Der Beitrag der Hiob-Dichtung zur Theodiziefrage. Im dritten Vortrag dieser Reihe, also vor einigen Vorträgen zuvor, hatte ich das Thema der Beitrag der Hiob-Novelle zur Theodiziefrage. Also ich stelle die gleiche Frage sowohl an die Hiob-Novelle als auch an die Hiob-Dichtung, die in Hiob 2 Vers 11 bis Hiob 42 Vers 9 zu finden ist. Ich will ja auch an dieser Stelle noch mal kurz sagen, was man in der Theologie mit der
Theodiziefrage meint. Die Theodiziefrage ist folgende Frage. Wie kann man an einen gütigen und allmächtigen Gott glauben, angesichts von dermaßen viel unschuldigem Leid, das nicht gut ausgeht, also das kein Happy End findet? Das ist die Theodiziefrage. Theodizie meint wörtlich genommen, wie kann man Gott rechtfertigen angesichts dieser Misere? Kann man da Gott rechtfertigen oder verteidigen? Das ist gemeint mit Theodizie, also angesichts des unschuldigen Leid. Und die Theodiziefrage stellen wir nur dann wirklich echt, wenn wir uns den schwersten Formen des unschuldigen Leids, das kein Happy End findet, stellen und nicht nur mittelschweren
oder moderaten, sondern den schwersten Formen des Leids. Wenn ich jetzt nach dem Beitrag der Hier-Dichtung frage, dann ist das ein äußerst anspruchsvolles Unternehmen. Die Theodiziefrage selber gibt es erst in der modernen Welt, viele sagen hervorgerufen durch das große Erdbeben in Lissabon im 17. Jahrhundert, wo also Zehntausende von Menschen zu Tode kamen. Da brach diese moderne Theodiziefrage auf. Die Theodiziefrage hat zum Kontext den modernen Atheismus, also das unschuldige Leid ist der Fels des Atheismus, ist ein bekanntes Beaumont von irgendeinem Philosophen, den
ich jetzt gar nicht weiß. Also die moderne Theodiziefrage hat als ihr Umfeld den Atheismus, den es in der Antike noch nicht gibt. Und deswegen gibt es auch in der Antike noch keine Theodiziefrage. Also weder die Hiobnovelle noch die Hiobdichtung kennen selber unsere moderne Theodiziefrage. Die wird so in der Antike noch nicht gestellt. Trotzdem, auch wenn die Hiobnovelle und die Hiobdichtung die Theodiziefrage selber noch nicht kennen, kann es durchaus sein, dass die Hiobnovelle und die Hiobdichtung entscheidend wichtige Beiträge liefern, wie wir heute mit der Theodiziefrage umgehen können. Und deswegen ist das Thema schon berechtigt, wenn ich frage, der Beitrag der Hiobdichtung
zur Theodiziefrage. Also ich will damit nicht behaupten, dass die Hiobdichtung die Theodiziefrage bereits kennt. Nein, das tut sie nicht. Trotzdem ist ihr Beitrag, wie hoffentlich deutlich wird, auch bis heute von entscheidender Bedeutung. Ich will mal gleich hier sagen, es ist der wichtigste Beitrag, den es überhaupt gibt. Denn die Hiobdichtung ist sehr kühn. Sie überwindet bestimmte Glaubensverständnisse, wie sie bis dahin erreicht worden sind. Sie betritt Neuland und überwindet also bestimmte oberflächliche Antworten oder die eben nicht wirklich ganz angemessen sind. Aber wir selber heute in der heutigen Theologie können nicht sagen, wir gehen noch über
die Hiobdichtung hinaus. Nein, das macht niemand. Also die Hiobdichtung ist der bis heute tiefste und entscheidende Beitrag, den es überhaupt zur Theodiziefrage gibt. Auch das, was Jesus gesagt und getan hat, bewegt sich ganz in dieser Perspektive der Hiobdichtung. Ja, also es ist noch was anderes, ist mir gleich am Anfang wichtig. Der größere Beitrag der Hiobdichtung zur heutigen Theodiziefrage besteht im Folgendem, dass wir auf Antworten verzichten lernen. Das ist der gewichtigere Beitrag, denn es gehört zur Qualität der Hiobdichtung, dass sie bestimmte Sackgassen vermeidet, bestimmte Antworten vermeidet.
Sie verzichtet auf viele Antworten, die damals und auch später gegeben wurden, weil wir keine Antwort haben. Also dieser, sagen wir mal, negative Teil, wir müssen verzichten lernen, ist der mit der entscheidende positive Beitrag der Hiobdichtung. Nur wenn wir den Verzicht, zu dem uns die Hiobdichtung animiert, nur wenn wir den Verzicht mitvollziehen, können wir dann auch die positiven Punkte, die in der Hiobdichtung drin sind, überhaupt verstehen. Also es geht erst mal darum, dass wir verzichten lernen. Und dann will ich noch sagen, die Hiobdichtung, also im fünften bis dritten Jahrhundert entstanden, das werde ich dann in der nächsten Vorlesung behandeln, die wird das Thema haben, die Entstehungsgeschichte
des Buches Hiob. Damals schon war die Hiobdichtung äußerst umstritten und sie blieb umstritten bis heute. Also es ist nicht so, dass die Hiobdichtung einen Schritt vorwärts getan hat, den seitdem alle Juden und Christen tun, sondern die Hiobdichtung tut wirklich einen entscheidenden Schritt vorwärts, aber der blieb immer kontrovers. Selbst auch im Jakobusbrief, wo Jakobus sich an Hiob erinnert, erinnert er sich nur an den tief im Glauben stehenden Hiob, der Hiob Novelle, der jede Anfechtung überwindet. Aber der freche Hiob, der rebellische Hiob, der lästert, schimpft und tobt, der wird
in einer 2000-jährigen Geschichte des Judentums, des Christentums und übrigens auch des Islam kaum herangezogen. Also wenn wir jetzt diesen Beitrag behandeln wollen, müssen wir wissen, er ist hoch umstritten. Erster Gesichtspunkt, ich habe insgesamt sechs Punkte, die mir besonders wichtig erscheinen. Die ersten drei Punkte sind alles Verzicht. Erst die Punkte 4, 5, 6 sind positive Setzungen, die aber erst möglich werden, wenn die drei Verzichtsprozesse gelungen sind. Der erste Punkt heißt Verzicht auf den Tat-Folge-Zusammenhang als Weltanschauung.
Verzicht auf den Tat-Folge-Zusammenhang als Weltanschauung. Ich könnte diese Überschrift auch so formulieren, Verzicht auf den Tat-Folge-Zusammenhang als Gesamttheorie der Wirklichkeit. Das ist er nicht. Oder ich könnte auch so formulieren, Verzicht auf den Tat-Folge-Zusammenhang als Gesamtmodell der Wirklichkeit. Alles das ist, oder ich könnte auch sagen, als Gesamtideologie meines Lebens. Das ist alles damit gemeint. Ich formuliere aber nochmal Verzicht auf den Tat-Folge-Zusammenhang als Weltanschauung. Und mit Weltanschauung meine ich eben eine Gesamttheorie der gesamten Wirklichkeit. Jetzt will ich kurz erklären, was der Tat-Folge-Zusammenhang meint.
In der Bibel, er ist nämlich von sehr großer Bedeutung, in der Bibel, wir haben in Europa nichts Analoges. Neuerdings gibt es schon natürlich Ansätze, die in die Richtung gehen. Aber dieser Tat-Folge-Zusammenhang ist erst in seiner Bedeutung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckt worden. Vorher war man sich dessen gar nicht bewusst. Ich erkläre diesen Tat-Folge-Zusammenhang jetzt sehr knapp, weil es gibt einen Vortrag von mir in Wothaus, in dem ich den Tat-Folge-Zusammenhang sehr ausführlich erkläre. Und dieser Vortrag heißt, gibt es einen strafenden Gott? Da können Sie also das, was ich jetzt in drei bis fünf Minuten sage, in 20, 25 Minuten genauer nachhören. Also der Tat-Folge-Zusammenhang, der für die gesamte Bibel, altes und neues Testament,
von sehr großer Bedeutung ist, meint Folgendes. Nach biblischer Sicht der Dinge hat jede Tat, die wir tun, Auswirkungen. Das leuchtet auch jedem ein. Also jede Tat hat Wirkungen. Jede Tat ist folgenreich. Also jede Tat hat irgendwelche Folgen. Und jetzt ist das Entscheidende, dass nach biblischer Sicht diese Folgen einer Tat zur Tat selber gehören. Die gehören noch zur Tat dazu. Erst die Tat und alle ihre Wirkungen zusammen sind das Ganze. Im Hebräischen heißt es, erst die Folgen einer Tat machen die Tat shillem, und das
heißt vollständig. Also jede Tat ist folgenreich. Und das ist insofern von entscheidender Bedeutung, als aus dieser Erkenntnis resultiert das, was die Bibel unter der menschlichen Verantwortung versteht. Nach biblischer Sicht sind wir verantwortliche Wesen. Wir sind anderen Menschen, der Gesellschaft gegenüber, aber vor allem Gott gegenüber, verantwortlich. Im Weltgericht müssen wir zu dieser Verantwortung stehen. Das ist eigentlich nicht negativ gemeint, sondern positiv. Es gehört zu unserer Würde, dass wir verantwortlich sind. Tiere sind nicht verantwortlich. Also es gehört zu unserer Würde, dass wir Verantwortung haben.
Und was heißt Verantwortung? Das heißt, ich muss die Folgen meines Tuns verantworten. Das heißt Verantwortung. Und auch in der heutigen Verantwortungsphilosophie und Verantwortungsethik wird es genau gleich gesehen. Also der Mensch ist verantwortlich. Und was bedeutet das? Ich muss die Folgen meines Tuns verantworten. Und noch ein paar Hinweise zu dem Tat-Folgedenken. Die Tat und ihre Folgen hängen so eng zusammen, enger als wir sagen Ursache-Wirkung. Weil der Zusammenhang von Ursache und Wirkung ist kausal gemeint. Das kann ich jetzt nicht in dem Zusammenhang länger erklären. Also der Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist kausal verstanden. Aber der Tat-Folge-Zusammenhang ist viel mehr wie nur kausale Zusammenhänge.
Das sind sie auch. Aber es gibt noch viele Zusammenhänge, die man mit kausal gar nicht erfassen kann. Es heißt auch an vielen Stellen in der Bibel wird die Tat und die Folge in einem einzigen Wort ausgedrückt. Das geht im Indogermanischen gar nicht. Also ich will mal ein Beispiel sagen, in den Sprüchen, wo dieser Tat-Folge-Zusammenhang in den 30 Kapiteln ständig eine Rolle spielt, aber auch in den Psalmen, bei den Propheten, bei Jesus, bei Paulus, überall. Also in den Sprüchen heißt es einmal, die Sünde ist der Leute verderben. Und in diesem Satz, den kann man gar nicht im Deutschen richtig wiedergeben, ist folgendes gemeint, die Sünde ist ein Tun, aber in dem Tun stecken viele verderbliche Einflüsse
und die gehören zu dem Tun dazu. Also die Sünde ist der Leute verderben. Da sind die Folgen schon mit drin gesehen. Das ist also viel mehr wie Ursache Wirkung. Also so wichtig sind die Folgen eines Tuns. Gott hat als Schöpfer das Leben so geschaffen, dass unsere Taten Folgen haben. Dass das überhaupt so ist, das liegt an der Schöpfung. Gott hätte auch theoretisch eine Schöpfung schaffen können, in der aus unseren Taten sich gar keine Folgen ergeben. Alle Taten sind isolierte Atome und völlig willkürlich. Nein, das wäre nach biblischer Sicht kein Leben, kein menschliches Leben. Es gehört zum menschlichen Leben. Das hat der Schöpfer so gemacht, dass unsere Taten Folgen haben und dass wir diese Folgen
verantworten müssen. Ich will mal ein paar Beispiele sagen. Sehr klar drückt Paulus im Galaterbrief aus, was der Mensch sät, das wird er ernten. Das ist dieser Tat-Folge-Zusammenhang. Die Ernte ist ja keine Strafe, es ist also kein Strafdenken, sondern ist einfach die Auswirkung, die Folge. Was der Mensch sät, das wird er ernten. Auch die Liebe Gottes ändert da gar nichts dran. Auch wenn wir voll in der Gnade, im Erbarmen, in der Liebe Gottes sind und das sind wir auch im Weltgericht, aber die Liebe Gottes ändert nichts daran, dass wir für die Folgen unserer Taten verantwortlich sind. Daran ändert die Liebe Gottes nicht. Also wenn wir dann aufgrund vieler schlechter Folgen ganz schön schlecht dastehen, dann
wird die Liebe Gottes uns tragen. Aber sie nimmt uns diese Erkenntnis nicht ab. Also was der Mensch sät, das wird er ernten. Das heißt mal im Alten Testament, wer Wind sät, wird Sturm ernten. Also ein Bild für den Tat-Folge-Zusammenhang ist Saat und Ernte. So wie Saat und Ernte zusammenhängen, hängen Tat und ihre Folgen zusammen. Oder es gibt ein Sprichwort, das wir kennen, die meisten wissen gar nicht, dass es aus der Bibel kommt. Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Das steht irgendwo in den Sprüchen und ist im Tat-Folgedenken zu verstehen. Wenn du ständig anderen Leuten Fallen stellst, du wirst selber staucheln. Oder gehen wir mal zu Jesus, wenn Jesus sagt, an den Früchten sollt ihr sie erkennen,
das ist Tat-Folgedenken. Damit ist gesagt, an den Tat-Folgen, an den Auswirkungen ihres Tuns wirst du sie erkennen. Also es gibt auch das Bild Saame-Frucht. Saat-Ernte, Saame-Frucht, das sind die beiden Hauptbilder für das Tat-Folgedenken. Ich sage mal ein paar andere Sätze, dass Sie spüren, wie die ganze Bibel und die ganze Botschaft Jesu alles voller Tat-Folgedenken ist. Jesus sagt, selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Das ist auch Tat-Folge. Barmherzigkeit ist ja im Tun, das ist ein barmherziges Tun. Oder Jesus sagt mal in der Bergpredigt, richtet nicht, denn in dem Maß, wie ihr richtet, werdet ihr selber gerichtet werden.
Boah, ich kriege jedes Mal Gänsehaut, wenn ich den Satz sage, macht euch das bewusst. Mit dem Maße, wie ihr andere Menschen richtet, werdet ihr selber gerichtet werden. Also Leute, werdet vorsichtig. Und so gibt es viele, Jesus sagt, fällt mir jetzt so gerade ein, wer mich bekennt vor den Menschen, den wird der Menschensohn bekennen vor Gott. Das ist auch Tat-Folgedenken. Wer mich bekennt vor den Menschen, das ist das Tun, es wird folgende Konsequenzen haben. Also, oder nehmen wir mal im Paradies, aber vom Baum mitten im Garten Eden sollst du nicht essen, denn am Tag, an dem du davon isst, wirst du sterben. Das ist Tat-Folge, das ist keine Strafe, sondern du ziehst dir den Tod selber zu.
Isst nicht von dem Baum mitten im Garten Eden, dann wirst du sterben. Das ist Tat-Folgedenken. Gut, also, das Tat-Folgedenken ist auf jeden Fall in der ganzen Bibel von entscheidender Bedeutung und trotzdem, durch die Hier-Dichtung wird unsere Wahrnehmung geschärft. Ich sage jetzt nochmal, kehre zurück zu dem ersten Punkt. Verzicht auf den Tat-Folge-Zusammenhang als Gesamtideologie des Lebens oder als Weltanschauung oder als Gesamttheorie des Lebens, das ist eine Überschätzung. Das geht nicht. Also, zunächst mal, wie erscheint der Tat-Folge-Zusammenhang in der Hier-Dichtung?
Ganz klar, sowohl Hiob als auch seine Freunde gehen vom Tat-Folge-Zusammenhang aus. Also, beide sind felsenfester Überzeugung, dass er stimmt. Und er stimmt ja auch. Man muss nur wissen, wo sind die Grenzen. Man darf ihn nicht zu einer Gesamttheorie des Lebens machen, dann wird es fürchterlich. Gott selber in seiner Antwortrede zieht den Tat-Folge-Zusammenhang auch nicht in Zweifel. Also, insofern ist es ein ganz fester Tatbestand. Allerdings fällt auf, dass Gott in seiner Antwortrede an Hiob überhaupt nicht auf den Tat-Folge-Zusammenhang zu sprechen kommt. Der Tat-Folge-Zusammenhang spielt in der Antwortrede Gottes keine Rolle. Das heißt, mit dem Tat-Folge-Denken kann man Hiob nicht irgendwie weiterhelfen. Hiob klagt ja Gott an, dass er sich nicht gemäß des Tat-Folge-Zusammenhangs verhält.
Ich habe doch so viel Gutes getan und ich habe auch nicht viel mehr Schlechtes getan wie die anderen. Also, warum? Da musst du doch den Tat-Folge-Zusammenhang berücksichtigen und dann kannst du mich doch nicht dermaßen mit Leid überhäufen. Das entspricht doch dem Tat-Folge-Zusammenhang gar nicht. Ja, entspricht gar nicht. Stimmt. Das heißt, dieses Verhalten Gottes, das er gegen Hiob an den Tag legt, entspricht nicht dem Tat-Folge-Zusammenhang. Und man kann das Verhalten Gottes auch damit gar nicht interpretieren. Das heißt, es gibt vieles in der Welt, das kannst du mit dem Tat-Folge-Zusammenhang gar nicht erklären. Und es gibt vieles im Tun Gottes, das kannst du mit dem Tat-Folge-Zusammenhang gar nicht
erklären. Es muss man also genauer fragen und das ermöglicht zum ersten Mal die Hiob-Dichtung. Ja, wo genau gilt denn dann der Tat-Folge-Zusammenhang? Antwort? In der Ethik. Nur in der Ethik. Also in der Wissenschaft von der Moral. Nur in der Moral, sagen wir mal. Dort gilt der Tat-Folge-Zusammenhang. Denn die Auswirkungen deines Tuns sind unausgesprochen gemeint die ethischen Auswirkungen deines Tuns. Über andere Auswirkungen hast du ja gar nicht die Macht, aber der Tat-Folge-Zusammenhang hat folgenden guten Sinn bis heute. Er will unser Verantwortungsgefühl schärfen, indem wir uns bewusst immer wieder fragen, wenn ich das und das tue, wenn ich das und das in meiner Hausgemeinschaft tue, zerbricht
dann vielleicht der Hausfrieden dran? Das muss ich mich rechtzeitig fragen. Oder wenn ich das und das tue, verletzt es? Wie hört es der andere? Also ich muss lernen, mich sensibel und selbstkritisch zu fragen, welche Auswirkungen hat meine Tat? Also es gehört in die Ethik, aber es ist keine Gesamtideologie, keine Weltanschauung. Gut, also die Hier-Dichtung möchte bestimmte Missverständnisse, die an dem sehr wichtigen Tat-Folge-Zusammenhang immer wieder mit dran hängen, möchte er überwinden. Nicht den Tat-Folge-Zusammenhang selber, der ist wichtig, sondern Missverständnisse. Also das erste Missverständnis des Tat-Folge-Zusammenhangs ist es, ihn zu verallgemeinern auf die ganze
Wirklichkeitserfahrung. Das funktioniert von und hinten nicht. Und jetzt mit dieser Erkenntnis werden weitere Missverständnisse des Tat-Folge-Zusammenhangs aufgelöst. Zum Beispiel, man kann den Tat-Folge-Zusammenhang nur nach vorne berücksichtigen, nicht nach hinten. Das ist so gemeint, nur in die Zukunft. Ich kann nur fragen, wenn ich jetzt das und das tue, was wird das in der Zukunft für Auswirkungen haben? Das ist eine sehr wichtige Frage, die schärft unser Verantwortungsgefühl. Was ich aber auf keinen Fall machen darf, von der Gegenwart in die Vergangenheit zu fragen. Hiob ist jetzt sehr leidend, jetzt frage ich, welche Wurzeln hat es wohl in der Vergangenheit?
Wahrscheinlich hat er Schuld auf sich geladen. Das nennt man den Umkehrschluss des Tat-Folge-Zusammenhangs. Und der ist furchtbar. Den darf man auf keinen Fall machen. Man darf nicht aus der jetzigen Situation, in der ein Mensch lebt, Rückschlüsse ziehen, was er in der Vergangenheit getan hat. Diese Art von Tat-Folge-Zusammenhang, der ist fürchterlich, der stimmt auch nicht. Das merkt man ja gerade bei der Überzeugung, Krankheit ist Strafe Gottes. Das ist dieser verbrecherische, unmoralische Umkehrschluss, dass man aus der Gegenwart folgert, der wird wohl früher das und das getan haben. Also das ist jetzt das zweite Missverständnis. Erstens, der Tat-Folge-Zusammenhang gehört nur in die Ethik. Ich kann nicht die ganze Welt moralisieren. Ich kann nicht meine ganze Weltanschauung ethisieren.
Das geht nicht. Es gibt in der Welt viele Zusammenhänge, die gar nicht auf dem Gebiet der Moral liegen. Und dann dieser moralische, ethisch sehr wichtige Zusammenhang kann nur hypothetisch in die Zukunft gehen. Es gibt ja dann auch die ungewollten Nebenwirkungen, komme ich gleich drauf. Also es geht nur in die Zukunft, aber der Umkehrschluss ist verboten. Das wird durch die Hier-Dichtung ganz klar. Der dritte Missverständnis, der immer wieder bis heute mehr oder weniger reinspielen kann, ist der Tat-Folge-Zusammenhang, der wirklich besteht in der Ethik, im Blick auf die Zukunft, können wir nicht vollständig erfassen. Also wenn ich mich ehrlich und selbstkritisch frage, wenn ich jetzt das und das tue, was wird es wohl für Auswirkungen haben bei dem oder bei dem?
Ja, ich sollte es tun, so gut ich kann. Das ist meine Verpflichtung. Aber ich werde das Ganze nicht überschauen. Ich mache es so gut ich kann, aber es gibt so viele Wirkungen auf so vielen Gebieten. Es gibt strukturelle Auswirkungen, die ich gar nicht überblicken kann oder institutionelle. Sagen wir mal, wenn ich etwas in der Schule tue, ist es ein anderes Bezugsfeld, wie wenn ich das gleiche im Sportverein tue. Also es gibt institutionelle Verpflichtungen, strukturelle, gesellschaftliche, die gar nicht auf dem moralischen Gebiet. Und es gibt, man sagte in der Pädagogik, in der Lehrerausbildung sehr wichtig, es gibt das Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen. Also die meisten Taten haben auch ungewollte Nebenwirkungen. Das wollte ich gar nicht. Und die ungewollten Nebenwirkungen überblickt kein Mensch.
Trotzdem ist es wichtig, wenn man Multiplikator ist oder Führungskraft ist, diese ungewollten Nebenwirkungen bewusst mal ins Blickfeld zu nehmen. Oder man sagt auch in der Pädagogik, es gibt einen geheimen Lehrplan, es gibt einen offiziellen Lehrplan, aber unter der Hand gibt es einen geheimen Lehrplan, den der Lehrer oder die Lehrerin gar nicht merkt. Und dieser geheime Lehrplan hat mehr Auswirkungen, wie der offizielle Lehrplan. Sagen wir mal, ein Lehrer tut dauernd Witzchen machen über das Weibliche. Sagen wir mal, der ist ein Mathematiklehrer, aber dann immer wieder macht er so blöde Witzchen, die Mädchen, naja, ist ja ein Mädchen und so. Dann ist der geheime Lehrplan, der Lehrer will, dass man weibliche Wesen verächtlich oder hämisch sieht. Das ist der geheime Lehrplan, der steht nirgendwo offiziell. Und bei allem, was wir tun, gibt es einen geheimen Lehrplan, der unbewusst abläuft.
Und wichtig ist, der Tatfolgezusammenhang ist sehr wichtig. Wenn wir ihn aufgeben, dann geben wir die Verantwortlichkeit des Menschen auf. Das dürfen wir auf keinen Fall. Aber wir dürfen nicht andererseits sagen, den Tatfolgezusammenhang überblicke ich. Kein Richter dieser Welt kann gemäß dem Tatfolgezusammenhang richten, denn er überblickt diese Tausenden von Aspekten, die da reinspielen können. Man spricht von mildernden Umständen, kann man ja versuchen und so, oder man spricht von der besonderen Schwere der Tat. Ja, das sind alles Möglichkeiten, wo wir ein Stück weit in die Richtung gehen können. Aber den Tatfolgezusammenhang wirklich überblicken tut nur Gott. Aber er überblickt ihn wirklich. Und im Weltgericht werden wir gemäß dem Tatfolgezusammenhang gerichtet.
Wir werden gerichtet nach unseren Taten. Und wir werden im Weltgericht dann erstaunlich, dass es wird ein Lernen geben. Ach, das habe ich alles, das alles waren Auswirkungen meines Duns. Das wird ein Heißaßa geben. Gut, und jetzt kommt die vierte Missverständnis vom Tatfolgezusammenhang. Der Tatfolgezusammenhang gibt uns keinen Anspruch gegenüber Gott. Also aus dem Tatfolgezusammenhang resultiert niemals ein Anspruch, den ein Mensch gegenüber Gott hat. Diese Erkenntnis hatte schon die Hiob-Novelle, denn Hiob sagt nirgendwo, also lieber Gott, das habe ich das und das und das alles getan, also das habe ich doch wirklich nicht verdient
jetzt, so ein Leid. Also schon der Hiob, der Novelle, der ja der treueste Jahwe-Gläubige auf Erden war, er beruft sich in keiner Weise auf sein gutes Tun, weil aus unserem guten Tun erwächst kein Anspruch Gott gegenüber. Gut, also das ist der erste und schon sehr grundlegende Punkt. Verzichte darauf, aus dem ethisch so wichtigen Tatfolgezusammenhang eine Gesamttheorie der Wirklichkeit zu machen. Vieles in der Welt und vieles im Handeln Gottes geht nach anderen Gesichtspunkten als dem Tatfolgezusammenhang. Jetzt kommt das zweite Verzicht. Verzichte auf eine schlüssige Deutung der Welt oder man könnte auch so formulieren,
verzichte auf eine einleuchtende Deutung der Welt. Das gibt es nicht. Wir haben zwar alle unsere Weltanschauungen, aber die sind sehr, sehr durchlöchert und begrenzt. Es gibt keine einleuchtende, schlüssige Gesamtdeutung der Welt. Tu auch nicht die Jahre für Geuden so etwas zu entwickeln. Es wird nicht möglich sein. In der Antwortrede von Jahwe an Hiob rückt Jahwe diejenigen Dimensionen der Schöpfung in den Vordergrund, die der Mensch grundsätzlich nicht ermessen kann, die ihm unzugänglich sind und deren Zusammenhänge er weder erfassen noch beeinflussen kann. Also das Licht und die Verteilung von Licht und Winzernis, ja, die kann er nicht beeinflussen,
natürlich durch künstliches Licht, aber das ist ja viel tiefergehender gemeint. Oder die Größe der Erde oder die Stabilität der Erde. Ja, also auch wir Moderne sagen ja, die Erde braucht uns nicht. Wir brauchen die Erde, aber die Erde braucht nicht uns. Und wir können doch nicht die Größe und das Sonnensystem. Also und dann aber auch die Wüste und das Absurde, das Anarchische, der Wildstier und der Wildesel, die haben ja wirklich überhaupt keinen zivilisatorischen Nutzen. Also die Antwortrede Jahwes rückt diejenigen Dimensionen der Schöpfung in den Vordergrund. Es gibt ja auch andere Dimensionen, die schöne Abendsonne und blühende Bäume, da wird es uns richtig warm. Aber so was kommt da nicht vor, sondern Gott zeigt diejenigen Dimensionen, die uns sinnlos
erscheinen oder anarchisch oder chaotisch oder eben völlig unzugänglich. Und das bedeutet, Gott setzt dem Menschen sehr enge Grenzen in seiner Erkenntnis der grundlegenden Fragen und Aspekten des Lebens. Und durch diesen Hinweis, dass das Leben, dass die Schöpfung Dimensionen hat, die wir nach unseren Maßstäben nur als anarchisch, chaotisch oder absurd, wie viel Absurdes gibt es, wie viel skurriles. Ja, also darauf legt jetzt Gott mal den Finger. Und dann merken wir wirklich, oh, ich habe auch zum Beispiel von Hans-Peter Dürr, der war ja lange Zeit Direktor des Heisenberg-Instituts, Träger des alternativen Nobelpreises für Physik,
also einer der bedeutendsten Naturwissenschaften Deutschlands. Ich habe mal die Ehre gehabt, ihn von der PH zum Bahnhof zu fahren mit einem anderen aus unserer PH. Und ich war sehr tief beeindruckt von ihm. Und Hans-Peter Dürr hat zum Beispiel in diesem Vortrag an der PH, waren alle unsere Mathematik- und Physikprofessoren da, ist ja ein weltberühmter Mann. Ich weiß nicht, ob er noch lebt, kann sein. Er war damals schon 80 oder so. Hat er gesagt, wir erkennen mit unserer naturwissenschaftlichen Reichweite, die wir haben, allein von der Materie, nehmen wir mal die Materie, wir erkennen von der Materie, die es gibt, nur vier bis fünf Prozent. Nämlich die schwarze Materie, die Antimaterie, von der wir wissen, dass es sie gibt und von der wir ungefähr abschätzen können, dass sie viel, viel mehr gibt, wie unsere normale
Materie, die wir mit den physikalischen Methoden erfassen können. Wir können von der Gesamtmaterie prinzipiell nur vier bis fünf Prozent erfassen. Und auch nicht, dass wir in 20 Jahren mehr, das sind prinzipielle Grenzen. Also unsere Naturwissenschaft hat eine ganze Reihe von prinzipieller Grenzen, die sie nie überschreiten wird können. Und das sind ganz kleine Anteile der Wirklichkeit, die sich überhaupt den naturwissenschaftlichen Zugangsweisen erschließen. Also das hat mir auch bis in den Kopf zurechtgesetzt. Also verzichten wir auf eine Gesamteutung der Welt. Diese Verzichtsleistung ist nicht eine Schwäche der Hiobdichtung, sondern eine Stärke.
Denn obwohl die Hiobdichtung ganz klar macht, wir müssen verzichten auf eine Gesamtdeutung der Schöpfung oder eine Gesamtdeutung der Welt, die wird niemals einem Menschen möglich sein. Obwohl er den Verzicht klar lehrt, ist die Hiobdichtung nicht etwa ein deprimierender Skeptizismus. Die Hiobdichtung ist zwar skeptisch im Blick auf die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen, in den grundlegenden Aspekten des Daseins, da ist sie skeptisch. Aber sie ist gar nicht skeptisch im Blick auf das Vertrauen zu Gott, sondern die Hiobdichtung ermutigt uns, dass wir, obwohl wir auf eine schlüssige Gesamtdeutung werden verzichten müssen, dass wir Gott aber zutrauen, dass er auf ungeahnte Weise, die wir in diesem
Leben vor dem Tod nicht erkennen können, dass wir uns jedoch in seine Arme legen und ihm zutrauen, er wird es schon wissen. In diesem Zusammenhang setzt die Antwortrede Gottes ganz andere Akzente als der Schöpfungsbericht in Genesis 1, der ja viel bekannter ist. Ich bin aber dafür, dass in Zukunft Genesis 1 und Hiob 38 bis 41, das sind vier Kapitel und die sind ganz anders geartet wie Genesis 1. Also Genesis 1 ist wirklich die wohltuende Schöpfung. Es war gut, siehe es war gut und am Schluss siehe es war sehr gut. Nein, da antwortet Gott ganz anders. Die Schöpfung ist nicht heile Welt in Hiob 38 bis 42.
Also die Hiobdichtung korrigiert in gewisser Weise Genesis 1. Man darf sie nicht gegeneinander ausspielen, beide sind sehr tiefe Texte, aber Genesis 1 allein reicht bei weitem nicht aus für eine angemessene Wahrnehmung der Schöpfung. Also Verzicht auf eine Gesamtdeutung der Schöpfung. Ich will mal psychologisch und auch wissenschaftstheoretisch mal ein bisschen andeuten, was da uns zugemutet wird. Der Mensch hat nämlich ein ungeheures Bedürfnis nach Harmonie. Das Wort Harmonie gibt es in der Bibel gar nicht. Es gibt in der Bibel kein Harmoniedenken. Harmonia ist ein ganz wichtiger Ausdruck in der griechischen Philosophie. Da ist alles harmonisch und das Harmonische ist halt das Schöne. Und wir Menschen haben alle ein ganz starkes Harmoniebedürfnis.
Das wird aber von der Hiobdichtung nicht aufgegriffen. Vorsicht. Oder wir haben ein Bedürfnis nach Ordnungsdenken, uns alles zurechtzulegen, diese Weltanschauung. Wir wollen einfach Antwort haben. Der Mensch hat ein ungeheures Bedürfnis nach Antwort. Gibt keine Antwort hier. Wir leben im Offenen. Die Welt ist kein geschlossenes System. Ich kann sie nicht in eine Ordnung bringen. Der Begriff Ordnung passt nicht. Wir müssen es lernen in offenen Zusammenhängen, in unüberschaubaren, unergründlichen, geheimnissen und einnissvollen Zusammenhängen zu leben. Da ändert die Wissenschaft gar nichts dran. Und auch sonst diese einfache Schublade, einfache Antworten und schon Millionen greifen danach.
Nein, es gibt in diesen Dingen keine einfachen Antworten. Wir müssen also unser Bedürfnis nach Harmonie auch kritisch sehen. Ich glaube, dass viele Menschen ein zu großes Harmoniebedürfnis haben. Das ist keine Stärke, sondern eine Schwäche. Ja, und das dritte Verzicht, es geht noch weiter mit Verzicht, Verzicht auf eine Antwort in der Leitfrage, eine Beantwortung der Leitfrage gibt es auch nicht. Das Besondere der Hiob-Dichtung ist ja ihre Ausführlichkeit. Die Hiob-Dichtung, das sind ja 30 Kapitel. Ich vermute, es sind auch die längsten Streitreden, die es überhaupt in der Antike gibt, im Antiken Orient gibt. Ich kenne einige andere, die sind viel kürzer. Ich kenne nicht alle, also sicher bin ich nicht.
Aber ich vermute mal, die Hiob-Dichtung sind die umfangreichsten Streitreden, die wir aus dem Alten Orient haben. Und falls das nicht stimmen sollte, dann bin ich aber sicher, dass wir sagen können, die Hiob-Dichtung gehört zu den ausführlichsten Streitreden, die es überhaupt im Alten Orient gibt. Und trotz dieser Ausführlichkeit findet sich keinerlei Versuch einer lehrmäßigen Beantwortung der Schuldfrage. Es liefert keine Warum-Less-Gottes-zu oder Strafe Gottes oder Erziehungsmittel Gottes oder Läuterung Gottes, nichts dergleichen. Das äußern nur die Freunde. Also diejenigen, die glauben, dass sie eine Antwort auf die Leitfrage haben, die stehen am Ende als diejenigen da, die Gott zurecht weist. Also es gibt keine Antwort in der Leitfrage.
Auch die Fragen, woher kommt das Leid, Ursache des Leids, warum gibt es Leid, Grund des Leids, wozu soll das Leid dienen, Sinn des Leids, alle diese Fragen bleiben völlig unbeantwortet. Und Gott also mutet uns dazu, ihm zu vertrauen, das Vertrauen in Gott sich bewähren lassen in der Unbeantwortbarkeit der Leitfrage. In der Unbeantwortbarkeit sollen wir unser Vertrauen auf Gott bewähren. In dem Verzicht auf eine Gesamtdeutung werden wir offener für das Unbegreifliche, für das Große, die Größe des unbegreiflichen Gottes, wie es im Römerbrief heißt, 11, Vers
34, so um in der Gegend, wie unausforschlich sind deine Entscheidungen, wie unbegreiflich sind deine Wege. Wer hat dir etwas gegeben, deine Gedanken sind ganz andere Gedanken als unsere. Gut, jetzt fasse ich mal zusammen, die Hiob-Dichtung, die sich bis heute kaum wirklich durchgesetzt hat, in den 2000er spürt man von der Dichtung nicht viel, erst im 20. Jahrhundert. Und bis heute werden in den großen Religionen Gedanken geäußert, die nicht auf der Höhe der Hiob-Dichtung sind. Die Hiob-Dichtung ermutigt uns, sie ist keine deprimierende, skeptische Literatur, sie ist eine Hoffnungsliteratur, sie ermutigt uns darauf zu verzichten aus dem Tat-Folge-Zusammenhang,
ein allgemeine Sehweise zu machen, mit der wir möglichst alles erklären können. Sie mutet uns zu, auf eine Gesamtdeutung der Welt zu verzichten und sie mutet uns zu, auf eine Antwort auf die Leitfrage zu verzichten. Gott selber beantwortet die Leitfrage nicht, weder kausal noch final. Er mutet uns zu, dass wir ihm in der Unbeantwortbarkeit vertrauen. Jetzt kommen drei kürzere Kapitel, die jetzt positive Aussagensetzungen sind. Wir werden uns diesen drei Punkten nur zuwenden können, wenn wir in diesem Verzicht im Glauben einwilligen. Das ist nach der Hiob-Dichtung Glaube an Gott, wenn wir auf diese drei Dinge fröhlich und
gelassen verzichten. Jetzt kommt also viertens, die Klagen und die Anklagen Hiob's werden von Gott anerkannt. Also ganz klar in den Schlussversen, in die dann das Gesamtfazit ziehen, nämlich Hiob 42, 7 bis 9. Wir waren bei diesen Versen schon ein paar Mal, aber jetzt werden sie nochmal ganz entscheidend wichtig. Die Hiob-Dichtung, die ja 30 Kapitel umfasst ungefähr, mündet in drei Verse, Hiob 42, 7 bis 9. In diesen drei Versen wird das Fazit aus 30 Kapiteln Hiob-Dichtung gezogen, kurz und prägnant. Jedes Wort ist von entscheidender Bedeutung. In diesen drei Versen wird der entscheidende theologische Gewinn, man könnte fast sagen
Fortschritt, aber das Wort Fortschritt mag ich nicht. Ich glaube nicht, dass es einen Fortschritt gibt. Ich bin auch gar nicht fortschrittskläufig. Also lassen wir mal das Wort Fortschritt, das ist ideologisch belastet. Aber in diesen drei Versen wird der entscheidende theologische Gewinn klar und deutlich ausgesprochen. Martin Hühnerhoff wird uns diese drei Verse jetzt einmal vorlesen. Hiob 42, 7 bis 9, die letzten drei Verse der Hiob-Dichtung. Als Jahwe diese Worte zu Hiob gesprochen hatte, sagte Jahwe zu Eliphas von Theman. Mein Zorn ist entbrannt gegen dich und deine beiden Freunde, denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob. So nehmt nun sieben Jungstiere und sieben Widder, geht hin zu meinem Knecht Hiob und
bringt ein Brandopfer für euch da. Mein Knecht Hiob aber soll für euch Fürbitte einlegen, denn auf ihn nehme ich Rücksicht, sodass ich euch nichts Schlimmeres antue. Denn ihr habt nicht recht von mir geredet wie mein Knecht Hiob. Da ging Eliphas von Theman, Bildert von Schuach und Zofa von Naama hin und taten, was Jahwe ihnen gesagt hatte. Und Jahwe nahm Rücksicht auf Hiob. Ja, was für ein Ende. Kurz aber die Botschaft dieser Verse. Diesen Versen müssen wir uns jetzt stellen. Wir dürfen hinter das Niveau, über das was diese Verse erreichen, dürfen wir nicht wieder dahinter zurückfallen. Was laufend geschieht, also diese Verse werden in mehreren großen Weltreligionen nicht wirklich
ernst genommen. Also Gott setzt ausdrücklich Hiob ins Recht und er setzt ausdrücklich die drei Freunde ins Unrecht. Er sagt also zweimal, Hiob hat von mir Recht geredet. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass die Verfluchung seiner Geburt und das Schimpfen auf Gott, die Anklagen Gottes, die Welt ist ein ungerechtes Chaos und die Welt wird regiert von einem Verbrecher. Lesen Sie mal hier, Hiob 7, 1 und 9, 22 bis 24. Die Welt ist ein ungerechtes Chaos und der, der diese Welt geschaffen hat und regiert, das ist ein Verbrecher. Ja, das anerkennt Gott alles als angemessen. Dieses scharfen Reden, dieses Drogen, dieses Beharren auf Unschuld wird in dieser Antwort,
die ist so unglaublich kostbar, sie zeigt wirklich, sie klärt die Dinge. Also, und das bedeutet auch, dass Gott hier zustimmt in seiner Ablehnung der Freunde. Das heißt, Gott hält es für recht geredet, dass Hiob sich von den Freunden nicht trösten lässt und dass er sich von den Freunden keine Leittheorie aufschwätzen lässt. Das hält Gott für angemessen. Und das bedeutet, dass auch wir heute niemand, der sich so verhält, wie Hiob sich verhalten hat, dass wir niemand dieses Verhalten im Namen Gottes ausreden können. Also, die Klage und die Anklage Hiob wird anerkannt.
Gott lässt es sich nicht nehmen, in diesen Streitdingen sich auf die Seite der schreienden Leidenden zu stellen und ihnen zu zeigen, dass er volles Verständnis für sie hat und sich mit ihnen solidarisiert. Damit sind alle Leittheorien, die irgendwie ähnlich sind wie das, was die Freunde sagen, Strafe Gottes, Erziehungsmittel Gottes, Läuterung Gottes und was es alles gibt, alle diese Leittheorien, die auch Jesus niemals benutzt hat, stehen unter dem Ablehnungsurteil Gottes. Zweitens, oder fünftens, ich bin in der zweiten Hälfte, jetzt kommen die positiven Setzungen, die Freunde werden gemassregelt.
Das ist noch ein bisschen mehr, als zu sagen, Hiob hat Recht und die Freunde haben Unrecht. Diese drei Verse von ihrer Breite her, von wem sie jetzt Raum geben, da steht 80 Prozent von diesen drei Versen, dass die Brüder gemassregelt werden. Dieser Hinweis, dass sie zu Hiob gehen sollen und für Bitte bei ihm erbitten sollen und die für Bitte Hiob, die wird Gott anerkennen. Das ist ja mehr, wie Recht haben oder nicht Recht haben. Die Freunde werden klar gemassregelt. Und auch daraus folgt bis heute, so werden alle, die Theorien aufbringen gegenüber Leidenden in der Art der Freunde, stehen unter der Maßregelung Gottes.
Gott wird sie massregeln. Und das dritte heißt, das sechste, vierten, fünften, sechsten, es gibt den Fall Hiob. Obwohl ja Gott in seiner Antwortrede Hiob gar nicht direkt getröstet hat. Er hat ihm auch nichts versprochen. Er hat ihm auch keine Heilung versprochen. In der Hiob-Dichtung wird ja Hiob gar nicht geheilt. Nur in der Hiob-Novelle. Also im Unterschied zur Hiob-Novelle, da wird ja diese wertvollen Worte des Hiobs, der Novelle, Gott hat es gegeben, Gott hat es genommen, der Name des Herrn sei gelobt. Oder nackt bin ich in die Welt gekommen und nackt werde ich auch wieder gehen. Der Name Jahwe sei gelobt.
Bei Hiob gibt es auch eine Schlussantwort, die wir bis jetzt noch gar nie gehört haben. Also der Hiob, der sich von den Freunden verraten gefühlt hat, weil die Freunde sich auf die Seite Gottes stellen, das ist ihre Sünde. Dass sie Gott verteidigen wollen gegenüber einem Schwerleidenden. Ja, aber Gott selber in der Hiob-Dichtung verzichtet auf jede Rechtfertigung. In der Antwort Gottes rechtfertigt Gott sich überhaupt nicht. Er bleibt der Angeklagte, der Beschimpfte, sondern er zeigt nur die großen Zusammenhänge und er zeigt darin, dass er Hiob ernst nimmt. Dass er sein, dass er das anarchisch Fürchterliche eines unschuldig Leidenden, dass Gott das kennt.
Und auch Hiob, der von den Freunden verlassen wurde und der von Gott eine Antwort bekam, die die Unbegreiflichkeit und Größe Gottes herausstellt, aber Hiob nicht direkt tröstet auf seinen Fall, gar nicht direkt eingeht und ihm nichts verspricht. Diese Rede Gottes tröstet Hiob, der sich von billigen, frommen Sprüchen nicht trösten lässt. Aber was den Freunden in 30 Kapitel nicht gelingt, gelingt Jahwe selber durch seine Antwort an Hiob. Und dann antwortet Hiob auf Jahwes Rede folgendes. Hiob 42, 1-6. Wir hören die letzten Worte Hiobs in der Dichtung. Da antwortete Hiob Jahwe und sprach, ich habe erkannt, dass du alles vermagst.
Kein Vorhaben ist dir verwehrt. Wer ist es, der ohne Einsicht den Rat verdunkelt? Für wahr, ich habe geredet ohne zu verstehen über Dinge, die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind. Hör doch, ich will nun reden, ich will dich fragen, du belehre mich. Vom Hörensagen nur hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum widerrufe ich, ich bereue in Staub und Asche. Ja, also ich kann diese Worte auch nicht ohne Gänsehaut hören. Dieser hier, der so stolz und geradlinig gepocht hat auf seine Unschuld und den Freunden keinen
Millimeter nachgegeben hat. Und diese sonderbare Rede Gottes, von der wir alle irgendwie enttäuscht sind, es geht gar nicht anders, weil Gott uns eben diese Enttäuschung zumutet. Und von dieser Rede ist hier tief ergriffen. Ich habe dich nur vom Hörensagen gekannt, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen und ich bereue in Sack und Asche, ich widerrufe. Die Hiob-Dichtung will uns diese wahnsinnige Hoffnung machen. Hiob ist nicht der einzige, dem so etwas widerfahren kann. Denn Hiob ist nicht nur eine individuelle Person, sondern er ist typisiert, wie auch Hiob in der Novelle. Das sind Typen, das sind also exemplarische Beispiele, von denen wir enorm angeregt werden
können. Und als exemplarisches Beispiel haben wir diese unglaublichen Worte Hiob's, dass er ganz am Ende sich von der unbegreiflichen Größe Gottes geworden weiß. Das ist die Hoffnung, die uns die Hiob-Dichtung vermittelt. Hiob ist nicht der einzige. Es gibt den Fall Hiob. Es gibt den Fall Hiob, wie in der Hiob-Novelle, dass jemand im schwersten Leid Gott lobt. Es gibt aber auch den Fall Hiob im Sinne der Hiob-Dichtung, dass ein Mensch durch schwerstes Leid gehen muss, nicht geheilt wird, von Freunden noch eher gepiesagt wird und die Frömmigkeit verliert und von der bisherigen Frömmigkeit überhaupt nicht mehr getragen
ist. Aber als er der unbegreiflichen Größe Gottes wirklich begegnet, ist dieser Hiob im tiefsten Leid von Gott erreicht. Gott kann auf geheimnisvolle Weise auch Menschen im tiefsten Leid erreichen. Wir dürfen daraus keine Lehre machen, keine Lehre, aber wir haben die Hoffnung, es gibt den Fall Hiob.
Der Beitrag der Hiobdichtung zur Theodizee-Frage – Hiob Vorlesung Teil 8 | 11.2.1
Um diese Frage dreht sich letztendlich fast jede Diskussion zwischen Gläubigen und Atheisten – auch hier bei Worthaus haben wir schon einige Vorträge zu dem Thema gehört. So entscheidend ist diese Frage für manche Gläubigen (und Atheisten), dass sie so alt zu sein scheint wie der Glaube an Gott selbst. Dabei ist die Theodizee-Frage ein ganz modernes Phänomen. Vermutlich bis ins 17. Jahrhundert hinein wurde die Frage, wie ein gütiger, allmächtiger Gott all das Leid in der Welt zulassen kann, nicht gestellt. Jedenfalls nicht öffentlich, nicht überliefert. Erst die Möglichkeit, nicht an Gott zu glauben, lässt diese Frage überhaupt zu. Der Atheismus ist Voraussetzung für die Theodizee-Frage, und um sie stellen zu können, müssen wir uns den schwersten Formen des Leids stellen. Die Theodizee-Frage gab es also zur Zeit Hiobs noch nicht. Und doch ist die Hiob-Dichtung der wichtigste Beitrag zu diesem Thema, sagt Siegfried Zimmer in diesem achten Teil der Hiob-Reihe. Er beschäftigt sich wieder mit dem rebellischen Hiob, der Gott anzuklagen wagt und der viel zu lange unbeachtet blieb. Er erklärt, warum wir die Hiob-Dichtung nicht überinterpretieren dürfen. Und warum manchmal Verzicht die einzige Antwort auf eine unlösbare Frage ist.
Dieser Vortrag gehört zu der 10-teilige Hiob-Vorlesung von Prof. Dr. Siegfried Zimmer, die durch die Lesung des gesamten Hiobbuchs als Hiobnovelle (11.5.1) und Hiobdichtung (11.5.2) ergänzt wird.