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Es geht um etwas, was im Bereich der RxGese so was wie Zukunftsforschung im Bereich der BWL ist. Das heißt, wir haben uralte Texte und wir wollen schauen, sind diese Texte noch aktuell? Kann man mit diesen Texten noch was tun? Wenn man sie interpretiert, sagen sie uns heute noch was. Und zwar nicht irgendwas, was so halbmistisch oder wo tiefste religiöse Gefühle irgendwie aufgebaut sind. Kann man die irgendwie verwenden noch? Oder sagen wir, wir lesen da und denken, aha, nur wenn es um Religion geht. Aber sonst kann man sie wirklich nicht mehr gebrauchen.

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Das ist eine sehr interessante Fragestellung. Man betreibt heutzutage Theologie und zumindest RxGese und biblische Theologie als historische Wissenschaft. Das heißt, man ist nicht mehr konfessionell, man liest diese Texte mehr als historische Texte. Und etwas, was man sehr häufig sagt, das sagen auch die Welthistoriker und die Zeithistoriker, wenn man die Vergangenheit vergisst, macht man irgendwann mehr oder weniger später die gleichen Fehler. Und ich denke, das stimmt zum Teil, zum Teil auch nicht. Aber solche Texte kann man auch lesen, kann man interpretieren, indem man schaut, was sagen sie uns heute. Und das ist das, was ich in dieser nächsten eineinhalb Stunden mit Ihnen ein bisschen besprechen möchte. Eine Vorbemerkung. Diese Texte kann man aktualisieren, kann man lesen und man kann sich fragen,

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sagen Sie mir heute noch was. Das ist eine Frage, die wir uns stellen können. Aber die Antwort, die man sich oder die Position, die von Anfang an klar sein sollte, ist, dass diese Texte vielleicht auch konkrete Lösungen anbieten, die aber nicht eins zu eins für uns heute anwendbar sind. Ich hoffe, dass das für alle klar ist. Ich hoffe, dass Sie nicht irgendwelche Lösungen erwarten, wie kann man die sozialen Probleme der deutschen Gesellschaft lösen anhand von Amos. Das ist nicht das, was jetzt kommt. Ich hoffe, dass niemand enttäuscht ist deswegen. Aber es kommt was anderes, wo ich denke, es ist vielleicht ein Ansatzpunkt, um auch über die deutsche Gesellschaft zu rekrutieren anhand von diesen Texten. Keine konkreten Lösungen, aber sowas wie Handlungsmuster.

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Allerdings, diese Handlungsmuster werden wir leider sehen, die sind weder einheitlich noch eindeutig. Und dann gibt es ein zusätzliches Problem. Ich möchte die nächste eineinhalb Stunden in vier Momenten organisieren. Das heißt, ich werde grundsätzlich vier Aspekte, die vielleicht hintereinander zusammenhängen, aber auch in die ganze, aber vier Aspekte mit Ihnen besprechen. Zunächst einmal ganz wichtig ist die Methode. Wie gehen wir diese Texte an? Eine Frage zur Methode und eine Frage zu den Inhalten. Danach schauen wir uns die Frage nach der Sozialkritik wieder in der Alte Profete um. Was für Perspektive? Eröffnen Sie sich. Sozialkritik hat eine ganz klare Folge, zumindest in den Augen von den Leuten,

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die diese Texte geschrieben oder redigiert haben. Sozialkritik führt zum Gericht. Das ist ganz, ganz massiv, vor allem in den ersten, in den ältesten Schriften der Profete. Und da auch ein Gericht ist gut und heilig, aber wieso? Und da können wir uns auch fragen, was für Perspektive. Entwickeln Sie sich. Dann werde ich einfach zwei Beispiele nennen. Oder man kann jede Menge Beispiele nennen. Zwei Grundlinien kann man da schildern und anschließend die letzte zehn Minuten, vierte Stunde entscheiden. Okay, Profeten, ja, gericht, Sozialkritik. Und was ist heute mit diesen Texten? Ich werde versuchen, zumindest einige These zu skizzieren, wie man heute mit solchen Texten umgehen kann. Ja, zunächst einmal die methodische Frage. Mit der Methode beginnt und endet alles.

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Über die Inhalte kann man nicht mehr darüber diskutieren, aber die Methode ist entscheidend, weil die Frage nach der Methode entscheidet im Prinzip, zu welchen Schlussfolgerungen man kommt. Die erste Eingrenzung, die man vornehmen muss, ist über die Inhalte. Wir schauen uns prophetische Texte, die sich als Gerichtsprophätie ausgeben. Nicht alle prophetische Texte sind Gerichtsprophätie. Wir schauen eben einen Teil davon. Das heißt, das, was wir jetzt sagen werden, ist nicht die Prophetie an sich, sondern die Gerichtsprophädie. Das ist das Erste. Diese Gerichtsprophädie haben wir heute Vormittag gesehen. Das ist vermehrte Sozialkritik. Ein Gericht entsteht, die Protest entsteht im Moment, wo man Sozialmissstände wahrnimmt. Und diese Sozialkritik geht klarerweise eins zu eins zusammen mit dem, was Gesellschaftskritik ist.

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Das heißt, von der Gerichtsprophädie zur Sozialkritik und dann zur Gesellschaftskritik. Die prophetische Protest, die prophetische Sozialkritik, die gilt in eine konkrete Situation. Das ist die konkrete Situation, wo diese Texte entstanden sind. Die gibt aber eventuell auch Impulse für das Heute, für das heutige Gesellschaft. Die Frage ist, inwieweit? Inwieweit? Weil wir werden sehen, die Botschaft, die diese Propheten vermitteln, ist leider nicht einheitlich. Man kann nicht sagen, das ist die Sozialkritik und das ist immer gleich. Man muss die Texte lesen. Man muss leider Gottes merken, auch wenn es schön wäre, wenn die so was wie mathematische Schlussfolgerungen wären oder logische Schlussfolgerungen, das sind es nicht.

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Es sind Texte, die, wie wir heute vormittag gesagt haben, wie auch Herr Zimmer ganz klar gesagt hat, es sind Texte, die meistens durch irgendwelche konkrete Gegebenheiten entstehen. Das heißt, es gibt einen konkreten Fall und da entsteht ein Text, der dann auch für andere Fälle aktualisiert werden kann. Aber die Entscheidung, die ich in einem konkreten Fall treffe, kann ganz anders sein als die Entscheidung, die ich in einem anderen Moment treffe. Und dann kommen Saki zusammen, die gleichzeitig passieren, mehr oder weniger, aber inhaltlich ganz auseinander gehen können. Wir werden gleich ein Beispiel sehen, damit die Sache auch klar wird. Das zeigt, dass diese Texte, die wir lesen, problemlos aktualisiert werden können.

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Das heißt, ich kann mich fragen, was bedeutet Amos heute? Das, was aber nicht passieren soll und nicht passieren darf, ist, dass diese Texte ins heutige übertragen werden. Ansonsten kriegen wir echt Probleme und die Probleme sind massiv. Ich mache jetzt keine konkreten Beispiele, aber ich mache schon Beispiele. Aber ich hoffe, dass niemand beleidigt ist deswegen. Man sucht sich Beispiele, damit das klar ist. Gerade in der Art von religiösen Gemeinschaften, die nennen wir Kirchen. Die im Laufe der Geschichte, wo diese Kirche entstanden sind, werden diese Texte als autoritative Texte gelesen. Und dann plötzlich, auf einmal, gibt es Leute, die meinen, um zu argumentieren, um andere zu überzeugen, dass wir recht haben,

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man holt sich aus diesen sehr alten Texten irgendwelche Sätze raus. Und die präsentiert man, als ob das die Lösung wäre. Paulus zum Beispiel und man nimmt immer, ich bin ein Altersstammenter, aber bei solchen Fällen, man nimmt Beispiele aus dem Neuen Testament, weil die sind einfacher. Vor allem Paulus sagt an die Korinther, Frauen sollen in der Gemeinde nicht reden. Das ist ein offensichtliches Problem. Frauen quatschen gerne. Das war gendernicht korrekt, aber es ist wurscht. Frauen reden gerne und die haben immer wieder Fragen. In der Interkunft steht auch, die Frauen reden gerne, nicht nur reden gerne, sondern die verstehen auch ganz wenig.

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Deswegen haben sie ständig Fragen. Und in der Gemeinde, wenn sie ständig diese Frauen reden, dann haben die ein Problem. Und Paulus sagt, in der Gemeinde sollen die Frauen nicht reden. Und wenn sie Fragen haben, sollen sie den Mann befragen, wenn sie daheim sind. Solche Texte tauchen auf, die werden aber heute meistens nicht mehr so wortwörtlich genommen. Aber es gab eine Zeit, wo es so war. Das heißt, Frauen durften nicht reden. Es gibt Paare, wo Mädchen nicht ministrieren durften. Frauen durften lange Zeit das Wort Gottes nicht lesen. Es war nicht im Mittelalter, vor ein paar Jahren. Und man argumentiert mit solchen Texten, die ganz alt sind. Die werden nicht aktualisiert, die werden einfach in die heutige Zeit übertragen.

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Und dann denkt man, okay, wir machen das richtig, weil das ist so drinnen geschrieben. Mein liebes Beispiel mache ich nicht, das ist aber, das mache ich doch. Das ist eine Auseinandersetzung. Der Jesus redet mit seinen Freunden und dann plötzlich tauchen ein paar Pharisäer, die eben den Jesus und die stellen ihm eine Fangfrage. Und die Fangfrage betrifft eine Problematik, die eigentlich für die ganze Botschaft Jesu völlig irrelevant war. Betrifft die Tatsache, ob man sich scheiden lassen darf oder nicht. Und wenn man sich scheiden lassen darf oder nicht, was passiert danach? Und da gibt Jesus eine Antwort. Und diese Antwort ist situationsgebunden, meine Mannunacht.

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Das heißt, in der damaligen Zeit, in der konkreten Situation, in dem historischen Zusammenhang, vielleicht ist es nicht historisch, aber in dem literarischen Zusammenhang als historisch dargestellt, bekommen diese Leute eine Antwort. Und das ist die klassische logische Antwort, die jeder bekommen hätte auf so eine Frage. Nämlich Jesus wird provoziert und er antwortet ihm mit einer Provokation. Und er sagt, ja, Mose hat erlaubt, Mose ist das Sinnbild für das Gesetz, das heißt in der Thora ist die Scheidung möglich. Wenn, pa pa pa. Mose hat es erlaubt, weil er ein Volk, das nicht wirklich versteht, sei, aber jetzt sollte es nicht mehr so sein. Jetzt auf diese Frage, mit dieser Problematik beschert sich, was ist hier noch heute. Das heißt, eine Aussage, die in einer bestimmten Zeit gesagt wurde, in einer bestimmten Kultur,

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wird daraus eine Regel gemacht, die immer noch gilt. Was in einer religiösen Gemeinschaft mit solcher Aussage passiert, das ist etwas, was dann aber mit den Texten nicht mehr wirklich zu tun hat. Das heißt, als Exegett muss man ganz klar unterscheiden zwischen dem, was die Entwicklung ist und dem, was ursprünglich war. Das heißt, wir lesen diese Texte als Texte, die in einer bestimmten Zeit entstanden sind. Man spricht von Sitz im Leben als Sovetsbegriff. Und da muss man sagen, man muss aufpassen. Okay, ohne zu beurteilen, was dann die Kirche mit dieser Regel gemacht hat. Aber da sind offensichtlich Texte, die vor 2000 Jahren geschrieben worden sind, die in einer bestimmten Situation geschrieben worden sind, in einer bestimmten Kultur mit einer bestimmten Absicht, die werden nicht aktualisiert, die werden einfach in solche

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übertragen. Man darf das tun, das ist absolut keine Frage. Und man tut es auch. Und es gibt eben Leute, die aufgrund von solcher Aussage schwerwiegende Entscheidungen auch für das normale Leben von Menschen in der Gemeinde treffen. Man kann das tun, das ist absolut keine Frage. Die Frage, die man sich stellen kann und soll als Exegett, ist, ist es legitim, sowas zu tun? Darf ich Texte, die ganz alte Texte sind, ins heutige übertragen? Und jetzt gehen wir zu den Propheten zurück und wir machen noch eine kleine, kurze, methodische Bemerkung, die sehr interessant ist. Und zwar, wenn der Heilige Franz Friskus, den kennen Sie, oder? Den Franz von Assisi. Der ist superheilig. Der war aber nicht immer ein Heiliger, der hat ein Leben davor, bevor er heilig war.

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Und dieses Leben, ja, ja, das ist eine Strecke. Alle diese Heiligen, die waren davor nicht heilig, aber dann werden sie heilig. Egal. Der Franz von Assisi, kurz vor, der ist verletzt, der hat seine Probleme. Und dann, der kommt, ich glaube, der war nicht mit dem Pferd unterwegs, sondern der war zu Fuß unterwegs. Er kommt in eine kleine Kirche vorbei, eine kleine, relativ kaputtgegangene Kirche, im Prinzip die Ruine einer Kirche, die Kirche von San Damiano, in der Nähe von Assisi. Und drinnen steht eine Bibel. Er nimmt diese Bibel und beginnt in der Bibel zu lesen. Der wollte es nicht, aber so erzählt zumindest die Legende. Er liest in dieser Bibel und er macht diese Bibel auf und er liest in dieser Bibel einen Satz aus dem Alten Testament, auch sehr interessant. Und dieser Satz heißt, du sollst mein Haus erneuern.

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Das liest er. Dieser Satz aus dem Alten Testament, ein Prophetentext, stammt aus einem Propheten, der sehr stark gegen die Leute polemisierte, die weder Arbeiten noch Spenden geben, um den Tempel, nachdem der Tempel zerstört worden war von den Babylonier, um den Tempel wieder zu rekonstruieren. Das heißt, es ist im Prinzip ein Satz, der in einem Zusammenhang steht, was eigentlich problematisch ist. Im Prinzip sagt der Prophet, er sollte Kirchensteuer zahlen, und zwar schnell und alle. Der Franz von Assisi liest diesen Satz, aber er versteht das nicht in der Zeit von damals, sondern er ist in dieser kaputten Kirche. Du sollst mein Haus wieder aufbauen. Er denkt nicht an den zweiten Tempel in Jerusalem, irgendwann am Ende des sechsten Jahrhunderts,

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sondern er denkt, ich muss die Kirche da aufbauen, die kleine Kirche von San Damiano. Und er geht nach Hause, beginnt die Stoffe von seinem Papa zu verkaufen, um Steine, das macht er wirklich, und dann passiert die ganze Sache. Texte, die in einer Zeit geschrieben worden sind, die werden einfach in die Gegenwart übertragen. Das kann man machen, eben der Franz von Assisi macht das, im Fall von der Geschichte, wie er verratet, machen das viele religiöse Gemeinschaften. Die Frage ist, ist es legitim, aus esegedischer Sicht, jein. Wir sind, ja nein, darf ich das nicht sagen, weil ich werde übernommen, dann lande ich im Internet, ich muss immer eine Frau und drei Kinder ernähren, wenn ich da ja nein sage, dann darf ich Theologie nicht mehr unterrichten, dann sind Probleme.

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Jein, und dieses Jein hat eine ganz klare methodische Grundlage, nämlich egal ob wir das wahr haben wollen oder nicht, egal ob viele Leute, die hohe Positionen auch in vieler religiöse Gemeinde beziehen, das wahr haben wollen oder nicht, wir sind nicht die erste Adressaten dieser Texte. Und das ist, ich hoffe für Sie, keine besondere Erkenntnis, ich hoffe, es sollte eigentlich normal sein. Wenn wir das Nibelungen Lied lesen, ich glaube niemand von Ihnen stellt sich die Frage, ist das Ding jetzt als historische Darstellung der Entstehung des deutschen Volkes für Kinder, die im Jahr 2015 in der 5. oder 6. Schulstufe sind, oder? Aber diese Texte, das war nicht witzig gemeint, das ist leider so, mit den Nibelungen Lied

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tut niemand Geschicht unterrichten, okay? Aber mit manchen Texten aus der Bibel schon, vielleicht nicht nur Geschichte, sondern Moral, Ethik und alles was dazu gehört. Und das ist das Problem. Diese Texte sind nicht zum nächsten Mal für uns geschrieben worden. Nicht einmal für Leute, die in unserer Kultur leben. Nicht einmal für, okay, diese ist die Hauptanliegen von meinem Referat heute Nachmittag. Das heißt, wenn wir dann über solche Texte reden, müssen wir immer das Bewusstsein haben, wir lesen die, wir verstehen die, wir können unser Leben danach richten, okay? Aber wir müssen immer aufpassen. Es sind unterschiedliche Ebenen. Wenn wir jetzt Sozialkritik sagen, und wenn wir sagen, ja die Schriftpropheten, die üben

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Sozialkritik, die prophezeien ein Gericht und diese ganze böse Sache, wir müssen auch da immer uns vor Augen führen, Sozialkritik in der damaligen Zeit hat mit Sozialkritik heute relativ wenig zu tun. Das heißt nicht, dass wir diese Texte nicht ins heutige übertragen können, äh, aktualisieren können. Heißt aber, dass wir sie nicht eins zu eins ins heutige übersetzen dürfen. Sozialkritik hat vor allem von der Gattung her, wenn eine schimpft und kritisiert, der ist nie objektiv, okay? Und wir können nie verlangen, dass die Propheten, die vor 2500 Jahren oder ungefähr in die Richtung,

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ganz stark sich gegen irgendwelche Missstände ausgesprochen haben, man kann nicht verlangen, dass die objektiv waren. Und so Sachen müssen wir wahrnehmen, wenn wir diese Texte lesen, die erzählen uns nicht die Wahrheit, sondern die erzählen eine Wahrnehmung von dieser Wahrheit, von der konkreten Gesellschaft. Noch eine kleine Anmerkung, die auch aber ganz wichtig ist, der Prophet, so wie im Prinzip heute derjenige, der sich als kritischer Stimme in der Gesellschaft wahrnimmt, der muss nicht einmal betroffen sein, um Sozialkritik auszuüben. Ein Amos, der als wohlhabende Bauer dargestellt wird, der ist von den sozialen Missständen,

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die zu seiner Zeit, zumindest auf literarischem Leben, herrschen, absolut nicht betroffen, stört ihn nicht. Ein Jesaja, der ist ein wohlhabender Mitglied der Priesterklasse in Jerusalem, so zumindest die literarische Biografie des Jesaja. Der hat absolut kein Problem mit, der ist jeden Tag und es geht ihm gut. Sozialkritik muss, und das ist ein bisschen auch das Problem, was, ist kein Problem, aber was man auch heute zum Teil hat, eben, es sind die linke Intellektuelle, die sich bestimmte Entscheidungen leisten können. Wenn man eben von Hartz IV lebt, kann man kritisieren, so viel man will, aber man lebt von Hartz IV. Und das können wir auch in den Texten der Bibel anschauen.

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Sozialkritik hat noch einen interessanten Aspekt. Sozialkritik lebt im Prinzip von der Wirkung, die erzählt wird. Wenn man keine Änderungen will, braucht man nicht zu kritisieren. Auf der anderen Seite ist man mit der Kritik sehr häufig nicht in der Lage, Änderungen zu bewirken. Man will eine Änderung erwirken, kann man das aber nicht. Und mit dieser Dikotomie, mit dieser Problematik entstehen auch solche prophetische Texte. Das letzte. Sozialkritik will Menschen schockieren. Das hören wir sehr häufig auch in mancher Rede von manchen Politikern oder in der letzten

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Zeit von manchen Gewerkschaftern. Wir blockieren Deutschland zu Pfingsten. Und dann steht die Bahn da. Zum Glück machen sie das nicht. Aber man will mit der Sprache irgendwie schockieren. Und in der Antike, wenn man Sozialkritik ausübt, verwendet man sehr häufig Bilder, die nicht der Realität entsprechen. Die Realität wird in Schwarz-Weiß dargestellt. Ja, nein, ganz klare Abgrenzungen, damit man checkt, wo man ist. Und man verwendet Bilder. Bilder, die vielleicht schwierig zu verstehen sind, aber Bilder, die die Menschen irgendwie berühren wollen. Ein Beispiel habe ich mir ausgesucht. Das ist eine von meiner Lieblingsstelle gewesen. Wie unser Freund der Amos.

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Der Amos beschreibt den Tag des Gerichtes. Und er macht es mit einem sehr schönen Bild. Der Tag des Gerichtes ist es, wie wenn jemand vor dem Löwen flieht. Und es begegnet ihm der Bär. Aber er läuft, er kommt noch nach Hause. Er stutzt sich seine Hand an die Mauer und da weist ihm die Schlange. Wunderschönes Bild, um Menschen zu schockieren. Löwe, Bär, Schlange. Bilder, die ich hasse, ich kotze auf eure Feste und auf eure Festversammlungen. Ich kann sie nicht mehr riechen. Denn wenn ihr mir Brandopfer opfert, sie missfallen mir. Eine Sprache, die schockieren will. Eine Sprache, die schockieren will und weil sie eben schockieren will, nicht sachlich

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ist. Es ist schwierig aus solchen Texten allgemeingültige Lösungen herauszufischen. Ich habe den heutigen Vormittag mit einer Aussage beendet. Nämlich Gericht ist nicht das letzte Wort. Die Propheten kritisieren sehr viel, schimpfen sehr viel. Die sind meistens total frustrierte Leute und voll sauer, weil sie im Prinzip gar nichts von dem erreichen würden. Sie haben die Gewissheit, Gott steht auf unserer Seite, steht auf meiner Seite. Ich habe bei Gott Recht, aber konkret praktisch erreiche ich gar nichts. Und das ist das Schicksal, das alle durchmachen. Die bleiben aber meistens nicht bei der Schimpftirade. Die versuchen irgendwie Perspektive, Zukunftsperspektive aufzuzeigen.

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Und das ist der zweite Punkt, den ich mit Ihnen jetzt kurz beschreiben möchte. Ich habe gesagt, Propheten sind nicht unbedingt Leute, die weit sichtig irgendwas in der Zukunft vorher sagen. Es gibt ein paar, die auch so etwas tun, aber die meisten sind eh ganz bodenständige Menschen, die ihre Zeit analysieren, die die Missstände, mit denen sie jeden Tag zu tun haben, anschauen, analysieren und eventuell kritisieren. Dass so eine Tätigkeit eine gewaltige Bewegungskraft in sich hat, ist von der konkreten Tatsache in meiner Meinung nach bewiesen, dass wir heute im Jahr 2015 die Worte eines Amos lesen

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können. Das heißt, es gab Menschen durch die Jahrhunderte hindurch, die sich immer wieder mit den Worten von diesen Propheten identifizieren könnten. Das ist nicht selbstverständlich. Sicher ist das konfessionell gebunden. Aber diese Schriften sind irgendwann in einer religiösen Gemeinschaft und deswegen sind sie immer wieder tradiert worden. Aber wieso gerade diese Schriften und nicht irgendwelche anderen? Die Tatsache, dass diese Schriften weiter tradiert worden sind, immer wieder neu gelesen worden und eine gewisse Zeit immer wieder, man sagte in der Fachsprache, fortgeschrieben worden. Das heißt, es gibt irgendein Nukleus, ein Kern, das vielleicht auf eine, das werden Sie morgen vom Prophet, von Professor Zimmer hören. Aber es ist schön, dass man Ihnen das Prophet bezeichnet.

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Okay, vom Kollegen Zimmer hören. Er geht davon aus, dass Amos beschreibt einige Visionen und er geht davon aus, dass ein paar von diesen Visionen authentisch sind. Das heißt, da ist die ipsissima vox des Propheten. Das heißt, richtig seine Stimme, das, was er im Jahre 760 vor Christus wirklich erlebt hat. Ja, man kann das so sehen, muss man aber nicht. Jedenfalls, ein Kern ist vielleicht doch historisch, aber ganz, ganz, ganz wenig. Viel mehr ist das, was danach entstanden ist. Das heißt, eine Gruppe von Menschen erkennen in diesen Worten etwas, was für sie auch relevant ist, was sie auch bewegt. Und sie schreiben diese Texte weiter, sie aktualisieren sie immer wieder neu. Das, was Sie heute haben, ist der fertige Text. Man kann durch wissenschaftliche Kriterien oder mit wissenschaftlichen Kriterien die Schikten wiederfinden.

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Man kann zurück zu den Ursprüngen. Es ist extra schwierig. Man findet kaum zwei Exergeten, die genau das Gleiche denken. Aber man kann versuchen, zurückzugehen, welche waren das Urwort. Bringt nicht wirklich viel, kann man das aber tun. Das, was aber fix steht und ganz wichtig ist, auch für uns heute, man kann diese Texte lesen und immer wieder neu aktualisieren. Der Prophet eben und diese Gemeinschaft, diese Prophetenschule nennt man die, die diese Texte weiterverfolgen, sind ein Beweis, dass diese soziale Kritik keine abgeschlossene, fertige, nur aufs Negative beschränkt war. Wenn eine nur schimpft, irgendwann hat man es genug gehört und ja, okay, schimpft weiter. Die Zukunftsperspektive ist entscheidend, damit diese Texte wirklich ihre Aktualität

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heute auch noch behalten. Die Propheten sind aber keine Sozialreformer. Das heißt, ich kann Amos oder Mika nicht unbedingt verwenden, um die heutige Gesellschaft zu reformieren. Es gibt ein paar, die ganz gerne diese Sozialreformer hätten. Allerdings, keine einzige von diesen Prophetenschriften wagt irgendwie konkret zu werden. Das höchste der Gefühle ist, Gott wird eingreifen und dann wird es passieren. Das heißt, die Reform, die braucht man, aber ich habe keine Ahnung, wie Gott das machen wird. Diese Einstellung ist ganz, ganz interessant, wenn wir dann diese Texte ins heutige übersetzen wollen. Es geht auf zwei Ebenen. Auf eine inhaltliche Ebene und dann auf eine Ebene der Perspektive.

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Interessanterweise, das, was ich jetzt erstelle, geschieht nicht chronologisch, sondern im Prinzip gleichzeitig. Auf inhaltlicher Ebene gibt es Propheten, die sowas wie ein Gericht ansagen. Es wird ein Gericht kommen, Leute, die das und das tun, die werden von Gott bestraft. Und wenn sie vom Löwen weggelaufen sind oder vom Bär weggelaufen sind, keine Angst, spätestens die Schlange erwischen. Das heißt, das Gericht wird kommen und man kann nichts machen. Und kommt die Schlange und dann ist es fertig. Das heißt, es ist ein Gericht und es kommt keine Heilserwartung. Es gibt kein positives Ende. Gericht ist Gericht. In der traditionellen Forschung sagt man dazu, das war die Vorstellung vor dem Exil.

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Da braucht man vielleicht eine kleine Fußnote. In der Exegese teilt man die Geschichte Israels ganz grob in zwei Momente oder in zwei Perioden. Und diese Perioden werden von dem sogenannten Babylonischen Exil getrennt. Der Babylonische Exil war in der Tat ein riesengroßes Problem. Die Babylonier waren die Ersten, die es geschafft haben, Jerusalem zu erobern und nicht nur Jerusalem zu erobern, sondern den Tempel, den es in Jerusalem gab, zu zerstören. Der Tempel wurde traditionsgemäß von Salomo gebaut. Heute diskutiert man, ob es überhaupt einen Salomo gegeben hat. Dann können wir uns vorstellen, ob es den Salomo vielleicht nie gegeben hat, wie er den Tempel hätte bauen können. Archäologisch gesehen haben wir von diesem Tempel absolut nichts.

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Leider, oder zum Glück, wo früher der Tempel war in Jerusalem, steht heute eine Moschee. Da unten darf man nicht ausgraben. Die israelischen Archäologen haben in den vergangenen zehn Jahren, angefangen vom jüdischen Viertel, einen Tunnel gegraben. Den Tunnel kann man heute besichtigen. Das ist der Western Wall Tunnel. Man kann bis zu dem Punkt, wo das Zentrum des Tempels war, unterirdisch hineingehen. Man hat total viel Material daraus geholt. Man sieht total schöne Sachen. Allerdings hat man von diesem ersten Tempel wirklich gar nichts gefunden. Es ist noch lange kein Grund, zu sagen, dass es den ersten Tempel nie gegeben hat.

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Man muss sagen, dass der erste Tempel archäologisch noch nicht wirklich bewiesen ist. Jedenfalls wird dargestellt, dass die Babylonier diesen Tempel zerstören und die ganze Oberschicht Jerusalems nach Babylon verschleppen. Da beginnt die Zeit des Exils. Der Exil dauert nicht lange. Die Babylonier haben das Pech, dass sie gleich einmal gegen die Persen kämpfen. Die Exilierten kommen zurück und bauen diesen zweiten Tempel.

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Für unsere historische Einstellung ist es ganz wichtig, dass die Propheten, die wir traditionell als Propheten der vorexistischen Zeit bezeichnen, keinen Heil kennen. Sie haben nur das Gericht. Es gibt keine Heilszeit. Es gibt nur die Strafe, die Strafe, die Strafe. Die Strafe wird kommen. Und die Strafe kommt auch. Nämlich die Babylonier kommen und zerstören alles. Das ist die Strafe. Historisch gesehen ist die Strafe wirklich gekommen. Die Frage ist, ob man diese Strafe schon davor gesehen hat oder ob man die ganze Texte zur Strafe erst danach geschrieben hat, um zu zeigen, wir haben das aber gewusst. Ist es ungefähr klar, wie das funktioniert? Das heißt, die Babylonier haben den Tempel bereits zerstört und diese Straftexte, die

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das Heil nicht kennen, sind Texte, die genau in einer Zeit entstehen, wo der Tempel bereits zerstört ist, wo die ganze Lite bereits verschleppt ist. Und man vertut das Ganze aber zwei Jahrhunderte davor, um zu zeigen, man hat das schon gewusst. Wenn wir an die Propheten gehört hätten, dann hätten wir diese Katastrophe, die nationale Katastrophe, hätten wir das entgehen können. Literalisch gesehen ist ein Trick, was im Prinzip sehr banal ist. Heute, 2500 Jahre danach, checken wir diesen Trick nicht und man denkt, aha, schau, vor dem Exil gibt es nur Gericht. Es ist sehr wahrscheinlich nicht vor dem Exil. Das heißt, es ist bereits nach dem Exil und die ganze Geschichte wird nochmals so durchgelesen und durchdekliniert durch diese Katastrophe. Nach dem Exil, im Gegenteil, haben wir die ersten Propheten, die sowas wie eine Heilsvorstellung präsentieren. Und zwar, es gibt das Gericht, aber wir sind doch zurückgekommen.

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Wir haben es geschafft, unser Land wieder halbwegs in Ordnung zu bringen. Wir haben sogar einen zweiten Tempel, noch schöner, noch größer als der erste gebaut. Das heißt, es geht schon bergauf. Es ist nicht nur eine Katastrophe, sondern es gibt auf literarischer Ebene, auch da passiert etwas, was ganz klar ist. Man prophezeit nicht das Heil irgendwann, sondern man sieht, so schlimm ist es doch nicht, es war mühsam, aber wir kommen langsam weiter. Und dann versucht man, mit solchen Texten den Menschen Hoffnung zu machen. Dass es doch weitergeht. Für manche ist es aber nie genug. Das heißt, wir sind zwar zurück, wir haben es an den Tempel, die Wirtschaft funktioniert halbwegs. Wir sind sicher eine Provinz, in der Art von einem Reich, was viel größer ist.

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Aber es gibt welche, die immer etwas zu schimpfen haben müssen und die sagen, es gibt immer etwas zu verbessern. Und man kann nicht wirklich viel mehr verbessern. Der Tempel, der Ort, wo Gott auf die Erde entschieden hat zu wohnen, ist da. Viel mehr kann man nicht wirklich haben. Es gibt keine Verbesserung in der Geschichte. Die Geschichte, die konkrete Sache ist bereits besser als das, geht nicht. Was passiert? Man denkt sich, eine neue Zeit. Nämlich nicht eine reale, konkrete Zeit. Da ist nicht eine Heilszeit in unserer Welt, sondern eine Heilszeit in eine andere Welt. Und da finden wir in manchen Prophetenschriften die sogenannte eskatologische Hoffnung.

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Ich sage das Wort eskatologie den meisten wasseln, muss ich das erklären? Nein. Die Hoffnung ist nicht im Heute, sondern, wieder ein griechisches Wort, eskaton. Eskaton sind die letzte Sache, die letzte Dinge. Die Lösung, die Perspektive ist nicht eine Perspektive für morgen, übermorgen, in zehn Jahren, sondern ganz, ganz am Ende. Wenn der Messias oder wenn Gott wieder kommen wird. Die Lösung von allen Problemen kann ich nicht für die konkrete Welt jetzt mir ausdenken, sondern die denke ich eskatologisch. In eine ganz, ganz weite ferne Zeit, sogar in eine Zeit, die nicht mehr unsere Zeit ist. Eine ganz weite Vorstellung. Jesaja am Ende seines Buches, eben nicht der Jesaja, sondern die Schule, die Jahrhunderte

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nach den ersten Prophezeiungen eines möglichen Jesaja aus dem 8. Jahrhundert, im Buch des Propheten Jesaja endet Manna mit der Vorstellung von einer neuen Jerusalem. Das heißt, Jerusalem gibt es, der Tempel gibt es, es gibt eine Priesterschaft, es funktioniert alles, aber es passt mir nicht. Ich brauche etwas Neues. Ich brauche eine neue Jerusalem. Und das ist eben die eskatologische Vorstellung. Denken wir vielleicht an Texte, die wir besser kennen. Am Ende vom Neuen Testament taucht die Offenbarung des Johannes. Und da gibt es auch so eine ähnliche Vorstellung, nämlich die richtige Welt, die Welt, die zählt, die Welt, wo wirklich alles funktionieren wird, ist es nicht die Welt da konkret heute, sondern es ist die himmlische Jerusalem, eine andere Stadt, eine andere Welt, eine andere Vorstellung. Das heißt, die Kritik, die Sozialkritik, entwickelt sie sich von einer Kritik ohne Heil zu einer

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Kritik mit Heil bis hin zu einem Heil, nicht in dieser Welt, sondern in eine andere ferne Welt. Jetzt habe ich ein falsches Wort verwendet. Ich habe gesagt, entwickelt sie sich, als ob das chronologisch wäre. Das wurde zumindest in der Forschung sehr häufig so dargestellt. Das heißt, vor exilisch nur Kritik, exilisch, nach exilisch Kritik mit Heil, viel später eskatologie, als ob es, da steht ein bisschen die, es ist deutsche Exegese, und zwar deutsche Exegese aus den vergangenen 200 Jahren. Und das ist ganz stark meine Idee, die von Ihnen ein bisschen Philosophie gelernt haben. Es gab genug Philosophen, deutsche Philosophen, ganzer deutscher Idealismus funktioniert so,

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die Vorstellung, die Geschichte entwickelt sie sich zu einem, zu einem Höhepunkt. Wir sind von diesem Denken, auch wenn wir nicht so denken, auch wenn wir nicht wissen, woher das kommt, ist unser Denken einfach, das europäische Denken ist einfach so geprägt. Das heißt, wir entwickeln unsere Wirtschaft, wir müssen immer in Richtung was Besseres entwickeln. Und wir lesen die Propheten Texte genauso. Und wir vergessen dabei, dass diese drei Momente, es gibt nur Gericht, Gericht und Heil, eskatologie, keine lineare Vorstellung der Zeit, sondern eine durcheinander Vorstellung der Zeit sein können. Das heißt, 1, 2, 3 kann 3, 2, 1, 1, 2, 3, können alles gleichzeitig passieren sein. Und wenn wir das nicht vor uns vor Augen führen, haben wir eben das Problem, dass wir diese Texte im Prinzip nie richtig verstehen können.

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Das war inhaltlich eben Gericht, Heil, eskatologie. Auf der Ebene der Perspektive gibt es eine andere Entwicklung, die auch interessant ist, eine andere Entwicklung, die genauso wie die davor nicht geradlinig passierte, obwohl ich die jetzt so geradlinig schildere und sehr lange Zeit so verstanden worden ist. Und zwar in Bezug auf das Heil. Es gibt Gerichte und dann kommt eine Zeit, wo für irgendjemand Rettung und Heil stattfinden wird. Und die Vorstellung ist die erste, die antike Vorstellung, wo eben man denkt, man war im Kampf gegen die ganze Welt. Die erste Vorstellung ist, es gibt ein Heil, aber nur für Israel. Alle anderen Völker, die gehören zerstört, und wenn die zerstört sind, pum, bleibt eins

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übrig, das auserwählte Volk. Man sagt Israel, es ist total nett, im Neun Testament tut man Israel durch die Kirche ersetzen und im Prinzip ist es genau dasselbe, und zwar irgendeine Kirche. Nur Israel, das ist traditionell gesehen die ältere Vorstellung. Diese ältere Vorstellung hält aber im Prinzip die Probe der Geschichte nicht stand, weil man sieht, dass nicht nur Israel gewinnt, sondern im Gegenteil, gewinnen fast immer die anderen. Und dann kommt die Vision, eine ganz normale Vision, die sogenannte universalistische Vision. Diese universalistische Vision entwickelt sich gleichzeitig mit einer anderen Vorstellung, die für uns selbstverständlich ist, die aber in der Bibel und der repräischer Bibel absolut nicht selbstverständlich ist, nämlich die Vorstellung, dass es einen einzigen Gott

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gibt. Und wenn man sagt, dass Israel wird gerettet, und der Gott Israel ist nicht nur der einzige Gott, sondern ist der einzige Gott, der existiert, dann haben wir ein Problem, weil dieser einzige Gott, der Gott der ganzen Welt ist, nur Israel retten will. Und da gibt es ein Problem, bis irgendwelche Propheten vor allem in späteren Texten auf die Idee kommen, nein, wenn es wirklich nur einen Gott gibt und der rettet, dann muss alle retten. Ansonsten ist er kein richtiger Gott. Das heißt, das erste Mal wird nur Israel gerettet, dann die universalistische Vorstellung, die ganze Welt wird gerettet. Diese Vorstellung, die ganze Welt wird gerettet, funktioniert aber wieder nicht, weil die ganze Welt konkret nicht gerettet werden kann. Man sieht es, es gibt Kriege und es gewinnt immer nur ein oder andere.

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Und auch da gibt es diese dritte Stufe, die aber eben nicht eine Konsequenz ist, sondern es ist einfach die dritte Stufe eine Vorstellung. Die Rettung ist nicht nur für die ganze Welt, sondern es ist eine Rettung für die ganze Geschichte und sogar außerhalb der Geschichte. Das heißt, die Erskatologie geht zusammen mit dem, was man apokalyptisch denkt. Und dann diese Rettung ist eben nicht nur für konkrete Menschen, für konkrete Zustände, sondern es ist eine Rettung, die außerhalb der Zeit und außerhalb der Geschichte. Eine Rettung, die sich in einer anderen Dimension abspielt. Sehr interessante Vorstellungen, die aber nicht wirklich eindeutig sind. Auf welcher Seite stehe ich? Welche Entscheidung treffe ich? Welche ist richtig, welche ist falsch?

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Wird nur Israel, werden die ganze Völker oder wird überhaupt eine andere Welt dargestellt? Was stimmt und was stimmt nicht? Ich meine, wir reden von der Bibel, nicht von irgendeinem Text, der seit 2000 Jahren für mehrere religiöse Gemeinschaften maßgebend ist. Was ist richtig? Es kann A und B nicht gleich richtig sein. Ansonsten haben wir ein Problem, was stimmt. Wie können wir heute damit umgehen, wenn es wirklich so ist? Und mit dieser Problematik werde ich versuchen, jetzt ganz kurz zwei Beispiele zu machen, um die Problematik nicht zu lösen. Die Problematik ist unlösbar, aber um die noch einmal zu verdeutlichen. Das erste Beispiel betrifft die anderen Völker, das heißt alle andere Menschen, die ganze Welt.

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Und das zweite Beispiel, das ist mein liebes Beispiel, betrifft die Tiere. Aber beginnen wir mit den Völkern, weil das ist wissenschaftlicher, mit den Tieren geht es locker. Sind die Völker gut oder schlecht? Sind alle andere, die nicht wir sind, zu akzeptieren oder sind die zu verwerfen? Was sagt uns die prophetische Botschaft darüber? Kann man etwas vereinheitlichen? Kann man irgendwelche Schlussfolgerungen ziehen? Kann man irgendwelche klaren Entscheidungen darin sehen? Jein ist ein sukoschei's Wort. Das gibt es nur auf Deutsch. Ich kenne sonst in keiner anderen Sprache wo ein Jein. Aber schön. Die Völker sind zunächst einmal die Feinde.

50:04
Und in sehr vielen Propheten finden wir die sogenannten Fremdvölkerorakel. Das heißt, es wird gesagt, die Assyrierer haben das, das, das gemacht, werden zerstört. Die Babylonier werden das, das, das, das gemacht, zerstört. Es gibt sogar Sprüche gegen Israel. Es ist nicht ganz Israel gemeint, sondern nur ein Teil davon. Aber eben, die Schulden werden aufgezählt und dann weg damit. Völkersprüche, die haben Einzeln. Die Völker, die sind etwas unheiles, die gehören einfach weg. Mit den Völkern, mit den fremden Völkern kann man gar nichts anfangen. In Zusammenhang mit Israel muss man eine kurze Fußnote machen. Es gibt zumindest zwei unterschiedliche Vorstellungen. Die erste ist ganz klar, wenn alle Völker, die Feinde, die Bösen, die Israel betreuen, zerstört sind, dann hat Israel endlich Frieden.

51:08
Super Einstellung, aber praktisch. Die, die für mehr Probleme sind, weg damit und dann habe ich meinen Frieden. Allerdings gibt es auch Prophetensprüche. Isaiah zum Beispiel geht ganz klar in die Richtung. Er sagt, du Israel, du musst aufpassen, du bist nicht so heilig. Das heißt, du bist da weg. Und das einzige, was danach kommt, ist sozusagen so etwas wie eine Gottesherrschaft. Es sind zwei unterschiedliche Vorstellungen, die beide und diese Gottesherrschaft gilt dann allen, die in dieser Gottesherrschaft sie verstehen können. Zwei unterschiedliche Vorstellungen, die eine ganz nationalistisch orientiert, nämlich nur Israel und alle anderen weg. Die zweite, universalistisch, aber dann sind zunächst einmal alle weg. Auch nicht sehr schön.

52:04
Und nur ein paar Wergen rausgeflogen. Diese Vorstellung hat damit zu tun, dass die Völker, die es gibt, die werden vernichten. Die muss man vernichten. Parallel dazu gibt es eine andere Vorstellung, die wirtschaftlich kluger ist, würde ich sagen. Nämlich man tut die Völker nicht zerstören. Das ist eine Verschwendung von Ressourcen, was in der Antike eigentlich nicht möglich war. Man führt Kriege nicht, um die Feinde zu vernichten. Man führt Kriege, um die Feinde zu versklaven. Man führt nicht Kriege, um die Städte der Feinde zu zerstören. Im Gegenteil, man versucht, durch einen kleinen Loch reinzugehen, weil wenn ich reingegangen bin und die Stadt Robert habe, dann mache ich das Loch zu und habe die Mauer schon fertig. Ich brauche sie nicht neu aufzubauen.

53:01
Die ganze Völker vernichten gibt es, aber das ist eine Vorstellung, die nicht ganz wirtschaftlich ist. Es gibt die Vorstellung, wir versklaven alle Völker. Das ist viel praktischer. Die Völker müssen sie bekehren und wenn sie sie nicht bekehren, dann kommt die Vorstellung, Gott wird intervenieren und alle Völker werden Israel als Modell haben und als Modell werden nach Jerusalem kommen. Die werden nach Jerusalem kommen, aber nicht, um eine Wahlfahrt am Tempel vorzubringen, sondern die werden nach Jerusalem kommen, um Tribut zu zahlen, um Steuer zu zahlen. Die sind nicht zerstört, aber der Gott, der uns nicht zerstört, verlangt was von uns. Parallel dazu, die dritte Vorstellung, die ist im Gegenteil eine Vorstellung, die sagt, na, wieso, wieso muss man die zerstören, wieso muss man sie versklaven? Man kann viel mehr mit allen Völkern im Prinzip ganz gut miteinander umgehen.

54:03
Man kann sie bekehren oder man kann ihnen zeigen, unser Gott ist viel besser und dann werden sie in Frieden nach Jerusalem kommen und wir werden alle in Frieden leben. Es wird diese Gesellschaft Gottes entstehen, aber nicht nur in Israel, sondern für das ganze Volk. Diese drei Linien, die eine total fremdenfeindlich, die letzte total fremdenfreundlich, mit der Sklavenmöglichkeit dazwischen, die würden wir ganz gerne als Entwicklung sehen. Nämlich, die Propheten, die haben in ihrer Botschaft so eine Entwicklung gemacht und sie haben gecheckt, es ist besser, wenn wir uns alle lieben. Es ist besser, wenn alles am Ende so schön und heil ist und wenn alles in Harmonie herrscht. Ist es leider nicht so. Diese drei Vorstellungen gehen parallel ineinander. Und die gehen parallel ineinander nicht nur in der Botschaft der Propheten,

55:10
sondern auch in Gesetzestexten, auch in Erzählungen. Die Geschichte von Jona, die wir in Vormittags gehört haben, ist das klassische Beispiel für so etwas. Jona ist der perfekte, tiefgläubige Superisraelit. Der ist so perfekt, dass er als Prophet ausgewählt wird. Und was will er? Er will, dass die Feinde zerstört werden. Er will Nini-Veni bekehren. Es gibt innerhalb der rechtsgeschickliche Entwicklung der Menschheit. Ist jemand, der der Jurist ist unter ihm? Nein, das gibt es ja nicht. Die Juristen, die lernen leider Gottes, auch in deutschsprachigem Raum,

56:01
seit der letzten Erneuerung der Studienpläne, kaum mehr Rechtsgeschichte. Und das ist ein bisschen ein Problem, weil wenn man eben nicht weiß, wie die Geschichte war, versteht man die Gegenwart nicht mehr. Diese fürterliche Gesetz, nämlich Augen um Augen, Zahn um Zahn, du hast mir geschlagen, ich schlage dich zurück, was man Thalio-Gesetz nennt, die wir heute als hinumane, als Rache, als fürterliche Darsteller, ist in der Rechtsgeschichte Entwicklung der Menschheit einer der größten Vorsprünge, die es gegeben hat. Davor war, du hast mich geschlagen und ich bringe dich und deine Familie um. Mit dem Thalio-Gesetz ist es Augen um Augen, Zahn um Zahn.

57:03
Es ist auch nicht so schön, aber es ist immerhin gleich mit gleich. In unserer Rechtsprechung heute ist es auch nicht immer so. Aber okay, das ist ein anderes Problem. Augen um Augen, Zahn um Zahn. Für Jonah, der in dieser Welt lebt, heißt, die Assyrer sind gekommen und haben Samarien zerstört. Augen um Augen, Zahn um Zahn. Jetzt Gott, wenn du wirklich Gott bist, musst du hingehen und du musst niemanden zerstören. Das ist keine böse Absicht. Er will Gerechtigkeit. Und Gerechtigkeit heißt, die haben mir ein Augenbein genommen, jetzt kriege ich Augen. Punkt. Und das ist die Gerechtigkeit, die in der Zeit gilt. Das Buch Jonah funktioniert aber nicht so. Das Buch Jonah endet, dass Gott sagt, nein, ich will nicht Gerechtigkeit, sondern lass sie Barmherzigkeit walten und die Liebe wird nie zerstört. Diese Problematik, die ist da.

58:09
Und das Buch Jonah interessanterweise endet mit einer Frage. Und die Frage ist eine Frage Gottes an Jonah, die aber auch für den Leser bzw. für den Hörer da steht. Der Jonah, der ärgert sich, weil es war Sonne und Gott hat einen Baum wachsen lassen und dann ist ein Wurm gekommen und er hat den Baum gefressen und dann ist der Baum gestorben. Und Jonah sagt, ja Gott, du bist total böse, jetzt ist auch der Baum gestorben und er war ein netter Baum, der hat mir Schatten gespendet. Und dann kommt die Frage Gottes, Jonah, du ärgerst dich für einen Baum, der in einer Nacht gewachsen ist und am nächsten Tag gestorben ist und ich hätte mir nicht Sorge machen müssen um Niniveh, diese riesige Stadt mit so und so viel mehr. Mit dieser rhetorischen Frage endet das Buch. Und die Adressaten dieser Frage sind die Menschen in das Buch.

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Damals, aber auch heute lesen. Das heißt, wie positioniere ich mich, bin ich auf der Seite Jonah, der sagt, Gerechtigkeit ist Gerechtigkeit. Die sind gekommen, die haben alles zerstört, die haben Leute umgebracht. Es gibt sehr schöne Psalmen, die beschreiben, was die ganz gerne mit den Feinden gemacht hätten. Die haben die Kinder genommen und die von der Mauer runtergeworfen. Die haben die schwangere Frau, eben im Prinzip das, was man leider Gottes heute machen, fürdere Sachen. Und Jonah sagt, die haben fürdere Sachen gemacht. Die einzige Regelung ist, dass denen jetzt auch das widerfährt. Die Frage Gottes ist, wollte das wirklich so? Und wir sagen heute, es ist eine rhetorische Frage. Eine rhetorische Frage ist eine Frage, die wirklich keine Frage ist. Das heißt, im Prinzip ist eine Frage, die sagt, na eigentlich sollte man nicht wie Jonah denken, man sollte eigentlich wie Gott denken.

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Aber wir sind frei. Denken wir wie Jonah, denken wir, die Möglichkeit ist gegeben. Es gibt die eindeutige Lösung nicht. Es gibt nicht die richtige oder die falsche Antwort. Es gibt aber sehr wohl die Frage, das heißt, ich muss mich positionieren. Wie ich mich positioniere, dann hängt von anderen Sachen ab. Und ich würde wie so ungeschützt in den Raum meine These werfen. Ich kann nicht sagen, dass das, dass der Jonah Unrecht hatte. Von seinem Gesichtspunkt, achte er sehr wohl Recht. Und das ist ein bisschen das, was der normale Mensch auch denkt. Darf der ganz, ganz böse Mensch, der viele Leute umgebracht hat,

61:04
darf er jetzt einfach ein paar Jahre in Gefängnis verbringen und dann ist er wieder draußen, weil er super brav in Gefängnis war. Es sind ganz reale Fragen, die jede merodimische Person hat. Wie stelle ich mich gegenüber der Situation? Und die Propheten des alten Testamentes sind nicht eindeutig. Die sagen nicht, das ist richtig und das ist falsch. Die sagen, du musst selber entscheiden, was für dich richtig oder falsch ist. Das finde ich auf der einen Seite gefährlich, auf der anderen Seite sehr befreiend und das ist eigentlich sehr schön. Aber noch ein kleines Beispiel, das ist noch schöner. Es geht um die Tiere und wenn es um die Tiere geht, dann sind wir alle viel mehr mit. Wenn Massaker passieren, ist es schlimm, aber wenn Tieren getötet werden, ist es viel, viel schlimmer.

62:02
Und zwar, es ist leider nicht zum Lachen, und zwar alle von den ägyptischen Pharaonen bis zu den asylischen Königen, die Sumerien, die Tite, die sind in ihrer Pracht, lassen sie sich darstellen, indem sie jagen gehen und ganz fürchterliche, herrlichen Tieren umbringen. Jetzt, wenn ich einen Powerpoint gehabt hätte, habe ich nicht machen dürfen, weil es funktioniert nicht. Aber dann hätte ich sehr schöne Bilder gezeigt. Ich hoffe, Sie haben es irgendwie im Kopf. Der Pharaon auf seinem Kriegswagen mit einer Lanze und die Lanze in den Mund von dem Löwe, der nach hinten kippt. Alle wichtigen Menschen der Antike lassen sich so darstellen. Die Bibel macht keine Ausnahme, zu Recht.

63:03
Gleicher Kulturkreis, gleiche Kulturwelt, gleiche Merkmale, sehr, sehr ähnliche Bilder. Der Löwe hat die gleiche Bedeutung in Assyrien, in Israel und in Ägypten. Es werden solche Bilder verwenden. Bilder, wo die Tiere, die ganz böse sind, als Metapher für etwas Böses stehen und deswegen muss man sie zerstören. Auch da finden wir sehr schöne Texte, die mit Tieren beschäftigen und die bösen Tieren, die sind zunächst einmal einfach zu besiegen. Das ist sehr schön. Es wird dargestellt, zumindest manche meinen, man kann das differenzieren, aber ich tue es mal so, als ob es einfach wäre.

64:03
Das Volk ist im Exil und irgendwann dürfen sie zurück und um zurück zu kehren wird sowas wie eine Autobahn gebaut. In der Antike war die Fahrerei nicht gerade eine einfache Geschichte. Die Straße hat es keine gegeben. Die Straße haben erst die Römer gebaut. Vor den Römern musste man einfach quer durch spazieren gehen. Es gab auch keine großen Städte und Raststädte auf der Autobahn gab es keine. Und wenn man zufällig durch einen Wald gehen musste, hatte man das Problem, dass es dort wilde Tiere gab. Und die wilden Tiere waren hungrig und haben ganz gerne Leute angegriffen. Da wird dargestellt, wie das Volk aus dem Exil zurückkommt auf diese Autobahn, die es nie gegeben hat. Unter dieser Straße und diesem Weg wird ein heiliger Weg sein.

65:05
Und niemand, der unrein ist, wird darüber hinziehen. Und niemand, der unrein ist, wird darüber hinziehen, sondern er wird für sie da sein, Gott. Wer auf dem Weg geht, selbst der Einfältige, der wird nicht ihrre gehen. Und jetzt so passend, kein Löwe wird dort sein. Kein reißendes Tier wird auf ihn hinaufgehen. Die Tiere, die werden besiegt. Im Prinzip die gleiche Vorstellung der Pharao mit der Lanze lässt die Tiere sterben. Das ist die eine Vorstellung. Parallel dazu finden wir eine ganz andere Vorstellung. Interessanterweise im gleichen Buch. Das heißt, das ist wieder Jesaja.

66:03
Wenn wir total naiv sind und das Buch Jesaja von Kapitel 1 bis Kapitel 66 so lesen, als ob es ein Roman wäre, haben wir, dass diese Vorstellung, die Tiere werden getötet, weil sie gefährlich sind, kommt in Kapitel 35, das heißt später. Die Vorstellung, die ich jetzt lese, die lese ich als Zweite, weil ich bin auch so von dieser Kultur geprägt, wo das Schöne am Ende kommt. Diese Schöne am Ende kommt auch in Kapitel 11, das heißt viel früher. Wenn diese Texte chronologisch gewachsen sind, haben wir ein Problem. Der Text, den ich jetzt lese, wo eben die Tiere nicht vernichtet und verbannt werden, sondern mit eingezogen werden, wo sogar die wilden Tiere eine positive Rolle spielen, dürfte, ich hoffe, bekannt sein.

67:03
Das finden wir, es ist ein Text, den wir zweimal identisch in der Bibel vorkommen. Das passiert bei ganz wenigen Texten. Es sind Texte, die eine besondere Bedeutung haben. Der Wolf wird beim Lamm weiden und der Leopard beim Böckchen lagen. Das Kalb und der Junglobe und das Mastvieh werden zusammen sein und ein kleiner Junge wird sie treiben. Kuh und Bärin werden miteinander weiden, ihre Jungen werden zusammenlagen und der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind. Und dann kommt der Mensch, der Säugling, wird spielen an dem Loch der Schlange und das entwohnte Kind seine Hand ausstrecken nach der Öle der Otter. Die Tiere werden nie geschlagen, die Tiere werden mit einbezogen. Diese fürchterlichen Wesen, die alle eine ganz klare Bedeutung haben, eben Metapher, die sind dazu da, interpretiert zu werden,

68:09
was der Löwe ist, wer der Wolf ist und so weiter und so fort. Es sind eben nicht die Erstadressaten, die verstehen diese Schifre im Prinzip nicht mehr. Aber diejenigen, die Erstadressaten, die haben genau gewusst, was gemeint wird, wenn man Löwe oder Wolf oder so was oder wie man sagt. Die Tiere werden mit einbezogen. Ein interessanter Detail, was eine gewaltige Diskussion ausgelöst hat und immer wieder auslöst. Wir haben plötzlich auf einmal mit Löwen die Stroh fressen. Das heißt nicht nur, wenn die Tiere einbezogen, sondern da wird etwas Biologisches problematisiert.

69:01
Löwen werden Vegetarier und Stroh fressen, das ist sogar vegan. Was wird dargestellt? Wieso sagt man, dass der Löwe in diese eskatologische Vision, diese Vision einer Zukunft, die es im Prinzip noch nicht gibt, dass es vielleicht nie geben wird, aber dass man sich vorstellen kann. Wo hatten wir noch Texte, wo Tiere Vegetarier sind? Tiere, die wir als Fleischfresser kennen, nur Gemüse. Laut? Genau. Am Ende vom Genesis 1, wo Gott die Welt fertig geschaffen hat, wird den Menschen und den Tieren gesagt, alles was sie fressen dürfen und essen. Die Menschen essen, die Tiere fressen. Und sie dürfen nur Gemüse essen.

70:05
Das ist eine ganz klare Botschaft im Jesaja Buch. Die Botschaft ist, diese Zeit, diese eskatologische Zeit, die ganz weit weg sein wird, es ist nichts anderes als ein Zurück zur Situation, wo Gott im Prinzip seine Gesellschaft so gebaut hatte, wie er das haben wollte. Auch da historisch zu wegwerfen, aber die Vision, die da entworfen wird, das ist es, was zählt. Man zeigt, wohin man zeigt. Das wäre die Möglichkeit. Ich komme langsam zum Schluss mit dem vierten Punkt. Wir haben ganz unterschiedliche Sachen, vielleicht nicht wirklich zusammengehörende Beispiele,

71:03
aber das war nur, um Tendenzen aufzuzeigen. Dann ist im Prinzip jeder frei zu denken, wie er will. Aus diesen Visionen, aus dieser Gerichts-Sozialkritik, eskatologischen Visionen der Propheten, was können wir für uns heute daraus lernen? Ein bisschen was habe ich schon immer wieder versucht zu sagen. Jetzt versuche ich etwas, was ich eigentlich nicht kann und von der Methodik auch nicht unbedingt muss. Ich versuche eine Systematisierung. Das heißt, ich habe einige Sachen aufgezeigt und jetzt kann man Tendenzen erkennen, kann man gemeinsame Aspekte in den verschiedenen Sachen erkennen und sie zu einem gemeinsamen Nenner bringen. Ich versuche es. Die Kritik, die soziale Kritik, die prophetische Protest, die prophetische Vision, die hat mit Vorhersehen der Zukunft nichts zu tun.

72:15
Die Zukunft kann man nicht vorhersehen. Die Zukunft ist die Zukunft. Das, was der Prophet tut, ist, seine Gegenwart zu interpretieren, seine Gegenwart anzuschauen, seine Gegenwart zu analysieren und zu beurteilen. Die Perspektive oder das Ziel dieser Analyse ist aber ganz klar. Der Prophet will zu einer besseren Welt führen. Der zeigt, was man ganz gerne hätte. Dass diese bessere Welt, so wie im Fall von Jesaja, gerade die Welt der Anfänger ist, ist ein Zufall.

73:03
Man zeigt, wohin. Psychologe sagen dazu, das ist Verdrängung. Das heißt, es geht uns total schlecht. Und um zu verdrängen, dann schaue ich, es ist Wirklichkeitsverlust. Der Löwe, egal wie es ist, wird nie trockfressen. Der Löwe frisst Fleisch. Ist es wirklichkeitsfremd? Ist es Verdrängung von konkreten Tatsachen? Wir reden von Texten, die innerhalb der Geschichte der Menschheit für sehr viele Menschen als Orientierung gedient haben. Das sind diese Visionen, die sicher weltfremd sind.

74:02
Die Visionen, die, wenn sie positiv aufgenommen werden, so was wie Möglichkeiten aufzeigen. Es sind keine konkrete Möglichkeiten. Der Löwe wird nie Stroh fressen. Aber was bedeutet, was ist eine Welt, wo Löwen Stroh fressen können? Das Wort, das in diesem Zusammenhang gehört, ist Hoffnung. Die meisten dieser Texte sind von Menschen geschrieben, die vielleicht von der Problematik nie betroffen waren. Der Prophet muss nicht arm sein, um Sozialkritik auszuüben. Aber es sind Texte, die im General von Prophetenschulen, von Prophetengruppen, von Menschen, die heute noch von diesen Texten sehr gesprochen fühlen, Texte, die immer wieder neu gelesen worden sind. Und das sind Texte, die Hoffnung für diese Menschen bedeutet haben. Diese Hoffnung, diese Versuch, die Zukunft sich vorzustellen,

75:10
führt auch dazu, dass eine gewisse konkrete Praxis geändert werden muss. Und das gilt für die Erstadressaten, gilt für uns heute, aber immer noch heute. Wir wissen ganz genau, dass der Löwe nie Stroh fressen wird. Aber die Vorstellung, es kann doch passieren, kann Kraft geben. Kann Hoffnung schaffen. Kann eventuell Leute bewegen, ihre Praxis, ihre konkrete Praxis zu verändern. Wie das konkret auszuschauen hat, das sagen weder die Propheten, das ist auch nicht meine Aufgabe, dass es geht, zu sagen, man sollte das und das tun, um die Weltwirtschaft zu verbessern. Das ist nicht der Sinn der Sache. Das, was da gezeigt wird, ist, in welche Richtung sollte man denken, um konkrete Praxis zu verändern.

76:08
Das Letzte. Kein Prophet, in keinen Prophetenschrift oder kaum werden konkrete Anweisungen gegeben. Es wird nirgends das Bild einer neuen Gesellschaft entworfen. Es wird aber wohl die Kritik ausgeübt und es werden Massstäbe gesetzt, wie diese Gesellschaft sie so entwickelt hat. Man kehrt eben zurück zum Genesis, man kehrt zurück zu den Gesetzen der Thora und so weiter und so fort. Es werden Visionen dargestellt, Visionen, wo Gerechtigkeit, Friede, sozialer Ausgleich herrschen.

77:07
Auf Hebräisch fasst man diese Visionen, diese Perspektive mit einem Wort, ein Wort, das wir sehr häufig mit Frieden übersetzen, heißt aber viel, viel mehr. Das Wort ist Schalom. Wenn die Schalom-Visionen auftauchen, haben wir nicht nur mit einer Welt zu tun, einer Welt, die im Frieden ist, sondern mit einer Welt, die ausgeglichen ist. Eine Welt, wo Befreiung geschieht, eine Welt, wo eine Perspektive entwickelt wird und so weiter und so fort. Die Frage nach dem Schalom, die Frage nach dieser allumfassenden Friede ist es aber problematisch. Es ist problematisch, weil drei Gefahren mit sich bringt. Und diese drei Gefahren tauchen alle in den Texten der Bibel.

78:05
Und mit diesen drei Gefahren müssen wir uns im Prinzip heute noch konfrontieren. Das erste ist sozusagen ein billiges Vertrauen. Gott wird das richten. Uns geht es schlecht. Es gibt so und so viele Probleme. Aber keine Angst, Gott macht es schon. Die zweite Haltung, die auch relativ problematisch ist, ist sowas wie nach mir nicht hinfluten. Das heißt, die Probleme sind da und das Gericht ist unvermeidlich. Wir können gar nichts tun. Und wenn wir nichts tun können, versuchen wir einfach so halbwegs zu leben, wie es uns gerade passt. Aber eben, man kann im Prinzip gar nichts machen.

79:02
Und die dritte, die ist aber am gefährlichsten, ist zu denken, dass Gott sowieso auf meiner Seite ist. Das ist immer super schön, das hat, ich glaube, jeder. Es geht schlecht, aber das, was ich tue, ist richtig. Und wenn alles so tun würde wie ich, dann funktioniert es. Und wenn diese Ich eine größere Gruppe ist und vielleicht eben religiös orientiert ist und so weiter, dann entstehen Probleme. Das ist eine Sache, die wir uns, innerhalb der verschiedenen Kirchen, schauen. Es ist ein Aspekt, was im Laufe der Kirchengeschichte x Fax zum Vorschein gekommen ist, mit relativ großen Problemen. Wenn wir einen Blick über den Tellerrand werfen, ohne was zu urteilen, religiöse Integralismen, egal wo sie zu finden sind, in Christentum, in Judentum, in Islam und so weiter, die gehen immer von dieser Perspektive aus.

80:18
Gott ist auf meiner Seite und wenn Gott auf meiner Seite ist, kann ich im Prinzip tun und lassen, was ich will. Das Ziel ist ein super Ziel, das Ziel ist Schalom. Das Ziel ist diese allumfassenden Frieden. Aber wenn ich die halbe Welt umbringen muss, Gott wird das bilden. Das ist absolut kein Problem. In der Kritik der Propheten, und das ist der letzte Punkt, steht eine ganz, ganz wichtige Sache auf dem Spiel. Das, was auf dem Bild steht, ist die Gesellschaft Gottes. Das ist die Gesellschaft, wie sie Gott, diese Gesellschaft vorstellt.

81:07
Diese Gesellschaft Gottes, die ist, literarisch gesehen, in der Entwicklung der Prophetie und in der Geschichte Israels, wie in der Bibel dargestellt, hat ein relativ großes Problem. Nämlich das Urteil, das Gericht ist gekommen, und Schuld daran war das Volk selbst. Jerusalem ist zerstört worden, nicht weil Gott böse war, nicht weil die Babylonier stärker waren. Jerusalem ist zerstört worden, weil die Könige Israels sich nicht an den Bund gehalten haben. Das Volk ist schuld für die eigene Unheilssituation. Auch da, wenn wir das auf uns nicht übertragen, sondern aktualisieren, entstehen Fragen, die, ich glaube, ganz massive Fragen sind und sind genau die Frage, die wir uns stellen müssen, wenn wir mit solchen Texten umgehen.

82:09
Wie schaut es heute aus nach dem selbstverschuldeten Unheil? Und jetzt können Sie diese Frage sowohl auf der Wirtschaftsebene stellen als auch auf der Umweltethik stellen als auch... Solche Fragen stellen Sie sich in der Bibel. Die Propheten prangern dagegen. Was ist mit uns? Was ist mit mir selbst? Die Antwort, die es geben soll, oder gerade Prophetenbücher, die beziehen nicht auf eine universelle Antwort. Die sind immer relativ auf den Einzelnen bezogen. Nicht wie rettig die Welt, sondern was ist mit mir? Wie hinterfragen wir uns heute? Welche Prioritäten setzen wir?

83:05
Konkret, wie soll eine Praxis ausschauen, damit es eine Möglichkeit entsteht, die Welt sozial geregter zu gestalten? Die sind die Fragen, die die Propheten stellen. Die sind die Fragen, die wir uns auch stellen sollten. Die Lösungen, die gibt es nicht. Die Lösungen, die finden wir nicht in der Bibel. Die Lösungen finden wir auch nicht in eine super Exegese dieses Textes. Die Lösungen sind immer in die konkrete reale Welt von jedem Einzelnen zu finden. Die Grundbotschaft der Prophetie, ich glaube, hat mit dieser Frage zu tun. Und diese Grundbotschaft, und da komme ich eben zum Ziel meines Prädoyers heute, die Grundbotschaft, die war im 8. Jahrhundert beim Amos aktuell, die ist aber heute noch ganz aktuell. Die Schriften der Prophetie, die bieten keine Lösungsversuche, die bieten keine einfachen Rezepte, mach mal des und das ist in Ordnung.

84:03
Die bieten aber Interpretationslinien. Diese Interpretationslinien sind leider aber nicht absolut. Ich kann die Völker vernichten, ich kann sie versklaven oder ich kann sie einladen zu mir zu kommen. Und alle drei Lösungen, die sind dargestellt und es gibt nicht die eine ist besser, die andere ist schlechter. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten sind auszunutzen. Diese Möglichkeiten befreien jeden Menschen, gläubig oder nicht, völlig Wurst, befreien jeden Menschen, seine eigene Entscheidung zu treffen. Befreien jeden Menschen zu sagen, hey, es ist immer so gedacht worden, ich denke aber anders. Aus der Botschaft der einzelnen Propheten entstehen Prophetenschulen, entstehen Gruppen, die sich zusammensetzen und die denken, hey, das was der Amos im 8. Jahrhundert gesagt hat, der ist auch im 3. Jahrhundert aktuell.

85:02
Das ist etwas, was man auch heute funktioniert. Gruppen, die zusammenkommen und die versuchen, nicht nur allein, sondern in kleiner Gruppe praxisrelevante Lösungen zu finden. Ganz wichtig, Gruppen, die zusammenkommen, die könnten ein Problem haben, nämlich bleiben bei der Kritik in der Prophetie Israels. Es wird sehr viel kritisiert, wird sehr viel geschimpft, aber man wird immer versucht, eine mögliche Lösung, eine mögliche Heilperspektive darzustellen. In der Kritik bleiben hilft nichts. Es hilft auch nichts, und das ist leider Gottes, was immer wieder passiert, es hilft auch nichts, wenn man sagt, in der Antike oder in diesen Texten der Antike hat man so und so gehandelt. Das ist ein Verkennen von dem, was die Propheten getan haben. Die Propheten, die haben ihre Gegenwart ständig aktualisiert.

86:05
Und heute argumentieren wir häufig mit Texten, die aktuell waren im 8. Jahrhundert. Die Botschaft der Propheten ist, diese Texte sind da, die Botschaft ist da, die Interpretation ist da, aber bitte, bleib nicht im 8. Jahrhundert hängen. Du bist nicht im 8. Jahrhundert. Du bist im Jahr 2015. Und das, was im 8. Jahrhundert aktuell und funktionierte, funktioniert heute vielleicht nicht mehr. Egal, wie autoritativ diese Texte sind. Ich denke, ich höre jetzt auf, weil ich lande langsam von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung in einen anderen Gattung, der heißt Predigt oder ermahnende Rede. Aber ich denke, man untersucht diese Texte auch deswegen. Es sind nicht nur Texte, die man auf Literarisch schreiben und untersuchen kann. Es sind Texte, die eine konkrete Botschaft haben. Und diese konkrete Botschaft bewegt Menschen seit ein paar Jahrtausenden. Und ich glaube, es wird weiter Menschen auf dieses Leben bewegen,

87:07
wenn man diese Texte auch entsprechend versteht und wenn man vor allem den Mut hat, bestimmte Texte auch entsprechend zu lesen. Ich denke, das ist die Grundbotschaft der Prophetie für heute. Keine Lösungen, sondern Interpretationslinie, die jeder für sich dann realisieren kann und soll. Wobei mit soll muss man immer passend realisieren kann.

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Die Bedeutung der alttestamentlichen Prophetie für den christlichen Glauben und die heutige Gesellschaft | 5.3.3

Worthaus 5 – Heidelberg: 23. Mai 2015 von Prof. Dr. Simone Paganini

Wer aus der Geschichte lernen möchte, wird relativ neugierig an die uralten Texte herangehen, die Simone Paganini in diesem Vortrag unter die Lupe nimmt. Aber welche Aktualität haben diese Schriften noch für heute? Haben sie uns noch Wichtiges zu sagen? Und wenn ja: Was? Wer diesen Fragen auf den Grund geht, steht unweigerlich vor einigen Herausforderungen. Denn die Aussagen dieser Texte wurden in ganz konkreten Situationen vor tausenden Jahren gemacht. Ist es da nicht seltsam, diese auch in unserer, ganz anderen Zeit als relevanten Beitrag verwenden zu wollen?
Besonders problematisch ist zudem, dass die prophetischen Aussagen weder einheitlich noch eindeutig sind. Das macht schwer, absolute Lehr- und Glaubensaussagen mit ihnen zu begründen. Simone Paganini wirbt an dieser Stelle dafür, die Texte einer „Aktualisierung“ zu unterziehen. Er weist daraufhin, dass die Sozialkritik der Propheten von der Wirkung lebte, die sie erzielte. Die Botschaften wollten schockieren und haben deshalb oft keine sachliche Sprache benutzt. Es kommt also entscheidend auf die damalige Situationen an, in der diese Worte ihre Wirkung entfaltet haben. Heute werden diese Worte aber heute nur selten dieselben Reaktionen hervorrufen. Also wie sind die prophetischen Texte in unsere Zeit zu übertragen, um ihre ursprünglichen Aussagen erfahrbar zu machen?
Hier macht Paganini zunächst klar, dass wir nicht die ersten Adressaten dieser Texte sind. Und dass es Demut erfordert, sich als heutiger Hörer in die zweite Reihe zu stellen und nicht so zu tun, als wüsste man sofort, was die prophetische Botschaft bedeutet, nur weil man die deutschen Worte versteht. Aber wer mit dieser Grundhaltung startet, der wird Paganinis Einladung verstehen, die Interpretationslinien in den alten Texten zu ergründen und sich vielleicht sogar auf die Reise machen, ihnen bis in unsere Zeit zu folgen.