden Arbeit als was Dreckiges, Demütigendes. Da waren sie zu stolz. Arbeit erniedrigt. Arbeit ist was für Arbeiter, Bergwerk, Steinbrüche, Straßenbau, Sklaven, Tagelöhner. Aber die vornehmen feingliedrigen Menschen der Oberschicht, die machen sich mit diesen Dingen nicht schmutzig.

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Also Arbeit ist für sie was Negatives, was das Leben unwürdig macht. Die armen Menschen, die arbeiten müssen. Und dann gab es eben Menschen der Arbeit. Natürlich vor allem die Unterschicht, die musste ständig arbeiten, war immer knapp, hat nie gereicht. Die waren alle Vegetarier, aber nicht aus Überzeugung, sondern weil sie sich kein Fleisch leisten konnten. Vielleicht einmal im Jahr oder bei der Hochzeit. Und dann natürlich die Sklaven. Das waren die Menschen der Arbeit. In der gesamten Antike, in China, Indien, Europa, Orient ist die Oberschicht Menschen der Muse. Das heißt, das Verteilungssystem von Arbeit und Freizeit war klassenspezifisch, schichtenspezifisch. Das war verteilt auf klar abgegrenzte menschliche, gesellschaftliche Gruppen.

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Und dieses Verteilungssystem wird fundamental durchbrochen im Schabbat. Das Schabbat ist ein ganz neues Verständnis von Leben. Dahinter steckt ein ganz anderes Verständnis von Leben. Nämlich das Schabbat Gebot will, der Exodus will, dass alle Menschen dieser Erde sechs Tage arbeiten. Vorausgesetzt ist immer, dass sie arbeiten können, dass sie gesund sind. Also dass der Faulheit gewährt wird. Also alle Menschen dieser Welt sollen sechs Tage arbeiten. Und alle Menschen dieser Welt haben das gleiche Recht auf einen Tag Freizeit, in der sie keine Machthaber über sich haben, keinem Wirtschaftssystem ausgeliefert sind. Der Schabbat ist die Freiheit eines Judenmenschen.

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Also der Schabbat ist ein tiefer Eingriff in die ökonomischen und wirtschaftlichen Interessen. Denn die Eliten dieser Welt streben nach einem unermesslichen Zugriff auf die menschliche Arbeitskraft. Sie dulden hier tendenziell keine Grenze. Sie finden kein Maß, das Pausenlose zur Verfügung stehen. Also dem wehrt der Schabbat. Der Schabbat hat Protestcharakter. Er ist ein regelmäßiger Protest gegen den Irrglauben, dass ich aus dem pausenlosen Arbeiten leben kann. Und er ist natürlich eine Ohrfeige für alle die, die die menschliche Arbeitskraft unermesslich ausbeuten wollen. Der Schabbat ist natürlich eine schwere Störung für jede Gesellschaft, die lehrt, Zeit ist Geld. Da stört der Schabbat enorm.

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Also der Schabbat räumt auf mit dem Märchen, das manche Menschen gerne verbreiten, Religion ist Privatsache. Nein, der Schabbat zeigt, Religion ist nicht Privatsache. Sondern der Gott Israels, der hinter diesem Gebot steht, mischt sich in Wirtschaft und Ökonomie ein. Deswegen auch Zinsverbot oder im Schabbat-Jahr. Da sollst du den Zehnten nicht für dich selber oder für andere Zwecke gebrauchen, sondern gezielt den Armen geben. Also praktisch ein Siebtel aller Steuern ist Sozialsteuer. Da ist die Bundesrepublik auch nicht weiter. Also das ist aber für damalige Verhältnisse enorm. Der Schabbat ist ein Schutz, eine Fürsorge für alle Befehlsempfänger,

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für alle Menschen, die Anordnungen ausführen müssen. An diese Menschen denkt der Schabbat. Er gewährt ihnen einen Schutz. Wenigstens am Schabbat hörst du keine Befehle. Gott ist kein Befehlsgeber. Gott ist kein Sklavenhalter. Er hat dem Pharao die Hebräer entrissen. Und wer mit dem Pharao fertig wird, der wird auch mit den anderen Machthabern fertig. Auf jeden Fall der biblische Glaube mischt sich ein. Er hat gesellschaftspolitische Brisanz. Kein Gebiet des Lebens ist dem Willen Gottes entzogen. Es gibt keine freien Märkte, keine Eigengesetzlichkeit der Märkte. Die Kirche soll sich aus der Wirtschaft raushalten. Das ist schon mit dem Schabbat Gebot. Das geht überhaupt nicht. Der Glaube und die Wirtschaft und die ökonomischen Interessen

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geraten ganz konfrontativ gegeneinander. Gut, also der Schabbat ist eine grundsätzliche Infragestellung des Systems der Gesellschaft. Es kommt irgendwie eine neue fremde Ordnung, wird deutlich. Und deswegen wird der Schabbat auch geboten. Er steht nicht in der Beliebigkeit der Menschen und der Machthaber. Nein, der Schabbat begegnet uns als Forderung. Denn Gott fordert ihn. Man könnte naiv fragen, der Schabbat ist doch eine Wohltat. Ja, der Schabbat ist wirklich eine Wohltat. Der Schabbat zeigt, dass Gott eine Wohltat ist. Das drückt sich im Schabbat zum Beispiel aus. Aber es ist keine harmlose Wohltat. Es ist eine Wohltat, die jeder Mensch dieser Erde in gleicher Weise bekommen soll.

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Und jeder Mensch dieser Erde, auch die Tochter der Sklavin, hat ein Recht auf diese regelmäßige Freizeit. Und eine solche Wohltat schmeckt den Herren dieser Welt nicht. Deswegen muss der Schabbat geboten werden. Er begegnet als Forderung. Jetzt hat der Schabbat aber noch weitergehende Dimensionen. Zunächst einmal ist er sehr wichtig für unser Gottesverständnis. Der Schabbat macht erlebbar, dass Gott ein Befreier ist. Dass Gott Lasten abnimmt. Gott ist ein Befreier. Und das erleben wir am Schabbat. Gott legt uns nicht unnötig Lasten auf, sondern er nimmt sie uns ab. Am Schabbat erkennen wir den Sinn aller Gebote der Bibel.

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Am Schabbat erkennen wir den Sinn aller Gebote. Die Gebote Gottes sind keine Forderungen, sondern sie entlasten von Forderungen. Die Gebote Gottes legen uns keine Last auf, sondern sie sind eine Wohltat. Deswegen ist der Schabbat das Gebot. Unser Gott ist freiheitsdurstig. Er will Freiheit und er schafft Freiheit. Religion, die nicht befreit, ist krank. Die biblische Religion führt nicht in die Enge, in Zwänge, dass wir unter den Lasten stöhnen. Sondern wie Jesus sagt, er steht ja ganz im Exodus im Schabbat, kommt her zu mir alle, die ihr mühselig, das heißt die ihr euch abmüht und die ihr belastet seid.

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Ich will euch diese Lasten abnehmen. Gott ist eine Befreiung und wir spüren, dass diese Befreiung ein Geschenk ist, die Gott für uns bewirkt. Der Schabbat soll aber auch uns Gelegenheit geben für die Bewunderung der Schöpfung. Der Schabbat ist auch von der Schöpfung her abgeleitet. Nimm dir Zeit, das zu bewundern, was Gott getan hat. Lass dich faszinieren. Erkenne die Quellen, aus denen du lebst. Schau das Schöne, das Gott bereitet hat. Also der Schabbat gibt dir Gelegenheit zur Bewunderung der Schöpfung. Und der Schabbat gibt dir auch, gibt uns auch Gelegenheit zu zweckfreier Geselligkeit.

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Wenn wir alle den gleichen Tag frei haben, dann geht es hier nicht nur um eine einsame Meditation. Der Schabbat hat eine gewisse Verwandtschaft zur Meditation, denn auch in einer Meditation, sage ich mal, auch so wie asiatische Religionen eine tiefe Qualität in der Meditation haben. In der Meditation ruhst du aus von deinen Taten. In der Meditation ist das Sein vor dem Tun. Und in der Meditation erkenntst du, dass du nicht aus deinen Taten lebst, sondern aus einer anderen Quelle. Insofern ist die Meditation eine wirkliche Analogie zum Schabbat. Und über das Schabbat Motiv ergeben sich ganz fruchtbare Dialogmöglichkeiten mit asiatischen Religionen.

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Aber beim Schabbat ist auch sehr stark mitberücksichtigt. Es geht nicht um einsame Kontemplation von Individualisten, sondern der Schabbat dient der Gemeinschaft. Erholung der anderen, der Untergebenen, der Tiere. Und wir haben alle gemeinsam Zeit zur Geselligkeit, zum Fest und zur Feier. Der Alltag braucht auch das Fest, sonst werden wir verdorben durch die Banalität des Alltags und wir kommen aus der Routine des Alltags nicht heraus. Alltag und Fest brauchen sich gegenseitig. Das Fest darf nicht eine Flucht sein, ein Ventil, sondern das Fest ist, wir schöpfen wieder Kraft und Freude, dass wir dann wieder an unsere Arbeit gehen können. Arbeit, sechs Tage Arbeit. Im Alten Testament und im Judentum ist Arbeit nichts Schmutziges, nichts Herabwürdigendes,

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sondern Arbeit hat eine Würde. Die armen, arbeitslosen Menschen, denen wird die Arbeit vorenthalten. Das Alte Testament ehrt die Arbeit wie sonst keine Schrift in der Antike. Die Arbeit hat Schöpfungsrang. Du sollst die Erde bebauen und bewahren. Es gehört zu unserer Würde, dass wir arbeiten können. Das ist für die Antike-Oberschicht völlig neu. Alle Menschen sollen gleich viel arbeiten, denn Arbeit ist unsere Würde. Aber alle Menschen brauchen auch den Ausstieg aus der Arbeit, das Fest und die Feier und die Erholung. Dass dann am Schabbat man auch in Gottesdienste geht, in den Tempel geht, ist sicher angemessen. Aber wenn man daraus jetzt schon wieder Forderungen macht,

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es geht zunächst einmal, lass ab, hör auf. Brech mit der Lüge, dass du durch pausenloses Arbeiten dein Dasein sichern kannst. Mit diesem Märchen bricht der Schabbat. Die Bibel warnt schon vor der Faulheit, aber noch mehr als vor der Faulheit warnt die Bibel die Arbeitsfanatiker. Glaube nicht, dass du durch deine Arbeit dein Dasein sichern kannst. Im Schabbat lebt der Mensch die Rechtfertigung aus dem Glauben. Im Schabbat bekennt der Mensch, ich lebe nicht aus meinen Werken und Taten, sondern ich lebe aus den Taten Gottes. Ich lebe nicht aus meinen Werken. Zur Provokation jeder Leistungsideologie heißt es in den Psalmen, den Seinen schenkt es Jahwe im Schlaf.

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Ich will einige Bemerkungen machen zum Schabbatjahr und zum Schabbatjahr im Quadrat, dem Jubeljahr. Das Schabbatjahr kommt vor allem den Armen zugute, denn es heißt an mehreren Stellen nach sechs Jahren, in denen du dein Land bebaut hast, sollst du ein Jahr Brache das Land liegen lassen. Und jetzt wird als Begründung nicht gesagt, damit sich das Land erholt. Das ist ein guter Nebeneffekt, weil auch das Land, das intensiv landwirtschaftlich genutzt wird, muss sich auch mal wieder erholen. Die Brache hat auch agrarwirtschaftlich gesehen einen sehr guten Sinn. Der wird aber im Alten Testament gar nicht im Vordergrund erwähnt, sondern es sind zwei andere Gründe.

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Also du sollst das siebte Jahr das Land brach liegen lassen, damit die Armen mit diesem Land arbeiten können und den Ertrag für sich nutzen können. Und die wilden Tiere, die wilden Tiere, das das Land, das ein Jahr lang sich selbst überlassen bleibt, entwickelt auch zum Teil. Da nisten sich jetzt wieder ganz andere. Also für die Tierwelt ist es auch eine Erfrischung. Also das Schabbatjahr dient, ist eine Fürsorge für die Armen und die wilden Tiere, die ungezähmten Tiere außerhalb des Hauses. Dann aber auch diese Sozialsteuer, der zehnte. In jedem Schabbatjahr soll gezielt den Armen im Dorf überlassen werden. Aber jetzt kommt das Jubeljahr. Also das Jubeljahr ist nun wirklich das Merkwürdigste vom Merkwürdigen.

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Ihr könnt es nachlesen in Leviticus 25, also dritter Mose 25 wird der Sinn des Jubeljahres sehr ausführlich. Das sind 20, 30, 40 Verse. Also man merkt dem Autor von Leviticus 25, dem liegt das Jubeljahr unheimlich am Herzen. Das Jubeljahr ist eigentlich das brisanteste, der tiefste Eingriff in die menschlich, wirtschaftlich, ökonomischen Interessen. Denn nach Ablauf von 49 Jahren sollen alle Schulden aufgehoben sein und jeder in den Besitz zurückkommen, den er in den letzten 49 Jahren oder sein Vater oder sein Großvater, wenn sie überschuldet waren, einen Besitz verloren haben, ein Haus, ein Land verloren haben, dürfen sie in diesen Besitz wieder zurück.

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Und der, der den Besitz inzwischen erworben hat, muss weichen. Und alle Schulden werden durchgestrichen. Nach 49 Jahren gibt es keine Schulden mehr. Der Sinn von diesem unglaublichen Gebot, das gibt es in keiner Religion. Und das zeigt, dass Religion nicht Privatsache ist, sondern dass der, der so erzählt, der stellt sich Gott als jemand vor, der sich in alles einmischt. Der Sinn ist, dass die Besitzkonzentration und die Geldkonzentration in einem frühen Stadium unterbrochen werden, damit es nicht weiter sich konzentriert. Also dieses Jubeljahr ist unglaublich. Jesus übrigens in seiner ersten Predigt in Nazareth sagt, ich bin gekommen, auszurufen ein Jubeljahr. Er beruft sich auf diese Stelle, muss ihn schwer gefallen und beeindruckt haben.

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Man kann historisch kritisch fragen, ist das Jubeljahr jemals praktiziert worden? Vermutlich eher nicht. Es war, es stieß auf dermaßen harte Widerstände auch in der israelitischen Oberschicht, dass das nicht durchzusetzen war. Es gibt von einigen Alttestamentlern die relativ ordentlich belegte These, aber 50 50 umstritten, dass das Jubeljahr vielleicht einmal durchgeführt wurde, nämlich nach Ende des babylonischen Exils. Das waren auch gerade so 49 50 Jahre zufällig, dass man gesagt hat, jetzt fangen wir neu an. Und vielleicht sind sogar diese Sätze in der Erfahrung entstanden. Denn in der Thora gibt es auch sehr junge Texte, die erst nach dem Exil entstanden sind. Also entweder ist das Jubeljahr nie praktiziert worden, aber dann ist es eine echte biblische Utopie.

49:07
Es bleibt trotzdem bestehen. Der Wille Gottes wäre das eigentlich. Und wenn ihr das Jubeljahr nicht einhaltet, dann müsst ihr wenigstens zugeben, dass ihr gegen den Willen Gottes handelt. Weil das Jubeljahr ist der Wille Gottes. Oder es ist vielleicht einmal praktiziert worden, als die Chance dazu natürlich auch einmalig gut war. Weil nach dem Exil, wenn man wieder heimkehrt, das sind ja die alten Unterlagen und Besitzverhältnisse. Die Leute sind zum Teil gestorben, weggezogen. Also da konnte man das vielleicht wirklich so als Tabula rasa. Wir fangen neu an. Aber wie immer das historisch gewesen sein muss. In diesem merkwürdigen Volk gibt es eine merkwürdige Heilige Schrift. Und in dieser merkwürdigen Heiligen Schrift gibt es das hochmerkwürdige Jubeljahr. Und die Heilige Schrift behauptet, in diesem Jubeljahr drückt sich der Wille Gottes aus.

50:10
Interessant ist auch Jesus und der Schabbat. Das will ich kurz vor dem Ende des Vortrags kurz als kleinen Ausflug einbauen. Jesus heilt ja viele Kranke. Jesus war ein Erzähler und ein Heiler. Das waren so seine zwei Lieblingsbeschäftigungen. Und er war aber auch da unbequem und provokativ. Er heilte nämlich nicht selten am Schabbat. Das war irgendwie ein Grenzfall. Denn im Laufe der jüdischen Geschichte hat man den Schabbat im Laufe der Jahrhunderte auch durch viele Vorschriften abgesichert. Diese Vorschriften haben letztlich einen guten Sinn, können aber sehr schnell zur Erbsenzählerei führen. Also man kann nach rechts und nach links in der Religion vom Pferd fallen, sehr schnell.

51:05
Es gibt dann auch skurrile Dinge am Schabbat. Aber der Schabbat insgesamt ist eine herrlich neue Eingebung. Und jetzt das Provokative bei Jesus war, dass er chronisch Kranke am Schabbat geheilt hat. Eine Frau mit einer verdorrten Hand, eine Frau mit gekrümmten Rücken oder in Bethesda, der Gelähmte, der war 38 Jahre krank. Also kann der nicht noch einen Tag warten. Jetzt war er doch schon 38 Jahre in Bethesda. Muss Jesus ausgerechnet am Schabbat chronisch Kranke heilen? In der damaligen jüdischen Theologie war es schon so, du kannst am Schabbat alles tun, wenn du damit Menschen rettest. Dann darfst du jedes Schabbat Gebot sofort brechen. Auch heute völlig klar. Wenn du siehst, da ertrinkt jemand, dann lässt du den Schabbat Schabbat sein und schaffst jetzt mit allen möglichen Sachen.

52:03
Am Ende bist du schweißgebadet, aber du hast einen Menschen gerettet. Also das darf man nicht nur, das muss man auch wenn ein Ochse oder Esel irgendwas gebrochen hat. Also am Schabbat darfst du immer helfen und Leben retten. Aber am Schabbat darfst du durch helfen nicht Geld verdienen. Dieses am Schabbat ist verboten aus ökonomischer Gewinnhaltung am Schabbat zu arbeiten. Also ein Arzt darf am Schabbat nicht arbeiten, kann ja am nächsten Tag wieder weitermachen. Und jetzt heilt Jesus am Schabbat. Das war für damaliges jüdische Recht war das ein Grenzfall. Denn man konnte Jesus nicht irgendwie juristisch packen, denn Jesus hat ja kein Geld verdient. Er ging ja nach einer Schabbat Heilung nicht mehr im Hut rum und hat Geld eingesammelt.

53:02
Er hat alles völlig umsonst gemacht. Diese Art von Arbeit am Schabbat ist juristisch eigentlich unbedenklich. Jesus hat ja geholfen. Allerdings das war ja gar keine Lebensgefahr. Er war ja, er ist ja nur gelähmt. Wieso hilft er ihm gerade am Schabbat? Dem könnte man doch auch an den anderen Tagen genauso gut helfen. Und da steckt ganz sicher eine Absicht dahinter. Leider sagt Jesus die Absicht nicht, sie ist auch nicht überliefert. Aber es spricht alles dafür und nichts dagegen, dass Jesus ausgerechnet, bewusst, am liebsten am Schabbat geheilt hat. Auch chronisch Kranke. Um auszudrücken, am schönsten ist eigentlich, wenn man am Tag des Herrn, am Tag seines Vaters, den Sinn des Schabbat, der ist einfach, es war ein bisschen provozierend ausgedrückt,

54:07
aber Jesus muss den Schabbat geliebt haben. Er sagt ja auch mal, der Mensch ist nicht um das Schabbat willen da, sondern der Schabbat ist eine Wohltat für den Menschen. Und das hat Jesus auch mit riskanten, provozierenden Mitteln in die Tat umgesetzt. Beeindruckt mich zutiefst das Verhältnis zwischen Jesus und Schabbat. Ich möchte mit folgenden Worten schließen. Im Alten Testament, in der jüdischen Bibel hat der Schabbat etwas Endgültiges. In allem Erreichbaren und Erreichten, was politisch, gesellschaftlich machbar ist, weist der Schabbat über alles Machbare hinaus. Er ist ein Zeichen, ein Symbol. Es heißt an mehreren Stellen, bei Hesekien und anderen Schriften,

55:03
mit dem Schabbat habe ich euch ein Zeichen gegeben, ein endgültiges Zeichen. Der Schabbat weist auf das große Ziel der Geschichte der Menschheit mit Gott hin, nämlich die endgültige Freiheit. Der Schabbat ist nur ein Vorgeschmack. Er ist nur ein Zipfel von dem, was Gott vorhat. Aber der Schabbat ist ein klares Zeichen für den befreienden Charakter des biblischen Glaubens und des biblischen Gottes. Die ägyptischen Pyramiden sind wir sehr erstaunt. Sie nutzen sich relativ wenig ab. Meine Frau und ich sind vor einigen Jahren vor diesen großen ägyptischen Pyramiden gestanden und wir waren tief beeindruckt. Sie sind bis zu 4000 bis 5000 Jahre alt.

56:01
Aber sie sind schon auch ganz schön abgenutzt. Oder nehmen wir mal die mittelalterlichen Dome, der Kölner Dom, das Ulmer Münster. Wir stehen vor diesen Gebäuden sehr beeindruckt. Aber viel weniger als sich die ägyptischen Pyramiden abnutzen und viel weniger als die mittelalterlichen Dome, nutzt sich der Schabbat ab. Der Schabbat ist nicht eingraviert in Stein. Er ist eingraviert in die Zeit. Der Schabbat nutzt sich überhaupt nicht ab. Und diese unglaubliche, fundamentale, befreiende Botschaft des Schabbats ist ein leuchtendes, eindeutiges Zeichen über die Qualität des Exodus Gottes.

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Die Bedeutung des Schabbat | 5.11.2

Worthaus Pop-Up – Düsseldorf: 30. Dezember 2015 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Wenigstens einen Tag die Woche frei haben, das ist fast auf der ganzen Welt selbstverständlich, egal ob im abendländisch-christlichen Europa, im buddhistisch-hinduistischen Südostasien oder in muslimischen Ländern. Doch nur im Judentum und Christentum ist dieser eine freie Tag in der Woche in den heiligen Schriften verankert. Die Israeliten waren die Ersten, die jeden siebten Tag die Arbeit niederlegen sollten, nicht einmal Sklaven und Tiere arbeiten lassen durften. Was für eine Revolution in einer Zeit, in der die Armen fast ohne Pause arbeiteten und die Reichen andere für sich arbeiten ließen. Dieser freie Tag in der Woche, der Schabbat, ist eine Erfindung, die Menschen befreit. Und er ist nichts, was sich ignorieren ließe. Kein Gebot im Alten Testament wird so häufig erwähnt wie das Gebot, den Schabbat zu heiligen. Und wie soll das gehen, dieses „heiligen“? Jeden Sonntag in die Kirche rennen, auch wenn es einen anödet? Siegfried Zimmer gibt Entwarnung. Der Schabbat ist für den Menschen da, für Ruhe und Erholung. Aber viel mehr noch ist er ein Kampfmittel gegen das herrschende System. Es zeigt: Religion ist keine Privatsache. Gott mischt sich in alle Angelegenheiten des Lebens ein. Und das ist gut so. Das befreit.