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Die Besonderheit des Johannes-Evangeliums ist immer schon empfunden worden. Aber so seit dem 19. Jahrhundert und dann im 20. Jahrhundert, im 19. Jahrhundert kam ein neuer Begriff auf. Man nennt Matthäus Evangelium, Markus Evangelium und Lukas Evangelium jetzt die Synoptiker. Das ist ein moderner Begriff, den es früher nicht gab. Und die Entstehungsgeschichte dieses Begriffes zeigt, dass man seit dem 19. Jahrhundert aufmerksamer geworden ist über diese Unterschiede. Und man hat sie jetzt begonnen, mit methodischer Sorgfalt zu erforschen.

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Also der Ausdruck Synoptiker will besagen, die ersten drei Evangelien sind untereinander ziemlich verwandt. Sie haben eine ähnliche Sicht der Dinge, eine, man könnte sagen, gemeinsame Sicht. Das heißt ja Synoptiker, gemeinsame Sicht. Sie unterscheiden sich schon auch in vielen Einzelheiten, aber sie sind sehr verwandt miteinander. Während das Johannes-Evangelium in vielen Fragen eigene Wege geht. Es ist nicht unwichtig, dass wir vier Evangelien haben. Ich sage das mal so salopp. Jetzt gab es das Markus-Evangelium. Das ist das älteste Evangelium. Dafür sprechen viele sehr qualifizierte Gründe. Diese graue Maus, das kleinste Evangelium, das in den Jahrhunderten neben den großen Evangelien immer eine Schatten-Existenz führte.

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Die Groß-Evangelien Matthäus, Lukas und Johannes, die standen im Rampenlicht. Und Markus war das kleine Entlein. Erst durch die moderne Bibelwissenschaft hat das Markus-Evangelium eine besondere Beachtung gewonnen, weil klar geworden ist, das Markus-Evangelium ist das älteste Evangelium. Matthäus und Lukas haben das Markus-Evangelium vor sich gehabt, gekannt, wenn auch nicht in der Form, wie wir das Evangelium kennen. Es war in einer Vorform. Also sie haben sich schon mit Markus auseinandergesetzt. Gut, und dieser Ausdruck Synoptiker besagt aber nicht nur, dass uns noch mehr bewusst geworden ist, dass die ersten drei Evangelien eine gemeinsame, ähnliche Sicht haben, sondern der Ausdruck betont auch die Sonderrolle des Johannes-Evangeliums.

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Also der Begriff Synoptiker zeigt, dass hier ein Problembewusstsein zugenommen hat. Bevor ich die Unterschiede zwischen dem Johannes-Evangelium und den anderen drei im Einzelnen untersuche oder behandle, möchte ich zunächst einmal die Gemeinsamkeiten zwischen den Synoptikern und dem Johannes-Evangelium aufzählen. Das Johannes-Evangelium erzählt, wie die Synoptiker auch, das öffentliche Wirken Jesu in Wort und Tat. Angefangen bei Johannes dem Täufer, den ersten Jüngerberufungen bis hin zur Gefangennahme Jesu, seiner Verurteilung, seinem Tod und den Begegnungen mit dem Auferstandenen.

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Das ist eine gemeinsame Linie aller vier Evangelien. Von den sieben Wundergeschichten, Heilungsgeschichten, die das Johannes-Evangelium erzählt, bewusst sieben als die Zahl der Vollkommenheit. Von diesen sieben Wundererzählungen gibt es drei auch bei den Synoptikern. Das ist schon ein bisschen typisch. Also es gibt Überschneidungen, aber die Unterschiede sind eher stärker. Die drei Wundergeschichten, die auch die Synoptiker haben, ist einmal die Heilung eines Sohnes eines Hauptmanns in Johannes 4, dann die Speisung der 5000 und den Seewandel Jesu, beide hintereinander in Johannes 6. Im Erzählstoff ist gemeinsam einmal der Einzug in Jerusalem, die Salbung in Betanien, das Petrus-Bekennnis und auch die Tempelaktion Jesu

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wird in beiden erzählt, bei den Synoptikern und bei Johannes. Johannes aber bringt diese Erzählung am Anfang und die Synoptiker beginnen mit ihr den Passionszeil, bringen also diese Erzählung ziemlich weit am Ende. Im Johannes-Evangelium gibt es 18 alttestamentliche Zitate. Von diesen 18 alttestamentlichen Zitaten gibt es fünf auch bei den Synoptikern. Also da überwiegt der Unterschied jetzt schon sehr stark. Bei den Passionserzählungen werden die Ähnlichkeiten häufiger. Also im Passionsbereich ist Johannes den Synoptikern näher als im vorherigen Teil.

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Dann ist auch noch interessant, wie viele Worte Jesu, wie viele Logien von Jesus haben wir ja oft so markante Sprüche. Sagen wir mal, ich bin nicht gekommen, Sünder zu rufe, ich bin gekommen, Sünder zu rufen, nicht Gerechte. Das ist so ein Spruch. Also wir haben von Jesus vor allem so markante Sprüche. Es gibt im Johannes-Evangelium 17 Logien, Sprüche, die auch den Synoptikern belegt sind. Also ich sage mal zwei Beispiele. Der Prophet gilt nichts in der eigenen Vaterstadt. Oder wer sein Leben gewinnen will, der wird es verlieren. Aber wer sein Leben verliert, um meinetwillen, der wird es gewinnen. Das sind so zwei Beispiele von 17, wo die Worte Jesu sowohl bei Johannes als auch bei den Synoptikern belegt sind.

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Das sind die Gemeinsamkeiten. Wenn ich jetzt auf die Unterschiede komme, will ich nicht etwa Evangelien gegeneinander ausspielen. Überhaupt nicht. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Sondern wenn wir die Bibel ernst nehmen wollen, dann ist es doch gut, wenn wir auch das jeweilige Profil der Evangelien auch ernst nehmen, um die Besonderheiten der Evangelien besser zu erfassen. Alle vier Evangelien sind ein großes Geschenk an die Christenheit. Und das Johannes-Evangelium ist genauso Gottes Wort wie die Synoptiker. Also darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, dass zum Ernstnehmen der Bibel es auch gehört, dass man auch die Unterschiede ernst nimmt und sie verstehen lernt, um die Evangelien besser würdigen zu können.

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Ich beginne mal mit dem Aufbau. Der Aufbau des Johannes-Evangeliums ist sehr verschieden von dem sehr ähnlichen Aufbau der Synoptiker. Das Johannes-Evangelium beginnt mit einem längeren Prolog, 18 Verse, Johannes 1, 1 bis 18. Dieser Prolog ist eine Art Verstehensrahmen für das gesamte Evangelium. Alles, was dann im Evangelium des Johannes erzählt wird, ist alles zu verstehen in diesem Verstehensrahmen des Prologes. So etwas wie diesen Prolog gibt es bei den Synoptikern nicht. Vor allem auch inhaltlich nicht. Da komme ich dann noch drauf, weil dieser Prolog setzt nicht bei der Geburt Jesu ein, sondern lange vor seiner Geburt.

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Und das gibt es bei den Synoptikern gar nicht. Aber auch nach diesem Prolog, das öffentliche Wirken Jesu, ist bei Johannes sehr anders aufgebaut wie bei den Synoptikern. Bei den Synoptikern wirkt Jesus erstmal in Galiläa, ziemlich lange, viele Kapitel. Und dann am Ende seiner Tätigkeit in Galiläa, er ist ja selber auch ein Galileer, alle seine zwölf Jünger sind auch Galileer. Also er wirkt erstmal lange in Galiläa und dann am Ende reist er einmal nach Jerusalem. Man kriegt schon so indirekt mit, er war schon mehrmals in Jerusalem, aber darüber wird nichts groß. Man erkennt das so ein bisschen an so Kleinigkeiten. Aber im Allgemeinen warten die Synoptiker, bis die Tätigkeit in Galiläa zu Ende ist.

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Zwei Jahre oder ein bisschen mehr, weiß man gar nicht so genau. Und dann reist Jesus mit seinen Jüngern nach Jerusalem, lebt dort nur noch wenige Tage und wird gekreuzigt. Aber das ist bei Johannes anders. Bei Johannes wandert Jesus ständig zwischen Galiläa und Jerusalem hin und her. Und ab Johannes 7, Vers 10, schon so früh, hält sich Jesus nur noch in Jerusalem auf oder in der näheren Umgebung. Betanien ist gleich neben Jerusalem. Also es kommt gar nichts mehr über Galiläa. Nach dem Johannesevangelium wirkt Jesus mehr in Jerusalem als in Galiläa. Rein jetzt mengenmäßig. Bei den Synoptikern wirkt Jesus viel mehr in Galiläa als in Jerusalem. Und dann auch die zweite Hälfte des Johannesevangeliums folgt ganz anderen Gesichtspunkten.

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Johannes unterscheidet nicht Jesu Tätigkeit in Galiläa und Jesu Tätigkeit in Jerusalem. Das unterscheidet er gar nicht, weil Jesus wandert ja mehrfach hin und her, sondern Johannes unterscheidet nach den Zuhörern. In der ersten Hälfte bis Kapitel 12, Vers 50, der letzte Vers in Kapitel 12, das ist die erste Hälfte, redet Jesus in der Öffentlichkeit. Ob in Galiläa oder Jerusalem ist unwichtig. Also Jesus redet öffentlich und in der zweiten Hälfte nicht mehr. Wirkt Jesus nicht mehr in der Öffentlichkeit. Ab Kapitel 13 bis 21, Johannes 21 Kapitel, redet er nur noch zu seinen Jüngern, aber nicht mehr in der Öffentlichkeit.

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Und er offenbart sich dann nur noch in seinem Tod und in seiner Auferweckung. Also das Unterscheidende ist die öffentliche Verkündigung in der ersten Hälfte und die nicht mehr öffentliche Jüngergespräche und dann Tod und Auferweckung. Also das sind sehr auffallende Unterschiede. Aber viel wichtiger als die Unterschiede im Aufbau sind die sachlichen und die sprachlichen Unterschiede. Die sind enorm tief und sie sind sachlich von großer Bedeutung. Ich will das mal in vier Schritten versuchen aufzuzeigen. Erstens, erster Schritt. Es gibt im Johannesevangelium viele Texte und viele Aussagen, die dem Johannesevangelium sehr wichtig sind, wenn man Jesus verstehen will.

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Und diese Texte und Aussagen gibt es nicht bei den Synoptikern. Also ich sage nochmal, viele Aussagen und Texte, die für das Johannesevangelium sehr wichtig sind, um Jesus verstehen zu können, gibt es nicht bei den Synoptikern. Ich will die mal die wichtigsten alle aufzählen. Am meisten fällt auf, dass Jesus im Johannesevangelium viele Reden hält, lange Reden, und zwar zusammenhängende Reden, in denen er ein Thema entfaltet. Sehr viele Reden. Ich sage mal, Johannes 5 ist eine Rede, Johannes 6 ist eine Rede, Johannes 7 ist eine Rede, Johannes 8 ist eine Rede. Haben wir also schon vier Reden. Johannes 10 ist eine Rede, Johannes 12 ist eine Rede.

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Jetzt haben wir schon sechs. Und dann gibt es drei Kapitel Abschiedsreden. Johannes 14 bis 16. Jetzt haben wir neun Kapitel. Nach den Abschiedsreden kommt ein sehr langes Gebet. Johannes 17, das hohe priesterliche Gebet. Das ist im Grunde im weiteren Sinn auch eine Rede. Jetzt haben wir also, wie viel haben wir jetzt mit dem hohen priesterlichen Gebet? Ich glaube, zehn Kapitel. Stimmt das? Gut, also überlegt mal. Das Johannesevangelium hat 21 Kapitel. Davon sind zehn Kapitel Redestoff. Bei den Synoptikern hat Matthäus die meisten Reden. Die Bergpredigt ist fünf bis sieben. Dann kommt die Aussendungsrede zehn. Jetzt haben wir vier Reden. Dann kommt die Gleichnisrede 13. Jetzt haben wir fünf. Dann kommt das Gemeindekapitel 18.

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Jetzt haben wir sechs. Und dann kommt die Pharisäerrede sieben. Und dann die Gleichnissammlung 25, acht. Also in dem Synoptiker-Evangelium, wo am meisten Reden sind, viel mehr wie bei Markus. Markus hat kaum Redestoff. Also bei Matthäus gibt es, was haben wir gesagt? Acht, glaube ich. Von 28 Kapiteln, Matthäus Evangelium, sind acht Kapitel Redestoff. Bei Johannes hat 21 Kapitel und zehn Kapitel Redestoff. Das ist also schon ein gewaltiger Unterschied. Diese Reden Jesu unterscheiden sich sowohl formal als auch inhaltlich sehr von den Reden bei den Synoptikern. Bei den Synoptikern hält Jesus gar keine Reden,

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wo er zusammenhängend ein Thema entfaltet. Das gibt es bei den Synoptikern gar nicht. Sondern die Reden bei den Synoptikern sind Spruchsammlungen. Also nehmen wir mal die Bergpredigt. Am Anfang neun Seligpreisungen, die acht berühmten. Und dann gibt es aber noch eine neunte. Also neun Seligpreisungen. Dann kommen die Bildworte über Jüngerschaft. Ihr seid das Salz der Erde und das Licht der Welt. Also zwei Bildworte. Dann kommen Worte über die Erfüllung der Thora und der Propheten. Dann kommen sechs Ich-aber-sage-euch-Sprüche. Dann kommen Worte über das Almosen. Worte über das Gebet, wo auch das Vaterunser dann kommt. Und dann Worte über das Fasten. Dann kommen Worte über das Richten. Dann kommen Worte über das Sorgen, Sorge nicht und so weiter.

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Ich habe jetzt so die erste Hälfte oder zwei Drittel mal referiert. Man merkt, es sind immer Abschnitte und dann kommen ganz andere Themen. Es ist also keine in sich zusammenhängende Rede, wo ein Thema entfaltet wird. Es gibt dann auch bei den Synoptikern Gleichnissammlungen. Bei Markus gibt es ein Kapitel, Markus 4, sind nur Gleichnisse. Und bei Matthäus gibt es zwei Kapitel, Matthäus 13 und Matthäus 25. Und bei Lukas gibt es ein Kapitel, 15, das sind Gleichnisse. Also bei den Synoptikern sind die Reden eigentlich Spruchsammlungen, die sich ganz verschiedenen Dingen zuwenden oder Gleichnisskapitel. Aber bei Johannes sind es Reden, die einen roten Faden haben. Jesus bleibt da bei einem Thema. Und jetzt wird die Sache immer tiefgreifender.

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Jesus redet in diesen zehn Kapiteln von 21 von sich selbst. Er macht im Johannesevangelium sich selbst zum Thema. Er redet davon sein Verhältnis zu Gott, sein göttlicher Auftrag und seine göttliche Vollmacht, kann man sagen. Also er redet immer von sich selber. Also man kann sagen, diese Reden im Johannesevangelium sind Selbstoffenbarungsreden. Das gibt es bei den Synoptikern überhaupt nicht. Bei den Synoptikern redet Jesus schon auch von sich selbst, aber relativ wenig. Und wenn er von sich selbst redet, sind es immer einzelne Sprüche. Also ich sage mal ein Beispiel. Jesus sagt, ich bin gekommen. Er sagt dann oft immer, ich bin gekommen oder ich bin nicht gekommen.

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Man nennt das die Ältonsprüche. Griechisch, ich bin gekommen. Also Jesus sagt, ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten. Also da redet er von sich, aber es ist sehr knapp. Oder der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, das, was verloren ist. Lukas 19,10. Oder der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und zu geben sein Leben als Lösegeld für viele. Markus 10,45. Oder ein viertes Beispiel. Ich muss auch zu den anderen Orten Galiläas gehen, um dort das Evangelium vom Reich zu verkündigen, denn dazu bin ich gekommen. Also Jesus redet bei den Synoptikern schon auch von sich, aber relativ wenig.

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So in markanten Sprüchen. Niemals macht er sich selbst zum Thema einer ganzen Rede. Nie. Bei Johannes immer. Gut, und wir werden dann noch sehen, auch inhaltlich, das, was Jesus in seinen Selbstoffenbarungsreden im Johannes-Evangelium sagt, unterscheidet sich auch inhaltlich sehr stark von den Ältonsprüchen, ich bin gekommen oder ich bin nicht gekommen. Das werden wir noch sehen. Gut, also das ist der erste sehr große wichtige Unterschied. Fast die Hälfte sind Reden, und zwar zusammenhängende Reden, in denen Jesus ein Thema entfaltet, und das Thema ist er selber. Jetzt der zweite große Unterschied. Die Kapitel im Johannes-Evangelium 13 bis 17,

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die Kapitel 13 bis 17 fehlen bei den Synoptikern komplett. Und es ist fast ein Viertel des Johannes-Evangeliums. Gehen wir mal zu Kapitel 13. Mit Kapitel 13 beginnt ja die zweite Hälfte, also die öffentliche Verkündigung hat aufgehört. Jetzt wendet Jesus sich seinen Jüngern zu. Das ist zunächst mal in Kapitel 13 die Fußwaschung. 20 Verse lang, sehr ausführlich, gibt es bei den Synoptikern nicht. Nach der Fußwaschung taucht eine geheimnisvolle Gestalt auf in Johannes 13, 23 bis 26. Da heißt es, es ist ein Jünger, den Jesus liebte. Man soll nicht sagen Lieblingsjünger, so wird er nie genannt.

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Er heißt immer der Jünger, den Jesus liebte. Sein Name wird nie genannt. Ich möchte dazwischen sagen, die Überschriften über den Evangelien, Evangelium nach Matthäus, Evangelium nach Markus, Evangelium nach Lukas, Evangelium nach Johannes, diese Überschriften gehören nicht zur Bibel. Die Evangelien hatten keine Überschriften, bewusst nicht. Also sie waren anonyme Literatur, bewusst. Erst die alte Kirche, einige Jahrzehnte später, hat über die Evangelien dann eine Überschrift geschrieben. Also wichtig ist, die gehört nicht zum Bibeltext. Gut, also im Johannes-Evangelium taucht in Kapitel 13 eine geheimnisvolle Gestalt auf. Diese Gestalt ist im Johannes-Evangelium sehr wichtig. Sie wird an fünf Texten von ihr erzählt.

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Alle Texte nur in der zweiten Hälfte, beginnend mit Kapitel 13. Der Name wird nicht genannt, aber eines ist klar. Dieser Jünger steht Jesus am nächsten. Er steht Jesus näher als Petrus. Also der Jünger kommt dann noch mal vor Johannes 19, dann Johannes 20, Johannes 21. Das ganze Kapitel 21 ist eher die zentrale Gestalt, zwei Erzählungen. Also fünfmal wird von ihm erzählt. Bei den Synoptikern gibt es keinen Jünger, den Jesus liebte. Es wird auch nirgendwo auch nur indirekt gesagt, dass irgendein Jünger so einen Rang hat. Also sowas gibt es bei den Synoptikern nicht. Bei den Synoptikern ist Petrus der Sprecher der Zwölf. Also er hat schon eine herausgehobene, betonte Stelle. Jetzt in Kapitel 13, also erst Fußwaschung, dann dieser geheimnisvolle Jünger, den Jesus liebte.

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Jetzt kommt noch in den letzten Versen, sagt Jesus, ich bringe euch oder ich verkündige euch ein neues Gebot. Diesen Ausdruck gibt es bei den Synoptikern nicht. Also Jesus verkündigt ein neues Gebot, nämlich, dass ihr euch lieben sollt. Das Gebot der Brüderliebe. Dieses Gebot der Brüderliebe, dass ihr euch untereinander lieben wollt. Ich kann ja jetzt nichts dafür, dass die Schwestern hier nicht ausdrücklich genannt sind. Es ist natürlich patriarchale Sprache, das müssen wir heute anders sagen. Aber es sind ja historische Texte, damals waren solche Kontextbedingungen. Also das Gebot der Brüderliebe. Das spielt im Johannesevangelium in den Abschiedsreden eine große Rolle. Ich will an der Stelle schon mal sagen,

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der Schlüssel zum Verständnis des Johannesevangeliums sind die Abschiedsreden. In den Abschiedsreden steckt der Schlüssel zum Verständnis. Also in diesen Abschiedsreden spielt die Brüderliebe eine große Rolle. Johannes konzentriert die Ethik, die Moral ganz auf innerhalb der Gemeinde. Brüderliebe ist wichtig und entscheidend. Es gibt im Johannesevangelium keinen Satz über Nexenliebe oder über Feindesliebe. Das gibt es überhaupt nicht. Es ist alles konzentriert auf die Brüderliebe. Bei den Synoptikern sagt Jesus nie, ich gebe euch ein neues Gebot. Und das Gebot der Brüderliebe gibt es so bei den Synoptikern nicht. Die Synoptiker betonen die Nexenliebe und die Feindesliebe. Gut, also das ist Kapitel 13.

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Jetzt wenden wir uns den Abschiedsreden zu. Johannes 14 bis 16, drei Kapitel. In diesen drei Kapiteln wendet Jesus sich seinen Jüngern intensiv zu und bereitet sie auf die Zeit nach seinem Tod vor. Und danach kommt ein langes Gebet, ein ganzes Kapitel, das hohe priesterliche Gebet. Bei den Synoptikern gibt es keine solche Abschiedsreden und auch kein so langes Abschiedsgebet. Jetzt innerhalb der Abschiedsreden, die es also nur bei Johannes gibt, gibt es nochmal einen sonderbaren Punkt, nämlich an fünf Stellen in den Abschiedsreden sind immer kürzere Texte, drei Verse, vier Verse, fünfmal kommt das Evangelium auf den Parakleten zu sprechen. Parakletos. Parakletos ist im Griechischen ein Rechtsanwalt oder ein Rechtsbeistand, der dir hilft, juristisch.

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Luther übersetzt Tröster. Ist sehr frei, aber gar nicht so schlecht eigentlich. Aber genauer übersetzt ein Rechtsbeistand. Also fünf Texte über den Parakleten, gemeint ist natürlich der Heilige Geist. Aber bei den Synoptikern wird der Heilige Geist niemals Parakletos genannt. Den Ausdruck gibt es nur in den Johannes Evangelien. Und dieser Paraklet, sage ich jetzt mal, ist eine entscheidende Figur im Johannes Evangelium. Der Paraklet ist ganz entscheidend, völlig entscheidend. Nämlich, jetzt zitiere ich ein bisschen, er ist der Geist der Wahrheit. Er wird bei den Jüngern bleiben und in den Jüngern sein.

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Er wird sie alles lehren. Jesus sagt, er wird es vom Meinigen nehmen und euch geben. Er wird euch in die ganze Wahrheit führen. Er wird mich bezeugen und er wird mich verherrlichen. Das ist die Aufgabe von diesem Parakleten. Den gibt es bei den Synoptikern nicht. Gut, jetzt kommt der vierte Punkt. Also ich sage noch mal, der erste Punkt ist, es gibt im Johannes Evangelium viele zusammenhängende Reden, in denen Jesus über sich selber redet. Und zweitens, die Kapitel 13 bis 17, fast ein Viertel des Evangeliums, fehlt bei den Synoptikern komplett. Und drittens, in diesen Abschiedsreden ist dieser Paraklet eine ganz wichtige Figur. Jesus wird den Parakleten senden und er wird alles in die richtige Richtung leiten.

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Das war das dritte. Und jetzt kommt das vierte auch in den Passionserzählungen, in denen es auch viele Übereinstimmungen gibt, aber auch viele Unterschiede. Geht das Johannes Evangelium eigene Wege? Ich versuche sie ganz knapp nur so zu streifen. Während die Synoptiker die Passionszeit beginnen mit dem Einzug in Jerusalem, beginnt das Johannes Evangelium mit der Salbung in Betanien. Und dann erst kommt der Einzug in Jerusalem. Gut, kann man sagen, ist eine gewisse Kleinigkeit. Dann die Tempelaktion Jesu, die bei den Synoptikern der Grund für die Verhaftung und Gefangennahme Jesu war. Diese Tempelkritik, Tempelaktion gibt es im Johannes Evangelium auch, aber verblüffenderweise steht sie gleich am Anfang, nach der Hochzeit in Cana, dann danach gleich die Tempelaktion Jesu.

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Im Johannes Evangelium wird die Verhaftung Jesu ausgelöst durch die Auferweckung des Lazarus. Da gehen die Leute nach Jerusalem und melden es dem Hohen Rat. Also die Auferweckung des Lazarus ist im Johannes Evangelium der Anlass oder der Grund für seine Verhaftung. Diese Auferweckung des Lazarus gibt es bei den Synoptikern nicht. Johannes kann die Tempelaktion nicht mehr als Grund der Verhaftung benutzen, weil er sie schon ganz an den Anfang des Evangeliums gestellt hat. Dann in der Passionserzählung stehen bei Johannes zwei Menschen direkt unter dem Kreuz. Und der Gekreuzigte spricht sogar zu diesen zwei Personen. Bei den Synoptikern sind alle Jünger geflohen. In Markus 14 Vers 50 heißt es ausdrücklich, sie flohen alle.

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Bei der Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane. Und auch Matthäus 26, 56 übernimmt dieses Urteil. Alle Jünger sind voller Angst, weil sie auch tatsächlich durchaus schon auch gefährdet waren. Die Römer haben oft gleich die Anhänger mitgekreuzigt. Also alle Jünger sind geflohen. Wer hat überhaupt die Kreuzigung Jesu gesehen? Ja, bei den Synoptikern heißt es, einige Frauen standen von Ferne. Bei Lukas heißt es, einige Frauen und Bekannte schauten von Ferne. Aber mit Bekannte meint Lukas natürlich nicht Jünger. Wen er da meint, kann man nicht genau sagen. Also bei den Synoptikern schauen lediglich einige Frauen und Bekannte von Ferne zu. Aber bei Johannes stehen zwei Menschen direkt unter dem Kreuz. Einmal der Jünger, den Jesus liebte.

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Den gibt es bei den Synoptikern nicht. Und Maria, die Mutter Jesu. Bei den Synoptikern ist nirgendwo ein Hinweis, dass Maria sich in Jerusalem aufhält. Als Jesus nach Jerusalem geht, gehen seine Jünger mit ihm und einige Frauen, deren Namen sogar genannt werden. Maria aus Magdala, Salome und andere Namen. Aber Maria, die Mutter Jesu, ist nicht unter ihnen. Selbst bei Lukas, der die Weihnachtsgeschichte hat, in Lukas 1 und 2, ist Maria die weibliche Hauptperson von zwei Kapiteln des Neuen Testaments. Das gibt es nie wieder, dass eine Frau zwei Kapitel lang die Hauptperson ist. Bei Lukas aber gibt es. Also er erzählt viel über Maria. Eins, wie sie zu Elisabeth geht. Und dann zwei, die berühmte Weihnachtsgeschichte.

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Und dann auch der zwölfjährige Jesus im Tempel. Josef und Maria gehen zum Tempel. Also Lukas hat ein großes Interesse an Maria. Aber auch Lukas erwähnt Maria nicht in der Passionsgeschichte. Niemand bei den Synoptikern. Also das ist ein sehr prägnanter Unterschied. Und dann das Letzte ist, bei Johannes stirbt Jesus einen Tag vor dem Pesachfest, am Rüsttag. Das steht direkt, Johannes 19, Vers 14. Es war der Rüsttag. Das ist der Tag vor dem Pesachfest. Bei den Synoptikern aber feiert Jesus sein letztes Abendmahl am ersten Abend des Pesachfestes, den Sederabend.

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Im Judentum beginnen ja die Tage am Abend. Das heißt, das einwöchige Pesachfest beginnt mit dem Sederabend. Und da feiert Jesus das Abendmahl. Also nach den Synoptikern ist das Abendmahl ein Passamahl, ein Pesachmahl. Nach Johannes, der das Abendmahl gar nicht bringt. Bei Johannes gibt es verblüffenderweise keinen Einsetzungsbericht des Abendmahls, den alle drei Synoptiker bringen. Aber nach Johannes, der das Abendmahl schon kennt, das werden wir nachher sehen, kann das Abendmahl kein Passamahl gewesen sein. Es gab Versuche, diesen Unterschied irgendwie zu erklären. Ist bis heute nicht gelungen. Es gibt in gewissen christlichen Kreisen den Versuch zu sagen, es gab zwei Kalender. Es gab auch den Kalender der Essener, der Kumran-Gemeinde. Und nach diesem Kalender wäre sowieso, das ist aber nicht überzeugend,

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es gibt nirgendwo den geringsten Hinweis, dass Jesus oder Teile des Ur-Christentums neben dem üblichen damaligen Kalender den essenischen Kalender verwendet haben. Das ist auch sehr unwahrscheinlich, weil Jesus im krassen Gegensatz zu den Essenern steht. Seine Tischgemeinschaft mit den Sündern ist für Essener vollkommen ausgeschlossen. Auch die Zuwendung zu Kranken gibt es bei den Essenern nicht. Und dann auch die Relativierung der Speise- und Reinheitsgebote ist mit Essenern überhaupt nicht zu machen. Und deswegen ist es sehr unwahrscheinlich, dass Jesus oder Teile des Ur-Christentums den essenischen Kalender übernommen haben. Denn Kalender waren damals sehr wichtig. Geistlich gesehen sind sie eine Grundlage für viele Entscheidungen. Also das ist sehr unwahrscheinlich.

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Gut, das waren also jetzt Schritt 1. Ich muss ein bisschen meine Laufzeit verringern. Jetzt kommt der Schritt 2. Also Schritt 1 war – aber Martin meint, ich habe keine zeitliche Begrenzung gehabt – aber bevor der Abend dämmerte. Jetzt kommt der Schritt. Aber ich hätte gerne euch in ein neues Land katapultiert. Und von da aus werdet ihr viel tiefer in die Evangelien einsteigen können. Also der erste Schritt war, viele Texte und Aussagen, die nach dem Johannesevangelium sehr wichtig sind, um Jesus verstehen zu können, gibt es bei den Synoptikern nicht. Jetzt kommt der Schritt 2. Sehr viele Texte und Aussagen, die nach den Synoptikern sehr wichtig sind, um Jesus verstehen zu können, gibt es im Johannesevangelium nicht.

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Und man kann auch nicht sagen, Johannes ergänzt halt. Diese Reden Jesu, das ist ja nicht eine Ergänzung, das ist ein völlig anderer Aggregatzustand. Also manche Christen wollen das einfach dadurch aus der Welt schaffen, sagen das Johannesevangelium ist die Ergänzung der Synoptiker. Das ist schon nach dem ersten Schritt, Paraklete und es geht nicht. Das zwingt uns in eine oberflächliche, naive Bibelsicht. Solche Erklärungen vernebeln alles. Du kannst gar nicht mehr sorgfältig den biblischen Tatbestand zur Kenntnis nehmen. Also Schritt 2. Sehr viele Texte und Aussagen, die nach den Synoptischen Evangelien sehr wichtig sind, wenn man Jesus verstehen will, fehlen im Johannesevangelium.

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Der wichtigste Punkt ist die Reichgottesbotschaft. Bei den Synoptischen Evangelien hat Jesus ein großes Thema, das ist das Reich Gottes. Und dass es nahe herbeigekommen ist und dass es mit ihm und seinem Wirken zu wirken begonnen hat. Bei den Synoptikern ist über 100 mal vom Reich Gottes die Rede. Matthäus sagt manchmal Reich der Himmel, meint aber genau das Gleiche. Also ich sage jetzt einfach Reich Gottes. Über 100 mal. Alle Gleichnisse Jesu sind Reich Gottes Gleichnisse. Alle Heilungen sind Zeichen, dass das Reich Gottes jetzt zu wirken begonnen hat. Alle Dämonen-Austreibungen ist für Jesus sogar fast der wichtigste Hinweis. Jesus sagt einmal, wenn ich mit dem Finger Gottes, gemeint ist mit der Kraft Gottes, wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, dann ist das Reich Gottes zu euch gekommen.

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Also das Reich Gottes. Jesus sagt im Markusevangelium zusammenfassend, Markus 1, 15, erfüllt ist die Zeit. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Deshalb kehrt um und glaubt an dieses Evangelium, nämlich dass das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist. Dieser Vers, Markus 1, 15, gilt allgemein als das Thema des ganzen Markusevangeliums. In Markus 4 sagt Jesus mal, euch, die Jünger, euch ist gegeben, das Geheimnis des Reiches Gottes zu verstehen. Bei Matthäus, im Matthäus-Evangelium kommen mehrere Summarien, wo zusammengefasst ein Überblick geboten wird und da heißt es in Matthäus 4, 23f, Jesus zog umher in Galilea und predigte in den Synagogen.

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Und dann heißt es, er predigte das Evangelium vom Reich. Jeder wusste ja, was gemeint ist. In der Bergpredigt, Matthäus-Evangelium, beginnt die Bergpredigt mit dem Satz, zu gratulieren ist den Armen im Geist, denn ihnen gehört das Reich Gottes. Mitten in der Bergpredigt steht der sehr wichtige Satz, trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit. Dann wird euch alles Übrige zufallen. Im Vaterunser lehrt Jesus zu beten, dein Reich komme. Es gibt die Jüngeraussendung bei Matthäus und Lukas und Markus und der Auftrag der Jüngersendung heißt immer, predigt in den Dörfern Galileas, das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Am Ende Matthäus-Evangelium heißt es 24, das Evangelium vom Reich wird gepredigt werden, allen Völkern zum Zeugnis und dann wird das Ende kommen.

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Bei Lukas ebenfalls ganz starke Betonung. Bei Lukas gibt es den wichtigen Satz, das Gesetz und die Propheten gelten bis zu Johannes, dem Täufer. Und dann kommt das Evangelium vom Reich. Also die Predigt vom Reich Gottes ist das Zentrum bei den Synoptikern. Jesus predigt, verkündigt viel mehr das Reich Gottes, als dass er über sich selber spricht. Er spricht zehnmal mehr über das Reich Gottes als über sich. Er spricht schon auch über sich, aber knapp und nicht im Vordergrund. Niemals eine ganze Rede. Diese öffentliche Reich Gottes Verkündigung, die bei den Synoptikern das Zentrum ist für alle Gleichnisse, Heilungen, Dämonen, Austreibungen, gibt es im Johannes Evangelium überhaupt nicht.

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Im Johannes Evangelium kommt das Wort Reich Gottes einmal vor in dem Gespräch mit Nikodemus. Wenn ihr nicht von oben her geboren werdet, könnt ihr das Reich Gottes nicht sehen. Da kommt jetzt Reich Gottes, aber das ist keine öffentliche Verkündigung, das ist ja ein nächtliches Gespräch unter vier Augen. Und auch die Redewendung, wenn ihr nicht von oben geboren werdet, gibt es bei den Synoptikern nicht. Also das ist die einzige Stelle. Im Prozess sagt Jesus mal, mein Reich ist nicht von dieser Welt. Aber den Ausdruck mein Reich gibt es bei den Synoptikern nie. Es ist immer das Reich Gottes. Bei den Synoptikern sagt Jesus nie mein Reich. Also selbst diese zwei einzigen Stellen im Johannes Evangelium in einem nächtlichen Gespräch und im Prozess, also beide nicht in der öffentlichen Verkündigung.

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Und auch hier gleich irgendwie anders. Jetzt gibt es Christen, die jetzt wieder mit Erklärungen, die alles vernebeln. Es kommt jetzt hier das Prinzip, das nicht sein kann, was nicht sein darf. Also bei Johannes Evangelium gibt es diese zwei Stellen. Einmal bei Nikodemus und dann mein Reich. Ja, jetzt sagen manche Christen, bei den Synoptikern redet Jesus vom Reich Gottes. Stimmt, stimmt. Und bei Johannes redet er vom ewigen Leben. Ja, stimmt schon. Und das ist ungefähr das Gleiche. Nein, das stimmt hinten und vorne nicht. So kann man diese wahnsinnigen Unterschiede, also man erklärt einfach zwei Begriffe als gleichbedeutend.

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Und dann meint man, ist man das los, weil man die tiefe Erforschung der Unterschiede irgendwie gar nicht will. Man will das abbiegen. Ja, also Jesus redet wirklich beim Johannes Evangelium viel vom ewigen Leben. Das stimmt. Aber ewiges Leben hängt natürlich zusammen mit Reich Gottes, bedeutet aber keineswegs das Gleiche. Im ewigen Leben legt man ja den Ton auf das persönliche Heil im ewigen Leben. Aber Reich Gottes meint ja auch viel gesellschaftliche Veränderungen. Der Reich Gottes ist viel gesellschaftspolitischer, irdischer geprägt als die Rede vom ewigen Leben. Und es ist so, dass Jesus ja, dass das Johannes Evangelium nicht nur das Wort Reich Gottes meidet, sondern es meidet auch alles,

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was mit der Reich Gottes Verkündigung bei den Synoptikern zusammenhängt. Und das ist sehr viel. Ich will das mal aufzeigen. Also es heißt ja bei den Synoptikern sehr oft, er predigte das Evangelium vom Reich. Auch das Wort Evangelium gibt es bei Johannes nicht. Also nur in der Überschrift. Aber die gehört ja nicht zum, also das ist ja später Überschrift von der Kirche. Aber im Evangelium gibt es nicht das Wort Evangelium, während es bei den Synoptikern oft verwendet wird. Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen, kehrt um und glaubt an das Evangelium. Das heißt ja immer das Evangelium vom Reich. Aber das Wort Evangelium gibt es auch nicht bei Johannes. Also bei dieser synoptischen Formel, Evangelium vom Reich, das allein 20 Mal vorkommt, fehlt bei Johannes nicht nur das Reich, sondern auch das Evangelium. Es fehlen beide Begriffe.

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Und wenn bei den Synoptikern gesagt wird, dass Jesus das Evangelium verkündigt, sind es im Griechischen folgende zwei Verben, euangelizestai, er evangelisiert, da steckt das Wort euangelion drin, euangelizestai oder kerussein. Das sind die beiden Verben, wenn Jesus das Evangelium verkündigt. Aber auch diese beiden Verben gibt es nicht im Johannes Evangelium. Im Johannes Evangelium gibt es gar keine Dämonen aus Treibungen. Und Jesus sagt doch, wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, ist das Reich Gottes. Es gibt auch keine Heilung aussetziger. Also vieles, was in der Reichgottesbotschaft an Zuwendung des Menschen zu unterschiedlichen Personen breit geschildert wird, fehlt alles. Es gibt im Johannes Evangelium keinen Umkehrruf, kehrt um. Das ist ja bei den Synoptikern ein Kernpunkt.

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Es gibt keine Jüngeraussendung, die sollen ja dann reden, dass das Reich… das gibt es aber im Evangelium gar nicht. Es gibt kein Vaterunser im Johannes Evangelium, also auch dein Reich komme. Es gibt auch kein Abendmahl. Im Abendmahl sagt Jesus nämlich, ich werde nicht mehr vom Gewächs des Weinstocks trinken, bis ich dermal eins trinke im Reich Gottes. Das Abendmahl ist bei den Synoptikern mit dem Reich Gottes eng verknüpft. Aber bei Johannes gibt es gar keine Einsetzung des Abendmahls. Und jetzt zum Beispiel die Tischgemeinschaft Jesu mit den Armen und mit den Sündern. Das ist ja was vom Beglückendsten und Typischsten. Er ist der Freund der Sünder und ist sogar mit ihnen. Es gibt bei Johannes keine Tischgemeinschaft Jesu mit den Sündern. Das gibt es gar nicht.

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Auch nicht die Zuwendung zu den Armen. Und bei den Synoptikern fragt ein jüdischer Zeitgenosse, was ist das wichtigste Gebot in der Thora? Und dann sagt Jesus, du sollst Gott lieben mit all deinen Kräften und deinen Nächsten wie dich selbst. Das sind die beiden wichtigsten Gebote in der Thora. Nächstenliebe aber gibt es im Johannesevangelium nicht. Bei den Ich-aber-sage-euch-Thesen, sechs Thesen, die gipfeln in der Feindesliebe Gottes. Gott liebt eure Feinde. Betet für die, die euch verfolgen. Dann werdet ihr Kinder Gottes heißen. Denn Gott lässt seine Sonne scheinen über Gute und Böse. Also bei der Ethik Jesu in den Synoptikern ist die Feindesliebe die Spitze und der Kern der gesamten Ethik. Gibt es bei Johannes gar nicht. Jetzt will ich noch was anderes sagen.

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Diese Reichgotteserwartung, die Jesus dazu gebracht hat, sich den Menschen zuzuwenden und auch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen differenziert wahrzunehmen, das gibt es im Johannesevangelium gar nicht. Bei den Synoptikern spielen folgende Personengruppe immer wieder eine Rolle. Arme und Reiche gibt es nicht. Bauern, Handwerker, Kaufleute gibt es nicht bei Johannes. Arbeiter, Arbeiter in Weinberg. Kinder, Witwen, Gerechte, Sünder, Zöllner, Prostituierte gibt es alles nicht bei Johannes. Kein einziger dieser Begriffe. Johannes sagt die Juden pauschal, die Juden, aber nicht mehr gesellschaftliche Gruppierungen und ihre Führer. So spricht das Johannesevangelium. Und die Führer sind Pharisäer, hohe Rat und hohe Priester.

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Also spricht von die Juden. Also das sind die Unterschiede, wenn man den zweiten Schritt, Texte, die für die Synoptiker sehr wichtig sind, fehlen. Also ich weiß nicht, ob ihr jetzt noch irgendwie ehrlich, ohne sich selber in die Tasche zu lügen, dass jemand sagen kann, das Johannesevangelium ergänzt halt die Synoptiker. Bei den Synoptikern redet Jesus vom Reich Gottes und bei Johannes vom ewigen Leben. Das ist das Gleiche. Gibt viele Bibelschulen, da hören Sie das. Also das ist, das weiß die Bibel zu schade für solche Nebelkerzen. Jetzt kommt der dritte Schritt. Im Johannesevangelium redet Jesus auf eine andere Art und Weise wie bei den Synoptikern.

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Der Wortschatz ist ein ganz anderer. Die Art der Begriffsbildung ist eine ganz andere. Und auch stilistisch redet Jesus stilistisch ganz anders. Auch die Bildwelt und die Vorstellungswelt, in der Jesus bei Johannes redet, ist sehr verschieden von den von den Synoptikern. Ich will mal die wichtigsten Dinge euch ins Bewusstsein heben, dass sie daraus nicht mehr entschlüpfen können. Sie werden euch in neue Entwicklungen bringen. Wenn man mal diese Dinge sehen gelernt hat, da gibt es keinen Weg mehr zurück in das oberflächliche Klischee-Denken. Also sehr auffällig ist, dass die Sprache im Johannesevangelium eine ganz besondere Sprache ist. Es gibt diese Sprache nirgendwo im Neuen Testament und auch nirgendwo im Judentum. Sie ist sehr auffällig.

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Man kann sich fragen, diese spezifische Sprache, die dort gesprochen wird, ist die in den johannesischen Gemeinden entstanden oder kommt die von anderswo her? Das weiß man nicht. Man kann sagen, es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zur Sprache der Mandär. Das ist eine jüdische Taufgemeinschaft in Mesopotamien. Da gibt es ein paar verblüffende Ähnlichkeiten, aber auch krasse Unterschiede. Und es gibt eine gewisse Ähnlichkeit zur Kumran-Gemeinde, aber auch krasse Unterschiede. Deswegen kann man daraus keine Schlussfolgerungen ziehen. Und im Johannesevangelium reden alle Personen, die im Johannesevangelium zu Wort kommen, reden alle im gleichen johannesischen Stil. Also erst mal Jesus, aber auch Johannes der Täufer, dann bestimmte Jünger, bestimmte Juden, die Samaritanerin am Jakobsbrunnen, Pilatus.

53:00
Alle reden johannesisch und Jesus auch. Also wenn ich jetzt mal die Merkmale aufliste, kann ich sagen, das sind die Merkmale, wie Jesus im Johannesevangelium redet. Aber ich kann gleichzeitig sagen, es sind die Merkmale der johannesischen Rede. Bei den Synoptikern ist es für Fachleute relativ leicht, die Ausdrucksweise des historischen Jesus zu unterscheiden von der Sprache der jeweiligen Evangelisten. Das ist relativ leicht möglich, zumindest in vielen Fällen. Es gibt natürlich auch viele Fälle, wo man es nicht mehr sicher sagen kann. Aber bei Johannes kann man überhaupt nicht unterscheiden. Jesus redet johannesisch. Das erste Kennzeichen ist, es ist eine dualistische Sprache, wo Gegensatzpaare, Gut, Böse, Licht, Finsternis eine ganz entscheidende Rolle spielen. Ich muss geschwind einfügen, religionswissenschaftlich gibt es monistische Religionen und dualistische Religionen.

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Bei den monistischen Religionen, die Bibel, Altes und Neues Testament ist monistisch, der Islam auch. Also bei monistischen Religionen gibt es schon das Böse, es gibt den Teufel. Aber das Böse ist nicht unabhängig von Gott. Das Böse ist nicht außerhalb der Reichweite Gottes. Es gibt nur einen, der alles in seiner Hand hat, und das ist Gott. Deswegen sagt man monistisch. Das Böse hat keine eigenen unabhängigen Entscheidungskompetenzen. Deswegen entsteht bei den monistischen Religionen die Frage, warum lässt Gott dem Bösen so viel zu? Das Böse kann nur tun, was Gott ihm zugesteht. Aber in dualistischen Religionen gibt es den Teufel und das Böse, und die sind unabhängig von Gott.

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Es ist ein echter Kampf, wo man vorher nicht weiß, wie es ausgeht. Licht und Schatten, Zaratustra-Religionen und andere. Also im Johannesevangelium liegt nicht eine dualistische Religion vor. Das Johannesevangelium ist genauso monistisch wie die gesamte Bibel. Aber die Sprache ist dualistisch. Es geht im Johannesevangelium um den Gegensatz von Leben, gemeint ist ewiges Leben und Tod. Zum ewigen Leben gehört Licht und zum Tod Finsternis. Zum ewigen Leben gehört Freiheit, zum Tod Knechtschaft. Zum Leben gehört Geist und zum Tod gehört Fleisch. Zum Leben gehört Glaube und zum Tod Unglaube. Zum Leben gehört die Jüngerschaft und zum Tod die Welt. Julian wird mal drei Zitate mit dieser dualistischen Prägung... Bist du hier? Ja. Komm mal hier ins Mikrofon. Zunächst mal ein Textbeispiel aus dem Johannesevangelium.

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Nicht aus dem Munde Jesu, sondern Text im Evangelium. Johannes 3, 19 bis 21. Darin besteht aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Werke nicht offenbar werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit seine Werke offenbar werden, denn sie sind in Gott getan. Ja, und Jesu selber spricht genau in dieser Sprache zwei Zitate von Jesu selber. Noch kurze Zeit ist das Licht bei euch. Handelt, weil ihr das Licht habt, damit euch nicht die Finsternis überfällt. Wer in der Finsternis lebt, weiß nicht, wohin er geht. Weil ihr das Licht habt, glaubt an das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Ich bin aber als Licht in die Welt gekommen, damit jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibt.

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Das war ein Zitat und noch ein zweites. Wenn die Welt euch hasst, so erkennt, dass sie mich zuerst gehasst hat. Wenn ihr aus der Welt wäret, würde die Welt das Ihre lieben. Weil ihr aber nicht aus der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, deshalb hasst euch die Welt. Also dieses Wort aus ist hier ein ganz bekanntes Darbleiben, Julian. Das Eck, woraus kommst du, das ist deine Herkunft, die dein Wesen bestimmt. Wer aus der Welt kommt, ist weltlich. Wer aus dem Fleisch geboren ist, aus dem Willen, wer aber aus Gott geboren ist. Diese Ausdruck aus gibt es bei den Synoptikern nicht. Jetzt bei der dualistischen Prägung gibt es noch auffällige Sonderprägung. Es gibt im Johannesevangelium und nur dort einen räumlichen Dualismus. Wenn jemand nicht von oben geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen.

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Also oben und unten. Niemand ist in dem Himmel hinaufgestiegen, außer dem, der aus dem Himmel herabgestiegen ist. Ich bin das Brot des Lebens, das aus dem Himmel gekommen ist. Wenn ihr den Sohn des Menschen auffahren seht, wo er zuvor war, ihr seid von unten, ich bin von oben. Wer von oben kommt, ist über allem. Ja, also dieser räumliche Dualismus, auffahren, niederfahren, oben, unten, gibt es bei den Synoptikern nicht. Jetzt bleib mal in der Nähe, du musst jetzt einiges machen. Das ist also erstes Kennzeichen, dualistische Sprachprägung gibt es so in der ganzen Bibel nicht und auch nicht in den jüdischen Schriften der damaligen Zeit. Es ist also wirklich eine eigentümliche Sache. Jetzt nicht nur dualistisch geprägt, es gibt im Johannesevangelium, in der johaneischen Sprache,

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auch die Rede von einer Immanenz. Nämlich, das ist eine ganz intensive Form der Gemeinschaft, dass eine Person in einer anderen ist. Das gibt es bei den Synoptikern nicht. Ich mache mal ein paar Beispiele. Der Vater ist bleibend in mir. 14, Vers 10. Wenn ihr in mir bleibt, wie ich in der Liebe des Vaters bleibe. 15, 10. Bleibt in meiner Liebe, dass meine Freude in euch sei. Der verheißene Beistand, der Paraklet wird in euch sein. Also diese Rede in euch. Und jetzt ist es verblüffend, es gibt auch eine wechselseitige Immanenz. Ich in euch und ihr in mir. Ich im Vater und der Vater in mir und ihr in mir und ich in euch. Das ist ein ganzes Netz weit verbreitet im Johannesevangelium, auch in den Johannesbriefen.

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Man nennt das wechselseitige Immanenz. Ich in ihnen und du in mir. 17, 23. Damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen. Gibt es noch mehr? Und wir sahen seine Herrlichkeit. Nein, das ist das nächste Wirrstil. Gut, also es gibt eine Reihe solcher Aussagen. Es ist gar nicht so leicht, das so schnell exakt zu finden. Jetzt kommt eine Fußnote. Jesus redet nicht nur sehr oft, also glaub mir, dass ich im Vater bin und der Vater in mir und ihr seid in mir und ich bin in euch. Das gibt es 20, 30 Mal. Und Jesus redet auch sonst in so wechselseitigen Formulierungen, auch wenn das nicht so Immanenzformulierungen sind. Ich kenne die meinen und die meinen kennen mich.

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Gleich wie der Vater mich kennt und ich kenne den Vater. Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht und Gott ist verherrlicht in ihm. Also das ist die Immanenzsprache, die einfache Immanenzsprache, die wechselseitige Immanenzsprache und so wechselseitige Formulierungen. Jesus redet bei den Synoptikern so nicht. Also jetzt haben wir dualistische Prägung, Immanenzsprache. Sehr typisch ist auch der Wir-Stil, den es bei den Synoptikern nicht gibt. Im Johannesevangelium ist oft im Wir die Rede. Da redet die joanäische Gemeinschaft und bekennt ihre Erfahrungen. Und das ist sozusagen wir, wir, die joanäische Gemeinde. Ein paar Beispiele. Wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird. Denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Weiter.

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Wir wissen, dass wir vom Tod zum Leben hinüber gewandert sind, denn wir lieben die Brüder. Und viele solcher Sätze. Sogar, vielleicht findest du es, Jesus selber redet sogar in diesem Wir-Stil. Als er mit Nikodemus nachts redet, redet er zunächst im Ich-Stil. Ist ja auch normal, wenn man zu zweit redet. Und auf einmal fängt Jesus in dem Gespräch an im Wir-Stil, als ob er selber ein Mitglied der joanäischen Gemeinde wäre. Amen, Amen. Ich sage dir, was wir wissen, davon reden wir. Und was wir gesehen haben, das bezeugen wir. Und doch nehmt ihr unser Zeugnis nicht an. Jawohl. Julian, vielen herzlichen Dank. Es war eine nicht ganz leichte... Also ich fasse zusammen. Dualistische Färbung, Immanenzsprache auf mehreren Ebenen, Wir-Stil, den es bei den Synoptikern nicht gibt.

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Dann vierte, es gibt im Johannesevangelium gar keine Gleichnisse, überhaupt keine. Bei den Synoptikern ist es ja die Verkündigungsart. Das heißt an einer Stelle, er redete alles in Gleichnissen. Sondern bei dem Johannesevangelium gibt es Bildreden. Und Jesus sagt auch in den Abschiedsreden, ich habe es euch in Bildreden gesagt. Was gibt es noch für Unterschiede? Zum Beispiel, es gibt auch den Unterschied, dass Jesus sagt, ich bin vom Vater ausgegangen und kehre wieder zu ihm zurück. Diese Sehweise gibt es bei den Synoptikern nicht. Dann redet Jesus oft bei Johannes, meine Stunde ist noch nicht gekommen. Sechs, sieben, acht Stellen oder meine Zeit ist noch nicht gekommen. Als dann die Leidenszeit beginnt, sagt er, jetzt ist meine Stunde gekommen.

64:03
Gibt es bei den Synoptikern nicht. Bei Johannes sagt Jesus auch öfters nur noch eine kurze Zeit. Dann oder jetzt ist die Zeit nicht mehr da. Oder die Zeit ist noch nicht da. Die kurze Zeit gibt es auch nicht bei Synoptikern. Bei Johannes sagt Jesus doppelt Amen, Amen, ich sage euch. Mehrere Sprüche, bei den Synoptikern sagt Jesus immer nur einmal Amen. Und dann wendet Jesus auch bei Johannes Metaphern auf sich an, in den Ich Bin-Worten, die es ja bei den Synoptikern gar nicht gibt. Selbstoffenbarung Jesu, ich bin das Licht, ich bin das Brot, ich bin der gute Hirte, ich bin der Weinstock, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, ich bin die Auferstehung. Diese Metaphern Brot, Licht, Tür, Hirte, Leben, Auferstehung, Weg, Wahrheit, Weinstock wendet Jesus bei den Synoptikern nicht auf sich an.

65:04
Also es gibt noch mehr Unterschiede. Aber ich glaube, die genügen, dass man nicht folgende Erklärung abgeben kann. Jesus hat in Jerusalem, weil die Stadtbevölkerung Vornehmer war, theologisch anspruchsvoller geredet, deswegen diese längeren Reden. Und bei den Galiläern bevorzugte er bei der schlichten Landbevölkerung die anschaulichen Gleichnisse. Also es gibt Bücher, wo diese Unterschiede von Immanenz und Wirscht, das ist gar nicht im Blickfeld, sie wollen das aus der Welt schaffen, dass man sagt, in Jerusalem redet Jesus etwas anspruchsvoller, Vornehmer. Reden die Jerusalemer, denken sie dualistischer wie die Galiläer? Was hat denn die Immanenzsprache mit der vornehmen Stadtbevölkerung zu tun?

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Der Wirscht Stil, das doppelte Amen. Und auch die Reden Jesu, die er nur seinen Jüngern redet, die Abschiedsreden sind genauso anspruchsvoll. Also redet Jesus nur, weil er in Jerusalem ist, jetzt zu seinen eigenen Jüngern anspruchsvoller. Oder das Gebet ist ja auch anspruchsvoll. Betet Jesus in Jerusalem anspruchsvoller wie ein Galiläer? Auch von den Reden, ja, ich wollte euch nur sagen, was man da alles wegwischt, das soll man mit der Bibel nicht machen. Das ist doch nicht bibeltreu. Ich bitte euch. Auch die Rede, die Brotrede Johannes 6, redet er in Galiläa. Ist aber genauso gleich. Und es gibt Gleichnisse von Jesus, die redet er in Jerusalem. Zum Beispiel das Gleichnis von den bösen Winzern oder die drei Gleichnisse in Matthäus 25.

67:02
Und auch die Ich-bin-Worte, die es nur bei Johannes gibt, ist doch ganz einfache ländliche Sprache mit sogar ländlicher Prägung, guter Hirte, Weinstock. Und das in Jerusalem. Also man kann diese tiefen Sprachunterschiede, die muss man erst mal zu Gesicht bekommen. Jetzt kommt der vierte und der letzte Schritt. Also erster Schritt waren sehr viele Texte und Aussagen, die nach dem Johannes-Evangelium sehr wichtig sind. Wenn man Jesus verstehen will, gibt es bei den Synoptikern nicht. Umgekehrt, sehr viele Texte und Aussagen, die nach den Synoptikern sehr wichtig sind. Reich Gottesbotschaft, wenn man Jesus verstehen will, gibt es bei Johannes nicht. Bei Johannes ist die gesamte Sprache sehr eigentümlich tief geprägt

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und Jesus spricht völlig in dieser johannäischen Sprache. Jetzt viertens. Im Johannes-Evangelium redet Jesus schon in der Hoheit, die in anderen Schriften des Neuen Testaments nur der Auferstandene hat. Alle Evangelien sind ja nach Osternd geschrieben, sind also nachösterlich. Und dieser Gesichtspunkt, dass die Evangelien nach Osternd geschrieben sind, also als Jesus auferstanden war und man zu Jesus betet, schon Jahre, das ist ein ganz besonderer Punkt. Und das ist ein ganz besonderer Punkt. Also als Jesus auferstanden war und man zu Jesus betet, schon jahrelang. Dieser Umstand spielt im Johannes-Evangelium eine viel größere und andere Rolle als bei den Synoptikern.

69:03
Zum Beispiel nehmen wir mal bei den Synoptikern, sagt der Auferstandene am Ende des Matthäusevangeliums, mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Das kann nur der Auferstandene sagen. Der Satz könnte niemals in der Bergpredigt stehen. Denn Auferstehung meint ja in der Bibel nicht, dass Jesus nach Osternd sein vorösterliches Leben einfach fortgesetzt hat. Er lebt vorher und er lebt nachher ganz kurz unterbrochen durch den Tod. Und der wird dann rückgängig gemacht, also als ob das nur eine Fortsetzung wäre. Nein, die Auferstehung Jesu oder die Auferweckung Jesu ist ja nicht nur eine Wiederbelebung. Die ist ja was ganz anderes. Also man muss diesen tiefen Einschnitt Auferstehung auch würdigen. Im apostolischen Glaubensbekenntnis heißt es so,

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aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes des Allmächtigen Vaters. Also Jesus wird da ja erhöht. Und im Johannesevangelium, das geht nicht tief in das Leiden rein, sondern im Johannesevangelium ist die Kreuzigung Jesu eine Erhöhung. Nur bei ihm. Also ihm geht es um die Hoheit Jesu. Und es ist die Hoheit des Auferstandenen. Also Johannes hat für sich folgende Idee, folgende Inspiration bekommen. Ich möchte, dass meine Leser im irdischen Jesus schon den Auferstandenen kennenlernen. Der irdische Jesus und der auferstandene Jesus sind bei Johannes eine völlige Einheit. Man kann sie gar nicht mehr unterscheiden. Es gibt schon Worte des irdischen Jesus.

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Das sind ja die 17 Logien, die es auch bei den Synoptikern gibt. Da hat Johannes nach seinem Gespür gedacht, doch, das kann der Auferstandene schon sagen, das steht nicht in Spannung zu seiner Hoheit. Aber alles, was in Spannung zu seiner Hoheit steht, lässt Johannes weg. Er lässt zum Beispiel weg die Versuchung Jesu. Ja, der Auferstandene wird ja auch nicht mehr versucht. Das geht nicht. Oder sagen wir mal die Verklärung Jesu. Ja, Jesus ist doch bei Johannes sowieso schon verklärt. Es ist ja ständig der Verklärte. Was soll er dann eine Verklärung erzählen? Oder die Leidensankündigungen. Oh, da ist zu viel Gewicht auf dem Leiden, die lässt er weg. Oder im Garten Gethsemane, wo Jesus ringt. Ach, Abba, Vater, alles ist dir möglich. Lass diesen Kelch an mir vorübergehen.

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Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst. Ja, das kann Johannes nicht. Der sagt ja, ich und der Vater sind eins. Er kann ja nicht sagen, nicht wie ich will, sondern wie du willst. Das ist eine Niedrigkeit Jesu, die bei Johannes nicht mehr geht. Denn nur das kann an den irdischen Worten bleiben, dass die Hoheit des Auferstandenen nicht verdunkelt. Ich sage noch drei Dinge bei den Sinoptikern, die Johannes niemals bringen kann. Bei den Sinoptikern sagt mal ein jüdischer Zeitgenosse zu Jesus, guter Rabbi. Da sagt Jesus, Markus 11, aber auch die anderen Sinoptiker, was nennst du mich gut? Gut ist nur ein einziger. Da meint er natürlich Gott. Also hier unterscheidet sich der irdische Jesus sehr prinzipiell und glasklar von Gott.

73:03
Das geht bei Johannes nicht mehr. Denn ich und der Vater sind eins. Wer mich sieht, sieht den Vater. Also ist alles Auferstehungssprache. Oder Gartengezimene oder nehmen wir mal den Messiasbegriff. Bei den Sinoptikern verwendet Jesus nie den Messiasbegriff. Das ist auch völlig klar, da werde ich noch drauf kommen. Der Messiasbegriff war nationalistisch und militaristisch vorbestimmt. Der Messias wird ein Gewaltherrscher sein, der die Befreier rausschmeißt und dann ein Friedensreich eröffnet. Also der Messias ist einer, der militärisch erfolgreich ist. Und das wollte Jesus nicht, dieses Missverständnis. Wenn er in der Öffentlichkeit irgendwas über den Messias gesagt hätte, das wäre sofort in falsche Hälse gekommen. Petrus sagt in Petrus Bekenntnis, Jesus sagt einmal, was meint ihr, wer ich bin und dann sagt Petrus, du bist der Messias.

74:02
Das ist aber nur im Jüngerkreis. Und da sagt Jesus, das sagst du aber bitte niemand. Ja, das gibt es bei Johannes nicht. Bei Johannes redet Jesus in Jerusalem ganz öffentlich mit der Jerusalemer Bevölkerung, dass er der Messias ist. Ohne Scheu. Weil es ist der Auferstandene. Also an mehreren Stellen. Ja, also das da merkt ihr, das ist diese Hoheit. Es gibt, ich will jetzt mal drei Dinge im Johannes euch bewusst machen, dass es der Auferstandene ist, der im Johannes Evangelium redet. Nur im Johannes Evangelium heißt es Wir glauben an Jesus. Jesus sagt mal Glaubt an Gott und glaubt an mich. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leibe, wer an mich glaubt, den wird nimmer mehr dürsten.

75:02
Jesus sagt im Johannes Evangelium 37 Mal, also er selber oder eben im Text steht 37 Mal Glauben an Jesus. Ja, das geht vor Ostern natürlich nicht. Denn ein Jude glaubt ja nur an Gott und sonst an gar nichts. Muslime glauben ja auch nicht an Mohammed und Juden glauben ja nicht an David oder an Mose. Sie glauben nur an Gott. Wenn in den synoptischen Evangelien es von Glaube die Rede ist, ist immer der Glaube an Gott gemeint. Sagen wir mal Markus 11 Glaubt an Gott, sagt Jesus. Wer zu diesem Berg sprechen würde, hebe dich hinweg. Und er würde in seinem Herzen nicht zweifeln, dass es geschieht. Dann würde es geschehen. Alles, was ihr im Gebet bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt.

76:04
Also der Glaube ist wie das Gebet auch auf Gott gerichtet. Jesus sagt nie bei den Synoptikern Glaubt an mich. Das geht ja, das geht nicht. Bei einem Juden ist ja eine monotheistische Religion. Nehmen wir mal das Lukasevangelium. Im Lukasevangelium steht nie Glaube an Jesus. Nie. Aber in der Apostelgeschichte ständig. Weil du kannst nur an den Auferstandenen glauben. Der christliche Glaube setzt ja den Tod und die Auferstehung voraus. Es ist ein umfassender Glaube an Jesus, dass er mich mit Gott versöhnt, dass er mich erlöst von Tod und Sünde und dass er mein Kyrius, mein Herr und Christus ist. Das geht alles nur nach Ostern. Auch der Ausdruck Jesus Christus ist nur nach Ostern möglich.

77:02
Jetzt natürlich in den Evangelien steht es überall, aber das setzt immer die Auferstehung voraus. In den Heilungsgeschichten heißt es oft, fürchte dich nicht, Glaube nur. Oder bei den vier Männern, die den Gichtbrüchigen runterlassen, heißt es, als Jesus ihren Glauben sah. Ja, da ist ja mit Glaube nicht gemeint, dass Jesus mich mit Gott versöhnt, mich erlöst. Nein, das ist einfach das Zutrauen, dass Jesus mir aus dieser Not in Gottes Kraft helfen kann. Also das Wort Glaube bei den Synoptikern heißt nicht das Gleiche wie Glaube bei Johannes. Bei den Heilungsgeschichten geht es bei Glaube immer darum, hast du das Zutrauen zu mir, dass ich in Gottes Vollmacht dir aus deiner Not heraushelfen kann. Das ist Glaube. Aber der christliche Glaube setzt ja Tod und Auferstehung voraus.

78:02
Aber im Johannes-Evangelium ist dauernd schon vor Ostern, dauernd von Glaube an Jesus Christus. Also das kann man nur den Auferstandenen. Dann gibt es zum Beispiel im Johannes-Evangelium folgenden Text in Johannes 6, 53 bis 56. Das ist ein eigenartiger Text. In Johannes 6 sagt Jesus. Amen, Amen. Ich sage euch, wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst und sein Blut trinkt, dann habt ihr kein Leben in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben und ich werde ihn am jüngsten Tag auferwecken. Denn mein Fleisch ist die wahre Speise und mein Blut ist der wahre Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Wieder immer Nennsprache. Ja also klingt sehr kannibalisch. Jetzt stellt euch mal vor, stellt euch mal ernsthaft vor, das hätte der irdische Jesus gesagt.

79:07
Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt. Und das sagt er zu Juden. Ja die Armen, das ist ja bizarr. Das ist ja irgendwie psychiatrisch. Wie sollen denn die Juden ahnen, dass Jesus in seiner letzten Nacht ein Abendmahl stiftet, das dann danach in der Christenheit zu einem sakramentalen, sage ich jetzt mal so, essen und trinken wird. Wenn das der irdische Jesus gesagt haben soll, der Text ist einfach bizarr. Das kann nur nachösterlich gemeint sein, weil es gab, das wissen wir, zwischen den Juden und den Judenchristen harte Auseinandersetzung wegen dem Abendmahl. Essen die da irgendwie Jesus symbolisch oder wie? Also der Text, der wird wirklich neurotisch, wenn das der irdische Jesus war.

80:05
Also den kann ja niemand verstehen. Gut also jetzt haben wir Glauben an, dann dieser Text und dann im Johannes-Evangelium ist Jesus präexistent. Er lebt vor seiner Geburt. Gleich beim Prolog, gleich der erste Satz geht gleich los. Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort und dieses war im Anfang bei Gott. Und dieses Wort wird dann Fleisch. Ja, aber das gibt es bei den Sinoptikern nicht. Bei den Sinoptikern hat Jesus nicht vor seiner Geburt gelebt. Er ist jungfräulich geboren und das ist auch eine Beobachtung, die man nur macht, wenn man methodisch sorgfältig forscht. Die zwei Schriften, wo Jesus jungfräulich geboren ist, das ist Matthäus und Lukas, da hat Jesus keine Präexistenz.

81:00
Und da wo Jesus präexistent ist, gibt es keine jungfräuliche Geburt. Es ist ein entweder oder. Wir können das nicht sicher, wie immer das zu erklären ist, es könnte sein, dass bei der Vorstellung der jungfräulichen Geburt gemeint ist, dass Jesus hier entstanden ist. Also nicht, dass er vorher schon gelebt hat. Also ich will mal nur sagen, ich bin ja nicht euer Papa, könnt ja selber nachdenken, die zwei Schriften, bei denen Jesus jungfräulich geboren ist, gibt es keine Präexistenz. Und die Schriften, wo Jesus präexistent ist, gibt es keine jungfräuliche Geburt. Also da muss man drüber nachdenken. Aber man muss das erst mal registrieren. Das sind biblische Tatbestände, die muss man erst mal in den Blick nehmen. Also im Johannesevangelium ist Jesus präexistent. Er war schon bei der Schöpfung, hat er mitgewirkt nach dem Prolog.

82:00
Und in Johannes 8, mitten in einem Gespräch mit Jerusalemer Stadtbevölkerung, wo er auch sagt, ich bin der Messias, sagt Jesus, ehe Abraham wurde, bin ich. Ich möchte mal, wenn das der irdische Jesus in Jerusalem sagt, ein Jude kann doch nicht zu einem Juden sagen, ehe Abraham wurde, bin ich. Der würde aber sofort in die Psychiatrie eingeliefert. Diese Sätze kann der irdische nicht gesagt haben. Und im hohen priesterlichen Gebet betet Jesus, Vater verherrliche mich mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war. Und am Ende vom hohen priesterlichen Gebet, Vater, du hast mich mit der Liebe geliebt, die du hattest, vor Grundlegung der Welt. Also im Johannesevangelium ist Jesus ganz klar präexistent. Wollt ihr da sagen, das ist eine Ergänzung.

83:01
Man hat dann im Johannesevangelium ergänzt, dass er prä- das war ein ganz anderer Horizont. So, ihr Lieben, ob ihr es glaubt oder nicht, wir nähern uns dem Ende. Gut, jetzt will ich euch den Schlüssel sagen, also ich brauche jetzt noch vielleicht fünf, sechs Minuten. Ich will euch den Schlüssel sagen, den hermeneutischen Schlüssel, wie man da drauf kommen kann. Also zunächst mal erforderlich ist methodisch bewusstes Lesen unter ganz bestimmten Fragestellungen. Dann wird das Lesen immer aufmerksamer. Aber die Abschiedsreden, die sind der Schlüssel. In den Abschiedsreden redet Jesus von einem Parakleten. Den gibt es bei den Synoptikern nicht. Er ist aber bei Johannes die entscheidende Figur, mit Jesus zusammen. Der Paraklet ist nämlich der Geist der Wahrheit.

84:02
Und er wird in euch sein und in euch bleiben. Und er wird euch alles lehren. Er wird es von meinen nehmen. Er wird mich bezeugen. Er wird mich verherrlichen. Ja, was sind diese Bezeugungen? Alle Hoheitsaussagen im Johannes-Evangelium verdanken wir dem Parakleten. Dass Jesus das Licht der Welt ist, das Brot des Lebens. Dass er sagt, wer an mich glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen. Stellt euch mal vor, er sagt es einem Juden in Jerusalem. Das ist einfach, das geht nicht. Du, Jude, ich bin das Brot des Lebens. Das geht einfach nicht. Das muss man spüren lernen. In den entsprechenden christlichen Kreisen ist man das gewohnt. Ja, Jesus ist doch das Brot des Lebens. Und dann die moderne Theologie, die will das.

85:01
Und da kommt dann irgendwie so komisches Zeug. Also, der Paraklet ist der Heilige Geist. Und er hat diese Dinge über den Auferstandenen offenbart. Im Johannes-Evangelium heißt es nämlich mehrfach, erst wenn ihr den Menschensohn erhöht haben werdet, werdet ihr erkennen. An jenem Tag werdet ihr erkennen. Es ist immer nach Ostern gemeint. Oder noch deutlicher, ich hätte euch noch vieles zu sagen, aber ihr verkraftet das jetzt noch nicht. Also, die Ich-Bin-Worte, dass wir an Jesus glauben, dass wir sakramental mit Jesus verbunden sind, dass er präexistent ist, diese Aussagen verdanken wir dem Parakleten. Der Paraklet ist nicht johannäische Theologie.

86:00
Das dürft ihr nicht verwechseln. Das ist Offenbarung durch den Heiligen Geist, nicht johannäische Theologie. Die Offenbarung des Parakleten liegt der johannäischen Theologie zugrunde. Aber es ist echte Offenbarung. Und jetzt stehen wir vor der Frage, können wir dem Parakleten zutrauen, dass er entscheidende Aussagen über den Auferstandenen macht, die vorher nicht möglich sind. In der johannäischen Gemeinde ist das die Grundlage. Er verherrlicht Jesus, indem er sagt, er ist das Licht der Welt, der gute Hirte, der wahre Weinstock. So verherrlicht der Paraklet den Auferstandenen und bezeugt ihn. Das ist echte Offenbarung. Also wenn alle diese Hoheitsaussagen der irdische Jesus schon gesagt hätte, was völlig abstrus ist, hätte eigentlich der Paraklet gar nichts mehr zu tun.

87:05
Was soll er denn noch in die ganze Wahrheit führen? Nein, das sind gerade die Hoheitsaussagen, die bei den Sinoptikern nicht möglich sind. Weil man kann sie nur vom Auferstandenen sagen. Also sagen wir mal, die Ich Bin-Worte, ich bin das Licht der Welt, ich bin das Boot des Lebens. Das ist hundertprozentige Wahrheit. Das ist Gottes Wort. Das hat höchste Autorität. In diesen Worten können wir leben und sterben. Diese Worte werden uns durch das Sterben tragen. Aber es sind keine historischen Worte des irdischen Jesus. Es ist ja so noch viel schöner. Es ist die Verherrlichung des Auferstandenen. Und jetzt zum Schluss, die ganzen Abschiedsreden Jesu setzen, wenn man mal die Schuppen von den Augen hat, die setzen alle eine nachösterliche Situation voraus.

88:01
Also die Abschiedsreden beginnen, glaubt an Gott und glaubt an mich. Ja, glauben an mich geht ja vor Ostern gar nicht. Dann sagt Jesus, ich werde vorausgehen, euch eine Bleibe suchen und wenn ich sie habe, komme ich wieder und hole euch zu mir. Das kann doch nicht nur zu den 11 oder 12, je nachdem ob Judas noch dabei war, das kann doch nicht nur zu diesen 11 Jüngern gesprochen sein. Ich werde vorausgehen und euch, das sind doch alle Glaubenden gemeint. Das passt doch gar nicht in so eine Abschied. Oder wenn jemand, wenn Jesus sagt, wer meine Gebote hält, wer mich liebt, wer mich nicht liebt. Dieses Wer, das sind doch nicht nur die 11 beim Abschied, das sind, das ist praktisch die joanäische Lesegemeinde, das sind alle, die an den Auferstandenen glauben. Jesus kann doch nicht sagen, ich lebe und ihr sollt auch leben.

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Wie soll er denn das vor dem Tod sagen? Er stirbt ja gleich, aber in Abschiedsreden sagt Jesus, ich lebe und ihr sollt auch leben. Dieser Ausdruck, ich lebe meint, ich habe den Tod überwunden. Ich habe ihn hinter mir. Ja, das kann doch nur der Auferstandene sagen. Oder alles, was Gott hat, ist meins. Oder ich habe dein Werk vollendet. Oder er sagt, ich bin nicht mehr in der Welt, Sie aber sind noch in der Welt. Also, die Abschiedsreden setzen ganz klar eine Situation voraus nach Ostern. Und der Paraklet ist der entscheidende Offenbarungsträger, der diese herrlichen Aussagen über den Auferstandenen möglich gemacht hat. Jubilate, hallelujah.

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Das besondere Evangelium – Wie unterscheidet sich das Johannes-Evangelium von den drei anderen Evangelien? | 9.2.2

Worthaus 9 – Tübingen: 8. Juni 2019 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Wozu gibt es eigentlich vier Evangelien, wenn sie doch alle irgendwie die gleiche Geschichte erzählen? Hätte man das nicht zusammenfassen können?
So einfach ist es natürlich nicht, erklärt Siegfried Zimmer. Im Gegenteil, die Evangelien erzählen zwar alle die Geschichten von Jesu Wirken auf der Erde, seinem Tod und Auferstehung, doch gerade das Johannes-Evangelium unterscheidet sich grundlegend von den drei älteren Erzählungen. Im Johannes-Evangelium hält Jesus lange Reden, spricht zu einem Jünger, den er scheinbar besonders liebt, er wäscht seinen Jüngern die Füße und sagt über sich selbst Unerhörtes – Sätze für die er eigentlich „in die Psychiatrie“ gekommen wäre, wie Zimmer sagt. Worüber Jesus im Johannes-Evangelium – im Gegensatz zu den anderen Evangelien – nicht spricht, sind Nächstenliebe, Feindesliebe und all die Menschen, die besonderen Schutz brauchen, Waisen, Witwen, Prostituierte. Warum das Johannes-Evangelium so anders ist, erklärt Zimmer natürlich auch und rückt damit die Evangelien in ein neues Licht. Und man merkt schnell: Es ist mal wieder wichtig, aus welcher Richtung wir auf die Bibel schauen.