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Gesellschaften, Gemeinschaften leben von Erzählungen, von Narrationen. Deswegen gibt es besonderen Sinn für mich als Theologen, solche Erzählungen zu nehmen und mal zu analysieren. Was steckt da dahinter? Was ist das Identitätsstiftende? Was ist das, was der Gruppe, der Gesellschaft, der Gemeinschaft etwas gibt? Ich möchte das nun im Folgenden als Aufhänger nehmen, indem ich mich auf drei Erzählungen stütze, bei denen ich glaube, dass sie für unsere Gesellschaft, für, naja jetzt im weiteren Sinne, westlich, europäisch, amerikanisch, eine Botschaft hat, eine Aussagekraft hat. Ich mache das, das ist ein bisschen schwierig, aber ich hoffe, da können Sie sich dann selber an die Nase fassen, ob sich das trifft oder nicht.

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Ich versuche das, indem ich mich beim Hollywood-Kino bediene. Hollywood-Kino deshalb, weil das zum einen Meister der Erzählung sind, also wer könnte das besser, und zum anderen, weil die den gesellschaftlichen Erfolg zum Ziel haben. Und das bedeutet, dass sie den Mainstream erreichen wollen, also nicht nur irgendeine kleine Randgruppe, sondern tatsächlich die Gemeinschaft insgesamt. Und damit die Leute wirklich ins Kino gehen und den Film anschauen, müssen sie auch irgendwo einen Punkt treffen, einen Punkt, der anliegt, der Relevanz hat. Innerhalb des Hollywood-Kinos möchte ich mich auf Apokalypsen stützen. Und das wird Sie vielleicht überraschen, aber falls Sie der Meinung sind, damit habe ich mich ja doch in einer Randsparte begeben, gucken Sie mal das Fernsehprogramm an, gucken Sie mal das Kinoprogramm an, und Sie werden baff sein, also ich war es, da werden Sie immer Apokalypsen finden.

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Das ist ein Grundmotiv des Hollywood-Mainstream-Kinos, das ganz offensichtlich christliche Jenseitsvorstellungen, Jenseitshoffnungen aufgreift. Sie finden da ganz viele Motive, biblische Motive tatsächlich wieder, aber vor allem, und deswegen erklären mir dann die Literaturwissenschaftler, die Bibliiker, dass es sich tatsächlich um Apokalypsen handelt, die die Funktion und Logik der biblischen Apokalypsen tatsächlich aufgreift mit einer Einschränkung. Es sind in aller Regel Postapokalypsen, die wir heute im Kino finden. Da steckt also ein entscheidender Unterschied, und das wird dann schon so ein erster Punkt sein dahinter. Apokalypsen haben immer die Grundlogik, neben dem wir haben natürlich ein Katastrophenszenario vor Augen. Ja, das ist tatsächlich ein wichtiges Werkzeug des Ganzen.

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Worum es aber eigentlich geht, ist, auf eine Krise aufmerksam zu machen. Also die biblische Logik von Apokalypsen ist im Grunde in der tiefen Schicht genau dieselbe wie die von den filmischen Apokalypsen. Sie machen auf eine Krise aufmerksam, und zwar mit der Botschaft, die Gesellschaft hat diese Krise noch gar nicht ausreichend überhaupt bemerkt. Leute wacht auf, es gibt ein Problem, und irgendwie muss man mit diesem Problem umgehen. Und da wird unsere Fantasie reichen, wenn wir so mal die Zeit des Hollywood-Kinos nehmen, welche Themen da im Vordergrund gestanden haben, also was sind so die großen Sorgen und Ängste, die thematisiert werden, man erahnt es, im Kalten Krieg, die nukleare Zerstörung, und schon werden vor Ihren Augen, also wenn Sie irgendeinen Sinn für Hollywood-Kino haben, eine Menge derartiger Postapokalypsen auftauchen, in vielen Auflagen bis in die jüngere Zeit, Mad Max, also der Gedanke, die atomare Zerstörung der Erde, und dann eben danach, deswegen immer Postapokalypsen, also die spielende Zeit danach.

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Nach dem Kalten Krieg sind die etwas außer der Mode gekommen, und Mad Max, die letzte Auflage, hat es auch eher deswegen gegeben, weil die Vorauflagen so ein Erfolg waren. Wenn man jetzt sich neue Themen sucht, ist es tendenziell eher der Klimawandel. Und zwar übrigens schon sehr früh, auch das merkt man an dieser Thematik, da ist eine Hellsichtigkeit dahinter, die das Klimathema, denken Sie an Waterworld, dass die Überflutung, das Schmelzen der Polarkappen schon lange vor jeder Diskussion ein El Gore und überhaupt unsere Debatte thematisiert hatten, aufgegriffen. Und auch da wieder, sie spielt danach. Also die Welt ist schon überflutet. In diesen Postapokalypsen wird also immer ein Bedrohungsszenario aufgegriffen und natürlich auch eine Heilsvision verarbeitet, dargestellt, entwickelt.

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Und genau darum wird es mir im Folgenden gehen. Ich versuche da einen Wandel zu markieren und das mache ich, indem ich erst mal in die Zeit etwas zurück gehe, also eine ältere Apokalypse aufgreife, und zwar eine, die schon genau so heißt, Apocalypse Now, sagt schon im Namen, dass sie sich an diesen biblischen Vorgehensweise, biblischen Logik orientiert hat, spielt in den 70er Jahren. Und da ist in den 70er Jahren gedreht, spielt dann auch da. Erahnen Sie, was im Hintergrund steht. Die Thematik, die in den 70er Jahren virulent war, ist der Vietnamkrieg als quasi Einschub in die Grundthematik des kalten Krieges. Die Story von Apocalypse Now ist, wie immer bei Hollywood-Filmen, eigentlich relativ schnell erzählt. Es geht darum, dass ein höherrangiger Offizier, ein Colonel Kurtz, durchgedreht ist, so stellt es die Militärführung dar,

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sich innerhalb des Gebietes, wo sein eigener Herrschaftsbereich aufgebaut hat, und dort eine Willkürgewaltherrschaft betreibt. Und das entspricht natürlich nicht den moralischen Maßstäben des US-Militärs. Und sie wissen sich nicht anders zu helfen, als einen, den Helden des Films, Captain Willard, zu schicken, der diesen Colonel Kurtz eliminiert. Das ist im Grunde die Grundstory. Dieser Captain unternimmt dann im Film quasi eine Reise, einen Fluss entlang, bis er zu diesem Colonel stößt und dann tatsächlich ihn am Ende tötet. Das ist im Grunde die Story. Und die Kritik ist sich in der Beschreibung darin einig. Diese Reise den Fluss entlang in die Tiefe des Landes hinein, zu diesem durchgedrehten Colonel, ist eine Reise in die Abgründe der Seele. In der Tat, also wer den Film nicht kennt, wird nach wie vor als einer der großen Filme des 20. Jahrhunderts gefeiert. Es lohnt sich bestimmt, ihn zu sehen.

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Und es werden sich, also bei mir war es so, die Nackenhaare aufstellen in der Tat bei diesen beständigen Blicken tatsächlich in menschliche Abgründe. Ganz am Ende gibt es bemerkenswerte Monologe. Daran merkt man dann auch, dass der Film etwas länger ist. So lange Monologe wären heute undenkbar. Die sind aber sehr gut geeignet, auch inhaltlich einiges auf den Punkt zu bringen. Der Böse, der durchgedrehte Colonel, beschreibt in einem dieser Monologe, wie er quasi über dem Gesetz steht. Er ist eben in seinem Herrschaftsgebiet der Richter und darf selbst nicht gerichtet werden. Und dann erahnt man so einen ersten Punkt. Ganz offensichtlich ist das, womit er durchgedreht ist, dass er sich über den Gesetz wähnt als Herrscher, ja eben als Gott innerhalb seines Gebietes. Und unser Rechtsempfinden schlägt an.

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Und natürlich finden wir es richtig, dass das US-Militär jemanden schickt, um den dann eben doch zu richten, was in diesem Fall rein pragmatisch nichts anderes meint, als ihn zu töten, zumal man unterstellen darf, dass die US-Amerikaner mit der Todesstrafe auch ein geringeres Problem haben als wir. Aber selbst wir werden das verstehen. Diese Klarheit, diese gerechte Logik kommt aber in ein paar Stellen, naja eigentlich ist es untertrieben, zunehmend mit dieser Reise ins Wanken. Weil nämlich offensichtlich nicht nur dieser eine Colonel, der durchgedrehte ist, der Einzelfall, der moralisch fehlgeleitet ist, sondern das ganze System. Das Problem ist, Captain Willard bringt es in einem Zitat auf den Punkt, und dieses Zitat wird dann auch in allen Kritiken wieder zitiert, diesen Mann hier zu verurteilen, also Colonel Kurtz wegen Mordes anzuklagen und zu verurteilen, ist genauso abstrus,

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wie in einem Autorennen jemanden wegen überhöhter Geschwindigkeit festzunehmen. Da kann man mal einen Moment darüber nachdenken und eine Art, wie das System insgesamt in das Blickfeld gerät, und ich möchte es nur in einen ganz kleinen versteckten Symbol aufgreifen. Am Ende, das ist der Auftrag, sollte Captain Willard, der Held, die US-Army-Führung informieren, wo das Lager ist und nicht nur dann den Colonel, den Bösen töten, sondern auch einen Luftangriff befehlen, sodass das gesamte Lager vernichtet werden kann. Und das Codewort, mit dem dieser Befehl erteilt wird, lautet All Mighty, allmächtig. Also was man erahnt, ist, hier hat sich nicht ein Einzelner zum Herr über Leben und Tod aufgeschwungen, sondern das US-Militär insgesamt hat sich an die Stelle Gottes gesetzt, zum Richter über Leben und Tod, und was dann rauskommt, wenn das der Fall ist, das ist Vietnam.

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Das ist dann wieder in biblischer Bildsprache gesprochen, die Hölle auf Erden. Man wird diesen Film bestimmt verschieden interpretieren können. Meine Interpretation an dieser Stelle wäre, immer dann, wenn die Menschen sich selbst zur höchsten Instanz erheben, wenn die Menschen selbst glauben, sie wären das höchste Richteramt, sie hätten die letzte Entscheidung über Leben und Tod, immer dann kommt die Hölle auf Erden heraus, oder dann eben die Apokalypse auf Erden, also die Katastrophe. Ich will Ihnen im Weiteren nun zwei andere Geschichten dazustellen, die ja deutlich jüngeren Datum sind, die also von 20 bis sogar 40 Jahren nach diesem Film Apocalypse Now gedreht worden sind, und Sie werden merken, wie sich da eine Logik verschiebt. Ein Film ist Armageddon, auf den ich mich hier beziehen möchte.

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Der hat im Grunde noch eine einfache Geschichte, ein Meteorit rast auf die Erde zu, wird sie vernichten, also das ist die Apokalypse. In diesem Fall haben wir tatsächlich mal keine Postapokalypse, sondern die steht bevor. Und die Menschheit muss etwas dagegen tun. Es findet sich ein Team, auch das ein ganz übliches Motiv, dann im Hollywood-Kino, das sind nicht die moralischen Strahlemänner, das sind keine Jesu in Sandalen, die den Frieden predigen, sondern die werden in aller Gebrochenheit dargestellt, erweisen sich am Ende aber dann als quasi opferungsbereit und wahre, eben echte strahlende Helden, so auch hier. Der Held, gespielt von Bruce Willis, auf das wir diesen Film zu seinem Erfolg verholfen haben, die Truppe fliegt, also hat etwas Science-Fiction-Charakter, dann fliegt auf diesen Meteoriten, landet dort und sprengt ihn. Am Ende muss sich der Held dann allerdings selbst opfern, es funktioniert nicht so wie geplant,

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also die restliche Gruppe kann wieder zurück zur Erde, er muss dort bleiben und diese Sprengung des Planeten, dieses Meteoriten durchführen und damit die Menschheit retten. Man sieht auch hier wieder, wie christliche Motive, das ist Opfer, eingewoben werden, also wie prägend, prägnant in unserem kulturellen Gedächtnis diese Motive nach wie vor sind. Sie werden eine Verschiebung schon rausgehört haben, hier ist keine höhere Instanz mehr im Spiel. Also die Menschheit wird bedroht, hat ein Problem, auch darin ist Armageddon ein bisschen ein Ausnahmefall, dass diese Bedrohung komplett von außerhalb kommt, aber in der Tat eine durchaus berechtigte Angst, dass wir uns keine Sorgen über Meteoriten machen, ist tatsächlich unbegründet, das wird irgendwann mal kommen. Und nach den statistischen Berechnungen, wann die Dinosaurier, das ist so das letzte Mal, wo uns so ein Meteorit getroffen hat, wann das so war und wie statistisch wahrscheinlich ist, dass es wieder kommen wird, sind wir eigentlich schon lange überfällig,

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aber ich freue mich an dieser Stelle, wenn sich das im Menschheitsbewusstsein noch nicht so manifestiert hat. Also tatsächlich eine reale Bedrohung, insofern auch dieser Film weist auf etwas hin, was tatsächlich irgendwann mal der Fall sein wird. Die Lösung ist eben kein Vertrauen auf etwas jenseitiges, auf eine höhere, transzendente Wirklichkeit, sondern die Hoffnung ist, das müssen wir Menschen schon gefälligst selber lösen. Also bitte wäre dann hier der Appell, Menschheit schafft es, euch zusammen zu tun, da steckt ja auch immer ein moralischer Impetus dahinter, vereint euch und schafft eine Fähigkeit, in diesem Fall ja eine rein technische Fähigkeit, mit diesem Problem umzugehen. Dieser Film wirkt aufgrund dieser Bedrohungslage, die jetzt in unserem Kopf wirklich noch gar nicht vorhanden ist, ein bisschen skurril und darum nehme ich einen noch jüngeren Film, der glaube ich eine reale Bedrohung aufgreift und vielleicht noch greifbarer wird,

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nämlich Lysium, der 2013 produziert worden ist und in das Kino gekommen ist. Dieser Film beginnt mit einer Szenerie, die Sie sich bildlich vor Augen führen können und damit schon auch die ganze Logik und Tragweite des Films vor Augen haben. Stellen Sie sich die Erde vor, die Erde selber, das ist jetzt wieder eine Postapokalypse, ist in einem Unheilszustand, Schuld ist der Mensch selbst, es ist die ökologische Katastrophe, die hier dargestellt wird, deswegen herrschen auf der Erde sehr viel Elend, Krankheiten, Gewalt und auch eine sehr unheilvolle Kontrollsituation, also man merkt von Anfang an, es gibt da eine Oberschicht, die mit sehr viel Gewalt die breite Masse der Menschheit unterdrückt. Und dann der Blick zum Himmel. Dort ist eine Raumstation zu sehen, also man kann auch richtig schön nach oben sehen. Auf dieser Raumstation, das wird zu Beginn sehr stark zum Ausdruck gebracht,

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wie dorthin alle Heilsvorstellungen projiziert werden, dort gibt es keine Krankheiten, dort gibt es kein Elend, dort sind alle Menschen glücklich und es wird sogar gesagt, dort würden die Menschen unendlich lange leben. Das finde ich recht spannend, weil manches von dem stimmt wirklich, zeigt sich nachher im Film, das Unendlich Leben nicht, also man merkt richtig, wie sich dann auch noch Heilsvisionen dahin projizieren. Auf der Erde tritt dann irgendwann mal die Rettungsfigur auf und auch die ist wieder so eine gebrochene Figur, auch das so in Klammern hat immer die Logik, also es ist tatsächlich der normale Mensch. Wir müssen also nicht darauf warten, dass ein Superheld kommt, davon distanziert sich dieser Film von genau diesen Superhelden-Geschichten, es geht der normale Mensch, also wir sind angesprochen, die Erde zu retten, wir müssen nicht auf irgendjemand Außergewöhnlichen außerhalb warten, es ist schon unser Menschenjob, das zu machen. Die Figur tritt auf und gerät dann tatsächlich so, eigentlich in so einen Sog hinein,

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um sich im Endeffekt dann zur Rettergestalt aufzuschwingen und das passiert dann tatsächlich so, dass diese Person auf diese Raumstation kommt. Die Raumstation, das ist die Welt der Reichen und die haben so das nächste Großthema, was hier quasi aufgegriffen wird, die zunehmende Spaltung in Reich und Arm, hier ins Extrem getrieben, die Reichen sind diejenigen, die es geschafft haben, diesen unheilvollen Planeten zu entfliehen, diese Raumstation, ihr Paradies, ihr Elysium zu bauen und dort eben glücklich zu leben und ihren Lebensstandard dadurch zu halten, dass sie dann eben die Kontrolle auf die Erde aufrecht erhalten. Und alles das zerstört der Retter dadurch, dass er die Raumstation quasi erobert, auch das geht mit gewissen Gewalt an Teilen und das ist dann so die letzte Szene filmisch grandios gemacht,

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wenn auch von der Logik her, da darf man nicht so lange darüber nachdenken, auf diese Raumstation sind nämlich die Krankenstationen in Shuttlen untergebracht, warum auch immer, das ergibt ja keinen Sinn, wenn die schon auf der Raumstation sind, aber filmisch bringt es meisterhaft zum Ausdruck, dann können diese Krankenstationen auf die Erde geschickt werden und dort eben die Krankheiten haben, die dort vorher schon in den Griff bekommen. Das heißt, das Rettung, das Heil der Welt kommt von dieser Raumstation. Was hier passiert ist, klar, der Unheil, der Unheilszustand ist menschengemacht, es sind Menschen, die die Erde ruiniert haben, es sind Menschen, die diese scharfe Armreichteilung durchgesetzt haben, die die Kontrolle, die die Macht, das Elend gebracht haben und die Rettung kommt eben auch vom Menschen. Es sind menschliche Krankenstationen, die als Heilsvision quasi nach unten kommen können und die Erde bildlich gesprochen heilen können.

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Man kann hier mit Augustinus feststellen, was passiert ist, ist eine Verwechslung, würde Augustinus unterstellen, von Unendlichkeit und Ewigkeit, also von dem jenseitigen Heil und dem innerweltlichen Heil, im Englischen wunderbar getrennt zwischen Sky und Heaven und genau das fällt hier bildlich zusammen, also der überirdische Himmel, der jenseitige Himmel und der irdische Himmel, genau das ist diese Raumstation hier zusammengefügt und wir finden im Grunde die gesamte Logik, das was basiert ist, was ich mit diesen drei Erzählungen auf den Punkt bringen versuchte, in diesem einen Bild gebündelt. Der irdische Himmel und der jenseitige Himmel sind zusammengefallen. Der Mensch ist für das Unheilen auf der Welt verantwortlich und er ist für das Heil auf der Welt verantwortlich. Ich stehe hier also quasi mit der Aussage, mit der Hypothese, mit der Unterstellung, dass das was unsere letzten Jahre und ich würde sogar sagen Jahrhunderte kennzeichnet, ein Verlust, ein Schwund von jenseits ist. Ich habe das im Titel mit Jenseitsvergessenheit zu erfassen versucht.

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Also ich würde behaupten, wenn man in ein paar Jahrhunderten eine Kulturgeschichte über unsere Zeit schreibt, dann wäre das sogar ein Wesenselement und vielleicht sogar das zentrale Wesenselement, was sich von der vormoderne bis zur moderne, postmoderne verändert hat. Das Jenseits hat seinen Wert verloren. Es spielt in der Lebenswirklichkeit der Menschen kaum mehr, ja vielleicht in Teilen sogar keine Rolle mehr. Ich versuche das noch in einem zweiten Feld ein bisschen anzudeuten, zu erahnen und dann in soziologischen Daten noch etwas zu erhärten, wobei gleich dazu gesagt sei, die soziologischen Daten sind erstaunlich wenig greifbar.

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Mir ist das bisher noch kaum wirklich gelungen und zwar zunächst tatsächlich deshalb, weil auf den soziologischen Radar der Fragestellung das Jenseits gar nicht mehr auftaucht. Also wir sind, sage ich jetzt vielleicht ein Stück weit polemisch, sogar schon so jenseits vergessen, dass wir uns für die Frage, ob das Jenseits überhaupt noch eine Rolle spielt, gar nicht mehr erst interessieren. Und deswegen tue ich mich mit tatsächlich konkreten Daten etwas schwer. Daher zuvor noch ein zweites Indiz, womit ich den Schwund in unserem Jenseitsbezug etwas zu erahnen versuche, nämlich indem ich auf die Bestattungskultur zurückgreife. Hier ist nämlich tatsächlich, in interessanter Weise, vor allem in den letzten 20 Jahren, ein deutlicher Wandel eingetreten. Bis vor 20 Jahren war die Bestattungskultur, zumindest bei uns in Deutschland, relativ konstant. Es war relativ klar, wie Bestattungen auszusehen haben.

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Und das hat sich nun deutlich geändert. In Zahlen von 2004 bis 2013 sank der Wunsch nach einem Saalgrab von 38,7 auf 29 Prozent, nach einem Urnengrab von 23,4 auf 20 Prozent. Das heißt, allein in diesen neun Jahren haben diese klassischen Bestattungsformen Saalgrab und Urnengrab in Minderheitenstatus erreicht. Also die Mehrheit wünscht sich kein Saalgrab und kein Urnengrab mehr. Dann stellt sich natürlich die Frage, was denn eigentlich dann? Und hier hat Thomas Klee in einer Analyse drei neue Codes ausgemacht, versucht, die verschiedenen Wünsche an Bestattungsformen in drei verschiedenen Codes zusammenzufassen. Zuallererst nennt er den naturreligiös-ökologischen Code. Typisches Beispiel dafür ist die Baumbestattung einer kompostierbaren Urne. In dieser Logik versteht sich der Mensch als Teil des biologischen Zykluses.

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Also ich will am Ende meines Lebens einfach wieder in diesen biologischen Zyklus zurück und eingehen. Der zweite Code, den nennt er ästhetisch-performativen Code und hier als ein idealtypisches Beispiel die Diamantbestattung. Man nimmt also am Ende die Asche und presst sie zu einem Diamanten. Das heißt, ich habe hier als Bild im Hinterkopf, ich bin zwar selbst vergangen, möchte aber irgendwie eine Form von Unendlichkeit erreichen, also innerhalb der Welt bestehen bleiben. Und auch hier würde Augustinus wieder sagen, genau dieser Wechsel weg von der Ewigkeit, die man in der Transzendenz verortet, zu einer Unendlichkeit innerhalb der Welt. Man inszeniert also die Leiche, sodass sie über den Tod hinaus Bedeutung behält. Und das mit der Diamantpresse mag als ein skurriler Sonderfall erscheinen, wenn man aber wie Klee die Internetbestattungskultur auch in diesen Code einsortiert, dann merkt man, es ist doch ein Massenphänomen.

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Also Internetbestattungskultur erahnt man, das ist ja auch erst ein entstehendes Feld. Wenn man sich so in diese Facebook-Situation versetzt, wenn dort jemand stirbt, dann bleibt der Account ja bestehen. Und sie haben ein sehr faszinierendes Phänomen. Natürlich, die Person selber verändert nichts mehr, aber sie können als Außenstehende noch dort auf die Pin-Band posten. Also sie haben dort tatsächlich einen Ort, wo sie in Kontakt bleiben mit dieser Person innerhalb der Welt. Als dritten Code nennt er den anonymisierend alt-touristischen. Und hier wird die Asche eines Verstorbenen in einem Kolumbarium auf einen anonymen Gräberfeld beigesetzt oder ja auch als Idee verstreut mehr soltwärts in diese Richtung. Jetzt hat Klee weiter gefragt, was ist denn da jeweils die Logik dahinter, also warum wird das so gewünscht?

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Und tatsächlich ein sehr oft genanntes Motiv ist, man will keine Folge kosten. Also man will dem Nachkommen nicht zu Last fallen. Und das habe ich mir auch in der seelsorgeaktiven, in der Sterbe, in diesen umfeldaktiven Seelsorgern tatsächlich bestätigen lassen, dass das ganz oft als Motiv inzwischen genannt wird, ich will nicht zu Last fallen. Es wird kein fester Ort mehr gewünscht. Also der Gedanke, dass es einen Ort gibt, wo man irgendwie noch in die Beziehungen treten kann, der scheint tatsächlich verschwunden zu sein. Und vor allem der außerweltliche Bezug, der spielt keine Rolle mehr. Also der Gedanke, ich, wenn ich verstorben bin, könnte irgendwie in irgendeiner Form weiter bestehen. Und dass das irgendeine Relevanz für Bestattungskultur hätte, der sei nicht mehr festzustellen, so Thomas Klee. Und das, meine ich, spiegelt sich inzwischen auch in Begräbnisfeiern, zumindest wenn man sich ein paar neue entstehende Sonderformen anschaut.

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Ich will da ein besonders Extreme, die das Ganze auf den Punkt bringt, mal herausgreifen, die Fußballbestattung. Und die können Sie auch im Internet nachgucken. Da gibt es dann Filme dazu, wie das so aussieht. Sie können sich den Raum komplett in Vereinsfarben vorstellen. Sie hören als Musik die Fangesänge. Sie sehen Bilder aus der Vereinsgeschichte, die abgespielt werden. Und Sie sehen in der Mitte die Urne in Fußballform. Das ist vielleicht noch ein relativ drastisches Beispiel, was aber wirklich was auf den Punkt bringt, weil hier zum einen, und ich glaube, das ist der Teil, der auch wirklich nachvollziehbar, greifbar ist, die Leidenschaft, also das Leben des Verstorbenen maximal im Vordergrund steht. Darum geht es, also um den Verstorbenen und dessen Leben. Aber eben tatsächlich keinen Bezug darüber hinaus.

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Es wird auf das Leben, das vergangene Leben hierbei fokussiert. Ich versuche das, was ich jetzt eher beschreiben mit den Erzählungen, auch die Bestattungskulturen, zu versuchen, aber ein bisschen greifbar zu machen, jetzt noch mit Zahlen zu unterfüttern. Wie schon gesagt, das geht schwieriger, als man denkt. Ich bin im Religionsmonitor fündig geworden. Das ist ein Projekt der Bertelsmann Stiftung, was international und langfristig angelegt ist, mit quantitativen Untersuchungsmethoden arbeitet, also Fragebögen, wo dann eine große und damit auch representative Anzahl von Menschen in einem bestimmten Land und in einem bestimmten Kulturbereich gefragt wird, was sie glauben. Das ist so der Hintergedanke, der Religionsmonitor versucht, die religiösen Entwicklungen in weltweit verschiedenen Ländern zu erfassen und damit vergleichbar und Entwicklungen nachvollziehbar zu machen.

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Hier habe ich eben die Frage, ob man einen Jenseitsglaub tatsächlich nicht gefunden. So ging es mir auch in vielen anderen Untersuchungen. Aber immerhin die Frage, glauben Sie an ein Leben nach dem Tod? Das ist nicht dasselbe, da werde ich gleich darauf hinweisen. Die Zahlen, die da herauskommen, das ist meistens in guter Soziologie so, sind dann selten überraschend. Also eine Menge Dinge werden Sie sich schon denken können, erahnen können. Zum Beispiel in den USA ist diese Frage, glauben Sie an ein Leben nach dem Tod, tatsächlich mehrheitlich positiv beantwortet. 52 Prozent sagen sogar, sie glauben sehr stark an ein Leben nach dem Tod. 8 Prozent sagen, sie glauben immerhin ziemlich an ein Leben nach dem Tod. Also 60 Prozent sind da doch relativ gut dabei. Und das finde ich persönlich recht spannend, glaube ich, tatsächlich eine der Diskrepanzen zwischen den USA und Europa. Also wenn man von dem Westen spricht, dann merkt man, da gibt es tatsächlich Unterschiede.

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Und die Religiosität in den USA ist einer davon, der ist dort sehr viel stärker, wenn auch abnehmend, aber doch immerhin noch deutlich mehrheitlich. Das geht überhaupt in den anderen Kontinenten der Welt überall so. Man merkt immer mal, dass Europa, also wovon ich gerade spreche, wird eher Europa als den Sonderkontinent erscheinen lassen. Auch wenn man dazu sagen muss, andere Studien sagen, weltweit ist es tatsächlich diese Religiosität eher am Abnehmen. Aber noch ganz klar, im Ausland von Europa ist Religiosität vorherrschend. In islamischen Ländern ist das am deutlichsten ausgeprägt. Die Türkei sind da noch eher ein zurückhaltendes Land. Hier sagen 78 Prozent der Befragten, sie glauben sehr stark an ein Leben nach dem Tod und 13 Prozent ziemlich. Also sind hier schon bei über 90 Prozent. Das ist in anderen islamischen Ländern noch deutlicher. Und auch da erahnt man so einen Grundunterschied zwischen Europa und jetzt zum Beispiel den Flüchtlingen aus dem Nahen Osten,

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die zu uns kommen. Und ich glaube tatsächlich, dass das ein großes Thema ist von Kulturunterschied. Warum die Flüchtlinge in Deutschland, in Europa gerade so anders auch wirken, ist tatsächlich, meine ich, damit als ein Aspekt auch nachvollziehbar. Wenn man dann eben Europa nimmt, merkt man, die europäischen Länder sind allesamt übrigens, auch die so stark katholisch geltenden Länder wie Polen oder Italien, sind allesamt am äußeren Teil der Skala der Länder, die relativ wenig religiös sind. Maximal ist das Russland. Da würden 20 Prozent sagen, dass sie sehr stark oder ziemlich an ein Leben nach dem Tod glauben. Also 80 Prozent sagen das nicht. Das auch als kleine Klammer für dieses Land, wo man merkt, dass tatsächlich diese religionskritisch-feindliche Haltung der letzten Jahrzehnte tatsächlich durchgeschlagen hat. Das gilt auch zum Beispiel für Frankreich, wo der Laizismus zur staatlichen Identität gehört.

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Und bei den anderen Ländern in Europa, wenn ich mich jetzt mal auf Deutschland konzentriere, kommt so raus, bei Deutschland sagen 22 Prozent, dass sie sehr stark an ein Leben nach dem Tod glauben und 11 Prozent, ziemlich. Also 33 Prozent bejahen das letztlich. Und da kann man sich jetzt schon fragen, ist das eigentlich viele oder ist das wenig? Und wenn Sie zu denjenigen gehen, eigentlich ist das doch gar nicht so wenig, dann kommt jetzt mal eine Einschränkung, warum ich glaube, dass die Frage, glauben Sie an ein Leben nach dem Tod, nicht die Frage nach dem Jenseits ist. Der Religionsmonitor fragt mich nicht weiter, da kann ich mich aber auf eine andere Studie stützen, nämlich für Christmon von Emnet durchgeführt, also auch wieder repräsentativ. Die haben gefragt, an was für ein Leben nach dem Tod glauben Sie eigentlich? Und hier kamen 55 Prozent der Antworten klassisch christlich Auferstehung und 45 Prozent haben die Wiedergeburt genannt.

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Wenn man über die Wiedergeburt nachdenkt, landet man natürlich, ja, religiöse Systeme des Buddhismus und wundert sich vielleicht, warum fast die Hälfte der Deutschen irgendwie Buddhisten, Hinduisten sind. Ich glaube, da steckt aber etwas anderes dahinter. Wir finden unser Leben hier in Deutschland so schön, dass wir uns denken, eigentlich hätte ich noch gerne mal ein Leben in Tokio, eins in New York. Also ich würde behaupten, dass unter einem nennenswerten Anteil dieser 45 Prozentnahme der 33 Prozent, die an ein Leben nach dem Tod glauben, gar nicht an ein Jenseits glauben, sondern wiederum rein innerweltlich sich einfach mehr Leben innerhalb der Welt wünschen. Natürlich wird vorausgesetzt, dass ich dann nicht irgendwo im Slum wiedergeboren werde, sondern ich will natürlich immer in einer High Society leben. Also man merkt, diese Form an die Wiedergeburt, den Glauben an die Wiedergeburt, ist ein Wohlstandsphänomen. Also uns geht es gut und wir hätten das gerne länger, bis eben irgendwo am liebsten unendlich.

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Also lande ich dann doch bei einer These, die der Soziologe, Religionssoziologe Gerd Pickel, relativ drastisch in dem Satz zusammengefasst hat. Fast alle deutschen Sehnen des Lebens innerweltlich begründet. Das ist ein sehr starker Satz, den ich jetzt vielleicht mit den Zahlen und ein bisschen Überlegung nicht unbedingt maximal untermauert habe, aber die Tendenz, glaube ich, die ist doch deutlich. Und bei Gerd Pickel muss man immerhin dazu sagen, der hat sich schon mehr Zeit damit beschäftigt und ist eben als Soziologe auch noch mit mehr Daten vertraut als ich. Also ich glaube, diese Aussage hat schon Gewicht. Er gibt als Grund dafür, dass ich fast alle Deutschen nur innerweltlich mit ihren Sinnen, Heilsvorstellungen auseinandersetzen, die Rationalisierung an. Damit meinte er den Glauben an den naturwissenschaftlichen Fortschritt und den damit erreichten technischen Berufenschaften. Ich komme damit zur Frage mit Gerd Pickel, warum ist das so?

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Und ich glaube, Gerd Pickel hat da durchaus einen zentralen Aspekt benannt, aber wahrscheinlich auch nicht den einzigen. Also worauf Gerd Pickel rekurriert, ist etwas, was ich unter diesem Slogan Vermessung der Welt nennen möchte. Wir sind also zunehmend in der Lage, diese Welt hier zu gestalten, positiv mit ihr umzugehen. Wir haben es nicht mehr nötig, uns auf einen Jenseits, wenn ich sage es mal problemisch, vertrösten zu lassen. Wir können uns in unserer Heil tatsächlich selber schaffen. Damit einher geht die umgekehrte Richtung, die Entzauberung der Welt. Dieses berühmte Laplace Dictum Sur, diese Hypothese habe ich nicht nötig, nach der Frage von Napoleon, wo denn Gott in seinen naturwissenschaftlichen Beschreibungen und Formeln bleibe. Diese Hypothese haben wir nicht mehr nötig. Wir brauchen Gott nicht mehr, um hier die Welt zu verstehen, zu beschreiben und eben zu gestalten.

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Wir haben es selber im Griff. Wir haben es nicht mehr nötig, auf eine höhere Gerechtigkeit, Gnade Gottes zu bauen. Wenn wir Ungerechtigkeit erleben, dann wenden wir uns um einen Anwalt. Wir brauchen es nicht mehr. Und so gestalten wir tatsächlich unsere Welt selber und leben in so einer großen Chancenstärke. Also alle die Filme, die ich vorher gezeigt habe, zeigen positiv gesprochen die Potenz der Menschheit, diese Welt zu gestalten. Und ich kann mir so den Disput zwischen den mittelalterlichen Gelehrten und den heutigen modernen Postmodernen wunderbar vorstellen, wenn der mittelalterliche Gelehrte sagen wird, warum soll ich mich um dieses kurze irdische Erdenleben kümmern, wenn es doch ein viel längeres, eben ewiges Leben im Jenseits zu gewinnen gilt. Also konzentriere ich mich doch besser eben auf mein Seelenheil, auf die Art und Weise, wie ich mir im Jenseits einen Heilszustand verschaffe, denke, erarbeite.

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Und die Antwort des modernen Menschen darauf, schön, dass du mit irgendeinem Zustand agierst, von dem wir eigentlich gar nichts wissen, gestalte doch lieber die Welt jetzt, machen wir uns doch lieber das hier und jetzt gut, heilsam, gerecht, anstatt auf etwas zu hoffen, von dem wir gar nicht so genau wissen, ob es überhaupt kommen wird. Ich denke, es spielen noch ein paar mehr Punkte hinein. Überhaupt die modernen, postmoderne kritische Umgang mit großen Erzählungen. Ich habe vorhin gesagt, jede Gesellschaft, das gilt Menschheitsübergreifend zu aller Zeiten allen Kulturen, wir agieren immer mit Erzählungen. Es ist total spannend, die Mythen und Erzählungen eines Kulturbereiches, eines Landes anzuschauen. In aller Regel sind die uns nämlich gar nicht so bewusst. Also wenn ich Sie frage, welche Mythen konstituieren in Deutschland, werden Ihnen spontan glaube ich gar keine einfallen, aber es sind eine Menge Mythen, die wir im

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Kopf haben. Also das zu analysieren. Was wir aber heutzutage nicht mehr annehmen, sind die großen Erzählungen. Also wenn jemand auftritt und sagt, ich habe die eine menschheitskulturübergreifende Erzählung, die ewig und unendlich, Raum und Zeit übergreifend gilt, das wird heute unter einen Generalverdacht gestellt, nämlich eines Machtgehabes. Da ist jemand arrogant, da ist jemand letztlich übt Macht, Druck, Gewalt aus auf den Einzelnen, der seine eigene Erzählung finden muss, seine eigene Identität finden muss. Also wir haben eine Grundskepsis gegen jeden Ansatz von Großerzählung und konzentrieren uns auf die Kleinerzählung. Hier gibt es also ein grundlegendes Problem zwischen den religiösen Groß-Meter- Erzählungen und den Anspruch von heute, kleinere individuelle Erzählungen zu haben. Ja und als letztes glaube ich, muss das Christentum sich auch selbst an die Nase fassen. Man kann eine Selbstmarginalisierung der Jenseitsvorstellungen in den Religionen

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darstellen. Und das versuche ich unter dem Aufgreifen des Historikers Thomas Gruss-Bölding ein bisschen zu verdeutlichen. Der hat vor ein paar Jahren ein Buch mit dem bezeichnenden Titel Der verlorene Himmel geschrieben, in dem er als Historiker im 20. Jahrhundert so die geschichtliche Entwicklung zu fassen versucht und damit weitgehend diesem Buch sich auch an Äußerlichkeiten festmacht, was ein Historiker eben auch tun muss. Also er stellt fest, dass die Religionen, Religionsgemeinschaften nach wie vor in Deutschland sehr stark präsent sind. Das unterschätzt man als Christ und als Christ vielleicht sogar ein bisschen. Also wenn man mal mit nicht-christlicher Brille durch die Stadt läuft, wird man erstaunt sein, wie viele christliche Symbole man schon allein architektonisch hier vor Augen geführt bekommt. Allerdings in aller Regel ist diese Präsenz fokussiert auf die zwei großen Konfessionen. Das werden dann vielleicht auch Angehörigen von den eben nicht zum Fokus stehenden Konfessionen

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durchaus spüren. Da haben die Deutschen so einen gewissen Fokus auf die zwei großen Konfessionen. Die Zahl der Kirchkinge ist zugleich sehr klein und weitgehend stark schrumpfend. Also da ist schon so eine Diskrepanz zwischen einer Außenwahrnehmung und tatsächlich einer inneren Beteiligung an den Religionsgemeinschaften. Das geht damit einher, dass die Kirchen zwar sehr stark politisch aktiv und einflussreich sind, aber wenig Zugriff auf das Individuum haben. Und das ist ein sehr spannendes Phänomen, was auch so eine Diskrepanz beinhaltet und ich glaube auch attraktiv für die Kirchen. Es ist daher so, als kleine Klammer, manche Kirchen scheinen deshalb auf die Idee zu kommen, dass es klug wäre, sich auf genau diese äußeren Vorgänge zu konzentrieren und das mal dann so als moralische, kulturtragende Instanz, soziale Arbeit, moralische Stimme in bestimmten

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Gremien und eben von Orgelkonzerten bis was auch immer im Kulturbereich aktiv zu machen. Das kommt auch an, wenn man also Umfragen macht, was denken die Menschen von heute über Kirchen, hat man nicht mehr das Phänomen, dass es eine massive Kirchenkritik gibt. Also die Zeit ist vorbei, wo der Mainstream, die Masse sich quasi an der Kirche abarbeiten würde, wo sie noch wirklich überhaupt was wüsste, woran sie sich abarbeiten könnte. Also man nimmt die Kirche eigentlich nur noch von außen stehend wahr und sagt dann, ja, es ist gut, dass es Kirchen gibt, die sollen genau das tun, Moral und Kultur, aber ich selbst brauch sie nicht. Also auf mich hat die Kirche eigentlich keinen Einfluss. Die Kirche soll dem Bedürftigen zur Verfügung stehen, deswegen ja auch dieses Sozialtun, das ist sehr sinnvoll. Vielleicht gehe ich dann eben noch zu Orgelkonzerten, das spricht mich noch an, aber ich bin ja gar nicht bedürftig, deswegen, ich brauche die Kirche selbst nicht.

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Das ist ein bisschen beruhigend, glaube ich, weil die Kirchen damit ihren Ort haben, aber Sie werden es erahnen, meine Grundaussage hier ist, damit verfehlen die Kirchen exakt ihre Pointe und machen sich überflüssig, weil Moral und Kultur tragen. Dazu brauche ich nicht religiös zu sein. Das ist eine Hybris, die schon lange hingezogen ist, selbstverständlich kann der nicht-religiöse Mensch genauso moralisch, kulturschaffend, tragend agierend wie der religiöse. Die Pointe von Religion ist eine andere, die Sinnstiftung. Und die funktioniert im religiösen Kontext immer unter Bezugnahme auch von jenseits. Und hier kommt eben diese These raus, dass die Christenheit in Deutschland, das ist jetzt zumindest Beschränkung auf Deutschland, tatsächlich selbst beteiligt ist an ihrer quasi Abschaffung, an ihrem Relevanzverlust. Das sagt Thomas Groß-Bölding, ich weiß nicht, ob das Zufall ist, für mich bezeichnend, genau in der Mitte seines Buches und fängt es auch so an, zentral an allen diesen historischen

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Prozessen, die er ja an Äußerlichkeiten festgemacht hat, zentral dahinter ist, und jetzt zitiere ich, der Wandel des Gottesbildes und der damit verbundenen Jenseitsvorstellungen. Für mich als systematischen Theologen ist es dann etwas schade, warum er das nur sehr kurz fasst, aber er ist eben Historiker und reißt es nur an, aber bringt dort einen Gedanken, der durch das Nachdenken gestimmen kann. Er sagt, mich rein historisch betrachtet, wenn ihr an den Beginn des 20. Jahrhunderts geht, stößt ihr dort auf eine Jenseitspredigt, die den strafenen Gott in den Vordergrund stellt, wo die Hölle eine reale Erwartung gepredigt wird und wo der Himmel mit einer Exklusivität ausgestattet ist. Also die Botschaft ist, jeder einzelne muss in seinem Leben genau aufpassen und wenn er nicht so lebt, wie es eben den religiösen Vorspellungen entspricht, also moralisch, dann erwartet ihn am Ende ein dramatisches Schicksal und um das zu verhindern, muss

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man das irdische Leben schon danach ausrichten, was eben sich am Jenseits orientiert. Aus dieser Vorstellung, die wahrscheinlich die Eltern noch so im Kopf haben, wenn ich mich mit Seniorenstudierenden an der Uni unterhalte, bekomme ich genau das zu hören. Also wer sich da für Theologie interessiert, hat ganz tief diese Bilder vergraben und erzählt mir das dann, also in der Regel als wirklich erst abschreckend. Und genau das ist dann auch passiert. Das war so negativ belastet, dass die christliche Predigt, um überhaupt noch gehört zu werden, dann drastisch umschwenken musste und das sagt eben Thomas Grosbeult, den genau ins andere Extrem umgeschwenkt ist, zum lieben Gott. Es gibt dann quasi nur noch den liebenden Gott. Der Himmel ist quasi geschenkt. Das finden Sie auch in den theologischen Esztertologien als Standardaussage. Eigentlich kommt jeder Mensch in den Himmel. Es wird immer dazu gesagt, die Hölle ist eine Denkmöglichkeit, die real sein muss, weil sonst die Freiheit des Menschen nicht ernst genommen wäre, aber eigentlich gehen

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wir davon aus, dass alle Menschen im Himmel landen werden. Und wenn der Himmel quasi so automatisch geschenkt uns zugesagt ist, dann ist er auch nicht mehr relevant. Also was ich sowieso in der Tasche habe, darum brauche ich mich nicht mehr zu bemühen. Ich glaube, das ist eine These, die erfordert schon durchaus etwas weitergehende Diskussionen, wenn sie zutrifft, aber ich finde es sehr anregend, das vom Historiker erklärt zu bekommen. Und was rauskommt, ist glaube ich etwas, was man in den Medien heutzutage sehr wahrnimmt. Ich mache das wieder an einem Beispiel fest von H.P. Kerkeling, Ich bin da mal weg. Das scheint mir ein Sinnbild für Spiritualität zu sein von heute, die als tragend, fasziniert empfunden wird. Entsprechend positiv ist H.P. Kerkeling mit diesem Projekt auch gewesen, mit vielen Auflagen, Buchfilmen, was es alles dazu gab. Was steckt dahinter? Es fängt für mich schon beim Begriff Spiritualität an.

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Man kann schon an der Begriffsgeschichte zeigen, wie sich da etwas verschoben hat und ich würde Spiritualität als eine innere Einstellung bezeichnen, die nicht zwangsläufig und ich glaube im gesellschaftlichen gesehen inzwischen maximal auch real nichts mit einem Jenseits zu tun haben muss. Also genau hier ist eine Begriffsverschiebung von Religion, Religiosität, was immer jenseitsbezogen ist, hin zu einer Spiritualität passiert, die diesseits orientiert ist. Man kann das im Buchregal, in der Buchhandlung sehen. Ratgeberliteratur für die Gestaltung des Lebens. Finden Sie sich dort noch und nöcher. Also wie finde ich mich selbst innerhalb des Lebens? Wie erfülle ich mich selbst innerhalb des Lebens? Also das ist die zentrale Emporte von gut verkaufender Ratgeberliteratur. So auch genau der Jakobsweg bei H.P. Kerkeling. Das ist eine Möglichkeit zu mir selbst zu finden. Das ist der Witz dahinter. Und toll ist es, mir ist völlig klar, da muss eine Institution dahinterstehen.

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Natürlich brauche ich die Übernachtungsmöglichkeit auf diesem Weg. Natürlich ist es schön, wenn am Ziel dann eben so eine Kirche steht. Insofern wird die Kirche, die Religionsgemeinschaft als projektbezogene Anbieter durchaus wertgeschätzt, aber nicht aufgrund ihrer Inhalte, aufgrund ihrer Botschaft, sondern aufgrund der Strukturen, der Infrastruktur, die sie mir schafft und die ich selber mit meinem eigenen Lebensweg dann füllen muss. So, damit komme ich im Grunde zu meinen Endüberlegungen, weil ich glaube, wenn man dieses gesellschaftliche Setting sieht, dass gerade darin die echte Jenseitsbotschaft eigentlich einen Wert hätte. Und mein Gedanke wäre an Christliche Predigt, an die christlichen Religionsgemeinschaften, ob es nicht Sinn wäre, da mal einen Resetknopf zu drücken und neu anfangen nachzudenken. Und auch das werde ich hier nur anfangenhaft machen.

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Es fällt doch auf, dass das Grundproblem, was heute so im allgemeinen Köpfen der deutschen Gesellschaft, oder das kann man auch gerne dann ausdehnen, mit Bildern aus der klassischen christlichen Jenseitsbotschaft bestehen, die in der Regel nicht biblisch sind. Also das Modell, was ich glaube, jeder, der in der deutschen Kulturtradition irgendwo verankert ist, was jeder in kulturellen Gedächtnissen hat, ist dann vor allem so etwas wie Himmel, Hölle, Fegefeuer. Und da finde ich sehr spannend, dahinter zu sehen, wie die klar eine biblische Verankerung haben, aber das System sehr viel später, bis hin zum Mittelalter, eigentlich erst ausgedeutet, entwickelt worden ist. Und das, was wir in unserem Kopf, in unseren Vorstellungen haben, das ist dann vor allem eben dieses mittelalterliche Modell, was dort entwickelt worden ist. Und wenn man dann anschaut, was daraus geworden ist, sind all diese Bilder im Kopf aber immer umgedeutet.

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Und zwar bezeichnet umgedeutet. Die Hölle ist heutzutage eigentlich nicht mehr der Ort, wo ich hineingerate, weil ich bestraft werde für meine bösen Taten, sondern, denken Sie an mein Eingangsbeispiel, Apocalypse Now, die Hölle auf Erden ist etwas, wo ich unverschuldet hineingerate. Also wenn ich in der Hölle auf Erden bin, bin ich eigentlich Opfer und nicht Täter, was eine komplette Verdrehung der ursprünglichen Logik ist. Der Himmel ist nicht ganz so von der Logik hier verdreht, der Himmel ist tatsächlich als Heilszustand, aber eben nur noch irdisch. Also himmlisch ist ein Essen, eine Speise, ein Eis kann himmlisch sein, aber nicht mehr irgendeine jenseitige Erwartungshaltung. Entsprechend ist auch die Sünde, dann nicht mehr der Verstoß gegen eine größere göttliche Sinnstiftung, Ordnung, sondern Sünden kann ich nur noch gegen mich selbst. Also es geht ja eigentlich um meinen eigenen Selbstfindungsweg und wenn ich dann sünde, dann habe ich meinen Abnehmenvorsatz, also mir selbst gegebenen Abnehmenvorsatz mit Füßen getreten und das ist überhaupt keine moralische Kategorie,

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Abnehmen hat nichts mehr mit Moral zu tun. Also man merkt, wie die Bilder selbstverständlich noch alle sogar im Sprachgebrauch vorhanden sind, aber komplett umgedeutet. Und da wäre so meine erste Frage, ob es nicht deshalb eben diesen benannten Reset-Knopf bedürfte, wo man überlegt, brauchen wir nicht eine neue Bildsprache schon alleine und das ist nicht nur jetzt zu einer Äußerlichkeit geschuldet, dass tatsächlich Pech die Wörter, die Begriffe umgedeutet worden sind, sondern es hat ja schon auch eine innere Logik. Und eine von den inneren Logiken von den Problemen, vor denen glaube ich die aktuelle Jenseitspredigt steht, ist, dass dieses Bild Himmel-Hölle aus einer philosophischen, weltanschaulichen Zeit stammt, in der sehr viel eher auf duale Gegenüberstellung gesetzt worden ist, zumindest Himmel-Hölle ist eine duale Gegenüberstellung. Da kann man dann anfügen, naja, aber das Fegefeuer ist doch dann so ein Graubo-Recht dazwischen,

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ja, aber das Fegefeuer ist nur die erste Vorzeit, ab dem jüngsten Tag gibt es wirklich nur noch Himmel und Hölle. Das ist das klassische Konzept und jetzt würde ich unterstellen, der moderne, postmoderne Mensch wird sich sagen, also ich bin nicht gut genug für den Himmel, aber bin ich wirklich so böse, dass ich in die Hölle komme? Also sprich, der moderne Mensch denkt nicht mehr an diesen dualen Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung, alles was mit Schwarz-Weiß agiert, würde sogar gerade als Vorwurf benannt werden, du bist aber jetzt ein Schwarz-Weiß-Zeichner, so ist doch die Welt nicht. Also wir denken heute eher in Grauschattierungen, es gibt nicht den Bösen und den Guten, sondern irgendwie sind wir alle dazwischen, irgendwie sind wir alle schuldhaft verstrickt. Und das wäre schon so ein Punkt, wo ich anfangen würde nachzudenken, kann es sein, dass es eben tatsächlich ein neues Modell braucht, eine neue Vorstellung, ja, einen neuen Code, sprachlich, inhaltlich neu gefüllt. Und dann fängt man an nachzudenken, was könnte denn dieses Neue sein?

50:06
Und hier würde ich im Grunde eigentlich zunächst mal zumindest anfangen, mal wieder mich zurückzubesinnen, was ist eigentlich die Kernbotschaft, mehr der das Christenum angetreten ist und ja ganz nebenbei auch den bahnbrechenden Erfolg hatte, der es zur Weltreligion hat werden lassen. Also ich würde mal in die Bibel schauen und stoße über zwei Begriffe, den der Auferstehung und den des Reiches Gottes. Und ich glaube, wenn man da mal anfängt nachzudenken, was die für einen Gehalt haben, das ist so im Grunde meine Proante des Ganzen, landet man bei einer Botschaft, die vielleicht gerade unter diesen Paradigmen, die ich an verschiedenen Stellen angedeutet habe, einen Wert hätte. Die Auferstehung bedeutet für mich im Grunde nichts anderes als, dass dieses Leben hier nicht alles ist. Und das klingt vielleicht jetzt mal so banal, so salopp, aber ich glaube, wenn man das wirklich ernst sich überlegt,

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ist das eine drastische Botschaft und zwar eine echte Vorbotschaft. Sie relativiert nämlich alles und jeden. Sie relativiert zuallererst meine Leistungsnot, meine Leistungsfähigkeit. Also wenn ich rein innerweltlich nach Maßstäben suche und ich glaube, da können wir uns in unserer Umgebung umschauen, was sind so die Maßstäbe, nach denen wir Menschen bemessen, da kommt dann schon relativ schnell, auch, ich sage es mal etwas problemisch, vom Gehaltscheck bis zum Statussymbol sehr viel ins Spiel. Und jetzt kommt diese Botschaft und sagt, alles das schön und gut will ich nicht abschaffen, will ich nicht eliminieren, aber relativieren. Also der Gehaltscheck, den ich am Ende des Lebens habe, ist nicht das letzte Wort. Die Leistungen, die ich erbringe, sind nicht das letzte Wort. Alles das wird relativiert und ich halte das doch für eine wahrhaft entlastende und damit eben frohe Botschaft.

52:06
Und was ich daran auch so spannend finde, ist, es wird nicht nur die Leistungsfähigkeit relativiert, es wird nicht nur dieser Leistungsdruck, dieser Leistungszwang relativiert, sondern auch meine Schuld wird relativiert. Also ich stehe nicht nur nicht unter der Not, dass ich mich nach dem, was ich hier schaffe, bemessen lassen muss, sondern ich stehe auch nicht unter der Not, dass ich mich unter den Fehlern, die ich mache, unter der Schuld, die ich auf mich lade, auch danach nicht bis zum Letzten bemessen lassen muss, sondern auch das wird letztlich relativiert, sodass ich glaube, dass diese Botschaft vom Jenseits nicht nur für die Schwachen, also für diejenigen, die eben keinen dicken Gehaltscheck haben und sich dann trösten, naja gut, es wird eine Zeit geben, wo es mir besser geht, sondern gerade auch für die Leistungsstarken, die vielleicht auf der Glückseite unserer Gesellschaft stehen, auch für die ist das eine frohe Botschaft. Die Verantwortung, das, was man hier schafft und tut, auch das ist nicht das letzte Wort

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und auch das ist nicht der letzte Maßstab, den ich mir stellen muss. Und was das für mich tatsächlich zentral in ein Wort fasst, ist die Botschaft vom Reich Gottes. Die hat nämlich immer beide Seiten. Das ist für mich das spannende Element, was ich als die große Stärke der christlichen Botschaft damals in der Antike, als ihren Siegeszug antrat, aber ich glaube eben auch in einer heutigen Zeit, in der die Sprachfähigkeit deutlich zurückgegangen ist, wo diese große Stärke sich entwickeln kann. Der Reich Gottes meint nämlich, wir haben jetzt im Hier und Jetzt schon einen Auftrag. Also diese technische Gestaltung der Welt, dieser Auftrag der Menschen, ja, ihr müsst schon was zu unserem Heil tun, steckt im Reich Gottes drin, im Schon-Jetzt. Das Reich Gottes ist schon jetzt hier, wir haben sehr wohl jetzt schon den Auftrag, was zu tun und deswegen geht es nicht um ein Naturwissenschaften-Technik-Bashing und sozusagen, meine Güte, welche Hybris die Menschen haben.

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Nein, die Menschen haben schon den Auftrag, hier und jetzt etwas zum Paradies auf Erden beizutragen. Aber das ist nicht das letzte Wort. Das, was wir schaffen und auch das, was wir hier nicht schaffen, ist nicht das letzte Wort. Und das, glaube ich, wenn man es in seiner Tiefe nachvollziehbar macht, ist ein Angebot, eine Stärke, die gerade in unserer heutigen Zeit sehr wohl einen Wert hätte. Und das würde ich gerne zum Nachdenken und Diskutieren hier in den Ringwerfen.

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Das vergessene Jenseits? Zum Wert der christlichen Jenseitsbotschaft in säkularen Zeiten | 8.4.1

Worthaus 8 – Weimar: 21. Mai 2018 von PD Dr. Patrick Becker

Wiedergeburt, Auferstehung, das unendliche Nichts – woran glauben Sie so? Wenn es Auferstehung oder Wiedergeburt sind, denkt in Deutschland immerhin ein Drittel der Bevölkerung wie Sie. Der Rest – also die Mehrheit – ist sich nicht sicher oder glaubt lieber an das Diesseits statt an das, was nach dem Tod kommen mag. Den Sinn ihres Lebens sehen die meisten im Hier und Jetzt. Sie meditieren oder pilgern, um zu sich selbst zu finden statt zu Gott. Sie lassen sich unter einem Baum bestatten oder ihre Asche zu einem Diamanten pressen, um nach dem Tod weiter zu existieren. Sie verwenden Begriffe wie „Sünde“ für das Schokoeis während einer Diät oder „Hölle“ für einen stressigen Arbeitstag. Und sie schauen nach Feierabend Hollywood-Filme über den Weltuntergang, der gerade noch von einem Helden aufgehalten wird. Obwohl in Deutschland in fast jedem Ort eine Kirche steht, ist das Jenseits fast vergessen. Der Theologe Patrick Becker erklärt dagegen, warum es so wichtig ist, trotz aller Diesseitsorientierung über die Botschaft vom Jenseits nachzudenken.