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Jetzt möchte ich das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen auslegen. Tine wird den Text ohne die Deutung, das habe ich euch erklärt, unabhängig von der Deutung, wird diesen Text in einer sehr guten Übersetzung euch vorlesen. Ein Bauer hatte gutes Saatgut auf sein Feld gesät. Eines Nachts, als alles schlief, kam ein Feind von ihm, säte Taumelolch zwischen den Weizen und verschwand. Als aber die Saat heranwuchs und Frucht ansetzte, zeigte sich auch der Taumelolch. Da kamen die Feldarbeiter zum Hausherrn und sagten, Herr, hast du nicht guten Samen auf das Feld gesät? Woher kommt denn das ganze Unkraut? Er antwortete, das hat ein Feind getan. Da sagten die Feldarbeiter zu ihm,

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willst du, dass wir hingehen und den Taumelolch ausjäten? Er aber antwortet, nein, ihr würdet mit dem Taumelolch auch den Weizen herausreißen. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte. Dann werde ich den Erntearbeitern sagen, sammelt zuerst das Unkraut und bündelt es zum Verbrennen. Den Weizen aber bringt in meine Scheune. Dankeschön. Die Frage nach dem Bösen ist so aktuell, so bedrängend und so ungeklärt wie in der Altsteinzeit. Es hat sich da ganz wenig geändert. Die Frage nach dem Bösen ist bedrängend, genauso aktuell wie in allen Jahrtausenden und genauso ungelöst. Was verstehen wir unter dem Bösen christlich gesehen?

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Das Böse ist alles, was gegen Gottes Willen gerichtet ist. Gottes Wille ist das Gute. Man kann aber auch sagen, das Böse ist alles, was gegen das Leben gerichtet ist, was das Leben kaputt macht, was Beziehungen kaputt macht, was das Leben daran hindert zu blühen. Oder man kann auch sagen, das Böse ist alles, was gegen Gerechtigkeit und Frieden gerichtet ist, denn Gerechtigkeit und Frieden sind die höchsten Lebenswerte für das Zusammenleben der Menschen in der Bibel. Das, was Gerechtigkeit und Frieden verhindert, verdient, Böse genannt zu werden.

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Die Frage nach dem Bösen ist vor allem dann bedrängend und schwierig, wenn man an Gott glaubt, der allmächtig und barmherzig ist. Da wird die Frage besonders brisant. Auch als Jesus öffentlich aufzutreten begann, hat sich diese Frage unweigerlich sofort gestellt. Wie hältst du es mit dem Bösen? Wie denkst du über die Realität des Bösen? Denn Jesus hat verkündigt, dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist, zu wirken begonnen hat, die große endgültige gute Zeit, die große Wende zum Guten. Und da denken alle jüdischen Zeitgenossen, wenn das Reich Gottes kommt, dann wird das Böse überwunden, endlich. So haben es die Propheten Israels angekündigt.

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Wenn das Reich Gottes kommt, wird das Böse in der Welt beseitigt. Also wie stehst du zu dieser prophetischen Hoffnung? Und wie denkst du über die Realität des Bösen? Rufst du jetzt zum Kampf gegen das Böse auf? Solche und ähnliche Fragen haben sich, als Jesus öffentlich aufzutreten begonnen hat, gestellt. Jesus reagiert auf diese Fragen mit dieser Kurzgeschichte. Jesus liebte ja Kurzgeschichten. Er war ein Meister der Kurzgeschichten. Und in diesen Kurzgeschichten können wir ein bisschen sehen, miterleben, mit welchen Augen er die Dinge gesehen hat. Also Jesus reagiert auf diese Fragen nach dem Bösen nicht mit ein paar lehrhaften Aussagen. Oder ein paar bekenntnishaften Sätzen.

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Nein, er erzählt den Zeitgenossen eine Geschichte. Dann haben sie Stoff zum Nachdenken. In dieser Geschichte, wie in allen Gleichnissen Jesu, wird eine Situation beschrieben, die jeder damals kannte aus dem beruflichen Alltag, aus der vertrauten Lebenswelt. Ein Bauer säte gutes Saatgut auf seinem Acker, auf seinem Feld. Das ist eine Situation, die jeder jedes Jahr kennt. Damals war das eine Agrargesellschaft. Die meisten Menschen lebten auf dem Land und von den Erträgen des Landes. Und in einer Agrargesellschaft sind Aussaat und Ernte die zwei Höhepunkte eines Jahres. Die Aussaat ist grundlegend. Ohne Aussaat keine Ernte. Die Aussaat ist grundlegend für die Ernährung der Menschheit, für die Versorgung der Menschen.

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Das ist bis heute so, wenn wir uns auch in der modernen Industriegesellschaft das mal gar nicht mehr so bewusst ist. Er hat gutes Saatgut gesät. Diese Bemerkung ist wichtig. Denn das Saatgut in der Antike hat nicht die Qualität wie heute. Durch Wurfeln und durch Sieben konnte man das Saatgut nicht so genau von Unkrautsamen trennen, wie das heute durch technische Möglichkeiten gegeben ist. Der Weizen, überhaupt das Getreide, hat für die Antike grundlegende Bedeutung. Kartoffeln, Reis und Mais kennt kein Mensch. Noch nie hat ein Mensch im Umfeld Jesu eine Kartoffel gesehen. Noch nie einen Maiskolben und noch nie eine Handvoll Reis. Also Getreide war das einzige Grundnahrungsmittel. Angebaut wurde Weizen und Gerste.

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Und die Aussaat galt als eine edle Handlung, die sogar Großgrundbesitzer, Großbauern meistens selber gemacht haben. Und dann geht man gleichmäßig bei einem umgehängten Beutel, ist das Saatgut drin, und dann wird es so in einer Handbewegung ausgesät. Es bedurfte großer Sorgfalt und das machten selbst Großbauern, die Sklaven und Tagelöhner hatten, lieber selber. Wie bedeutend das Getreide war für die Existenz der Menschheit, merkt man zum Beispiel darin, dass der Getreide-Gott der Kananäher Dagon hieß, der einer der bedeutendsten Götter war. Dagon war der Vater von Baal, dem Wettergott. Und auch zum Beispiel die ganzen Hohlmaße, die entwickelt wurden, haben sich aus Getreidebehältern entwickelt.

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Aus den Getreidebehältern haben wir bis heute unsere Hohlmaße. Getreide war auch ein Zahlungsmittel, man zahlte die Steuern zum Teil in Getreide. Also mit der Aussaat des Getreides berührt Jesus eine der Grundlagen des Lebens. Nur der erste Satz, der ist so richtig idyllisch, harmlos, unbeschwert, aber schon der zweite Satz erzählt von einer Störung. Nachts, als alle Menschen schliefen, kam ein Feind von ihm, säte Taumel-Lolch mitten unter den Weizen und verschwand. Das, was diese nächtliche Gestalt hier macht, nennt man in der Antike Saat-Frevel. Und der Saat-Frevel galt als eine besonders boshafte Gemeinheit, ist sozusagen das Böse pur.

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Denn die Ernte war sowieso ständig in Gefahr durch Dürrezeiten, durch ungeziefer Tierfraß, vielleicht auch kriegerische Zeiten. Also man hat immer gepippert, ob die Ernte klappt. Absichtlich Unkrautsamen unter den Weizen zu säen, ist eine bodenlose Unverschämtheit. Es gibt zum Beispiel die Erzählung, dass ein Nachbar in Ägypten auf das Feld seines Nachbarn Schilfsamen gesät hat. Da war dieser Acker für die nächsten fünf bis acht Jahre erledigt. Das kriegt man nicht mehr so schnell raus. Ich will nicht hoffen, dass irgendwelche Terroristen mal nachts mit Segelfliegern über Texas, über die ganzen Felder Unkrautsamen ausstrehen.

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Das wäre eine Katastrophe. Damals hat man sogar versucht, die wohlhabenden Leute haben Saatwächter bezahlt, weil das ist einfach gefährlich. Die ganzen Felder liegen da offen da und da geht es um die Versorgung der Menschheit. Aber man kann nicht, vor allem die Kleinbauern können nicht rund um die Uhr sämtliche Felder bewachen lassen. Es geht nicht. Und deswegen hat man jedem Fremden, der über Felder ging, sehr misstrauisch beäugt. Auf Saatfrevel standen härteste Strafen bis hin zur Todesstrafe. Trotzdem kam der Saatfrevel immer wieder vor. Er ist Bosheit pur, weil er vernichtet die Existenzgrundlage dessen, den es trifft. Dieser Saatfrevel geschah, wie vielleicht viele Saatfrevel, im Schutze der Nacht. Unbemerkt, er ging davon, nichts war zu sehen.

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Er sät den Taumel-Lolch. Das ist heute noch die häufigste Unkrautart im Orient bis heute, weit verbreitet. Der Taumel-Lolch ist selber eine Art Weizen. Er ist, wenn man so sagen will, ein entarteter Weizen. Und er gedeiht auf Weizenfeldern besonders gut. Und das Raffinierte ist, dass in den ersten Wachstumsstufen es niemand unterscheiden kann. Der Taumel-Lolch sieht, wenn er 1, 2, 3, 4, 5, 6 cm hoch ist, genauso aus wie ein Weizen. Man kann ihn nicht unterscheiden. Und heute ist es so, dass man, wenn der Weizen eine Spanne hoch ist, das ist von hier bis, wo ist mein kleiner? Das ist eine Spanne, vielleicht 10, 12 cm. Dann kann man anfangen, den Taumel-Lolch zu erkennen, weil er hat schmälere Blätter als der Weizen. Dann wird heute der Taumel-Lolch gejätet.

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Und dann, so zwei Wochen später, noch mal, was stehen geblieben ist. Und dann bleibt immer noch was stehen. Aber dann kommt es zu einer normalen Weizenernte. Hier heißt es also auch, als dann der Weizen Frucht ansetzte, also schon eine gewisse Höhe hatte, da wurde jetzt der Taumel-Lolch erkennbar. Er wird im späteren Stadium erkennbar, weil er so schwärzliche Körner hat. Und er wird lang nicht so hoch wie der Weizen, vielleicht halb so hoch. Und daran kann man ihn dann mit der Zeit gut erkennen. Eines Tages kommen die Feldarbeiter von diesem Bauern und machen eine Entdeckung. Sie sehen, da ist ja unheimlich viel Taumel-Lolch. Und es wird Ihnen schnell klar, kein Wind kann so gleichmäßig und so dicht Taumel-Lolch über ein Feld sehen.

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Entschuldigung, ich will nur kurz erklären, warum das Taumel-Lolch heißt. Also dieser Lolch, der hat fast immer einen giftigen Pilz. Und wenn dieser giftige Pilz ins Mehl gerät, dann schmeckt es ganz bitter und er löst Schwindelanfälle aus. Also man wird ganz dommelig. In Extremfällen kann es zum Tod führen, weil der Gift, also es ist keine harmlose Sache. Also deswegen heißt er Taumel-Lolch. Und jetzt sehen Sie also diese Menge von Taumel-Lolch in dieser systematischen Dichte. Das kann man nicht natürlich erklären. Das ist nicht mehr normal. Dahinter muss eine geplante Bosheit sitzen. Und jetzt nach Ende der Einleitung. Die Einleitung ist eben, er säht gute Saatgut aus und dann kommt diese nächtliche Gestalt, begeht den Saatfräfel und geht weg.

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Das ist die Einleitung. In der Einleitung wird nichts gesprochen, kein Wort. Es ist alles nur pantomimisch. Aber jetzt der zweite große Teil dieses Gleichnisses. Das Gleichnis hat nur eine Einleitung und dann einen Dialogteil. In der Einleitung wird gar nichts geredet, im Dialogteil wird nur geredet. Und jetzt kommen also die Erntearbeiter und teilen dem Bauern ihre Entdeckung mit. Und jetzt passiert etwas, die einzige Stelle in allen Gleichnissen macht Jesus uns nie. Er wiederholt durch diese Doppelfrage nochmal alles, was wir sowieso schon wissen. Also dieser erste Gesprächsgang, der beginnt mit einer Doppelfrage der Feldarbeiter. Und diese Doppelfrage lautet, das sind rein rhetorische Fragen. Wir wissen ja eh schon alles. Also diese Doppelfrage lautet, Herr, hast du nicht guten Samen auf das Land gesät?

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Ja, hat er, haben wir ja gelesen. Woher hat er dann das viele Unkraut? Wissen wir ja schon. Das war dieser nächtliche Typ da. Also diese Doppelfrage bringt sachlich überhaupt nichts Neues. Sie wiederholt nur das, was sowieso gerade gesagt worden ist. Das macht Jesus uns nie, weil die Gleichnisse sind so kurz, dass man sie nicht kürzen kann. Sie können nicht mal das Gleichnis vom verlorenen Sohn kürzen, das ist unmöglich. Jesus labert nicht. Er ist ein Meister der Kürze, ein Meister der Konzentration. Er hat die Kraft des Weglassens. Die Kraft haben nicht viele Leute, nicht viele Erzähler. Da muss man schon ein Könner sein. Aber jetzt in diesen kurzen Gleichnissen eine Doppelfrage, die nichts bringt. Eine reine Wiederholung. Das ist ja Luxus pur. Nein, ist es nicht.

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Wir müssen uns fragen, warum diese rhetorische Doppelfrage? Die ist unheimlich gut. Denn in dieser Doppelfrage spiegelt sich das Erschrecken dieser Feldarbeiter. Das Befremdliche, das Unnormale, die sind richtig erschrocken. Und in ihrer Doppelfrage spiegelt sich ihr Erschrecken. Das spürt man da richtig. Herr, hast du eine guten Sohn? Woher hat der denn das viele Unkraut? Das ist meisterliche Erzähltechnik. Und dann ist noch grundsätzlich sehr wichtig, in diesem zweiten Teil ist alles im Dialog. Jesus hätte ja auch so erzählen können, der Hausbesitzer selber macht mal so einen Rundgang. Kommt auf sein Feld, macht er ja sicher hin und wieder. Und dann entdeckt er selber, oh, da ist ja viel zu viel Taumelloch.

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Das kann ja der Wind gar nicht gewesen sein. Da steckt ja strategische Bosheit dahinter. Das ist Hass und Feindschaft. Anders kann man das nicht erklären. Was soll ich tun? Und dann hat er sich in einem inneren Monolog. Nein, das wählt Jesus nicht. Es ist das einzige Saggleichnis, das im ganzen Hauptteil nur ein Dialog ist. Warum? Durch den Dialog kann man etwas erreichen, das man durch nichts anderes erreichen kann. Denn jetzt treten zwei Standpunkte aufeinander, prallen aufeinander. Die einheitliche Erzählperspektive wird jetzt aufgespalten in zwei Standpunkte. Wir sehen einerseits alles aus der Perspektive der Feldarbeiter, andererseits aus der Perspektive des Bauern. Das heißt, das Problem wird verlebendigt, indem es durch Personen gesehen wird. Es prallen jetzt also zwei Meinungen, zwei Beurteilungen, zwei Einschätzungen aufeinander.

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Und diese Konfrontation zweier Perspektiven verlebendigt das Ganze, aber macht auch eine viel tiefere Lösung möglich. Weil jetzt entwickelt sich die Lösung aus dem Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher Einschätzungen. Es hat eine ganz andere Wirkung, als wenn sich der Bauer monologisch, so wie der reiche Kornbauer. Von dem haben wir nur den Monolog, aber dort ist er auch gut gewählt. Also das Ganze ist jetzt ein Dialog und zunächst mal diese rhetorischen Fragen, indem wir spüren, es wird fast ein bisschen unheimlich. Der Bauer antwortet ohne zu zögern kurz, das hat ein Feind getan. Man wird nicht sagen können, dass diese Antwort beruhigend ist.

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Würde man nicht sagen können. Aber der Bauer macht sich nichts vor. Kurz und klar, ohne zu zögern. Er weiß Bescheid. Also der Bauer hat einen ziemlich illusionslosen Realismus. Wie er zu dieser Einschätzung kommt und ob er einen bestimmten Verdacht hat, das spielt keine Rolle. Aber auf jeden Fall, es steht auch nicht das Wort, es hat ein Gegner getan. Nein, es steht, es ist im Griechischen zwei verschiedene Worte. Du kannst einen sachlichen Gegner haben, CDU und Linke, die sind ja nicht persönlich Feinde im Bundestag, es sind politische Gegner. Und aber hier steht wirklich das Wort für persönlicher Feind. Und es stimmt ja auch. Wir erfahren nur in der Einleitung nachts, als alle Menschen schliefen, kam ein Feind von ihm. Mehr wird über ihn nicht gesagt, auch seine Motive nicht. Nur das, was wir sowieso aus der Handlung wissen, das kann ja nur ein Feind sein.

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Denn Saatfrevel ist Feindschaft. Also über diese nächtliche Gestalt wird nur das gesagt, was wir aus seiner Handlung sowieso wissen. Das ist ein Feind und das ist ihm auch klar. Jetzt habe ich da mal eine Frage an euch. Geht es euch manchmal auch so, dass ihr eines Tages immer wieder mal erschreckt ihr über den Zustand der Welt? Ist euch schon mal so gegangen, da sagt so eine innere Stimme, er guckt den Zustand der Welt an und da sagt eine innere Stimme, also da stimmt doch was nicht, da ist irgendwas faul. Du kannst dich doch nicht an den Zustand unserer Welt gewöhnen. Und kennt ihr solche Tage, wo euch die Hoffnung, dass wir in einer gerechten, guten Welt leben, endgültig kaputt geht?

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Da geht euch auf, dass diese Welt nicht nur aus romantischen Sonnenuntergängen besteht und aus blühenden Apfelbäumen, ja gibt es alles, aber wie viel Leid, wie viel Gemeinheit, wie viel Hass und Intrige, sollen wir uns darauf verständigen, dass wir sagen, das ist normal, das ist halt so. Nein, an den Zustand unserer Welt können wir uns nicht gewöhnen und wir dürfen uns nicht gewöhnen. Und auch, das erlebe ich immer wieder bei Kindern und Jugendlichen, meistens so im Alter von 12 bis 16 Jahren. Erschrecken die Jugendlichen mal ganz tief und dann wird ihnen endgültig bewusst, da verlieren sie dann ihre Kindheit, dann wird ihnen endgültig bewusst, dass diese Welt nicht gut und gerecht ist, dass die Erwachsenen, diese bescheuerten Erwachsenen, ihnen eine bescheuerte Welt hinterlassen,

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die ist nicht gerecht und sie ist nicht gut. Viel zu viel unschuldiges Leid, viel zu viel Gewalt, Gemeinheit, Geldgier. Mir sagt mal ein 16-jähriger, Herr Zimmer, in der Kalahari verdursten die Menschen und wir spülen die Scheiße mit dem besten Trinkwasser runter, da ist doch was faul. Was wollen Sie dem 16-jährigen sagen? Wollen Sie ihn beruhigen und sagen, weisch, das ist normal? Oder wollen Sie ihm einfach sagen, weisch, daran musst du dich gewöhnen, das ist so. Was wollen wir eigentlich den Jugendlichen sagen, denen aufgeht, dass die Unkrautmenge dieser Welt nicht normal ist, dass man sie nicht mit natürlichen Gründen erklären kann? Es gibt einen Schriftsteller in Deutschland, der heißt Günter Eich, der ist schon einige Zeit tot, verheiratet mit Ilse Eichinger, beide sind sehr gute Schriftsteller der modernen Literatur.

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Und Günter Eich hat 1947, gerade eben war der Zweite Weltkrieg und die Konzentrationslager, das kam so ein bisschen vorbei, und dann erfährt Günter Eich von den Atombombenversuchen auf dem Bikini Atoll 1947. Und da wird Günter Eich klar, dass die Menschheit nichts lernen wird. Die Menschen werden aus den Katastrophen nichts lernen. Sie bereiten ja schon die Nächste vor. Und da schreibt Günter Eich ein Hörspiel. Dieses Hörspiel wurde 1947 gesendet als erstes Hörspiel im Deutschen Radio. Also das erste deutsche Radio Hörspiel müsst ihr unbedingt mal anhören. Ihr vergesst es nie wieder.

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Und dieses Hörspiel heißt Träume. Also leit euch mal aus, Günter Eich, Träume. Jetzt sage ich euch mal ein paar Sätze aus diesem Hörspiel. Fuhrest nicht auch du einmal aus den Armen der Liebe auf, weil ein Schrei dein Ohr traf, jener Schrei, den die Erde unaufhörlich ausstößt und den du sonst für den Geräusch des Regens oder für das Rauschen des Windes halten magst. Schau, was es gibt, Gefängnis und Folterung, den körperlosen Schmerz und die Angst, die das Leben meint. Die Seufzer aus vielen Mündern sammelt die Erde. Und in den Augen der Menschen, die du liebst, wohnt die Bestürzung.

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Denke daran, dass der Mensch des Menschen Feind ist. Denke daran, dass nach den großen Zerstörungen jedermann beweisen wird, dass er unschuldig war. Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht. Bleibt wach, weil das Entsetzliche näher kommt. Auch zu dir, der du weit entfernt wohnst von den Städten, wo Blut vergossen wird. Auch zu dir kommt es. Und deinem Nachmittagsschlaf, in dem du so ungern gestört wirst. Wenn es heute nicht kommt, kommt es morgen. Aber sei gewiss, schon läuft der Strom in den Umzäunungen.

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Die Posten sind schon aufgestellt. Seid misstrauisch, wenn die Ordner dieser Welt geschäftig sind und wenn sie vorgeben, ihre Macht für euch erwerben zu müssen. Nein, schlaft nicht. Wacht darüber, dass eure Herzen nicht leer sind, wenn mit der Lehre eurer Herzen gerechnet wird. Tut das Unnütze. Singt Lieder, die man von euch nicht erwartet. Seid unbequem. Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt. Günter Eich, Träume, ganz kleiner Ausschnitt. Ich bin überzeugt, dass Günter Eich die gleiche Entdeckung gemacht hat wie diese Feldarbeiter. Nur mit anderen Worten formuliert. Günter Eich ist erschrocken 1947 und konnte sich an den Zustand dieser Welt nicht mehr gewöhnen.

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Jetzt kommt der zweite Gesprächsgang. Also, erster Gesprächsgang, Doppelfrage. Herr, hast du nicht guten Samen auf das Land gesät? Woher hat er das viele Unkraut? Das hat ein Feind getan. Jetzt kommt die dritte Frage und die geht jetzt weiter sachlich. Willst du, dass wir hingehen und das Unkraut ausjäten? Antwortete der Bauer Nein. Ihr würdet nämlich mit dem Unkraut auch den gesamten Weizen rausreißen. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte. Die erste Hälfte jetzt in diesem zweiten Gesprächsgang, die geht der Frage nach, was sollen wir jetzt tun?

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Es kommt dann noch eine zweite Hälfte, die im Futur gehalten ist und die geht der Frage nach, was können wir hoffen? Da heißt es dann, dann werde ich den Erntearbeitern sagen, bündelt als erstes das Unkraut zum Verbrennen und dann schafft mir den Weizen in die Scheune. Also diese Antwort, auf die jetzt alles drauf ankommt, die ist jetzt auf einmal ausführlich. Am Anfang hat er nur gesagt, das hat ein Feind getan, kurz und trocken. Aber jetzt wird er ausführlich und da merkt man, da liegt jetzt die Poate. Also die sympathischen Feldarbeiter, gute Leute könnten Schwaben sein. Die Feldarbeiter bieten was an. Ich meine, das ist eine harte Mehrarbeit. Gute Leute, also die sind echt, haben gute Absichten. Ihr könnt sicher sein, die meinen es gut. Könnt ihr ganz sicher sein. Willst du, also er sagt nicht, geht mal hin und geht jetzt an. Das bieten die freiwillig an, sind richtig gute Leute, gut Menschen.

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Also willst du, dass wir hingehen und den Taumelloch ausjäten? Übrigens, ab jetzt ist das Gleichnis im Präsens. Ab jetzt. Wir werden gleichzeitig mit den Personen. Also das ist doch eine gute Frage. Jedes Wort wird jetzt ganz schwergewichtig, weil Jesus durchschaut hier etwas. Und es gelingt ihm in Worte zu bekommen. Das ist doch wirklich eine gute Absicht. Und es ist doch auch plausibel, denn es ist eine bedrohliche Situation. Der Weizen ist bedroht. Und sie wollen das freiwillig machen. Und ich sage euch so, denken die Hörer auch. In dieser Frage spiegelt sich jetzt die Frage der Hörer. Willst du, dass wir jetzt ein Kreuzzug gegen das Böse machen?

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Also wenn du jetzt uns aufrufst, dann machen wir mit. Willst du, dass wir gegen das Böse kämpfen? Da sagt der Bauer allerdings Nein. Und ich sage euch, dieses Nein kommt sehr überraschend. Sowohl für die Erntearbeiter als auch für die Hörer. Die haben mit diesem Nein nicht gerechnet. Der Bauer reagiert anders. Er bleibt zurückhaltend. Und für diese Zurückhaltung will uns diese Geschichte gewinnen. Warum ist der Bauer so zurückhaltend? Er ist nicht zurückhaltend, weil er faul und bequem ist oder weil er unklare Sicht der Dinge hat. Der Weizen und der Unkraut ist Unkraut. Und er sagt nicht, das ist ein bisschen Unkraut. Der Bauer verharmlost nichts und er bezweifelt auch gar nicht, was gibt es, kann man sagen, das ist doch gar kein Unkraut. Der bezweifelt weder die Existenz von dem Unkraut,

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er verharmlost es nicht. Der Weizen ist wirklich hart bedroht. Es ist eine bedrohliche Situation. Und dass der Weizen und das Unkraut getrennt werden muss, da besteht völlige Einigkeit zwischen dem Bauer und den Erntearbeiten. Strittig ist nur der richtige Zeitpunkt. Der ist allerdings strittig. In dieser Frage der Erntearbeiter trifft Jesus eine ganz tiefe Neigung in allen Menschen. Der Mensch neigt dazu, das, was ihn stört, gleich mal frontal anzugehen. Natürlich vor allem das, was ihn an anderen stört. Und er neigt dazu, auch dann gleich mal zu Radikal-Lösungen, vor allem dann, wenn er sie selber vornehmen kann. Und da müssen wir mal darüber nachdenken. Der Mensch neigt dazu, das Übel gleich an der Wurzel zu packen,

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die Welt zu säubern. Auch religiöse Menschen, darf ich euch sagen, wollen gern sauber sein. Rein, rein und nicht schmutzig machen. Und das Unkraut, das Böse in der Welt, das müssen wir doch entfernen. Wir müssen die Welt säubern. Wir müssen die Welt verbessern. Aber ich sage euch, die Weltgeschichte wird und wird nicht sauber. Man kann das Böse nicht entsorgen. Vor allem die nicht, die selber schmutzig sind. Die, die selber schmutzig sind, können die Welt nicht sauber kriegen. Ich sage euch, das geht nicht. Und ihr wisst ihr, wir sind alle selber schmutzig. Und das Böse, wenn man meint, dass es entsorglich kommt, an einer anderen Stelle wieder unvermutet hervor. Diese Erntearbeiter blicken es nicht, dass sie gerade so, so Helfershelfern des nächtlichen Feindes werden.

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Weil genau das will der Feind erreichen. Das ist die große Täuschung der Moralisten, der Idealisten, der religiösen Eiferon, der Perfektionisten. Dass gerade dann, wenn sie meinen, dass sie das Allheilmittel gefunden haben, dass sie dann den schwersten Schaden anrichten. Das will die dunkle Gestalt. Das will er genau. Die richten dann den schwersten Schaden an, wenn man meint, wir haben das Mittel gefunden und da drüben sind die Probleme. Und wenn man die Probleme in der Gruppe weg hat, dann scheint das Problem in der Welt weg. Das ist eine verflickste Neigung. Im harmloseren Fall werden die Idealisten, die Moralisten, die religiösen Eiferon, die werden dann enttäuscht, weil es doch nicht so läuft, wie sie denken. Aber im weniger harmlosen Fall richten sie einen ungeheuren Schaden an.

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Es wird eigentlich alles nur noch schlimmer. Was für Elend ist angerichtet worden unter dem Parole für Ruhe und Ordnung? Für Ruhe und Ordnung. Was ist unter dieser Parole? Wo man gedacht hat, die Parole Ruhe und Ordnung, Ruhe ist die oberste staatsbürgerliche Pflicht. Da hat man gedacht, es ist das Mittel. Aber was ist der Preis? Oder für die Parole rottet die Kriminalität aus. Die Ausländer sind unser Unglück. Was ist unter diesen Allheilmitteln geschehen? Was ist im Christentum geschehen? Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Judenverfolgungen, Verfolgungen andersdenkender Donatisten, Albi-Genser, Huguenotten. Was ist geschehen, wenn jüdische Siedler das Land von den Palästinensern säubern wollen?

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Die wollen das Heilige Land sauber kriegen. Aber es gibt auch palästinensische Falatiker, die wollen, dass der Staat Israel von der Fläche verschwindet. Na, ist die Gegend sauber? Die weißen Amerikaner haben Amerika von den Indianern säubern wollen. Und in Australien ist fast sauber geworden von Aborigines. Ein paar gibt es aber noch. Es gibt auch noch ein paar Indianer, die tun sich alle furchtbar schwer. Da mal irgendein gerechter Ausgleich und Friedensvertrag schafft man fast nicht. Was ist alles angerichtet worden? Unter dem Sendungsbewusstsein der Mongolen, der Römer, der Kolonialmächte, der Serben, der heiligen Kriege im Islam. Wer kennt den Preis? Auch der Revolutionen, die vielleicht berechtigt waren.

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Aber was war ihr Preis? Also, nein, der Bauer ist zurückhaltend. Der Bauer ist aus folgendem Grund zurückhaltend. Er beurteilt das, was unter der Erdoberfläche ist, anders wie wir. Wir müssten, um in der Situation angemessen handeln zu können, müssten wir wissen, was sich unter der Erdoberfläche abspielt. Aber das entzieht sich unserer Beobachtung und Wahrnehmung und wissenschaftlichen Erforschung. Das Unterirdische in diesem Gleichnis meint nicht etwa Unterbewusstsein, Tiefenpsychologie, die haben auch nur begrenztes Wissen. Auch für Tiefenpsychologen gibt es Dinge, die unterirdisch sind, die sie auch nicht kennen. Also hier ist nicht das Unbewusste gemeint, sondern hier ist eine echte Grenze menschlicher Wahrnehmung. Wir werden niemals alle Hintergründe in den Kulturen und Völkern

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und wie einer zum Mörder wird, niemand wird von alleine zum Mörder. Jeder Mörder hat eine Vorgeschichte, an der viele Menschen beteiligt sind. Wir werden niemals alle diese unterirdischen Dinge entschlüsseln können. Das ist eine Grenze unserer Wahrnehmung. In unserer Welt sieht sehr viel täuschend ähnlich aus und es steht ganz dicht nebeneinander. Sagen wir mal Glaube und Aberglaube. Das kann ganz schön ineinander fließen. Oder echte Demut und falsche Bescheidenheit. Echte Sorglosigkeit und falscher Leichtsinn. Echte Liebe und falsche Nachgiebigkeit. Echte Hoffnung und billige Vertröstung. Echte Gewissheit und falsche Sicherheit. Es sieht wahnsinnig ähnlich aus.

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Es steht ganz dicht nebeneinander. Aber wer sieht an die Wurzel? Also, wenn dieses Gleichnis Recht hat, darf keine Menschengruppe zu einer anderen sagen, ihr seid das Problem. Und keine Religion, keine Religion, keine Philosophie, keine Therapie, keine Pädagogik kann sich als Besitzer der Wahrheit aufspielen. Denn die Wahrheit, die unter der Erdoberfläche sitzt, kennt niemand. Und er beurteilt so, dass er sagt, nein, das ist so eng verflochten, ihr würdet einen Riesenschaden anrichten. Und das will ja der Unbekannte. Nein, ich bin dagegen. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte. Also, ich will mal versuchen, das immer mehr so ein bisschen zu aktualisieren.

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Es ist schon so, dass die gefährliche Mischung von Böse und Gut und scheinbar Böse und scheinbar Gut und Pseudo-Gut und Pseudo-Böse und was es alles gibt, diese verwirrende Mischung kann uns wirklich Angst machen. Und die macht sehr vielen Menschen Angst. Wir wollen das Leben vereinfachen. Simplify your life. Wir wollen nicht diese komplizierte Mischung, die bedroht uns. Wir wollen klar schiff. Und wir wollen einfach, dass das Leben eindeutiger wird. Eindeutiger. Aber ich sage, das Leben wird nicht eindeutiger. Wir müssen es lernen, in einer komplizierten, uneinheitlichen Welt zu leben. Das müssen wir lernen. Sonst richten wir viel Schaden an. Es gibt auch immer wieder Christen, die sagen, die bekehrten Christen sind der Weizen und die unbekehrten Gottlosen sind das Ungut.

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Ist auch gut, gell? Ist schöne Theorie, gell? Also das ist ja schon grotesk. Nein, wenn ihr dieses Gleichnis christlich interpretieren wollt, christlich, mache ich mal folgenden Vorschlag. Bege doch mal zu Gott folgendes, lieber Gott, du siehst das viele Unkraut in meinem Herzen. Beschütze andere Menschen vor dem Unkraut in meinem Herzen. Pass gut auf die anderen auf. Und aber du siehst auch den Weizen in meinem Herzen. Der Weizen in meinem Herzen ist bedroht. Aber ich traue dir erstens mal zu, dass du mich liebst, trotz dem vielen Unkraut in meinem Herzen liebst du mich. Und ich traue es dir zu, dass du den Weizen in meinem Herzen bewahrst. So könnte man ein christliches Gebet sprechen über dieses Gleichnis.

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Natürlich ist es so, dass heute das Böse, das Gewalttätige sich oft so unverschämt frech gebärdet, man schlägt fremde Menschen zusammen, dass man wirklich versucht ist, den Staat über diese Leute zu brechen. Und solche schrecklichen Gewalttaten, Überfälle, Fußballraudi schlagen Polizisten zusammen, einfach mal so. Diese Überfälle müssen streng bestraft werden. Wir dürfen die Welt nicht den Verbrechern überlassen. Die Bevölkerung hat ein Recht, geschützt zu werden. Ganz klar. Trotzdem. Wir sollten diese Menschen, die so schreckliche Dinge tun, wir sollten nur ihre Handlungen als böse und schlecht bezeichnen, aber nicht sie selber. Wir sollten keine endgültigen Urteile fällen, denn wir kennen nicht das unentwirrbare Wurzelgeflecht unterirdisch.

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Welche Ängste und Sorgen haben diese Menschen? Oft haben wir in unserer Gleichgültigkeit, in unserer Prüskierung, die wir selber gar nicht merken, manche Menschen in was hineingetrieben. Und dann handeln sie, empören oder sind empört. Aber wir wissen nicht, dass wir selber dazu beigetragen haben. Also wir sollten es lassen, diese endgültigen Urteile über andere Menschen. Gott hat Zeit und er gewährt Zeit. Wie viele Menschen sagen uns unhörbar, wenn du mir mehr Zeit gelassen hättest? Also das ist der erste Grund für die Zurückhaltung. Was sich unter der Erdoberfläche abspielt, macht den Bauer ganz vorsichtig. Wir kennen viele Christen, die sind gar nicht vorsichtig. Die haben da ihre ganz klaren, eindeutigen Urteile, das halten sie für vollmächtig.

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Vorsichtige Urteile halten die für Schlappschwanz. Vollmächtig ist schwarz, weiß, immer grad raus, man weiß alles. Da wird es mir ganz Angst. Die haben beste Absichten, die lieben Gott. Ja, auch 30-jährige Krieg, Albi Gensler, Donatisten, das war immer beste Absicht. Die Absichten waren immer gut. Jetzt kommt der zweite Grund, das ist die Zukunft. Das Ende von diesem Gleichnis gehört der Zukunft. Dann werde ich den Erntearbeitern, nicht euch, sind andere, sind Fachleute, ihr nicht. Wisst ihr, das Ganze wird geklärt in der Zukunft. Macht euch keine Sorgen. Der Bauer erwartet alles von der Zukunft. Die Zukunft bringt die gründliche Lösung dieser Probleme und das macht uns gelassen. Also jetzt lehrt dieses Gleichnis uns die Bedeutung der Zukunft.

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Denn der christliche Glaube ist immer auch Hoffnung, Zuversicht. Wir können hier nur richtig handeln, wenn wir eine starke Hoffnung haben. Aus der Angst heraus handeln wir hier falsch. Also jetzt geht es um die Ernte. Jetzt schauen wir mal in die Zukunft. Lasst beides miteinander wachsen, nicht ewig, nicht ewig. Bis zur Ernte. Und die Ernte ist ein Bild für das Weltgericht. Ernte, Weltgericht, bis zum Weltgericht. Dass die Ernte ein Bild für das Weltgericht ist, finde ich wunderschön. Denn Ernte ist was Schönes. Wie man sich freut zur Zeit der Ernte. Die Botschaft der Bibel vom Weltgericht ist Evangelium. Ist eine ganz tiefe Hoffnung. Wenn es kein Weltgericht gäbe, wenn die Menschenschinder in Ewigkeit Sieger wären und die Gefolterten und Verrotteten niemals gerechtigt wären, das wäre grausam.

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Wenn es kein Weltgericht gäbe, das wäre grausam. Also es ist die Ernte. Ernte ist der Höhepunkt. Hoffnung für die, die nie Gerechtigkeit widerfahren. Denkt an das Weltgericht nicht privatistisch, egozentrisch, neurotisch. Wie wird es mir gehen am Weltgericht? Das darf ich schon auffragen, aber herrscht nicht nur was anderes auf Lager. Wie wird es den vielen Opfern der Menschheitsgeschichte gehen? Den vergessenen, verratenen, zerstampften, gefolterten, mundbrotgeschlagenen? Sollen die in Vergessenheit geraten? Nein, es wird alles aufgedeckt. Lernt mal bitte das Weltgericht nicht nur neurotisch, egozentrisch zu sehen, sondern als die große Hoffnung für all die geschundenen Menschen. Also Jesus kommt jetzt aufs Weltgericht zu sprechen. Und jetzt kann man an diesem Gleichnis lernen, was eine qualifizierte,

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gesunde Gerichtspredigt ist für alle Zeiten. Der Blick auf das Ende macht mich gelassen und tolerant. Die Wirkung einer wirklich guten Gerichtspredigt ist folgende. Du kriegst Geduld. Du wirst gelassen. Du wirst tolerant. Du handelst nicht mehr aus der Angst. Auch das alles noch schnell, ganz viele Traktate von einem unheimlich missionieren, denn alles, nein, es kommt des Weltgesundes, hat eh ein anderer in der Hand. Es liegt nicht bei dir, nicht für Faulheit und Bequemlichkeit, aber dieser Bienenschwarm, der aufgeregten, lass doch mal die Souveränität Gottes, lass dich doch mal beruhigen. Komm doch zur Ruhe. Komm her und ruhe dich aus, sagt Jesus.

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Werd doch mal ruhig. Dieses Gleichnis zeigt die Zuversicht Jesu. Er weiß, dass Gott alles klären wird zur richtigen Zeit. Das Problem des Unkrauts wird geklärt, zufriedenstellend geklärt. Aber Gott hat Zeit. Er ist nicht darauf angewiesen, sofort loszupoltern. Und diese große Erwartung in die Gerechtigkeit Gottes und in die Weltherrschaft und Geschichtsherschaft Gottes, Gott wird das Ziel erreichen, das er sich vorgenommen hat. Und er wird alles in Gerechtigkeit und Erbarmen klären. Und wir brauchen Geduld. Geduld tut uns not. Aus dieser Hoffnung wird Geduld und aus dieser Geduld wird Gelassenheit. Jesus reagiert nicht aus der Angst.

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Jesus muss die Welt nicht einfacher machen, als sie ist. Jesus kann diese irre Vermischung von Böse und Gut ertragen. Er kann die ertragen. Denn er hat eine starke Hoffnung. Und diese Hoffnung und diese Geduld und diese Gelassenheit und diese Toleranz ist heute so wichtig wie bei ihm. Eine echte Gerichtspredigt macht gelassen, geduldig und tolerant. Und wenn wir in dieser Gelassenheit sind, entdecken wir auch wieder die Schönheit der Erde. Denn es ist ja nicht so, dass unsere schöne Erde, unser Planet nur aus Unkrautproblemen besteht. Sondern wenn wir in dieser Zuversicht leben, dann fallen uns auch wieder ganz andere Dinge auf. Und wir können uns an ihnen freuen.

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Tine wird zum Schluss aus Günter Eich Träume die andere Seite euch jetzt vorlesen. In der Stunde X werde ich dennoch denken, dass die Erde schön war. Ich werde an die Freunde denken, an die Güte, die ein hässliches Gesicht schön macht. An die Liebe, die die Augen verzaubert. Ich werde an den Hund denken, meinen Spielgefährten, als ich ein Kind war. An die blauen Lupinen der Sammlernküste während eines Ferienbesuchs. Ich werde noch einmal die langen Schatten der Tannen sehen auf der Bauernschmiedalm. Ich werde mich erinnern an die Vogelzüge über dem Flugplatz von Märkisch-Friedland. An den Geruch des Bierkellers im Gasthaus zum Hirschen. An Holunder Raps und Mohn flüchtig gesehen von einem Zugfenster aus. An das Erröten der 14-jährigen Gabriele der Mbitzer.

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An die roten und grünen Lichter eines Flugzeugs, das unter dem Sternbild der Cassiopeia dahinflog. An den Tanz unter den Lampions des Quatorze Juillet. An den Duft von Obst morgens an den Verkaufsständen vorm Schloss in Celle. Ich werde denken an den Herzschlag der Eidechse, die mich erblickt hat. Und an ein Gedicht, das mich tröstete.

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Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24-30) | 4.5.2

Worthaus 4 | Heidelberg: 22. Juni 2014 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Wenn es vor zweitausend Jahren schon so etwas wie ein Meisterschaft der Gleichnis-Erzählung gegeben hätte, dann hätte Jesus aus Nazareth ganz sicher auf dem Siegertreppchen gestanden. Er hat Gleichnisse eifrig genutzt, um seine Botschaft seinen Zuschauern »vor Augen« zu führen. Deshalb gilt: Wer wissen möchte, was Jesus wichtig war, muss seine Gleichnisse kennen und wissen, was seine Gleichnisse bedeuten. Doch da sich die heutigen Lebensumstände in Deutschland gravierend von den Lebensumständen Palästinas im 1. Jahrhundert unterscheiden, kann dies nur gelingen, wenn man den historischen Hintergrund und die konkreten Situationen der Gleichnisse genau betrachtet. Noch etwas schwieriger wird es, wenn sich in der Bibel die Interpretation eines Gleichnisses findet, die dem Meister in den Mund gelegt wird, aber eigentlich in frühen christlichen Gruppen herangewachsen ist. Das macht diese Interpretation zwar nicht weniger interessant, aber sie verstellt automatisch den Blick für die ursprüngliche Jesus-Botschaft.

Und weil das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen aus dem Matthäus-Evangelium ein Gleichnis ist, auf das dies zutrifft, blendet Siegfried Zimmer die allegorische Interpretation aus Matthäus 13, 36ff aus, und geht seiner Lieblingsbeschäftigung nach, der genauen Untersuchung von Gleichnis-Texten. Das Ergebnis ist so verblüffend wie überraschend. Statt Verdammnis entdeckt Siegfried Zimmer eine Sicht auf die Realität, die die Abgründe des Lebens nicht ausblendet. Doch trotzdem lässt sich diese Sicht nicht zur Destruktivität hinreißen. Denn sie sieht außer all dem Elend und den Ka­ta­s­t­ro­phen noch etwas anderes genauso deutlich: Hoffnung.