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In diesem vierten Vortrag zur Johannis-Offenbarung konzentriere ich mich auf Kapitel 1, die Verse 9 bis 20. Martin Hühnerhoff wird uns diesen Text vorlesen. Ich, Johannes, euer Bruder und Mitteilhaber an der Bedrängnis, am Reich Gottes und an der Standfestigkeit in Jesus, war auf der Insel Patmos um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. Am Tag des Herrn war ich im Geist und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie von einer Posaune. Sie sprach, schreib

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das, was du siehst, in ein Buch und schick es an die sieben Gemeinden nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Tyatira, nach Sades, nach Philadelphia und nach Laudicea. Da wandte ich mich um, weil ich die Stimme erblicken wollte, die zu mir sprach. Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen gleich einem Menschensohn. Er war bekleidet mit einem Gewand bis auf die Füße und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee und seine Augen wie Feuerflammen. Seine

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Füße glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen. In seiner Rechten hielt er sieben Sterne und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert und sein Gesicht leuchtete wie die Sonne in ihrer Kraft. Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte, fürchte dich nicht. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch siehe, ich lebe in alle Ewigkeit und ich habe die Schlüssel zum Tod und zum Hades. Schreib auf,

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was du gesehen hast, was ist und was danach geschehen wird. Das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner rechten Hand gesehen hast und der sieben goldenen Leuchter ist, die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden. Dankeschön, Martin. Soweit also der gesamte Text, um den es jetzt gehen wird. In diesen Versen 9 bis 20 geht es um die erste Vision, von der Johannes in seiner Schrift berichtet. Es ist eine Christusvision. Johannes sieht den Auferstandenen und er wird von ihm angesprochen.

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In der Johannes-Offenbarung gibt es insgesamt vier Christusvisionen. Die späteren drei finden sich in Kapitel 5, in Kapitel 14 und Kapitel 19. Die erste Vision in der Johannes-Offenbarung ist von grundlegender Bedeutung. Sie ist die Voraussetzung und die Ausgangsbasis für alles weitere. Die Offenbarung beginnt nicht mit irgendwelchen Ereignissen der Weltgeschichte, sondern sie beginnt damit, dass Johannes dem Auferstandenen begegnet. Das ist das Wichtigste.

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Bevor Johannes sieht, was bald geschehen wird, sieht er den Auferstandenen. Es geht zuerst um ihn und nicht um irgendwelche Abläufe der Geschichte. Der Kommende ist wichtiger als das Kommende. Mit Vers 9 beginnt in Kapitel 1 ein neuer Abschnitt. Das zeigt sich in mehrfacher Hinsicht. Vers 9 beginnt mit den Worten Ich Johannes. Dieses vorangestellte Ich ist sehr ungewöhnlich. Es markiert einen neuen Textabschnitt. Außerdem wechselt Johannes ab Vers 9 in den Ich-Stil.

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Bis dahin hat er von sich in der dritten Person geredet. Und ab Vers 9 kommt es auch zu einem Tempuswechsel. Johannes verwendet ab jetzt den Aorist. Das ist im Griechischen die Zeit des Erzählens. Dieser neue Abschnitt beginnt mit folgendem Satz. Ich Johannes, euer Bruder und Mitteilhaber an der Bedrängnis, am Reich Gottes und an der Standfestigkeit in Jesus. Dieser erste Satz ist ein Grundlagensatz. In den späteren Kapiteln bauen viele analoge Aussagen

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auf diesen Satz auf. Ich muss deshalb bei diesem ersten Satz gleich mal stehen bleiben, damit ich seine Botschaft ausloten kann. An dieser Stelle nennt Johannes zum dritten Mal seinen Namen. Insgesamt nennt er in der Offenbarung viermal seinen Namen, das letzte Mal dann im Schlusswort der Offenbarung. Auch an dieser dritten Stelle nimmt Johannes wie auch sonst immer keinerlei Titel oder Amtsbezeichnungen für sich in Anspruch. Sein Name genügt. Allerdings setzt er hier bei dieser dritten Stelle das Wort Ich vor seinen Namen. Das ist ungewöhnlich und das zeigt,

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Johannes weiß um seine Autorität. Es ist ja auch völlig klar, dass ihm als dem Empfänger dieser ganzen Visionen eine entscheidende Vermittlerrolle zukommt. Trotzdem betont das Johannes nicht besonders. Wer eine echte und anerkannte Autorität hat, muss sie nicht besonders hervorkehren. Das gilt damals genauso wie heute. Aber sehr auffallend ist, dass Johannes sofort nach seiner Selbstvorstellung die Verbundenheit mit seinen Nicht-Christen betont. Ich Johannes, euer Bruder und Mitteilhaber

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an der Bedrängnis am Reich Gottes und an der Standfestigkeit in Jesus. Johannes stellt sich von Anfang an und von sich aus auf die gleiche Stufe mit seinen Mitchristen. Das betont er als allererstes, weil es ihm so wichtig ist. Er steht vor den gleichen Herausforderungen wie seine Mitchristen. Er ist in der gleichen Lage wie sie. Dabei geht es Johannes aber nicht nur um die Verbundenheit an sich, sondern es geht ihm um die Verbundenheit in Gleichrangigkeit. Alle Christen sind Mitteilhaber. Alle Christen haben deshalb die gleiche Würde und den gleichen Status. Also halten

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wir mal fest, einerseits weiß er um seine Autorität, aber andererseits betont er sofort den Zusammenhang in Gleichrangigkeit. Das ist eine sehr bemerkenswerte Kombination. Die Bezeichnung euer Bruder entspricht der familiären, vertrauten Anrede, die in den ersten Gemeinden üblich war. Christen sind eine Familie. Aber der Ausdruck Mitteilhaber, der geht über die familiäre Vertrautheit hinaus. Das Wort Mitteilhaber stammt gar nicht aus dem familiären Bereich, sondern aus dem gesellschaftlich-wirtschaftlichen Bereich. Und dieser Ausdruck ist in diesem

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Zusammenhang ziemlich neu. Also es geht Johannes nicht nur um die Verbundenheit der Christen, um das Zusammenleben der Christen, sondern es geht ihm um die angemessene Begründung dieses Zusammenlebens. Er möchte, dass wir Christen uns über diese Begründung im Klaren sind. Das Wort Mitteilhabe ist für ihn entscheidend. Die Gemeinschaft der Christen gründet in einer gemeinsamen Teilhabe an etwas. Was dieses etwas ist, müssen wir gleich klären. Aber diese gemeinsame

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Basis in einer gemeinsamen Mitteilhabe wird in der Johanneseffenbarung fundamental wichtig. In Kapitel 1 und Vers 9 äußert Johannes diese Sprache der Partizipation, Mitteilhabe, zum ersten Mal deutlich. Aber sie wird zur Grundlage für die späteren Kapitel. In der Ethik der Partizipation, der Mitteilhabe wird die Vorsilbe Mit ganz wichtig. Johannes spricht auch oft von Mitknechten. Es geht um Mitgehen, Mitkommen, Mitkämpfen, sich Mitfreuen, Mitgefühl, Mitleiden. Das ist die Ethik der

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Partizipation. Die Worte Ich und Du können niemals die gleiche Verbundenheit bewirken wie die Worte Ich mit Dir. Jetzt stehen wir natürlich vor der entscheidenden Frage, worauf bezieht sich diese Mitteilhaberschaft oder diese Mitteilhabe, dieses Etwas, das uns gemeinsam ist. Und das klärt Johannes genau. Diese Mitteilhaberschaft bezieht sich auf die Bedrängnis, auf das Reich Gottes und

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auf die Standfestigkeit in Jesus. In dieser dreifachen Hinsicht sind wir Mitteilhaber. Das begründet die christliche Gemeinschaft. Diese drei Begriffe und auch die Reihenfolge dieser drei Begriffe sind kein Zufall. Johannes verwendet zum Beispiel für diese Dreierreihe nur einen bestimmten Artikel, nämlich am Anfang bei dem Wort Bedrängnis. Bei den beiden nächsten Begriffen Reich Gottes und Standfestigkeit in Jesus lässt er die Artikel weg. Und darin kommt zum Ausdruck, dass diese drei Worte auf das engste zusammengehören. Das erste ist die Bedrängnis. Das Wort Bedrängnis ist ein Oberbegriff, der sich auf sehr viel beziehen kann. Gemeint ist eine äußere oder innere Notlage, eine

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Realität, die man schmerzhaft erfährt. Das kann sich beziehen auf die Erfahrung der Ablehnung oder des Ausgegrenzteins, der Verleumdung, der Brüskierung, der Diskriminierung in vielerlei Gestalt. Es kann sich auch beziehen auf das innere Gefühl des Bedrohtseins oder auf das Erleben einer feindlichen Atmosphäre und vieles mehr. Dieser Fachbegriff Mitteilhabe ist eigentlich normalerweise so gemeint. Es geht um Mitteilhabe an einem Unternehmen und an seinem Gewinn oder um Mitteilhabe

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an Grund und Boden oder auch um Mitteilhabe an bestimmten Machtbefugnissen oder Privilegien und so weiter. Aber hier geht es um die Mitteilhabe zuerst mal an der Bedrängnis. Also diese Begriffsverwendung ist völlig neuartig und fremdartig. Das Zweite, worauf sich die Mitteilhabe bezieht, ist das Reich Gottes. Im Unterschied zum Begriff Bedrängnis ist der Begriff Reich Gottes durch und durch positiv gefüllt. Dieser zweite Begriff ist ein bewusster Gegenpol zum ersten Begriff, ganz bewusst. Reich Gottes ist ja das entscheidende Thema in der Botschaft Jesu. Die

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Erfahrung des Reiches Gottes macht uns zuversichtlich und stärkt uns. Durch diese Erfahrung des Reiches Gottes wird in uns ein Bewusstsein geschaffen für eine Würde, die wir von Gott haben und die uns niemand nehmen kann. Der dritte Bereich, auf den alles hinausläuft, der dritte Bereich ist das Ziel. Der dritte Bereich ist die Standfestigkeit in Jesus. Bei den beiden ersten Begriffen geht es um Erfahrungen, die auf uns zukommen. Bei diesem dritten Begriff geht es um eine Haltung und eine Tätigkeit, die von uns ausgeht. Die beiden Erfahrungen, die auf uns zukommen, sollen uns

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zu diesem Ziel führen. Das Ziel ist die Standfestigkeit in Jesus. Die Standfestigkeit ist in der gesamten Offenbarung die entscheidende Haltung aller Christen. Man kann Standfestigkeit auch übersetzen Ausdauer. Es geht um unsere Bewährung in schwerer Zeit und um unsere Treue in schwerer Zeit. Soweit mal zu diesem Grundlagenvers. Im nächsten Vers, dem Vers 10, kommt Johannes auf die äußeren Umstände zu sprechen bei seinem Visionsempfang. Er nennt

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Ort und Zeit. Er sagt, ich war auf der Insel Padmos, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen. Diese Formulierung Wort Gottes und Zeugnis Jesu kennen wir schon aus dem Vers 2. Dort steht genau die gleiche Formulierung. In beiden Fällen geht es um das Zeugnis, das Jesus uns gibt. Es geht nicht um das Zeugnis, das wir für Jesus geben, sondern um das Grundlegende Zeugnis, das Jesus gegeben hat. Warum Johannes auf der Insel Padmos war, geht aus dem Text nicht eindeutig hervor. Die Insel Padmos ist eine Insel 60 Kilometer von der Küste entfernt,

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also in einer Schiffstagesreise erreichbar. Es ist eine kleinere, fälzige Insel, ungefähr 40 Quadratkilometer und sie war damals sehr dünn besiedelt. Warum war Johannes auf der Insel Padmos? Ist er dorthin von den römischen Behörden verbannt worden? Das ist denkbar, aber auf keineswegs eindeutig. Es kann nämlich auch so gewesen sein, dass Johannes durch seine Verkündigung sich ziemlich unbeliebt gemacht hat bei den römischen Behörden und er selber vorsichtshalber sich eine Auszeit genommen hat auf dieser Insel, um abzuwarten, bis sich die Lage wieder beruhigt hat. Also was da genau war, wissen wir nicht. Aber auf jeden Fall, Johannes hat auf dieser Insel seine Visionen

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erhalten. Er schreibt, ich war am Tag des Herrn im Geist. Der Tag des Herrn ist der erste Tag der Woche, der Tag der Auferstehung Jesu. An diesem Tag haben sich die ersten Anhänger Jesu getroffen zu Gottesdiensten und Zusammenkünften. Dieser sogenannte Tag des Herrn, aus dem wird dann später im Laufe der Zeit unser Sonntag. Wir haben hier den ersten literarischen Beleg für diesen besonderen Tag. Die Worte im Geist sind auf jeden Fall so zu verstehen, dass es hier um ein unverfügbares

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Geschehen geht, das wir niemals von uns aus bewerkstelligen können. Wir können diese Formulierung, wenn man die ganze Offenbarung berücksichtigt, schon so verstehen, ich wurde am Tag des Herrn vom Geist ergriffen. Aber Johannes betont das nicht besonders, er spricht nur knapp davon und zurückhaltend. Aber völlig klar ist, die Initiative ging nicht von Johannes aus, sondern vom Geist. Ort, Zeit und Inhalt hat nicht Johannes bestimmt, sondern ein anderer. Jetzt mit Vers 11 beginnt das eigentliche Visionsgeschehen. Es beginnt mit einer Audition. Martin, lies mal bitte

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Vers 11. Sie sprach die Stimme. Schreib das, was du siehst, in ein Buch und schick es an die sieben Gemeinden nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sades, nach Philadelphia und nach Laodicea. Ja, ich habe gerade gemerkt, die Stimme fängt schon irgendwie bei 10b an. Also ich war im Geist und dann geht es los, da hörte ich eine laute Stimme. Beginnt es schon in Vers 10? Ja, 10b. Und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie von einer Posaune. Ja, und die sprach dann. Also es geht mit einer Audition los. Johannes hört eine laute Stimme wie die einer Posaune. Es handelt sich hier auf jeden Fall um eine himmlische Stimme, das ist völlig klar. Aber Johannes sagt nicht, wer hier spricht. Das wissen wir nicht. Diese Stimme hat

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auf jeden Fall eine ganz ordentliche Lautstärke, sie ist laut wie eine Posaune. In der Antike gilt die Posaune als das stärkste Musikinstrument. Der Ton der Posaune hat Signalfunktion, weil er unüberhörbar ist. Schon interessant, dass er die Stimme mit einem Musikinstrument vergleicht, aber er ist ja sehr vorsichtig. Er sagt ja nur, wie eine Stimme. Und diese Stimme gibt Johannes einen zweifachen Auftrag. Der erste Auftrag lautet, schreib auf. Und der zweite Auftrag lautet, sende an. Der erste Auftrag macht ganz klar, dass Johannes seine Schrift nicht im eigenen Entschluss geschrieben hat, sondern dass er dazu beauftragt wurde. Und der zweite Auftrag,

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sende an, macht klar, dass diese Vision, die jetzt gleich geschildert wird, keine Privatoffenbarung an Johannes ist, sondern eine Botschaft an die gesamte Christenheit. Diese Stimme sagt übrigens, das, was du siehst, schreibe auf in ein Buch. Das bedeutet nämlich auch, schreibe nur das auf, was du siehst und nichts anderes. Also dieser Auftrag ist gleichzeitig auch eine Begrenzung. Wie wichtig dieser Verschriftlichungsauftrag ist, merkt man vor allem daran, dass er am Ende unseres Textes in Vers 19, Johann Martin Hünerhoff hat es ja vorgelesen, dass da nochmal ein Verschriftlichungsauftrag kommt. Er wird wiederholt,

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diesmal direkt vom Auferstandenen und ausführlicher als am Anfang. Das heißt, die Visionsschilderung, zu der wir jetzt gleich kommen, ist eingerahmt durch zwei Verschriftlichungsaufträge. Wie Johannes diesen Verschriftlichungsprozess im Einzelnen ausgeführt hat, wissen wir nicht. Johannes macht dazu keine Angaben. Jetzt kommen wir zur eigentlichen Visionsschilderung in den Versen 12 bis 16. Ich finde es gut, Martin, wenn du nochmal hier uns einen knappen Überblick gibst über diese eigentliche Visionsschilderung, Vers 12 bis 16. Da wandte ich mich um, weil ich die Stimme erblicken wollte, die zu mir sprach. Als ich mich umwandte,

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sah ich sieben goldene Leuchter und mitten unter den Leuchtern einen gleich einem Menschensohn. Er war bekleidet mit einem Gewand bis auf die Füße und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee und seine Augen wie Feuerflammen. Seine Füße glänzten wie Golderz, das im Schmelzofen glüht und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen. In seiner Rechten hielt er sieben Sterne und aus seinem Mund kam ein scharfes, zweischneidiges Schwert und sein Gesicht leuchtete wie die Sonne in ihrer Kraft. Dankeschön. Also soweit jetzt die eigentliche Visionsschilderung. Das erste, was Johannes sieht,

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sind sieben goldene Leuchter. Wir erfahren am Ende unseres Textes, dass diese sieben goldenen Leuchter die sieben Gemeinden symbolisieren, an die Johannes seine Schrift schicken soll. Das heißt, wir haben hier gleich am Beginn dieser Vision das Thema Gemeinde. Der Auferstandene steht inmitten der Gemeinde. Und das bedeutet, der Auferstandene wird hier nicht als eine isolierte Person gesehen für sich, sondern er steht von Anfang an in einem Beziehungsgefüge. Er steht inmitten der sieben Gemeinden. Er ist ihr Mittelpunkt, ihr Lebenszentrum, ihr Garant.

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Der Auferstandene ist ja überhaupt der Grund, warum es Gemeinden gibt. Und die Gemeinden sind ihrerseits alle auf ihn orientiert. Das entscheidende Wesensmerkmal der Gemeinden ist ihr Bezug zum Auferstandenen. Und der Auferstandene seinerseits ist in der gesamten Johannes- Offenbarung ohne Gemeinden undenkbar. Wir haben also hier mit den sieben goldenen Leuchtern beziehungsweise mit den sieben Gemeinden eine neue Thematik, die eine ganz neue Fragestellung mit sich führt. Nämlich folgende Frage. Wie verhalten sich die Gemeinden des Auferstandenen zum Volk Israel? Das ist eine fundamental neue und wichtige Frage, die viele Facetten hat. Auch in

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der Johannes-Offenbarung spielt diese Thematik immer wieder eine Rolle. Das Nächste, was sehr wichtig ist, bevor Johannes den Auferstandenen im Einzelnen schildert, stellt er sehr bewusst einen Gesamteindruck voran. Er sieht einen, man könnte auch sagen, er sieht eine Gestalt, wieder bleibt es ganz innerhalb des Wahrnehmungsprozesses. Es wird auch hier nicht gleich gesagt, wer es ist. Ich habe das immer schon gesagt, der Auferstandene, weil es ja auch klar ist. Trotzdem, es ist hochinteressant, in diesen Visionen bleiben die Schilderungen innerhalb des

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normalen Wahrnehmungsprozesses. Also er sieht jetzt erst mal eine Gestalt und jetzt allerdings interpretiert er diese Gestalt. Das fügt er so, weil das sieht man ja dem nicht so an. Es war eine Gestalt und jetzt sagt Johannes, gleich vorneweg, sieht ähnlich aus wie ein Menschensohn. Ja, warum macht er das? Klären wir mal den Begriff Menschensohn, der ist sehr wichtig. Johannes bleibt wieder ganz vorsichtig mit seinem Wie. Er sieht einen, der sieht aus wie ein Menschensohn. Also Johannes sagt nicht, ich sehe einen Menschensohn. Er vermeidet auch den bestimmten Artikel. Johannes sagt nicht, ich sehe den Menschensohn. Ja dann wird es ein christologischer

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Hoheitstitel, wie man ihn in den synoptischen Evangelien vielfach finden kann. In den Evangelien ist Jesus der Menschensohn und der Titel der Menschensohn, immer mit bestimmten Artikeln, ist in den Evangelien ja auch verbunden mit dem Leiden Jesu. Aber das Leiden Jesu ist in der Johannes-Offerbarung überhaupt kein Thema. Also Johannes vermeidet den christologischen Hoheitstitel. Er vermeidet überhaupt christologische Hoheitstitel. Ganz, ganz sparsam, selten. Er ist hier viel offener. Also er sieht einen, der sieht aus wie ein Menschensohn. Ja, völlig klar, auf was sich das bezieht. Das wussten damals alle. Das ist eine berühmte Stelle. Bezieht

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sich auf Daniel 7, die Verse 13 bis 14. Da ist von einer himmlischen Gestalt die Rede, ein Menschensohn, der in der nächsten Nähe zu Gott steht und vor allem in der Endzeit wichtig wird. Und Gott in dieser Stelle, Daniel 7, 13 bis 14, überträgt dem Menschensohn entscheidende Vollmacht. Und das heißt, seine Macht wird kein Ende haben. Schon eine herausragende Gestalt, geheimnisvolle Gestalt, auf die Jesus sich bezogen hat. Ja, und wie der Name Menschensohn schon sagt, bezieht sich diese himmlische Gestalt im besonderen Maße auf die Menschen. Diese Rede von einem Menschensohn ist im damaligen Judentum sehr wichtig gewesen, in vielen Schriften der

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damaligen Zeit. Und sehr wahrscheinlich haben die meisten Leser der Johannes-Offenbarung diese Rede gekannt. Warum macht Johannes das? Johannes erreicht mit diesem Vorspann, den er voranstellt, folgendes. Er macht seinen Lesern von vornherein klar, dass es jetzt bei dieser Vision um mehr geht als um einen Engel. Das ist ihm wichtig. Weil vieles sieht auch aus wie ein Engel. Nein, nein, es geht hier um mehr als um einen Engel. Das ist mit dieser Bemerkung schon völlig klar. Jetzt, bevor ich diese Visionsschilderung im Einzelnen interpretiere, möchte ich zunächst einmal auf

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das Vokabular hinweisen, das für diese Vision und auch für die späteren Himmelsvisionen typisch und charakteristisch ist. Nämlich in diesen Visionsschilderungen spielen Lichtphänomene eine entscheidende Rolle. Die göttliche Dimension ist mit dem Licht auf das Allerengste verbunden. Es geht hier um Erfahrungen des Hellen, des Hellwerdens. Man kann in diesem Zusammenhang von einem pyrophamen Vokabular sprechen. Das ist so ein Fachausdruck dafür. Zum pyrophamen Vokabular gehören die Verben leuchten, strahlen, glänzen, glühen, scheinen, denn es handelt sich

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ja um Erscheinungen. Zum pyrophamen Vokabular gehören auch die Adjektive hell, weiß und golden. Und es gehören die Substantive Sonne, Mond, Sterne, Leuchter, Fackel und Feuer. Feuer ist hier nicht gemeint wegen der Gefährlichkeit, nein, sondern Feuer ist hier eine Lichtquelle, ist etwas Helles, das erleuchtet. So ist Feuer hier gemeint. Gut, ihr könnt ja mal zu Hause, das wollen wir jetzt hier nicht machen, geht mal diesen Text mal durch, das ist eine schöne Arbeit, da findet ihr tiefer in den Text rein und streicht euch mal alle Vokabeln der pyrophamen Sprache, des hellen, des glühenden, des glänzenden, des leuchtenden, streicht mal alles an,

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ihr werdet baff sein, wie stark das hier wirkt. Jetzt die Beschreibung der Gestalt, die wie ein Menschensohn aussieht, es ist der Auferstandene, das ist uns klar, es wird aber in dem Text erst am Ende wirklich klar. Ja, diese Schilderung geht schrittweise vor, sie beginnt bei der Kleidung und sie endet beim Angesicht. Diese Gestalt wird also vor allem so beschrieben, die Schilderung konzentriert sich auf das, was bei einem Menschen nach außen wirkt. Was ist es? Seine Bekleidung, sein Kopf und Haar, sein Augen, seine Stimme, sein Angesicht, seine Hände, seine Füße. Das ist das,

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wodurch ein Mensch nach außen wirkt, das sieht man. Und genau auf das ist diese Schilderung auch konzentriert. Interessant ist, dass der Auferstandene steht. Er kommt nicht gerade von irgendwo her und er geht dann auch am Ende der Vision nicht irgendwo hin. Nein, er steht. Wenn der Auferstandene in dieser Vision von irgendwo her kommen würde und dann irgendwo hingehen würde, dann könnten wir ihn beobachten. Dann wäre er, dann würde er zum Objekt unserer Beobachtung. Das ist er aber nicht. Nicht wir beobachten ihn, sondern er erscheint uns. Interessant ist auch, dass bei dieser Schilderung das Leibliche eine große Rolle spielt. Der Auferstandene ist nicht

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irgendein körperloses Etwas. Es findet sich in dieser Schilderung nicht die geringste Abwertung des Leiblichen. Gut, also die Schilderung beginnt mit der Bekleidung. Die Gestalt der Menschen, so ähnlich, trägt ein vornehmes Kleid, nämlich man muss sagen ein Gewand. Es ist kein normales Kleid, sondern ein Gewand, das runtergeht bis zu den Füßen. Man sieht bei so einem Gewand die Füße, aber nicht die Beine. Solche vornehmen Gewänder durfte in der Antike nicht jeder tragen. Das war verboten, sondern nur Personen eines sehr hohen Standes durften solche vornehmen Gewänder tragen. Das Gewand selber wird nicht genauer beschrieben. Allerdings auch sehr vornehm ein goldener

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Brustgürtel. Das gibt es auch sehr selten. Normalerweise trägt man einen Gürtel um die Hüfte. Das hat zum Beispiel dann gegebenenfalls auch die Möglichkeit, dass man ein Dolch reinstecken kann oder ein Kurzschwert oder ein Schwert. Das heißt, der Gürtel um die Hüfte kann sehr wichtig werden, wenn man sich mal zur Wehr setzen muss. Solche Gesichtspunkte spielen bei einem goldenen Pyrofan Brustgürtel von vornherein keine Rolle. Die vornehmen Gestalten, die einen goldenen Brustgürtel tragen, die müssen sich gar nicht zur Wehr setzen. Die haben ihre Leute, die das tun. Also so weit mal zu dieser Begleitung. Dann wendet sich Johannes dem Kopf zu, den Haaren. Die Haare

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sind für das Erscheinungsbild eines Menschen nicht unwichtig. Also der Kopf bzw. die Haare auf dem Kopf sind weiß wie weiße Wolle und weiß wie Schnee. Hier ist das Weiß Zeichen der Würde und der Weisheit. Außerdem ist die Farbe Weiß, die in der Offenbarung oft vorkommt, auch ein Ausdruck für die Zugehörigkeit zu Gott. Als nächstes, sagt er, die Gestalt hat Augen wie Feuerflammen. Feuerflammen haben wir ja schon leicht angesprochen. Es geht hier um das Lebendige der Wahrnehmung und auch um die durchdringende Kraft der Wahrnehmung. Dann springt die Schilderung runter auf die Beine, die Füße. Man sieht nur die Füße und es ist irgendeine ganz kostbare Legierung,

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die damals als kostbarer galt als Gold. Also es war so ziemlich die überhaupt denkbar kostbarste Legierung. Und die glänzt auch mehr wie Gold. Gold glänzt ja nur sehr matt, aber diese Legierung nicht. Pyrofarm. Und da solche Füße auf der Erde nirgendwo zu finden sind, ist es völlig klar, die Füße sind hier ein Zeichen der Transzendenz und einer uns unbekannten Würde. Dann springt Johannes hoch zur Stimme. Die Gestalt hat eine Stimme wie das Rauschen großer Wasser. Wenn wir mal das Rauschen eines großen Wasserfalls hören, dann ist das eine kreatürliche Ur-Erfahrung. Wir

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spüren nämlich dann bei diesem Geräusch, bei diesem Donner, wie ohnmächtig wir sind, wie schnell wir untergehen können und weggespült wir können. Dann berichtet Johannes, die Gestalt hat in ihrer rechten Hand sieben Sterne. Sehr ungewöhnlich. Dieses Bildmotiv, sieben Sterne in der rechten Hand, gibt es nirgendwo sonst. Weder im Alten Testament noch im Judentum, in den damaligen jüdischen Schriften. Es ist vollkommen neu. Dieses Bildmotiv zeigt eine ungeheure Machtfülle, aber es schwingt auch mit, dass diese sieben Sterne in seiner Hand geborgen und geschützt sind. In der Antike galten Sterne als göttliche Lebewesen, die das Schicksal der Menschen steuern.

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Eine solche Deutung der Sterne zerbricht an diesem Bild. Jetzt kommt das bizarrste Bild. Aus seinem Mund kommt ein scharfes zweischneidiges Schwert. Das Bild ist so bizarr, das gibt es nur in der Johannis-Offenbarung. Es kommt dort noch einmal vor. Es gibt schon die Rede vom scharfen zweischneidigen Schwert öfters, aber aus dem Mund, das ist also einmalig. Da, wo sonst die Zunge sitzt, da ist hier dieses Schwert. Ein Schwert trägt man am Gürtel oder ein Schwert hat man in der Hand, aber er hat es im Mund. Weil die Worte seine Waffe sind, das Schwert symbolisiert seine Worte. Weil seine Worte

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seine Waffe sind, braucht er sonst keine Waffen mehr. Dieses zweischneidige Schwert steht natürlich für die scheidende Kraft seiner Worte. Auf die werde ich noch kommen. Die werden wir noch erleben. Und auch seine unterscheidende Kraft, wenn man nicht mehr unterscheidet, sondern so pauschal da rausplappert. Nein, seine Worte sind ein scharfes zweischneidiges Schwert. Alle Waffen der Welt werden niemals das erreichen können, was er mit seinem Wort erreicht. Und zum Schluss sein Angesicht. Das ist der Höhepunkt und das Ende der Schilderung. Sehr bewusst sein Angesicht leuchtet wie die Sonne in ihrer Kraft. Wir können ja die Sonne nicht lang angucken. Das blendet ja

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fürchterlich. Wir können auch sein Angesicht nicht einfach so anplotzen, ihn mal so mustern. Nein, das geht nicht. Sein Angesicht leuchtet wie die Sonne in seiner Kraft. Und da schwingt natürlich auch die höchste Wertschätzung der Sonne mit. Alle Völker haben eine höchste Wertschätzung der Sonne und ihrer Kraft, ohne die wir alle nicht leben könnten. Also wenn wir diese Schilderung mal zusammenfassen, kann man sagen, alles an dieser Gestalt ist hoheitsvoll, ist majestätisch und die Gestalt ist voller Ausstrahlung. Jetzt nennt dieser Text in kurzen Worten, wie

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Johannes auf diese Vision reagiert hat. Lies mal bitte, Martin, die Reaktion in Vers 17. Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. So weit mal. Als ich ihn sah, fiel ich vor seine Füße nieder wie tot. Es ist hier die Begegnung mit einer unendlichen Überlegenheit. Und in einer solchen Begegnung ist der Mensch völlig überfordert, fassungslos. Er spürt das Ausgeliefertsein, seine Machtlosigkeit, das Überwältigtsein. Die Knie fangen an zu flattern. Sie können den Körper nicht mehr tragen und du stürzt zu Boden. Niemand kann in so einer

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Situation gelassen bleiben. Und da, heißt es jetzt, da legte der Auferstandene seine rechte Hand, also die, die die Sterne auch umfasst, das ist eine Hand, auf ihn und berührt ihn. Und er spricht ihn an. Er sagt zu ihm, fürchte dich nicht. Diese Worte nehmen dieser Grenzerfahrung ihre Bedrohlichkeit. Sie sind gemeint im Sinne von, du brauchst keine Angst zu haben. Diese Worte sagt der Auferstandene nicht nur ihm, sondern uns allen. Und jetzt, ihr Lieben, kommt etwas Unfassliches, etwas wirklich

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Besonderes. Der Auferstandene stellt sich Johannes vor. Das hätte er ja nicht tun müssen. Er stellt sich vor in drei Sätzen, in drei kurzen Hauptsätzen. Nebensätze haben hier keinen Platz. Er macht wenig Worte, aber die wenigen Worte, die er macht, klären alles Wesentliche. In diesen drei Sätzen, in denen sich der Auferstandene dem Johannes vorstellt, verwendet der Auferstandene keinen Namen und überhaupt keine Hoheitstitel. Gar nicht. Alle drei Sätze fangen mit Ich an. Der

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erste Satz fängt an Ich bin. Der zweite Satz fängt an Ich war. Und der dritte Satz fängt an Ich habe. Wir können an diesen drei Sätzen lernen, was man in drei Sätzen sagen kann. Jeder Satz ist hier eine ganze Welt. Jeder Satz ist randvoll mit Inhalt. Wir müssen bei diesen drei Sätzen zwei Dinge sagen. Kürzer geht es nicht und mehr Inhalt geht nicht. Wir erleben also jetzt, wie der Auferstandene,

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der Meister der Sprache, sich vorstellt. Martin Liesmann. Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch siehe, ich lebe in alle Ewigkeit und ich habe die Schlüssel zum Tod und zum Hades. Ja, dankeschön. Der Auferstandene sagt, ich bin der Erste und der Letzte. Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer, das ist ein Absolutheitsanspruch. Wer käme eigentlich auf die Idee, sich so vorzustellen? So hat sich ja auch bisher noch niemand vorgestellt. Wer käme auf die

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Idee, so etwas zu behaupten? Es hat ja auch noch niemand so etwas behauptet. Stellen wir uns mal vor, Platon oder Napoleon oder Mozart oder Einstein hätten gesagt, ich bin der Erste und der Letzte. Das ist einfach absurd, völlig unvorstellbar. Die Worte, ich bin der Erste und der Letzte, erfindet man nicht. Es hat ja auch bis jetzt noch niemand so etwas erfunden. Also Jesus scheut sich

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nicht, so etwas zu sagen. Der Auferstandene bekennt sich. Er steht zu sich. Das zeigt seine Qualität und seine Stärke. Er packt nicht erst kleine Brötchen und schiebt dann die großen nach. Er eiert nicht rum. Er sagt ruhig und sachlich, was Sache ist. Denn es kommt hier wirklich darauf an, zu sagen, was Sache ist. Wenn nicht hier, wann dann? Also Jesus bekennt sich ohne alle falsche Bescheidenheit, ohne falsche Demut. Für Understatement ist hier nicht der Ort. Er steht zu

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sich. Ich bin der Erste und der Letzte. Diese Aussage kann man nicht steigern. Sie ist umfassend. Sie ist zeitübergreifend. Wir alle unterliegen der Zeit. Wir schwimmen im Strom der Zeit. Wir sind Gefangene der Zeit. Er nicht. Die Zeit vergeht. Er nicht. Wie kommt man überhaupt auf die Idee, so etwas zu sagen? Der Auferstandene kennt den Anfang und das Ende. Er kann die Dinge

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vom Anfang her betrachten und vom Ende her. Er hat den Überblick über das Ganze. Von so einem Überblick sind wir Lichtjahre entfernt. Wir ahnen ja nicht einmal, wie viele vor uns waren und wie viele nach uns sein werden. Vor ihm war niemand und nach ihm wird keiner sein. Der, der so spricht, spielt nicht nur in einer ganz anderen Liga wie wir, sondern er ist der ganz andere. Ich bin der Erste und der Letzte. Dieser Satz ist tatsächlich ein scharfes zweischneidiges Schwert.

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Es scheidet die Geister. Dieser Satz, dieses Schwert lässt nur zwei Möglichkeiten zu. Entweder man empfindet so einen Satz einfach nur als lächerlich, als völlig indiskutabel, selbst der Vorwurf der Angeberei wäre ja hier noch viel zu schwach. Oder dieser Satz bricht unseren Gehörgang auf und bricht unser Herz auf und wird zur Grundlage unseres Lebens, zum Horizont, in dem wir leben und sterben. Ihr Lieben, eins von beiden. Und der Satz geht noch weiter. Ich bin der

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Erste und der Letzte und der Lebendige. Auch das kann man nicht mehr steigern. Mehr als lebendig geht nicht. Und er sagt ja nicht nur, ich bin lebendig, ja das sind wir auch noch, sondern er sagt, ich bin der Lebendige. Das hat auch noch niemand gesagt. Stellen wir uns mal wieder vor, Platon, Mozart, Napf und so weiter, es geht doch nicht. Sowas erfindet man doch nicht. Lebendig zu sein ist das Schönste und das Gesundeste, was es gibt. Das Leben ist das Höchste. Das Leben ist bezaubernd schön. Es geht um das Lebendigsein. Und er ist der Lebendige.

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Diese drei Substantive, ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, hat man bisher nur auf Gott bezogen. Es gibt mehrere Stellen im Alten und auch im Neuen Testament, auch in der Johannes Offenbarung, wo Gott so etwas sagt. Aber bisher hat man das nur auf Gott bezogen. Aber der Auferstandene bezieht es auch auf sich. Er nimmt die gleiche Hoheit in Anspruch wie Gott. Es bleibt ein faster Atem weg. Aber wir Christen glauben, dass Gott selbst es gerade so will. Also fragst

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du, wer er ist? Er ist der Erste und der Letzte und der Lebendige. Der zweite Satz, ich war tot und siehe, ich lebe in Ewigkeit. Ich war tot. Ja, was ist denn das für ein Satz? Den hat auch noch nie jemand gesagt. Kennt ihr irgendjemand, der gesagt hat, ich war tot? Unvorstellbar. Der hat ein völlig anderes Verhältnis zum Tod als wir. Wir haben alle den Tod vor uns. Er hat ihn hinter sich. Wir wissen nicht, wie es sein wird im Tod. Er weiß es. Das ganz Entscheidende,

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überraschende, unausdenkbare ist, er bezieht sich auf seinen Tod. Er bezieht sich hier nicht als Erstes und direkt auf seine Auferstehung. Indirekt natürlich schon, denn er sagt dann, und siehe, ich lebe in Ewigkeit. Das Leben in Ewigkeit ist ein unzerstörbares Leben. Ein Leben, in dem es keinen Tod gibt, in dem die zerstörerischen Kräfte ausgespielt haben. Das ewige Leben ist ein Leben, das sich feiert. Aber der Haftpunkt, mit dem er beginnt, ist die Aussage,

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ich war tot. Er sagt nicht, guck, ich bin auferstanden. Jesus hat zu seinem Tod ein anderes Verhältnis wie zu seiner Auferweckung. Er hängt in seinem Tod viel mehr selber mit drin, wie bei seiner Auferweckung. Die Auferweckung, die ist ganz von Gott her. Er lässt alle Ehre bei Gott. Aber bei seinem Tod, da hängt er ganz schön selber mit drin. Es war sein Tod. Und was war das für ein Tod? Ein fürchterlicher Tod in den besten Jahren. Sein Tod war nicht nur ein Verhängnis. Er hätte ihm ausweichen können, aber er hat ihn in Kauf genommen. Aber er lobt sich hier selber gar nicht. Er stellt nur fest, ich war tot. Und diese Feststellung ist der einzige Satz in der Weltgeschichte,

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den jemand so gesagt hat. Siehe, ich war tot. Er war es. Und dann der dritte Satz. Ich habe die Schlüssel zum Tod und zum Hades. Er hat die Schlüssel. Ich habe nie mehr wieder so die Bedeutung von Schlüsseln erlebt, wie in den Jahren, in denen ich als Dozent an der PH Ludwigsburg mit den Studenten alle vier Semester in die Gefängnisse gegangen bin, vor allem in das Gefängnis in Heimsheim. Wir haben dann gesprochen mit Strafgefangenen, die freuen sich riesig, wenn sie mal Besuch kriegen, außer der Reihe. Und wir haben gesprochen mit Vollzugsbeamten, mit dem Gefängnisarzt,

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mit dem Gefängnispfarrer und mit dem Gefängnisleiter. Und in diesen Gängen durch das Gefängnis hört man dann die Schlüsselbünde klappern. Denn wer hat die Schlüssel? Das ist im Gefängnis der entscheidende Unterschied. Die Schlüssel sagen, wer du bist oder wer du nicht bist. Ich war kurze Zeit im Nebenamt Gefängnispfarrer und habe also auch Gottesdienste im Gefängnis gehalten, auch Weihnachtsgottesdienste. Und das Lieblingslied der Strafgefangenen in den Weihnachtsgottesdiensten war immer folgendes Lied. Das haben sie sich immer gewünscht. Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Das war ihr Lieblingslied, aber sie hatten nicht die Schlüssel. Die Schlüssel, diese kleinen Dinger

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da, man sieht es denen gar nicht an. Kleiner Gegenstand, aber was für eine Wirkung. Ein Schlüssel rumdrehen ist nicht schwer. Das strengt uns überhaupt nicht an. Und mit diesen kleinen Dingern da öffnen wir die schwersten Türen. Wir öffnen auch die schweren Stahltüren der am besten geschützten Säves. Drehen wir den Schlüssel rum. Dieser hier hat die Schlüssel zum Tod und zum Hades. Hier werden Tod und Hades wie oft im Judentum räumlich vorgestellt. Es gibt zum Beispiel ein Beispiel für viele, Psalm 9 Vers 14, die Pfoten des Todes. Das ist auch eine räumliche Vorstellung. Und Hades, das ist das griechische Wort für Unterwelt. Man hat sich damals die Unterwelt

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als eine riesige Stadt vorgestellt mit Stadttoren und die sind verschlossen. Also, ihr Lieben, er ist der Erste und der Letzte. Und er sagt es hier klipp und klar, ruhig und sachlich, ohne Scheu. Er steht zu sich. Und er ist der Lebendige. Mehr geht nicht. Lebendig zu sein, ist das Wichtigste und das Schönste und das Gesündeste, was es gibt. Er war tot und das ist sein Haftpunkt für immer. Denn es ist kein gewöhnlicher Tod. Aber er wurde aus dem Tod von Gott errettet und

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jetzt lebt er in alle Ewigkeit. Und, ihr Lieben, er hat die Schlüssel. Ich habe keine Ahnung, aber er hat die Schlüssel. Ich habe viele Ängste, aber er hat die Schlüssel. Ich mache mir viele unnötige Sorgen. Warum? Denn er hat die Schlüssel. Halleluja. Jubilate.

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Die Apokalypse des Johannes (Teil 4): Die Eröffnungsvision der Apokalypse des Johannes (Offb 1,9–1,20) | 12.17.1

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 13. Dezember 2022 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Nach seiner Analyse des Vorworts setzt Siegfried Zimmer in diesem Vortrag seine Reise durch die Offenbarung des Johannes fort. Es geht um die erste Vision, von der Johannes berichtet. Er sieht den auferstandenen Christus, wird von ihm direkt angesprochen. In dieser ersten Vision steckt schon so viel Geheimnisvolles: Was hat es mit dem Begriff »Menschensohn« auf sich? Was bedeutet es, dass er weiße Haare hat, ein langes Gewand, eine Stimme wie das Rauschen großer Wasser. Wer sind die sieben Gemeinden und was haben sie mit dem Volk Israel zu tun?
Zimmer erläutert diese elf Verse des ersten Kapitels im Licht der damaligen Zeit, beschreibt, wie die Menschen in der Antike Johannes Vision verstanden haben. Und findet dabei Worte, die auch heutigen Christen mitten ins Herz gehen.

Dieser Vortrag gehört zu der 12-teiligen Apokalypse des Johannes-Vorlesung von Prof. Dr. Siegfried Zimmer.