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Die Gerichtspropheten und ihr Kampf um Recht und Gerechtigkeit | 5.3.2

Worthaus 5 – Heidelberg: 23. Mai 2015 von Prof. Dr. Simone Paganini

Simone Paganini präsentiert einen exegetischen Ansatz, der dem einen oder der anderen Zuhörenden durchaus »das Blut in den Adern gefrieren« lassen kann. Denn er negiert zunächst die historische Relevanz des Textes und konzentriert sich rein auf den literarischen Inhalt. Er macht klar, dass Propheten eigentlich immer ein ziemlich übles Los nach dem folgenden Muster gezogen haben: »Es gibt eine Notsituation. Deshalb beruft Gott einen Propheten. Der will aber nicht. Er bittet Gott dann aber um ein Zeichen, um den Job dann doch zu machen. Und am Ende scheitert er, weil niemand die Botschaft Gottes hören oder befolgen möchte.« Dieses Muster wird in der Regel mit den Worten »Und es erging das Wort des Herrn an« eingeleitet und der literarische Exeget weiß dann schon wie der Hase läuft – so ähnlich wie bei der Standard-Märchen-Eröffnung »Es war einmal«. Doch sind die prohetischen Erzählungen auch fiktive Geschichten? Und wäre es tragisch, wenn beispielsweise die Jona-Geschichte eine rein fiktive Erzählung ist? Steckt nicht auch in dem Text allein die entscheidende Botschaft?
Diesen Fragen geht Simone Paganini nach und macht dabei deutlich, dass der »Gott der Propheten« eine klare Vorstellung davon hat, wie eine Gesellschaft sein sollte: Solidarisch. Es geht um die Unterstützung der Armen und Unterdrückten, um Kritik an den Mächtigen und der damit verbundenen Ungleichheit. Und die ist leider keine Fiktion, sondern knallharte Realität – damals wie heute.

28. Juli 2022

Gotthold Ephraim Lessing – Bibelkritik in der Aufklärung | 11.13.1

Stell dir vor, du lebst in einem Land, in dem du nicht frei sagen kannst, was du denkst. Im schlimmsten Fall kommst du für unerwünschte Aussagen ins Gefängnis, oder du verlierst nur deine Arbeitserlaubnis, wirst gemieden und ausgelacht. Nicht schön. Gotthold Ephraim Lessing lebte im falschen Land zur falschen Zeit, um geradeheraus zu schreiben, was er dachte. Also schrieb er verschlüsselt, schrieb Nathan der Weise und Emilia Galotti. Er war clever, versteckte, was er wirklich dachte, in Theaterstücken. „So raffiniert, dass er manchmal wahrscheinlich selber nicht wusste, was er dachte“, sagt Thorsten Dietz. In seinem Schlüsselvortrag über die Bibelkritik in der Aufklärung, erklärt er zentrale Weichenstellungen im 18. Jahrhundert, die uns bis heute betreffen. Anschaulich, aber anspruchsvoll beschreibt er das Leben Lessings, seine Lehren und den großen Streit unter Gelehrten, in dem Lessing die Hauptrolle spielte. Denn er war nicht nur Theaterautor. Er war auch Bibliothekar. Und eines Tages, irgendwann um das Jahr 1777 herum, fand Lessing Texte von Hermann Samuel Reimarus. Echtes Dynamit, das merkte Lessing schnell. Texte, die den gesamten christlichen Glauben infrage stellten. Echtes Plutonium in einer Zeit, in der ohnehin noch Glaubenskriege tobten. Lessing veröffentlichte die Texte. Und entfesselte damit einen Streit, der unser Verständnis von Glaube und Geschichte bis heute prägt.